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Diplomarbeit

Titel der Diplomarbeit

„Ein ‚Wintergewitter‘ ohne ‚Donnerschlag‘“ Die Entsatzschlacht bei 1942 – Ein Unternehmen mit Aussicht auf Erfolg? UND Prüfung von Feldpostquellen aus Stalingrad für den Einsatz in der neuen kompetenzorientierten Reifeprüfung

Verfasser Dominik Ender

angestrebter akademischer Grad

Magister der Philosophie aus der Studienrichtung Geschichte, Sozialkunde/Politische Bildung (Mag. phil.)

Innsbruck, 2014

Studienkennzahl lt. Studienblatt: C 190 313 344 Studienrichtung lt. Studienblatt: Unterrichtsfach Geschichte, Sozialkunde/Politische Bildung Unterrichtsfach Englisch

Betreuer: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Albrich

BArch, Bild 101I-090-3914-29 A

Eigene Darstellung

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„Wir hatten Wind gesät, jetzt mußten wir Sturm ernten.“1 [Joachim Wieder, Offizier in Stalingrad]

1 Joachim Wieder/Heinrich Graf von Einsiedel, Stalingrad und die Verantwortung des Soldaten, München 19932, S. 141.

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Inhaltsverzeichnis

Teil I Einleitung …………………………………………………………………………………….. 7

1. Der Beginn von „Barbarossa“ ……………………………………………………………... 8 1.1 Angriff ohne Kriegserklärung …………………………………………………..... 9 1.2 Vernichtungskrieg im „Operationsgebiet“ ………………………………………. 10

2. Stationen des deutschen Vormarsches 1941-42 ………………………………………….. 13 2.1 „Führer befiehl, wir folgen dir!“ ………………………………………………... 15 2.2 Der Vorstoß nach Smolensk …………………………………………………….. 16 2.3 Weisung Nr. 33 und 34 ………………………………………………………….. 18 2.3.1 Die Eroberung der Ukraine …………………………………………… 20 2.3.2 Der Marsch auf Leningrad …………………………………………….. 22 2.3.3 900 Tage Belagerung ………………………………………………….. 23 2.3.4 Der Weg nach Moskau ………………………………………………… 24 2.3.5 Die Niederlage im Winter 1941 ……………………………………….. 25 2.3.6 Der Kessel von Demjansk …………………………………………….. 29 2.3.7 Der Status Quo an der Ostfront ……………………………………….. 30 2.4 Der „Fall Blau“ …………………………………………………………………. 31 2.4.1 Von Charkow bis Woronesch ………………………………………….. 32 2.4.2 „Mit der einen Faust nach Stalingrad, mit der anderen nach‘m Kaukasus“ ……………………………………………………………... 34 2.4.3 Die Lage nach der deutschen Sommeroffensive ……………………… 35 2.4.4 Von Woronesch nach Stalingrad ………………………………………. 35 2.4.5 Die Reichskriegsflagge auf dem Elbrus ………………………………. 36

3. Der Sturm auf Stalingrad ………………………………………………………………… 38 3.1 Die Einkesselung der 6. Armee …………………………………………………. 45 3.2 Uneinigkeit im Kessel …………………………………………………………... 50 3.3 Hitlers Haltebefehl ……………………………………………………………… 52 3.4 Nachschub für die „Festung Stalingrad“ ………………………………………... 54 3.5 Die Lage in Stalingrad nach dem Einschluss …………………………………… 55 4

4. Ein preußischer Stratege als Retter in der Not …………………………………………… 57 4.1 Planung der Operation „Wintergewitter“ ……………………………………….. 59 4.2 Operation „Donnerschlag“ ……………………………………………………… 62 4.3 Der Glaube an der Heimatfront …………………………………………………. 63 4.4 Die tatsächliche Stärke der Entsatztruppen ……………………………………... 64 4.5 Funkverkehr …………………………………………………………………….. 68

5. Der Beginn der Entsatzschlacht: 12. Dezember ………………………………………… 68 5.1 Die Lage im Kessel bei „Wintergewitter“ ………………………………………. 71 5.2 Die ersten militärischen Erfolge ………………………………………………… 74 5.3 Das deutsche Überraschungsmoment …………………………………………… 76 5.4 Die Pläne der Roten Armee ……………………………………………………... 77 5.5 Die Panzerschlacht bei Werchne-Kumskij: 13. bis 19. Dezember ……………….78 5.6 Hoffnung im Kessel - „Haltet aus, von Manstein haut uns raus!“ ……………… 87 5.7 Drei Optionen …………………………………………………………………… 88 5.8 48 km: 20. bis 21. Dezember …………………………………………………..... 89 5.9 Der Vormarsch kommt ins Stocken: 22. Dezember …………………………….. 91 5.10 Das Zögern der deutschen Generäle …………………………………………… 93 5.11 „Ich bleibe an der Wolga“ ……………………………………………………... 94 5.12 Der Zusammenbruch der Nordflanke: 23. Dezember …………………………. 97 5.13 Der „Donnerschlag“ bleibt aus ……………………………………………….. 101 5.14 Das letzte Treffen …………………………………………………………….. 103 5.15 Das Ultimatum der Roten Armee …………………………………………….. 103 5.16 Angriff an allen Fronten ……………………………………………………… 104

6. Stalingrad als Opfergang ………………………………………………………………... 108 6.1 Der Untergang der der 6. Armee ………………………………………………. 111 6.2 Heroisierung …………………………………………………………………… 114

7. „Wiederauferstehung“ und Ende der 6. Armee ………………………………………… 117

8. Resümee ………………………………………………………………………………… 119

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Teil II 9. Die neue kompetenzorientierte Reifeprüfung im Fach Geschichte und Sozialkunde/ Politische Bildung ……………………………………………………………………… 122 9.1 Der Themenpool ……………………………………………………………….. 123 9.2 Kompetenzbereiche der neuen Matura ………………………………………… 124 9.3 Operatoren und Anforderungsbereiche ………………………………………... 125

10. Stalingrad als Themenpool …………………………………………………………….. 128 10.1 Feldpost aus Stalingrad in historischer Reflexion ……………………………. 129 10.2 Beispiel I – Der Angriff - Sturm auf Stalingrad ……………………………… 131 10.3 Beispiel II – Der Kessel - Stalingrad vor Weihnachten ……………………… 133 10.4 Beispiel III – Der Kessel - Stille Nacht in Stalingrad ……………………….. 136 10.5 Beispiel IV – Der Untergang - Das Ende einer Armee ………………………. 139

11. Resümee ……………………………………………………………………………….. 140

12. Quellen- und Literaturverzeichnis ……………………………………………………... 141

Anhang …………………………………………………………………………………….. 153

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Teil I

Einleitung Auf den gleichen Schlachtfeldern, wo bereits 1812 ein Feldherr mit seiner Armee scheiterte, sollte 130 Jahre später die Streitmacht Adolf Hilters, der als vermeintlich größter Feldherr aller Zeiten2 tituliert wurde, ihr Verderben finden. „Napoleon ließ sich bei seinem Feldzug gegen Russland von fehlerhaften strategischen Überlegungen leiten. Für dagegen war die Eroberung von ‚Lebensraum im Osten‘ ein unverzichtbares, weltanschauliches und daher auch ein politisches und militärisches Ziel.“3 Der deutsche Feldzug im Osten gegen die Sowjetunion sollte dementsprechend in der nationalsozialistischen Ideologie ein „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“4 werden, wobei für die deutschen Soldaten die Stadt, die Stalins Namen trug, „‚Stalingrad‘ […], ‚[…] zu einer Art Chiffre‘; aber der Kessel‚ […] ‚erst die Ouvertüre zu einem entsetzlichen Massensterben‘“5 wurde. Die deutschen Truppen waren nämlich von Anfang an in der prekären Situation, den Ostfeldzug mit einer zeitlich befristeten Kraftanstrengung führen zu müssen, denn „[b]ei jeder Abweichung vom Kriegsplan und seinen optimistischen Annahmen drohte ein Dilemma, über das – entgegen bisheriger Generalstabstradition – niemand weiter nachdenken wollte.“6 Für das, was jedoch in Stalingrad geschah, gibt es „[i]n der Geschichte der Kriege und der Kriegskunst […] kein einziges Beispiel […].“7 Die Arbeit besteht im Wesentlichen aus zwei Abschnitten. Im ersten Teil wird der Fokus sowohl auf die militärhistorischen Aspekte als auch auf die Charakterisierung des deutschen Feldzuges im Osten gelegt, die anfänglichen militärischen Erfolge der thematisiert und im Speziellen auf die Lage im Kessel von Stalingrad, sowie Befehle und Weisungen Adolf Hitlers für die Befehlshaber der Truppen in der Stadt an der Wolga und der Entsatzoperation näher eingegangen. Dabei ergibt sich die Fragestellung, ob ein Entsatz der eingeschlossenen deutschen Truppen in Stalingrad unter Miteinbeziehung der Auswirkungen und Folgen des deutschen Vormarsches 1941 bis 1942 überhaupt möglich gewesen wäre, oder die militärische Operation schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt war.

2 Gordon Craig/Karl Heinz Silber, Deutsche Geschichte 1866-1945. Vom Norddeutschen Bund bis zum Ende des Dritten Reiches, München 21980, S. 628. 3 Rafael Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, München 22004, S. 250. 4 Alexander Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, Folgen, 2007, S. 118. 5 Bernd Wegner, zit. in Edgar Hasse, Der letzte Brief aus Stalingrad, Die Welt Online, 26.01.2003, [http://www.welt.de/print-wams/article118182/Der-letzte-Brief-aus-Stalingrad.html], eingesehen 20.02.2014. 6 Rolf-Dieter Müller, Der letzte deutsche Krieg 1939-1945, Stuttgart 2005, S. 90. 7 Anatolij G. Chor’kov, Die sowjetische Gegenoffensive bei Stalingrad, in: Stalingrad Ereignis - Wirkung - Symbol, hrsg. v. Jürgen Förster, München 19932, S. 55-76, hier S. 60. 7

Der zweite Abschnitt thematisiert die Frage nach der fachdidaktischen Tauglichkeit von Feldpostbriefen aus dem Kessel von Stalingrad für die neue standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung im Fach Geschichte, Sozialkunde/Politische Bildung. Mittels Auswertung von Originalquellen in Form vom Funksprüchen, Weisungen und Befehlen aus dem deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion, angefordert und erhalten aus dem Deutschen Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg, sowie der Fachliteratur, erschließen sich in dieser Arbeit Erkenntnisse, die die vermeintlichen militärischen Absichten der Militärs als auch die ideologischen Weisungen und Befehle Adolf Hitlers und seiner Generalität wiedergeben. Wenn im Folgenden allgemein von deutschen Soldaten die Rede ist, werden sowohl die Soldaten der Wehrmacht und (SS) als auch die mit dem Deutschen Reich verbündeten Länder und ihren gestellten Truppenkontingenten angesprochen.

1. Der Beginn von „Barbarossa“ In den Morgenstunden des 22. Juni 1941, um 4 Uhr 15 überschritt die deutsche Wehrmacht die russische Grenze. Der deutsche Feldzug im Osten begann mit dem Passieren der gesamten Demarkationslinie zu Russland und erstreckte sich über 1.600 km von der Ostseeküste bis zu den Karpaten. 153 deutsche Divisionen griffen mit einer Gesamtstärke von 3,2 Millionen Soldaten, darunter 19 Panzer- und 12 motorisierte Divisionen mit 3.600 Panzern, 7.000 Geschützen und 300.000 Kraftfahrzeugen aller Art, an. Das Kontingent der Luftstreitkräfte war mit 2.770 Kampfflugzeugen, 1.085 Bombern und 720 Aufklärern für den Einsatz an der Ostfront bereitgestellt.8 Eine deutsche Infanteriedivision hatte bei Beginn von „Barbarossa“ eine Sollstärke von 16.000 bis 20.000 Soldaten. Im Herbst 1942 besaß eine deutsche Panzerdivision eine Schlagkraft von 150 bis 225 Kampfpanzern und 120 bis 125 Schützenpanzern.9 Zusätzlich waren noch ein Fremdkontingent von 600.000 Soldaten aus den mit dem Deutschen Reich verbündeten Ländern Italien, Rumänien, Finnland, Slowakei und Ungarn am Feldzug im Osten beteiligt.10 Im Verlauf des Ostfeldzuges wurde das deutsche Heer zusätzlich mit Freiwilligenverbänden aus west- und nordeuropäischen Staaten sowie dem Balkangebiet verstärkt.11 „Die [deutsche] Heeresführung […] trug sich in der Überzeugung, der

8 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118. 9 Janusz Piekalkiewicz, Stalingrad: Anatomie einer Schlacht, München 1977, S. 457. 10 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118. 11 Jost Dülffer, Jalta, 4. Februar 1945. Der Zweite Weltkrieg und die Entstehung einer Bipolaren Welt (20 Tage im 20. Jahrhundert), München 1998, S. 88. 8

Waffengang werde in einem ‚Blitzkrieg‘ noch vor Einbruch des Winters den ‚russischen Bären‘ in die Knie zwingen.“12 Im Vergleich zur Wehrmacht hatte die Rote Armee beim Beginn von „Barbarossa“ 80% der Truppen einsatzbereit13, und wies beim deutschen Angriff ein Kontingent von 5 Millionen Soldaten, 20.000 Panzern, 11.000 Flugzeugen14 und 35.000 Geschützen15 auf. Das russische Heer war in fünf „Fronten“ unterteilt, wobei eine Front kräftemäßig mit einer deutschen Heeresgruppe gleichzusetzen war. Jedoch waren im sowjetischen Aufmarschplan keine konkreten Offensivaktionen der eigenen Truppen festgesetzt16 und im Juni 1941 nur ein Teil der russischen Kräfte an den Grenzen zu Deutschland stationiert.17 Die Wehrmacht hingegen war an der Ostfront in drei große Verbände gegliedert. Der Auftrag der Heeresgruppe Nord war es, nach Nordosten in Richtung Leningrad anzugreifen. Die Heeresgruppe Mitte sollte auf die russische Hauptstadt Moskau vorstoßen und die Ziele der Heeresgruppe Süd waren die Ukraine und die Krim, um „[…] dabei die wichtigen Kohle- und Erzlagerstätten im Donezkbecken, die Ölquellen im Kaukasus und den ‚Brotkorb der Sowjetunion‘ […]“18 zu erobern.19

1.1 Angriff ohne Kriegserklärung Der Angriff auf die Sowjetunion erfolgte überfallsmäßig, ohne Vorwarnung und ohne direkte Kriegserklärung.20 Propagandaminister Joseph Goebbels gab am 22. Juni um 5 Uhr 30 via Rundfunk die Proklamation des „Führers“ wieder21, welche bis zum Abend wörtlich in jeder großen Zeitung weltweit abgedruckt wurde22: „Deutsches Volk! In diesem Augenblick vollzieht sich ein Aufmarsch, der in Ausdehnung und Umfang der größte ist, den die Welt bisher gesehen hat. […] Von Ostpreußen bis zu den Karpaten […] bis zu den Gestaden des Schwarzen Meeres […]. Ich habe mich […] heute entschlossen, das Schicksal und die Zukunft des Deutschen Reiches und unseres Volkes wieder in die Hand unserer Soldaten zu legen.“23

12 Torsten Diedrich, Paulus. Das Trauma von Stalingrad. Eine Biographie, Paderborn u.a. 2008, S. 180. 13 Raymond Cartier, Der Zweite Weltkrieg, Bd. 1, München 1967, S. 300. 14 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118. 15 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 255. 16 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 300. 17 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118. 18 Ebd., S. 118. 19 Ebd., S. 118-119. 20 Wolfram Wette, Die Propagandistische Begleitmusik zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, in: Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion „Unternehmen Barbarossa“ 1941, hrsg. v. Gerd Ueberschär/Wolfram Wette, am Main 1991, S. 45-67, hier S. 51. 21 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 308. 22 Wette, Die Propagandistische Begleitmusik zum deutschen Überfall, S. 51. 23 Proklamation des Führers an das Deutsche Volk und die Note des Auswärtigen Amtes an die Sowjetregierung nebst Anlagen, o.D., o.O., S. 13, [https://archive.org/details/ProklamationDesFhrersAnDasDeutscheVolkUnd NoteDesAuswrtigenAmtes], eingesehen 12.04.2014. 9

Die Sowjetunion und die Bevölkerung des Deutschen Reichs waren auf den deutschen Vormarsch nicht vorbereitet. Die Rechtfertigung für den eigentlichen Angriffskrieg gegen Russland wurde unter der Propagandaformel eines Präventivkrieges deklariert. Die Ummünzung erfolgte mit der Verbreitung der Meldung, dass russische Kräfte entgegen den Vereinbarungen des Hitler-Stalin Paktes, in großer Zahl an der deutsch-russischen Grenze aufmarschiert waren und Deutschland mit einem gerechtfertigten Verteidigungskrieg einem sowjetischen Angriff zuvor gekommen wäre.24 Erst drei Stunden nach dem Überfall erfolgte eine „offizielle“ Kriegserklärung durch den Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop an die Sowjetunion. Die offizielle Note des deutschen Auswärtigen Amtes an die sowjetische Führung lautete25: „Entgegen allen von ihr übernommenen Verpflichtungen und im krassen Gegensatz zu ihrer feierlichen Erklärungen hat die Sowjetregierung sich gegen Deutschland gewandt [und ist] mit ihren gesamten Streitkräften an der deutschen Grenze sprungbereit aufmarschiert. Damit hat die Sowjetregierung die Verträge und Vereinbarungen mit Deutschland verraten und gebrochen.“26

Stalin ließ sein Volk zwölf Tage im Ungewissen. Erst am 3. Juli zeigte der russische Diktator eine erste Reaktion auf den deutschen Angriff und rief um 6 Uhr 30 in einer Radioansprache sein Volk zum Widerstand gegen die Angreifer auf.27 Die russische münzte das Geschichtsbild des gegen Napoleon 1812 geschlagenen s.g. „Vaterländischen Krieges“, jetzt auf Deutschland, und den nun lautenden „Großen Vaterländischen Krieg“, um.28 Mit Fanfarenklängen untermalt, ertönten die ersten Sondermeldungen zur Lage und zum Angriff auf die Sowjetunion aus dem deutschen Rundfunk: „Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: Zur Abwehr der drohenden Gefahr aus dem Osten ist die deutsche Wehrmacht am 22. Juni, 3 Uhr früh, mitten in den gewaltigen Aufmarsch der feindliche Kräfte hineingestoßen.“29

1.2 Vernichtungskrieg im „Operationsgebiet“ Die Weisung Nr. 21, der „Fall Barbarossa“, enthielt neben der militärischen Planung die schriftliche Anordnung zum Führen eines Vernichtungskrieges in den

24 Wette, Die Propagandistische Begleitmusik zum deutschen Überfall, S. 50-51. 25 Ebd., S. 51. 26 Proklamation des Führers an das Deutsche Volk und die Note des Auswärtigen Amtes an die Sowjetregierung nebst Anlagen, o.D., o.O., S. 30, [https://archive.org/details/ProklamationDesFhrersAnDasDeutscheVolkUnd NoteDesAuswrtigenAmtes], eingesehen 12.04.2014. 27 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 308. 28 Karl-Volker Neugebauer, Größenwahn und Untergang. Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, in: Grundkurs deutsche Militärgeschichte, Bd. 2, Das Zeitalter der Weltkriege. Völker in Waffen, hrsg. v. Karl-Volker Neugebauer, München 2007, S. 296-438, hier S. 383. 29 Bernt Engelmann, Bis alles in Scherben fällt. Wie wir die Nazizeit erlebten 1939-1945, Köln 1983, S. 198. 10 s.g. „Operationsgebieten“ der Ostfront.30 Die deutsche Führung kam gemäß ihrer Ideologie zu dem Schluss, „[a]uch wenn der Feldzug von kurzer Dauer sein würde, wäre es besser, […] die Umsetzung der ideologischen Ziele nicht auf nach Beendigung der Kampfhandlungen zu verschieben.“31 Dem deutschen Heer wurde nun vorgegeben, wie der Krieg gegen die Sowjetunion im Allgemeinen wie im Speziellen, im Hinterland zu führen sei.32 Die deutschen Generäle wussten, dass die Versorgungsgüter bei einer Verlängerung der geplanten Einsatzdauer des Ostfeldzuges nicht mehr für die Truppe bereitgestellt werden konnten. Auf Grund dessen sollten die Rohstoffe und Ressourcen aus den eroberten Ländern, ohne das Schicksal der dort ansässigen Bevölkerung in Betracht zu ziehen, für die eigene Kriegswirtschaft dienen.33 Bereits vor Beginn des Ostfeldzuges, im Jänner 1941, plante die deutsche Führung, Kriegsgefangene, die aus den von der Sowjetunion selbst unterdrückten und besetzten Gebieten wie bspw. der Ukraine stammten, als Arbeitskräfte in der Kriegswirtschaft, auch unter Zwang, einzusetzen und nach dem erwarteten „Blitzkriegsieg“ wieder zu entlassen. Dadurch sollte die Unterstützung der Bevölkerung für die Besatzer und gleichzeitig eine Entlastung der eigenen deutschen Kräfte erreicht werden. Der deutsche Vormarsch besaß jedoch oberste Priorität, selbst wenn die für den Arbeitseinsatz benötigten Kriegsgefangenen an Krankheiten und Erschöpfung starben.34 Mit der Begründung einen Weltanschauungskrieg zu führen, wurde der völkerrechtswidrige Umgang mit Kriegsgefangenen vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) gerechtfertigt.35 Denn der „[d]er Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbittlichen völkischen Idee […]“36 Neben der militärstrategischen Komponente des Feldzuges lagen der Eroberung des europäischen Teils der Sowjetunion, der den Deutschen später als s.g. „Lebensraum im Osten“ dienen sollte, nationalsozialistische-rasseideologische Parameter zu Grunde.37„Anders als die militärischen Operationen im Westen war der Ostfeldzug, vom Oberkommando ‚Barbarossa‘ genannt, von Anfang an als ideologischer Weltanschauungs- und rassenbiologischer Vernichtungskrieg

