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REDE Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. MAINZ GUIDO KNOPP Juli 2007 175 Jahre Hambacher Fest www.kas.de/mainz FESTREDE VON PROFESSOR DR. GUIDO KNOPP www.kas.de Meine Damen und Herren, Das war vor 25 Jahren, und viele unserer herzlichen Dank für die freundliche Be- Forderungen sind so aktuell wie damals. grüßung. Für mich ist der Tag bei Ihnen Manches von dem, was damals blanke Uto- hier im Hambacher Schloss auch eine pie schien, ist heute erreicht. Erinnern wir Rückkehr zu eigenen Wurzeln. Im No- uns: Damals war Deutschland geteilt – und vember 1982, vor fast einem Vierteljahr- es war für mich fast selbstverständlich, dass hundert, habe ich in diesem Saal den ers- ich als erstes Thema des „Hambacher Dis- ten Hambacher Disput eröffnet. Diese puts“ die ungelöste deutsche Frage wählte. Reihe, die’s zu meiner Freude immer noch Ich habe hier, in diesem Schloss, gefragt, gibt, hab’ ich damals initiiert, weil ich im ob es noch Chancen gebe für die deutsche 150. Jubiläumsjahr des Hambacher Festes Einheit – und die Antworten waren durchaus der festen Überzeugung war und immer symptomatisch für die achtziger Jahre. Der noch bin, dass die Hambacher Prinzipien – Publizist Klaus Harpprecht sagte: „Der Nati- Freiheit, Einheit, das Bekenntnis zu Euro- onalstaat liegt nicht im Interesse der Nati- pa – die einzige und ausschließliche ideel- on.“ Der Franzose Henri Menudier meinte: le Basis sind für eine gemeinsame Zukunft „Die deutsche Nation ist verspielt“, der Pole auf unserem Kontinent. Zbigniew Ramotowski erklärte: „Die deut- sche Frage ist für Polen längst gelöst.“ Und Benno Zech, mein alter Freund aus Ham- der Historiker Hans Mommsen befand: „Die bach, wird sich erinnern, wie wir damals, Nation ist tot. Es lebe die Region.“ beflügelt durch den besten Pfälzer Wein, gemeinsam mit unserem Freund Ekkehard Keine Spur also von glühender Einheitseu- Kuhn den „Hambacher Aufruf“ verfassten, phorie – und man kann nicht sagen, dass der ebendiese Ziele propagierte. Falls dem die allermeisten anderen Politiker und Intel- einen oder anderen in der Zwischenzeit ent- lektuellen in der alten Bundesrepublik die fallen sein sollte, wie genau unsere Forde- deutsche Einheit mit größerer Leidenschaft rungen lauteten – ich habe sie noch einmal herbeigesehnt hätten. Sie hatten es sich in mitgebracht (sie wurden damals als Plakat der deutschen Teilung relativ behaglich ein- gedruckt und bundesweit verbreitet): der gerichtet. Für viele von ihnen war der Eiser- Hambacher Aufruf! ne Vorhang fast schon ein Teil der physi- schen Landschaft Europas, vergleichbar mit Ich greife einfach mal einige Stichworte den Alpen. Sehen wir uns die Zitate führen- heraus: „Wiedervereinigung Deutschlands“, der deutscher Politiker noch in den späten „die Spaltung Europas in zwei Blöcke muss achtziger Jahren an, dann müssen wir er- überwunden werden“, „Sicherung des Frie- kennen, dass das Ziel der Einheit für nicht dens“, „Gemeinsinn und Solidarität statt Ei- wenige in weiter Ferne lag. Willy Brandt er- gennutz und Egoismus“, „Verantwortung für klärte 1988 die Wiedervereinigung zur „spe- kommende Generationen“, „schonender zifischen Lebenslüge der zweiten deutschen Umgang mit unserer Umwelt“, „die Gemein- Republik“. Und der Ministerpräsident von samkeit der Demokraten bewahren“. Bayern, Max Streibl, verkündete noch im Oktober 89, er halte nichts von „Wiederver- einigungsdebatten“. Jeder solle „in seinem 2 Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Block bleiben – die DDR drüben und wir werden. Doch als 1815 unter Führung Ös- hier“. Es gibt noch Hunderte von weiteren terreichs der „Deutsche Bund“ – als Ver- Zitaten. sammlung deutscher Fürsten – entstand, MAINZ wurden die allermeisten dieser Verspre- GUIDO KNOPP Was sie alle überrollte, war das Volk, der chungen nicht eingelöst. Im Gegenteil – die große Lümmel. Die Demonstrierenden der Regenten ließen alle Regungen nach Freiheit Juli 2007 ersten Stunde, die in Leipzig „Wir sind das und Einheit brutal unterdrücken. Dieser Volk“ gerufen haben, wollten anfangs aller- Wortbruch empörte die Bürger. www.kas.de/mainz dings noch nicht die Einheit, sondern eine www.kas.de bessere DDR. Die Kräfte aber, die ihr Mut Wie 150 Jahre später in der DDR waren es entfesselt hatte, war’n am Ende stärker als zunächst wenige, die ihrem Unmut Luft sie selbst. Der 9. Oktober 1989 in Leipzig machten – allen voran die Journalisten Phi- war eine Sternstunde in der deutschen Ge- lipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg schichte – 70.000 Menschen demonstrierten August Wirth. Sie waren gleichsam „Bürger- gewaltlos für die Freiheit. In den Seiten- rechtler“ des 19. Jahrhunderts. Ihre Einla- straßen stand die Staatsmacht, schwer be- dung zum ersten Nationalfest der Deut- waffnet, und die Demonstranten – manche schen provozierte