Österreichische Wirtschaftspolitik 1970 – 2000
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ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSPOLITIK 1970 – 2000 PROJEKTFÖRDERUNG: JUBILÄUMSFOND DER OESTERREICHISCHEN NATIONALBANK JUBILÄUMSFONDSPROJEKT NR. 11679 PROJEKTLEITUNG: UNIV. DOZ. DR. MARIA MESNER PROJEKTDURCHFÜHRUNG: DR. THEODOR VENUS, REMIGIO GAZZARI INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS ........................................................................................................2 EINLEITUNG ......................................................................................................................3 DER „HARTE“ SCHILLING – WÄHRUNGSPOLITIK IM WIDERSTREIT DER MEINUNGEN UND INTERESSEN .....................................................................................................................5 STRUKTURKRISE UND DAS ENDE DER VOLLBESCHÄFTIGUNG IN ÖSTERREICH – WIRTSCHAFTS- UND ARBEITSMARKTPOLITIK IN DEN FRÜHEN ACHTZIGER JAHREN ..............41 DIE ERSTE ÖLKRISE 1973/74 UND IHRE FOLGEN – EINE FALLSTUDIE ZUR ÖSTERREICHISCHEN ENERGIEPOLITIK IN DER ÄRA KREISKY.............................................110 DER BESTAND WIRTSCHAFTSPOLITIK DER STIFTUNG BRUNO KREISKY............................201 DATENBANKEN UND DIGITALE ARCHIVIERUNG.................................................................210 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS............................................................................................221 BIBLIOGRAPHIE .............................................................................................................222 2 Einleitung Das nun abgeschlossene Projekt zur österreichischen Wirtschaftspolitik hatte eine zweifache Zielsetzung. Einerseits sollte ein umfangreicher, vielschichtiger Quellenbestand digitalisiert und über eine Datenbank erschlossen werden. Das Kernstück dieses Teilprojektes waren die Tagebücher von Josef Staribacher, Handelsminister von 1970 bis 1983. Dieser Bestand, aber auch weitere Teilbestände, die für die Rekonstruktion der jüngeren Wirtschaftspolitik von Belang sind, stehen nun digital erschlossen zur Verfügung. Dazu wurden im Zuge des Projektes Interviews mit Personen geführt, die in die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts eingebunden waren. Auch diese Interviews wurden verzeichnet und stehen nun zur Verfügung. Damit wird die Grundlagenforschung in diesem Bereich nachhaltig unterstützt, weil der Zugriff auf die Archivalien systematisiert und erleichtert wird. Andererseits sollten einzelne Teilbereiche der österreichischen Wirtschaftspolitik exemplarisch unter Zuhilfenahme der neu erschlossenen Quellenmaterialien historisch rekonstruiert und analysiert werden. Das Projektteam hat sich entschlossen, drei Themenbereiche auszuwählen, nämlich Währungs-, Arbeitsmarkt- und Energiepolitik. Die Währungspolitik stellt einen zentralen Aspekt wirtschaftspolitischen Handelns dar. Währungspolitische Entscheidungen können mitunter nicht zu unterschätzende emotional aufgeladene Reaktionen in der Öffentlichkeit hervorrufen, weil die Stabilität einer Währung, also ob sie "hart" ist oder nicht, über ihren ökonomischen Effekt hinaus wesentlich für die öffentliche Stimmungslage ist. Unterschiedliche wirtschaftliche Interessenlagen, aber auch Werthaltungen und ökonomische Schulen werden in der Analyse sichtbar. Die Arbeitsmarktpolitik ist ein Kernstück der Wirtschaftspolitik der 1970er und 1980er Jahre. Die Entscheidungen in diesem Bereich sind nicht nur von ökonomischen Entscheidungen geprägt, sondern spiegeln auch übergeordnete politische Zieldefinitionen, beispielsweise das Ziel der Vollbeschäftigung wider. Der Text rekonstruiert den Paradigmenwechsel in den 1970er und 1980er Jahren, der von wirtschaftlichen Makro-Entwicklungen ausgelöst war und nachhaltige Veränderungen wirtschaftspolitischer Zielsetzungen und Handlungsspielräume zur Folge hatte. Die Analyse des so genannten "ersten Erdölschocks" schließlich eröffnet langfristige Perspektiven auf die österreichische Energiepolitik, auf die Art und Weise, wie weit reichende politische Grundsatzentscheidungen, z. B. im Hinblick auf die Atomenergie, getroffen wurden und wie die Sichtweise der handelnden Personen zur Zeit des Geschehens war. Damit wird ein Beitrag dazu geleistet, die Vorgänge zu verstehen, deren Ergebnisse also auch einer kritischen Betrachtung zu unterwerfen. 