30 Müller, Der letzte deutsche Krieg, S. 91. 31 Ebd., S. 91. 32 Ebd., S. 91. 33 Ebd., S. 90. 34 Ebd., S. 94. 35 Ebd., S. 94. 36 Tagesbefehl zum Verhalten der Truppe im Ostraum, 10.10.1941. BArch, RH 20-6/493, fol. 169. 37 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117. 11 konzipiert.“38 Mit dem Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtbarkeit im Bereich „Barbarossa“ vom 13. Mai 194139 waren die deutschen Soldaten von allen Unterwerfungen unter Völkerrechtsnormen und Kriegsordnungen befreit. Jegliche Willkürhandlungen und Kriegsverbrechen gegen die sowjetische Bevölkerung waren den deutschen Soldaten damit erlaubt und ein verschärftes Vorgehen gegen russische Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden und Kriegsgefangene wurde von den deutschen Landsern sogar gefordert.40 „Das entscheidende Ziel Hitlers und der Wehrmachtsführung war, die nationalsozialistische Weltanschauung der Landser zu festigen und durch die Autorität des Führers eventuell bestehende ethnische Hemmungen abzubauen.“41 Der zusätzlich zum Erlass der Gerichtsbarkeit verordnete „Kommissarbefehl“ vom 6. Juni 1941, mit der per Weisung alle gefangen genommenen politischen Kommissare der Sowjettruppen „[…] unmittelbar mit der Waffe zu erledigen“42 seien, animierte die deutschen Soldaten zum bewussten Mord, und stiftete so auch die Wehrmacht zur Durchführung von Kriegsverbrechen ohne Repressalien an.43 Die Heeresführung gewährte der SS Eigenständigkeit im Operationsgebiet und „[…] vertraute darauf, durch eine Arbeitsteilung mit Himmler die ‚Schmutzarbeit‘ vor allem von der SS durchführen zu lassen […].“44 Mit dem Beginn des Feldzuges gegen Russland weitete sich der Terror gegen Juden und die sowjetische Führungsschicht durch die vom Reichsführer SS, Oberbefehlshaber Heinrich Himmler, bereitgestellten „Einsatzgruppen“ im Osten aus.45 Zu den Einsatzgruppen zählten neben der Sicherheitspolizei und dem Sicherheitsdienst (SD) auch speziell formierte Gruppierungen von Waffen-SS und Ordnungspolizei, die den Höheren SS- und Polizeiführern (HSSPF) unterstellt waren, die die Aufträge zum bewussten Mord gaben und die Terrormaschinerie steuerten.46 Angehörige des deutschen Heeres „[…] beteiligten sich an den Mordtaten gegen die Zivilbevölkerung, sicherten die Erschießungsstätten ab, brannten ganze Dörfer nieder, raubten den Bauern Lebensmittel, vergewaltigten Frauen und fotografierten zuhauf die

38 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117. 39 Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet "Barbarossa", 13.5.1941. BArch, RW 4/v. 577, Bl. 72. 40 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117. 41 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 252. 42 Richtlinien über die Behandlung politischer Kommissare, 6.6.1941. BArch, RW 4/578, Bl. 42. 43 Müller, Der letzte deutsche Krieg, S. 96. 44 Ebd., S. 96. 45 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117. 46 Michael Wildt, Krieg und Besatzung in Ost- und Westeuropa, in: Informationen zur politischen Bildung (3/2012), Heft 316, S. 16-32, hier S. 28. 12

Hinrichtungen angeblicher Partisanen.“47 Allein über 500.000 Menschen jüdischen Glaubens fielen bis April 1942 in den von der Wehrmacht bis dato besetzten Gebieten den SS Einsatzgruppen A, B, C und D zum Opfer.48 Vom Standpunkt der SS- als auch der Wehrmachtsführung wurden dadurch überschüssige Verpflegungsteilnehmer und gleichzeitig das „Sicherheitsproblem“ für die deutschen Truppen im Ostraum beseitigt.49

2. Die Stationen des deutschen Vormarsches 1941-42 Das Überraschungsmoment war zu Beginn des Überfalles auf die Sowjetunion auf der Seite der deutschen Truppen50, denn die russischen Verbände waren auf diesen unvorhersehbaren deutschen Angriff nicht eingestellt.51 Gemäß der damaligen russischen Militärdoktrin standen zwar für den Kampf gerüstete Truppenverbände direkt an der Grenze52, doch „[v]iele Einheiten befanden sich in weit von der Grenze entfernten Garnisonen und lebten weiter, als ob tiefster Frieden herrsche.“53 Mit dem Einsatz von 500 Bombern, 270 Sturzkampfbombern und 480 Jagdflugzeugen wurde die Lufthoheit von der deutschen errungen und nach schwerem Artilleriebeschuss auf die russischen Stellungen drangen die deutschen Verbände mit ihren motorisierten und infanteristischen Kräften voran.54 Die angewandte Blitzkriegtaktik der Wehrmacht war, wie in den vergangenen Feldzügen, erfolgreich und die Truppenverbände der drei Heeresgruppen stießen zügig in den russischen Raum vor.55 Der Grundgedanke der Wehrmachtsführung war die militärische Aufgabe, „[…] die sowjetischen Armeen in einer massiven Serie von Einkesselungen zu stellen und zu vernichten, indem man sie bis zum Dnjepr und zur Drina zurücktrieb […]“56, sowie die feindlichen Großstädte zu erobern und den Krieg auf diese Weise zu beenden.57 In den ersten zwei Tagen hatte die Rote Armee bereits 2.800 Flugzeuge am Boden und im Luftkampf verloren, die deutschen Luftstreitkräfte dagegen nur 150. Die deutsche Luftwaffe flog, wie schon seit Kriegsbeginn, auch Bombenangriffe auf größere Städte der Ostfront im Raum von Bialystok bis Tallin und Riga bis Kiew.58 Die Panzerverbände und motorisierten

47 Wildt, Krieg und Besatzung in Ost- und Westeuropa, S. 29. 48 Müller, Der letzte deutsche Krieg, S. 97. 49 Wildt, Krieg und Besatzung in Ost- und Westeuropa, S. 29. 50 Peter Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, München 21974, S. 86. 51 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120. 52 Dülffer, Der Zweite Weltkrieg und die Entstehung einer Bipolaren Welt, S. 87. 53 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 302. 54 Richard Evans, Das Dritte Reich, Bd. 3: Krieg, München 2009, S. 230-231. 55 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120. 56 Evans, Das Dritte Reich, S. 230. 57 Rolf-Dieter Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945 (Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte Bd. 21.), Stuttgart 102011, S. 115. 58 Evans, Das Dritte Reich, S. 231. 13

Truppen der Wehrmacht rückten täglich um 80 km vor. Ein taktischer Marschhalt wurde nur zum Auftanken oder zur endgültigen Zerschlagung der Feindkräfte durchgeführt.59 Zu diesem Zeitpunkt waren „[d]ie Ausfälle durch schlechte Straßen und den Staub […] höher als diejenigen durch Gefechte.“60 Mit einem Marschgepäck von 25 kg und Gewaltmärschen von 30 km pro Tag versuchten die Infanteriedivisionen der Wehrmacht mit den mechanisierten Verbänden Schritt zu halten. Die russische Landschaft, die die Landser bei ihren Märschen durchquerten, war durch die vorausgegangenen Gefechte durch tote russische Soldaten, Tierkadaver und ausgebrannte Panzer gezeichnet.61

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59 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120. 60 Ebd., S. 120. 61 Ebd., S. 120. 62 Frontverlauf Ostfront 22. Juni 1941- 9. Juli 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/ Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung. 14

3000 russische Geschütze und 6000 Panzer waren bis Mitte Juli 1941 in deutsche Hände gefallen oder im Kampf vernichtet worden. Von den 164 Divisionen der Roten Armee waren zu diesem Zeitpunkt 89 Divisionen aufgerieben und 600.000 russische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten.63 „Diese deutschen Siege waren jedoch nicht allein das Ergebnis der Tapferkeit der Soldaten und der Entschlossenheit der militärischen und politischen Führung. Im Krieg ist man nur so gut, wie der Gegner schlecht ist“64, denn ein Großteil der russischen Kommandeure reagierte auf den deutschen Angriff panikerfüllt, überhaupt nicht, oder größtenteils falsch, wodurch die Schlag- und Widerstandskraft der russischen Verbände in den Anfangswochen stark geschwächt wurde.65

2.1 „Führer befiehl, wir folgen dir!“ Die anfänglichen Erfolge der deutschen Truppen ließen wochen- und monatelang den eigens für den Feldzug im Osten komponierten Russlandmarsch mit inkludiertem Liedtext aus den Lautsprechern ertönen66 und die Landser sangen in Siegesstimmung67:

„Den Marsch von Horst Wessel begonnen im braunen Gewand der SA vollenden die grauen Kolonnen, die große Stunde ist da!

Von Finnland bis zum Schwarzen Meer vorwärts! vorwärts! Vorwärts nach Osten, du stürmend Heer! Freiheit das Ziel, Sieg das Panier! Führer befiehl, wir folgen dir!

Nun stürmen nach Osten die Heere ins russische Land hinein, Kameraden, nun an die Gewehre, Der Sieg wird unser sein!

Von Finnland bis zum Schwarzen Meer vorwärts! vorwärts! Vorwärts nach Osten, du stürmend Heer! Freiheit das Ziel, Sieg das Panier! Führer befiehl, wir folgen dir!“68

63 Evans, Das Dritte Reich, S. 231. 64 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 255. 65 Ebd., S. 256. 66 Georg Walther Heyer, Die Fahne ist mehr als der Tod. Lieder der Nazizeit, München 1981, S. 123. 67 Jürgen Schebera, „Die Rote Front, schlagt sie zu Brei“: nationalsozialistische Kampflieder – ein kurzer Überblick, in: Das „Dritte Reich“ und die Musik, hrsg. v. Stiftung Schloss Neuhardenberg, Berlin 2006, S. 154-161, hier S. 158. 68 Heyer, Lieder der Nazizeit, S. 123. 15

Das Russlandlied sollte eines der letzten Lieder über einen Kriegsschauplatz der deutschen Truppen werden, da die spätere militärische Lage nur wenige Anlass zu Neukompositionen gab.69

2.2 Der Vorstoß nach Smolensk Die erklärte Absicht der Heeresgruppe Mitte, die unbedingte Einnahme der Stadt Smolensk, hatte ihren Ursprung in der Geschichte vorangegangener Invasionen und Feldzüge gegen Russland. Allen Angreifern, deren Ziel Moskau darstellte, diente Smolensk als Marschhalt für die abgekämpften Truppen und idealer Platz für einen weiteren Vorstoß in den russischen Raum.70 Mit Beginn von „Barbarossa“ marschierten die Verbände der Heeresgruppe in einer Zangenbewegung von Ostpreußen und Polen ausgehend, in Richtung Weißrussland in das Gebiet um Bialystok und Gorodischtsche ein. Die deutsche Angriffsstrategie war erfolgreich. Die Panzerspitzen der 2. und 3. deutschen Panzergruppe trafen am 29. Juni westlich von Minsk aufeinander und stießen, noch bevor die Stadt in deutsche Hände fiel, weiter in Richtung Smolensk vor. Unter der Führung der Generäle und griffen die deutschen Truppen gemäß des Auftrages weiter über den Fluss Beresina71, in Richtung Witebsk, und zum Fluss Dnjepr an.72 In den zwei Kesseln von Bialystok und Minsk kapitulierten am 9. Juli 1941 43 sowjetische Divisionen.73 300.000 russische Soldaten gingen in deutsche Kriegsgefangenschaft und 2.500 Panzer der Roten Armee wurden vernichtet.74 Der deutsche Vormarsch Richtung Moskau verlief von Anfang an nach Plan. Die „[…] Truppen hatten das Gefühl, unbesiegbar zu sein, […] denn man war Sieger und marschierte gegen Moskau.“75 Die Beschaffenheit der russischen Steppe war zu diesem Zeitpunkt der Hauptgegner der deutschen Panzer und Maschinen. Der beim Vorstoß aufgewirbelte Staub setzte sich fest, verstopfte Vergaser und verschliss die Motoren. Technische Ausfälle häuften sich zunehmend, Ersatz war keiner in Sicht. Jeder motorentechnisch ausgefallene Panzer riss somit ein Loch in die angreifenden Panzerdivisionen und verringerte die Schlagkraft.76

69 Heyer, Lieder der Nazizeit, S. 123. 70 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 314. 71 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86. 72 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 314. 73 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120. 74 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86-87. 75 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 314. 76 Ebd., S. 315. 16

Auf Grund der schnellen Vorstöße der deutschen Panzertruppen befand sich ein Gros der Infanteriedivisionen zwischen Minsk und dem Dnjepr. Guderian stand daher vor der Entscheidung, entweder über den Fluss weiter vorzumarschieren oder aber auf die Infanterie zu warten, was jedoch eine Verzögerung des Vorstoßes um zwei Wochen nach sich gezogen hätte. Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Günther von Kluge, wollte Guderian an der als zu riskant bewerteten Überschreitung des Dnjepr hindern. Einerseits drohte bei einem zu schnellen Vorgehen und der eigenen Überschätzung der Kräfte eine Einkesselung durch russische Truppen, andererseits konnten sich bei einem Ausharren der Deutschen in der Stellung am Dnjepr die Verbände der Roten Armee währenddessen neu formieren.77 Guderian, der sich gegen eine Verzögerung aussprach, verweigerte indirekt von Kluges Befehle, „[…] indem er behauptete, seine Eile entspreche den Absichten des Führers, der den Krieg in Rußland vor Winteranbruch beendet wissen wolle.“78 Die deutschen Panzertruppen überschritten daraufhin mit nur geringen Verlusten den Dnjepr, überrannten am 12. Juli Orscha und schlossen das Dorf Mogilew ein. Eine Bresche von 100 km Breite war erfolgreich geschlagen worden. 79 Der schnelle Vorstoß bewahrheitete die vom Oberkommando der Heeresgruppe befürchteten Versuche einer Einkesselung von Guderians weit vorangeschrittenen Panzerspitzen. Der kommandierende russische Befehlshaber am Dnjepr, Timoschenko, befahl den neu formierten 20 Divisionen der Roten Armee aus dem Raum um Gomel, eine Gegenoffensive an der Flanke der deutschen Angreifer zu starten. Während die 4. Panzerdivision gemeinsam mit der einzigen Kavalleriedivision in der gesamten Wehrmacht die russischen Kräfte an dem bedrohten Abschnitt binden und so die befürchtete Einkesselung der Panzerspitzen abwehren konnten, stießen Guderians Truppen weiter ostwärts vor. Die 3. Panzerdivision kesselte Roslawl ein und am 16. Juli erreichte die 29. motorisierte Smolensk.80 General Hoth führte nördlich von Guderian seinen Angriff mit der selben Schlagkraft und Schnelligkeit. Seine Truppen überquerten den Fluss Düna, nahmen Witebsk ein und stießen von Norden hinter Smolensk herab. Bei Dorogobusch wurde der Kessel um Smolensk mit dem Durchbruch der 17. Panzerdivision und SS-Division „Das Reich“81 endgültig am 24. Juli geschlossen.82

77 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 315. 78 Ebd., S. 315. 79 Ebd., S. 315. 80 Ebd., S. 315-316. 81 Ebd., S. 316. 82 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120. 17

Im Kessel von Smolensk kapitulierten 300.000 russische Soldaten, an Material verlor die Rote Armee 3.200 Panzer und 3.000 Geschütze.83 „Der Verlust dieser Stadt stellte für Moskau eine ernste Bedrohung dar […].“84 Mit der Einnahme von Jelnja östlich von Smolensk durch die 10. Panzerdivision und die weiter vorangestoßene SS-Division „Das Reich“ begann der erste Halt der Panzertruppen seit Beginn des Feldzuges auf Befehl des „Führers“. Hitler verbot ab diesem Zeitpunkt zu große, risikoreiche Vormärsche und Einkesselungen, die ohne Infanterieunterstützung durchgeführt werden sollten und forderte ein gemeinsames Vorgehen der Panzertruppen mit der Infanterie. Das gewonnene Gebiet im Raum um Smolensk sollte nun von den deutschen Truppen gegen die Gegen- und Wiedereroberungsangriffe der Roten Armee gehalten und die restlichen verstreuten und eingeschlossenen sowjetischen Kräfte aufgerieben werden.85 Auf Stalins Befehl wurde östlich von Smolensk ein Kontingent von 42 Divisionen aufgestellt, um die 400 km entfernte russische Hauptstadt vor dem deutschen Vormarsch zu schützen.86 Der sowjetische Widerstand in den Kesseln von Mogilew, Roslawl und Smolensk erlosch endgültig am 5. August 1941. 650.000 russische Soldaten gerieten in deutschen Gewahrsam. Somit war der Weg für die deutschen Truppen, weiter nach Süden zur Verstärkung der Heeresgruppe Süd, die auf ukrainischem Gebiet operierte um in Richtung Kiew vorstoßen, frei.87 Das Ziel war nunmehr die wirtschaftlichen Interessensphären in den Gebieten, die im Hitler-Stalin Pakt zuvor der Sowjetunion überlassen worden waren, zu erobern.88

2.3 Weisung Nr. 33 und 34 Am 19. Juli 1941 traf ein schriftliches Diktat aus dem „Führerhauptquartier“ bei Rastenburg in Ostpreußen, der Wolfsschanze, die Weisung Nr. 33, beim Kommandostab der Wehrmacht, den Generälen Walther von Brauchitsch und ein. Der Kern der Weisung befahl, bei der Heeresgruppe Mitte eine Truppenreduzierung durchzuführen. Die Dislokationsveränderung der deutschen Soldaten sollte einerseits Panzertruppen zur Heeresgruppe Nord und andererseits Streitkräfte zur Heeresgruppe Süd verschieben. „Hitler blieb seinen vorgefaßten Ideen treu und […]“89 maß der Eroberung von Moskau von nun an

83 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120-121. 84 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 316. 85 Ebd., S. 316. 86 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120. 87 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 317. 88 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 121. 89 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 330. 18 nur mehr tertiäre Bedeutung bei. Das Hauptaugenmerk lag nun auf der Eroberung der Ukraine und Leningrads.90 Am 30. Juli widerrief Hitler teilweise seinen ersten Befehl und revidierte somit seine Entscheidung, größere Panzerverbände abzugeben mit der Weisung Nr. 34. Der Heeresgruppe Mitte blieben ihre Panzer somit erhalten. Statt der Truppenabgabe wurde ein taktischer Marschhalt angeordnet, bei dem die Verbindungswege wieder hergestellt und Fahrzeuge von neuem kampf- und marschbereit gebracht werden sollten.91 Am 4. August traf Hitler an der Ostfront im Hauptquartier des Generalfeldmarschalls Fedor von Bock in Nowy Borissow ein, um sich bei seinen Generälen Strauß, Kluge, Weichs, Guderian und Hoth zu erkundigen, welches militärische Ziel diese primär angreifen würden. Deren Absicht lautete einstimmig, ein Angriff auf Moskau. Hitler tendierte jedoch dazu, wie er in der Weisung Nr. 33 verlautbaren ließ, zuerst Leningrad zu erobern, um den russische Einfluss an der Ostsee zu unterbinden und die Erzlieferung aus Schweden abzusichern. Zeitgleich wäre der Sowjetunion somit die „Waffenschmiede“ des Landes abhanden gekommen.92 General Guderian schrieb zur Lagebesprechung: „Ob sodann Moskau oder die Ukraine erstrebt werden sollte, wurde noch nicht endgültig entschieden. Hitler schien der letzteren Lösung zuzuneigen, weil sich jetzt auch bei der Heeresgruppe ‚Süd‘ ein Erfolg anzubahnen schien, weil er ferner glaubte, die Rohstoffe und Lebensmittel der Ukraine für die weitere Kriegführung nötig zu haben, und schließlich, weil er glaubte, die Halbinsel Krim als ‚Flugzeugträger der Sowjetunion gegen die Erdölfelder Rumäniens‘ ausschalten zu müssen. Bis zum Einbruch des Winters hoffte er im Besitz von Moskau und Charkow zu sein.“ 93

Ein verbindlicher Entschluss wurde an diesem Tag von Hitler und seiner Generalität nicht gefasst.94 Die Weisung Nr. 34 wurde am 12. August 1941 in Teilbereichen abgewandelt. Die Heeresgruppe Mitte sollte mit ihren nördlich operierenden Verbänden so weit vorstoßen, dass der Angriff der Heeresgruppe Nord auf Leningrad an der Flanke gedeckt und somit sichergestellt werden konnte. Am 23. August traf der Generalstabschef Halder, wie zuvor Hitler, in Nowy Borissow ein und informierte die deutsche Führung an der Ostfront über Hitlers finale Absicht. Hitlers Entschluss war nicht Leningrad, und auch nicht Moskau.95 Das Angriffsziel lautete Ukraine. Hitlers Generäle an der Ostfront erkannten mit der getroffenen

90 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 330. 91 Ebd., S. 331. 92 Ebd., S. 331. 93 Heinz Guderian, Erinnerungen eines Soldaten, Wels 31952, S. 179. 94 Ebd., S. 179. 95 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 332. 19

Entscheidung des „Führers“, dass für den Russlandfeldzug das „[…] Fallenlassen Moskaus […] einen Winterfeldzug [bedeutete].“96 Guderian bekam von Brauchitsch die Zustimmung, Hitler darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Entschluss ein Fehler sei. Nach dem Lagevortrag von Guderian und Hitler selbst, ließ Hitler über das primäre Angriffsziel abstimmen. Die kadavertreuen Generäle des OKW, wie bspw. Wilhelm Keitel und , stimmten, wie Hitler es hören wollte97: „Zuerst die Ukraine.“98

2.3.1 Die Eroberung der Ukraine Die Heeresgruppe Süd, unter der Führung von Generalfeldmarschall von Rundstedt, musste sich an der Ostfront gegen die Verteidigungsstellungen der Stalinlinie99 und den härtesten russischen Widerstand behaupten.100Nach den ersten siegreichen Vorstößen der 1. Panzergruppe erfolgte am 10. Juli eine Gegenoffensive der 5. russischen Armee. Der Gegenschlag konnte von den Wehrmachtssoldaten abgewiesen werden und die deutschen Panzer stießen im Gegenzug bis auf 16 km vor die Stadt Kiew vor.101 Dabei fielen die landwirtschaftlichen und industriellen Gebiete der Ukraine an die Deutschen.102 Die Taktik der deutschen Verbände war, rasch „[…] möglichst große Verbände der roten Armee einzukesseln und diese zu vernichten, ehe sich diese in die Weite des russischen Raumes zurückziehen konnten.“103 Die Reste der sich im Rückzug befindenden abgewehrten 5. Sowjetarmee bedrohten nämlich immer noch die Nordflanke der deutschen Truppen.104 Teile der Heeresgruppe Mitte sollten in den Raum vor Kiew vorstoßen, um die russischen Truppen an der bedrohten Front zu zerschlagen und sich mit der nach Norden vorrückenden 1. Panzergruppe zu vereinen.105 Nachdem der sowjetische Widerstand im Umankessel erloschen war, 100.000 russische Soldaten kapitulierten, 300 Panzer vernichtet worden waren und 900 Geschütze an die deutschen Angreifer gefallen waren106, ermöglichte dies der Heeresgruppe Süd einen Vorstoß nach Dnjeprpetrowsk und die Bildung eines Brückenkopfes in Richtung Krementschug. Zeitgleich begannen die Truppen der Heeresgruppe Mitte ihre Offensive nach Süden über Gomel und Starodub. Ein Gegenangriff der Roten Armee bei

