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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt

Jahr/Year: 1981

Band/Volume: 46_1981

Autor(en)/Author(s): Herm Dietrich

Artikel/Article: Das Lattengebirge - geologisch gesehen 107-126 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at

Das Lattengebirge - geologisch gesehen

von Dietrich H erm

Das Lattengebirge gehört in seiner geologischen ließ eine lückenlose Abfolge von weicheren Sedi­ und geomorphologischen Geschlossenheit, aufge­ menten, die bis in das Tertiär reichten. Diese baut aus mächtigen Dachsteinkalken und -dolo­ küstenfernen Meeresablagerungen bestehen über• miten, zu den westlichsten Plateaumassiven, die an wiegend aus Resten von Kleinorganismen. Vor der die Faltenzüge der Bayerischen und 40 Millionen Jahren säumten tropische Korallen­ Nordtiroler Kalkalpen ablösen. und Kalkalgenriffe das Lattengebirge. Engste Beziehungen zwischen Gesteinszusam­ Das Wechselspiel von tiefschürfender Abtragung mensetzung und Gebirgsbau mit dem morpho­ durch Gletscherströme und die Aufschüttung be­ logischen Formenschatz und Verwitterungserschei­ sonders in der Nacheiszeit gestaltete die heutige nungen einerseits, sowie zur überaus mannigfal­ Morphologie. Die Verkarstung in den Kalken ist tigen Vegetation andererseits lassen sich hier noch heute noch aktiv. Das Karstwasser des Lattenge­ im ungestörten Zusammenhang erkennen. birges ist mit die wichtigste Wasserzufuhr für die Die über 1200 m mächtigen Kalke und Dolomite Solequellen im Reichenhaller Becken. der Trias wurden in einer warmen Flachmeer­ Im Lattengebirge ist eine außergewöhnliche Lagune gebildet, die über 25 Millionen Jahre lang Vielfalt von Biotoptypen im natürlichen Zusam­ unter ständiger Absenkung stand. Meeresalgen und menhang vereint. Diese außergewöhnliche Biotop­ schalentragende Organismen waren an der Bildung vielfalt ist durch Schutzgebiete (Landschafts- oder des Gesteins entscheidend beteiligt. Nach zeit­ Naturschutzgebiete, flächige Naturdenkmale) zu weiligen Trockenfallen griff vor 90 Millionen Jah­ schützen und durch eine betont naturnahe Land­ ren das Oberkreidemeer erneut über und hinter- schaftsnutzung zu erhalten.

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Inhal tsü bersich t

1. Stellung des Lattengebirges im geologischen Rahmen des Berchtesgadener Landes

11. Gesteinsaufbau des Lattengebirges

IH. Tektonischer Bau und Gebirgsbildung

IV. Landschaftsprägendes Quartär

V. Weiterführende Schriften

108 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at I. Stellung des Lattengebirges im geologischen Helvetischen Zone und schließlich noch auf die Rahmen des Berchtesgadener Landes Molasse. Diese Vorgänge spielten sich langsam, mit wenigen Millimetern pro Jahr, über einen Wenn man von Norden her in die Berchtes­ Zeitraum von wohl 100 Millionen Jahren ab, meist gadener Alpen fährt, quert man verschiedene im Untergrund vergraben und vom Meer über• geologische Zonen mit unterschiedlich alten Ge­ deckt. steinen, die eine lange Entstehungsgeschichte der Alpen widerspiegeln. Die Deckenstapel wurden in sich verbogen und zerbrachen, erst in der letzten Phase der Gebirgs­ Im Norden, am weitesten außen, liegt die Mo­ bildung, im jüngeren Tertiär und wohl bis heute lasse. Hier lagert der Abtragungsschutt der im noch andauernd, hob sich der ganze Alpenkörper Tertiär entstandenen Alpen. Am Süd rand sind die heraus. Molasseschichten noch durch den Druck der Alpen verbogen und aufgerichtet. Die Bayerischen und Nordtiroler Kalkalpen, die meist tieferen Deckeneinheiten angehören, dem so­ Die Moränen und Schotter der eiszeitlichen genannten "Bajuvarikum", zeigen West-Ost ge­ Gletscher überdecken weite Teile dieser Molasse- richtete, über längere Strecken verfolgbare Falten­ zone. und Muldenzüge. Abwechselnd bilden hier weiche, Die sonst in Oberbayern südlich der Molasse an­ tonreiche Gesteine Almwiesen, Matten und Jöcher, zutreffende Helvetische Zone (Helvetikum) mit die harten Kalke aber Grate, Wände und Fels­ Meeresablagerungen der Kreide und des Alttertiärs riegel. Im ändert sich der ist hier zugedeckt, von südlicheren Zonen zuge­ geologische Baustil und damit das morphologische schoben. Erst östlich der Salzach, z. B. bei St. Pan­ Bild. Südlichere, als höhere Deckschollen, die man kraz tritt das Helvetikum wieder zu Tage. z. B. im Inntal von Norden kommend erst kurz vor dem Kaisergebirge erreicht, drängen mit dem Die weichen Hügelkuppen des Högl oder des Zwiesel und Staufen-Massiv nach Norden bis fast Teisenberges sind aus Sand steinen, Mergeln und an die Flysch-Zone vor und begraben unter sich Tonschiefern aufgebaut. Diese Geseteine des Flysch "Bajuvarikum". wurden in einer tiefen und breiten Ozeanrinne ab­ Drei große "Gesteins-Pakete" sind im Raum gelagert, die sidl zur Kreidezeit vor den sich lang­ Reichenhall-Berchtesgaden sichtbar übereinander sam nach Norden vorschiebenden Gesteinskom­ gestapelt (vergl. Abb. 1). plexen der eigentlichen Kalkalpen gebildet hatte. Von unten nach oben: die Tirolische Einheit, Diese Kalkalpen sind ein kompliziertes Gebilde die Hallstätter Einheit, die Berchtesgadener Ein­ aus übereinandergestapelten Paketen von Gestei­ heit (Reiteralp-Decke). nen der Trias, des Jura und der Kreide, die durch eine Raumverengung der Erdkruste vom Unter­ Wie eine große Schüssel ist die Tirolische Einheit grund abgeschürft wurden und übereinander glit­ gestaltet. Den Schüsselrand bilden im Norden ten. Das, was einst nebeneinander - von Norden Zwiesel und Hochstaufen, im Westen das Sonn­ nach Süden blickend hintereinander - abgelagert tagshorn und im Süden Watzmann und Steinernes wurde, liegt nun übereinander, als ein "Decken­ Meer. In dieser Schüssel liegt die Hallstätter Ein­ stapel". Die am weitesten im Süden abgelagerten heit, die besonders durch die salzführenden Serien, Sedimentpakete schoben sich zuerst nach Norden geringmächtige Kalke und Dolomite gekenn­ auf, schuppenartig pflanzte sich diese Bewegung zeichnet ist. Der Untergrund von Reichenhall und langsam nach Norden fort; das ehemals südlichste der Karlstein gehören hierzu; im Berchtesgadener "Paket" kam zu oberst zu liegen. Die Kalkalpen und Halleiner Raum, aber auch Saalachaufwärts als Ganzes wurden dann weiter nach Norden der bei Unken und Lofer finden wir ausgedehnt solche Flyschzone aufgeschoben, diese wiederum der Hallstätter Gesteine. Auf dieser Hallstätter Ein-

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Teisenbefg Stauten Prediglstuhl :~ - RA "" SAU ~I I , I ~ ,I

-2000 "km

Abb. 1 Schematisierter Querschnitt durch den Alpennordrand bei Reichenhall. Der tiefere Untergrund ist geologisch hypothetisch interpretiert. Der Querschnitt geht vom Vorland bei Teisendorf über den Staufen-Zwiesel-Kamm, das westliche Reichenhaller Becken, das Lattengebirge, die Ramsau zum Hochkalter. Es soll gezeigt werden, wie die verschiedenen Einheiten (Decken) übereinandergestapelt sind und wie sich der schüsselförmige Bau, in deren Mitte das Lattengebirge liegt, in das Gesamtbild einfügt. Das Relief ist überhöht dargestellt. Die Ablagerungen des Quartär sind in dieser Darstellung weggelassen.