größtes Aufsehen. Als die Frauen war’n dabei, die Kinderwagen scho- bayerische Regierung – die Pfalz gehörte ben – alle mussten damit rechnen, dass es damals ja zu Bayern – die Zusammenkunft ebenso zu einem Blutbad kommen könne – verbot, steigerte sie damit noch ungewollt wie in Peking ein paar Monate zuvor auf deren Popularität. Schließlich versammelten dem Platz des Himmlischen Friedens. Dass sich mehr als 30.000 Männer und Frauen sie trotzdem auf die Straße gingen, voller aus allen Teilen Deutschlands– für damalige Angst und voller Mut, das war ihr Helden- Verhältnisse eine riesige Zahl. Bürgerliche tum: Wir sind das Volk! Wer da gesiegt hat- Freiheit und deutsche Einheit waren die te, das war das Volk! zentralen Themen der zahlreichen Reden in Hambach. Sie waren aber gekoppelt mit In diesem Sinn war Leipzig 1989 die Vollen- Aussagen zur Freiheit anderer Völker und dung eines Wegs, der 1832 in Hambach be- der so weitsichtigen Forderung nach einem gonnen hatte. Auch damals, im ersten Drit- vereinten Europa. Philipp Jakob Siebenpfeif- tel des 19. Jahrhunderts, war Deutschland fer ließ am Ende seiner Rede nicht nur das zersplittert, freiheitliche Regungen wurden „freie, das einige Deutschland“ hochleben, unterdrückt, der Wille des Volkes von den sondern auch die Polen, deren Revolution Mächtigen ignoriert. Im Jahr 1806 war das gegen den russischen Zaren 1830 geschei- „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ tert war; und die Franzosen – „der Deut- zusammengebrochen, das rund 900 Jahre schen Brüder“, wie Siebenpfeiffer erklärte. lang bestanden hatte. Napoleon, der neue Herrscher im Herzen Europas, brachte den Patriotismus ohne Überheblichkeit, mitfüh- Deutschen zwar langersehnte bürgerliche lendes Denken und Empfinden für andere Rechte und Freiheiten der französischen Re- Völker – das war das Nationalbewusstsein, volution, zugleich aber demütigte er die un- das sich in den Reden des Hambacher Fests terworfenen Völker in ihrem Selbstwertemp- äußerte. Die Grenze zwischen diesem tole- finden. So war der Aufstand gegen den Im- ranten Nationalbewusstsein und einem ar- perator nur zwangsläufig. In der Völker- roganten übersteigerten Nationalismus wur- schlacht bei Leipzig wurde 1813 Napoleons de immer gewahrt. Die Lauterkeit der politi- Macht gebrochen. schen Absichten machte das Hambacher Fest zu einem Höhepunkt der deutschen Für die Kraftanstrengungen und Leiden, die und der europäischen Geschichte. mit dem Kampf gegen die Fremdherrschaft verbunden waren, gaben viele deutsche Wenn auch den politischen Forderungen der Fürsten ihren Untertanen wohlfeile Verspre- Festteilnehmer noch lange der Erfolg ver- chen – und lösten damit im ganzen Volk sagt bleiben sollte: Hambach hatte den poli- gewaltige Hoffnungen aus. Verfassungen tischen Willen breiter Volksschichten in mit verbürgten Rechten sollten eingeführt Deutschland bewegt. Die bürgerliche Demo- 3 Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. kratie war unter den Farben schwarz-rot- erst einmal der restaurative Katzenjammer: gold als neue aktive Kraft hervorgetreten. Die Hambacher Patrioten – darunter die Der Traum von deutscher Einheit und politi- beiden Anführer Wirth und Siebenpfeiffer – MAINZ scher Freiheit war unüberhörbar ausgespro- wurden eingekerkert. Andere Verfolgte, die GUIDO KNOPP chen und zeigte als politische Zielsetzung noch flüchten konnten, gingen resignierend wegweisend in die Zukunft. in die Emigration. Dennoch – der Samen der Juli 2007 deutschen Demokratie war gelegt. Und er Dies beweist einmal mehr – und damit sollte schon wenige Jahre später aufgehen. www.kas.de/mainz komme ich zur zentralen These meines Vor- www.kas.de trags: Unsere heutige Demokratie ist kein Im März 1848 brach in mehreren deutschen künstliches Produkt der Zeit nach 1945. Sie Städten die Revolution aus. Bürger und ist kein Retortenbaby aus dem Brutkasten Handwerker erhoben sich. Von Berlin bis der Alliierten. Sie steht vielmehr in einer Wien erzwangen sie die Einsetzung von libe- älteren Tradition – einer Tradition, die sich ralen Regierungen und Wahlen zu einer Na- in Hambach zum ersten Mal manifestierte. tionalversammlung. Am 18. Mai 1848 trat diese erste Deutsche Nationalversammlung Die deutsche Geschichte erschöpft sich eben in der Paulskirche in Frankfurt am Main zu- gerade nicht in einer konstruierten Linie Lu- sammen. Die Begeisterung, mit der die ther – Bismarck – Hitler. Und auch das so- Deutschen die Anfänge ihres ersten frei ge- genannte „Dritte Reich“ war keine zwangs- wählten Parlaments begleiteten, war enorm läufige Folge irgendeines deutschen „Son- und gab den Abgeordneten ein großes derwegs“. Es gibt in der deutschen Ge- Selbstbewusstein. Der Liberale Heinrich von schichte keinen schicksalhaft vorbestimm- Gagern sagte in seiner Antrittsrede als Prä- ten Todespfad von Potsdam über Lange- sident der Nationalversammlung: