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40 Jahre Luchs im Kanton , Schweiz Einfluss auf die Gamspopulation

Abschlussarbeit zur Erlangung der akademischen Bezeichnung

„Akademischer Jagdwirt“ im Rahmen des Universitätslehrgang Jagdwirt/in

Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft (IWJ) Department für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung

Eingereicht von: VOGLER Hans Matrikelnummer: 01653735

Betreuer: Univ.Prof. Dr. Klaus Hackländer Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft Department für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung

Wien, Januar 2019

40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden

40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden, Schweiz Einfluss auf die Gamspopulation

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 3 1.1. Grund der Arbeit ...... 3 1.2. Fragen und Hypothesen ...... 4

2. Material und Methodik ...... 4 2.1. Untersuchungsgebiet ...... 4

3. Ergebnisse ...... 6 3.1. Gamsjagd im Kanton Obwalden ...... 6 3.1.1. Jagdart...... 6 3.1.2. Anzahl Jäger ...... 6 3.1.3. Jagdzeiten ...... 7 3.1.4. Wildzählung ...... 7 3.2. Gamsstrecke ...... 9 3.2.1. Räumliche Verteilung der Strecke ...... 9 3.2.2. Zusammenfassung der Gemeinden ...... 19 3.2.4. Abschüsse im Vergleich der Gemeinden pro 100 ha...... 20 3.2.5. Angaben zum Geschlechterverhältnis der Abschusszahlen ...... 20 3.2.6. Streckenverteilung Alt / Jung ...... 21 3.2.7. Bestandes Rückgang mit und ohne Jagd ...... 22 3.3. Luchs ...... 23 3.3.1. Verbreitung ...... 23 3.3.2. Morphologie des Eurasischen Luchses ...... 24 3.3.3. Bestandes-Entwicklung in den letzten zehn Jahren...... 24 3.3.4. Beute ...... 27 3.3.5. Benötigtes Futter ...... 28 3.4. Entwicklungstendenz Luchs ...... 28 3.5. Entwicklungstendenz Gämse ...... 29 3.5.1. Populationsmodelle im Vergleich ...... 31

4. Diskussion ...... 32 4.1. Vergleich Aussagen und Daten ...... 32 4.1.1. Interview ...... 32 4.2. Gebietsvergleich ...... 34 4.2.1. Optimales Luchshabitat weniger Gämsen ...... 34

5. Ausblick ...... 35 5.1. Faktor Mensch und Umwelt...... 35 5.1.1. Einfluss Mensch ...... 35 5.1.2. Landwirtschaft ...... 36

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5.1.3. Tourismus ...... 36 5.1.4. Lebensraumverlust ...... 37 5.2. Werte Konflikt ...... 37 5.2.1. Luchskonzept ...... 38 5.3. Neue Strategie ...... 38

6. Schlussfolgerung ...... 39 6.1. Ausblick für die Patentjagd ...... 39

7. Dank ...... 40

8. Literaturverzeichnis ...... 40

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1. Einleitung

Im Jahre 1970 stellte das Oberforstamt Obwalden unter dem damaligen Leiter Leo Lienert, den Antrag an den Regierungsrat, in Obwalden wieder Luchse anzusiedeln. Das damalige Bundesamt für Wald und Landschaft, heute BAFU, unterstützte dieses Begehren, den einst heimischen Luchs auszuwildern. Waren doch im Vorfeld dieser Auswilderungsaktion einige Stürme über unseren Kanton gefegt und um die Wälder stand es nicht zum Besten. Von Seiten Jäger und Landwirtschaft wurde dieses Ansinnen verurteilt. Die Jäger und Kleintierhalter aus Obwalden machten eine Protesteingabe mit 2360 Unterschriften. Sogar an der wurde diese Wiederansiedelung zum Thema und Oberförster Leo Lienert musste harsche Kritik ertragen. Ein erboster Bauer ergriff das Wort um seinen Unmut kund zu tun. Vor der Behörde und dem Stimmvolk meinte er: «Wir wissen nun alles was der Luchs frisst, nur einer fehlt auf dem Speisezettel, nämlich Herr Oberförster Leo Lienert». Ab diesem Zeitpunkt wusste fast jeder, dass dem Luchs in Obwalden ein rauer Wind entgegenbläst. Zu dieser Zeit war nur sehr wenig über diese Wildkatze bekannt. Der Russe Matjuskin hatte damals den Eurasischen Luchs erforscht. Dies aber in einer ganz anderen Umwelt als es die Alpen und Voralpen sind. 1978 veröffentlichte er seine erste Arbeit über den Luchs, von dieser konnte bis heute viel abgeleitet werden (Breitenmoser et al). Heute, vierzig Jahre danach, kennt man nun die Folgen. Für die Jagd sind gravierende Einschnitte entstanden. Das Jagdmanagement für eine Patentjagd ist schwieriger geworden und es ist nicht mehr so leicht absehbar, wie die Auswirkungen sind. Durch die Rückkehr des Luchses sind die Wildbestände in eine ganz neue Dynamik geraten. Neben dem Reh ist die Gams ein beliebtes Beutetier des Luchses. Die Gamsbestände in unserem Kanton sind seit 1994 stark rückläufig (vergleiche Jagdstatistik Kt. Obwalden). Der höchste Bestand im Jahre 1994 betrug 2374 Stück, seitdem ist ein kontinuierlicher Rückgang zu verzeichnen. Die Zählung ergab 2017 einen Bestand von nur noch 1417 Gämsen. Zu den Zahlen werde ich später noch genauere Angaben machen.

1.1. Grund der Arbeit Als aktiver Jäger interessiert es mich, wie hoch der Einfluss des Luchses auf den Gamsbestand in unserm Kanton ist. Im Kanton Obwalden, genauer gesagt im Sarneraatal treffen die Luchskompartimente Zentralschweiz Ost und Zentralschweiz West zusammen. Die beiden Kompartimente haben eine viel grössere Fläche als das Kantonsgebiet. Daraus resultiert eine viel kleinere Luchs Dichte pro 100 km2. Für mich ist es wichtig zu wissen wie viele Luchse und Gämsen im Untersuchungsgebiet einander gegenüberstehen. Da das Jagdregal beim Kanton ist, und dieser die Abschusszahlen frei gibt. In den letzten Jahren wurden immer weniger Tiere pro Jäger geöffnet. Die Jäger sind mit der jetzigen Situation, immer weniger Tiere zum Abschuss frei, unzufrieden. Unter den Jägern gibt es bereits einen Fond, für allfällige Unterstützung, wenn ein Luchswilderer bestraft wird. Wilderei ist sicher der falsche Weg und schadet dem Image der Jäger sehr. Für mich wäre es wichtig das ein Luchsmanagement entsteht und durchgezogen wird. Die Jagd und Jäger sollten nicht in dieselbe Situation kommen wie im Simmental, wo Luchse gewildert wurden, weil der Gams- Rehbestand durch den Luchs sehr dezimiert war. Erst als Luchse Haustiere rissen, begann man mit Umsiedlungen und Abschüssen einzelner Tiere. In Obwalden wird im Patentjagdsystem gejagt und die gesamte Kantonsfläche ist Jagdgebiet, ausgenommen das Siedlungsgebiet. Die Anzahl Gämsen im Untersuchungsgebiet gehen zurück, und dies bei sinkender Jägerzahl und als Folge davon weniger Abschüssen. Was ist der Grund? Kann der Grund die Anwesenheit des Luchses sein?

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1.2. Fragen und Hypothesen Es stellen sich die folgenden Fragen und Hypothesen:  Wie gross ist der Einfluss von Luchsen nebst der Jagd auf den Gamsbestand?  War der jagdliche Eingriff in den Gamsbestand verantwortlich für diesen massiven Rückgang des Gamsbestandes in den letzten zehn Jahren?  Ist das vorliegende Zahlenmaterial überhaupt ausreichend um eine fundierte Antwort zu erhalten?  Ist der Fortbestand der Patentjagd gefährdet?  Verlangt die Situation nach Änderungen im heutigen Jagdsystem?  Wie steht es um den Lebensraum?

2. Material und Methodik

Für meine Arbeit beziehe ich mich vorallem auf folgende wichtige Quellen: die Bücher» Der Luchs Band 1 und 2» von Urs Breitenmoser und Christine Breitenmoser – Würsten. Weitere Angaben stammen hauptsächlich aus Arbeiten und Grundlagen von KORA Schweiz ( Koordinationsstelle für Grossraubtiere in der Schweiz). Weiter führte ich Gespräche über die Situation Luchs in unserer Gegend mit Fridolin Zimmermann und Sven Signer von KORA. Für die Gamssituation standen mir vorallem die Angaben der Jagdverwaltung Obwalden zur Verfügung. Interview mit der Jagdverwaltung und den Wildhütern sollen lokale Fragen zu diesem Thema erläutern. In Zusammenarbeit mit einigen Metzgern im Kanton machte ich Untersuchungen über die Fleischausbeute bei Gämsen. Um mehr über den Anfang der Rückkehr des Luchses ins Obwaldnerland zu erfahren führte ich ein Gespräch mit Altwildhüter Walter Amrein.

2.1. Untersuchungsgebiet Meine Untersuchungen betreffen das Sarneraatal und das kleine und grosse Melchtal im Kanton Obwalden. Im örtlichen Sprachgebrauch: der alte Kantonsteil. Der Kanton Obwalden liegt mitten in der Schweiz, der geographische Mittelpunkt der Schweiz ist auf der Alp Älggi in der Gemeinde . Das Gebiet wird wie folgt abgegrenzt: Im Süden der Brünig Pass nach Westen über Wylerhorn, Hohe Gumme dem westlichen Bergkamm entlang bis zum weiter nach Osten zum übers Arvi, Gräfimatt, die Melchtalerberge bis zur südlichen Kantonsgrenze und dieser entlang zurück zum Brünig. Dies ist eine Fläche von 420 km2 und beginnt am Alpnachersee auf 434 Metern und der höchste Punkt ist auf dem Hutstock und liegt auf 2672 Metern über Meer. 40 % der Fläche sind bewaldet. 185 Km2 werden landwirtschaftlich genutzt (www.obwalden). In diesem Gebiet bestehen fünf sogenannte Banngebiete, wo keine Jagd stattfindet. Als Gamslebensraum kommen aber nur drei in Betracht: Hutstock, im Grossen Melchtal, (Eidgenössisches Banngebiet), weiter das Gebiet Sachslerdorfbach und der Giswilerstock. Diese Gebiete umfassen eine Fläche von 22.5 km2. Diese Flächen sind sehr wertvoll für den Gamsbestand. Von hier werden die umliegenden Jagdgebiete immer wieder mit Tieren gespiesen. In diesen Arealen können auch alte Böcke heranreifen.