Erklärung der Signaturen: F := Sandsteine, Tonschiefer und Mergel der Flyschzone; B := Vorwiegend Kalke der Trias und des Jura der Bajuvarischen Zone; W := Sandsteine der Werfener Schichten (untere Trias); m = »Muschelkalk" der Trias; wk = Wettersteinkalk (Trias); hd = Hauptdolomit (Trias); H = weiße, rötliche, z. T. gelbliche Kalke und Dolomite der Trias aus der Hallstätter Einheit; Tdk = Dachsteinkalk der Tirolischen Einheit; Tj := Gesteine des Jura (Kalke und Kalkmergel) der Tirolischen Einheit.

Die Gesteinssignaturen des Lattengebirges entsprechen der geologischen Kartenskizze; g = Schichten der Kreide (Gosaukalk, Gosau-Mergel, Nierental-Schichten).

Entwurf nach F r e i m 0 s e r u. B ö gel, in Fr e i m 0 s e r 1972, verändert und ergänzt.

o © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at heit ruht nun wiederum als Deckscholle das Lat­ des Lattengebirges tauchen nach Norden ab, die tengebirge, der und die Reiteralm. Wir Fortsetzung des Staufen nach Osten ist in den müssen diese drei Gebirgsstöcke als eine Einheit, Untergrund versenkt. Es ist eine unruhige Zone, als die "Berchtesgadener Einheit" sehen. Brüche die vor 45 Millionen Jahren noch von einem Meer und Sprünge haben die Massive ein wenig vonein­ erfüllt war. An dieser Unruhe ist das bewegliche ander abgesetzt, Täler haben sich zwischen ihnel und leicht ausquetschbare Salzgebirge im Unter­ ausgebildet, sie gehören aber im tektonischen grund nicht ganz unsdmldig. Stockwerk zusammen und bilden als "Reiteralp­ Günstiges Zusammenspiel mehrerer Faktoren Decke" die oberste Einheit. Von Reichenhall nach wie die mächtige Salzzone, die im Karstsystem des und weiter das Saalachtal aufwärts Lattengebirges tief abgeleitete Wasserzufuhr, die hat sich eine Quetschzone gebildet, die Kugelbach­ klüftigen Kalke in Reichenhall selber (sie fungieren Zone; hier hat die Schüssel sozusagen einen Sprung als Steigrohre), und das abdichtende "Ausgelaugte" und df'r Westteil wurde herausgehoben. Entlang lassen in Reichenhall die berühmten Solequellen dieser Zone sind Gesteine der Hallstätter Einheit seit langem sprudeln. eingequetscht, hier liegt der Westrand der Reiter­ alp-Decke. Die Entwicklung mächtiger Kalke und Das Reichenhaller Becken liegt nur 470 m hoch. Dolomite und das Fehlen von weicheren Schicht­ üppige Laubwälder umgeben den Fuß des Latten­ gliedern kennzeichnen die "Berchtesgadener Aus­ gebirges, die Gipfelkämme ragen mit 1700 m über bildung" in den Bergen der Reiteralp-Decke. Die die Waldgrenze in die Latschenzone und Berg­ Sedimente wurden sehr weit entfernt von einer mattenregion hinein. Neben der Höhenzonierung Küste abgelagert, ehemals südlich des Steiner­ und der Sonnen exposition wird die Vegetation nen Meeres. Aber die Nördlichen Kalkalpen, als stark von der Verwitterungsfähigkeit und Wasser­ Ganzes, sind ja von Süden herangeschoben, der führung des Untergrundes beeinflußt und läßt sich Bildungsraum der Gesteine lag irgendwo, einige dadurch in einer großen Vielfalt gliedern. Der hundert Kilometer weit im Süden, im damaligen Gegensatz zwischen kargen, zu grusigem Schutt erdumspannenden Mittelmeer, in einem großen verwitternden, bodenfeindlichen Dolomitgesteinerl Riff- und Lagunengürtel. Gewaltige Krustenver­ und den durch Verkarstung und Verlehmung schiebungen und Einengungen haben sich über bodenfreundlichen Kalkflächen gibt der Vege­ Jahrmillionen in diesem Mittelmeerraum abge­ tationsverteilung ein vielfältiges Bild im natür• spielt. Die Gebirge des Balkans und Italiens, die lichen Nebeneinander. Alpen und die Pyrenäen sind Zeugen dieser großen Schollenverschiebungen, die heute noch nicht ganz H. Gesteinsaufbau des Lattengebirges abgeschlossen sind; die häufigen Erdbeben im Medi­ terrangebiet sprechen eine deutliche Sprache bis in Wie uns die verschiedenen Gesteinstypen, die das Gebirge aufbauen, im Gelände erscheinen und unsere Tage. was die Verwitterungskräfte daraus morphologisch Der Gesteinsaufbau in dieser "Berchtesgadener formen hängt ab von Ausbildung" prägt den Baustil. Die dicken Kalk­ - der chemischen Zusammensetzung (Kalk- und stapel, die sich nach Osten ins Salzkammergut und Dolomitgehalt, Anteil von Tonmineralien); bis in die Steiermark weiter verfolgen lassen, wur­ den nicht so leicht verfaltet, sie zerbrachen eher - dem Verfestigungsgrad (Umkristallisation nach blockartig, es entstanden stark verkarstete Plateau­ der Ablagerung); n1aSSlve. - der Bankung und Schichtung (Wechsel im Ab­ Das Reichenhaller Becken, heute noch als mor­ lagerungsrhythmus) ; phologische Form abgrenzbar, ist ein altes Ein­ - der tektonischen Beanspruchung (Zerrüttung bruchbecken. Die Schichten des Untersberges und und Zerscherung).

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Abb. 2 Geologische Kartenskizze des Lattengebirges, stark vereinfacht, nach Karticrungen von Cl. Leb I i n g 1912 und D. Her m 1962. Als Basis diente die topographische Karte von Bayern, 1 :25000, Blatt 8243/44 und Blatt 8343 Berchtesgaden West. Wichtige Störungen, an denen die Gesteinspakete sich vertikal ver- schoben haben, sind durch gestrichelte Linien dargestellt.

112 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at

CI: :<: ~

'"f-j 60 -100m Korallenkalk von Hallthurm !:s 40 Mill. Jahre <: OBEREOZÄN > 65 Mill. Jahre '" MAASTRICHT -320m Nierental-Schichten Cl

10 - 45m "Graue Gosau - Mergel " CI: ~~~~~ ------'" -=-'" 2 - 20 m Gosaukalk , "Untersberger Marmor " ce -:-.. ' 195 Mill. Jahre RÄT - 600m gebankter Dachsteinkalk / / / "- \, "- / / .-

J / "- / NOR \ / "- / \. / \ \ ~/~~======? / \ I ~_ \ / \ " -\.---/--".;../--:\:-''1------\ 200-800m Dachsteindolomit / '-

'- / / \, ;-' KARN 2- 20m Raibler Schichten, Carditaband

-600m Ramsaudolomit LADIN

ANIS

Abb. 3 Gesteine, die das Lattengebirge aufbauen, angeordnet nach ihrer zeitlichen Ablagerungsfolge und gegen­ seltlger Vertretung. Pünktchen deuten auf Sandgeha!t; Querstriche stellen tonige-mergelige Schichten dar; Quer­ balken deuten Kalke an; Dolomite mit fehlender oder schlech ter Schichtung sind durch Klüftungsrisse markiert. Mächtigkeiten nicht maßstabgetreu.