96 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 332. 97 Ebd., S. 332. 98 Ebd., S. 333. 99 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122. 100 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86. 101 Ebd., S. 86. 102 Evans, Das Dritte Reich, S. 231. 103 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122. 104 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86. 105 Ebd., S. 86. 106 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122. 20

Gomel konnte von den Wehrmachtstruppen abgewiesen werden und der deutsche Angriff brach bis nach Krementschug, ohne von den verfügbaren russischen Kräften weiter aufgehalten werden zu können, durch. Eine Vereinigung der Truppen der beiden deutschen Heeresgruppen erfolgte am 12. September östlich von Kiew bei Lochwiza. Durch die entstandene Zangenbewegung wurden 500.000 Mann der sowjetischen 5. und 37. Armee gefangen.107 Kiew fiel am 19. September in die Hände der Wehrmachtstruppen und am 26. September 1941 war die Kesselschlacht um die ukrainische Hauptstadt mit der Kapitulation von 665.000 russischen Soldaten endgültig entschieden. Zusätzlich erbeuteten die deutschen Truppen 900 russische Panzer und 3.700 Geschütze. Mit dem militärischen Erfolg der Truppen von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt brach der Widerstand der Roten Armee an der Südostfront vorübergehend zusammen.108

109

107 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86. 108 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122. 109 Frontverlauf Ostfront 9. Juli 1941 - 9. September 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/ commons/d/dd/ Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung. 21

Die Eroberung der „Kornkammer Europas“ war von militärischer, psychologischer und ökonomischen Bedeutung für die deutschen Invasoren, denn die für die deutsche Kriegswirtschaft so wichtigen Rohstoffe und Ressourcen110 der „[…] Ukraine befand[en] sich nun fest in der Hand der Wehrmacht, und das OKW hoffte, noch vor Einbruch des Winters den Kaukasus zu erreichen.“111

2.3.2 Marsch auf Leningrad Die Heeresgruppe Nord begann, gemäß des Planes „Barbarossa“, den Marsch über das Baltikum in Richtung Leningrad. Unter der Führung von Wilhelm Ritter von Leeb war das Ziel der deutschen Truppen, die Ostseehäfen der russischen Marine unter deutsche Kontrolle zu bringen. Diese Vorgangsweise sollte die Vorrausetzungen dafür schaffen, Leningrad zu erobern und dort die Vorbereitungen für einen Angriff auf Moskau von Norden aus durchzuführen. Leningrad war zudem komplementär zum strategischen Nutzen für den weiteren Vormarsch. Die Einnahme der zweitgrößten Stadt der Sowjetunion war für Hitler wegen seiner persönlichen ideologischen Denkweise äußerst wichtig, da er dort den Ursprung des Kommunismus sah.112 Die finnische Armee beteiligte sich am Angriff der Wehrmacht. Die finnische Führung wollte die im Winterkrieg mit der Sowjetunion 1939/40 verlorenen Gebiete zurückerobern. Im Norden stießen die finnischen Verbündeten bis zu den alten Grenzen vor113 und schnitten den Weg zum Hafen von Murmansk ab. Weiter südlich erreichten, nach der Eroberung von Lettland, Litauen und Teilen Estlands114, 42 deutschen Divisionen115 der Heeresgruppe Nord am 15. und 16. August 1941 Schlüsselburg und Nowgorod. Leningrad war ab diesem Zeitpunkt die Landverbindung zu russischen Einheiten abgeschnitten und die Stadt de facto eingekesselt. Die Wehrmacht begann mit starkem Artilleriebeschuss sowie Bombardements und stand nun vor dem direkten Vorstoß nach Norden auf Leningrad.116 Wie schon bei Smolensk kam jedoch der Führerbefehl zum Marschhalt vor der Stadt, mit der Weisung, Leningrad, im Gegensatz zum militärisch-strategischen Nutzen, nicht zu erobern, sondern zu belagern und die russische Bevölkerung und militärischen Einheiten von 30 sowjetischen

110 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 258. 111 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122. 112 Ebd., S. 124. 113 Ebd., S. 124. 114 Evans, Das Dritte Reich, S. 231. 115 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 124. 116 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86. 22

Divisionen in der Stadt durch Aushungern physisch zu vernichten, um Leningrad ohne größere deutschen Verluste einnehmen zu können.117

2.3.3 900 Tage Belagerung Die Nahrungsvorräte innerhalb Leningrads reichten nur für einen Monat. Bereits ab Oktober 1941 litt die Bevölkerung an Hunger, und im Winter begann das Massensterben.118 Wegen des Belagerungsringes um die Stadt konnten deren Bewohner nur noch unzureichend aus der Luft, oder mit Schiffstransporten über den Ladoga-See versorgt werden.119 „Mangelerscheinungen, Seuchen und Krankheiten bestimmten den Alltag der eingeschlossenen Leningrader.“120 In der Not wurden Katzen, Hunde, Ratten, Baumrinden und Sägemehl zu Nahrungsmitteln und die Angst vor dem Hungertod zwang die Menschen zu Lebensmittelraubzügen und zum Kannibalismus.121 Erst mit dem Zufrieren des Ladoga-Sees konnten wieder Lebensmittel für die Belagerten herangeschafft werden. Die Stärke der Eisschicht ließ zu, dass Transportfahrzeuge mit Nahrungsmitteln über den See in die Stadt fuhren122 und gleichzeitig hunderttausende Menschen aus Leningrad evakuiert werden konnten.123 Größere Lebensmitteltransporte per Schiff waren aber wegen des Eises unmöglich.124 In Korrelation mit den Krankheiten und der Unterernährung waren zusätzlich die Temperaturen von bis zu minus 40 Grad ausschlaggebend für das Sterben von zehntausendenden Menschen pro Monat.125 Erst mit einer Gegenoffensive der Roten Armee am 9. Dezember konnte die Wehrmacht kurzzeitig bis Wolchow zurückgedrängt und die Versorgungslinie mittels Eisenbahnverbindung zur Stadt wiederhergestellt werden.126 Die Blockade des in der Sowjetunion als „Heldenstadt“ bezeichneten Leningrads war erst mit der Befreiung durch die Rote Armee im Juni 1944 aufgeboben. Hitlers Glaube von einer raschen Kapitulation Leningrads auf Grund des gravierenden Versorgungsengpasses sollte sich demnach nicht bewahrheiten, dennoch blieb die verbrecherische Bilanz der Belagerung erschreckend.127 Von den 2,5 Millionen Einwohnern und Verteidigern der Stadt konnten 1 Million Menschen über

117 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 124. 118 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89. 119 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126. 120 Ebd., S. 126. 121 Ebd., S. 126. 122 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89. 123 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126. 124 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89. 125 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126. 126 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89. 127 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126. 23 den Ladogasee flüchten, von denen wiederum 100.000 postwendendend an die Front beordert wurden. Nach der 900 Tage andauernden Blockade Leningrads betrug die Einwohnerzahl 600.000 Menschen.128

2.3.4 Der Weg nach Moskau Zwei Monate nach der Einnahme von Smolensk und dem angeordneten Marschhalt, befahl Hitler am 2. Oktober 1941 der Heeresgruppe Mitte die Ausführung der „Operation Taifun“, den unmittelbaren Vorstoß auf Moskau.129 Die deutsche Aufklärung ergab, dass die Rote Armee vor Moskau zwischen Kalinin und Rschew sowie von Wjasma nach Gschatsk Truppenmassen zusammenschloss, „[…] in der Absicht, [sich] vor ihrer Hauptstadt eine Verzweiflungsschlacht zu liefern.“130 Auf deutscher Seite standen 14 Panzer- und 44 Infanteriedivisionen für den weiteren Angriff bereit. Das militärische Kräfteverhältnis zu den Sowjettruppen betrug auf diesem Abschnitt der Ostfront zu Lande 2:1 und in der Luft 3:1 zu Gunsten der deutschen Truppen.131 Das Primärziel der Heeresgruppe war es, die Stellungen der Sowjettruppen in den Orten Wjasma und Brjansk einzunehmen, um dann weiter in Richtung Moskau anzugreifen.132 Unter der Führung von Guderian und Hoth gelang es den deutschen Panzerdivisionen, die russischen Kräfte um Wjasma und Brjansk am 7. Oktober in zwei Kesseln einzuschließen. Weiter nördlich und südlich wurde der deutsche Vorstoß jedoch von Regen und dem folgenden Schlamm aufgehalten. Die motorisierten Verbände kamen von Tula bis Kaluga und Rschew bis Kalinin ins Stocken. Es gelang den deutschen Verbänden jedoch, die russischen Truppen bei Wjasma am 14. und bei Brjansk am 20. Oktober aufzureiben.133 Die Rote Armee verlor in der doppelten Kesselschlacht 670.000 Soldaten mitsamt ihrer Ausrüstung. „Nun schien der Sieg der deutschen Truppen unausweichlich zu sein.“134 Nach den militärischen Erfolgen der Wehrmacht und der Einkesselung von Streitkräften der Roten Armee bei Wjasma und Brjansk, titulierte der Völkische Beobachter am 10. Oktober 1941, dass der Feldzug im Osten bereits gewonnen sei: „Die große Stunde hat geschlagen: Der Feldzug im Osten entschieden!“135

128 Anna Reid, Blokada. Die Belagerung von Leningrad 1941-1944, Berlin 2011, S. 498. 129 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 130 Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 317. 131 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90. 132 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 133 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90. 134 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 135 Völkischer Beobachter, 10.10.1941, S. 1. 24

2.3.5 Die Niederlage im Winter 1941 Der finale Angriff der Wehrmachtstruppen auf die Hauptstadt der Sowjetunion begann sich jedoch durch den Wetterumschwung auf der gesamten Frontlinie zu verzögern, denn das Einsetzen von starkem Regen verwandelte die russische Landschaft in Morast. Im Schlamm versanken die schweren Panzer und Fahrzeuge der deutschen Truppen oder fuhren sich fest.136 In Verbindung mit dem Widerstand der Sowjettruppen auf der Moshaisk-Linie von 72 bis 120 km vor Moskau137 war ein schneller Vorstoß nun nicht mehr im Bereich des Möglichen und ein gezielter Weitermarsch bzw. Angriff blieb bis zum Einsetzen der Frostperiode Anfang November aus.138 Während des ungewollten Marschhalts der deutschen Angreifer begannen die sowjetischen Truppen unter der Führung von General Schukow mit Hilfe der Moskauer Zivilbevölkerung, die ihnen verbleibende Zeit zu Nutzen und rund um die Stadt Verteidigungsstellungen zu errichten.139 „[D]er Ablauf des napoleonischen Feldzugs hatte bereits 1812 bewiesen, dass die Russen sich selbst durch die Besetzung ihrer Metropole nicht zur Kapitulation nötigen ließen.“140 Zusätzlich verstärkten für den Winterkampf ausgebildete und mit Schlitten und Skiern ausgerüstete Truppen aus Sibirien, sowie neue russische Panzer vom Typ T-34, gegen den die deutschen Geschütze, „[…] Panzerabwehrwaffen und Panzerkanonen – bis auf die 8,8-cm-Flak - […] mit einem Mal nahezu nutzlos […]“141 wurden, die Verteidigungsringe um die russische Hauptstadt.142 Der deutsche Plan sah auf Grund der Lage vor, den Wolgakanal nördlich von Moskau und die Flussübergänge der Moskwa im Süden zu erobern um auf diese Weise Moskau einzuschließen. Am 15. November 1941 setzten sich die deutschen Truppen in Marsch für den Kampf um Moskau.143 Die ersten deutschen Panzerspitzen der Panzergruppe 3 und vereinzelte Stoßtrupps konnten sich bis 8 km vor die Stadt herankämpfen144, die 2. Panzerarmee kam jedoch 115 km südlich von Moskau wegen des ungenügenden Kräftenachschubes bei Kaschira zum Stehen.145

136 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 137 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90. 138 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 139 Ebd., S. 130. 140 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 259. 141 Alexander Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg. Infanteriewaffen, ungepanzerte Fahrzeuge, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Spezialwaffen, Flugzeuge, Schiffe, Berlin 2007, S. 114. 142 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 143 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90. 144 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 145 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90. 25

Ein endgültiger Durchbruch der deutschen Angreifer in die russische Hauptstadt scheiterte aber am erbitterten Widerstand des letzen sowjetischen Verteidigungsringes, und der unerbittlichen Kälte, dem s.g. „General Winter“.146 Die deutschen Angreifer waren auf die tiefen Temperaturen des russischen Winters und den Nächten von bis zu -45 Grad nicht vorbereitet. Es wurden keine Winteruniformen und -ausrüstung für die deutschen Truppen bereitgestellt147, da die Wehrmachtsführung wie auch Hitler bei Beginn von „Barbarossa“ davon ausgingen, keinen Winterfeldzug schlagen zu müssen.148

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146 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 147 Ebd., S. 130. 148 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 183. 149 Frontverlauf Ostfront 9. September 1941 – 5. November 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/ commons/d/dd/Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung. 26

„Nun aber erlaubten es zu geringe Transportkapazitäten nicht, neben Munition und Treibstoff auch die dringend benötigte Winterausrüstung in genügender Anzahl zu liefern“150 und die in der Heimat im Sammelaufruf zusammengetragene Kleidung erreichte nur vereinzelt die Front. Auf Grund dessen forderten kältebedingte Ausfälle in der Wehrmacht doppelt so viele Verluste an Soldaten wie der eigentliche militärische Kampf um Moskau. In ihrer Not nahmen die Wehrmachtssoldaten gegen die eisigen Temperaturen noch vor Hitlers Befehl vom 21. Dezember, „Gefangene und Einwohner rücksichtslos von Winterkleidung zu entblößen“151, Uniformteile und Stiefel von gefallen Rotarmisten an sich.152 Sogar die Motoren der Fahrzeuge und die Waffen der deutschen Landser froren wegen der enormen Kälte ein. Der Durchstoß in die russische Hauptstadt war wegen der für die Wehrmachtstruppen unvorhergesehenen Lageänderung nicht mehr möglich, wodurch der deutsche Angriff verebbte.153 Stalin befahl General Schukow, unverzüglich die Situation der deutschen Truppen auszunutzen und die Angreifer mit einem Gegenschlag zurückzudrängen.154 Nachdem vom russischen Oberkommando, der Stavka, der Gegenangriff gegen die am weitesten Vorgestoßenen deutschen Kräfte mit der 1. Stoß-Armee und der 2. sowjetischen Armee geplant war, begann am 5. Dezember 1941 die Winteroffensive der Roten Armee an der russischen Südwest-, West- und Kalininfront155 auf einer Line von 300 km mit kampfkräftigen Elitedivisionen aus Sibirien.156 Das Ziel der Sowjetverbände war es, die deutschen Verbände zurückzudrängen und deren Nachschubwege abzuschneiden.157 Hitler gab am 8. Dezember den Befehl, jegliche Offensivaktionen der deutschen Truppen zu stoppen, das bereits gewonnene Gelände „[…] um jeden Preis“158 zu halten und sich bis zum Frühjahr in den erkämpften Stellungen einzugraben.159 Jedoch schwand binnen weniger Tage das Kriegsglück der Deutschen und somit der Nimbus der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht das erste Mal in der Geschichte des Russlandfeldzugs, denn „[t]rotz Hitlers Weisung […] die vorgezogenen Stellungen durch ‚fanatischen Widerstand‘ zu halten, musste die Wehrmacht erstmals im Osten zurückweichen – an manchen Frontabschnitten gar über 200 km weit!“160

150 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130. 151 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 262. 152 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131. 153 Ebd., S. 131. 154 Ebd., S. 131. 155 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 92. 156 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 259. 157 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 92. 158 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 259. 159 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131. 160 Ebd., S. 131. 27

Stalin gab nach dem Erfolg über die Wehrmacht die Planung eines Entsatzes von Leningrad, die Rückeroberung des Donezkbecken die Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte in Auftrag und am 7. Jänner 1942 begann die Großoffensive der Roten Armee. Die russischen Truppen konnten die deutschen Soldaten bis Witebsk und Rschew zurückdrängen und selbst offensiv auf Demjansk vorstoßen.161 Die bis dato siegreichen deutschen Soldaten wurden von der Roten Armee vor Moskau somit endgültig in die Defensive gezwungen und immer weiter nach Westen zurückgedrängt.162

163

161 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 92. 162 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131. 163 Gegenoffensive der Roten Armee im Winter 1941, nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Map_Soviet_1941 _Winter_counteroffensive.jpg, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung. 28

Nach dem Rückzug vor Moskau und einem Verlust von 150.000 Fahrzeugen und 750.000 deutschen Soldaten an der gesamten Ostfront, die entweder verwundet, vermisst, tot, oder in Gefangenschaft waren, sowie dem bereits teils schwer erkämpften gewonnenem Gelände, wurde die deutsche Generalität zur Verantwortung gezogen.164 Hitlers Glaube an einen schnellen Sieg über Russland vor dem Beginn des Winters hatte sich mit der Niederlage zerschlagen165 und er deklarierte sich selbst ab diesem Zeitpunkt zum Feldherrn. Als alleiniger „[…] Oberbefehlshaber des Heeres [kontrollierte Hitler von nun an] jede Bewegung der Wehrmacht […].“166 Mit zwei vom „Führer“ sofort getätigten Befehlen bekamen die Kommandeure in der Wehrmacht den jetzt vorherrschenden Einfluss Hitlers bis zur untersten Befehlsebene zu spüren. Erstens untersagte Hitler allen Kommandanten die Verantwortung ihres Postens und die daraus resultierende Befehle nicht ablehnen zu dürfen – die Strafe dafür wäre die der Fahnenflucht gleichgestellt gewesen. Zweitens verbat er eigenmächtig getätigte Handlungen zum Rückzug, ohne zuvor die Genehmigung bei ihm persönlich bzw. des OKW, eingeholt zu haben.167 „Die verhängnisvollen Folgen hiervon zeigten sich in krassester Form bei den Operationen in der grossen Schlacht um Stalingrad.“168

2.3.6 Der Kessel von Demjansk Das Halten der Front bis zum Frühjahr 1942 gelang den deutschen Verbänden nur unter der Inkaufnahme von großen Verlusten.169 Ausschlaggebend dafür waren Hitlers Haltebefehle, im Gegensatz zu dem Vorschlag seines Generalstabes, Winterstellungen zu beziehen. Entgegen aller Erwartungen des OKH entstand eine bessere operative Ausgangslage für die neue deutsche Sommeroffensive.170 „Hier recht behalten zu haben, ließ Hitler um so mehr von seinem militärischen Genie überzeugt sein. Jetzt wollte er von seinen Generälen nur noch hören, was in seine Vorstellungswelt passte. Das ‚Halten um jeden Preis‘ aber entwickelte sich in seinem Kopf zum absoluten Dogma.“171

Demjansk und Cholm wurden zur ersten Zerreisprobe für die deutschen Soldaten. Die Rote Armee wandte die Taktik der Wehrmacht gegen diese an und schloss die deutschen Landser in

164 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131. 165 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 262. 166 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131. 167 Paulus, Das Verhalten der Generalität unter Hitler vom 27.7.1951, zit. in: Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 198. 168 Ebd., S. 198. 169 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132. 170 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 196. 171 Ebd., S. 196. 29 ihren Stellungen ein. Die deutsche Luftwaffe konnte die Versorgung der eingekesselten Truppen jedoch aus der Luft aufrechterhalten.172 Von Jänner bis März mussten 100.000 deutsche Soldaten im Kessel versorgt werden. Hierzu waren 500 Flugzeuge im Einsatz, die 65.000 Tonnen Versorgungsgüter in den Kessel flogen und im Gegenzug noch verwundete deutsche Soldaten mitnahmen 173, bis die beiden Kessel durchbrochen und die deutschen Verbände entsetzt worden waren.174 Der Begriff Entsatz definiert die „[…] Befreiung einer eingeschlossenen oder belagerten Festung. […] [M]eist bedarf es dazu der Mithilfe eines von außen kommenden E[ntsatzheeres] (Entsatzkorps, Entsatzarmee), dessen Operationen von der Besatzung im entscheidenden Augenblick durch einen kräftigen Ausfall unterstützt werden.“175

Der Ausbruch aus den Kesseln erfolgte einerseits mit einem militärischen Schlag von außen und dem gleichzeitigen Ausbruch der eingeschlossen Truppen vom Inneren des Kessels.176 Während der Aufrechterhaltung des Einschließungsringes waren von der russischen Heeresgruppe Kuroschkin fünf sowjetische Armeen an den Kessel gebunden.177„In die Militärgeschichte ging Demjansk als längste Kesselschlacht des Ostfeldzugs ein. Sie hatte jedoch noch eine zusätzliche psychologische Bedeutung, die sich ein halbes Jahr später auswirken sollte.“178

2.3.7 Der Status Quo an der Ostfront Das Einsetzen der s.g. „Rasputiza“, bei dem das Tauwetter den Boden aufweichte und die geschmolzenen Schneemassen die unbefestigten Straßen und Wege in Schlammfelder verwandelten, zwang die Wehrmacht und die Rote Armee im März 1942 zu einem zeitlich begrenzten Waffenstillstand. 179 Die Gesamtausfälle der Wehrmacht an der Ostfront betrugen bis dato eine Million Menschen. Das Truppenkontingent war auf 60% gesunken180, denn „[j]eder dritte deutsche Soldat, der im Juni 1941 die Grenzen der Sowjetunion überschritten hatte, war tot, verwundet, gefangen oder vermißt.“181 Der Wehrmacht fehlten im April 1942 1.600 Panzer III und IV, 7.000 Panzerabwehrkanonen sowie 2.000 Geschütze. Die Zahl der