3 Wir hoffen mit der Präsentation dieser ersten Analysen, den Anstoß für viele weitere Fallstudien zu geben und eine Diskussion über die jüngste Wirtschaftspolitik in Gang zu bringen. Umfangreiche Materialien, die Forschung und Diskussion fundiert unterstützen können, stehen nun einer breiteren Öffentlichkeit gut aufbereitet und leicht zugänglich zur Verfügung. Wir danken der österreichischen Nationalbank für die erwiesene Unterstützung. Im Sinne einer Open-access-Politik stehen die Projektergebnisse bis zur Drucklegung unter http://www.kreisky.org/index_projekte.htm zum kostenlosen und freien Download bereit. Im Namen des Projektteams Maria Mesner Wien, im Juni 2008 4 Der „harte“ Schilling – Währungspolitik im Widerstreit der Meinungen und Interessen Theodor Venus Die Schilling-Aufwertung vom Mai 1971 – Startschuss für eine Neuorientierung in der Währungspolitik Der 9.Mai 1971, ein Sonntag, kann ruhigen Gewissens als historischer Tag in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte der 2. Republik bezeichnet werden. Am Sonntag Abend um 20.30 Uhr trat Bundeskanzler Bruno Kreisky vor die Presse und teilte der Öffentlichkeit mit, die Bundesregierung habe in einer Sondersitzung und nach Beratung mit der Österreichischen Nationalbank, den Sozialpartnern und Vertretern des Kreditapparats als Reaktion auf die internationale Vertrauenskrise in den US-Dollar eine Aufwertung der österreichischen Währung um 5,05 % beschlossen. Fast genau 46 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs war die auf Vorschlag des jungen Finanzministers Hannes Androsch getroffene Maßnahme auch ein Symbol dafür, dass die Wunden und Verluste des Krieges verheilt waren und sich Österreichs Wirtschaft und Gesellschaft sich nach langen und harten Jahrzehnten der Not, von Entbehrungen und des Wiederaufbaus nach Kriegsende, auf dem Weg zu neuem Wohlstand entwickelte. Der „Kurier“, unter der Leitung von Hugo Portisch eine der angesehensten Tageszeitungen Österreichs, sprach in seiner Montagfrühausgabe von einer „Sensation in der Währungsfrage“1, und Portisch nahm den historischen Beschluss der Bundesregierung zum Anlass für eine längere Würdigung und Analyse der Hintergründe der Entscheidung. Über die wirtschaftlichen Hintergründe, die diese Entscheidung herbeigeführt hatten, konnte man sowohl an den vorangegangenen als auch in den folgenden Tages umfangreiche Berichte, Analysen und Kommentare in der österreichischen und internationalen Tagespresse lesen. Hugo Portisch verwies darauf, dass die Entscheidung der Bundesregierung als Reaktion auf die vorangegangenen Entscheidungen, die in Brüssel, Bonn und Bern getroffen worden waren, zu werten sei. Die Aufwertung des Schilling wäre an sich ein Tag zum Feiern gewesen – wären da nicht die unangenehmen Begleitumstände gewesen, die keine richtige Feierstimmung aufkommen 1 Kurier, 10.5.1971, Schilling wird doch um 5 % aufgewertet. Vgl. Dazu Kommentar Hugo Portisch, Die Aufwertung in dieser Ausgabe. 5 lassen wollten: das Bewusstsein, dass die seit 1968 anhaltenden Währungsturbulenzen keineswegs beendet waren. Der Auf- und Abwertungsreigen der europäischen Währungen wurde in den späten sechziger Jahren mit der am 18. November 1967 durch die Labour- Regierung unter Harold Wilson vorgenommenen starken Abwertung des britischen Pfund um 14,5 % eingeleitet. Ein schwerer Schlag wurde dem Bretton-Woods-System durch die Erklärung Frankreichs versetzt, sich aus dem „Gold Pool“ zurückzuziehen2. Die Abwertung des französischen Francs, der sich de Gaulle 1968 noch widersetzt hatte, erfolgte unter seinem Nachfolger Georges Pompidou am 8. August 1969. Innerhalb von vier Jahren erfolgten nicht weniger als insgesamt 35 Währungsveränderungen in Europa. Wenige Monate später sah sich Bonn gezwungen, die D-Mark um 9,3 % aufzuwerten3. Österreichs Regierung hatte damals im Einvernehmen mit den Sozialpartnern und politischen Spitzenrepräsentanten beschlossen, sich nicht der Aufwertung der D-Mark anzuschließen. Die Aufwertung des Schilling war eine im Lichte der Entwicklungen seit 1969 überfällige Maßnahme. Kreisky selbst hatte in einem Beitrag für die „Arbeiter-Zeitung“ bereits am 7. Mai den Schilling als „aufwertungsverdächtige Währung“ bezeichnet, und die „Presse“ erwartete am selben Tag eine baldige Aufwertung der D-Mark. Die österreichische Regierung und die Nationalbank würden dann vermutlich den Beschluss fassen, diesmal mit der D-Mark mitzuziehen4. Obwohl der Zustrom spekulativer Gelder nach Österreich ein weit geringeres Ausmaß erreichte als in der BRD (3 Mrd. US-Dollar), sistierte die Nationalbank am 5. Mai 1971 ebenfalls den Dollarankauf, um die Entscheidungen in Brüssel, Bonn und Bern in Ruhe abzuwarten. Auf dem schwarzen Markt in Wien wurde der Dollar am 6. Mai nur noch zwischen 15 und 22 Schilling gehandelt. Seit dem 5. Mai fanden laufend Beratungen 2 Der Gold Pool, ein Verkaufssyndikat westlicher Notenbanken, war im Oktober 1961eingerichtet worden, um den Goldpreis gegenüber dem Dollar zu stabilisieren. Frankreich zog sich im Juni 1967 aus dem Pool zurück; die Entscheidung wurde aber erst im Frühjahr 1968 bekannt. In den auf die Pfundkrise folgenden Monaten musste der Gold Pool Gold im Wert von mehr an 3 Milliarden US- Dollar verkaufen, konnte aber der gegen den US-Dollar gerichteten Spekulation nicht Herr werden. Am 15. März