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Abbildung 1: Karte Kanton Obwalden (alter Kantonsteil) Mst. 1:100 000 (Quelle: GIS OW)

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3. Ergebnisse

3.1. Gamsjagd im Kanton Obwalden 3.1.1. Jagdart Im Kanton Obwalden herrscht die Patentjagd. Jeder Kantonseinwohner, der mindestens ein ganzes Jahr im Kanton Obwalden wohnhaft ist, und eine anerkannte Jagdfähigkeitsprüfung absolviert hat, ist jagdberechtigt. Mindestens einmal pro zehn Jahre muss ein Jagdberechtigter ein Patent lösen, sonst verfällt seine Jagdbefähigung. Jedes Jahr muss ein entsprechendes Patent neu gelöst werden. Folgende verschiedene Möglichkeiten stehen zur Auswahl:  Hochwildjagd mit Gamsabschuss und Rotwild oder ohne Gamsabschuss.  Niederjagd, wo das Reh, Fuchs und Hase, so wie Raubwild bejagt werden darf.  Wasserwildjagd, sie wird separat gelöst.  Winter- oder Passjagd.

Alljährlich gibt es sogenannte Ausführungsbestimmungen, die die Abschüsse regeln. In diesem Regelwerk sind weiter die Benützung von Technischen Hilfsmittel, Fahrzeitbeschränkungen, Taxen für Fehlabschüsse und die Benützung von Motorfahrzeugen geregelt. Während der Jagdzeit erhält jeder Jagdberechtigte eine Spezialbewillig zur Benutzung klar definierte Waldstrassen, die sonst für den Motorfahrzeug Verkehr gesperrt sind. So werden jene Jagdgebiete auch bejagt, die sonst zu weit von den offenen Strassen entfernt sind. Die Abschüsse werden anhand von Abschusszahlen aus dem Vorjahr und den Wildzählungen durch die Jagdverwaltung und die Kantonale Jagdkommission freigegeben. Die Kantonale Jagdkommission besteht aus Vertretern der Regierung, der Jagdverwaltung, der Landwirtschaft und den Obwaldner Jägervereinen, Patentjägerverein und Wildschutzverein. Für die Gamsjagd besteht seit Jahren eine sogenannte Jahrgangslösung. Jäger/innen mit geradem Jahrgang dürfen eine Geiss erlegen, ungeradem Jahrgang einen Bock. Beide Jahrgänge dürfen einen Jährling anstelle des adulten Tieres bejagen. Im darauffolgenden Jahr wechselt der Abschuss mit dem Jahrgang. Man versucht damit, ein einigermassen ausgeglichenes Geschlechterverhältnis zu erreichen. Es wird aber immer noch sehr bocklastig gejagt. Viele Jäger verzichten freiwillig auf den Geissabschuss in der Hoffnung, den Bestand zu halten. Mit der Wahl einen Jährling zu schiessen, besteht die Möglichkeit, in die Jugendklasse einzugreifen. Sie wird aber nur begrenzt benutzt. Zahlen siehe Grafik: «Zählung und Abschuss Gesamtkanton» S.8

3.1.2. Anzahl Jäger In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Jäger, die ein Gamspatent gekauft haben, über die Versuchsfläche wie folgt verändert. Laut Jagdstatistik Schweiz sieht der Vergleicht so aus: Obwalden ist seit 2010 bis 2014 mit der Gesamtzahl an Jagdpatenten fast gleichgeblieben. Es gab eine kleine Abnahme von sechs Patenten. Schweizweit ist seit 2009 eine Abnahme von 688 Patenten zu verzeichnen. Seit 2015 kann ein Patent ohne Gämse erworben werden, darum der grosse Rückgang. Vierzig Prozent der Jäger verzichten bereits freiwillig auf einen Gams Abschuss. Die Graphik unten bezieht sich nur auf die Gamsjagd, die Hochwildpatente sind bis 2017 gleichgeblieben, rund 300. Der jeweilige Anstieg jedes zweite Jahr ist durch den Abschluss des Jagdlehrganges und die neu brevetierten Jäger zu erklären.

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2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 320 306 320 304 321 305 312 203 185 184 Abbildung 2 und 3: Jägerzahl die nur Gämspatente in Obwalden gelöst haben (Daten: Jagdstatistik Kt. Obwalden 2017)

3.1.3. Jagdzeiten Die Hochwildjagd beginnt am ersten September und endet am 24. September. In dieser Zeit werden noch Einschränkungen gemacht, je nach Wildart und diese können von Jahr zu Jahr ändern. In den letzten drei Jahren konnte die Gams rund 10 Tage bejagt werden. Die adulten Tiere sind meistens acht Tage, je nachdem wie die Wochentage mit dem Kalenderjahr zusammentreffen, bejagbar. Die Jährlinge sind dann noch vier bis fünf Tage länger zum Abschuss frei. Gleichzeitig ist die Jagd auf Rotwild frei. Wird das Abschuss-Soll beim Rotwild nicht erreicht, werden im November und Dezember sogenannte Ansitz-Nachjagden gemacht. Obwalden hat viele Wintergäste und man versucht mit dieser Ansitzjagd diese Tiere zu reduzieren. Die Niederjagd beginnt Anfang Oktober und dauert bis Ende November. Das Rehwild wird von Anfang Oktober drei Wochen lang bejagt. Die Winterjagd dauert dann je nach Wildart vom ersten Dezember bis ca. Mitte Februar. Gesamthaft gesehen haben wir eine Jagdzeit von fünfeinhalb Monaten.

3.1.4. Wildzählung Am ersten November (Allerheiligen ist bei uns Feiertag), werden die Gämsen gezählt. An diesem Datum haben viele Jäger frei und es gibt genügend Freiwillige zur Mitarbeit. Die Zählung findet unter Aufsicht der Kantonalen Wildhüter statt. Ortskundige Jäger bilden einen Zähltrupp von 2 – 3 Beobachtern. Denen werden jeweils möglichst die gleichen Zählgebiete zugeteilt wie bisher, um Überschneidungen zu vermeiden. Wenn das Wetter passt, wird im ganzen Kanton an diesem Tag die Gamszählung durchgeführt. Es werden Sichtbeobachtungen gemacht. Die Suchtrupps haben ein vorgegebenes Protokoll bei sich, wo alle Beobachtungen eingetragen werden. Bei der Zählung wird in männlich, weiblich, Jahrtiere und Kitze unterteilt. Das Alter wird nicht berücksichtigt. Die Zahlen werden abschliessend von der Jagdverwaltung ausgewertet und analysiert. Um genauere Resultate zu erhalten ist der Kanton in 24 Zählkreise

Jagdwirth X 7 Hans Vogler 40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden eingeteilt. Veränderungen in den einzelnen Regionen werden so schneller erkannt. Die Jagdbanngebiete sind eigene Zählgebiete, um eine Verfälschung der Zahlen zu vermeiden. Aus diesen Resultaten erfolgt die Jagdplanung für die kommende Saison.

Abbildung 4: Abschuss und Zählung Gämse Gesamtkanton (Daten: Jagdverwaltung Obwalden, Nicole Imesch 2017)

Für meine Auswertungen habe ich die Zähldaten auf die Gemeinden bezogen, so erhält man einen besseren Überblick als mit den 24 Zählkreisen wie es bei der Gamszählung von Obwalden gemacht wird. Hier die Angaben über die letzten 10 Jahre.

Abbildung 5: Gämsbestand nach Gemeinden (Daten: Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

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In dieser Tabelle wurden nur die Anzahl Gams berücksichtigt, also keine Unterscheidung zwischen Böcken, Geissen und Jährlingen. Bei einigen Gemeinden ist ein leichter Aufwärtstrend festzustellen.

3.2. Gamsstrecke Gamsabschüsse von Obwalden im Vergleich zur schweizerischen Gamspopulation: In Obwalden ist der Abschuss an Gämsen proportional gegenüber der Schweiz markant zurückgegangen. Ein Faktor ist, dass seit 2015 die Gämse separat gelöst werden kann. Bis 2014 ist der Rückgang der Abschusszahlen gegenüber der ganzen Schweiz auch grösser.

Im Jahre 2010 waren 320 Jäger bei 357 Abschüssen auf der Jagd. 2016 waren 185 Jäger auf der Gamsjagd. Konnten im Jahr 2010 noch alle Jäger eine Gams erbeuten, so sind 2016 bereits 41 Jäger leer ausgegangen. Die Strecke ging kontinuierlich zurück, wie es in der Grafik oben im Vergleich mit den Zähldaten aufzeigt.

2010 2015 Veränderung Schweiz 13 339 11 151 - 16.40% Obwalden 357 143 - 59.94% Abbildung 6: Streckenvergleich Gämse Schweiz/Obwalden (Daten: Schweizer Jagdstatistik 2017)

3.2.1. Räumliche Verteilung der Strecke Die räumliche Aufteilung der Strecke nach Gemeinden wird in der nächsten Tabelle dargestellt. Jährlinge wurden dem jeweiligen Geschlecht zugeteilt.