172 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132. 173 Guido Knopp, Der verdammte Krieg. Stalingrad 1942-43, München 1998, S. 212. 174 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132. 175 Autorenteam, Entsatz, in: Brockhaus‘ Konversations-Lexikon, Bd. 6, u.a. 189414, S. 181. 176 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 212. 177 Jörg Friedrich, Das Gesetz des Krieges. Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945. Der Prozeß gegen das Oberkommando der Wehrmacht, München u.a. 1993, S. 502. 178 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 212. 179 John Keegan, Der Zweite Weltkrieg, Berlin 2004, S. 320. 180 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 31. 181 Ebd., S. 31. 30 anfänglichen 500.000 Pferde182 sowie der 4.000 einsatzfähigen Flugzeuge war halbiert.183 Durch den Verlust von Pferden und Kraftfahrzeugen war zudem die operative Beweglichkeit im Vergleich zum Beginn von „Barbarossa“ erheblich eingeschränkt.184 Zunehmend wurden für die Waffen-SS ausländische Freiwillige rekrutiert und ein stärkerer Einsatz der Bundesgenossen Deutschlands im „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“ gefordert.185 Die gegenwärtige Kriegsproduktion konnte die starken Ausfälle der Wehrmacht nur teilweise ausgleichen.186 Der Wehrmachtsführungsstab ließ in einer schriftlichen Auflistung mit dem Titel „Wehrkraft 1942“ die personellen Auswirkungen für den weiteren Russlandfeldzug erkennen187: „‚[…] volle Auffüllung der Verluste des Winters ist nicht möglich. Wehrkraft geringer als im Frühjahr 1941.‘“188 In der daraus resultierenden Schlussfolgerung zog der Wehrmachtsstab die Bilanz, dass ein „Ausgleich zu erwarten [war] durch höhere Einbußen des Gegners, überlegene deutsche Führung und soldatische Einzelleistung, [sowie die] Güte der Waffen […].“189 Das Fazit war genau so, wie es Hitler von seinen Generälen hören wollte – enorme Verluste des Gegners und die Herabspielung der eigenen. Für Hitler zählte einzig und allein der Wille zum Sieg.190 Die Wehrmacht war jedoch bereits derart geschwächt, dass die anfängliche Stärke im Laufe des Ostfeldzugs nicht mehr erreicht werden konnte und weite Räume von deutschen Verbänden verteidigt werden mussten, die nur mehr eingeschränkt zur Verteidigung bzw. zum Angriff geeignet waren.191 Zudem bestanden Waffen und Ausrüstungsgegenstände der deutschen Truppen des Ostheeres partiell aus einem Konglomerat aus Beutebeständen der vorhergegangenen Feldzüge.192

2.4 Der „Fall Blau“ Während der wetterbedingten Pattsituation an der Ostfront, plante Hitler, trotz verminderter Stärke des deutschen Heeres, schon das weitere offensive Vorgehen für den Frühsommer.193 Das deutsche Heer war jedoch nicht mehr in der Lage, auf der gesamten Frontline von Leningrad bis zum Schwarzen Meer anzugreifen, sodass nur mehr eine partielle Offensive

182 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 321. 183 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 31. 184 Ebd., S. 31. 185 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 214. 186 Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 154. 187 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 31. 188 Ebd., S. 31. 189 Ebd., S. 31. 190 Ebd., S. 31. 191 Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 154. 192 Ebd., S. 117. 193 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132. 31 möglich war.194 In der nächsten Sommeroffensive sollte mit einem Großteil der deutschen Verbände ein Angriff unter dem Decknamen „Fall Blau“ in Richtung des Kaukasus und der dort vorhandenen Ölvorkommen bei Maikop und dem Kaspischen Meer stattfinden, sowie ein Vorstoß an die Wolga, um bei Stalingrad die russischen Industrie und Rüstungsschmieden zu zerstören und somit die russische Kriegswirtschaft und die Ölversorgung gravierend zu schwächen.195 70% der russischen Rohölförderung wurde von den Ölfeldern von Maikop und Grosny getragen.196 Am 5. März 1942 gab Hitlers Weisung Nr. 41 eine detaillierte Marschrichtung für die deutschen Truppen vor.197 Das Hauptaugenmerk bei der deutschen Offensive lag darauf, „[…] die den Sowjets noch verbliebene lebendige Wehrkraft endgültig zu vernichten und ihnen die wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen so weit als möglich zu entziehen.“198 Hierzu sollte als erstes auf der Krim die Halbinsel Kertsch von den deutschen Truppen der 11. Armee unter von Mansteins Führung eingenommen, und im Folgeauftrag Sewastopol erobert werden. Zweitens war veranschlagt, Woronesch am Don durch die Truppen der Heeresgruppe Süd einzukesseln, bei Isjum den Kessel aufzureiben, und sich mit den nach der Eroberung von Charkow herannahenden deutschen Truppen zu vereinigen, um dann in die Kaukasusgebiete vorzustoßen.199 Der Generalstab wollte Hitler dazu bewegen nach der Eroberung von Woronesch zuerst nach Norden auf Moskau vorzustoßen, da das Gros der russischen Kräfte zum Schutze der Hauptstadt vor dieser zusammengezogen worden war.200 Da jedoch Hitler „[…] in seinem Dilettantismus nicht einsehen wollte, daß nach der militärischen Vernichtung der Hauptmasse der Roten Armee im Raume Moskau […] der Süden [den Deutschen] von selbst als reife Frucht in den Schoß fallen würde, setzte Hitler gegen den Chef des Generalstabes seine Offensivabsicht durch […].“201

2.4.1 Von Charkow bis Woronesch Am 8. Mai 1942, als der Boden für die Panzer zum Vorstoß tauglich war, starteten die militärischen Operationen im „Fall Blau“.202 Im Süden der Ostfront fiel die Halbinsel Kertsch am 21. Mai, und die von den Deutschen belagerte Stadt Sewastopol am 5. Juli den Verbänden

194 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 213. 195 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 266-267. 196 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 214. 197 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 322. 198 Hitlers Weisungen für die Kriegsführung 1939-1945. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht, hrsg. v. Walther Hubatsch, Frankfurt am Main 1962, S. 184. 199 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 323. 200 Herbert Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, in Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift: ASMZ, 2/1949, S. 81-98, hier S. 82. 201 Ebd., S. 82. 202 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 324. 32 von Generalfeldmarschall von Manstein in die Hände. 170.000 Soldtaten der Roten Armee traten den Weg in die Kriegsgefangenschaft an.203 Der Hauptschlag der deutschen Offensive, die den Decknamen „Fridericus“ trug204, erfolgte auf Charkow.205 Jedoch übernahm am 12. Mai 1942 die Rote Armee die Initiative und begann unter der Führung von General Timoschenko bei Charkow eine Offensive gegen die deutschen Truppen. Auf Grund dessen konnte der Auftrag bei Isjum den Kessel zu zerschlagen, nicht mehr ausgeführt werden.206 Den Soldaten der 6. Armee unter dem Kommando von General Paulus und des Armeekommandos von Kleist gelang es jedoch, die russischen Truppen am 23. Mai einzukesseln und Charkow wieder zurückzuerobern. 250.000 sowjetische Soldaten samt Kriegsgerät207 sowie 1.240 Panzer wurden dabei vernichtend geschlagen. Zwei zeitgleich ausgeführte unterstützende Unternehmen an den Flanken mit den Decknamen „Fridericus II“ und „Wilhelm“ schafften es nun, bis zum 26. Juni den Isjum-Kessel und die versprengten Truppen der Roten Armee aus der Schlacht um Charkow aufzureiben.208 Die NS-Propaganda erweckte „[…] nach der Krise im Winter nun wieder große Hoffnungen auf einen baldigen Gesamtsieg.“209 Die südliche deutsche Offensive der Heeresgruppe Süd stieß auf einer 800 km breiten Front zwischen Taganrog am Asowschen Meer und Kursk bis Woronesch an den Fluss Don vor.210 „Sieg folgte auf Sieg, ohne daß der ‚Endsieg‘ , um diese typische hitlerische Vokabel zu gebrauchen, näher rückte.“211 Auf Grund des Erfolges wurde jedoch die Heeresgruppe Süd für den weiteren Vormarsch aufgeteilt, und in Heeresgruppe A und Heeresgruppe B umbenannt. Ein Teil sollte von Norden aus an die Wolga und nach Stalingrad hinunterstoßen, während die anderen deutschen Truppen den Angriff decken und sich im Erfolgsfall in einer Zangenbewegung von Süden aus mit den Landsern an der Wolga vereinigen sollten. 212

203 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133. 204 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 325. 205 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90. 206 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 325. 207 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133. 208 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 325. 209 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133. 210 Ebd., S. 133. 211 Walter Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“ Lebensweg des Generalfeldmarschalls . Mit Aufzeichnungen aus dem Nachlass, Briefen, Dokumenten, Frankfurt am Main 1960, S. 70. 212 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133. 33

2.4.2 „Mit der einen Faust nach Stalingrad, mit der anderen nach‘m Kaukasus“213 Wegen des militärstrategischen Rückzugs der sowjetischen Verbände an vielen Frontabschnitten hinter die Flüsse Don und Wolga sowie in den Raum des Kaukasus, war es der Wehrmacht nicht möglich, die Truppen der Roten Armee wie im bisherigen Ostfeldzug einzukesseln und aufzureiben. „Die deutschen Generäle erkannten durchaus, dass ihnen zwar bedeutende Geländegewinne gelangen, aber nicht der Entscheidungsschlag gegen die sowjetischen Truppen.“214 Da die deutschen Verbände jedoch ganz nach Hitlers Vorstellung, unter Ausblendung aller Umstände, rasch in den russischen Raum vorstießen, „[…] verleitete Hitler [dies] zu der – wie sich später zeigte – unberechtigten Annahme, die Rote Armee sei bereits so gut wie geschlagen.“215 Hitler verwarf das ursprüngliche Vorgehen der Heeresgruppe A und B, und statt der zwei nacheinander erfolgenden militärischen Offensiven, sollten beide Angriffe nun gleichzeitig in einer großen Sommeroffensive am 23. Juli beginnen.216 „Für den Fall also, daß zwischen Don und Wolga irgendein Rückschlag eintreten sollte, sah sich das O.K.H. jeder operativen Reserve beraubt, die sie der 6. Armee hätte zuschieben können.217 Der damalige Generalstabschef Franz Halder rekonstruierte die Lagebesprechung mit Hitler, bei der dieser auf der Landkarte „[…] mit der einen Faust nach Stalingrad, mit der anderen nach‘m Kaukasus“218 fuhr, und somit die Schicksal der Heeresgruppen besiegelte. Der Auftrag der Heeresgruppe B war es demnach, direkt Stalingrad anzugreifen, während die Heeresgruppe A in Richtung des Kaukasus zum Kaspischen Meer und zu den Ölfeldern von Baku und Grosny vorstoßen sollte. 219 In der Lagebesprechung verkündete Hitler seinen Generälen: „Wenn ich das Öl von Maikop und Grosny nicht bekomme, dann muß ich diesen Krieg liquidieren.“220

213 Franz Halder, Erinnerung über Lagebesprechung mit Hitler im Führerhauptquartier über die Aufspaltung der deutschen Truppen, Tonbandaufnahme Originalton 1967, in: Eurovideo Stalingrad. Die Dokumentation. Der Angriff – der Kessel – der Untergang, hrsg. v. Sebastian Dehnhart, DVD 2003, Min. 12:16-12:38. 214 Sven Felix Kellerhoff, Siegeszug trieb 6. Armee in Stalins Falle, Die Welt Online, 28.06.2012, [http://www.welt.de/kultur/history/article107265243/Siegeszug-trieb-die-Sechste-Armee-in-Stalins- Falle.html], eingesehen 15.03.2014. 215 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 134. 216 Ebd., S. 134. 217 Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 84. 218 Halder, Erinnerung über Lagebesprechung mit Hitler, Min. 12:16-12:38. 219 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133. 220 Adolf Hitler, zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad: Anatomie einer Schlacht, S. 7. 34

2.4.3 Die Lage nach der deutschen Sommeroffensive Der Status quo nach der Sommeroffensive 1942 war jedoch ein anderer. Im Süden Russlands, dem Kaukasusgebiet, hielt ein großer fast nur aus Wehrmachtssoldaten bestehender Verband die Front. Im Norden der Stadt Stalingrad stand ein zweites starkes deutsches Truppenaufgebot im Kampf mit russischen Kräften. Im Mittelabschnitt, der s.g. Kalmückensteppe im Raum um Elista, bis zum Bahnabschnitt der Bahnlinie Rostow – Salsk – Kotelnikowo – Stalingrad, waren stellenweise deutsche Truppen, der Großteil bestand jedoch aus rumänischen Soldaten, die im Vergleich zu den deutschen Landsern, noch schlechter ausgerüstet waren. Im Nordwesten von Stalingrad hielten italienische und ungarische Divisionen, stellenweise von Wehrmachtstruppen unterstützt, die Front.221 Im Hinterland der Ostfront waren zudem kaum noch Reserven vorhanden.222 „Man versuchte wohl das alte (und meist bewährte) Mittel, durch Einfügung deutscher Führungsstäbe und Infanteriedivisionen das Mißverhältnis zu verbessern. Dadurch konnten aber gewisse Schwächen auch nicht annähernd ausgeglichen oder gar beseitigt werden.“223 Durch den stetigen Vormarsch auf Stalingrad dehnte sich die Frontlinie im militärischen Sinn jedoch gefährlich aus.224 „Die enorme Weite des Landes forderte einen ungeahnten Tribut an Menschen, Pferden und Kriegsgerät von der darauf unvorbereiteten Wehrmacht.225 Bedingt durch die langen Nachschubwege stellte sich an der gesamten Front ein Mangel an Kriegsgerät aller Art, Treibstoff, Munition, und Zuführung neuer Truppen ein.226 Zusätzlich wurden wie schon im Winter 1941/42 die Vorbereitungen für einen Winterkampf der deutschen Truppen trotz besseren Wissens wieder vernachlässigt.227

2.4.4 Von Woronesch nach Stalingrad Hitler befahl der 4. Panzerarmee, unter dem Kommando von Generaloberst Hoth, die Einnahme von Woronesch. Währenddessen sollte die 6. Armee unter dem Oberbefehl von Generaloberst Paulus, ohne die volle Panzerunterstützung von Hoths Truppen, vom Don-Knie

221 Horst Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff _ 6_Pz_Div/entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014. 222 Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/ entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014. 223 H. H. Mantello, Versammlung und Vorstoß der 6. deutschen Panzerdivision zur Befreiung von Stalingrad vom 28. Nov. bis Dez. 1942, in: Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift: ASMZ, 6-7/1950, S. 464-476, hier S. 465. 224 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268. 225 Ebd., S. 257. 226 Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/ entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014. 227 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 224. 35 aus nach Stalingrad vorstoßen.228 Woronesch konnte von den deutschen Truppen nicht in einem Schlag eingenommen werden, sodass die Soldaten der Roten Armee dort deutsche Kräfte banden, die sich somit nicht mit der Infanterie von Generaloberst Paulus vereinigen konnten. Hitler gab auf Grund dessen die sofortige Weisung, die Verbände der 4. Panzerarmee bei Woronesch abzulösen. Zudem wechselte Hitler den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B, Generalfeldmarschall von Bock, aus und ersetzte ihn durch Feldmarschall Freiherr von Weichs.229 Am 23. Juli 1942 wurde die Fortsetzung vom „Fall Blau“ mit der Weisung Nr. 45 unter dem Tarnnamen „Braunschweig“ befohlen. Der Auftrag der Heeresgruppe A mit der 1. Panzerarmee und der 17. Armee war es, vom Don-Knie aus die russischen Kräfte zurückzudrängen und hinter Rostow zu schlagen.230 Zeitgleich war die Heeresgruppe B angewiesen, am Don Abwehrstellungen zu errichten231, um der 6. Armee die Eroberung Stalingrads zu ermöglichen.232 Der Auftrag der Heeresgruppe B gestaltete sich jedoch zunehmend schwieriger, da die kampfkräftige 4. Panzerarmee aus der Heeresgruppe B ausgegliedert worden war.233 Obwohl keine militärischen Reserven für die beiden Vorstöße mehr vorhanden waren, schwiegen Hitlers Generäle, darunter auch Paulus, dessen „[…] Vertrauen in das militärische Talent und die Weitsicht des ‚Führers‘ […] ungebrochen [blieb].“234 Generalstabschef Halder notierte bezüglich der bevorstehenden deutschen Offensive in sein Kriegstagebuch, dass „[…] das Schicksal des Kaukasus […] bei Stalingrad entschieden“235 werde.

2.4.5 Die Reichskriegsflagge auf dem Elbrus Nachdem im weiteren Vormarsch Rostow, das „‚Wachhaus‘ Südrusslands“236, am 27. Juli 1942 von den deutschen Truppen der 17. Armee erobert worden war237, stießen Teile der Heeresgruppe A weiter in die Gebiete des Kaukasus vor.238 Am 9. August eroberte ein Gros der deutschen Verbände, wie von Hitler beabsichtigt, die Ölfelder und Bohrtürme von

228 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 326. 229 Ebd., S. 327. 230 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 194. 231 Ebd., S. 194. 232 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 328. 233 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 224. 234 Ebd., S. 227-228. 235 Halder, Franz, Kriegstagebuch. Der Rußlandfeldzug bis zum Marsch auf Stalingrad (22.6.1941 − 24.9.1942), Bd. 3., Stuttgart 1964, S. 493. 236 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 332. 237 Ebd., S. 332. 238 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 267. 36

Maikop.239 Jedoch wurden die Rohstoffquellen bereits von der Roten Armee in den Kämpfen mit der Wehrmacht gesprengt, noch bevor diese den Deutschen in die Hände fallen konnten.240 Deutsche Gebirgsjäger hissten am 7. September die Reichskriegsflagge auf dem Elbrus.241 Die Heeresgruppe A hielt zu diesem Zeitpunkt eine Verbindungslinie von 450 km. Das weitere Ziel für die deutschen Truppen war, die Gebirgspässe des Kaukasus einzunehmen, um die Ölfelder dahinter sowie den Nachschub-Schwarzmeerhafen Tuapse zu erobern.242

243

239 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 328. 240 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 267. 241 Sven Felix Kellerhoff, Wie Hitlers Gebirgsjäger den Kaukasus stürmten, Die Welt Online, 21.08.2012, [http://www.welt.de/kultur/history/article108696384/Wie-Hitlers-Gebirgsjaeger-den-Kaukasus- stuermten.html], eingesehen 08.04.2014. 242 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 328-331. 243 Ostfront 7. Mai 1942 – 18. November 1942, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/ Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 03.07.2014, eigene Darstellung. 37

3. Der Sturm auf Stalingrad Gemäß dem Willen des „Führers“ gab der Befehlshaber der 6. Armee, General Friedrich Paulus, seinen Truppen am 4. August 1942 die Anweisung zur Offensive in Richtung Stalingrad.244 Nachdem die Verbände der Heeresgruppe B sich nur sukzessive durch den Donez-Don-Korridor gekämpft hatten245, gerieten diese in ein erstes größeres Gefecht mit den Truppen der Roten Armee vor Stalingrad bei Kalatsch am Don.246 „Die Schlacht von Kalatsch war wieder – um in Schlieffenscher Terminologie zu reden – einer jener ‚ordinären Siege‘, an denen der Feldzug im Osten reich war. Der außerordentlich zähe Widerstand des Gegners brachte diesem immerhin Zeitgewinn.“247 In dem fünftägigen Gefecht gelang es den deutschen Truppen 1.000 Panzer und 650 Flugzeuge der Roten Armee aufzureiben sowie 57.000 russische Soldaten gefangen zu nehmen. Aufgrund der Angriffsverzögerung bei Kalatsch wurde der Entschluss durch die deutsche Führung getroffen, die 4. Panzerarmee, die bereits in Richtung Süden vorgestoßen war, abzukommandieren und deren Weitermarsch auf Stalingrad zur Verstärkung des deutschen Angriffes auf die Stadt an der Wolga anzuordnen.248 Das Zeitkalkül begann sich gegen die deutsche Offensive zu richten. „Sowohl die Anfangserfolge der Heeresgruppe A als auch der optimistisch stimmende Vormarsch der 6. Armee schien aber Zweifler erneut ins Unrecht zu versetzen.“249 Bis zum 19. August konnten alle Truppen von Paulus die Sturmausgangsstellung auf Stalingrad beziehen250 und am 21. August kam der Befehl zum Angriff auf die Stadt.251 Das Stadtbild von Stalingrad war geprägt von Industrie mit zahlreichen Raffinerien, Stahlwerken, Maschinenfabriken252 sowie Holzhäusern, die sich auf einer Länge von 30 km an der Wolga verteilten.253 Vor allem das für die Fertigung von Artilleriemunition und Panzerstahl eingesetzte Elektrostahlwerk „Roter Oktober“, die ehemalige Traktorenfabrik „Dschersinski“, welche auf die Produktion von Panzern umfunktioniert worden war, und die Geschützfabrik „Barrikady“ sollten im Verlauf der Schlacht als heiß umkämpfte Plätze traurige Bekanntheit erlangen.254

244 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268. 245 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 331. 246 Andreas Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, in: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung (2002), Heft 4, S. 8-17, hier S. 10. 247 Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 71. 248 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 229-230. 249 Ebd., S. 228. 250 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 331. 251 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 232. 252 Ebd., S. 232. 253 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 333. 254 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10. 38

Am 23. August bombte die deutsche Luftwaffe in Form des VIII. Fliegerkorps 255 in 1.600 Einsätzen mit 1.000 Tonnen Bomben256, unterstützt durch deutsche Artillerie, in einem Tagangriff die Stadt sturmreif und hinterließ eine Ruinenlandschaft für den Angriff der Verbände der Heeresgruppe B.257 Tagelang brannten die Roh- und Brennstofflager von Stalingrad258, während sich die Truppen der 6. Armee in den Trümmerhaufen vorankämpften.259 Hitler befahl, dass „[d]ie Stadt […] bis zum 25. August genommen werden“260 sollte, und verlangte die „‚völlige Inbesitznahme‘“261 Stalingrads durch die deutschen Verbände. Die Stadt an der Wolga sollte dem Don-Verlauf folgend als Sperrriegel zwischen Kursk und Stalingrad262 für die Kaukasusoffensive fungieren um die Flanke und das weitere Vorgehen der Heeresgruppe zu decken sowie russischen Gegenschläge aus dem inneren des Landes abzuwehren.263 Die deutschen Soldaten kamen wegen der unflexiblen russischen Verteidigung schnell vorwärts und die Frontlinie weitete sich mit jedem erkämpften Kilometer in Richtung der Wolga mehr und mehr aus.264 Den Wehrmachtstruppen gelang es, die russische 1. und 4. Panzerarmee sowie die 51 Armee auf einen Abschnitt von 48 mal 30 km in Richtung Wolgaufer zu drängen.265 Im Norden Stalingrads wurde von den Landsern bereits am 23. August Rynok und somit ein Durchbruch zu einem Teilabschnitt der Wolga erreicht.266 Um 18 Uhr 35 besetzte das Panzer-Grenadier-Regiment 79 den erkämpften Abschnitt. 267 „Zu diesem Zeitpunkt standen den deutschen Armeen noch verschiedene Möglichkeiten offen: sie konnten die Stadt stromaufwärts abschneiden, einschließen oder belagern. Stattdessen gingen sie jedoch zum direkten, frontalen Angriff über.“268 Es gelang den Truppen der Roten Armee den deutschen Angriff mit kleineren Gegenangriffen zu verzögern, wodurch erst Anfang September die deutschen Panzerverbände in das

