Minderheitenpolitik in Bulgarien

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Minderheitenpolitik in Bulgarien ULRICH BÜCHSENSCHÜTZ MINDERHEITENPOLITIK IN BULGARIEN Die Politik der Bulgarischen Kommunistischen Partei (Bkp) gegenüber den Juden, Roma, Pomaken und Türken 1944-1989 Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin. Berlin 1997 (Gutachter: Prof. Dr. Holm Sundhaussen) Letzte Änderung: 1.6.2004 Digitale Osteuropa-Bibliothek: Geschichte 8 ISSN 1613-1061 1 INHALT 1. Einleitung ___________________________________________________ 3 1.1. Ziel und Aufbau der Arbeit ___________________________________ 3 1.1.1. Anmerkungen zur Terminologie, Übersetzung und Transliteration_ 9 1.2. Überblick über die Quellen__________________________________ 11 1.2.1. Statistiken____________________________________________ 11 1.2.2. Gesetze und Verordnungen ______________________________ 14 1.2.3. Quellen zu Beschlüssen der BKP__________________________ 15 1.3. Der historische Hintergrund _________________________________ 16 1.3.1. Die Etablierung des kommunistischen Regimes ______________ 17 1.3.2. Die stalinistische Periode 1948-1953_______________________ 19 1.3.3. Die Entstalinisierung 1953 bis 1962 _______________________ 21 1.3.4. Die Ära Živkov _______________________________________ 25 2. Die Politik gegenüber den Juden, Roma, Pomaken und Türken _____ 29 2.1. Die kurze Geschichte der Juden in der Volksrepublik Bulgarien _____ 29 2.1.1. Die bulgarischen Juden und die „Endlösung“ ________________ 29 2.1.2. Die Nachkriegszeit 1944-1952 ___________________________ 33 2.1.2.1. Die politischen Strömungen in der jüdischen Bevölkerung __ 33 2.1.2.2. Soziale und wirtschaftliche Probleme der jüdischen Bevölkerung_____________________________________________ 34 2.1.2.3. Schulen und Glaubensorganisation_____________________ 35 2.1.2.4. Exodus___________________________________________ 37 2.2. Exkurs: Die BKP und die muslimische Glaubensgemeinschaft in Bulgarien____________________________________________________40 2.3. Die Roma _______________________________________________ 43 2.3.1. Politische Entwicklungen vor 1944 ________________________ 46 2.3.2. Allgemeine Entwicklungen in der Politik der BKP gegenüber den Roma _________________________________________________ 47 2.3.3. Organisationen und kulturelle Einrichtungen für die Roma _____ 52 2.3.4. Bildungseinrichtungen für die Roma _______________________ 54 2.3.4.1. Grundschulen (osnovni učilišta-OU) ___________________ 54 2.3.4.2. Grundschulen mit verstärkter Arbeitsausbildung (osnovni učilišta săs zasileno trudovo obučenie-OUZTO)_________________ 57 Büchsenschütz: Minderheitenpolitik in Bulgarien. Digitale Osteuropa-Bibliothek: Geschichte 8 2 2.3.4.3. Internate _________________________________________ 58 2.3.4.4. Die speziellen Roma-Schulen: Ein Erfolg? ______________ 60 2.3.5. Maßnahmen zur Seßhaftmachung _________________________ 60 2.3.6. Namensänderungen bei den Roma_________________________ 64 2.4. Die Pomaken_____________________________________________ 68 2.4.1. Die demographische und soziale Struktur der pomakischen Bevölkerung_______________________________________________ 73 2.4.2. Politische Entwicklungen vor 1944 ________________________ 78 2.4.3. Die Politik der BKP gegenüber den Pomaken nach 1944 _______ 80 2.4.4. Bildung für die Pomaken ________________________________ 89 2.4.5. Sicherheitspolitische Maßnahmen _________________________ 94 2.4.6. Namensänderungen bei den Pomaken ______________________ 95 2.4.6.1. Erster Anlauf: Anarchie______________________________ 96 2.4.6.2. Die zweite Umbenennungskampagne unter den Pomaken___ 99 2.5. Die türkische Minderheit __________________________________ 103 2.5.1. Die demographische und soziale Struktur der türkischen Bevölkerung______________________________________________ 106 2.5.2. Die staatliche Politik gegenüber der türkischen Minderheit vor 1944 _________________________________________________ 114 2.5.3. Die Politik der BKP gegenüber der türkischen Minderheit nach 1944 ________________________________________________ 118 2.5.4. Bildung für die türkische Minderheit______________________ 149 2.5.5. Die Emigration der bulgarischen Türken seit 1944 ___________ 158 2.5.5.1. Die Emigration von 1950/51: Vertreibung oder Flucht?____ 158 2.5.5.2. Emigration von 1969-78: Familienzusammenführung _____ 162 2.5.5.3. „Der große Ausflug“ _______________________________ 165 2.5.6. Namensänderungen ___________________________________ 171 3. Zusammenfassung __________________________________________ 179 4. Literatur __________________________________________________ 187 5. Anhang ______________________________________________________ 5.1. Übersicht über die rechtlichen Regelungen und Parteibeschlüsse zur Minderheitenpolitik nach 1944 ____________________________________ 5.2. Tabellen___________________________________________________ 5.3. Abkürzungen _______________________________________________ Büchsenschütz: Minderheitenpolitik in Bulgarien. Digitale Osteuropa-Bibliothek: Geschichte 8 3 1. Einleitung „Es ist unsinnig, die Tatsache zu unterschlagen, daß in bulgarischen Landen Men- schen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher ethnischer Herkunft geboren sind und gelebt haben.