Abbildung 7: Räumliche Verteilung der Strecke auf Obwaldner Gemeinden (Daten: Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

Die Anzahl Abschüsse auf die Gemeinden bezogen und die Zählresultate in den besagten Gebieten lassen einen weiteren Rückschluss auf den Einfluss des Luchses zu. Die

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Beschaffenheit des Habitats und die Störungen sind weitere Indikatoren, die für eine bessere Aussage wichtig sind. Wie viele Jäger in der jeweiligen Region Weidwerken, lässt sich nicht beziffern, da jeder frei im ganzen Kantonsgebiet auf die Pirsch kann.

Gemeinden im Überblick bezogen auf Habitat und Störungen. Gelb markierte Flächen sind optimale Gamslebensräume. Rot markierte Flächen sind Banngebiete (Jagdfreie Zonen).

Alpnach In den höheren Lagen am Pilatus und den südlichen Ausläufern sind sehr gute Gamslebensräume. Auf der Nordseite des Pilatus ist es sehr steil und felsig, in diesen Gebieten finden die Tiere ruhige Plätze zum Liegen und Wiederkäuen. Diese werden auch vom Steinwild genutzt. In den unteren Lagen, so wie in den beiden Schlieren Tälern sind bevorzugte Hirscheinstände. Das Reh ist übers ganze Gebiet gut verbreitet. Da der Pilatus von zwei Seiten mit Bahnanlagen erschlossen ist, sind die touristischen Störungen sehr gross. Jährliche Anzahl Besucher laut Angaben der Bahnbetreiber 1.1 Millionen pro Jahr. Die Standseilbahn von Süden her, hat den Betrieb im Winter eingestellt, was positiv fürs Wild ist. Wanderer und Gleitschirmflieger sind Störfaktor Nummer eins. Mit den Sportkletterern hat man Kompromisse gefunden, dass verschiedene Routen nicht das ganze Jahr begangen werden.

Abbildung 8: Karte , Mst. 1:50’000 (GIS OW) gelb markiert: Gämshabitat

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Abbildung 9: Gamsabschüsse Gemeinde Alpnach (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

Sarnen hat nur wenig bis fast keine geeigneten Gamslebensräume. Höhere, unbewaldete Gebiete mit Felsen durchzogen, fehlen. Die Höhenlagen auf dem Glaubenberg liegen im Hochmoor-/ Flieschgebiet und sind stark bewaldet. Reh und Hirsch sind die wichtigsten Schalenwildarten in dieser Gemeinde. Auf dem Glaubenberg ist im Winter viel Langlauftourismus und Schneeschuhtourismus. Er ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Bevölkerung der Stadt Luzern und des Sarneraatals. Früher war hier noch ein Truppenübungsplatz der Armee, was sich auch negativ auf die Fauna und Flora ausgewirkt hat. Es wurden Wildruhezonen eingerichtet und diese sind vor allem für die Raufusshühner Auer – und Birkwild gemacht. Alle anderen Arten profitieren auch dadurch. Diese Zonen sind von November bis Mai mit einem Betretungsverbot belegt.

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Abbildung 10: Karte Sarnen, Mst. 1:100'000 (GIS OW) gelb markiert: Gamshabitat

Abbildung 11: Gamsabschüsse Gemeinde Sarnen (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

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Giswil Diese Gemeinde verfügt über ideale Gamslebensräume auf der Nordseite des Brienzergrates und rund um den Giswilerstock (Bannberg). Diese Gebiete liegen über der Waldgrenze von 1500 – bis 2200 Metern über Meer. Das Banngebiet Giswilerstock hat positive Wirkung auf die umliegenden Gamsbestände. In Richtung Glaubenberg nimmt der Gamsbestand und auch die Habitats-Qualität ab, zu vergleichen mit Sarnen. Auf der Ostseite der Gemeinde sind weitere wertvolle Gamseinstände am Rudenzerberg. In den untersten Lagen der Gemeinde sind sehr gute Reheinstände mit Landwirtschaftsflächen und vielen Hecken und Sträuchern. Die südwestlich gelegenen Hänge werden von bis zu 400 Stk. Rotwild als Wintereinstand genutzt.

Im Winter sorgen Skitourengänger und Schneeschuhläufer für Störungen. Im Sommer werden von Wanderern Bikern und Klettersportlern im Banngebiet Giswilerstock Störungen verursacht.

Abbildung 12: Karte , Mst. 1:100’000 (GIS OW) gelb markiert: Gämshabitat rot markiert: Banngebiet

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Abbildung 13 Gamsabschüsse Gemeinde Giswil (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

Lungern Gute Gamslebensräume rund um den Talkessel und optimale im östlich gelegenen kleinen Melchtal. Die steilen Talseiten werden von 2200 Metern über Meer bis an den See hinunter genutzt. Ein Rudel von 15 – 20 Stück leben entlang der Brünigstrasse im Süden der Gemeinde. Das Habitat stimmt und der Strassenlärm stört offenbar nicht. Diese haben sich mit dem Strassenverkehr arrangiert, denn Fallwild wird kaum verzeichnet. Marco Corlatti hat dieses Verhalten bereits in seinem Buch festgehalten. Rotwild und Rehwild sind nur begrenzt vorhanden. Störungen werden im Wesentlichen durch Sommer und Wintertourismus, wie Wanderer, Biker, Skitourengänger, Schneeschuhläufer und Gleitschirmflieger verursacht

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Abbildung 14: Karte , Mst. 1:50’000 (GIS OW) gelb markiert: Gamshabitat, (kleine Fläche entlang Brünigstrasse)

Abbildung 15: Gamsabschüsse Gemeinde Lungern (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

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Sachseln Alt Wildhüter Walter Amrein bezeichnet den Arni Grat als besten Gamslebensraum im Kanton. Mit diesem Schutzgebiet «Sachsler Dorfbach» ist immer eine genügend grosse Ressource an Gams da, die die umliegenden Gebiete auffüllt. Ein positiver Aspekt ist, dass oberhalb der Wolfisbergstrasse auf der Westseite und der Melchtalerstrasse auf der Ostseite keine frei befahrbaren Strassen sind. Störungen sind gering in dieser Region, und werden von ein paar Wanderern und den Jägern selbst gemacht. Im Winter wird dieser Grat sehr wenig begangen.

Abbildung 16: Karte Sachseln Mst. 1:50 000 (GIS Obwalden) gelb markiert: Gämshabitat rot markiert: Banngebiet

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Abbildung 17: Gamsabschüsse Gemeinde Sachseln (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

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Kerns verzeichnet optimale Gamslebensräume vom Stanserhorn oberhalb der Waldgrenze über den Arvigrat, Gräfimatt und weiter über die Melchtalerberge bis zur Melchseefrutt. Das eidg. Banngebiet Hutstock hilft mit, diese Gebiete mit Gams zu versorgen. Die tieferen Lagen werden vom Reh genutzt. Gute Hirschbestände im Grossen Melchtal.

Störungen werden wie überall vom Tourismus verursacht. Die Melchseefrutt ist ein bekanntes Sommer- und Winterferien-Gebiet. Schneeschuhlaufen und Skitourenfahrer bringen die meisten Störungen gefolgt von Mountainbikern.

Abbildung 18: Karte Kerns, Mst. 1:50 000 (GIS OW) gelb markiert: Gämshabitat rot markiert: Banngebiet

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Gamsabschüsse Kerns 60

50

40

30

20

10

0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Bock Geiss Bockjährling Geissjährling Total p. Jahr

Abbildung 19: Gamsabschüsse Gemeinde Kerns (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

3.2.2. Zusammenfassung der Gemeinden In jeder Gemeinde hat es im ganzen Tal gute Gamsgebiete. Aus meiner Sicht sind die Optimalsten jene von Giswil über Lungern West bis zum Brienzergrat im Kanton . Von Lungern übers kleine Melchtal bis zur Kantonsgrenze an , sind verschieden Populationen miteinander, ohne grosse Hindernisse, gut vernetzt. Fast alle Gebiete haben mit den gleichen Störungen zu kämpfen. Überall verursachen Freizeitsportler im Winter sehr grosse Störungen, ausser Sachseln. Hier sind die Bestände eher am Zunehmen, im Gegensatz zu den übrigen Gebieten. Dies bestätigt die nächste Graphik mit den Abschusszahlen im Vergleich der Gemeinden.

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3.2.4. Abschüsse im Vergleich der Gemeinden pro 100 ha.

Abbildung 20: Gamsabschüsse im Gemeindevergleich pro 100 ha (Daten Jagdverwaltung OW 2017)

Diese Abschussgraphik ist nur bedingt aussagekräftig. Wie eingangs erwähnt, darf jeder Jagdberechtigte in allen Gebieten jagen. So ist nicht ersichtlich, wie viele Jäger in welcher Gemeinde auf der Pirsch waren. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wie viel Aufwand für einen Abschuss betrieben wurde. Betrachtet man die Abschüsse in Bezug zur Gemeindegrösse, erhält man aussagekräftigere Zahlen zur Habitats-Qualität. Das Resultat hat mich überrascht, dass gerade in der kleinsten Gemeinde Lungern, bis anhin mit der kleinsten ansässigen Jägerzahl, die höchste Abschusszahl pro hundert Hektar hat. Meine Erklärung dafür ist einfach: Der springende Punkt einerseits sind gute Bestände. Den Hauptgrund sehe ich in der leichten und bequemen Erreichbarkeit der Jagdgebiete mit dem Motorfahrzeug. Das Alp- und Forststrassennetz ist bis auf zweitausend Meter über Meer sehr gut ausgebaut. Der Jäger kann bis auf die gewünschte Höhe fahren, einen leichten Pirschgang nehmen und ohne grosse körperliche Strapazen jagen. Wenigstens hier gibt es einen gemeinsamen Nenner zwischen Luchs und Jäger, mit möglichst wenig Energieaufwand Beute zu machen. Wegen modernen, hochtechnisierten Ausrüstungen an Waffen und Optik und der grossen Mobilität durch Motorfahrzeuge, muss die Gämse den Jäger im ganzen Lebensraum fürchten. Die Gämse hat gegenüber dem Luchs mit den Rückzugsmöglichkeiten in schroffe steile Felsbänder gute Überlebenschancen. Die Natur hat vorgesorgt!