255 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 333. 256 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 233. 257 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 258 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10. 259 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 333. 260 Adolf Hitler, zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 69. 261 Adolf Hitler, zit. in: Bernd Wegner, Vom Lebensraum zum Todesraum. Deutschlands Kriegsführung zwischen Moskau und Stalingrad, in: Stalingrad. Ereignis - Wirkung - Symbol, hrsg. v. Jürgen Förster, München 19932, S. 17-38, hier S. 33. 262 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 194. 263 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 326. 264 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268. 265 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196. 266 Gerd R. Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz: Gehorsam gegen Gewissen, in: Damals. Das Magazin für Geschichte und Kultur (6/2001), S. 22-25, hier S. 23. 267 Heinz Schröter, Stalingrad „…bis zur letzten Patrone“, Klagenfurt 1962, S. 23. 268 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196. 39

Stadtgebiet einbrachen.269 Die Verbände des XXXXVIII. Panzerkorps erreichten am 3. September das Kasernengelände am südwestlichen Rande der Stadt. Zeitgleich befanden sich die Vorausabteilungen des LI. Armeekorps 8 km vor dem Stadtkern Stalingrads. An strategisch wichtigen Geländepunkten, wie bspw. dem Hauptbahnhof oder dem Mamaew- Hügel, stießen die deutschen Truppen auf starken russischen Widerstand. 270 „Der Fall von Stalingrad selbst wurde in absehbarer Zeit und eine hartnäckige Verteidigung der sowjetischen Streitkräfte erst jenseits der Wolga erwartet.“271 Bis zum 13. September 1942 war die Frontlinie zur Wolga an einigen Abschnitten sechs und an anderen noch über 15 km entfernt. Drei Divisionen der sowjetischen 62. Armee mit 60 Panzern hielten unter dem Kommando von Tschuikow die Stellung in Stalingrad.272 Die Rote Armee bot an Mensch und Material alles auf, was zur Verteidigung Stalingrads beigetragen werden konnte. In den noch stehengebliebenen Fabriken wurden die letzen russischen Panzer angefertigt und Arbeiter kamen zu Sammelpunkten, bei denen diese mit Waffen ausgerüstet und direkt zur Verteidigung Stalingrads an die Front beordert wurden273, um als Volkswehrabteilungen und Arbeitermilizen dem deutschen Angriff entgegen zu treten.274 Das Bestreben des Oberkommandos der Wehrmacht, Stalingrad im Handstreich zu erobern, erfüllte sich auf Grund der massiven sowjetischen Verteidigungsbestrebungen nicht.275 Die Wehrmachtstruppen mussten in Stalingrad die Taktik aufgeben, in der diese die meiste Praxis und Erfahrung hatten, nämlich den Bewegungskrieg.276 Die Infanterie wurde zum Hauptträger des Kampfes um die Stadt und eine asymmetrische Kriegsführung begann.277 Ein Kampf um jede Straße, Haus und teilweise jedes Zimmer entbrannte.278 Die deutschen Streitkräfte erkannten schon bald, „[…] daß hier ein anderer Krieg geführt wurde. Sie gaben ihm den Namen ‚Rattenkrieg‘.“ 279

269 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268-269. 270 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10. 271 Schröter, Stalingrad, S. 27. 272 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 334-335. 273 Schröter, Stalingrad, S. 24. 274 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10. 275 Schröter, Stalingrad, S. 27. 276 Gerhard Artl, Stalingrad 1942. Neue Quellen zum Entsatzversuch unter General Raus, in: Bericht über den 22. Österreichischen Historikertag in Klagenfurt. Veranstaltet von Verband Österreichischer Historiker und Geschichtsvereine in der Zeit vom 4. bis 7. Mai 1999, hrsg. v. Verband Österreichischer Historiker und Geschichtsvereine in Zusammenarbeit mit dem Kärntner Landesarchiv, Wien 2002, S. 136-145, hier S. 140. 277 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196. 278 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268-269. 279 Dieter Peeters, Vermißt in Stalingrad. Als einfacher Soldat überlebte ich Kessel und Todeslager 1941-1949, Berlin 32007, S. 25. 40

Tagelang waren die Soldaten dem Kampflärm, Feuer, Gestank verwesender Leichen sowie beeinträchtigter Sicht durch aufsteigenden Rauch ausgeliefert. 280 Die Tatsache, wer schneller schoss und besser traf, war Sieger, bewahrheitete sich zunehmend im Häuserkampf von Stalingrad. Das Leben verlagerte sich für die Soldaten, auf deutscher als auch auf russischer Seite, vermehrt unter die Erde.281 Stellungen wurden nicht nach Vorschrift, drei Schaufeln gegen den Feind und eine in den Rücken, errichtet, sondern wie es das Gelände bestmöglich zuließ. Der Kampfauftrag für die deutschen Streitkräfte in ihren improvisierten Gräben lautete, die Stellung bis zum letzten Mann zu halten.282 Zumeist wurde um die Stellungen im Kampf Mann gegen Mann, mit Kampfmesser oder Feldspaten, gerungen.283 Nachschub und Truppenverstärkungen kamen nur ungenügend nach Stalingrad. Die Versorgungslinie der 6. Armee basierte auf der eingleisigen Bahnlinie bis zum Westufer des Don bei Werchnij-Tschirskaja. Von dort aus wurden die Versorgungsgüter auf Lastkraftwagen umgeladen und wegen der Zerstörung der einstigen Eisenbahnbrücke durch sowjetische Kräfte über eine improvisierte 24 Tonnen schwere Brücke zwischen den beiden Ufern des Don in die Stadt zu den deutschen Truppen geliefert.284 Zwei Mal gelang es deutschen Truppen direkt an das Wolgaufer vorzustoßen, um das Zentrum der sowjetischen Widerstandsnester, das Traktorenwerk, die beiden Fabriken „Roter Oktober“ und „Barrikady“, sowie den Übersetzpunkt der russischen Soldaten am Ostufer der Wolga zu umschließen und unter Artilleriefeuer zu nehmen.285 Die Soldaten der deutschen Wehrmacht waren jedoch „[…] von den monatelangen Märschen erschöpft, Waffen und Material nahmen Schäden, während die Sowjets immer neue Truppen und effektive Waffen […] ins Gefecht führten.“286 Das Rüstungszentrum Stalingrads war zerstört und der Schiffsweg auf der Wolga in Richtung des Iran blockiert287, nur die Eroberung des gesamten Fabrik- und Industriekomplexes konnte von den deutschen Truppen bis dato nicht erreicht werden.288 Stalin hatte seinen Generälen unmissverständlich dargelegt, dass er es nicht wolle, dass die Stadt mit seinem Namen in die Hände der Deutschen komme.289 Für die russischen Verteidiger der Stadt an der Wolga galt

280 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 499. 281 Schröter, Stalingrad, S. 27-28. 282 Ebd., S. 95. 283 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 499. 284 Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 87. 285 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 335. 286 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 257. 287 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500. 288 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196. 289 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 41 somit der von Kommandeuren und Offizieren der Roten Armee ausgegebene eiserne Grundsatz: „Kämpft, als gäbe es am anderen Ufer der Wolga kein Land mehr!“290 Die Truppen der deutschen Vorausabteilungen waren zudem schon derart ausgelaugt, dass eine Kampfpause nötig wurde, um neue Kräfte für den weiteren Kampf zu massieren.291 „Die von den Einheiten gemeldeten Verluste waren bedrückend groß. Die Divisionen brannten aus. Ersatz kam nur tropfenweise und stand in gar keinem Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf.“292 Militärisch gesehen begann die deutsche Angriffsbewegung zu stocken.293 Die 6. Armee funkte an das OKH, dass die deutschen Truppen auf Grund zahlreicher Ausfälle kräftemäßig nicht in der Lage waren, die ganze Stadt, laut Befehl, zu erobern.294 Hitler verkündete bereits am 8. November 1942 im Löwenbräukeller in München, dass Stalingrad bereits von deutschen Truppen eingenommen worden war und nur noch vereinzelter russischer Widerstand in Stalingrad auf dem Weg zum endgültigen militärischen Sieg vorhanden war.295 Die deutschen Soldaten konnten Hitlers Rede live über den Truppenrundfunkempfänger über Kurzwelle empfangen.296 Bspw. druckte die Freiburger Zeitung Hitlers Rede unter der Schlagzeile „Fanatisch wie einst – stärker und entschlossener als je“297, am Folgetag ab: „[…] ich wollte zur Wolga kommen, und zwar an einer bestimmten Stelle, an einer bestimmten Stadt. Zufälligerweise trägt sie den Namen von Stalin selber, aber denken Sie nur nicht, daß ich aus diesem Grunde dorthin marschiert bin – sie könnte auch ganz anders heißen – sondern weil dort ein ganz wichtiger Punkt ist. Dort schneidet man nämlich dreißig Millionen Tonnen Verkehr ab, darunter fast neun Millionen Tonnen Oelverkehr [sic!]. Dort floß der ganze Weizen aus diesen gewaltigen Gebieten der Ukraine, des Kubangebietes, zusammen, um nach dem Norden transportiert zu werden. Dort ist das Manganerz befördert worden; dort war ein gigantischer Umschlagplatz. Den wollte ich nehmen und – wissen Sie – wir sind bescheiden, wir haben ihn nämlich! Es sind nur noch ein paar ganz kleine Plätzchen da. Nun sagen die anderen: ‚Warum kämpfen sie dann nicht?‘ – Weil ich kein zweites Verdun machen will, sondern es lieber mit ganz kleinen Stoßtrupps mache. Die Zeit spielt dabei gar keine Rolle. Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hoch. Und das ist das Entscheidende!“298

Die von Hitler zitierten „kleinen Plätzchen“ waren in Wirklichkeit jedoch 10% der gesamten Stadt, in denen die Wehrmacht bis dato keinen nennenswerten Bodengewinn gegen die

290 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 291 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 335. 292 Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 87. 293 Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 74. 294 Schröter, Stalingrad, S. 28. 295 Freiburger Zeitung, 9.11.1942, S. 4, [http://de.metapedia.org/m/images/a/a8/Frz.1942-11-09.03.jpg], eingesehen, 10.04.2014. 296 Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 93. 297 Freiburger Zeitung, 9.11.1942, S. 4. 298 Ebd., S. 4. 42 russische Verteidiger erreichen konnten.299 Die Verluste auf beiden Seiten, der Verteidiger und Angreifer standen im Kampf um Stalingrad in keinem Verhältnis mehr zum Raumgewinn in der Stadt.300 „Mit verbissener Wut, einer Zähigkeit und jener Unbedingtheit, die der Feldzug im Osten so mitleidlos entwickelt hatte, wurde buchstäblich um jeden Fußbreit Boden gerungen.“301 Vor allem im nördlichen Teil Stalingrads, im Gebiet der Spartakowsiedlung und des Schlachthofes, wurde durchgehend gekämpft. In wechselvollen Gefechten fiel der umkämpfte Boden alternierend an beide Kriegsparteien.302 Erst die nächste große deutsche Offensivaktion vom 14. bis 29. Oktober mit dem Ziel endgültig an die Wolga durchzubrechen, welche ein Kräfteaufgebot von fünf Divisionen mit 300 Kampfpanzern stellte, brachte partielle Gebietsgewinne für die Deutschen.303 Bei dem Großangriff wurde die Fabrik „Roter Oktober“ gänzlich von deutschen Soldaten erobert, die Fabrik „Barrikady“ und das Traktorenwerk blieben jedoch weiterhin teilweise deutsch bzw. russische besetzt.304 Massenhaft gerieten deutsche Soldaten in russisches Feuer bei dem Versuch, das übriggebliebene Fabriksgelände zu gewinnen.305 35.000 verletzte sowjetische Soldaten wurden über die Wolga geschifft und Reserven von 65.000 Mann sowie 24.000 Tonnen Munition im Gegenzug vom anderen Ufer der Wolga mit Booten zugeführt.306 Der russische General Tschuikow schrieb in einem Bericht über den Kampftag: „‚Von nun an umklammerten sich beide Armeen in tödlicher Umarmung; die Front bewegte sich praktisch nicht mehr‘“307. Ab diesem Zeitpunkt verlief die Hauptkampflinie teilweise nur noch einen halben Kilometer vom Ufer der Wolga entfernt, jedoch hatten die 20 deutschen Divisionen in Stalingrad schon die Hälfte ihrer Kriegsstärke eingebüßt. 308 Entgegen der Ratschläge seiner Generäle entschied Hitler den Kampf um Stalingrad weiterzuführen.309 „[…] Hitler, für den sich die Eroberung der Stadt, die Stalins Namen trug, zu einer Art Wahn auswuchs, zu einem Symbol, [wollte] nach dem Festfahren der großen Sommeroffensive wenigstens einen ideologischen Gewinn eingefahren […] haben.“310 Für

299 Friedemann Bedürftig u.a., Chronik des Zweiten Weltkrieges, München 2004, S. 227. 300 Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 87. 301 Ebd., S. 87. 302 Ebd., S. 94. 303 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500. 304 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 336-337. 305 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500. 306 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 336-337. 307 Wassili Tschuikow, zit. in: Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 337. 308 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 337-338. 309 Bernd Wegner, Stalingrad: Schlacht und Mythos: Heldendrama von antiker Größe?, in: Damals. Das Magazin für Geschichte und Kultur (6/2001), S. 14-21, hier S. 14. 310 Berthold Seewald, Wie aus Stalingrad eine gigantische Falle wurde, Die Welt Online, 22.10.2012, [http://www.welt.de/kultur/history/article110092183/Wie-aus-Stalingrad-eine-gigantische-Falle-wurde.html], eingesehen 14.04.2014. 43 einen Verbleib sprach zudem das Faktum der Unterbringungsmöglichkeit und des Schutzes in den Trümmern und Ruinen der Stadt, für die schon im Vorhinein für den Winter schlecht ausgerüsteten deutschen Truppen, die bei einem Rückzug in offenes Gelände und unbesiedelbarer Steppe im Winter die Stellung vor Stalingrad hätten halten müssen.311 Das Wetter begann ab 11. November 1942 umzuschlagen und die Wolga drohte zu gefrieren. Weitere Truppen der Roten Armee hätten dadurch auf schnellem Weg über das Eis nach Stalingrad geschleust werden können. Aus diesem Grund entschied sich Paulus abermals eine Großoffensive zu starten. Am nächsten Tag begann der Angriff und der 4. Panzerarmee gelang es von Süden aus, an die Wolga vorzudringen. Stalingrad war somit von deutschen Truppen eingekesselt. „Das war der letzte Erfolg, der den Deutschen an diesem östlichsten Punkt ihres Vormarsches in Russland beschieden sein sollte.“312 Die sich vom Wolgaufer zwei Kilometer in die Breite und 100 Meter in die Länge ziehenden letzten russischen Verteidigungsstellungen konnten von den erschöpften deutschen Soldaten nicht erobert werden.313 „In diesen Boden krallten sich die Rotarmisten fest, und Meter vor dem Ziel zerschellte die deutsche Angriffskraft.“314 Am 17. November kam der Führerbefehl, dass die deutschen Truppen, trotz schwieriger Lage, sich endgültig bis an die Wolga vorkämpfen sollten. „‚Die Schwierigkeiten des Kampfes um Stalingrad u. die gesunkenen Gefechtsstärken sind mir bekannt. […] Ich erwarte deshalb, daß […] die Truppe nochmals mit dem oft gezeigten Schneid alles einsetzen [wird], um […] bis zur Wolga durchzustoßen […]‘“315. Es gelang den deutschen Streitkräften zwar, die Stadt zu 90% einzunehmen und den Status quo soweit zu erhalten, doch trotz eindringlichem Führerbefehl eines „Weiterführen des Angriffs […] mit dem Ziele, am 18.11. Ort u. Wolgaufer in Besitz zu nehmen“316, erreichten die Landser ihr Vorhaben nicht, die Soldaten der Roten Armee am Westufer der Wolga zu schlagen und Stalingrad gänzlich zu besetzen.317 Hitler begann mehr und mehr die strategischen Anregungen und Ratschläge seiner Generäle für den Kampfeinsatz abzulehnen und diese zu beschimpfen.318 Hitler, geleitet von seiner ausgeprägten Persönlichkeit in Korrelation mit „[…] eine[m] stetig wachsenden Problemdruck hoffnungslos überfordert, bewertete […] wie im Winter des Vorjahres so auch jetzt einzelne Daten, Nachrichten oder Erfahrungswerte nicht im Rahmen einer systematischen Gesamtanalyse, sondern

311 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10 312 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 338. 313 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500. 314 Ebd., S. 500. 315 Kriegstagebuch AOK 6, 17.11.1942. BArch, RH 20-6/221. 316 Ebd. 317 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 318 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 269. 44

benutzte sie willkürlich als Versatzstücke zur Begründung eines auf der Grundlage nur weniger Orientierungsmarken gefassten Entschlusses.“319

Die Generalität erkannte zwar, dass der „Führer“ die Lage an der Ostfront und im Speziellen bei Stalingrad nicht mehr objektiv beurteilte und sich ein gravierender Realitätsverlust beim obersten Befehlshaber abzeichnete, dennoch wurden all seine Befehle trotz besseren Wissens loyal befolgt und die Gefährdung der Armee hingenommen.320 Hitler hatte durch seine „[…] groteske Selbstüberschätzung, er habe Stalingrad und die Wolga längst in der Tasche, die deutschen Generäle vor Ort mit Realitätsfremdheit geschlagen.“321 Weder Hitler noch seine engsten Berater erkannten, dass die zähe Verteidigungsbestrebung der sowjetischen Truppen weniger der in Trümmern liegenden Stadt galt, sondern eher einer zeitlichen Verzögerung zur Planung einer Gegenoffensive der Roten Armee322, für die ein Gros an Reservetruppen zurückgehalten wurde.323

3.1 Die Einkesselung der 6. Armee Das russische Oberkommando wurde bereits während der deutschen Offensive mit der Planung eines groß angelegten Gegenangriffs, der s.g. Operation „Uranus“, beauftragt. Hierzu wurden neue schlagkräftige Truppen nach Stalingrad beordert, deren Auftrag es war, im Zangenangriff die mit der Wehrmacht verbündeten rumänischen Verbände an den Flanken der 6. Armee zu überrennen, einen Ring um Stalingrad zu bilden und schlussendlich die deutschen Truppen innerhalb der Stadt einzuschließen.324 Paulus äußerte bereits seit August Kritik an der Flankensicherung für den Vorstoß seiner Verbände.325 „Um ein möglichst großes Heer gegen Stalingrad zusammenzuziehen, hatte Hitler andernorts gespart, indem er die Flügel der Steppenfront, am Don nördlich und südlich der Stadt mit Truppen seiner Verbündeten besetzt hatte […]“326. Der Umstand einer instabilen Front am Don war sowohl der Wehrmachtsführung als auch Hitler bekannt, jedoch waren

319 Bernd Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion 1942/43, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Der Globale Krieg: die Ausweitung zum Krieg und der Wechsel der Initiative 1941-1943, hrsg. v. Militärgeschichtliches Forschungsamt, Stuttgart 1990, S. 761-1102, hier S. 1034. 320 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 269. 321 Berthold Seewald, Stalingrad – Agonie und Irrsinn deutscher Führung, Die Welt Online, o.D., [http://www.welt.de/kultur/history/article111264463/Stalingrad-Agonie-und-Irrsinn-deutscher- Fuehrung.html], eingesehen 14.05.2014. 322 Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 14. 323 Jürgen Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942 bis 2. Februar 1943, in: Schlachten der Weltgeschichte: von Salamis bis Sinai, hrsg. v. Stig Förster u.a., München 2001, S. 325-338, hier S. 329. 324 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 325 Torsten Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, in: Stationen im 20. Jahrhundert, hrsg. v. Rolf Steininger u.a., Innsbruck 2011, S. 32-55, hier S. 44. 326 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 338. 45 keine Reserven zur Verstärkung der Fronttruppen vorhanden und für Hitler kamen Dislokationsveränderungen deutscher Truppe, die eine Reduzierung der Kampfkraft der Heeresgruppe A zur Folge gehabt hätten, oder sogar das Heranführen von größeren Truppenkontingenten aus der Westfront, nicht in Frage. Die deutsche Führung begnügte sich mit der Überzeugung, dass die Rote Armee zu diesem Zeitpunkt zu keiner größeren Offensivaktion in der Lage war.327 Die russische Führung kannte jedoch den Schwachpunkt der Flankensicherung der 6. Armee.328 Im Süden und Nordwesten von Stalingrad begann die Großoffensive der Roten Armee am 19. November 1942 anzulaufen.329 Für den militärischen Schlag standen der Roten Armee südwestlich und westlich von Stalingrad fünf Infanterie- und zwei Panzerarmeen unter dem Kommando von General Watunin und General Rokossowski, sowie südlich eine Panzer- und drei Infanteriearmeen unter der Führung von General Jeremenko, zur Verfügung.330 Das Gesamtkontingent an russischen Truppen belief sich demnach auf eine Million Soldaten, 894 Panzer, 13.000 Geschütze und 1.150 Flugzeuge.331 Nach einem schweren russischen Artillerieschlag auf die rumänischen Stellungen um 7 Uhr 30332 starteten die russischen Divisionen aus den Brückenköpfen bei Kletskaja und Bolschoi ihre Offensive.333 Die Verbände der deutschen Bundesgenossen konnten gegen den Angriff der russischen Truppen keinen effektiven Widerstand leisten, obwohl an machen Abschnitten der Hauptkampflinie erbittert um die Stellungen gerungen wurde.334Die sowjetischen Divisionen überrannten die Stellungen der 3. rumänischen Armee und brachen 35 km weit durch die Flankensicherung der 6. Armee335 in Richtung Liskatal ein.336 Erst in den Mittagsstunden erkannte die Führung der 6. Armee, das s.g. Armeeoberkommando 6 (AOK6), dass die sowjetische Offensive gegen die Flanken und das Hinterland der Armee abzielte. Um 21 Uhr 30 befahl die Führung der Heeresgruppe B, Generaloberst von Weichs337, einerseits den Abbruch des Vorstoßes auf Stalingrad und andererseits die Formierung eines kampfkräftigen Verbandes, der die Tiefe des Raumes an der linken Flanke sichern sollte, die zum Überleben der Armee essentielle Bahnverbindung Lichovskoj – Bahnhof Tschir zu

