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ÄRZTE IN DER NS-ZEIT Ein Nazi, kein Parteimann Der Chirurg Albert Wilhelm Fischer als Klinikchef und Dekan der Medizinischen Fakultät Kiel im Nationalsozialismus. Albert Wilhelm Fischer

ntgegen der landläufigen Meinung nicht zu einem überzeugt erscheinen- von ansonsten fast regelmäßig festzu- erlaubt eine Mitgliedschaft in der den Gefolgsmann der NSDAP und ihrer stellenden parteipolitischen Eingriffen Nationalsozialistischen Deutschen Gliederungen.2 der NSDAP in Berufungsvorgänge Arbeiterpartei (NSDAP) bzw. ih- Neben seiner auf den Ersten Welt- mit den gescheiterten Versuchen von ren Untergliederungen und Orga- krieg zurückzuführenden positiven Ein- Vettern- und Günstlingswirtschaft durch nisationen oder auch die Übernah- stellung zum Soldatentum war er Hoch- den Dekan Hanns Löhr und den Gaulei- me von Ämtern im Auftrag der schullehrer und Chirurg. Diese Aufga- ter Hinrich Lohse einen Einblick in die ENSDAP nicht unbedingt Rückschlüsse ben wollte er ungestört ausüben, dafür Kieler Verhältnisse und die Grenzen re- auf die Einstellung der betreffenden Per- verschaffte er sich Rückendeckung mit gionaler Machtausübung im Hochschul- son zum NS-Regime. Ein Beispiel kann seinen schon fast bizarr anmutenden bereich. hierfür das Verhalten des Kieler Hoch- Mitgliedschaften. Nicht einer von ih- schulchirurgen Albert Wilhelm Fischer nen konnte und wollte er bei seinen Ver- A. W. Fischers Berufung im „Dritten Reich“ geben. pflichtungen als Lehrstuhlinhaber, Lei- Der etwas mehr als drei Jahrzehnte als Raul Hilberg beschreibt zwei unter- ter der Chirurgischen Universitätskli- Direktor der Kieler Universitätschirur- schiedliche Formen des Engagements nik und zeitweise einziger in der Klinik gie tätige Willy Anschütz reichte nach im Nationalsozialismus. Er differenziert präsenter Facharzt, als beratender Arzt zwei Jahren kommissarischer Leitung zwischen dem „Nazi“ und dem „Partei- und Geschwaderarzt der Marine gerecht seiner Klinik mit 67 Jahren Anfang 1937 mann“ wie folgt: „Als Nazi galt jeder, so- werden. Spätestens seine noch darzustel- sein Emeritierungsgesuch ein.5 Für ihn lange er nicht durch sein eigenes Verhal- lende Kollision mit dem Leiter des SS- musste nun ein passender Nachfolger ten das Gegenteil bekundete. […] Par- Abschnitts Kiel durch die Behandlung gefunden werden. Schon im April 1936 teimänner waren nur diejenigen, die der beiden schwer verletzten jüdischen hatte Anschütz Albert Wilhelm Fischer ein Parteiamt innenhatten, ihre Stel- Opfer der Kieler Pogromnacht vom auf dem Chirurgen-Kongress in Berlin lung der Partei verdankten oder bei Un- 9. November 1938 dürfte allerdings seine darüber informiert, dass er, Fischer, stimmigkeiten zwischen der Partei und zunächst selbstbewusste Haltung gegen- demnächst einen Ruf nach Kiel erhalten den anderen Hierarchien die Parteiinte- über den Nationalsozialisten beeinträch- werde. Die Kieler Medizinische Fakul- ressen vertraten“.1 Fischer war Nachfol- tigt haben. Das übliche Quellenmaterial, tät habe ihn, wie Anschütz Fischer mit ger Löhrs als Dekan und im Gegensatz selbst wenn es vollständiger wäre, als es Schreiben vom 12. September 1936 noch zu seinem Vorgänger zweifellos „nur“ 2 hier erwartet werden kann, erlaubt nur einmal bestätigte, als alleinigen Kandi- 6 ein Nazi, kein Parteimann. Durch sei- Jahre dauerten die unscharfe weitere Aussagen. Als Dekan daten bereits 1936 ausgewählt. ne Mitgliedschaft in nationalsozialisti- Vorgänge um A. W. machte er auf der einen Seite den Fakul- Offenbar war der Ordinarius für schen Organisationen wie der NSDAP, Fischers Berufung tätsausschuss wieder zu einem kollegia- Chirurgie der Universität Gießen aus der Nationalsozialistischen Volkswohl- zum Direktor der Kie- len Leitungsorgan, auch hatte er keine der Sicht der Fakultät zu diesem Zeit- ler Uni-Chirurgie. fahrt, dem NS-Kraftfahrerkorps, dem Hemmungen, entgegen den Bestim- punkt der einzige Chirurg, der für die NS-Ärztebund, dem NS-Dozentenbund mungen in seiner Klinik mindestens ei- Nachfolge von Anschütz infrage kam. und dem NS-Altherrenbund erweckt er nen polnischen Arzt als Arzt und einen Tatsächlich sollte der Vorgang um Fi- den Eindruck, als bestünde ein beson- polnischen Sergeanten als „Hausdiener“ schers Berufung nach Kiel jedoch ins- 5 3 ders enges Verhältnis zum Nationalsozi- zu beschäftigen. gesamt fast zwei Jahre in Anspruch neh- alismus und seinen Strukturen. Fischer Semester lang war Fi- Auf der anderen Seite steht Anfang men. Ende 1936 hatte der Kurator den scher Dekan der Me- war zwar von Mitte 1941 über einen Zeit- dizinischen Fakultät. 1944 die Unterstützung der auf erbar- Rektor um Vorschläge für die Nachfolge raum von fünf Semestern Dekan der mungslosen Menschenversuchen beru- von Anschütz gebeten, die von diesem Medizinischen Fakultät, fiel jedoch in henden Veröffentlichung seines Volon- wenig später an den Dekan der Medizi- keiner Weise – auch davor und danach tärassistenten, des KZ-Arztes Ernst Fro- nischen Fakultät weitergeleitet wurden.7 nicht – durch besonderen nationalsozi- 9 wein – ein Vorgang, der deutlich macht, Die Komplikationen dieses im Grun- alistischen Eifer auf. Selbst seine Zuge- Jahre nach Kriegsen- dass Fischer zu dieser Zeit nicht mehr de einfachen Berufungsvorgangs erklä- hörigkeit zur SS mit dem letzten Dienst- de kehrte Fischer an bereit war, einen Konflikt mit der SS bzw. ren sich aus sachfremden Einflussnah- grad Sturmbannführer machte ihn über die Uni zurück. dem SD einzugehen.4 Schon die Vorgän- men des Kieler Medizindekans und un-