3.2.5. Angaben zum Geschlechterverhältnis der Abschusszahlen Die Abschusszahlen der letzten zehn Jahre sprechen eine klare Sprache wie in den Bestand eingegriffen wurde. Die Böcke wurden klar übernutzt Böcke 1282 53.% Geissen 726 30.2 % Bockjährlinge 206 8.7 % Geissjährlinge 189 7.8 %

Geschlechterverhältnis der Abschüsse über 10 Jahre G: B = 1: 1.76

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Abbildung 21: Geschlechtsverhältnis der Strecke über 10 Jahre (Daten Jagdverwaltung OW, Waldwildkonzept N. Imesch 2017)

Diese Daten wurden mir von Nicole Imesch und dem Kanton Obwalden zur Verfügung gestellt. Die Biologin Imesch hat im Auftrag vom Kanton Obwalden im Rahmen des neuen Waldwildkonzeptes die Situation Luchs und Gämse analysiert. Die Zahlen zeigen klar auf, dass in den letzten zehn Jahren sehr bocklastig gejagt wurde. Der Anteil an Jährlingen beträgt 16.5 %, was sich dann noch zeigen wird mit den Luchsdaten. Der Eingriff ist ganz klar in die reproduzierende Klasse gefallen. Kitze werden nicht bejagt, führende Muttertiere und deren Kitze sind laut eidgenössischem Jagdgesetz geschützt.

3.2.6. Streckenverteilung Alt / Jung Eine genaue Angabe nach Alter stand mir leider nicht zur Verfügung. Ich habe die Strecke in Erwachsene Böcke, Geissen und Jährlinge aufgeteilt (siehe Alterspyramide unten). Alle Tiere müssen zu einer amtlichen Wildvorlage gebracht werden, hier werden Alter, Gewicht, und Geschlecht genau erfasst. Die Krickel der erlegten Tiere müssen alle sauber aufbereitet an der alle zwei Jahre stattfindend Trophäenschau ausgestellt werden. Jedes Gehörn erhält ein Etikett mit Gewicht, Alter und Zählkreis des Tieres. Mein persönlicher Eindruck von der Strecke sieht so aus. Alte Böcke und Geissen sind unterdurchschnittlich vertreten. Die Mittelklasse bei den Böcken von fünf bis zehn Jahren beträgt ca. ein Drittel und der Rest geht in die unter die Vierjährigen inklusiv Jährlinge. Die Reproduktive Altersgruppe wird bei den Geissen eher übernutzt.

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Abbildung 22: Alterspyramide Abschüsse 2005-2016 (Daten Kt. Obwalden N. Imesch 2017)

3.2.7. Bestandes Rückgang mit und ohne Jagd In zwei von den drei Banngebieten wird eine eigene Zählung durchgeführt. Das Gebiet» Sachsler Dorfbach» ist zu klein um als eigener Wildraum betrachtet zu werden. In den beiden unten aufgeführten Gebieten wird nicht gejagt, ausser Hegeabschüsse von kranken Tieren.

Giswilerstock Hier kann von keinem Rückgang der Gämse gesprochen werden. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Das Geschlechterverhältnis ist auch unverändert geblieben.

GV Bock/Geiss 1 : 1.65 Veränderung in zehn Jahren 1 : 1.5

Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Geissen 33 29 26 25 26 24 27 30 30 30 Böcke 20 20 21 20 22 21 23 23 20 20 Abbildung 23: Zählung Banngebiet Giswilerstock 2007-2016 (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

Abnahme über die ganze Population 3 Stück oder 5.66%.

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Hutstock In diesem Gebiet sieht die Situation leicht anders aus. Der Rückgang ist etwas grösser. Auch hier hat sich im Geschlechterverhältnis nur leicht geändert.

GV Bock / Geiss 1:1.57 Veränderung in zehn Jahren 1:1.48

Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Geissen 85 90 85 95 95 93 86 71 68 73 Böcke 54 60 58 65 65 62 61 52 48 49 Abbildung 24: Zählung Banngebiet Hutstock 2006-2017 (Daten Jagdverwaltung Kt. Obwalden 2017)

Abnahme über ganze Population 17 Stück oder 12.23%.

Fazit aus den Zählungen aus den Jagdbanngebieten: Die Jagd ist so gesehen nicht der alleinige Verursacher am Rückgang des Gamsbestandes.

3.3. Luchs 3.3.1. Verbreitung Der Luchs gehört in die Familie der Katzenartigen und ist ein Raubtier. Weltweit kennen wir vier unterschiedliche Arten. Den Eurasischen Luchs, den Rotluchs, den Kanadaluchs und den Pardel Luchs. In Mittel- und Osteuropa sowie in Skandinavien lebt der Eurasische Luchs, bei uns Karpaten- Luchs genannt. Es ist die grösste Luchsart. Der Pardel-Luchs, ist die kleinste Luchsart und besiedelt das südliche Spanien. Diese Luchsart ist nur noch in geringer Menge vorhanden und ist vom Aussterben bedroht. Seine Hauptbeute ist das Kaninchen. Der Kanada- Luchs ist im Norden der USA bis nach Alaska beheimatet. Diese Art ernährt sich hauptsächlich vom Schneeschuhhasen. Der Rot- Luchs lebt von Amerika bis nach Südamerika und ist in der Beute sehr anpassungsfähig, er frisst, was gerade vorhanden ist. In Westeuropa war der Luchs heimisch. Im 19. Jahrhundert begann eine vollständige Ausrottung dieser Art. In dieser Zeit waren die Huftierbestände am Boden und so gab es viele Übergriffe vom Luchs auf die Haustiere. Die Leute hatten in dieser Zeit wenig zu essen und so verteidigten sie natürlich ihre Nahrung. Es wurden Prämien bezahlt für erlegte Tiere und man begann mit allen Mitteln diese Tierart auszurotten. Keine Mittel blieben ungenutzt, es wurden Fallen gestellt, Schlingen gelegt, Köder vergiftet und geschossen, was das Zeug hielt. Im 20. Jahrhundert, nach dem 2. Weltkrieg, wo es wirtschaftlich aufwärts ging und die Leute keinen Hunger mehr hatten, entwickelte sich der Naturschutz. Verschiedene Kreise versuchten der Natur wieder zurückzugeben, was man ihr genommen oder kaputt gemacht hatte. So wurden dann Anfang der Siebzigerjahre wieder Luchse in Westeuropa eingesetzt. Zuerst in Deutschland und der Schweiz. In der Schweiz hat sich der Bestand dank Schutzmassnahmen und kontinuierlichem Management erfreulich vergrössert. Die Schweizer Luchspopulationen verteilen sich auf den Jura, die Zentralalpen und Voralpen und seit kurzem auf die Ostschweiz. In Europa wurde der Karpaten-Luchs wieder angesiedelt und deshalb ich beziehe mich nun auf diesen Typ Luchs.

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3.3.2. Morphologie des Eurasischen Luchses Weibchen Durchschnitt Männchen Durchschnitt

Gewicht 15 - 21 17 20 - 32 24 cm Kopf Rumpflänge 80 - 98 90 90 - 110 100 cm Schulterhöhe 49 - 57 53 52 - 60 55 cm Schwanzlänge 16 - 23 20 19 - 24 22 cm Tragzeit 68 - 72 70 Tage Wurfgrösse 1 - 4 2 1 - 2 Junge Abbildung 25: Morphologie des Luchs (Breitenmoser U. und Breitenmoser – Würsten C. 2008)

3.3.3. Bestandes-Entwicklung in den letzten zehn Jahren. Am Anfang begann man mit Hochrechnungen anhand von Luchsbeobachtungen, die von den Wildhütern und Jägern und sonstigen Personen gemeldet wurden, die Luchspopulation zu eruieren. Einige Luchse wurden besendert und davon erhielt man mittels Telemetrie Angaben über den Aufenthalt des Tieres. In neuester Zeit hat sich das Fotofallenmonitoring etabliert. Einigen Tieren wurden GPS- Sender angelegt und diese zeigen genau die Wanderungen auf, welche ein Luchs gemacht hat. Durch diese Daten findet man leichter Risse und erhält wertvolle Angaben bezüglich der Beute des jeweiligen Tieres. Damit können klare Trends abgeleitet werden, wie hoch der Anteil einer Beutetierart am ganzen Beutespektrum ist. Durch sogenannte Fotofallenmonitorings werden die Luchsdaten erhoben. Am Anfang wurden an Rissen Kameras installiert und so die Luchse anhand des Fellmusters identifiziert. Mit der Zeit wurden weitere Kameras an Luchswechseln platziert. Diese Monitorings werden von KORA Schweiz in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Kantonen durchgeführt. Diese Arbeit hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und heute hat man sehr genaue und praxisnahe Resultate. Alle Daten werden in einem KORA Bericht ausgewertet und können auf der Homepage von KORA Schweiz jederzeit kostenlos abgerufen werden.