327 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44. 328 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 338. 329 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 330 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 339. 331 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 501. 332 Ebd., S. 501. 333 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 12. 334 Manfred Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, in: Stalingrad. Ereignis - Wirkung - Symbol, hrsg. v. Jürgen Förster, München 19932, S. 76-111, hier S. 80-81. 335 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44. 336 Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 95. 337 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203. 46 halten, und wenn es die Lage erlauben sollte, selbst zum Gegenangriff überzugehen. Die geplante Aktion bedurfte jedoch einer Anlaufzeit von drei Tagen.338 Die deutschen Truppen konnten zwar während des 20. November im Westen die Front einigermaßen stabilisieren, jedoch brachen die starken russischen Kräfte im Süden an der s.g. „Stalingrader Front“ beim rumänischen VI. Armeekorps in der Nähe der Seen-Enge und der 20. rumänischen Infanteriedivision ein.339 General Jeremenkos Truppen schnitten durch den Flankendurchbruch Teile von Generaloberst Hoths 4. Panzerarmee ab340 und schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass die für die Wiederherstellung der Lage veranschlagte 29. motorisierte Infanteriedivision nicht genügte, um die Situation für die deutschen Truppen wieder zu verbessern.341 Die 4. rumänische Armee verlor zudem noch ihre Stellungen bei Ivanovka und die Truppen der Roten Armee stießen immer weiter vor.342

343

338 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 80-81. 339 Ebd., S. 81. 340 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 501. 341 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 81. 342 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44. 343 Operation „Uranus“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ab/Map_Battle_of_Stalingrad- lt.svg, eingesehen 10.07.2014, eigene Darstellung. 47

„Im Oberkommando der Wehrmacht herrschte […] zwar Beunruhigung, doch keineswegs Katastrophenstimmung.“344 Die deutsche Führung in der Personen von Hitler und dem Chef des Generalstabes des Heeres, General Zeitzler, reagierten sogleich und befahlen den Stab des AOK 11 der Heeresgruppe Nord, dem auch Generalfeldmarschall von Manstein angehörte, auszugliedern und an die Ostfront zu verlegen, um das Kommando der aus Verbänden der Heeresgruppe B neu aufgestellten Heeresgruppe Don zu übernehmen345 mit dem Ziel, „[…] die sowjetischen Angriffe zum Stehen zu bringen und die verlorenen Stellungen wiederzugewinnen.“346 Am 21. November 1942 wurde die Lage rund um Stalingrad stetig prekärer für die deutschen Verbände. Bei Kalasch am Don zeichnete sich ein Durchbruch der Roten Armee immer mehr ab und die deutsche Führung setzte sich bereits mit einem zeitlich begrenzten Einschluss der Armee auseinander.347 Hitler befahl zu diesem Zeitpunkt mit einem „Führerentscheid: 6. Armee hält trotz Gefahr vorübergehender Einschließung“348, den gewonnenen Boden in Stalingrad. Das Zusammentreffen der sowjetischen Panzertruppen, die aus dem Südosten und Nordwesten auf Kalatsch vorstießen, war von den deutschen Verbänden nicht mehr zu unterbinden349 und die Don-Brücke bei Kalatsch ging in der Nacht auf den 22. November gegen Kräfte der Vorausabteilung des sowjetischen 26. Panzerkorps verloren.350 Der Tag erwies sich als Schicksalstag, denn die Flankensicherung der 6. Armee wurde nach „[s]tärkste[n] Angriffe[n] auf allen Fronten“351 gänzlich durchbrochen.352 Die logistischen Nachschubwege der 6. Armee mittels der Bahnstrecke Rostow – Stalingrad war somit abgeschnitten353 und die operativen Möglichkeiten der deutschen Truppen verringert. 354 Hitler schrieb am selben Tag an Paulus: „Die 6. Armee ist vorübergehend von russischen Kräften eingeschlossen. Ich kenne die 6. Armee und ihren Oberbefehlshaber und weiß, daß sie sich in dieser schweren Lage tapfer halten wird.“355 Am 23. November vereinigten sich die Angriffsspitzen der Roten Armee bei Sovetskij.356 Die gesamte 6. Armee, einige Verbände der 4. Panzerarmee sowie die restlichen Soldaten der

344 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203. 345 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 81. 346 Ebd., S. 81. 347 Ebd., S. 82. 348 Heeresgruppe B an AOK 6, 21.11.1942. BArch, RH 20-6 - 241, fol. 272 349 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 82. 350 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 12. 351 Paulus an Heeresgruppe B, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 149. 352 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 353 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 12. 354 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 83. 355 Hitler an Paulus, 22.11.1942. BArch, RH 20-6 - 238, fol. 181. 356 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44. 48

3. und 4. rumänischen Armee waren ab diesem Zeitpunkt in Stalingrad eingekesselt. Insgesamt war ein Kontingent von 290.000 Soldaten unter deutschem Oberbefehl in Stalingrad eingeschlossen.357 Darüber hinaus hatten die Verbände der Roten Armee auch zahlreiche Nachschubdepots der deutschen Truppen erobert, und die schon im Vorfeld problematische Versorgungssituation wurde somit noch verschlimmert.358 Nach der Einkesselung war der erste Funkspruch des Kommandos der 6. Armee an das übergeordnete Kommando der Heeresgruppe B: „Armee eingeschlossen […] trotz heldenmütigem Widerstandes […]“359. Stalingrad wurde von Hitler daraufhin sogleich zum Sinnbild „[…] deutschen Sieges- und Kampfeswillens“360 deklariert. Die Stadt an der Wolga erfuhr somit nicht nur einen taktischen und militärstrategischen Wert, sondern wurde zu einer Auseinandersetzung um den eigenen Prestigeerfolg zweier Diktatoren hochstilisiert.361 Generaloberst Paulus befahl den deutschen Truppen, sich im Kessel einzuigeln und zeitgleich die Planung für einen Ausbruch mitlaufen zu lassen.362 Paulus war bezüglich „[…] seine[s] Handeln[s] in den Novembertagen 1942 kein Vorwurf zu machen […]. In jedem Falle mußte er für die vom Gegner umzingelten Verbände den Befehl geben sich einzuigeln, ganz gleich, wofür man sich dann entschied […]“363 um präventiv die Möglichkeit der russischen Kräfte zu verhindern, dass die gesamte Armee aus deren Hinterland aufgerieben werden würde.364 Der Oberbefehlshaber der 6. Armee bat zudem das OKW „[…] auf Grund der Lage nochmals um Handlungsfreiheit.“365, um mit Zustimmung der deutschen Führung aus dem 40 mal 50 km umfassenden Kessel in westlicher Richtung ausbrechen zu dürfen.366 Paulus hielt zu diesem Zeitpunkt ein „[…] Durchschlagen nach Südwesten […] über den Don zur Zeit noch für möglich, wenn auch unter Opferung von Material.“367 Auch die nächsthöhere Befehlsgewalt, General von Weichs sprach sich wie Paulus für ein Rückzug der Truppen aus Stalingrad zur Bildung einer neuen Frontline für den weiteren Feldzug aus368: „Trotz der außergewöhnlichen Schwere des zu fassenden Entschlusses muß ich melden, daß ich [die] Zurücknahme der 6. Armee, wie von General Paulus vorgeschlagen, für notwendig halte.“369

357 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 358 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203-204. 359 Funkspruch des AOK 6 an die Heeresgruppe B, 22.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 179. 360 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135. 361 Ebd., S. 135. 362 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44. 363 Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 82. 364 Ebd., S. 82. 365 General Paulus bittet um Handlungsfreiheit, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/176. 366 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136. 367 Paulus an Heeresgruppe B, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 149. 368 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203. 369 Ebd., S. 203. 49

Ein Rückzug aus Stalingrad kam jedoch für Hitler nicht in Frage. Laut dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht war es nötig, die Stadt an der Wolga unbedingt zu halten, denn jeder Abzug deutscher Truppen wäre Verrat gewesen.370 „Hier war nun nicht eine höhere politisch-moralische Urteilskraft der Generale gefordert, sondern einfach ihr militärischer Sachverstand und ihr Verantwortungsbewußtsein. Da sachlich Einmütigkeit über die Notwendigkeit eines Ausbruchs herrschte, bedurfte es keiner Verschwörung, keiner Konspiration, keiner geheimen Absprachen, um die richtige Entscheidung zu treffen.“371

Doch „[a]usgerechnet Manstein, der im Heer größte Autorität genoss, gab ein Beispiel im Denken der militärischen Führung, dass Hitler nicht nur der Oberbefehlshaber, sondern auch moralisch höchste Instanz für viele in der Wehrmachtgeneralität geworden war.“372 Paulus sah nämlich dem Haltebefehl Hitlers und einem veranschlagten Entsatz skeptisch entgegen. Hierzu rief Generalfeldmarschall von Manstein Paulus in Erinnerung, wem er Treue und Gehorsam geschworen hatte373: „Der Befehl des Führers entlastet Sie von der Verantwortung […]. Was wird, wenn die Armee in Erfüllung des Befehls des Führers die letzte Patrone verschossen haben sollte, dafür sind Sie nicht verantwortlich!“374 Überdies hinaus besaß Paulus auch nicht die Willensstärke einen eigenmächtigen Ausbruchsbefehl zu erteilen. Seine permanente Beurteilung der Lage ließ Paulus zudem immer neue Argumente gegen einen sofortigen Ausbruch finden, bei deren Abwägung er auch noch von seinem hitlertreuen Stabschef bekräftigt wurde.375

3.2 Uneinigkeit im Kessel General der Artillerie und Kommandeur des LI. Armeekorps im Norden des Kessels, von Seydlitz-Kurzbach, wurde kurzzeitig zum Gegenspieler für Paulus. Bezüglich eines Gesamtausbruchs der deutschen Truppen war er – entgegen der immer noch vorherrschenden führertreuen Linie von Paulus – für ein eigenmächtiges Handeln und der sofortigen Mobilisierung der deutschen Verbände. Seydlitz wurde auf Grund des Ausbruchserfolges beim Kessel von Demjansk von Hitler geschätzt und zum Befehlshaber der Nord- und

370 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136. 371 Heinrich Graf von Einsiedel, Stalingrad, in: Der Überfall. 152 erstmals veröffentlichte Farbaufnahmen vom Beginn des Russlandfeldzugs bis Stalingrad, hrsg. v. Archiv für Kunst und Geschichte, 1984, S. 28- 35, hier S. 28-29. 372 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45. 373 Ebd., S. 44-45. 374 Brief von Manstein an Paulus, 27.11.1942, zit. in: Manfred Kehrig, Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht, Stuttgart 1979, S. 572. 375 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 260. 50

Ostfront in Stalingrad beordert.376 „Für […] General von Seydlitz-Kurzbach […] bedeutete militärische Verantwortung allerdings mehr als Gehorsam – er sah zumindest die Verantwortung des militärischen Führers für seine Soldaten.“377 Der Kommandeur im Nordkessel legte Paulus das Beispiel des Generals Karl von Litzmann, der 128 Jahre zuvor, entgegen eines Haltebefehls, aus einer russischen Einschließung ausgebrochen war, nahe, wie dieser auch „[…] den Weg des Löwen einzuschlagen“378 und gegen Hitlers Befehl mit seinen Truppen aus dem Kessel von Stalingrad auszubrechen.379 Die deutschen Korpskommandanten tendierten, wie von Seydlitz, zu einem Rückzug aus der Stadt. Für diese stand fest, dass es besser ist „[…] mit fünf Divisionen [zu] entkommen als mit 20 [zu] sterben.“380 Von Seydlitz prognostizierte, dass die Führung der Roten Armee die Absicht hatte die Offensive mit aller Kraft weiter voranzutreiben, um die deutschen Truppen im Kessel von Stalingrad vernichtend zu zerschlagen, bevor Hilfe von außerhalb kommen konnte.381 „Umgekehrt folgerte von Seydlitz daraus, daß die eingeschlossenen Verbände verloren sein würden, wenn nicht schnellstmöglich für Verstärkung gesorgt werden könne.“382 Bereits in der Nacht vom 23. auf den 24. November ließ von Seydlitz, trotz der Mahnung von Paulus auf die Führerbefehle zu vertrauen, eigenmächtig seine Truppen etappenweise von der nördlichen Frontlinie absetzen, um den Führungsstab der 6. Armee zu einer Reaktion auf die immer schlechter werdende Lage im Kessel gezwungenermaßen zu bewegen oder im besten Fall für einen Ausbruch zu gewinnen.383 Die Truppen der Roten Armee bemerkten jedoch den Abzug der deutschen Truppen an der Frontline im Norden und stürmten gegen die sich in absetzender Bewegung befindlichen Landser an. Von Seydlitz trug nun die alleinige Schuld für die hohen Verluste der unter seinem Kommando stehenden 94. Infanteriedivision.384 In einer mit seinem Generalstabschef Hans Clausius zusammen entworfenen Denkschrift schrieb von Seydlitz an Paulus385: „Die Armee steht vor dem eindeutigen Entweder-Oder: Durchbruch nach Südwesten in allgemeiner Richtung Kotelnikowo oder Untergang in wenigen Tagen.“386 Würde die Lage im Kessel unverändert bleiben, so wäre

376 Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz, S. 24. 377 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45. 378 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 163. 379 Ebd., S. 163. 380 Ebd., S. 164. 381 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 206. 382 Ebd., S. 206. 383 Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz, S. 24. 384 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45. 385 Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz, S. 24. 386 General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 8. 51

„[d]ie Aussicht, in der versorgungsmässig [sic!] noch tragbaren Zeit den Entsatz wirksam werden zu lassen, […] gleich null.“387 Paulus ließ sich von von Seydlitz jedoch nicht in seinen Entscheidungen beeinflussen und der Generalstabschef des AOK 6, Generalmajor , vermerkte auf zynische Weise handschriftlich auf der Denkschrift: „Wir haben uns nicht den Kopf des Führers zu zerbrechen und Gen[eral] v. Seydlitz nicht den des O[ber] B[efehlshabers]!“388 Die Einstellung von Schmidt teilte auch ein Gros der deutschen Generalität. Ein Offizier hat im Sinne des Auftrages zu gehorchen und Befehle des übergeordneten Kommandos nicht zu hinterfragen, sowie keine politischen Urteile zu fällen.389 Im Kessel stand für General von Seydlitz jedoch unmissverständlich fest: „Soll die Armee erhalten werden, so muss sie einen anderen Befehl sofort herbeiführen oder sofort einen anderen selbst fassen.“390 Auf Grund dessen appellierte der Kommandeur im Nordkessel vehement an Paulus‘ Vernunft und forderte den Generaloberst zum Ergreifen der Initiative gegen den Willen des Führers auf: „Hebt das O.K.H. den Befehl zum Ausharren […] nicht unverzüglich auf, so ergibt sich vor dem eigenen Gewissen gegenüber der Armee und dem deutschen Volke die gebieterische Pflicht, sich durch den bisherigen Befehl verhinderte Handlungsfreiheit selbst zu nehmen und von der heute noch vorhandenen Möglichkeit, die Katastrophe durch eigenen Angriff zu vermeiden, Gebrauch zu machen.“391

General Zeitzler, der Generalstabschef des Oberkommandos des Heeres, teilte in der Diskussion um einen Ausbruch deutschen Truppen nicht Schmidts Geisteshaltung, sondern der Beurteilung der Lage der Generäle an der Front.392 Zeitzler willigte ein, Hitler „[…] vorzuschlagen, daß die 6. Armee sofort einen Durchbruchsversuch wagen müsse.“393 Die Generalität nahm an, dass sich Hitler von Zeitzler zum Ausbruch überreden lassen würde. Hierzu hatte Zeitzler bereits in Auftrag gegeben, alle Vorkehrungen für einen Rückzug aus Stalingrad zu veranlassen.394

3.3 Hitlers Haltebefehl Generalstabschef Zeitzler sprach am Morgen des 24. November 1942 mit Hitler und erklärte ihm, dass nur die Aufgabe von Stalingrad eine größere militärische Katastrophe abwenden

387 General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 11. 388 Handschriftlicher Zusatz von Generalmajor Schmidt zum Lagebericht aus dem Kessel, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 13. 389 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 208. 390 General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 11. 391 Ebd., fol. 13. 392 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 208. 393 Ebd., S. 208. 394 Ebd., S. 208. 52 könne und legte dem „Führer“ die Folgen eines Nichtausbruchs mit veranschaulichenden Worten dar395: „Das bedeutet Tod oder Gefangennahme für eine Viertelmillion tapferer Soldaten. Der Verlust dieser großen Armee würde der Ostfront das Rückgrat brechen.“396 Zwei von Hitlers engsten Beratern, Generalfeldmarschall Keitel und Generaloberst Jodl, teilten Zeitzlers Auslegungen nicht. Keitel verkündete im Hauptquartier397: „Mein Führer, geben Sie Stalingrad auf keinen Fall auf!“398, und Jodl der die militärische Sinnhaftigkeit eines Ausbruchs mit dem Halten Stalingrads verglich, kam zum gleichen Entschluss, Stalingrad zu halten. Hitler bekam somit den Standpunkt zu hören, den er selbst vertrat. Zeitzler zitierte Hitler: „Sie sehen, daß ich mit meiner Ansicht nicht allein stehe. Ich werde mich also weiterhin an die von mir bereits getroffene Entscheidung halten.“399 Ab diesem Zeitpunkt bezeichnete Hitler die Stadt an der Wolga nur noch als „Festung Stalingrad“.400 Der Festungsbegriff sollte an der Heimatfront den Anschein erwecken, dass sich die deutschen Landser in Stalingrad hinter fest ausgebauten sicheren Stellungen eines Festungsgürtels befanden. Dies entsprach jedoch nicht der Realität.401 Nach der Besprechung mit Zeitzler traf die von den Generälen erwartete Funkmeldung im Kessel ein. Jedoch war die Meldung, entgegen den Erwartungen, ein Führerentscheid mit oberster Priorität und ohne Widerspruchschance. 402 Der Führerentscheid war eindeutig zu verstehen: „Jetzige Wolgafront und jetzige Nordfront […] unter allen Umständen […] halten.“403 Stalingrad war für die Planung der nächstjährigen deutschen Sommeroffensive als Eckpfeiler essentiell und sollte demnach unter allen Umständen in den Händen der Landser bleiben.404 Hitler argumentierte, dass das bereits unter teilweise schweren Verlusten eroberte Gebiet, womit er v.a. Stalingrad ansprach, im Falle eines Rückzugs deutscher Truppen, im Folgejahr wieder neu erobert werden müsse.405 Zudem kam der Umstand, dass die deutsche Propaganda im Reich bereits wochenlang den endgültigen Fall von Stalingrad angekündigt hatte und ein Gesamtrückzug der deutschen Truppen und eine Aufgabe Stalingrads Hitler selbst mit dem „[…] Odium des Verlierers belaste[t]“406 hätte.407

395 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 212. 396 Ebd., S. 212. 397 Ebd., S. 212. 398 Ebd., S. 212. 399 Ebd., S. 212. 400 Ebd., S. 212. 401 Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 96. 402 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 208. 403 Führerentscheid vom 24.11.1942, zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 286. 404 Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 84. 405 , Verlorene Siege, 1959, S. 350. 406 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 11. 407 Ebd., S. 11. 53

3.4 Nachschub für die „Festung Stalingrad“ Das geplante Ziel war, die eingeschlossenen deutschen Truppen über den Luftweg zu versorgen. Wie die Lage im Jänner 1941 im Kessel von Demjansk von der deutschen Luftwaffe gemeistert worden war, sollte demnach die Armee in Stalingrad bis zum beabsichtigten Entsatz auf gleiche Weise erhalten408, der russische Verteidigungsring aufgebrochen, und die Besatzung der Stadt an der Wolga durch deutsche Truppen aufrechterhalten werden.409 Die Verantwortlichen für die Planungen der Luftversorgung im Oberkommando des Heeres, bei der Heeresgruppe B und im Stab der 6. Armee stellten jedoch eine Luftbrücke, in dem Ausmaß, wie es die Versorgung der deutschen Truppen in Stalingrad verlangte, in Frage.410 Ausschlaggebend für die Entscheidung einer Luftversorgung von Stalingrad war für Hitler die Zusicherung Hermann Görings. Laut dem Reichsmarschall würde die deutsche Luftwaffe zur Erreichung der Versorgung für Stalingrad „[…] bei jeder Wetterlage […] [fliegen]. Demjansk und andere Fälle hätten bewiesen, daß man so etwas könne.“411 Göring trug bei der entscheidenden Lagebesprechung nicht selbst vor, sondern Generaloberst Jeschonnek, sein Generalstabschef, vertrat die Standpunkte Görings. Jedoch war eine erfolgreiche Versorgung aus der Luft noch an zahlreiche Parameter, wie bspw. geeignetes Flugwetter, Flugplätze in der Nähe Stalingrads, geknüpft. Die Nebenbedingungen klammerte Hitler in der Entscheidungsfindung aus, das grundsätzliche „Ja“ des Reichsfeldmarschalls genügte.412 Im Gegensatz zum Kessel von Demjansk befanden sich jedoch im Kessel von Stalingrad drei Mal so viele Soldaten, die lebenserhaltende Güter für sich und den Kampfeinsatz benötigten. Ungeachtet dessen, dass das VIII. deutsche Fliegerkorps alles Mögliche unternahm, die verfügbaren Bomber und Transportmaschinen bei jeder Wetterlage nach Stalingrad zu schicken, auf behelfsmäßigen Pisten zu landen, um dann einerseits die so wichtigen Versorgungsgüter in den Kessel hinein und andererseits schwerverwundete Soldaten aus Stalingrad herauszufliegen, konnte die deutsche Luftwaffe jedoch im Winter des Jahres 1942/43 das benötigte Ausmaß an den essentiellen Gütern von 500 Tonnen täglichen Nachschubs auf Grund des Kapazitätenmangels von vornherein nicht erreichen.413

408 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136. 409 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 503. 410 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 210. 411 Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab), 1939-1945, Bd. 2/1, hrsg. v. Percy Ernst Schramm, Frankfurt am Main 1963, S. 86. 412 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 211. 413 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136. 54

