Jahre Der Souveränität

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Jahre Der Souveränität Jahre der Souveränität "Österreich geht es nicht so schlecht, daß ich das Kanzleramt übernehmen müßte, aber auch nicht so gut, daß ich es ablehnen dürfte" I , meinte Ignaz Seipel treffend, als er am 16. Oktober 1926 mit seiner zweiten Regierung die Nachfolge des glücklosen Kabinetts RudolfRamek antrat. Diese zweite, zwei­ einhalb Jahre währende Regierungsperiode Seipels stellte nicht nur den Hö• hepunkt der persönlichen Macht des "Prälaten ohne Milde" dar, sondern sie umfaßte im wesentlichen auch jene kurze Zeitspanne, in der es der Ersten Republik vergönnt war, sich von den krisengeschüttelten Gründungsjahren wirtschaftlich und politisch einigermaßen zu erholen, bevor der junge Staat in die autoritären und von den katastrophalen Auswirkungen der Weltwirt­ schaftskrise geprägten Verhältnisse der 30er Jahre taumelte. Das Genfer Sanie­ rungswerk war praktisch abgeschlossen - am 30. Juni 1926 hatte der vom Völ• kerbund bestellte niederländische Generalkomrnissär Alfred Zimmerman seine Tätigkeit beendet -, der Staatshaushalt präsentierte sich relativ konsolidiert, die Genesung der Wirtschaft ließ leise Hoffnungen zu, und die Wiener Regierung fand zwischen den vorläufig an Aktualität in den Hintergrund getretenen Anschlußbestrebungen an Deutschland2 und den vielfaltig kursierenden Mit­ teleuropa- bzw. Donauföderationsplänen einen bescheidenen außenpolitischen Handlungs- und Gestaltungsspielraum vor - "Jahre der Souveränität" eben. Trotzdem oder gerade deshalb bestand für Seipel keine Notwendigkeit, be­ sondere neue Akzente in der österreichischen Außenpolitik zu setzen: "Da ich, so wie in der letzten Zeit mein Vorgänger, die Verantwortung für die Außenpolitik persönlich zu tragen haben werde, gestatten Sie mir die Be- I Zit. nach Walter Goldinger und Dieter A. Binder, Geschichte der Republik Österreich 1918-1938 (Wien-München 1992) 134. Biographisches zu Seipel bei Klemens von Klemperer, Ignaz Seipel. Staatsmann einer Krisenzeit (Graz-Wien-Köln 1976). 2 Noch bevor Seil?el am 3. Juni 1926 bei einem Vortrag in Paris deutlich ausgespro­ chen hatte, daß Osterreich an der durch die Gleichheit der Sprache und Kultur zum Ausdruck kommenden Bluts- und Schicksalsgemeinschaft mit Deutschland festhalten wolle, dabei aber für die große Idee der Völkerverständigung eintreten werde, ohne sich vor dem Tag der Reife auf eine bestimmte Formel festzulegen (ebd. 126), hatte Bundeskanzler Ramek schon im März 1926 in die gleiche Kerbe geschlagen, als er die Anschlußängste seines tschechischen Amtskollegen Edvard Benes durch die mündliche Versicherung auszuräumen versuchte, daß die österreichische Regierung keine Anschlußpolitik mache und machen werde. "Jeder müsse es aber verstehen", führte er weiter aus, "daß wir Kulturpolitik machen müssen. Dazu führe die Gemein­ samkeit in der Kultur und vielen anderen Dingen. Festzuhalten sei aber, daß die österreichische Regierung sich aus Realpolitikern zusammensetze. Die Grundlagen dieser Politik sind die Friedensverträge und das Genfer Protokoll." (ADÖ 5/826), außerdem zit. bei Walter Rauscher, Ignaz Seipel, Edvard Benes und der Mitteleuropa­ Gedanke in den österreichisch-tschechoslowakischen Beziehungen 1927-1929. In: MÖStA 43 (1993) 342-365, hier 342. 12 Jahre der Souveränität merkung, daß jene Grundsätze, an die sich die erste Regierung Seipel und das Kabinett Ramek immer gehalten haben, für die praktische Behandlung aller außenpolitischen Fragen maßgebend bleiben werden", versicherte Seipel in seiner Regierungserklärung im Parlament. "Unsere Politik ist und bleibt eine Politik der Offenheit in den Verhandlungen, der Verständigung mit al­ len, mit denen es einer Verständigung bedarf, der Vertragstreue, der Siche­ rung des Friedens mit allen" (ADÖ 6/848). Unbestritten blieb allerdings auch weiterhin die außenpolitische Maxime Wiens, "keine (Bündnis-) Kombina­ tion ohne Deutschland" einzugehen.3 In der österreichischen Historiographie wurde bisher eine intensivere Ausei­ nandersetzung mit der Außenpolitik der Regierung Seipel rr angesichts der dramatischen innenpolitischen Ereignisse rund um Schattendorf und den Justizpalastbrand im Juli 1927 weitgehend vernachlässigt. Während sich Seipel in dieser Phase einer tragischen Eskalation der Gewalt in der österreichischen Innenpolitik als kompromißloser Hardliner des bürgerlichen Lagers präsentierte, genoß er im Ausland den Ruf eines gemäßigten diplo­ matischen Staatsmannes von wahrhaft europäischem Format. In guter Erin­ nerung war und blieb die bedächtige und souveräne Art und Weise, wie er seinerzeit die Völkerbundaktion für Österreich in Genf initiiert hatte. Aner­ kennung zollte ihm das Ausland außerdem wegen seines ausgewogenen au­ ßenpolitischen Kurses, der im wesentlichen darin bestand, Österreich schadlos durch sämtliche europäische