113 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at Bei Sedimentgesteinen hängen die ersten drei risch Gmain. Nur gelegentlich spitzen sie auch Kriterien im unmittelbaren Zusammenhang mit weiter im Süden an Rissen und Kluftsystemen den ehemaligen Bildungsbedingungen, dem Bil­ hervor, so im Tongraben südlich Loipl. dungsmilieu. Die Palökologie, in enger Zusammen­ Diese "ausgelaugten" Tone bilden weiche Land­ arbeit mit Sedimentologie und Paläontologie, ver­ schaftsformen mit guten, wenn auch feuchten sucht diese ehemalige Umwelt in der sich die Ge­ Böden. Im Untergrund ausgelaugte Salzlinsen füh• steine bildeten zu rekonstruieren. Wie sah es in ren zu Einsturztrichtern an der Oberfläche. jenem großen alpinen Geosynklinal-Meer aus, das Nachdem die Sand- und Tonzufuhr im Meer der si ch von 230 Millionen bis vor 60 Millionen Jah­ Unter-Triaszeit nachließ, bildeten sich dunkle Kalke ren vor heute zwischen dem alten Europakonti­ nent und Afrika ausdehnte? mit nur noch vereinzelten Gipskristallen. Es sind dies die Reichenhaller Kalke; nur wenige Zehner­ meter dick, dünngebankt und brüchig. Der Sockel Die ältesten Ablagerungen dieses Gebietes sind des Burghügels Gruttenstein besteht aus solchen die Werfen er Schichten aus der unteren Trias (vor Kalken; sie spielen für den Wasserhaushalt der ca. 230 Millionen Jahren). Es ist der Abtragungs­ Saline eine wichtige Rolle. schutt eines älteren (paläozoischen) Gebirges. Die mit den Reichenhaller Kalken gleichalten Quarzreiche Sande mit viel Glimmer wurden, von Schichten im Lattengebirge selber gehören schon den Strömungen immer wieder umgelagert und zu dem, über 1000 m mächtigen Paket von Kar­ gut sortiert schließlich in einem Flachrneergebiet, bonatgesteinen (Kalken und Dolomiten), die wäh• einem Wattenmeer vergleichbar, abgelagert. Es rend der Triaszeit abgelagert wurden. Auf einer sind grau-grünliche, aber auch rötliche, gut ge­ großen, küstenfernen Plattform, die von einem bankte Sandsteine mit welliger Oberfläche und warmen, gutdurchlichteten Flachrneer überflutet einzelnen Tonlagen dazwischen; viel Glimmer war und die sich unter ständiger, langsamer Ab­ glitzert auf den Schichtflächen. Vereinzelt finden senkung befand setzte sich Kalk- und Dolomit­ sich kleine Muscheln oder Schnecken. Besonders schlamm ab. Dieser Zustand der langsamen Ab­ am südlichen Sockel des Lattengebirges im Süd• senkung hielt eine lange Zeit, mindestens 45 Mil­ abfall des Schwarzecks und Hirschecks hinunter lionen Jahre hindurch, an. Die Ablagerung des zur Ramsau treten diese Gesteine zu Tage. Schlammes hielt mit der Absenkung des Unter­ Neben den Sand watten ga!b es zu jener Zeit aber grundes Schritt, so daß immer ein flaches Meer auch weite Lagunen in diesem Flachrneer, die zeit­ weiter bestand. Natürlich war dieser Meeresboden weise vom offenen Meer abgetrennt waren und in in sich gegliedert: etwas tiefere Lagunen waren denen sich durch Verdampfung Gips und Salz aus­ schlecht durchlüftet, andere Teile ragten bis an die fällte, gemischt mit feinem eingewehten Tonstaub. Meeresoberfläche und tauchten aud1 gelegentlich Dieser rot-violette oder grau-grünliche, sehr weiche auf, an manchen Stellen bildeten sich Riffe und Ton ist das Haselgebirge, das umhüllende Gestein Atolle. Diese Unterschiede des ehemaligen Ab­ der alpinen Salzlagerstätten. Der ursprüngliche lagerungsraumes lassen sich bei genauer Betrach­ Zusammenhang zwischen Ton und Salz ist nicht tung noch aus dem Gestein ablesen. Am stärksten mehr erkennbar. Das bewegliche Salz hat alles ver­ prägt sich der Unterschied Kalk Dolomit aus. Der mengt. Diese Schichten dienten oft als Gleitbahn Dolomit (ein Teil des Kalzium wird durch Magne­ für die tektonischen Bewegungen, so sind sie aus­ sium im Kristallgitter ersetzt) konnte sich teil­ gewalzt oder zu Klumpen zusammengeschoben weise am Meeresboden im Schlamm bilden, be­ und später in aufreißende Klüfte eingepreßt wor­ sonders in den Lagunenteilen, die besonders warm den. Diese Salzbildungen sind besonders an die und schlecht durchlüftet waren, auch ein erhöhter Hallstätter Zone gebunden und umgeben den Salzgehalt des Meerwassers förderte die Dolomit­ Nordfuß des Gebirges bei Reichenhall und Baye- bildung. Aber auch nach noch weiterer über-

114 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at deckung des Sediments wandelte sich Kalkschlamm ist in sich fein zerbröselt und wieder verbacken, in Dolomit um. Es bildeten sich neue, meist sehr oft zuckerkörnig glitzernd. Nach der Ablagerung kleine Kristalle: die ursprünglichen Strukturen, standen Jahrmillionen für diese Vorgänge der Zer­ wie Schichtung oder Reste von Lebewesen wurden rüttung zur Verfügung, während der langsamen ausgelöscht. So kann man sehr oft beobachten, wie tektonischen Bewegungen. eine gutgebankte Kalkpartie seitlich in einen un­ Diese instabile Struktur wird in der Verwitte­ geschichteten Dolomitkomplex übergeht, wenn die rung offenbar. Der Ramsaudolomit bildet nur "Dolomitisierung" nur partiell erfolgte. selten steile Wände; er zerbricht zu einem splitte­ Zunächst zum Ramsaudolomit, er baut den gan­ rigen Schotter, lange Schuttreißen bildend. Starke zen Sockel auf bis zu den Steil abstürzen, ebenso Regen können diese Lockermassen in Bewegung das waldige Gebiet südöstlich der Thörlschneid setzen und gefährliche Schutt-Muren gehen bis in z. B. um den Toten Mann. Er ist hellgrau, manch­ das Tal. Viele Pflanzen meiden dies Gestein wegen mal gelblich bis leicht rosa, aber auch dunkel ge­ seines Magnesiumgehaltes, es bildet auch recht färbt und zerbricht spröde zu einem splittrigen trockene Hänge; die Kiefer fühlt sich jedoch recht Grus. Bänke sind selten zu erkennen, das Gestein wohl.