Hitler hatte es zudem nicht für nötig erachtet, für die Truppen des Ostheeres angemessene Winterbekleidung, die die Soldaten gegen den harschen russischen Winter schützten sollte, anzuordnen, in dem Glauben, dass „[f]ür eine Besatzungsarmee, die nicht mehr in Kampfhandlungen verstrickt ist, […] in Rußland durchaus die vorhandene normale Winterkleidung [genüge].“414 Die Winterausrüstung für die Landser sollte eigentlich aus Übermänteln, Schlupfjacken, Kopfschützern, Fingerhandschuhen, Überstrümpfen sowie Filzschuhen bestehen, doch für die kämpfende Truppe in Stalingrad blieb die Winterbekleidung aus. Wegen Überlastung und fehlender Transportmöglichkeiten standen die Züge mit Ausrüstung für die 6. Armee nutzlos in der Ukraine. 76 Waggons in Jassinowotaja, 41 in Kiew, 17 in Charkow und 19 in Lemberg, fernab der Front.415 Bis 16. November konnte die Versorgung der Truppen in Stalingrad für den einsetzenden Winter nicht ausreichend erreicht werden. Beispielsweise meldete das Kommando der 6. Armee im Lagebericht am selbigen Tag, dass nur die Kämpfer, die direkt an der Hauptkampflinie standen, Winterbekleidung bekommen hatten, für die restlichen Soldaten waren keine Winteruniformen vorhanden. Außerdem war im Vorhinein die „[v]ollständige Ausstattung mit zusätzlicher Winterbekleidung […] ausgeschlossen, weil immer noch erhebliche Mengen fehl[t]en.“416 Seife war für die Verbände der 6. Armee nur noch bis Oktober vorhanden gewesen und Öfen nur noch zu einem Drittel des Winterbedarfs vorrätig.417 Auf Grund dessen konnte „[v]on einer Winterbevorratung […] noch auf keinem Gebiet gesprochen werden. Die geringe Vorratshaltung an Verpflegung […] [war] wegen schleppenden Nachschubs von Verpflegungszügen sogar zurückgegangen.“418

3.5 Die Lage in Stalingrad nach dem Einschluss Paulus gab am 27. November 1942 eine Lageinformation für die deutschen Einheiten im Kessel heraus, in der er schrieb: „Die Armee ist eingeschlossen: das ist nicht Eure Schuld. Zäh wie immer habt Ihr gehalten, bis der Feind uns im Rücken saß. Wir haben ihn hier gestellt. Er wird sein Ziel, uns zu vernichten nicht erreichen. […] Der Führer hat Hilfe versprochen.“419

414 Schröter, Stalingrad, S. 34. 415 Ebd., S. 34. 416 Beitrag des AOK6 zum Bericht über die Wintervorbereitungen, 16.11.1942. BArch, RH 20-6/888 fol. 205. 417 Ebd., fol. 206. 418 Ebd. 419 Tagesbefehl des Oberbefehlshabers General Paulus an die unterstellten Einheiten, 27.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 144. 55

Die Versorgung der 6. Armee wurde jedoch von Tag zu Tag bedenklicher420 und die Kampfkraft der Soldaten begann mit zunehmendem Verweilen im Kessel zu schwinden. Bereits vier Tage nach der Einkesselung der 6. Armee schrieb Generaloberst Paulus an die Heeresgruppe B, dass die „[z]ugesagte Luftzufuhr bisher ausgeblieben und nach Wetterlage wenig aussichtsreich [war]. […] Mun[ition]- und Betriebsstofflage machen daher in kürzester Zeit [die] Truppe wehrlos.“421 Zusätzlich kam noch der Umstand dazu, dass die russische Fliegerabwehr durch weitere zahlreiche Jäger und Flakbatterien so verstärkt worden waren, dass die Versorgungsflüge der deutschen Luftwaffe tagsüber nur noch mit Kampfflugzeugen des Typs HE 111, und die JU-52 ausschließlich bei Nacht fliegen konnten.422 Die deutsche Luftwaffe erreichte von 3. bis 12. Dezember eine durchschnittliche Güterzufuhr von 40 Tonnen pro Tag. Dies entsprach in etwa sieben Prozent der notwendigen kampfkrafterhaltenden Tageszufuhr in den Kessel423 und das Einfliegen von Munition und Betriebsmitteln konnte in keinster Weise in der geforderten Mindestmenge erreicht werden. 424 Am 11. Dezember waren die deutschen Generälen im Kessel bei der Lagebesprechung schon überzeugt, „[…] daß eine Luftversorgung in der der 6. Armee von anderer Seite angegebenen Höhe auch bei der Zuführung neuer Kräfte aus Wettergründen und auf Grund der herrschenden Feindlage […] nicht erreicht werden kann.“425 In Summe verlor die deutsche Luftwaffe an die 500 Flugzeuge im Einsatzraum Stalingrad.426 Dies war „[…] ein Blutzoll, von dem sich die Transporte der Luftwaffe nicht mehr erholen sollte.“427 Wichtige Rohstoffe für Unterkunft- und Stellungsbau, sowie Heizmaterial, Kohle und Holz gelangten von Tag zu Tag unzureichender zu den eingeschlossenen Soldaten.428 Erst am 7. Dezember gelang es Görings Luftwaffe, den Nachschub knapp an der Grenze zu den täglich versprochenen 300 Tonnen, mit 282 Tonnen Versorgungsgütern sicherzustellen. Das gelang den deutschen Fliegern nur noch ein einziges Mal zu wiederholen.429 Auf Grund dessen konnten für einen Ausbruch nach Südwesten wegen der gravierenden Unterversorgung keine dringend benötigten Reserven angehäuft werden.430 „Die Situation war für das AOK 6 ein hervorragender Anschauungsunterricht dafür, was zu erwarten war, wenn der

420 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344. 421 Paulus an Heeresgruppe B, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 149. 422 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 345. 423 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94. 424 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 26. 425 Major Stollberger berichtet über die Lagebesprechung mit General Paulus, 11.12.1942. BArch, RL 8/271. 426 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136. 427 Ebd., S. 136. 428 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 11. 429 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 328. 430 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94. 56

Entsatzangriff nicht durchschlug und die 6. Armee trotzdem an den Raum von Stalingrad gebunden war.“431 Der Einflug von platzsparendem Mehl statt fertig gebackenem Brot scheiterte an der Tatsache, dass die Umstellung auf eigenes Backen drei bis vier Tage in Anspruch genommen hätte, und die deutschen Soldaten den Zeitraum mit ihren noch vorhandenen eigenen Reserven nicht überbrücken hätten können. Aus diesem Grund musste weiterhin wässriges Roggenbrot in den Kessel eingeflogen werden, welches beim Transport gefror und vor dem Verzehr von den Landsern erst aufgetaut werden musste. Obwohl in Rostow Unmengen an Mehl- und Butterreserven der Wehrmacht gebunkert waren, konnten diese nicht an die Truppe verteilt werden. Stattdessen trafen teilweise tiefgefrorenes Frischfleisch und tonnenweise Konserven mit Gemüse im Kessel ein. Als Gewürze auszugehen drohten, wurden sogleich vier Tonnen Pfeffer und Majoran mit zwei JU-52 eingeflogen, jedoch kam keine dringend benötigte Kraftnahrung zu den Soldaten. Hinzu kam der Umstand, dass die deutschen Flieger, anstatt Versorgungsgüter und Lebensmittel, unnötige Dinge, wie 200.000 Propagandazeitschriften, Kragenbinden, Stacheldraht und Dachpappe, einflogen. An einem Tag kam es sogar vor, dass nur 6 Tonnen Bonbons und sperrige Teile für Pioniervorhaben im Kessel ankamen.432

4. Ein preußischer Stratege als Retter in der Not Feldmarschall Erich von Manstein, der besonders durch seine vormaligen militärstrategischen Erfolge und Führungseigenschaften433 v.a. beim Kampf auf der Krim um Sewastopol auf sich aufmerksam gemacht hatte, übernahm auf Befehl des OKH das Kommando in Südrussland beim neu formierten Armeeoberkommando, der s.g. Heeresgruppe Don.434 Dem großen Wehrmachtsverband unterstanden eine Luftwaffendivision, sechs Infanterie- und eine Panzerdivision sowie versprengte Teile ehemaliger rumänischer Verbände.435 Von Manstein trat umgehen mit Paulus mit dem Versprechen in Kontakt: „Übernehme [am] 26.11. Befehl über […] [Heeresgruppe] Don. Wir werden alles tun, Sie herauszuhauen.“436 Der am 25. November 1942 erlassene Führerbefehl gab dennoch die militärische Marschrichtung für die Truppen im Kessel und für die Bereitstellung der Entsatztruppen vor437:

431 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95. 432 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344. 433 Schröter, Stalingrad, S. 96. 434 Guido Knopp, Hitlers Krieger, München 1998, S. 191. 435 Will Fowler, Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942, Wien 2006, S. 163. 436 Generalfeldmarschall von Manstein teilt Paulus die Befehlsübernahme der Heeresgruppe Don mit. 24.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 163. 437 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 91. 57

„Führer beabsichtigt, 6. Armee in dem Raum jetzige Wolgafront, jetzige Nordfront […] zusammenzufassen […], dass so wenig wie irgend möglich schwere Waffen und Gerät zurückbleiben[,] [den Kessel] […] durch Angriff nach Südwesten […] zu erweitern, […] [und gleichzeitig die] Bildung [einer] bewegliche[n] Kräftegruppe um Kotelnikowo.“438

Teile der Heeresgruppe sollten unter von Mansteins Führung von Südwesten als Hilfskommando zu den eingekesselten deutschen Truppen in Stalingrad vorrücken und den alten Frontverlauf vor dem Angriff auf die Stadt an der Wolga wiederherstellen.439 „Vergeblich versuchte Manstein, den Oberbefehl über alle Truppen im Südabschnitt der Ostfront und freie Hand für eigene Operationen zu bekommen.“440 Der deutsche Generalfeldmarschall sah sich aus diesem Grund der schwierigsten Aufgabe seiner bisherigen Armeekarriere gegenüber, seine militärischen Fähigkeiten auf einer höheren Ebene auszuüben.441 Von Manstein gebot Paulus, dass „[e]s […] inzwischen darauf an[komme], daß [die] Armee gemäß Führerbefehl baldmöglichst starke Kräfte bereitstellt, um sich notfalls wenigstens vorübergehend eine Nachschubstraße nach Südwesten auszuschlagen.“442 Denn neben der Aufgabe, den deutschen Truppen im Kessel Hilfe zukommen zu lassen, kam auch noch der erschwerende Umstand hinzu, dass Hitler unter keinen Umständen gewillt war, einen Rückzug der gesamten deutschen Truppen aus der für ihn ideologisch so wichtigen Stadt zu genehmigen. Beim Lagevortrag im Führerhauptquartier in der Wolfsschanze in Ostpreußen bekundete Hitler vor den versammelten Generälen seinen unwiderruflichen Haltewillen bezgl. der Stadt an der Wolga443: „Ich habe mir, im großen [sic!] gesehen, eines überlegt […]. Wir dürfen unter keinen Umständen das erst aufgeben. Es wiedergewinnen werden wir nicht mehr. Was das bedeutet wissen wir. […] Wenn wir […] [Stalingrad] preisgeben, geben wir eigentlich den ganzen Sinn des Feldzuges preis. […] Daher dürfen wir hier auch nicht weggehen. Dazu ist zu viel Blut vergossen worden.“444

Auf Grund des bekannten Engpasses bei der Luftversorgung der eingekesselten Truppen war von Manstein anfänglich Hitlers Meinung, dass das Risiko eines Ausbruches der 6. Armee durch die zurzeit gegebenen Umstände im Kessel zu hoch sei, jedoch war für den

438 Führerentscheid vom 24.11.1942, zit. in: Kehrig, Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 562. 439 Knopp, Hitlers Krieger, S. 192. 440 Ebd., S. 192. 441 Ebd., S. 192. 442 Generalfeldmarschall von Manstein teilt Paulus die Befehlsübernahme der Heeresgruppe Don mit. 24.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 163. 443 Lagebesprechungen im Führerhauptquartier. Protokollfragmente aus Hitlers militärischen Konferenzen 1942- 1945, hrsg. v. Helmut Heiber, Stuttgart 1962, S. 43-57. 444 Ebd., S. 53-54. 58

Generalfeldmarschall klar, dass ein Halten der Stellung und etwaige militärische Operationen nur mit ausreichender Versorgung möglich waren. Paulus „[…] forderte [am 26. November 1942] von Manstein ‚für den alleräußersten Fall die Genehmigung zum Handeln nach Lage‘. Unter Hinweis auf den ‚Führerbefehl‘ lehnte dieser ab“445. Von Manstein erkannte aber, dass die 6. Armee ein Ausharren über den Winter hindurch in Stalingrad nicht überleben konnte und befahl die Erstellung eines zweiten Plans „[…] für den Fall, daß Hitler endlich Vernunft annahm.“446 Der deutsche Generalfeldmarschall stand somit vor drei großen militärischen Aufgaben: Erstens, die Lage an der Ostfront wieder zu Gunsten des deutschen Heeres zu drehen; zweitens, einen Durchbruch der russischen Verbände in Richtung Rostow zu unterbinden, um die Truppen der Heeresgruppe A nicht zu verlieren und drittens, die 6. Armee aus dem Kessel von Stalingrad zu befreien.447

4.1 Planung der Operation „Wintergewitter“ Die militärische Planung der Entsatzmission zur Befreiung der 6. Armee wurde im Einklang mit dem Führerhauptquartier getätigt.448 Hitler erließ am 1. Dezember 1942 die Weisung zu „Wintergewitter“.449 Hierzu sollte, nach den Plänen von von Manstein, eine rasche Zusammenstellung von schlagkräftigen Panzer- und unterstützenden Infanterieverbänden als Mittel zum Zweck dienen.450 Für das militärische Unternehmen garantierte der „Führer“ 20 Divisionen zur Verfügung zu stellen.451 Die einzige „[...] Hoffnung zur Rettung der Masse der 6. Armee [lag nämlich] in der Schnelligkeit und Durchschlagskraft […]. Daß mit einer gleichzeitigen Erfüllung beider Voraussetzungen kaum zu rechnen war“452, wurde in den Planungen für „Wintergewitter“ bereits frühzeitig erkannt.453 Der eigentliche Plan des Entsatzes sah einen Vorstoß gegen die sowjetischen Truppen mit zwei Panzeroffensiven vor. Während der eine deutsche Angriff 160 km entfernt vom Stalingrader Kessel aus dem Raum um Kotelnikowo starten sollte, war der Ausgangspunkt der zweiten Entsatzoffensive an der Tschirfront am Don vorgesehen, welche wesentlich näher,

445 Rolf Steininger, Missbrauchte Tapferkeit, in: Wiener Zeitung extra, 26/27. 11. 2013, S. 36. 446 Anthony Beevor, Stalingrad, München 2002, S. 338. 447 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 164. 448 Beevor, Stalingrad, S. 338. 449 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45. 450 Manstein, Verlorene Siege, S. 349. 451 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45. 452 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1035. 453 Ebd., S. 1035. 59 nämlich 60 km von den Stellungen der eingeschlossenen deutschen Truppen, verlief.454 Der Hauptschlag der deutschen Verbände sollte dennoch, laut Führerbefehl, aus dem vom Kessel weiter entfernten Raum Kotelnikowo erfolgen, mit dem Ziel, durch die Truppenmassierung im Norden die sowjetische Führung zu dem Glauben an einen massierten deutschen Angriff am Tschir zu verleiten und vom südlichen Aufmarsch abzulenken.455 Laut Generaloberst Hoth war zudem die Geländebeschaffenheit für einen großräumigen Panzerangriff von Kotelnikowo aus besser geeignet.456 Der Auftrag der Entsatzarmee dazu lautete somit, „[…] ostwärts des Don auf kürzestem Wege die Verbindung zur 6. Armee her[zustellen]“457 sowie die „[…] Feindversorgung ab[zu]schneiden und Don-Übergang für 6. [Armee zu] öffnen.“458 Teilkräfte des Entsatzheeres sollten demnach auf Kalatsch vormarschieren und von dort die Bresche zur eingeschlossenen 6. Armee schlagen.459 Hierzu wurde die Heeresgruppe Don in zwei große Verbände gespalten.460 Der erste Angriffskeil, die Armee-Abteilung Hollidt, sollte am Nordufer des Flusses Tschir461 mit der 62., 294., und 336. Infanteriedivision und Teilen des 48. Panzerkorps, in welchem die 11. und 22. Panzerdivision, die 3. Gebirgsdivision und die 7. und 8. Luftwaffen-Feld–Division eingegliedert waren462, beim Brückenkopf Nischne-Tschirskaja die Hauptkampflinie des Entsatzangriffs decken und verstärken.463 Östlich des Don sollte die „Armee-Abteilung Hoth“464, die unter der Führung mit den Resten der durchmischten 4. Panzerarmee von Generaloberst Hoth465, zusammen mit den Verbänden des LVII. Panzerkorps unter dem Kommando von General Friedrich Kirchner, der 6. und 23. Panzerdivision, sowie der 15. Luftwaffen-Feld-Division die Grundlage des Entsatzangriffs aus dem Raum Kotelnikowo darstellen.466 Für die Flankensicherung des Entsatzunternehmens waren die 16. motorisierte Division sowie das rumänische VII. Armeekorps vorgesehen.467 Zusätzlich sollten 179

454 Beevor, Stalingrad, S. 338. 455 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 92. 456 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 262. 457 Knopp, Der verdammte Krieg, S. 224. 458 Die Heeresgruppe Don informiert das AOK 6 über die geplante Operation „Wintergewitter“, 01.12.1942. BArch, RH 19-VI/2, fol. 269. 459 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93. 460 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 198. 461 Ebd., S. 198. 462 Manstein, Verlorene Siege, S. 349. 463 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 332. 464 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 198. 465 Beevor, Stalingrad, S. 338. 466 Manstein, Verlorene Siege, S. 349. 467 Schröter, Stalingrad, S. 100. 60

Kampfmaschinen des IV. Fliegerkorps die Stärkung der militärischen Offensive aus der Luft übernehmen.468 „Die in Aussicht gestellten Kräfte mochten – falls sie wirklich in dieser Stärke und zu den angegebenen Zeitpunkten verfügbar sein würden – jedenfalls ausreichen, um vorübergehend die Verbindung zur 6. Armee wiederherzustellen und dieser damit ihre Bewegungsfreiheit wiedergeben.“469

Der Auftrag der Entsatztruppen um Kotelnikowo war es demnach, den Raum bis zum Aksaj wieder einzunehmen, die vermuteten starken russischen Kräfte im Abschnitt Aksaj – Myschkowa zu werfen und eine Vereinigung mit der 6. Armee südwestlich des Bahnhofes Tundutowo zu vollziehen.470 Eine erfolgreiche Ausführung des Unternehmens sollte der Wehrmacht eine Neuordnung der Kräfte und ein Wiedererringen der Handlungsfähigkeit an der Ostfront garantieren. Die Priorität lag dabei auf der Aufrechterhaltung der Kampfkraft der deutschen Verbände im Kessel.471 Bei der Planung wurde jedoch im Vorhinein klar, dass die Stärke und Kampfkraft der beiden Armeegruppen „[i]n keinem Falle […] genügen [konnte], die feindlichen Gesamtkräfte so zu schlagen, daß an eine Wiederherstellung der Lage im Sinne des von Hitler im Stellungskriegsjargon gegebenen Auftrags zu denken war.“472 Im Gegensatz zum Führerbefehl vom 24. November 1942 teilte von Manstein nicht die Aussicht einer Restauration des status quo ante.473 Laut dem Generalfeldmarschall ließ die militärische Lage bei erfolgreichem Schlagen des Unternehmens maximal zu, die gesamte 6. Armee aus Stalingrad herauszunehmen und den Rückzug anzutreten. Davon musste Hitler überzeugt werden.474 Das primäre Interesse Hitlers für das Entsatzunternehmen und für die deutschen Truppen in Stalingrad lag jedoch nicht darin, Stalingrad aufzugeben, sondern die abgekämpften deutschen Truppen im Kessel herauszulösen und im direkten Gegenzug neue kampfkräftige Divisionen in die Stadt einzuschleusen.475 „Wenn Verbindung geschaffen, müssen 3-4 Divisionen herausgezogen u. abgelöst werden, Truppe kann ohne die Wolgafront Stalingrad nicht halten, zumal wenn der Russe nun auch über das Eis kommen kann.“476 Stalingrad sollte

468 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942 bis 2. Februar 1943, S. 332. 469 Manstein, Verlorene Siege, S, 349. 470 Schröter, Stalingrad, S. 101. 471 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 92. 472 Manstein, Verlorene Siege, S. 349-350. 473 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1036. 474 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 92. 475 Beevor, Stalingrad, S. 338. 476 Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56. 61 demnach als eine Art „Brückenkopf“ für die nächste deutsche Sommeroffensive im Jahr 1943 fungieren und unter allen Umständen von deutschen Truppen gehalten werden.477

4.2 Der Fall „Donnerschlag“ Bei einem erfolgreichen Verlauf der „Operation Wintergewitter“ und dem Durchstoß zur 6. Armee478, sollte nach von Mansteins Strategie die 6. Armee den Gesamtausbruch aus dem Kessel, Hitlers Willen und Haltebefehlen zum Trotz, wagen und sich im zuvor geschlagenen Korridor mit der Entsatzarmee vereinen sowie alle Verwundeten mit Lastwagen und Omnibussen evakuieren. Die Planungen für den Ausbruch der deutschen Truppen aus dem Kessel zur Entsatzarmee wurden unter dem Decknamen „Fall Donnerschlag“ ab 2. Dezember vom Stab der 6. Armee vorbereitet.479 Hitler hatte somit nur Kenntnis von „Wintergewitter“, denn "[d]ie Heeresgruppe konnte nicht von vornherein den endgültigen Ausbruch unter Aufgabe von Stalingrad (Donnerschlag) befehlen, weil Hitler einen solchen Befehl sofort aufgehoben hätte, während er sich – wenn erst mal Wintergewitter angelaufen war – dem Zwang der Lage hätte beugen müssen."480

Für den militärischen Schlag wurden für den „Fall Donnerschlag“ bei den Landstreitkräften zudem zwei Pionier- und Straßenbaubataillone sowie ein Brückenbaubataillon zur Räumung der Minenfelder und der unmittelbaren Vorbereitung des Durchschleuskorridors für die 6. Armee vorgesehen. Dafür lagen schon farbige Wimpel zur Wegmarkierung zu Hauf bereit. Das VIII. Fliegerkorps hatten den Auftrag, im Tiefflug Treibstoff in 200 Liter-Fässern neben dem geschlagenen Korridor für die ausbrechenden Truppen abzuwerfen. Die Flakbatterien der 9. Flakdivision sollten die geplanten neuen Flugplätze der Luftwaffe zwischen Stalingrad und Kotelnikowo sichern.481 Zusätzlich wurde der Einsatz des 4. deutschen und des I. rumänischen Fliegerkorps, zur Unterstützung des Unternehmens aus der Luft, angefordert.482 Für die Planung eines erfolgreichen Ausbruchs stellte jedoch der Zustand der Soldaten im Kessel ein schwerwiegendes Manko dar.483 Eine Mobilisierung aller abgekämpften deutschen