einen Nazi hinaus erstaunlicherweise ge um seine Berufung geben losgelöst abhängig von ihm des schleswig-holstei- Univers. Chirurgie Foto: AUSGABE 5 | MAI 2015 IM NORDEN // 19

nischen Gauleiters. Sowohl Hanns Löhr haft ehrgeizig, nicht immer im angeneh- Dienstgrad Oberarzt der Reserve aus wie auch sein Parteifreund Hinrich Loh- men Sinne des Wortes. [...] Gegen Rie- dem Heeresdienst entlassen. Im Gegen- se verfolgten andere Ziele, als den so- der nahmen seiner Zeit sowohl der Ver- satz zu seinen späteren Kieler Kollegen gar aus nationalsozialistischer Sicht ver- trauensmann als auch die drei ältesten Löhr, Holzlöhner, Vonkennel und nünftigen Vorschlag der Medizinischen Nationalsozialisten des Krankenhau- Philipp nahm er nicht an Kämpfen der Fakultät zu unterstützen. Eigentlich gab ses Eppendorf vollkommen unabhän- Freikorps teil, sondern wurde noch vor es zu Fischer aufgrund seines Werde- gig voneinander eine ablehnende Stel- seiner Demobilisierung im Januar 1919 gangs, seines Könnens, seiner Erfahrung lung bei der Frage der Berufung nach Volontär-Assistent in der Chirurgischen und seiner parteipolitischen Orientie- Tübingen. [..]“ Der Kieler Oberarzt Puhl Universitätsklinik Halle, ab Oktober rung keine Alternativen. Löhr wollte sei- sei nur genannt worden, so Löhr, damit dann bereits planmäßiger Assistent. Im nen Bruder aus auf den chi- dieser nicht als ungeeignet für eine Be- April 1920 wurde er zunächst Assistenz-, rurgischen Lehrstuhl in Kiel holen. Dies rufung angesehen werde. Und dann ka- dann Oberarzt an der Chirurgischen war im Grunde unmöglich, da bei den men kaum noch überraschend fast an- Universitätsklinik in a. M., Nationalsozialisten allzu offensichtli- derthalb Seiten mit positiver Darstel- wo er sich im Mai 1923 habilitierte und che Vetternwirtschaft nicht gerne gese- lung seines Bruders Wilhelm Löhr.12 im März 1928 nichtbeamteter außeror- hen wurde. Lohse wollte mit der Protek- Parallel dazu hatte sich der Gauleiter dentlicher Professor wurde. 1933 erhielt tion des Freiburger Chirurgen Hans Ki- und Oberpräsident von Schleswig-Hol- er den Ruf zum ordentlichen Professor lian eine Dankesschuld für gelungene stein, Hinrich Lohse, persönlich beim und Direktor der Chirurgischen Univer- Operationen seiner schweren Kriegsver- Reichserziehungsminister Berthold Rust sitätsklinik in Gießen.15 Vom Winterse- letzungen ableisten.8 Hanns Löhr teilte für den Chirurgen Hans Killian aus Frei- mester 1934/35 bis Sommersemester 1936 in Vorwegnahme der Beratungen im Fa- burg eingesetzt. Offenbar war er auf war er dort Dekan, danach bis Sommer- kultätsausschuss, der seine nächste Sit- Ablehnung gestoßen.13 Löhr war vom semester 1937 Prodekan. In Gießen setz- zung erst am 12. Januar 1937 hatte, schon Reichserziehungsministerium aufgefor- te er sich als Dekan nicht nur für die Ein- am 8. Januar den Vorschlag der Medizi- dert worden, auch zu Killian Stellung richtung eines Instituts für Rassenhygi- nischen Fakultät über den Rektor dem zu beziehen, die in seinem Schreiben ene ein,16 sondern war auch ein Anhän- Reichserziehungsministerium mit.9 vom 21. Juli 1937 wenig überraschend ger der „erbhygienischen“ Maßnahmen Vorgeschlagen wurde eine Dreierlis- ähnlich wie bei Götze, Rieder und Puhl des Systems.17 Fischer gehörte aber nicht te mit 1. Fischer (Gießen), 2. Götze (Er- auch nicht positiv ausfiel, weil Kilian, so zu den Nationalsozialisten, die sich in langen) sowie 3. Puhl (Kiel)10 und Rie- Löhr, „zur Leitung eines derartig wichti- der „nationalen Revolution“ besonders der (). Wörtlich schreibt De- gen und großen Instituts [...] noch nicht engagierten.18 Auch traf er als Dekan in kan Löhr dann weiter: „Gleichzeitig das notwendige Ausmaß hat“ und er mindestens zwei Fällen vernünftige Ent- lässt die Medizinische Fakultät durch ein Referat beim Pharmakologenkon- scheidungen zugunsten jüdischer Pro- mich mitteilen, daß sie den Prof. Wil- gress im Oktober 1935 eingereicht habe, movenden.19 helm Löhr aus Magdeburg, in voller Be- das „ganz einseitig das ausländische Co- Fischer war offensichtlich entschlos- urteilung seiner wissenschaftlichen Tä- ramin den ebenso gleichwertigen deut- sen, seine Karrierechancen im „Drit- tigkeit an die 2. Stelle gesetzt haben wür- schen Präparaten [...] vorzog. [...] wurde ten Reich“ zu wahren, ohne dass er zu de, wenn nicht die verwandtschaftli- auf diesem Kongreß von unseren besten besonderen politischen Aktivitäten be- chen Beziehungen zu dem endesunter- Pharmakologen [...] ein Teil der Versu- reit war. So trat er bereits 1933 noch in zeichneten Dekan dieses von vornherein che von Kilian als völlig falsch widerlegt, Frankfurt in die NSDAP ein.20 1938 wur- nicht als richtig erscheinen ließ.