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Abbildung 26: Bestandes Schätzungen anhand Sichtbeobachtungen von 2005-2009 (Daten KORA CH 2010)

Abbildung 27: Fotomonitoring 2010-2016 (Daten KORA CH 2016)

Fridolin Zimmermann, KORA CH, berechnete eine optimale Habitatsgrösse auf unseren Kanton. Diese umfasst 362 Km2. Nach den neuesten Angaben leben heute neun ausgewachsene, selbständige Luchse in der dieser Gegend. KORA zählt die Jungen jeweils mit der Mutter als eine Einheit, weil Abwanderung und Mortalität das Bild verfälschen. So ergibt sich eine durchschnittliche Habitat Grösse pro Luchs von 40.6 Km2. Diese ist wesentlich kleiner als zum Beispiel in Skandinavien. Im Jura und den Westalpenpopulationen ist sie in etwa gleich gross wie in Ost und Nord Europa. In diesen Regionen beträgt die Grösse durchschnittlich 134,5 km2, also mehr als das Dreifache als im Kanton Obwalden! Ein weiters Merkmal ist, dass die Luchse entweder auf der Ost- oder Westseite unseres Tales leben. Die natürlichen Barrieren von Seen und Flüssen, zusammen mit den menschlichen Siedlungen und der Autobahn, wird nicht überquert. Der scheue Luchs meidet Offenlandschaften und Siedlungsgebiete. Einzig im Gebiet Brünig Pass wechseln die Luchse die Talseiten. Ebenso kommen die Luchse aus dem Zählkreis Oberland Ost über den Berg. Gleich unterhalb des Brünig Passes ist ein wunderschönes Rehhabitat, jedoch ist der Bestand an Rehen dort seit Jahren tief, was auf die vermehrte Anwesenheit und grössere Bewegungen von verschiedenen Luchsen hinweist. Dies ist auch aus den Karten ersichtlich. Meine zwei letzten Luchsbeobachtungen konnte ich im Jahr 2017 in diesem Gebiet machen. Aus der Karte ist klar ersichtlich, dass die waldreichen Gebiete auf der Westseite bevorzugt werden. Das immer wieder Luchse ihr angestammtes Revier verlassen zeigen die beiden Karten unten. Luchs Amor wurde mehrheitlich am Brienzersee beobachtet, rote Polygone. Auf der Karte Zentralschweiz West sieht man sein Streifgebiet anhand der Besenderung violette Punkte.

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Abbildung 28: Referenzgebiet Zentralschweiz West (Daten KORA CH 2016)

Abbildung 29: Referenzgebiet Zentralschweiz Ost (Daten KORA CH 2016)

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Abbildung 30: Luchsnachweise Zentralschweiz Ost (Daten KORA 2016) Aus dieser Abbildung ist das alte Referenzgebiet massgebend.

3.3.4. Beute Der Luchs als Fleischfresser bevorzugt folgende Beute: Das Reh ist sein Hauptbeutetier, gefolgt von der Gämse, Hasen, Birk- und Auer Wild, Füchse sowie Murmeltiere. Mitunter sind auch Rotwildkälber und Sikahirsche auf seinem Speiseplan. In Bezug auf seine Beute ist der Luchs sehr anpassungsfähig. Der Luchs wählt seine Beute nicht nur nach der Art, sondern oft reisst er, was am besten vorhanden ist. Anhand von Untersuchungen des Knochenmarkfettanteils bei gerissenen Tieren, als Indikator für den Gesundheitszustand des Beutetieres, (Jobin et al aus Breitenmoser und Breitenmoser-Würsten 2008) zeigt, dass der Luchs alle Grössen und vor allem gesunde Tiere reisst. Der Luchs reisst seine Beute fast vollständig selber, nur in Ausnahmefällen nimmt er Fallwild als Nahrung an. Als Überraschungsjäger ist er in waldreichen Gebieten prädestiniert, Beute zu machen. Ein ausgewachsener Luchs benötigt pro Tag im Durchschnitt ca. 2 kg Fleisch. (Jobin et al aus Breitenmoser und Breitenmoser- Würsten 2008) Die folgenden Angaben aus Untersuchungen im Jura von U. Breitenmoser et al zeigen auf, dass die Nahrungsaufnahme auch jahreszeitlich unterschiedlich ist.

Luchs tägliche Menge Abweichung Anzahl Adultes Weibchen ohne Junge 3.1 kg 1.4 kg 27 Adultes Männchen 3.8 kg 1.3 kg 31 Weibchen mit einem Jungen 4.8 kg 1.1 kg 16

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Weibchen mit Jungen, zeitliche Einschränkung von Oktober bis März. Untersuchungen im Zoo Bern (Breitenmoser et al) ergaben eine tägliche Menge von 1.1 -1.6 kg und im Moskauer Zoo nach Angaben von Matjuskin 1.5-2.3 kg. In der freien Wildbahn fressen Luchse nicht jeden Tag. So ergeben sich die relativ grossen Abweichungen. So konnten Breitenmoser und sein Team feststellen, dass Luchs Miro während der Ranzzeit über eine Woche nichts frass. Als er ein Reh schlug, frass er auf einmal über 9 kg, dies ist mehr als ein Drittel seines Körpergewichtes.

3.3.5. Benötigtes Futter Diesen Herbst untersuchte ich, wieviel reines Fleisch nach dem Zerwirken bei Gämsen übrigbleibt. Bei 21 Gämsen - aufgebrochen mit Haupt - ergab es ein Durchschnittsgewicht von 20.900 kg. Es wurden keine Kitze berücksichtigt, da diese nicht bejagt werden. Daraus resultiert ein Fleischgewicht im Durchschnitt von 8.647 kg, dies ist eine Ausbeute 41.372 %. Rechnet man ca. 3.500 kg für Fett und Innereien dazu, ergibt dies eine Futtermenge von 12.147 kg. Da laut KORA der Anteil an Kitzen 28 % beträgt darf dieser Wert als Mittelwert genommen werden. Daraus folgt: 365 Tage mal 2 kg Futter im Durchschnitt ergibt eine Jahresmenge von 730 kg

Die Jahresmenge von 730 kg geteilt durch 12.147 ergibt 60.09 Tiere pro Jahr / Luchs. Diese Anzahl Beutetiere bestätigt auch KORA.

Fazit: Im Untersuchungsgebiet leben 9 Luchse, so resultiert eine Beutemenge von 540 Stück. Der Anteil an Gämsen wird mit 40 % beziffert. Dies ergibt einen Gamsabgang von 216 Stück.

3.4. Entwicklungstendenz Luchs Wie alle Räuber-Beute Beziehungen hängt die Entwicklung vom Vorhandensein seiner Beute ab. Zweitens ist die Frage nach der optimalen Habitats Grösse (Anzahl pro Quadrat Kilometer oder Hektar) je nach Tierart. Jeder ausgewachsene Luchs besitzt ein eigenes Revier. Reviere von Männchen und Weibchen überlappen sich. Aus beiden Faktoren ergibt sich dann ein auf oder ab in der Population. Rein auf unser Gebiet bezogen ist sicher genug Beute vorhanden. Dies allein lässt ein Ansteigen der Bestände zu. Anders sieht es von der Habitatsgrösse aus. Die mittlere Grösse von Revieren im Schweizer Jura beträgt 134.5 km2. Der optimale Lebensraum im Gebiet Obwalden beträgt 336 Km2. Optimaler Lebensraum geteilt durch die neun Luchse ergibt eine Reviergrösse von 37.222 km2. Die effektive Reviergrösse ist bei den meisten Luchsen grösser, da ihr Streifgebiet über die Kantonsgrenzen hinausragt.

Anhand dieser Zahlen sieht man, dass nicht mehr viel Lebensraum vorhanden ist, und die subadulten Luchse werden zur Abwanderung gezwungen um eigene Territorien zu finden. Wenn ein Luchs verendet, aus welchem Grund auch immer, wird sein Revier schnell wiederbesetzt, so lange eben Futter vorhanden ist.

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Anhand der letzten Daten des Monitorings sieht der Bestand von Luchsen, die im Untersuchungsgebiet und in den angrenzenden Kantonen bestätigt wurden, folgendermassen aus:

Männlich Weiblich Geschlecht Total unbestimmt Ostseite 2 3 1 6 Westseite 2 4 6 Abbildung 31: Bestätigte Luchse in Obwalden (Daten KORA 2016)

Mit diesen Angaben ist es sehr schwierig und spekulativ, eine Entwicklungstendenz voraus zu sagen. Bei sicher bestätigen drei Weibchen auf der Ostseite kann mit einem Zuwachs von ein bis zwei Jungen pro Wurf und Jahr gerechnet werden. Auf der Westseite ist von ein oder zwei Weibchen auszugehen. Dies ergibt schätzungsweise zwei Würfe. Es kann angenommen werden, dass Ost und West zusammen etwa 4-6 Junge pro Jahr produzieren. Die Überlebensrate beträgt im Durchschnitt 1 -2 Tiere pro Wurf. Tendenziell ist sicher keine Abnahme des Bestandes zu erwarten. Daraus kann die Folge gezogen werden, dass der Druck von Seite Luchs auf die Gämse mindestens gleichbleiben oder noch zunehmen wird. Genaue Rückschlüsse werden die nächsten Fotomonitorings bestätigen.

3.5. Entwicklungstendenz Gämse Im Gegensatz zum Luchs sinkt die Anzahl Gämsen kontinuierlich. Parallel dazu sinkt auch der Rehbestand, was mit zu berücksichtigen ist. Im Gegensatz zum Luchs nahm die Beute für den Jäger ständig ab.

Gämse Reh Bestand laut Zählung 2007 1677 1055 Bestand laut Zählung 2017 1417 879 Abbildung 32: Bestandes Veränderung Gams Reh 2007-2017 (Daten Jagdverwaltung OW 2017)

Altersvergleich der Strecke von Luchs und Jäger Kitze Jährlinge Adulte Tiere Strecke Jäger 0 12.6% 87.4% Beute Luchs 42.0% 7.0% 51.0% Abbildung 33: Altersvergleich Strecke Jäger/Luchs (Daten KORA Jagdverwaltung Obwalden 2017)

Diese Zahlen zeigen ein klares Bild, dass der Jäger die erwachsenen Tiere zu stark bejagt. Für den Patentjäger ist nicht die Trophäe wichtig, sondern er will Nutzen (Fleisch). Daraus resultiert die hohe Anzahl Abschüsse in der Mittel- und Altersklasse. Bis Ende der 1990er Jahre durfte man zwei Tiere erlegen. Wenn nun nur noch eine Gams geschossen werden darf, dann ein adultes Tier, ist der Tenor bei den Jägern. Diese verinnerlichte Tradition zu ändern ist ein schwieriges Unterfangen. Bei der Luchsbeute ist der Anteil mit 40 % Kitzen zum grössten Teil kompensatorisch. Diese Beute ist auch reichlich vorhanden. Wenn ich nun davon ausgehe, dass der Luchs seine Beute am Vorhandensein reisst, schliesse ich daraus, dass nur wenig Kitze das erste Lebensjahr überstehen. Der Jährlingsanteil beträgt nur 7% der Luchsbeute.