Abb.4 Gebankter Dachsteinkalk, typisch für den Süd- und Südwestteil des Lattengebirges. Jede Bank entspricht einem Ablagerungszeitrum von ca. 50000 Jahren in einer seichten Meereslagune. Moosenweg, Lattengebirgsüdseite.

115 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at Mitten in der Triaszeit, vor ca. 215 Millionen Der Meeresboden begann ansd1ließend wieder Jahren, wurden die weiten Meereslagunen kurz­ abzusinken und die Kalkbildung setzte wieder ein. fristig von Verwitterungsmaterial von einem Fest­ Kalkbank legte sich auf Kalkbank, mehr als 600 m land überschüttet. Sande und Tone mit einge­ (am Watzmann sogar mehr als 1000 m) die ganze schwemmten Pflanzenresten, aber auch dunkle Obertrias, 12 bis 15 Millionen Jahre lang hielt Kalke und Gipslagen zeigen diese Unterbrechung dies an, im Durchschnitt also fast 0,1 Millimeter an. Vom Allgäu bis nach Wien, aber auch in Kärn• Senkung pro Jahr (!); natürlich nicht immer ten oder in Südtirol findet man die Raibler Schich­ gleichmäßig, mal dort schneller, dort langsamer. ten. Im Berchtesgadener Land dokumentiert sich Abgelagerte Schichten wurden aud1 wieder abge­ diese Episode nur in einem wenige Meter mächtigen tragen und umgelagert. Im Einzelnen ein sehr viel­ Band, dem Raibler Band, mit schwarzen Tonen und fältiges Bild einer flachen, großen Lagune mit dunklen oder gelblichen rostig verwitterten Kal­ tropisch warmem Meerwasser. Ein großer Riff­ ken, besonders schön sind sie am Wasserfall in gürtel lag weiter im Süden, er ist uns in der süd• Jettenberg und in einigen Runsen in den Steil­ lichen Reiteralp, z. B. im Mühlsturzhorn, in den hängen unter dem Predigtstuhl oder unterhalb der Grundübelhörner oder am Südrand des Steinernen Rotofenspitzen zu sehen. Meeres erhalten.

Abb. 5 Dünnschliff aus dem ge bankten Dachsteinkalk. Millimeterdünne Lagen aus kalkabscheidenden Algen, die in elllem zeitweilig trockenfallenden, tropischen Wattenmeer lebten, bauten das Gestein auf. Vergrößerung 12fach.

116 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at Bei genauer Betrachtung der hellgrauen oder bis bevor es in den Karstspalten verschwindet. Ein fast weißen Bänke des geschichteten Dachsteinkalk Haufwerk von runden Blöcken mit tiefen Löchern und Dachsteindolomit sieht man, daß die ehe­ dazwischen kennzeichnet diese typische Karstland­ malige Lagune zeitweise trocken fiel. Austrock­ schaft. Die tonigen Lösungsrückstände bilden einen nungsrisse durchzogen den Schlamm, er verwit­ nährstoffreichen, feuchten Boden, von dichtem terte rötlich und zerbrach als das Meer wieder Moos bedeckt. Herrliche Fichten- und Tannen­ darüber flutete; so " schwimmen" lagenweise wälder stehen im südlichen Lattengebirge. dunkle Scherben im Gestein oder der Kalk ist von gelben oder roten Linsen und Bändern durch­ Zur Jurazeit (vor ca. 195 bis 135 Millionen zogen. Im ehemaligen Ebbe- und Flutbereich über• Jahren) war das Lattengebirge wohl nur zeitweise zogen Algenlagen den Schlamm, sie kräuselten sich vom Meer bedeckt. Nur stellenweise finden sich in der Sonne und noch heute erkennt man die ge­ Reste von roten Liaskalken (unterer Jura) und am wellte Feinstschichtung im Millimeterbereich (Abb. benachbarten Untersberg sind noch helle Kalke 5). Kalkspat hat die Gasblasen ausgefüllt, Sturm­ des Oberen Jura (Plassenkalk) erhalten geblieben. fluten schwemmten Schutt von den Riffen in die Ansonsten waren Lattengebirge, Reiteralm und Lagune. Im feinen Kalkschlamm steckten große Untersberg zur Jurazeit Festland; der ganze Block Muscheln; ihre Querschnitte erkennt man noch wurde verbogen und leicht gekippt. Bis in die heute, herzförmig oder wie der Umriß eines Mittlere Kreide (bis vor ca. 90 Millionen Jahren) Hufes; "Kuh- oder Hirschtritte" nennt der Volks­ wurde viel verwittert und abgetragen. Das Meer mund diese herausgewitterten Schalenreste. In den der Oberkreide, das "Gosau-Meer", das weite Teile wärmer- und salzigeren Teilen der Lagune kam es der östlichen Kalkalpen überflutete fand ein be­ wieder zu verstärkter Ausfällung von Magnesium trächtliches Relief vor. Der Kalk der Trias war im Karbonat, also zur Dolomit-Bildung wie schon verkarstet, tiefe Höhlensysteme und Spalten waren zur Zeit des Ramsaudolomites. Besonders der herausgelöst. Es muß ein feuchtes und sehr war­ Nordteil des Lattengebirges ist aus solchen Dach­ mes Klima zu jener Zeit geherrscht haben, denn steindolomiten aufgebaut. Wenn auch besser ge­ die Kalke verwitterten zu einem lebhaft roten bankt als der Ramsaudolomit, so verwittert er tonigen Bauxit; dieser wurde zusammen mit Ge­ doch sehr ähnlich splittrig und grusig. röllen in Taschen und Spalten weit unter die da­ Im Süden des Lattengebirges dagegen überwiegt malige Oberfläche eingespült. überall trifft man der gebankte Kalk. Von der Schwarzbachwacht heute noch die roten Füllungen des damaligen Zur Moosenalm steigt man Bank für Bank durch Karstsystem. die ganze obere Trias; man blättert Seite für Seite eines aufgeschlagenen Geschichtsbuches durch. Die Rot ist auch das Bindemittel der basalen Gosau­ feinen roten Adern, die den oft rein weißen Kalk Kalke, Alter ca. 85 Millionen Jahre. In der Bran­ durchziehen sind jüngere Infiltrationen von Ver­ dung des "Gosau-Meeres" wurden Schalen von Schnecken und Muscheln mit zerriebenen Ge­ witterungswässern. steinstrümmern ganz unterschiedlicher Größe und Der Kalk steht fest und massiv, er bildet steile, rotem Verwitterungsboden zusammengeschwemmt. glatte Wände; wie Bastionen umrahmen das Viele Farbvariationen zeigt dieser Schuttkalk; von Luegerhorn, die Vogelspitze oder das Schwarz­ rot, rosa über gelblich bis weiß oder mit nur ver­ bachhorn das südliche Lattengebirge, von keinem einzelten roten Bauxitflöckchen - daher auch Bach durchbrochen. "Forellenmarmor" genannt. Bei Fürstenbrunn am Der Kalk verwittert bevorzugt durch chemische Untersberg wird dieser polierfähige Schuttkalk ab­ Lösung. Das Wasser dringt in feinen Rissen und gebaut, es ist der "Untersberger Marmor", ein be­ Klüften ein, Rippen und Furchen, die sogenannten liebter Baustein vergangen er Jahrhunderte, viel in "Karren" oder Rundhöcker werden herausgelöst Salzburg, Wien und München verwendet.

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Abb.6 Kalkplättchen von gepanzerten Geiselalgen, die die feinen Kalkmergelbänke aus der Oberen Kreide auf­ bauen. Durchmesser der Kalkscheibe (Coccolithen) ca. 1 Hundertstel Millimeter. Vergrößerung ca. 9500fach.