“11 Im [...]“.14 Erst zum 1. April 1938 wurde Al- de er in Kiel Mitglied der SS.21 Seine Begleitschreiben zur Liste wurde Fischer bert Wilhelm Fischer ordentlicher Pro- Mitgliedschaften in nationalsozialisti- fachlich positiv dargestellt. Zusammen- fessor für Chirurgie an der Kieler Chris- schen Untergliederungen und Verbän- fassend stellte Löhr zu ihm fest: „[...] tian Albrechts Universität. Das Reichs­ den sind bereits erwähnt worden. Dazu hat nach meiner persönlichen Kennt- erziehungsministerium hatte mittler- passt auch sein Austritt aus der evan- nis sich am Aufbau einer nationalsozi- weile Wege gefunden, seine Vorstellun- gelischen Kirche 1937, der von ihm spä- alistischen Wissenschaft an der Giesse- gen gegenüber von außen kommenden ter zwar inhaltlich mit Glaubensargu- ner Hochschule warm eingesetzt.“ Zu Einflussnahmen, wie z. B. dem Hoch- menten begründet wurde,22 aber ebenso Götze, Rieder und Puhl fand Löhr dann schulausschuss in München, der SS und wie bei vielen anderen Nationalsozialis- nur noch abwertende Urteile, obwohl auch den regionalen NS-Vertretern wie- ten wahrscheinlich einen ideologischen sie von der Fakultät vorgeschlagen wor- der häufiger durchzusetzen. Info Hintergrund hatte. Fischer erweckt auch den waren. Bei Götze schreibt er u. a.: während seiner Tätigkeit in Kiel den  „Ich als der unterzeichnete Dekan möch- Zur Person A. W. Fischers Im Entnazifizie- Eindruck eines Medizinprofessors, der rungsverfahren wur- te jedoch gegen die Berufung von Götze Albert Wilhelm Fischer wurde am de Fischer zunächst sich mit dem nationalsozialistischen Re- nach Kiel trotz aller wissenschaftlicher 10. August 1892 als Sohn des Oberre- als Mitläufer ohne gime arrangiert hatte, von ihm zumin- Wertung die Bedenken geltend machen, gierungs- und Baurates Alfred Fischer Vermögenssperre, dest zeitweise fasziniert war und sich daß Götze sich selbst doch anscheinend in Berlin-Lichterfelde geboren. Er war später als entlastet in einem gewissen Umfang auch einbe- eingestuft. bei einer an und für sich nicht sehr gro- evangelisch, besuchte bis zum Abi-  Für eine Rückkehr ziehen ließ – aber nicht bereit war, be- ßen Klinik wie Erlangen nicht um den tur 1910 das Real-Gymnasium in Ber- auf seinen früheren stimmte Grenzen, die er für sich als Arzt praktischen Betrieb so intensiv beküm- lin-Lichterfelde, studierte bis zur Kriegs- Posten war es damals und Hochschullehrer gesetzt hatte, zu mert hat, daß er als Chef voll verant- Staats-Prüfung in Halle im März 1915 zu spät – deshalb überschreiten. Typisch hierfür ist sein wortlich für alle Dinge an seinem Insti- in Halle, Freiburg im Breisgau, Rostock wurde ein zweiter chi- Brief an seinen Frankfurter „Klinikka- rurgischer Lehrstuhl tut auch einstehen kann.“ Und zu Rieder und Berlin Medizin, im April 1915 er- in Kiel geschaffen. meraden“ SS-Standartenführer Hans u. a. „Man kann sich zwar nicht ganz des folgte die Promotion in Halle. Im August  Nach seiner Emeri- Holfelder vom 12. Juni 1937: „Lieber Hol- Eindrucks erwehren, als wenn Rieder zu 1914 trat er als Kriegsfreiwilliger in das tierung wurde er Prä- felder! Im Vorjahre hat man mir ver- den Vielschreibern neigt. [...] Ich halte Ersatz-Bataillon des Grenadier-Regi- sident der Deutschen schiedentlich nahegelegt, in die SS zu es jedoch für meine Pflicht, darauf hin- ments 12 ein, konnte dort noch sein Stu- Gesellschaft für Chi­ kommen, ich habe das bisher mit Er- rurgie und erhielt das zuweisen, daß gegen Rieder [...] gewis- dium beenden und wurde ab Septem- Große Verdienstkreuz folg abgelehnt, weil ich, abgesehen von se negative Charaktereigenschaften gel- ber 1915 bei verschiedenen Kämpfen als der Bundesrepublik anderen Dingen, keine Zeit neben mei- tend gemacht werden. Er gilt nach mir Sanitätsoffizier in Nordfrankreich ein- Deutschland. nem Beruf dafür habe. Nun kommst Du durchaus objektivem Urteil als krank- gesetzt. Im März 1919 wurde er mit dem mit dem gleichen Ansinnen und der Zu- 20 // IM NORDEN MAI 2015 | AUSGABE 5