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Die Biologin Nicole Imesch machte im Auftrag der Jagdverwaltung Obwalden folgende Berechnung für die Gamssituation im Kanton Obwalden:

Neun Luchse: Prädationsdruck ca. 215 Gämse pro Jahr. Davon 40 % Kitze anhand von Wildhut und Studienresultaten von KORA. Abgangsquote Luchs 2016: 10% vom Bestand nach Setzzeit. Zählung 2016, 1373 +20% Dunkelziffer + Nachwuchs 25% = 2145 Tiere 2145/215 = 10% Berechnung Zuwachsrate inkl. Abgang Luchs: Prämisse Nachwuchsrate 25% (gemäss Kohortenanalyse und theoretische Werte) Zuwachsrate 15% (gemäss Kohortenanalyse und theoretische Werte) = 10% Verluste im ersten Jahr 10/25 = 40% des Nachwuchses fällt im ersten Lebensjahr 40% von 429 Tieren = 172 Tiere die Normalerweise im ersten Jahr sterben.

Kompensatorischer Effekt wird prozentual mitberechnet: (der Kompensatorische Effekt ist die Anzahl Kitze die das erste Lebensjahr nicht überleben, aber nicht vom Luchs gerissen wurden)

Annahme 1: 70% kompensatorischer Effekt: 30% von 215 gerissenen Tieren = 65; 172+65 =237 gefallene Tiere ; 429-237=192 Tiere Zuwachs pro Jahr 192/1716=11% Zuwachsrate

Annahme 2: 50% kompensatorischer Effekt: 50 % von 215 gerissenen Tieren =108; 172 + 108 = 280 gefallene Tiere; 429 – 280=149 Tiere Zuwachs pro Jahr 149/1716=9% Zuwachsrate

Annahme 3: 30% kompensatorischer Effekt 70% von 215 gerissenen Tieren = 150; 172 + 150 = 322 gefallene Tiere; 429 -322 =107 Tiere Zuwachsrate 107/1716 = 6 % Zuwachsrate Berechnung wurde von N. Imesch erstellt für Waldwildkonzept Obwalden 2017

Der Mittelwert aus diesen drei Modellen beträgt 8.66 % Zuwachsrate. Die Abschussquote der letzten zehn Jahre beträgt im Mittel 14% des Zuwachses. Die durchschnittliche Abschusszahl der letzten drei Jahre, seit das Gamspatent separat gelöst werden kann, beträgt 153 Tiere oder 8.91%. Je nach Wettereinflüssen oder Krankheiten, die auf die Zuwachsrate drücken können, darf mit einer knapp stabilisierenden Situation gerechnet werden. Die Jagd muss diese Zahlen unbedingt beibehalten. Ein weiterer Luchsanstieg wirkt sich verschlechternd auf die Situation aus.

Betrachtet man die folgenden verschiedene Populationsmodelle, so ist die Situation alarmierend. Diese Diagramme wurden ohne Einfluss von Grossraubwild erstellt. Die Angaben sind auch immer relativ zu betrachten, da Gamswild sehr schwierig zu zählen ist. Laut den Forschern ist mit einer Dunkelziffer von 20% zu rechnen. Die Altersansprache der einzelnen Tiere kann nur annähernd genau bestimmt werden.

Jagdwirth X 30 Hans Vogler 40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden

3.5.1. Populationsmodelle im Vergleich Stringham und Bubenik 1975 machten folgende Angaben:

Alle Angaben sind in % Böcke Geissen Kitze 18 15 Jährlinge 23 11 Subadulte 16 16 Erwachsene 33 46 Senioren 10 12

Pedrotti 1989 vereinfachte sein Modell nur in Altersklassen ohne Geschlechterunterteilung:

Kitze 18 Jährlinge 12 Subaldulte 18 Erwachsene 40 Senioren 12

Pedrotti und Tosi 1990 und 2001:

Kitze 24 – 25 Jährling 18 - 19 Subadulte 17 – 21 Erwachsene 35 – 43

Alle Angaben aus das Gamsbuch von Miller und Corlatti (2014)

Fazit: Nach den Berechnungen von Nicole Imesch kommen wir im besten Fall auf 11% Zuwachs, also Jährlinge. Vergleicht man nun die Modelle oben, ist klar ersichtlich, dass unsere Bestände nicht mehr wachsen können. Der Anteil an einjährigen Gämsen ist zu niedrig.

Aus den oben genannten Daten habe ich folgende Wahrscheinlichkeitsrechnung für die Zukunft berechnet.

Zuwachs an Jährlingen 192 Stück Beute an Jährlingen 7% von 216 Tieren - 15 Stück Beute Jäger an Jährlingen 11.15 % von 143 Tieren - 16 Stück

Bestand an zwei Jährigen (netto Zuwachs) = 161 Stück

Beute an Adulten Tieren 53 % von 216 Tieren - 110 Stück Jagdabschuss 88.85 % - 132 Stück Übernutzung von Jagd und Luchs - 81 Stück

Dieser Verlust von 81 Tieren ergibt 4.72% vom Ausgangsbestand von 1716 Tieren. Durch den verkleinerten Anteil an reproduzierenden Geissen wird sich die Abnahme in Zukunft

Jagdwirth X 31 Hans Vogler 40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden vergrössern. Daraus ergibt sich ein richtiger Flaschenhals im Zuwachs in Zukunft. Diese Zahl wurde anhand der Daten von 2016 berechnet. Weiter zurück kann das in etwa auch stimmen, denn die Anzahl Luchse war vor zehn Jahren noch kleiner. Die Jagd nutzte aber mehr Tiere, wie aus den obigen Angaben ersichtlich ist.

4. Diskussion

4.1. Vergleich Aussagen und Daten Interviews mit dem Kantonalen Jagdverwalter und den Wildhütern. Die Jagdverwaltung Obwalden ist zuständig für alle Belange unserer Jagd. Sie macht die Abschussplanung und diese wird von der Kantonalen Jagdkommission genehmigt. Diese Personen sind zuständig für das Wildtiermanagement in Obwalden. Durch die veränderten Umweltbedingungen und die vermehrten Bedürfnisse von der Bevölkerung in Sachen Freizeitaktivität, sind ihre Aufgaben ständig gewachsen. Über den Rückgang der Gämsen und die Problematik Gams-Jagd wollte ich bei diesem Personenkreis Meinungen dazu einholen. Weiter interessierte mich ihr Standpunkt zum Luchs und wie weit man mit dem Management für dieses Raubtier ist.

4.1.1. Interview Cyrill Kesseli, Jagdverwalter Obwalden, hat mit den Wildhütern Eugen Gasser (Lungern), Hans Spichtig (Sachseln) und Klaus Hurschler () zusammen meine Fragen schriftlich beantwortet. Ihre Antworten sind kursiv gedruckt.

Wie viele Luchse schätzt ihr, leben zurzeit im Kanton Obwalden? Die Luchsdichte gemäss Monitoring beträgt im Sarneraatal West 2.09 und im Sarneraatal Ost 2.5 Luchse je 100 Km2 geeigneten Lebensraum. Daher ist davon auszugehen, dass wir zwischen acht und zehn ausgewachsene Luchse im Kanton haben.

Wie oft seht ihr einen Luchs pro Jahr? Im Durchschnitt verzeichnen wir mit Glück eine Sichtung je Mitarbeiter.

Wie viele Risse findet ihr, die dem Luchs mit Sicherheit zugewiesen werden können? Der Wildhut werden jährlich schätzungsweise dreissig Luchsrisse gemeldet. Einige Funde passieren im Rahmen spezifischer Suchen aufgrund von Hinweisen besenderter Luchse für wissenschaftliche Zwecke.

Wie hoch schätz ihr die Zahl der Gämsen, die durch den Luchs erbeutet werden? Luchse erbeuten ca. 60 Stück Schalenwild je Jahr, meist Gams und Reh. Der Anteil Rehe an der Beute dürfte bei uns etwas über dem Anteil Gämsen liegen.

Könnt ihr diese Gams-Risse anzahlmässig, in Jugendklasse Kitze und Jährlinge, mittel Klasse zwei bis sechsjährige und ältere zuordnen? Nein, eine diesbezügliche Aussage ist nicht möglich. Wir verfügen über keine entsprechende Statistik.

Jagdwirth X 32 Hans Vogler 40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden

Wann ist für euch die Kapazitätsgrenze der Luchse in unserem Kanton erreicht? Die Anzahl Beutegreifer wird über ihre Beute gesteuert. Spätestens wenn die Dichte an Beutetieren wie Gams und Reh derart tief ist, dass der Energieaufwand der Beutegreifer für die Jagd grösser ist, als der Ertrag, ist die Lebensraumkapazität und somit ein Gleichgewichtszustand überschritten. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt.

Wie viele tote, erwachsene Luchse wurden in den letzten zehn Jahren im Kanton der Wildhut gemeldet? In den letzten zehn Jahren wurden zwei ausgewachsene Luchse als Fallwild registriert.

Wie hoch ist für euch der Einfluss des Luchses auf den Gamsbestand? Unbedeutend Niedrig Mittel Hoch Der Luchs ist ein Beutegreifer und die Gams gehört in sein Beutespektrum. Der Einfluss des Luchses auf die Bestände von Reh und Gams ist mit Bestimmtheit spürbar. Eine Kategorisierung überlassen wir der Politik.

An welcher Stelle steht für euch der Luchs als Faktor für den Gamsrückgang im Kanton? Erster Zweiter Dritter unbedeutend Eine auf der Luchsdichte basierende Schätzung der Gamsrisse im Vergleich mit den Abschusszahlen veranlasst zur Vermutung, dass die jährliche Jagdstrecke des Luchses diejenige der Jägerschaft übersteigt.