Abb.7 Scha.1entragende Einzeller (Foraminiferen) aus dem warmen Mittelmeer der Oberkreidezeit (vor ca. 70 Millionen Jahren). Diese Schalen sind am Aufbau der Kreidegesteine beteiligt. Mittlere Größe der Gehäuse: um einen halben Millimeter. Vergrößerung ca. SOfach.

118 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at Dieses küstennahe, flache und warme "Gosau­ Das Meer erreichte eine Tiefe von einigen Hundert Meer" war belebt mit einer großen Vielfalt von Metern, ja bis zu Tausend Metern und mehr. Bei Korallen, Muscheln und Schnecken. Lange, spitze ruckartigen Absenkungen (Erdbeben) rutschten und runde, eiförmige Schnecken (Nerinea bzw. Sand- oder Schlamm-Massen von der Seite in die Actaeonella) wurden zu ganzen Bänken zusammen­ tieferen Becken. geschwemmt; röhrenförmige, festgewachsene Mu­ Aus den obersten durchsonnten Wasserschichten scheln (Rudisten) drängten sich wie Orgelpfeifen des Ober kreide-Meeres rieselten, wie ein ununter­ zusammen und bildeten kleine Riffe. Am Latten­ brochener Regen die Schalenreste von winzigen berg ist ein solches Riff als ein Naturdenkmal erster pflanzlichen und tierischen Lebewesen (Plankton) Ordnung erhalten geblieben und gibt dem Paläon• auf den Meeresboden und bauten zusammen mit tologen einen guten Einblick in die reiche Lebewelt eingeschwemmtem Ton die Mergelkalke auf. Ein an der Küste des Kreidemeeres. Im weiteren Ver­ Tausendstel Millimeter und weniger ist der Durch­ lauf der Oberkreide wurde die ganze Gegend vom messer der kleinen Kalkplättchen der Geißelalgen Meer überspült, die Inseln tauchten unter und das (Coccolithophoriden) (Abb.6) nur einen halben Meer vertiefte sich. Die abgelagerten Sandsteine Millimeter messen die Gehäuse der Foraminiferen wurden feinkörniger, es treten mehr und mehr (Abb. 7). Millionen von Coccolithophoriden und tonige und mergelige Schichten auf. An den unter­ Tausende von Foraminiferen stecken in einem schiedlichen Versteinerungen läßt sich am RötheI• Bröckchen von der Größe eines Fingerhutes. bach bei der Dalsenalm oder bei der Moosenalm Lückenlos ist die 22 Millionen Jahre umfassende Schritt für Schritt diese Vertiefung des Meeres Geschichte der Oberkreide in der 300 m mächti• nachweisen; schließlich kommt ein grau-grünlicher gen Folge von Meeresablagerungen im Lattenge­ oder rötlicher, feiner Kalkschlamm zur Ablagerung. birge erhalten geblieben. Wie nur an wenigen Es sind dies die gutgebankten Nierentaler Schichten. Stellen in den Alpen ist hier auch noch die Grenze

Abb. 8 Dünnschliff durch einen Mergelkalk der Oberkreide. Dichtgepackte Foraminiferenschälchen (oberer Teil) bauen lagenweise das Gestein auf. Dunkel erscheint der feinere Kalkschlamm, der aus Kalkplättchen von Geisel­ algen besteht. Vergrößerung ca. 25fach.

119 der Kreide zum Tertiär© Verein zum dokumentiert. Schutz der Bergwelt e.V. Zudownload jener unter www.vzsb.de/publikationen.phpSchichtflächen als und www.zobodat.atBergschlipfe ab. Früher ver­ Zeit (vor 65 Millionen Jahren) fand ein großes suchte man die Wege durch Knüppeldämme zu Ereignis statt, das weltweit eine ökologische Kata­ festigen; selbst dicke Schotterpackungen versinken strophe auslöste. Wir wissen nicht, war es ein im Morast. Meteor-Einschlag, eine kosmische Dunkelwolke, Das Alttertiär war für die ganzen Kalkalpen ein Kälteeinbruch oder etwas anders? Wir wissen und damit auch für das Lattengebirge eine be­ nur, daß viele Organismengruppen zu dieser Zeit wegte Epoche; eine Zeit der wechselnden Meeres­ plötzlich ausstarben; nicht nur die Saurier auf dem bedeckung und der tektonischen Bewegungen. Das Lande, auch viele Tier- und Pflanzengruppen im Reichenhaller-Salzburger Becken senkte sich rud,­ Meer. Die Wissenschaft hat dieses Problem noch artig ein und das Meer überdeckte zumindestens nicht ganz enträtselt. im Paläozän das Lattengebirge. Zeitweise ragte Der hohe Tongehalt und die rasche Wechsel­ allerdings das Lattengebirge auch als Insel hervor, lagerung mit Kalkmergeln läßt die Kreideschichten denn an seinem Nord- und Ostrand finden wir im Gelände heute zu einem typischen Wasser­ küstennahe Bildungen des Obereozän-Meeres (vor stauer werden. Die Böden sind tiefgründig und ca. 40 Millionen Jahren), Kalkalgen zusammen mit sehr naß. Die tiefe Durchnässung führt zum Quel­ Muscheln, Schnecken und vielen Korallen bauten len der Tonminerale und bedingt breite Hang­ im Eisenrichter Stein bei Hallthurm ein kleines gleitungen sowie große Rutschungen. Der Wege­ Riff auf, umgeben von Schuttkalken. Brandungs­ bau ist in einem solchen Gelände sehr erschwert, gerölle und Strandablagerungen aus jener Zeit ja z. T. unmöglich, da die Hänge selbst bei weni­ umsäumten die Insel des Lattengebirges und des gen Grad Neigung nicht zur Ruhe kommen. Trotz Unterberges die aus dem tropisch-warmen Eozän• intensiver Drainage sind ganze Hangpartien im meer aufragten. ständig langsamen Gleiten und schmieren von Zeit Von der weiteren Geschichte des Tertiärs ist uns zu Zeit, besonders nach starken Regen, auf den nichts erhalten geblieben.

Abb.9 Dünnschliff durm den Korallenkalk des Eisenrichter Steins. Die quer geschnittenen Kelche eines Korallen­ stockes sind teilweise mit Schlamm verfüllt (dunkel). Spätere Sprünge sind mit hellem Kalkspat verheilt. Ver­ größerung ca. 7fach.

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Abb.10 Dünnschliff durch einen Kalkalgen-Schuttkalk des Eisenrichter Stein. Die dunklen, gestreiften Leisten sind Reste von Kalk-abscheidenden Meeres-Rotalgen. Vergrößerung ca. 12fach.