sicherung, ich solle nur als fachchirur- ler Funktionären wurde nach einer an- Schritte vorbehalten müsse. Als Fischer gischer Berater und Prüfer der Sanitäts- tisemitischen Hetzrede von Goebbels sich jede Einmischung in seine ärztli- mannschaften alle Halbjahre mal mit- telefonisch die Festnahme aller Kieler chen Aufgaben verbat, wurde der SS- machen. Sei mir nicht böse, aber ich Juden befohlen. Darüber hinaus ordne- Oberführer sehr grob, drohte mit wei- mag diese Bindung nicht eingehen. Da te die in Kiel verbliebene regionale nati- teren Maßnahmen und brach das Ge- uns ja nichts anderes übrig blieb, woll- onalsozialistische Führung über die aus spräch ab. In einem Schreiben Fischers ten wir unsere Stellung nicht gefährden München gegebenen Anweisungen hi- an den Oberführer vom 14. Novem- und nicht als schlechte Deutsche gel- nausgehend an,26 dass in Kiel in der Po- ber 1938 versucht sich Fischer zu recht- ten, bin ich schließlich 1934 zum NSKK gromnacht zwei Juden sterben sollten.27 fertigen: „Ich kann Ihnen in dieser An- gegangen und hatte dort ab und zu bei Aus einer Liste des Kieler Sicherheits- gelegenheit nur mitteilen, dass meine der Vorbereitung der sanitären Dinge dienstes der SS wurden unter den „poli- Zugehörigkeit zur SS als Staffelanwär- für das Rennen rund um Schotten usw. tisch gefährlichsten Juden“ nach einem ter34 nichts mit meiner allgemeinen Be- ganz nette Tätigkeit. Damit habe ich den Bericht des Stabsführers der SA-Grup- rufspflicht als Arzt zu tun hat. Wenn ein Anforderungen entsprochen, die man pe Nordmark, Oberführer Vollquard- Kranker oder ein Verletzter in die Klinik an uns stellt. Zudem ist der Kreis im sen, zwei unter jenen herausgesucht, kommt, dann wird ihm jede nur mögli- NSKK ganz nett, Herzog, Pitzen, Hilde- die sich noch in Kiel aufhielten. Wört- che Hilfe zu Teil, wobei es vollkommen brandt sind auch dabei. Nur Dir kann lich hieß es in den Akten: „Es waren das gleichgültig ist, ob es sich dabei um ei- ich aus alter Klinikkameradschaft her- der Jude Lask und der Jude Leven. Beide nen Christen, jüdischen Kaufmann oder aus so offen schreiben. Du weisst ja auch sollten verhaftet und bei der geringsten sonst wen handelt, oder ob der Einge- von früher, dass ich sowieso der politi- Regung erschossen werden. […] Gegen lieferte Nationalsocialist oder Commu- schen Abstempelung des Arztes mit sei- Morgen wurde bekannt, daß die beiden nist ist.“35 nen caritativen und damit internatio- Juden in schwerverletztem Zustand in Nach einem solchen Schreiben nalen Aufgaben sehr skeptisch gegen- der Chirurgischen Klinik der Universi- überrascht es nicht, dass Löhr Fischer ei- überstehe, davon muss man heute ja ab- tät eingeliefert worden seien. Damit war nige Tage später mitteilte, dass eine An- solut schweigen. Aber gibt es eine ‚deut- die Aktion abgeschlossen. Es ist nach- zeige gegen ihn bei der Gestapo vorlie- sche Appendicitis‘ oder ist diese nicht zutragen, daß die beiden schwerverletz- ge. Diese Anzeige bezog sich aber nicht vielmehr überall gleich?? Also tu mir ten Juden sich auf dem Wege der Besse- auf die Behandlung der beiden SS-Op- die Liebe und sucht Euch einen anderen. rung befinden.“28 Beide konnten noch fer, dies war den örtlichen nationalsozi- Herzlichst Dein.“ 23 1939 nach England emigrieren, wo Le- alistischen Machthabern wohl doch zu Die Kopie des Durchschlages die- ven und Lask 1946 ausführliche Berichte heikel, sondern darauf, dass sich Fischer ses Briefes, die sich in den Entnazifizie- über den Hergang der Verhaftung durch angeblich prahlerisch über seine Opera- rungsunterlagen findet, hat jedoch nur die SS-Mordkommandos abgaben. Peter tion an Lask und Leven geäußert haben einen geringen Beweiswert.24 Hans Hol- Leven war nach der „Festnahme“ in der solle. Die Anzeige war inhaltlich falsch. felder konnte nicht mehr befragt werden, Moltkestraße aufgefordert worden weg- Der Bitte Fischers an Löhr, ihn den An- da der zum SS-Oberführer beförderte zulaufen. Dann wurde auf ihn geschos- zeigenden gegenüberzustellen, wurde Arzt 1944 bei den Kampfhandlungen in sen, er wurde von drei Schüssen getrof- nicht entsprochen. Der weitere Verlauf der Region Budapest gefallen war. Für fen und auf dem Gehweg liegen gelassen, zeigte, dass Löhr wohl genug Einfluss die Richtigkeit der Abschrift könnte der um zu sterben.29 Die Einlieferung Le- als SS-Oberführer hatte, um Fischer vor unter Freunden gelegentlich übliche läs- vens in die Chirurgische Klinik erfolgte weiteren Folgen durch Maßnahmen der sige sprachliche Ausdruck sprechen, der wenig später. Bei dem 59-Jährigen wur- Gestapo zu bewahren.36 Vielleicht war sich deutlich von jenem in den Schrei- de ein Tangentialschuss Mitte Schädel- es aber auch nur der Zufall, dass Fischer ben der „Persilscheingeber“ in den Ent- dach, ein Unterkiefersteckschuss und dem einflussreichen Kieler SS-Standar- nazifizierungsunterlagen Fischers unter- ein Konturschuss30 der linken Lenden- tenführer Arved Theuermann im Früh- scheidet, aber ganz besonders auch die gegend diagnostiziert, die Wunden wur- jahr 1939 durch sein operatives Können aus den gesamten vorliegenden Quellen den von A. W. Fischer mithilfe von As- das Leben retten konnte. 