Bündnisspekulationen zu manövrieren, ohne sich dabei allzu enge Freunde und erst recht allzu entschiedene Feinde zu schaffen. Kritiker mögen vielleicht einwenden, daß dieser Erfolg um den Preis einer weitgehend defensiven Außenpolitik errungen wurde. Sicher ist, daß Seipel etwa eine Lösung der Anschlußfrage nur im gesamteuropäischen Kontext für möglich hielt. Dementsprechend wichtig erschien ihm auch die von Wien ausgehende Paneuropa-Bewegung, in deren Präsidium er sich en­ gagierte. Ungeachtet dessen erteilte er Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi im Juni 1928 eine freundlich knappe Absage (ADÖ 6/931), als dieser mit der Idee der Einberufung einer umfassenden europäischen Sicherheits­ konferenz an den Bundeskanzler herangetreten war. Im Gegensatz zur Mehr­ zahl seiner späteren Epigonen ließ Coudenhove eine deutliche antideutsche Note vermissen, wie wohl sich kein einziger expliziter Hinweis auf die Anschlußbewegung findet. Wesentlich mehr Bedeutung räumte Coudenhove dem Völkerbund ein, obwohl er dessen weltumspannende Pläne schlichtweg als gescheitert ansah. Natürlich spekulierte auch Coudenhove zur Realisie­ rung seiner Sicherheitskonferenzpläne mit der damals häufig diskutierten Verlegung des Völkerbundes nach Wien (ADÖ 6/915). "Der Gedanke, die 1920 versäumte Verlegung des Völkerbundes nach Wien nachträglich durchzuführen, war niemals ganz ausgestorben", resümiert der österreichische Gesandte Egon Pflügl. "Die in letzter Zeit auch in Wien ver­ suchten Schritte stellen ein letztes Aufflackern des Gedankens dar, bevor durch Baubeginn [des Völkerbund-Palais] der Sitz in Genf unabänderlich 3 Zit. nach Goldinger und Binder, Geschichte der Republik 125. Jahre der Souveränität 13 wird. In letzter Stunde zur öffentlichen Diskussion gestellt, würde die Frage der Verlegung in Österreich hitzige Parteinahme für aber auch gegen diese hervorrufen, sobald sie einmal ernst genommen wird. Woher der Widerstand im Auslande käme, ist bekannt. Das übrige Ausland würde sich kaum sehr echauffieren4 und schließlich der die Oberhand bekommenden Richtung fol­ gen .... Das gewisse, oft gehörte ,der Völkerbund gehört eigentlich nach Wien' trug den Charakter eines platonischen Wunsches, so lange die Kriegs­ psychose bei den Gegnern, die Zustände im Nachkriegs-Europa und die Unsicherheit unserer eigenen Entwicklung währten. Diese Hindernisse be­ stehen Ende 1927 nicht mehr" (ADÖ 6/893). Ein bezeichnendes Licht auf die Außenpolitik Seipels wirft die prompte Antwort des Bundeskanzlers an seinen Vertreter in Genf: "Wahr ist, daß für den Völkerbund und seine Büro• kratie eine Großstadt ein Bedürfnis ist und daß keine andere Großstadt hiefür so geeignet wäre als Wien. Der definitive Sitz des Völkerbundes dürfte aber niemals eine deutsche, d.h. zum Deutschen Reich gehörende Stadt und niemals die Hauptstadt einer wiedererstandenen österreichisch-ungarischen Monarchie, eines mitteleuropäischen Kaiserreiches sein können, daher be­ deutet jede Aktion zur Verlegung des Völkerbundes nach Wien den Entschluß, daß Österreich auf jede der bei den vorgenannten Möglichkeiten verzichtet. ... Lesen Sie aus diesen Darlegungen nicht eine völlige Ablehnung heraus. Sollte ich zur Überzeugung kommen, daß die Entwicklung Europas für ein Großösterreich und für ein Großdeutschland keine Zeit mehr läßt, dann könnte es sein, daß ich selbst die Frage der Konstruktion Europas aufwerfe" (ADÖ 6/ 894). Anfang März 1928 fiel sodann die endgültige Entscheidung zugunsten Genfs, wo man das geplante neue Völkerbund-Palais errichten wollte (ADÖ 6/912).5 "Mithin ist die Frage der Verlegung des Völkerbundsitzes wohl als erledigt anzusehen", notierte Markus Leitmaier für den hausinternen Gebrauch am Ballhausplatz (ADÖ 6/914). Zweifellos hatte Seipel Recht, wenn er die Frage einer Verlegung des Völkerbund• sitzes nach Wien mit der Anschlußproblematik oder den zahlreich durch die europäischen Kabinette geisternden Mitteleuropa- bzw. Donauföderationsplänen in Zusammenhang brachte, ohne eine bestimmte außenpolitische Variante besonders zu forcieren. "Wir befinden uns auf dem Wege zur Schaffung größe• rer Einheiten. Ob es irgendein Paneuropa sein wird, eine mitteleuropäische Kon­ stellation oder eine europäische Sektion des Völkerbundes, kann heute noch kein Mensch voraussehen. Und Tatsache ist die Notwendigkeit, Österreich in eine derartige größere Einheit einzubeziehen. Heute allerdings ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen, zu entscheiden, welche die endgültige Lösung sein wird . .. Wie ich zum Anschluß stehe? Ich will ganz aufrichtig antworten: Heute schon sind wir mit Deutschland in einem viel höheren als dem rein staatsrechtlichen 4 Positive Signale im Hinblick auf eine Verlegung des Völkerbundsitzes von Genf nach Wien kamen etwa aus der Tschechoslowakei oder aus Italien, vgl. dazu ADÖ
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