III. Tektonischer Bau und Gebirgsbildung engte, schob sich die starre oberste Kruste, Spänen Die Tektonik erforscht die Verformung der Ge­ oder Eisschollen vergleimbar, übereinander. Dabei steine, das Verbiegen, Verfalten, übereinander• blieben hier im Berchtesgadener Land die Ge­ stapeln und Zerbrechen von Gesteinspaketen im steinspakete relativ im ursprünglichen Verband, Verlauf der Jahrmillionen. dank der dicken, starren Karbonatpakete (2000 m Wie bereits erwähnt, gehört das Lattengebirge Kalke und Dolomite!). Als Gleithorizont diente mit Untersberg und Reiteralp zu einer großen die "Hallstätter Einheit" mit den schmierigen Schubmasse, zur obersten Decksd1011e des kalk­ salzführenden Tonen. Diese Einheit wurde stark alpinen Deckenstapels, die weit von Süden, lang­ zerquetscht und zerstückelt wie die einzelnen sam während Jahrmillionen nad1 Norden rutsmte. Fetzen bei Reichenhall, bei Berchtesgaden und in Während sich der Untergrund immer weiter ein- der Ramsau zeIgen. Beim Zusammenschub der

sw Karkopl Drelsesselberg NO ('735) ('679)

Am Moosenkopf

Schwarz­ Lallenbcrg bach (6:30 m)

500 , 000 m 1500 2000 LEGEND E rd Ramsaudolomlt d d Dachstelndolomll d k Dachstemkalk g Gosaukalk n Nlcrenlaler SChichten Abb. 11 Querschnitt durch das Lattengebirge vom Schwarzbachtal (Südwesten) bis zum Becken von Bayrisch Gmain (Nordosten), die Lagerung, die Verbiegungen der Gesteinsschichten zeigend. Entlang der großen Sprünge (senkrechte Linien) haben sich die Gesteinspakete verschoben. Signaturen, wie auf der geologischen Kartenskizze.

121 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at Großschollen und der späteren Hebung wurde das unterste Tertiär erhalten geblieben. Parallel diesem Lattengebirge großräumig verbogen und zerbro­ Knick gräbt sich heute der obere Röthelbach ein, chen. Es ist gegen Westen (Müllnerberg) gegen bevor er bei der Röthelbachalm, kleineren Ver­ Süden (Reiteralpe) und auch im Osten gegen den setzungssprüngen folgend nach Nordwesten zur Untersberg durch senkrechte Störungen abgesetzt. Saalach durchbricht. Diese westliche Teilscholle Das Lattengebirge selber wurde an einer von wurde weiterhin zerbrochen in drei, west-ostver­ Süden nach Norden durchlaufenden Linie gleich­ laufende grabenähnliche Zonen. Tonreichere Nie­ sam eingeknickt. Diese Störung läuft von der rentaler Schichten wurden in die härteren Kalke Feuer-Spitz im Süden entlang des Westhanges der der Trias eingesenkt und so vor der Ausräumung Thörlschneid und zwischen Hochschlegel und Kar­ geschützt. Hier konnten sich die Landhauptenalm, kopf nach Norden. Die westliche Teilscholle wurde die Dalsenalm und die Moosenalm mit ihren relativ gesenkt und neigte sich nach Osten. Steil, feuchten Wiesen ausbilden. wie in einem Gewölbe sind die Schichten an der Solche senkrechten Verschiebungen und Ein­ Thörlschneid aufgerichtet um nach Osten, zum brüche können 100 Meter, 10 Meter, oft aber Frechenbach oder zur Mordau, sich wieder flach auch nur wenige Meter betragen. Immer wieder umzulegen. In dieser Einknickung ist uns die be­ trifft man abrupt - wie abgeschnitten - weiche sch riebene Serie der Kreidegesteine bis in das Kreidemergel gegen verkarsteten Kalk, der dann kleine Riegel bildet. Diese Strukturen sind nach Süden ansteigend gestaffelt. Der Röthelbach wird gezwungen sie mit kleinen Wasserfällen zu über• winden. Ein kleingliedriges Schollen mosaik mit Brüchen und nicht eine weiträumige Faltung be­ stimmt den tektonischen Baustil des Lattenge­ birges. Am Nordfuß des Lattengebirges, dort wo die Deckscholle gegen die Hallstätter Gesteine stößt, ist die Verformung komplizierter. Einzelne Schol­ lenteile sind stark verstellt und das weiche, ver­ formbare "Haselgebirge" dringt in Spalten auf.

Feinste Sprünge durchziehen das ganze Latten­ gebirge; oft erkennt man noch an einer Striemung, den sogenannten Harnischen, die Bewegungsrich­ tung der Verschiebung. Im gebankten Kalk sind diese Verschiebungen oft gut sichtbar, wenn die Bänke nicht mehr richtig "aneinanderpassen". Im Dolomit prägen sich solche Sprünge durch stärkere Zerrüttung des Gesteines aus; das Wasser greift hier leichter an, Rinnen und Wasserrunsen zeich­ nen solche Bewegungsflächen nach. Die Verformung und Verbiegung des Gesteines Abb. 12 Blick über die Dalsenalm zum Karkopf und läuft sehr langsam über lange Zeiträume ab. Viele Hochschlegel. Die Alm liegt auf Kreidekalken; der Mit­ telgrund wird durch weichere Schichten der Oberkreide der Sprünge entstanden schon vor oder zur Kreide­ aufgebaut (Rutschungen!); der Hintergrund, hinter der zeit, sie sind mit rotem Verwitterungsmaterial großen, das ganze LaJttengebirge durchziehenden Stö• verfüllt; haarfeine, rote Äderchen durchziehen rung, wird von Dachsteindolomit und Dachsteinkalk (rechts) gebildet. Kalk und Dolomit.

122 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at Zeitlich trennen muß man von diesen Ein- Im Prinzip sind es zwei Vorgänge, die land- engungs-Bewegungen die Aufstiegs-Bewegungen schaftsformend die Morphologie bestimmen: des Gebirgskörpers. Der Aufstieg der Alpen setzte - die Erosion (Abtragung, Ausräumung), erst ein als der Mechanismus des Zusammenschubes _ die Sedimentation (Ablagerung, Aufschüttung). erlahmte. Vor ca. 40 Millionen Jahren tauchte zu- Während der Eiszeiten wirkte das Eis mit seiner nächst ein Hügelland auf und wurde zum flach- sprengenden und hobelnden Kraft sowie die stän• welligen Mittelgebirge. Die Erosion der Flüsse dig wechselnden Schmelzwasser stark erosiv. In und besonders die Gletscherströme der Eiszeit der Zwischeneiszeit stabilisierten sich die Abfluß- formten dann ein steiles, schroffes Hochgebirge h systeme und es wurde mehr aufgesc ottert. mit hohen Wänden, tiefen Schluchten und breiten • Tälern. Die Alpen waren nie so schroff, steil und Im Gebirge sind uns Zeugen der wärmeren Zwischeneiszeiten nur wenig erhalten geblieben; hoch wie heute. die jüngeren Eisvorstöße haben solche Ablage- Bei diesem Aufstieg gab es natürlich noch wei- rungen meist wieder ausgeräumt. Gelegentlich te re Sprünge und leichte Verstellungen. Ein Block finden sich jedoch im Ramsauer Tal _ bei Ilsank eilte dem anderen voraus oder wurde gekippt. und Stang _ und auch im Bischofswiesener Tal Gewisse Ausgleichsbewegungen und Hebungen solche zwischeneiszeitlichen Schotter, die durch dauern im Alpenkörper bis heute an. kalkhaltige Wasser zu "Nagelfluh" verbacken sind; sie sind künstlichem Beton nicht unähnlich. Früher Landschaftsprägendes Quartär wurden sie als "Ramsauer Mühlstein" abgebaut Das Quartär ist die jüngste Formation der Erd­ und als Werkstein verwendet. geschichte, sie reicht bis heute .Vor ca. 1800000 Wenn wir uns in die Eiszeiten zurückversetzen, Jahren lösten Kaltzeiten das auch bis in unsere müssen wir zwischen den Ferngletschern und einer Breiten noch subtropische, warme Klima des Jung­ Eigenvergletscherung des Lattengebirges unter­ tertiärs ab. Das Quartär ist die Zeit der starken scheiden. Klimagegensätze, im Alpenraum spricht man von Eiszeiten und Zwischeneiszeiten, letztere waren Ferngletscher z. T. wohl wärmer als heute. Der Salzachgletscher, gespeist aus den Hohen Das Quartär kann man zweiteilen, wenn auch Tauern spaltete sich bei Zell a. See. Ein Ast ergoß in ungleich langen Perioden. Man spricht vom sich über Saalfelden nordwärts, quetschte sich Pleistozän (dem Eiszeitalter) und dem Holozän zwischen Steinernem Meer und Leoganger Stein­ (oder Postglazial), der Nacheiszeit, die lediglich die berge sowie zwischen Reiteralpe und Loferer letzten 10000 Jahre umfaßt. Die in der Nacheis­ Stein berge hindurch, folgte der Saalach und er­ zeit abgelaufenen Vorgänge sind uns am nächsten reichte, den Müllnerberg umfließend, das Reichen­ und daher am besten zu erfassen, ja, sie laufen haller Becken und das Vorland. Ein weiterer Sei­ jetzt noch ab und sind direkt zu beobachten. tenast hatte den Weg über den nur 1150 m hohen Klimaveränderungen, sei es von feucht zu Hirschbichelpaß genommen und sich mit den trocken oder von warm zu kalt sind eine der Gletscherströmen aus dem Wimbachtal und vom Hauptursachen der morphologischen Prägung Königsseebecken vereinigt. Diese Eismassen über• einer Landschaft. Im Quartär hatten wir extreme fuhren die Ramsau und die östlichen Teile des Klimaveränderungen, also auch eine extrem starke Lattengebirges bevor sie sich durch die Talenge Landschaftsprägung. von Hallthurn quetschten und in das Reichen­ Aus dem im Jungtertiär gehobenen Alpenblock haller Becken ergossen. So war das Lattengebirge hat im wesentlichen das Quartär die alpine Mor­ in den Eiszeiten von allen Seiten durch ein Glet­ phologie, wie sie uns heute erscheint, heraus­ scherstromnetz umspült. Das Eis dieser Gletscher­ modelIiert. ströme reichte in den Hochständen bis nahe 1300