Würden Luchsumsiedlungen oder Abschüsse einen Anstieg des Gamsbestandes bringen und in welchem Mass? Viele Faktoren beeinflussen den Gamsbestand: Störungen im Lebensraum, Krankheiten, Beutegreifer, und die Jagd. Die teilweise Entnahme des Beutegreifers Luchs hätte daher Einfluss auf den Bestand an Beutetieren. Die Entnahme von Einzelnen Luchsen würde sich aber nur langsam und geringfügig auf den Gamsbestand auswirken. Der Gamsbestand reagiert im Vergleich zum Rehbestand nur träge mit Anstieg. Und die übrigen limitierenden Faktoren bestünden ja immer noch.

Wie viele Tiere müssten in welchem Zeitraum Platz machen für eine Verbesserung der jetzigen Situation? Gegenfrage: Was genau soll an der heutigen Situation verbessert werden? Eine Elimination von menschlichen Störungen im Lebensraum der Gämse würde wohl die wesentlichste Verbesserung hinsichtlich eines gesunden Gamsbestandes herbeiführen. Die ist allerdings nicht möglich. Das Konzept Luchs beschränkt mögliche Eingriffe in den Luchsbestand. Die dort angewendeten Beschränkungen möglicher Eingriffe erscheinen sinnvoll.

Welche jagdlichen Eingriffe haben in der Vergangenheit für euch einen direkten Zusammenhang mit dem Rückgang der Gämse zu tun? Oder ist da nichts Gravierendes? Die Eingriffe lagen gebietsweise während mehreren Jahren über dem jährlichen Zuwachs. Ausserdem wurde und wird seit Jahren in allen Gebieten bocklastig gejagt. Beides wirkt sich nachteilig auf den Gamsbestand aus.

Jagdwirth X 33 Hans Vogler 40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden

Haben in den letzten Jahren Wildkrankheiten den Gamsbestand in unserm Kanton massiv dezimiert? Wenn ja welche? Die Krankheit Gamsräude und Gamsblindheit tauchten an verschiedenen Orten periodisch auf. Sie verschwanden allerdings auch immer wieder. Lokal musste so ein Bestandesrückgang festgestellt werden.

Wird in Zukunft mit zunehmendem Raubtier Bestand Luchs, Bär und Wolf eine Patentjagd in unserer Gegend noch möglich sein? Ja, die Jagd wird auch künftig noch notwendig sein und der tüchtige Jäger wird noch immer Beute machen können.

Ich danke euch für die Beantwortung der Fragen und für die Unterstützung.

4.2. Gebietsvergleich Betrachtet man die Abschüsse nach Gemeinden, so ist klar ersichtlich, dass Sarnen und Giswil Nord den grössten Rückgang zu verzeichnen haben. Das Fotofallenmonitoring bestätigt, dass in dieser Gegend mehrere Luchse sind. Durch den grossen Waldanteil, und die weniger steilen Hänge, ist dies ein besseres Luchshabitat gegenüber dem Gamslebensraum. In diesem Sektor muss mit einer Verschlechterung der Gamssituation gerechnet werden. Ein weiterer negativer Punkt ist der hohe Rotwildbestand in diesen zwei Gemeinden. Im Winter stellen sich, westlich des Sarner See, bis zu 400 Stück Rotwild ein. Wie hoch genau die Verdrängung durchs Rotwild ist, kann ich nicht genau beziffern, es muss aber für die Verteilung der Gämse berücksichtigt werden. Die Waldgämsen sind durch den Jagdvorteil vom Luchs im Wald die ganz klaren Verlierer. Die Zählergebnisse bestätigen dies. Für den Gamsbestand hat es noch eine weitere negative Komponente. Viele starke mittelalte und reife Böcke lebten in den Waldgebieten und konnten unbehelligt Feisten. Zur Brunftzeit waren diese konditionell und körperlich bereit für die hohe Zeit. Ihre Unbekümmertheit und angebliche Stärke machte sie zur leichten Beute des Luchses. Dieser Verlust an Brunftböcken wirkt sich negativ auf den Brunftverlauf aus. Mit der starken Bejagung der Böcke in allen Altersklassen verstärkt sich dieses Problem weiter. Beobachtungen auf der Rehjagd im Oktober von meinen Mitjägern und mir bestätigen diesen Rückgang. Vor zehn Jahren wurde von den Hunden immer wieder starke Gamsböcke vor die Flinte getrieben. In den letzten Jahren hatte dies Seltenheitswert.

4.2.1. Optimales Luchshabitat weniger Gämsen Die Luchse sind über das ganze Tal verteilt. Laut Fotofallenmonitoring leben in den waldreichen Gebieten von Giswil Nord über Sarnen bis Alpnach etwas mehr Luchse. Hier ist die Topographie des Geländes nicht so steil. Diese Hügellandschaft ist keine typische Gämszone. Der dortige Gamsbestand ist tiefer als in den übrigen Teilen des Kantons. Die Bestandes- und Abschusszahlen belegen dies. Die Jagdvorteile in Waldgebieten vom Luchs, beeinträchtigen den Gamsbestand in diesem Gebiet stärker als sonst wo. Die Zähldaten weisen darauf hin. Jagdlich war es früher - und ist es heute noch - für den Jäger schwierig, im Wald Gämsen zu jagen. Im Wald Gämsen anzusprechen verlangt sehr viel Erfahrung des Weidmanns. Das Risiko, führende Geissen ungewollt zu erlegen, ist sehr gross. Die Kitze können sich unweit der Mutter sehr gut verstecken und werden vom Jäger oft übersehen. An so einem Abschuss wollen sich die Jäger die Finger nicht verbrennen. Die wenigen Böcke, die dort leben, muss der Jäger zuerst finden, was viel Revierkenntnis voraussetzt. Der Zeitdruck von lediglich acht Tagen Gamsjagd auf adulte Tiere in unserem System wirkt sich hemmend

Jagdwirth X 34 Hans Vogler 40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden auf die dortige Bejagung aus. Die Jäger bevorzugen die offene, übersichtliche Jagd Zone oberhalb der Baumgrenze oder Alpweiden, wo es einfacher ist, Beute zu machen.

Einfach gesagt: Der Luchs nutzt den Jagdvorteil im Wald, der Jäger ergreift seine Chance in der offenen Landschaft, um etwas zu erbeuten. So wird meines Erachtens diese kleine Population auch unter dem Einfluss von Luchs überleben, aber sicher nicht mehr anwachsen.

4.2.3 Optimales Gamshabitat Jäger und Luchs gleiche Beute In den Gebieten, wo wirklich gute Gämsbestände leben, wirken der Jäger und der Beutegreifer in etwa gleich in den Bestand ein. Hier die Tendenzen der Gemeinden:

Alpnach stabil Sarnen stabil auf tiefem Niveau Giswil sinkend Lungern steigend Sachseln steigend Kerns leicht sinkend

5. Ausblick

5.1. Faktor Mensch und Umwelt 5.1.1. Einfluss Mensch Betrachten wir einmal die Dichte an Wanderwegen und Strassen, die im kantonalen Wanderwegnetz, die offiziell aufgenommen sind und weitere Wege und Strassen, die noch dazu kommen, so ist schnell ersichtlich, wie stark die Wildlebensräume beeinträchtigt werden. Gewisse Stassen haben sogar Wildlebensräume zerstört. Rechnet man noch dazu, was aus diesen Verkehrswegen und Wanderwegen entsteht, durch Freizeitnutzer in allen Formen, so ist für alle Wildarten Stress pur angesagt. Die Situation verschlechtert sich noch einmal um ein Vielfaches, wenn man den Wintertourismus miteinbezieht.

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Abbildung 34: Karte 1:500 000 Wanderwegnetz von Obwalden (GIS OW 2019)

5.1.2. Landwirtschaft Die Alpwirtschaft steht unter enormem wirtschaftlichem Druck. Schwere Geräte und Maschinen verändern die Almweiden, es werden Weidegänge erstellt und diese werden wiederum von Mountainbikern missbraucht. Gülle wird zu früh ausgebracht, bevor sich die Schadstoffe abgebaut haben, dadurch erhöht sich ein Ansteckungsrisiko an verunreinigter Äsung. Die Flora wird durch die starke Güllen Düngung verändert, und wichtige Kräuter für Gämsen verschwinden. Fast täglich fahren die Älpler ins Tal, um dort ihre anstehenden Arbeiten zu erledigen und am Abend wieder hinauf zum Melken. Früher war der Senn den ganzen Sommer auf der Alp und wurde nur ab und zu mit Lebensmitteln versorgt. Heutzutage herrscht ein Verkehr zu jeder Tages- und Nachtzeit auf den Bergstrassen. Durch diese Faktoren haben die Tiere weniger oder verkürzte Äsungszeiten und mehr Stress, was sich negativ auf die Kondition auswirkt. (Ingold et al.) Schlechtere Kondition heisst, weniger Reserven für den Winter, daraus erhöht sich die Wintersterblichkeit der Gämsen. Die Fortpflanzungsleistung nimmt ab und folglich die Bestände.

5.1.3. Tourismus Für mich stellt sich die Frage, ob die Freizeit-Gesellschaft den Luchs, als sehr scheues Tier, immer mehr in höhere Lagen abgedrängt hat. Seit einigen Jahren melden die Jäger, dass in Lagen ab ca. 1500 Meter über Meer, keine Rehe mehr gesehen und bejagt werden konnten.

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Dies kann ich selber auch bestätigen, meine Mitjäger und ich waren oft in diesen Höhen auf der Rehjagd. Bei den Trieben gaben die Hunde keinen Laut und die Beute blieb aus, auch auf dem Ansitz in diesen Gebieten wurden keine Rehe beobachtet. Da der Luchs reviertreu ist, könnte dies zu einem vermehrten Druck auf die Gämse als Beute gekommen sein. Zahlen gibt es keine, aber mehrere Beobachtungen. Dieses Phänomen hat Breitenmoser und Haller wie bereits beschrieben im Wallis festgestellt. Schuld am Beutewechsel ist nicht der Luchs, sondern der Störenfried Mensch. Der Einfluss vom Luchs auf die Gämse ist für mich höher als erwartet. Mit 40% seiner Beute ist dies klar bezifferbar. Jedoch von Gebiet und Topographie sehr unterschiedlich. Der Einfluss der Jagd ist genau ausgewiesen. Diesen Einfluss kann mit Vorgaben zum Teil gesteuert und in positive Richtungen gelenkt werden.