37 erschließbare Persönlichkeit A. W. Fi- sistenten versorgt.31 Gustav Lask erging schers. SS-Angehöriger wurde er jedoch es ähnlich. Auf ihn wurden von SS-Leu- Lehrstuhlinhaber und Direktor trotz seiner hier sichtbar werdenden ten drei Schüsse aus einer Parabellum- der Universitätschirurgie Haltung noch 1938 – zunächst als SS-An- pistole abgegeben, von denen ihn zwei Fischer publizierte insgesamt mehr als wärter, später dann seinen soldatischen trafen. Er rettete sich in einen Vorgar- 300 Arbeiten. Zu den wichtigsten gehö- Dienstgraden folgend als SS-Ober- ten, wurde nach langer Wartezeit durch ren Handbuchbeiträge zur Kriegschirur- sturmführer und SS-Sturmbannführer. eine von der Gestapo verursachte Behin- gie, Beiträge zur chirurgischen Operati- derung des Krankenwagens in die Uni- onslehre, Arbeiten über die Abdominal- A. W. Fischers Verhalten in versitätschirurgie gebracht.32 Diagnos- chirurgie sowie Handbücher über ärzt- der „Reichskristallnacht“ tiziert wurde ein Bauchdurchschuss mit liche Begutachtung und das Versiche- Am deutlichsten wird seine Einstellung Einschuss links neben der Wirbelsäule rungswesen.38 Seine wissenschaftlichen durch sein Verhalten in der Nacht von in Höhe des 2. und 3. Lendenwirbels und Arbeiten sind dem ärztlichen Bewusst- 9. zum 10. November 1938 in Kiel do- Ausschuss in der Mittellinie über dem sein, Wissen und Können nach fach- kumentiert.25 Das Attentat des 17-jähri- Nabel. Ihm rettete die Operation durch Info lich in Ordnung, sachlich verfasst, aber gen polnischen Juden Herschel Gryns- A. W. Fischer das Leben.33 Fischer erscheint als nicht ganz frei von politischen und ideo- zpan am 7. November 1938 auf den Le- Die operative Versorgung der bei- loyaler, nicht aber als logisch geprägten Aussagen. Dies kann überzeugter Gefolgs- gationssekretär Ernst von Rath in Paris den SS-Opfer blieb nicht ohne Folgen mann der Nationalso- beispielhaft an seinem Beitrag in den war der Auslöser eines reichsweiten Po- für Fischer. Am Tag nach der Operation zialisten – trotz zahl- Schriften der Wissenschaftlichen Aka- groms gegen die Juden. Es traf sich, dass rief ihn, der mittlerweile „SS-Anwärter“ reicher Mitgliedschaf- demie des NSDDB der Christian-Alb- an diesem Tag die nationalsozialistische war, der Kieler SS-Oberführer des SS- ten in nationalsozi- rechts-Universität gezeigt werden. Hier Führung traditionell den Jahrestag des Abschnitts XX an, machte ihm schwers- alistischen Organi- weist er darauf hin, dass Unfallverletzte sationen und trotz Putschversuches von 1923 unter der Be- te Vorwürfe, teilte mit, dass sein Han- Unterstützung einer anders als vor 1933 dazu verpflichtet sei- teiligung fast aller hohen nationalsozia- deln nicht der erforderlichen Haltung Veröffentlichung eines en, Operationen zu dulden, die in den listischer Funktionäre in München feier- nach dem Attentat auf von Rath entspro- KZ-Arztes. Bestand und die Unversehrtheit ihres te. Von den dort anwesenden hohen Kie- chen habe und dass sich die SS weitere Körpers eingriffen. Er führte das folgen- AUSGABE 5 | MAI 2015 IM NORDEN // 21

de Argument an: „Die Begründung ist Zeit von 1942 bis zum Kriegsende als im nationalsozialistischen Gedankengut einfacher Arbeiter (Hausdiener) in der LESERBRIEFE ohne weiteres gegeben. So heißt es in ei- Chirurgie arbeitete, bestätigt.45 ner Urteilsbegründung: ‚zumal im na- „Schweigen in Erinnerung“ tionalsozialistischen Staate in ganz an- Nachkriegszeit und Entna- derem Umfange als im liberal-demo- zifizierungsverfahren Anders als die meisten Ihrer Leser gehöre ich einer Generation kratischen Staate dem einzelnen Staats- Auch wenn Fischer nicht ein National- an, welche die zwölfjährige „braune“ Schreckensherrschaft (und bürger zugunsten der Gesamtheit Op- sozialist war, der für seine nationalsozi- nahtlos anschließend die 45-jährige kommunistische rote Ge- fer zugemutet werden können‘.“39 Aus alistische Überzeugung alle ärztlichen waltherrschaft) bewusst und teils leidvoll miterleben musste: Bin heutiger Sicht handelt es sich hierbei um Berufspflichten vergaß, hielt er doch Jahrgang 1926, einer der wenigen meiner Schulklasse, die den eine gegen die Menschenwürde versto- bis zum Ende des Krieges loyal und dis- Zweiten Weltkrieg überlebt haben, habe mütterlicherseits jüdi- ßende Nötigung des Patienten, im „Drit- zipliniert zum Regime. Er konnte von sche Vorfahren. ten Reich“ hatten jedoch die Notwendig- Löhr in gewissen Grenzen – er wäre si- Trotz des zunehmenden zeitlichen Abstands lese ich noch im- keiten der „Volksgemeinschaft“ Vorrang cher nicht als Dozentenführer oder für mer mit (wenn auch allmählich abnehmendem) Interesse und vor Individualinteressen. ein Amt der schleswig-holsteinischen Anteilnahme Veröffentlichungen zur Darstellung und Aufar- Zu Beginn des Krieges wurde Fi- Gauleitung geeignet gewesen – auch aus beitung des mit Abstand furchtbarsten und grauenvollsten Ab- scher kurzfristig eingezogen, aber be- nationalsozialistischer Sicht als Zuge- schnittes der Geschichte der Deutschen. Das gilt insbesondere reits am 7. September 1939 wieder nach winn für eine im Sinne der NSDAP ar- auch für die von profunder Personen- und Sachkenntnis gepräg- Kiel entlassen.40 Zum 3. Februar 1941 beitende Medizinische Fakultät ange- ten Beiträge von Herrn Dr. Dr. Ratschko. wurde er mit seinem alten Dienstrang sehen werden. 