“ Zu dieser Einsicht gelangte der langjährige bul- garische Staats- und Parteichef Todor Živkov 1993, vier Jahre nach seinem Sturz. Die Politik der von ihm über dreißig Jahre geführten Partei gegenüber den verschiedenen Minderheiten resümierend, fährt er fort: „Von der absolut unhaltba- ren sowjetischen These, die Dimitrov und Červenkov übernommen hatten, daß Bulgarien multinational sei, gelangte man zu einer ebenso unwahren These – ein Ethnos, eine Kultur, eine Lebensweise, eine Religion, ein Brauchtum.“1 Unabhängig davon, was Živkov heute, da er die Macht abgegeben hat, darüber denkt: Die Politik der BKP gegenüber den ethnischen und religiösen Minderheiten fußte auch während seiner Amtszeit auf eben diesen beiden Thesen. Beide Ansät- ze hatten im Grunde dasselbe Ziel: die ethnische und religiöse Homogenisierung des bulgarischen Staatsvolkes. Während Vertreter der ersten von der Annahme ausgingen, daß sich die Vereinheitlichung nach einer Phase des „Aufblühens“ der nationalen und kulturellen Unterschiede vollziehen würde, klammerten die An- hänger der zweiten These die „Blütezeit“ aus und proklamierten die Abwesenheit jeglicher Unterscheidungsmerkmale. 1.1. Ziel und Aufbau der Arbeit In der vorliegenden Arbeit will ich die Grundzüge der Politik gegenüber den ethnischen und religiösen Minderheiten in Bulgarien nach dem Zweiten Weltkrieg herausarbeiten. Allerdings sollen nicht die von dem ehemaligen Staatsoberhaupt genannten Thesen selbst im Mittelpunkt stehen, sondern ihre praktischen Folgen. Dabei werde ich einen besonderen, aber nicht ausschließlichen, Wert darauf legen, die sozialen Vereinheitlichungsbemühungen anhand der in der Modernisierungs- forschung üblichen Faktoren nachzuzeichnen. Dazu gehören Bildungsstand, demographische und soziale Struktur sowie die Urbanisierung der einzelnen hier behandelten Minderheiten. Darüber hinaus soll auf einige Besonderheiten der bulgarischen Minderheitenpolitik eingegangen werden, die nur unter dem Aspekt dieser Homogenisierungs- und letztendlich Assimilationstendenzen zu verstehen sind. Diese Arbeit beschäftigt sich vor allem deshalb so ausführlich mit den Moder- nisierungsbemühungen als Mittel der Minderheitenpolitik, weil die bulgarische kommunistische Partei Zeit ihrer Herrschaft gerade diese Maßnahmen in den 1 Živkov, T.: Sreštu njakoi lăži [Gegen einige Lügen], Burgas 1993, S.88. Büchsenschütz: Minderheitenpolitik in Bulgarien. Digitale Osteuropa-Bibliothek: Geschichte 8 4 Mittelpunkt ihrer Nationalitätenpolitik gestellt hat. In vielen Arbeiten, die seit dem Ende der fünfziger Jahre in Bulgarien zu diesem Thema erschienen sind, wird gerade dieser Aspekt hervorgehoben. Auf einen einfachen Nenner gebracht, sollte das Rezept lauten: „Durch die Überwindung der sozialen Unterschiede verlieren auch die ethnischen bzw. nationalen Unterschiede ihre Bedeutung.“ Diese ursprünglich auf Marx zurückgehende Idee, wie die Utopie einer klassen- und nationslosen Gesellschaft zu erreichen sei, war jedoch – wie noch zu zeigen sein wird – in der Volksrepublik Bulgarien nicht zu allen Zeiten gültig. Ausgehend von einem allgemeinen und sehr knapp gehaltenen Überblick über die Entwicklung der bulgarischen Minderheitenpolitik unter sozialistischen Vor- zeichen vor dem Hintergrund der wichtigsten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen, soll hier die Politik der BKP gegenüber den Juden, Ro- ma, Pomaken und Türken in jeweils gesonderten Kapiteln dargestellt werden. Diese Minderheiten wurden deshalb ausgewählt, weil anhand ihrer unterschiedli- chen Charakteristika die minderheitenpolitischen Ziele der BKP besser herausge- arbeitet werden können. In diesen vergleichenden Ansatz wurde – sofern die statistischen Daten dies zuließen – auch die Gesamtbevölkerung mit einbezogen, um kontrastierend die Spezifika der jeweiligen Minorität aufzuzeigen. Die Aus- wahl der hier untersuchten Minderheiten war nicht zuletzt auch eine Frage der Quellen- und Literaturlage, jedoch war der Forschungsstand allein nicht aus- schlaggebend; vielmehr habe ich bei der Auswahl mehrere Faktoren berücksich- tigt: Die jüdische Minderheit Bulgariens wurde in die Untersuchung aufgenommen, weil sie zum einen in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, den sie vergleichsweise unbeschadet überstanden hatte, für die bulgarische Regierung von großer
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