123 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at Meter Höhe, das ist bis fast an die Steil abstürze. mußten südwärts zur Berchtesgadener Ache, also Im Südosten war sogar zumindestens zeitweise, in das Gebirge hinein fließen. die Kuppe des Toten Mann mit Ferneis überdeckt, Nach dem endgültigen Abschmelzen der Glet­ wie einzelne kristalline Geschiebe aus den Tauern scher, seit ca. 8-10 Tausend Jahren, setzte eine auf diesen Höhen bezeugen. verstär kte Schuttbildung und Schuttablagerung In der letzten großen Vereisung, der Würmver• ein. Der Frost hatte das Gestein zermürbt. Das eisung, reichten die Gletscher wohl nicht ganz so Widerlager der Gletscherströme entlang der steilen hoch, aber große Eisrnassen aus den Zentralalpen Talflanken fiel weg, so polterten mächtige Blöcke hobelten abermals die U-förmigen Täler der in großen Bergstürzen zu Tal. Dadurch wurde der Saalach, das Schwarzbachtal und das Bischofs­ Moränenriegel bei Hallthurm durch haushohe wiesener Tal noch breiter und tiefer aus. Blöcke die von den Rotofenspitzen und dem Nach dem Abschmelzen des Eises blieb bunt­ Untersberg abgingen nochmals erhöht. Schutt­ gemischtes Moränenmaterial meistens auf der Tal­ fächer bildeten sich entlang der Steilhänge und sohle zurück, von den steilen Wänden wurde dies engten die vom Gletscher geschaffenen breiteren Material rasch heruntergespült. U-förmigen Täler wieder ein. Die großen Kies­ gruben am Saalachsee zeigen solches Material; kan­ tiger Schutt von den Steilhängen auf alten Saalach­ Lokalgletscher schottern und buntes Moränenmaterial mit großen Als Eigenvergletscherung zeigte das Lattenge­ gerundeten Blöcken, die die Gletscher liegenge­ birge einen kleinen Eisstrom, der vom Südrand lassen hatten. des Plateau (Wachterlhorn-Karspitz), über die Moosenalm, den Röthelbach abwärts floß und Die Bäche, die das Lattengebirge verlassen, sich bei Baumgarten mit dem großen Saalach­ mußten sich in der Nacheiszeit tief eingraben, um gletscher vereinigte. Auch auf der Nordseite vom die, durch die Gletscher-Erosion tiefer gelegten Karkopf, Hochschlegel und Predigtstuhl flossen Talsohlen zu erreichen. Es entstanden klamm­ Firnfelder in das Reichenhaller Becken. artige Schluchten, wie z. B. am unteren Röthel• bach. Kurzzeitige Kälteperioden, wohl nur von eini­ gen Hundert Jahren Dauer, ließen diese Lokal­ Die Bäche schütteten Bachschuttkegel in die gletscher nochmals nach dem Rückzug der großen Täler vor. Dieser "nasse", durch Wasser geschüt• Ferngletscher In der nacheiszeitlichen Erwär• tete Schutt liegt flacher als der" trockene" Schutt mungsphase anwachsen. So schickte das Eisfeld der am Fuß der Wände, der steiler und damit auch Vogelspitz und Moosenalm eine kleine Gletscher­ instabiler angeworfen wird. Die Bäche haben sich zunge bis kurz oberhalb der Dalsenalm vor. Der später wieder in ihre eigenen Schuttkegel einge­ zugehörige junge Moränenwall, z. T. doppelt ge­ graben, nachdem sich die großen Abflüsse, wie die staffelt, wird von der Forststraße kurz unterhalb Saalach oder die Berchtesgadener Ache nochmals der Kaltenbrunn-Anger Kehre gequert. Eine tiefer legten; es entstanden Terrassenränder, so be­ kleine Gletscherzunge im Norden aus dem Weiss­ sonders schön am Frechenbach oder an der Saalach bach, erreichte sogar das Tal, dort wo heute die bei Unterjettenberg zu beobachten. B 20 entlangführt. Für die großen Ferngletscher Der obere Röthelbach (zwischen Taucherholz·­ aus den Zentralalpen waren diese nacheiszeitlichen stube und Röthelbachalm) hat, nachdem er Kreide­ Kälteperioden zu kurz um nochmals aus den Hoch­ mergel und Moränenmaterial erodierte, die harten alpen bis in das Vorland vorzurücken. Der Berch­ Kalke der Oberkreide erreicht. Auf diesen Schicht­ tesgadener Gletscher dieser Epoche schüttete seine flächen gräbt er sich nun schräg nach Osten ein, Endmoräne bei Hallthurm auf. Nach dem Ab­ seitlich die weichen Mergel wegräumend. Er schafft schmelzen verriegelte dieser Wall den Abfluß aus dadurch das anormale Profil eines Steilhanges in dem Bischofswiesener Tal nach Norden. Die Bäche weicheren Schichten auf der Ostseite und einer