1945 wurde er durch die Gleichwohl möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich die Auf- Oberarzt der Reserve erneut einberu- Briten zunächst für zwei Jahre interniert. fassung von immer mehr Menschen teile, welche sagen: „ ... jetzt fen und dem Sanitätsamt der Marinesta- Im Entnazifizierungsverfahren wurde muss mal ein Punkt gemacht werden. Irgendwann muss Schluss tion der Ostsee als beratender Chirurg Fischer im Januar 1948 in die Kategorie sein.“ Voraussetzung dafür sollte aber sein, dass die Schuldigen zugeordnet. Diese militärische Verwen- IV („Mitläufer“) ohne Vermögenssperre ihre Strafe abgebüßt und nach Möglichkeit tätige Reue gezeigt dung erlaubte es ihm, die Chirurgische und nach seinem Widerspruch im Juni haben. Auch aus christlicher Sicht möchte ich an von manchen Universitätsklinik weiterhin zu leiten.41 1948 in die Kategorie V („Entlastete“) als „altmodisch“ abgetane Grundbegriffe wie Sünde, Schuld, Die sich häufenden nächtlichen Angriffe eingestuft.46 Fischer musste aber noch Reue, Sühne und schließlich Vergebung erinnern. Die folgen- der britischen Luftwaffe auf den Reichs- deutlich länger um seine Wiedereinset- de nur kleine Auswahl aus meiner Zitatensammlung namhafter kriegshafen Kiel waren für die Patienten zung kämpfen. Neben einer Namensver- und integrer, des Rassismus, Chauvinismus und anderer schlim- in den hierauf überhaupt nicht vorberei- wechselung machten ihm nun auch sei- mer „-ismen“ unverdächtiger Persönlichkeiten möge abschlie- teten Krankenhäusern eine erhebliche ne vielen Mitgliedschaften in national- ßend meine Ansichten stützen: Gefährdung. Im Frühjahr 1941 wurden sozialistischen Organisationen und be- „Die Tatsache besteht, dass die deutsche Selbstkritik schnöder, die Chirurgische Klinik und die Frau- sonders seine Zugehörigkeit zur SS als bösartiger, radikaler, gehässiger ist, als die jedes anderen Volkes; enklinik stark beschädigt. Fischer war Sturmbannführer zu schaffen. Als er eine schneidend ungerechte Art von Gerechtigkeit, eine zügellose, an der Abhilfe zusammen mit anderen schließlich mit der Einstufung „entlas- sympathielose, lieblose Herabsetzung des eigenen Landes neben maßgeblich beteiligt. Schnell und unbü- tet“ entnazifiziert wurde, war sein Lehr- inbrünstiger Verehrung anderer.“ (Literatur-Nobelpreisträger rokratisch entstanden Ausweichkran- stuhl bereits mit Robert Wanke besetzt. Thomas Mann in: „Betrachtungen eines Unpolitischen“.) kenhäuser in Haffkrug, Neustadt und Für Fischer wurde ein zweiter chirurgi- „Die Söhne s0llten nicht für die Verfehlungen der Väter büßen. Grömitz, sowie ab Herbst 1941 ein heute scher Lehrstuhl eingerichtet. 1954 wurde Deutschland hat wie kein anderes Land der Welt zu seiner noch bestehender, weitgehend als Lager- er als Direktor für die Abteilung Wik der Schuld gestanden und sie in einem unvorstellbar schmerzhaften raum genutzter Operationsbunker am Chirurgischen Universitätsklinik ein- Prozess bewältigt, hat Mahnmale gebaut und baut sie noch jetzt. Ostende der Chirurgischen Klinik.42 gesetzt. 1960 wurde Fischer emeritiert. Tausende von Milliarden hat dieses Land gezahlt für Wiedergut- Der allgemeine Mangel an Ärzten 1961/62 war er Präsident der Deutschen machungen. Ich habe großes Verständnis für die, welche sagen, wurde im Verlauf des Krieges auch in Gesellschaft für Chirurgie. 1962 erhielt jetzt muss ein Punkt gemacht werden. Irgendwann muss Schluss den Universitätskliniken immer spür- er das Große Verdienstkreuz der Bun- sein.“ (Udo Jürgens in der „Welt“ vom 25. August 2004.) barer und zwang die Verantwortlichen desrepublik Deutschland.47 Fischer ver- „Ich habe es immer für den Inbegriff moralischer Verwirrung ge- in Berlin zu Kompromissen. So war nun starb am 10. August 1969.48 halten, dass sich im Deutschland der Nachkriegszeit diejenigen, auch die Einstellung von Ärztinnen als Literatur beim Verfasser: die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt ver- wissenschaftliche Assistentinnen nicht Dr. med. Dr. phil. Karl-Werner sicherten, wie schuldig sie sich fühlten.“ (Prof. Hannah Arendt, mehr unerwünscht.43 Eine weitere Mög- Ratschko, Havkamp 23, deutsch-amerikanisch-jüdische Politik- und Gesellschaftswis- lichkeit bot die Beschäftigung auslän- 23795 Bad Segeberg senschaftlerin.) discher Ärzte. Nach nationalsozialisti- Als Fazit obiger Ausführungen erlaube ich mir folgende Über- schen Vorstellungen durfte die Behand- legungen: Die zahlreichen und teilweise auch von Ärzten mit lung deutscher Patienten jedoch nur zu verantwortenden Untaten während des NS-Regimes, darun- durch deutsches oder „artverwandtes“ ter auch die an Juden begangenen, dürfen nicht verdrängt oder Personal erfolgen. Polen und Ostarbeiter gar vergessen werden. Doch sollte gut sieben Jahrzehnte danach kamen unter diesen Umständen in einer ernsthaft erwogen werden, das Geschehene allmählich nur noch Universitätsklinik als Ärzte nicht infra- als Teil unserer Geschichte mit Ruhenlassen und Schweigen in ge.44 Fischer setzte sich offenbar mit still- Erinnerung zu behalten. schweigender Duldung des Regimes da- Dr. Fritz Tüllmann, Burg auf Fehmarn rüber hinweg. Ihm wurde von dem pol- nischen Arzt Dr. Zysmunt Skowron aus Krakau am 17. September 1945 beschei- Leserbrief zu: Der Sündenfall des Alfred Schittenhelm nigt, dass er ihm ärztliche Weiterbildung ermöglicht und viele Polen und andere „Straße umbenennen“ Ausländer behandelt habe und bemüht Die Schittenhelmstraße in Kiel sollte schnellstens umbenannt gewesen sei, ihnen allen in bester Weise werden zugunsten eines von den Nazis verfolgten Professors. Es ohne Ansehen der Person zu helfen. Die ist unerträglich, einen aktiven Nazi so zu ehren. Angaben Skowrons wurden vom polni- Dr. Robert Wysocki schen Sergeanten Josef Paul, der in der Funoten Artikel A. W. Fischer sh 201505

1 Hilberg, Raul: Die Vernichtung der europischen Juden. Bd. 1, Frankfurt a. M. 1990, S. 74. 2 Wahrscheinlich drfte bei Fischer die nach dem Nationalsozialismus von vielen SS-Chargen verwendete Ausrede, ihr Dienstgrad sei lediglich an den in der Wehrmacht erworbenen Dienstgrad angeglichen worden, zutreffen. Er war gegen Ende des Krieges als Oberstabsarzt Geschwaderarzt bei der Marine. 3 LASH Abt. 460.19, Nr. 2242, p. 22, Zeugnis des polnischen Sergeanten Josef Paul v. 5.8.1947; p. 10, Brief des polnischen Lagerarztes Skowron v. 17.9.1945. 4 Die Menschenversuche Froweins unterscheiden sich vllig von den bisher dargestellten Experimenten an KZ-Hftlingen. Der Kieler chirurgische Volontrassistent, KZ-Arzt und SS- Obersturmfhrer Ernst Frowein war in den Jahren 1942/43 im KZ Sachsenhausen stellvertretender Lagerarzt und Leiter der Operationsabteilung. Im Gegensatz zu den bisher geschilderten Humanexperimenten an Hftlingen der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald, die in offiziellem Auftrag im Hinblick auf militrische Notwendigkeiten, beziehungsweise im Rahmen der rassistischen Vernichtungspolitik der Nazis in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrck durchgefhrt wurden, erfolgten Froweins Versuche an Menschen auf eigene Initiative unter Ausnutzung der Machtmglichkeiten, die ihm seine Stellung im Konzentrationslager Sachsenhausen bot. Frowein whlte meist ltere Hftlinge aus, die Strungen beim Urinieren hatten, denen er, in der Regel medizinisch sinnlos, durch eine Operation eine neue Harnblase verschaffte. (Zegarski, Witold: Das Krankenrevier in Sachsenhausen 1940-45, in: Sachsenhauskommitee Westberlin (Hg.): Niemand und nichts vergessen. Ehemalige Hftlinge aus verschiedenen Lndern berichten ber das KZ Sachsenhausen, Berlin (West) 1984, S. 39-53, hier S. 45.) 5 Voigt/Lohff, S. 102. 6 LASH Abt. 460.19, Nr. 2242, Schrb. des Rechtsanwalts von Fischer, Dr. jur. Emcke, Kiel, an den Berufungsausschuss fr Entnazifizierung v. 3.6.1948, S. 5. 7 LASH Abt. 47, Nr. 1591, p. 193. 8 BArch ZB II 45 36 A 8, p. 66-69, Lohse an Reichsamtsleiter der NSD, 21.1.1937, zit. nach: http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/3killianlohse37.pdf [09.08.2011]. 9 LASH Abt. 47.6 Nr. 16, p. 179. 10 Oberarzt der Chirurgischen Klinik. 11 LASH Abt. 47 Nr. 1591, p.194. 12 Ebd., p. 196-200. 13 BA ZB II 45 36 A 8 p. 66-69, Lohse an Reichsamtsleiter der NSD, 21.1.1937, zitiert nach http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/3killianlohse37.pdf, download 12.11.2007. Der Anfang des Briefes wrtlich: „Zu ihrer in keiner Weise sachlichen Qualifikation des Prof. Dr. Hans Killian in Freiburg habe ich der Reihe nach folgendes zu bemerken: Dass K. frher dem Stahlhelm angehrt hat und dann zur N.S.D.A.P. ber- und in die SA eingetreten ist, beweist zunchst, dass er frher als viele andere erkannte, auf was es in Deutschland ankam. Ihm hieraus einen Vorwurf zu machen, steht Ihnen schon deswegen nicht zu, weil K. als Parteigenosse und Brigadearzt der SA bisher stets seine Pflicht getan hat. K. war im Kriege hervorragender Offizier, dessen Tapferkeit vor dem Feinde mir gegenber gerade von einem bekannten, in der SS eine hohen Stellung bekleidenden Parteigenossen, ganz besonders unterstrichen wurde. Ich finde es geschmacklos, seine hohen Kriegsauszeichnungen nebenbei in einem Schreiben zu erwhnen, das lediglich dazu angetan ist, diesen Mann zu verletzen und in seiner Person und Ehre herabzuwrdigen.“ 14 LASH Abt. 47 Nr. 1591, p.141-144. Schrb. Dekan Lhr an REM v. 21.Juli 1937. 15 LASH Abt. 811, Nr. 6666, Lebenslauf Prof. Dr. med. A. W. Fischer o. D. [wahrscheinlich aus dem Jahre 1958 oder etwas spter, d. Verf.]. 16 Oehler-Klein, S. 228-230. 17 Ebd., S. 259. 18 Ebd., S. 112. 19 Ebd., S. 115 f. 20 LASH Abt. 460, Nr. 2242, Entnazifizierungsfragebogen v. 24.7.1948, S. 6. 21 Ebd. 22 LASH Abt. 460, Nr. 2242, Entnazifizierungsfragebogen v. 24.7.1948, S. 6 f. 23 LASH Abt. 460.19, Nr. 2242, p. 7, Kopie des Durchschlages eines Briefes an den Prof. Hans Holfelder, SS-Standartenfhrer, 1944 gefallen. Das Schreiben wurde neben vielen anderen Dokumenten im Entnazifizierungsverfahren zur Entlastung eingebracht, eine Untersuchung des Originaldurchschlages durch die Kriminalpolizei auf Echtheit ist – wie bei einem anderen Schreiben – nicht erfolgt, wre mit den technischen Mglichkeiten der damaligen Zeit wohl auch nicht mglich gewesen. Offensichtliche Schreibfehler wurden korrigiert, nicht aber Rechtschreibung und grammatikalische Fehler. 24 LASH Abt. 460.19, Nr. 2242, p. 41, Gutachtliche Äuerung der Landeskriminalpolizei Schleswig-Holstein v. 7.10.1947. 25 Hauschildt-Stuff, Dietrich: Novemberpogrom. Zur Geschichte der Kieler Juden im Oktober/November 1938, in: MKStG 73 (1987-91), S. 129-172. 26 Ebd., S. 152. 27 Ebd., S. 154 28 BArch 409 SA, Schumacher, Bericht vom 9.12.1938, Bl. 3 f. Offenbar ein Rechtfertigungs- schreiben des Kieler SA-Stabschefs und SS-Oberfhrers Vollquardsen an eine unbekannte hhere Dienststelle, zit. nach Hauschildt-Stuff, S. 140. 29 LASH Abt. 352.3, Nr. 1690,Verfahren gegen Unbekannt im Zusammenhang mit der Reichsprogromnacht, p. 6, Schrb. Peter Leven an Legal Division (Rear), Control Commission for , South Kensington, S.W. 7. 30 Ein Konturschuss ist eine Schussverletzung, bei der das Geschoss an einem Knochen entlang gleitet und auf der anderen Krperseite erscheint, ohne die entsprechende Krperhhle erffnet zu haben. Hier war der Einschuss in der linken Hftgegend und der Ausschuss vorne an der Mammilarlinie unterhalb des Rippenbogens. (Pschyrembel, S. 1505). 31 LASH Abt. 460.19, Nr. 2242, beglaubigte Abschrift der Krankengeschichte Nr. 2567, 1938. 32 Ebd., p. 9 f., Schrb. Gustav Lask, o. D., o. Unterschrift, o. Adresse. 33 Ebd., beglaubigte Abschrift der Krankengeschichte Nr. 2566, 1938. 34 Der fr die SS geeignete und taugliche junge Mann konnte im Alter von 18 Jahren SS- Bewerber werden. Auf dem Parteitag des gleichen Jahres wurde dieser Bewerber unter der Bezeichnung Staffel-Anwrter als vorlufiges Mitglied in die SS aufgenommen und am 9. November vereidigt. Nach Wehrdienst und besonderer weiterer weltanschaulicher Schulung erfolgt am nchstmglichen 9. November die Anerkennung als SS-Mann. D‘Alquen, Gunter: Die SS. Geschichte, Aufgabe und Organisation der Schutzstaffeln der NSDAP (=bearbeitet im Auftrage des Reichsfhrers SS), Berlin 1939, S.18 f. 35 LASH Abt. 460.19, Nr. 2242, Durchschlag eines Briefes an den Oberfhrer des SS- Abschnittes XX. 36 Ebd., Schreiben des Rechtsanwaltes Fischers Emcke, Kiel v. 3.6.1948 an den Berufungsausschuss fr Entnazifizierung. 37 Ebd., Schreiben des Rechtsanwaltes Fischers Emcke, Kiel v. 3.6.1948 an den Berufungsausschuss fr Entnazifizierung. 38 Vgl. Feiner, Edith: Fischer, Alfred Wilhelm, in: Klose, Olaf (Hg.): Schleswig- Holsteinisches Bio-graphisches Lexikon. Bd. 2, Neumnster 1971, S. 140; LASH Abt. 460.19, Nr. 2242, p. 39-49, Wissenschaftliche Arbeiten, Verffentlichungen von Prof. Dr. A. W. Fischer ab 1923 bis ca. 1943, o. D. 39 Fischer, Alfred Wilhelm: Der operative Eingriff des Chirurgen (= Schriften der Wissenschaftlichen Akademie des NSDDB der Christian-Albrechts-Universitt, Bd. 21), Neumnster 1940, S. 11. 40 LASH Abt. Nr. 811, Nr. 6666, Schrb. Fischer an Kurator v. 11.9.1939. 41 Ebd., Schrb. Fischer an Kurator v. 4.2.1941. 42 Jaeger, S. 152. 43 LASH Abt. 47, Nr. 2065, Schrb. REM an Kurator v. 22.2.1943. 44 Vgl. Graefe, Flora/Roelke, Volker: „Fremdarbeiter“ als Arbeitskrfte und Patienten, in: Oehler-Klein, Sigrid (Hg.): Die Medizinische Fakultt der Universitt Gieen im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit: Personen und Institutionen, Umbrche und Kontinuitten, 2007, S. 277-392, hier S. 379. 45 Ebd., p. 22, Zeugnis des polnischen Sergeanten Josef Paul v. 5.8.1947. 46 LASH Abt. 811, Nr. 6666, Einreihungsbescheid des Universitts- Entnazifizierungsausschusses v. 22.1.1948; Berufungsentscheidung des Entnazifizierungs- Berufungsausschusses v. 29.6.1948. Die Kontrollratsdirektive Nr. 38 v. 12.10.1946, Artikel 1, legt fnf Gruppen der Verantwortlichen zur gerechten Beurteilung der Verantwortlichkeit fest: I (Hauptschuldige). II (Belastete), III (Minderbelastete), IV (Mitlufer) und V (Entlastete). Frstenau, Justus: Entnazifizierung. Ein Kapitel deutscher Nachkriegspolitik (=Politica. Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft, Bd. 40), Neuwied et al. 1969, S. 105 f. 47 Oehler-Klein, Sigrid (Hg.): Die Medizinische Fakultt der Universitt Gieen im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit. Personen und Institutionen, Umbrche und Kontinuitten, Stuttgart 2007, S. 615. 48 Voigt, Jrgen/Lohff, Brigitte: Ein Haus fr die Chirurgie 1802-1986. Zur Geschichte der einzelnen Kliniken und ihrer Professoren an der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel, Neumnster 1986, S. 104.