5.1.4. Lebensraumverlust Wie gross der Einfluss Mensch auf den Rückgang der Gämse ist, lässt sich nicht beziffern. Der Verlust an Lebensraum wird immer grösser und Luchs und Gämse sind gemeinsame Verlierer. Die Freizeit-Gesellschaft ist unkontrollierbar und erfindet sich täglich neu. Dieser Faktor ist wie bei anderen Tierarten der grösste Verursacher am Rückgang einer Population. Beim Feldhasen zum Beispiel ist die mechanisierte Landwirtschaft der grosse Feind. Da die Gämse andere wirtschaftlich unrentable Flächen besiedelt, fällt dieser Druck viel weniger ins Gewicht. Machen wir ein Modell von einer Wachstumskurve, biotisch für die Gämse und schadenstiftend für den Mensch, so hat der Mensch seine Kapazitätsgrenze bei weitem überzogen! Alle drei Faktoren, Luchs, Jagd und Mensch haben gleichen Anteil am Rückgang der Gamsbestände. Dies bestätigen die Aussagen der Wildhut. Sie sind täglich im Gelände und anhand ihrer Beobachtungen schätzen sie die Lage richtig ein. Die Daten bestätigen ihre Aussagen. In Zukunft müssen noch bessere Angaben zu Luchs und Gams erarbeitet werden, um vorausschauend die Jagd zu planen.

5.2. Werte Konflikt Luchs / Gämse Nun stehen wir an einer neuen Situation in der Wildpolitik. In der Vergangenheit musste sich niemand Gedanken machen, ein gesetzlich geschütztes Raubtier zu managen. Die Dichte des Luchses ist in unserer Region, für eine überlebensfähige Population vorhanden. Seinen Einfluss auf die Gämsen ist klar bezifferbar. Nun stellt sich die Frage welche Tierart hat mehr wert? Ist der Luchs mehr wert als die Gämse? Je nach Brille, durch welche man schaut, kommen unterschiedliche Bedürfnisse zum Tragen. Der Naturschutz will ganz klar ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Beutegreifer und Beutetier. Die Jagd möchte möglichst viele Beutetiere, um abschöpfen zu können. Das Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Kurz Jagdgesetz JSG) hat beides berücksichtigt: Art. 1 b) «Das Gesetz bezweckt eine angemessene Nutzung der Wildbestände durch die Jagd zu gewährleisten. (…) Der Bund stellt Grundsätze auf nach denen die Kantone die Jagd zu regeln haben.» Solchen Grundsätzen folgt das schweizerische Luchskonzept. Im ganzen Alpenbogen sind die Gamsbestände rückläufig, dies aus verschiedenen Gründen. Meiner Meinung nach müsste nun dieses Konzept umgesetzt werden, um Artikel 1b des Jagdgesetztes gerecht zu werden. Im Gespräch mit Fridolin Zimmermann und Sven Signer von KORA sagten beide, dass solche Abschüsse getätigt werden können ohne eine Gefährdung des Luchsbestandes. Sie sind auch

Jagdwirth X 37 Hans Vogler 40 Jahre Luchs im Kanton Obwalden der Meinung, dass die Jäger miteinbezogen werden sollten um die Wilderei zu verhindern und die Akzeptanz der Wildart Luchs, bei der Jägerschaft, zu erhöhen.

5.2.1. Luchskonzept Dieses Konzept ist sehr weitreichend (Herdenschutz, Entschädigungen an die Tierhalter, Waldverjüngungssituation usw.) Auszugsweise die Entscheidungsgrundlagen für Eingriffe in den Luchsbestand:

Abbildung 35: Entscheidungsgrundlagen für Eingriffe in den Luchsbestand (www.bafu.admin.ch)

Die Jagdverwaltung stell im Interview klar, dass nun die Politik entscheiden muss, welchen Weg man geht. Ein, zwei Abschüsse regeln meiner Ansicht nach diesem Problem nicht.

5.3. Neue Strategie Es muss eine langfristige ausgewogene Planung ins Auge gefasst werden. Meiner Meinung nach müssen diese einzelnen Konzepte betreffend Luchs, Gams, Reh und Umwelt in einer gemeinsamen Strategie zusammengeführt werden. Die Politik ist gefordert dies umzusetzen. Oder beschreitet man den bequemen, einfacheren, finanziell besseren Weg? Da 40% der Jäger auf ein Gamspatent freiwillig verzichtet haben, ergibt dies eine finanzielle Einbusse von rund 15 000 Franken für den Kanton. Es stellt sich die Frage, ob dies die Regierung einfach so zur Kenntnis nimmt. Im Kanton werden den Revierpächtern Fr 1200.-- pro Luchsriss an Gämsen entschädigt. Die Risse müssen mit Fotofallen-Bildern belegt werden. So kann man die Jägerschaft auch bei Laune halten. Im besagten Kanton waren zwei Luchsabschüsse nach den Richtlinien des Luchskonzeptes Schweiz vom BAFU bewilligt worden. Nach Intervention von Naturschützern wurde darauf verzichtet und man wählte die finanzielle Abgeltung. (Derr Luchs im Jura unterbesonderer Berücksichtigung des Solothurner Juras 2018) Für mich ist dieser Weg kein neuzeitliches aktives Wildtiermanagement. Die Politiker müssen nun aus ihrem Schneckenhaus hervortreten und mit Verantwortung das Luchsmanagement Konzept zu Gunsten der Gämse umsetzen. Oder identifiziert sich die Jagd in Zukunft nur noch darüber, die überhöhten Rotwildbestände zu massakrieren und den Wildschweinen den Garaus zu machen. Bleiben die traditionellen Werte einer Gams Jagd auf der Strecke? Jagd ist aktiver Naturschutz, hier müssen wir den

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Hebel ansetzen. Alle Beteiligten, Jäger, Naturschützer, Politiker und die Jagdbehörden müssen alles versuchen, um Gämsbestände zu erhalten. Die Grösse wird nie mehr an die besten Zeiten anknüpfen können, denn der Verlust des Lebensraums ist zu gross.

6. Schlussfolgerung

Mein Fazit der Abschlussarbeit:

. Die Gämse ist fester Bestandteil der Luchsbeute . Druck von Seite Luchs bleibt bestehen, oder wird weiter steigen . Die Jagd und Luchs greifen zu stark in die reproduzierende Altersklasse ein . Jagd und Luchs allein sind nicht die einzigen Faktoren die dem Gamswild zu setzen . Die Bewirtschaftung sollte kantonsübergreifend sein . Die Jagd muss sich anpassen und ihren Beitrag leisten (Jagdmodelle anpassen) . Den Entscheidungsträgern ist bewusst zu machen, dass auf die Gämse ein hoher Druck besteht

6.1. Ausblick für die Patentjagd Der Jagdverwalter und die Wildhüter beantworteten die Frage über die Zukunft der Patentjagd positiv. Diese Meinung teile ich mit ihnen. Da die Hirschbestände steigen, ist der Jäger gefordert. Um dieser Situation Herr und Meister zu werden, müssen neue Wege und Bejagungskonzepte begangen werden. Da der Hirsch grossräumiger lebt, als unser kleiner Kanton ist, muss mit den Nachbarkantonen die eingeschlagene Zusammenarbeit vertieft werden. Die Rehjagd wird in Zukunft ohne allzu grosse Probleme ausgeübt werden. Die Rehpopulationen erholen sich von Rückschlägen viel schneller, als die Gams. Das Problemtier Gämse muss mehr Beachtung erhalten. Die Gamsjagd muss in Zukunft mit viel Fingerspitzengefühl und bedacht geplant und ausgeführt werden. Alle Zählungen beinhalten Schätzungen und verschieden grosse Dunkelziffern. Dieser Leitfaden der letzten Jahre gilt es zu verbessern. In der Literatur habe ich leider noch nichts besseres gefunden. Die Populationsmodelle sind realistisch zum Anschauen, aber in der Praxis für eine Patentjagd, unrealistisch umzusetzen, es hat zu viele Unbekannte dabei. Unser Kanton grenzt an drei Nachbarkantone, die die gleichen Gämsbestände bejagen wie wir, nur auf der anderen Bergseite. Dies ist eine weitere Unbekannte, die nicht beeinflusst werden kann, aber berücksichtigt werden muss. Wir Jäger müssen uns für die Zukunft von alten Zöpfen lösen und für andere Jagdmodelle öffnen. Wir müssen neue Wege ausprobieren, gemeinsam mit Biologen, der Jagdverwaltung und viel, viel gutem Willen. So kann die Gamsjagd als Bestandteil der Obwaldner Patentjagd erhalten bleiben und an die nächsten Generationen ohne schlechtes Gewissen weitergegeben werden. Und so werden die Jauchzer noch lange durch die Obwaldner Bergwelt ertönen, wenn eine Gams im Feuer liegt.

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7. Dank

Mein Dank geht an: meine Familie die mich sehr unterstützt hat. meine loyalen Mitarbeiter für ihr grosses Verständnis für die Abwesenheit. Jagdverwalter Cyrill Kesseli und die Wildhüter Eugen Gasser, Hans Spichtig und Klaus Hurschler und ihre Sekretärin Cornelia Bucher für die zur Verfügungstellung der Daten. Altwildhüter Walter Amrein. Nicole Imesch für ihre wertvollen Daten. KORA, Muri bei Bern, F. Zimmermann, Sven Signer für das Informative Gespräch und ihre Angaben. Metzgerei Lattmann, Lungern und Metzgerei von Moos, Sachseln für das Ausfüllen der Gamsgewichtstabellen. Rolf Kaufmann für die Korrekturen.

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