124 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at flachen Böschung im harten Gestein. Der ganze gestein, das durch den Magnesiumgehalt schwer Hang unterhalb der Thörlschneid wird dadurch lösbar ist, mehr splittrig verwittert und Schutt­ weiter übersteilt und die Rutschgefahr gefördert. halden bildet. Die verkarsteten Gebiete sind von einer fast er­ Karsterscheinungen müdenden, regellosen Unebenheit gekennzeichnet. Wenn das Niederschlagswasser nicht oberflächlich Die mächtigen Bänke des Dachsteinkalkes zer­ abfließt, sondern entlang den Spalten und Klüften fallen zu Blöcken, die in Kegeln und Rippen lösend in das Kalkgestein eindringt um in unter­ stehen bleiben und mit Löchern, Depressionen irdischen Schächten, Höhlen und Schloten weiter und Trichtern abwechseln. Das Gestein ist oft wie im Berginnern in die Tiefe zu sinken und erst am eingesägt oder von tiefen Rinnen, den sogenann­ Bergfuß wieder hervortritt, so spricht man von ten "Karren" zerfurcht. Manche Spalten gehen einem geomorphologischen Karstphänomen; nicht weit in die Tiefe und erweitern sich nach unten. zu verwechseln mit dem Begriff des Karst für Die Trichter und Dolinen entstehen durch Ein­ Waldentblößung besonders in den Mittelmeer­ sturz von großen, durch Lösung entstandenen ländern wie er von den Forstleuten benutzt wird. Hohlräumen in der Tiefe. Der Dachsteinkalk ist ein sehr reines Kalkgestein Besonders eindrucksvoll ist die fußballfeldgroße (mehr als 99 010 CaC03), er ist von zahlreichen Schüsseldoline mit einzelnen Abflußtrichtern im Klüften durchsetzt und liegt im Lattengebirge Innern südwestlich der Moosenalm-Hütte. Tiefe meist flach oder nur schwach geneigt, so daß sich Trichter finden sich ferner auf der Moosenalm im Südwestteil um den Hochmaiskopf, in der und auf der Lattenbergalm. Durch Nachsturz von Südumrahmung und entlang der Thörlschneid Mergeln in einen im Kalk entstandenen Lösungs• Verkarstung sehr gut ausbilden konnte und noch schacht entstand auf der Landhauptenalm eine kann. Im Nordteil dominiert dagegen Dolomit- Höhle. Die Trichter sind oftmals perlschnurartig

Abb.13 Große Einbruchsdoline, als Folge der Verkarstung im Dachsteinkalk der westlichen Moosenalm mit kleine­ ren Einsturztrichtern. Im Hintergrund: das Plateaugebirge der Reiteralm.

125 © Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. download unter www.vzsb.de/publikationen.php und www.zobodat.at entlang emer Linie aufgereiht. Die Karstlösung ca. 8000 Jahren) entstanden aus kleinen Stau­ geschieht bevorzugt entlang von geradlinigen tümpeln durch Verlandung über Niedermoore Störungssprüngenj durch die Einsturzdepressionen diese Hochmoore. Die Höhenlage bremste die Zer­ werden so tektonische Linien an der Oberfläche setzung des Pflanzenaufwuchses, so wölbten sich nachgezeichnet. diese kleinen Moore rasch in die Höhe. Obwohl Ein Teil des Karstwassers kommt meist erst in das "Schwimmend Moos" am Süd rand der Moosen­ Talniveau im Wandschutt, - so z. B. im Schwarz­ alm schon vom Drainagesystem des obersten bachtal zum Vorschein. Teile des Karstwassers Röthelbaches erreicht wurde zeigt es üppigsten dringen aber auch noch tiefer vor bis in die unten Aufwuchs. lagernden wasserstauenden Schichten der unteren Der rasche Wechsel von feuchten Stellen auf Trias (Werfener Schichten und Haselgebirge), wer­ wasserstauendem Kreidemergel oder Moränen• den nach Norden geleitet und beteiligen sich an der material mit oft trockenen Standorten auf engem Lösung der Salze im Untergrund von Reichenhall. Raum nebeneinander gibt dem Plateau-Innern des Das Lattengebirge stellt ein natürliches Auf­ Lattengebirges einen besonderen pflanzenökologi• fangbecken und damit Zufluß für die natürlichen schen Reiz. Solen dar. Durch Gesteinsbestand und tektoni­ Jeder aufmerksame Beobachter wird auf Tritt schen Bau vorgeprägt, wirkt das Lattengebirge in und Schritt im Lattengebirge die hier nur kurz die Wasserführung des Vorlandes ein. skizzierten Zusammenhänge zwischen Gestein, Jeder Eingriff in den komplizierten Karstwasser­ Verwitterungsform, Bodenbildung und morpho­ körper hätte weitreichende Folgen. logischem Erscheinungsbild einerseits, aber auch die Die starke Verkarstung verbietet die Anlage Abhängigkeit der Vegetation von den Unter­ von Wasserspeichern oder sonstigen Staubau­ grundsbedingungen feststellen können. werken im Lattengebirge von selbst. Die landschaftlich eindrucksvollen, kleinen Anschrift des Verfassers: Moore (Möser) im Lattengebirge bildeten sich Prof. Dr. Dietrich Herrn, über flachlagernden, wasserstauenden Kreidemer­ Universitätsinstitut und Staatssarnmlung geln, besonders dort, wo Moränenreste oder Kalk­ für Paläontologie und Historische Geologie, riegel einen ständigen Abfluß des Wassers ver­ 8000 München 2 hinderten. Nach dem Abschmelzen des Eises (vor Richard-Wagner-Straße 10/ll.

V. Zitate und weiterführende Literatur Hab e r, G. (1934): Bau und Entstehung der Baye­ rischen Alpen. - 256 S., 16 Abb., (C. H. Beck) B 0 den, K. (1930): Geologisches Wanderbuch für die München. Bayerischen Alpen. - 458 S., 59 Abb., (Enke) Stutt­ Her m, D. (1962): Stratigraphische und mikropaläon• gart. tologische Untersuchungen der Oberkreide im Latten­ Bog e 1, H. u. Sc h rn i d It, K. (1976): Kleine Geologie gebirge und im Nierental (Gosaubecken von Reichen­ der Ostalpen. 231 S., 101 Abb., 8 Taf., 9 Tab., (Ott hall und Salzburg). - Abh. Bayer. Akad. Wiss N. F. Verlag) Thun. 104, 119 S., 9 Abb., 11 Taf., München. Her m, D. (1962): Die Schichten der Oberkreide (Un­ Dei Ne g r 0, W. (1970): Salzburg - Geologie der österr. Bundesländer in kurzgefaßten Einzeldarstel­ tere, Mittlere Obere Gosau) im Becken von Reichen­ lungen. - 101 S., 2 Beil. (2. Aufl.) Wien. hall (Bayerische/Salzburger Alpen). - Zeitschrift deutsch. geol. Gesellschaft, 113, S. 320-338, 4 Abb., Fr e i rn 0 s e r, M. (1972): Zur Stratigraphie, Sediment­ Hannover. petrographie und Faziesentwicklung der Südostbaye• Leb I i n g, C. (1912): Geologische Beschreibung des rischen Flyschzone und des Ultrahelvetikums zwischen Lattengebirges im Berchtesgadener Land. - Geogn. Bergen/Obb. und Salzburg. - Geologica Bavarica 66: Jh., 24: 33-102, 12 Abb., 1 Karte, 1 Profiltaf., 7-91, 8 Abb., 2 Tab., 6 Beil., (Bayer. Geol. Landes­ München. amt) München. Sc her zer, H. (1927): Geologisch-botanische Wande­ Ga n s s, O. u. G r ü n fe I der, S. (o.J.): Geologie der rungen durch die Alpen. 1. Band: Das Berchtesgadener Berchtesgadcner und Reichenhaller Alpen. - 152 S., Land. - 218 S., 23 Prof. u. Kärtchen, 21 Taf., 1 Tab., 118 Abb., (Verlag Plenck) Berchtesgaden. (Kösel & Pustet) München.

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