477 Beevor, Stalingrad, S. 338. 478 Die Heeresgruppe Don informiert das AOK 6 über die geplante Operation „Wintergewitter“, 01.12.1942. BArch, RH 19-VI/2, fol. 269. 479 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 341. 480 Erich von Manstein, zit. in o.V., Stalingrad, Gewitter ohne Donner, (1960), Heft 21, [http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=43065698&aref=image035/0545/cqsp196021021- P2P-023.pdf&thumb=false], eingesehen 24.02.2014. 481 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 341-342. 482 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93. 483 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342. 62

Truppen im Kessel für einen Gesamtausbruch hätte eine Anlaufzeit von 4-6 Tagen benötigt.484 Der „Donnerschlag“ musste trotz des schlechten Zustandes der eingeschlossenen deutschen Truppen, nach den Plänen der Heeresgruppe Don, unmittelbar nach dem „Wintergewitter“ folgen, um einen erfolgreichen Entsatz und den Ausbruch der 6. Armee sicherzustellen, auch wenn dadurch ein Höchstmaß an Risiko vom Entsatzhilfskommando als auch den eingekesselten Verbänden in Stalingrad abverlangt wurde.485 Aus diesem Grund sollte die Division zuerst von der Nordostfront des Kessels in den Südwesten marschieren und anschließend durch den geschlagenen Korridor der Stoßdivisionen nachrücken. Der Auftrag der noch 50 einsatzfähigen Panzer der 6. Armee war es, während des Ausbruchs der Infanterie aus dem Kessel die Flankensicherung zu übernehmen.486

487

4.3 Der Glaube an der Heimatfront Der Bevölkerung des Dritten Reichs wurde über Rundfunk, Nachrichten und Wehrmachtsberichten über das Entsatzunternehmen informiert.488 „Jedermann in Deutschland war damals der Ansicht, daß es sich bei dieser Entsatzarmee um mindestens eine halbe Million Kämpfer, denen die modernsten und

484 Alexander F. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad – Ausbruch oder Verteidigung? in: Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift: ASMZ, 1/1994, S. 25-28, hier S. 25. 485 Manstein, Verlorene Siege, S, 359. 486 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342. 487 Operationsplanung „Wintergewitter“ und „Donnerschlag“ im Vergleich, nach: http://upload.wikimedia. org/wikipedia/commons/c/c9/ Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung. 488 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 464. 63

schwersten Waffen sowie unzählige Panzer und Geschütze zugeteilt waren, handeln müßte. Auch die damals in Stalingrad Eingeschlossenen gaben sich dieser Hoffnung hin.“489

Entgegen der Vorstellung, dass die gesamte Heeresgruppe Don zur Offensive antreten würde, wurde nur eine Panzerarmee für den Kampfeinsatz mobilisiert. Die Imagination über die Entsatztruppe entsprach jedoch der Auffassung, dass 600 bis 1.000 schlagkräftige Panzer zum Angriff auf Stalingrad bereit stünden, um die 6. Armee in Stalingrad zu befreien, eine Einschätzung, die in keinster Weise mit der Realität übereinstimmte.490

4.4 Die tatsächliche Stärke der Entsatztruppen Die für „Wintergewitter“ geplante Einsatzstärke von 20 Divisionen konnte zu Beginn des Unternehmens nicht erreicht werden.491 Das Gros der geplanten Panzer- und Infanterieverbände mussten erst zum Ausgangspunkt des Entsatzmanövers herangeführt werden, wodurch wiederum das Zeit- und Betriebsstoffkalkül weiter eingeschränkt wurde.492 Partisanenangriffe auf die Bahnverbindungen der Wehrmacht in den russischen Sumpfwäldern493 und unzureichende Nachschubleistungen sowie die Wetterlage − im Raum um die Stalingrader Steppen eisiger Frost494 und an der Kaukasusfront Tauwetter, welches eine Schlammperiode auslöste495 − erschwerten die Mobilisierung der Entsatzverbände.496 Die Panzerteile der 23. Panzerdivision stellten sich im Gebiet bei Remontnaja auf.497 Ein Landmarsch der zur 23. Panzerdivision gehörenden Räderteile war wegen des Wetters nicht realisierbar und verschob die Verwendungs- und Handlungsfähigkeit des LVII. Panzerkorps „[…] in einer Lage, in der es auf jeden Tag ankam“ 498.499 Bei dem Panzerverband musste zudem die vorgesehene 15. Luftwaffen Felddivision erst aufgestellt werden, wobei dies sich wegen der unzureichenden Zuführung von Reserven in die Länge zog. Hinzu kam, dass die versprochene unterstützende Heeresartillerie der Heeresgruppe A bis auf ein Nebelwerfer- Regiment nicht eintraf. Der Verband von General Hollidt wurde weiter geschwächt, indem die veranschlagte 62. und 294 Infanteriedivision bereits zur Unterstützung der Front bei der

489 Mantello, Befreiung von Stalingrad., S. 464. 490 Ebd., S. 464. 491 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93. 492 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25. 493 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468. 494 Manstein, Verlorene Siege, S. 355. 495 Horst Scheibert, Nach Stalingrad…48 km. Der Entsatzversuch 1942. Dokumentation einer dramatischen Panzerschlacht, Heidelberg 1956, S. 22. 496 Manstein, Verlorene Siege, S. 355. 497 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468. 498 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 499 Ebd., S. 351-352. 64

3. rumänischen Armee antreten musste. Ein Abziehen der deutschen Truppen an den rumänischen Stellungen hätte zum sofortigen Zusammenbruch der Frontlinie geführt. Die eingeplante 3. Gebirgsdivision kam überhaupt nicht. Die Heeresgruppe A und Heeresgruppe Mitte teilten sich die Division auf Befehl des OKH zur Unterstützung für lokale Krisen in deren Frontgebiet auf. 500 Somit wies die 23. Panzerdivision unter der Führung von General Hans Wilhelm Freiherr von Boineburg-Lengsfeld ein Panzerkontingent von 30 Panzern, bestehend aus 4 Panzern vom Typ II, 17 Panzer III und 9 Panzer IV, auf.501 Die bei der sowjetischen Offensive als Stütze der 3. rumänischen Armee in den Kampfeinsatz beorderte 22. Panzerdivision „[…] stellte sich als Trümmerhaufen heraus“502 , wodurch mit einer ausreichenden Schlagkraft, im Sinne des Entsatzauftrags, nicht mehr zu rechnen war. Die 15. Luftwaffen-Felddivision konnte die fehlende Kampfkraft der 22. Panzerdivision nicht ausgleichen, da diese nur für die Flankensicherung in der Abwehr brauchbar war. 503 Im Ostfeldzug galt unter den deutschen Befehlshabern die Devise, „[l]ieber eine schwache bewährte Division als einen starken unzuverlässigen Nachbarn“504 im Kampfverband zu haben.505 General Kirchners Panzerverband, das LVII. Panzerkorps, besaß nach starken Gefechten mit der Roten Armee zunächst auch nur eine geringe Kampfkraft. Die in den Planungen für „Operation Wintergewitter“ vorgesehene 17. Panzer- und 306. Infanteriedivision506 wurden auf Befehl des „Führers“ zunächst als Reserve hinter der 8. italienischen Armee zurückgehalten507, da sich ein russischer Angriff auf den von den Italienern verteidigten Teil der Front abzeichnete.508 Das Panzerkorps LVII. bestand somit noch aus zwei rumänischen Kavalleriedivisionen und Teilen der 23. Panzerdivision509 und wies in Summe einen einsatzfähigen Bestand von 101 Panzer III und 32 Panzer IV auf.510 Die Streitmacht für die Flankensicherung, das VII. rumänische Armeekorps, bestand nach vorhergegangenen Kämpfen nur mehr aus zwei Kavalleriedivisionen. Außerdem bot das VI. rumänische Armeekorps nur noch die Kampfstärke einer Infanteriedivision auf.511 Die versprochene Luftunterstützung des deutschen IV. Fliegerkorps konnte lediglich zu zwei

500 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 501 David M. Glantz/ Jonathan M. House, Endgame at Stalingrad. Book Two: December 1942 – February 1943 (The Stalingrad Trilogy, Vol. 3.), Kansas 2014, S. 106. 502 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 503 Ebd., S. 352. 504 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 22. 505 Ebd., S. 22. 506 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 507 Beevor, Stalingrad, S. 338-339. 508 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 49. 509 Beevor, Stalingrad, S. 338. 510 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332. 511 Schröter, Stalingrad, S. 101. 65

Drittel erreicht werden, da von den 179 Maschinen zwei Geschwader, das Stukageschwader 77 und Kampfgeschwader 27, vor Beginn des Angriffes an die Nordflanke am Don verlegt worden waren.512 Die große Hoffnung des Entsatzheeres lag auf der aus Frankreich entsandten neu ausgerüsteten 6. Panzerdivision513 unter dem Kommando von General Erhard Raus, die mit 19 Panzern Typ II, 63 Panzern III – lang, 29 Panzern III 75s, 23 Panzern IV und 7 Kommandopanzern514 die volle Kampfstärke besaß und zu den besten Verbänden in der ganzen Wehrmacht zählte.515 „Sie bestand größtenteils aus osterfahrenen, in drei Feldzügen erprobten Offizieren und Mannschaften [die] […] [f]ür den vorgesehenen neuen Einsatz in Rußland ausgezeichnet vorbereitet und von hohem Kampfgeist beseelt, [an der Ostfront eintrafen] […].“516 Zudem befand sich ein neues schweres Panzermodell mit einem 88-Millimeter Geschütz517 nach dem Vorbild der 8,8 cm FLAK518 auf dem Weg zu den Entsatztruppen. „Damit war der nun Tiger genannte neue Panzer fähig, die Panzerung jeden Gegners zu durchschlagen.“519 Auf Grund dessen wurden die neuen Panzer an die Ostfront beordert und sollten sofort in General Kirchners LVII. Korps angegliedert werden. Hitler drängte auf den Beginn der Offensive, da er die Schlagkraft der neuen deutschen „Tigerpanzer“ bestätigt sehen wollte.520 Der neue Kampfpanzer war aber im Felde noch nicht erprobt worden und, zum Leidwesen der Besatzungen, mit technischen „Kinderkrankheiten“ und Mängeln behaftet.521 Das für den Entsatzvorstoß vorgesehene 503. schwere Panzer Bataillon mit den neuen Tigern kam jedoch erst am 21. Dezember an der Donfront an.522 Für den Kampfeinsatz bestand die „Armeeabteilung Hoth“ somit in Summe aus den Resten der 4. Panzerarmee und den aus dem Kampf übriggeblieben Verbänden des LVII. Panzerkorps sowie aus der 6. und 23. Panzerdivision.523 Alle genannten Resttruppen und Divisionen waren auf Grund von von Mansteins Befehl ein Teil des LVII. Panzerkorps.524 Die „Armeegruppe Hollidt“ formierte sich im Endeffekt aus Teilen des 48. Panzerkorps, der 11. Panzerdivision

512 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1040. 513 Beevor, Stalingrad, S. 338-339. 514 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 106. 515 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 334. 516 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468. 517 Beevor, Stalingrad, S. 339-340. 518 Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 74. 519 Ebd., S. 74. 520 Beevor, Stalingrad S. 339-340. 521 Manstein, Verlorene Siege, S. 376. 522 Peter McCarthy/Mike Syron, Panzerkrieg: The Rise and Fall of Hitler’s Tank Divisions, New York u.a. 2002, S. 145-146. 523 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 524 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 21. 66 sowie der 336. Infanteriedivision.525 Schlussendlich begannen insgesamt sieben deutsche Divisionen den Marsch zum Kessel von Stalingrad.526 Die Flankensicherung der Entsatzarmee stellte in Richtung Osten zur Wolga das VII., und in westlicher Richtung zum Don das VI. rumänische Armeekorps sicher.527 Die Panzer und Panzerkampfwagen der Entsatzarmee wurden mit s.g. Ostketten, dabei handelte es sich um verbreiterte Raupenketten für den Erhalt der Einsatzbereitschaft trotz tiefen Schnees, für den Kampfeinsatz vorbereitet.528 Dies minderte jedoch nicht den Umstand, dass die materiellen und personellen Ausfälle sowie das Nichterscheinen ganzer geplanter Divisionen „[…] kräftemäßig [nicht mehr] voll ausgeglichen [werden konnte,] […] als es im Interesse des Entsatzoperation nötig gewesen wäre.“529 Auf sowjetischer Seite standen dem Entsatzheer laut russischen Angaben bei Angriffsbeginn 34.000 Mann, 116 Panzer, etliche Flammenwerferpanzer sowie 419 Panzerabwehrkanonen und Mörser gegenüber. Zahlenmäßig waren somit die deutschen Panzer anfänglich dem russischen Gegenpart überlegen. Der Faktor Zeit erlangte höchste Priorität für die deutschen Verbände.530 Die deutschen Wetterstellen meldeten erst nach dem 8. Dezember das Einsetzen einer Frostperiode. Ab dem genannten Zeitpunkt setzte tatsächlich die Kälte ein und der Boden begann zu frieren.531 Der geplante Einsatzbeginn des Vorstoßes hatte sich somit vom 3. auf den 8. und letztendlich auf den 12. Dezember 1942 verschoben.532 Die Lage im Kessel ließ es zudem nicht mehr zu, „Wintergewitter“ noch weiter zu verzögern.533 Am 11. Dezember erfolgte durch Generaloberst Hoth die Befehlsausgabe an die 6. und 23. Panzerdivision mit den Worten: „Die Stunde des Angriffs ist gekommen. Westlich von Stalingrad halten seit Wochen deutsche und rumänische Kräfte ihre Stellungen, eingeschlossen von den Roten. Sie warten auf uns. Wir werden sie nicht im Stich lassen. Wieder wird die Wucht deutscher Panzer den Weg für Grenadiere und Infanterie in den Rücken des Feindes freilegen. Was sich uns entgegenstellt, wird angegriffen und geschlagen. Es kann kein Zaudern geben, wenn es um das Schicksal unserer Kameraden geht. Sie vertrauen eurer Tapferkeit und werden mit euch die Einschließungslinie durchbrechen. Vorwärts zum Sieg!"534

525 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 526 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93. 527 Manstein, Verlorene Siege, S. 361. 528 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 334. 529 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 530 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 107. 531 Schröter, Stalingrad, S. 101. 532 Manstein, Verlorene Siege, S. 355. 533 Schröter, Stalingrad, S. 102. 534 Berthold Seewald, In Stalingrad hörte man schon die Retter, Die Welt Online, 20.12.2012, [http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article112139523/In-Stalingrad-hoerte-man-schon-die- Retter.html], eingesehen 14.05.2014. 67

Der Kommandeur der 6. Panzerdivision, Generalmajor Raus, schrieb am Vorabend der Entsatzoffensive in seinen Aufzeichnungen: „‚Die Kunde vom Beginn des Befreiungsstoßes wurde mit Begeisterung und größter Zuversicht aufgenommen, echte, vorbildliche und todesverachtende Kameradschaft leuchteten den Soldaten aus den Augen. Jeder einzelne wußte, daß die Stunde der größten Bewährung geschlagen hatte.‘“535

4.4 Funkverkehr Die Armee-Nachrichtenführung hatte zu diesem Zeitpunkt bereits alles Mögliche unternommen, das beabsichtigte Unternehmen via Funk zu führen. Der Nachrichtenaustausch der einzelnen Kommandoposten, von Paulus‘ Gefechtsstand in Gumrak bis zum Stab von von Manstein in Nowotscherkask, wurde in der Nacht über einen Fernschreiber, der mit einem Dezimetergerät und einer Relaisstation im Raum Nischne-Tschirskaja verbunden war. vollzogen. Dadurch war es möglich, Befehle und Lagemeldungen zu verschlüsseln und abhörsicher weiterzuleiten.536 Zum Schutz vor Feindaufklärung wurden die Antennen für die Funkübermittlung nach dem Senden der Botschaften unverzüglich wieder abgebaut und erst abends für die weiteren Meldungen wieder aufgestellt.537Tagsüber waren 10 Funker in Gumrak stationiert, um sämtliche Nachrichten der Entsatztruppen auf allen Frequenzen mitzuverfolgen und bei jedem Vorstoß oder Rückschlag des Hilfskommandos informiert zu sein. Erschwerend für die deutschen Funker kam jedoch der Umstand hinzu, dass sowjetische Störsender die Frequenzen zu blockieren versuchten sowie falsche Meldungen durchgaben.538 Die Truppen der Roten Armee konnten jedoch nicht unterbinden, dass laufend Lagemeldungen des Entsatzheeres nach Stalingrad gelangten.539

5. Der Beginn der Entsatzschlacht: 12. Dezember Die kontinuierlichen Angriffe der sowjetischen 5. Panzerarmee auf die deutschen Stellungen des XXXXVIII. Panzerkorps540 der „Armeeabteilung Hollidt“ am Fluss Tschir, sowie der Mangel an Kräften und Reserven, machten die veranschlagten zwei Angriffspunkte von „Wintergewitter“, einerseits aus dem Raum um Kotelnikowo und andererseits die Offensive

535 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 475. 536 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342. 537 Ebd., S. 342. 538 William E. Craig, Die Schlacht um Stalingrad. Der Untergang der 6. Armee. Kriegswende an der Wolga, München 1974, S. 209. 539 Schröter, Stalingrad, S. 104. 540 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332. 68 vom Fluss Tschir aus in Richtung Kalatsch541, unrealisierbar.542 Das XXXXVIII. Panzerkorps konnte „[…] nur unter großen Anstrengungen und mit Hilfe der ursprünglich für den Vorstoß auf Stalingrad zugeführten Truppen seine Stellungen halten.“543 Das Kriegsglück stand somit bereits vor Beginn der geplanten Offensive gegen die Entsatztruppen. „Man konnte allenfalls hoffen, an einer Stelle stark genug zu sein.“544 Aus diesem Grund fungierte die schnell aus mehreren Rest-Verbänden zusammengewürfelte und unter dem Namen „Panzergruppe Hoth“ deklarierte Panzerarmee nun als alleinige Speerspitze des Hilfskommandos, um die eingeschlossenen Divisionen der 6. Armee aus dem Kessel zu entsetzen.545 Der Ausgangspunkt des Vorstoßes lag somit 100 km südwestlich des Stalingrader Kessels und verlief durch verschneite Steppe.546 „Angesichts des chronischen Mangels an Panzerverbänden w[u]rden die Erfolgsaussichten für die Operation ‚Wintergewitter‘ selbst im Führerhauptquartier skeptisch bewertet.“547 Sowjetische Angreifer versuchten, die Bereitstellung und den Aufmarsch des LVII. Panzerkorps im Raum Kotelnikowo zu vereiteln.548 Durch Verhöre von russischen Kriegsgefangenen und Meldungen der deutschen Aufklärer wusste die deutsche Führung jedoch Bescheid, weshalb die deutschen Verbände im Raum um Kotelnikowo ihre Abwehrstellungen gegen einen sowjetischen Angriff vorbereiteten.549 Ein russischer Panzerverband mit Kavalleriekorps griff tatsächlich in Richtung des deutschen Bereitstellungsraumes an.550 Auf deutscher Seite wurden „[d]ie letzen Kompanien […] buchstäblich von der Entladerampe aus in den […] anbrandenden Kampf geworfen.“551 Bspw. gerieten Teile der aus Frankreich beorderten 6. Panzerdivision während des Abladens der Panzer in den Bereitstellungsraum direkt ins Gefecht.552 Den deutschen Divisionen gelang es jedoch, „[…] die Gefahr abzuwenden. Im vernichtenden Kreuzfeuer zahlloser schwerer und schwerster Waffen wurden die Russen zum Stehen gebracht und blieben schließlich liegen.“553

541 Manstein, Verlorene Siege, S. 352. 542 Beevor, Stalingrad, S. 338. 543 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 49. 544 Manstein, Verlorene Siege, S. 353. 545 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340. 546 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332. 547 Henning Stühring, Von Stalingrad bis Kursk. Erlebnisse aus dem Russlandfeldzug. Als der Osten brannte, Teil II 1942/43, Berlin 2014, S. 150. 548 Manstein, Verlorene Siege, S. 361. 549 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 469-470. 550 Schröter, Stalingrad, S. 98. 551 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 22. 552 Schröter, Stalingrad, S. 98. 553 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 470. 69

Nach erfolgreicher Abwehr der russischen Truppen startete am 12. Dezember 1942 der Entsatzangriff vom Bereitstellungsraum Kotelnikowo aus in Richtung Stalingrad.554 Die ersten Verbände der Panzergruppe Hoth begannen mit dem Vorstoß um 4 Uhr.555 Beim Entsatzheer wussten „[…] Offiziere und Mannschaften, daß es Hunderttausende von Kameraden zu befreien und damit die Hoffnung von Millionen Deutscher zu erfüllen galt.“556 Generaloberst Hoth funkte beim Anrollen des Angriffes die Parole „Haltet aus, wir kommen!“557 in den Kessel.558

559

554 Beevor, Stalingrad, S. 340. 555 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95. 556 Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468. 557 Schröter, Stalingrad, S. 114. 558 Ebd., S. 114. 559 Ausgangsstellung Operation „Wintergewitter“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/ Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung. 70

5.1 Die Lage im Kessel bei „Wintergewitter“ Wie den Entsatztruppen standen den deutschen Soldaten im Kessel bis Weihnachten äußerst harte Kämpfe bevor560, denn das Ziel der sowjetischen Truppen war es, die Deutschen in der Stadt an der Wolga noch vor dem Beginn eines deutschen Entsatzunternehmens vernichtend zu schlagen.561 Aus diesem Grund begannen die russischen Verbände an der Stalingrader Front die Landser im Kessel massiv anzugreifen.562 „Von Anfang an brachen Paniken aus, sobald der Feind bei schlechter Sicht durch die Stützpunkte sickerte. Die Nerven der Männer wurden dadurch nicht besser, die der Führer laufend ‚durch den Wolf gedreht‘.“563Im militärstrategischen Sinn gingen den Wehrmachtstruppen bereits „[g]egen Ende der vierten Woche […] wertvolle Stellungen verloren“564 und im allgegenwärtigen Abwehrkampf gegen die russischen Truppen im Kessel „[…] standen sich vereinzelt innere Haltung und völlige Auflösung krass gegenüber.“565 Den sowjetischen Kräften gelang es so, an mehreren Linien der Westfront der 476. und 44. Infanteriedivision tief einzudringen.566 Ein vollkommener Zusammenbruch der eingekesselten Truppen konnte nur noch mit dem Einsatz der letzen verfügbaren Reserven verhindert werden.567 40.000 deutsche Soldaten hielten Mitte Dezember noch die Fronten des Kessels.568 Die Anzahl der deutschen Verluste durch Kämpfe und Hunger in Stalingrad „[…] betrugen wöchentlich etwa 10% der Gesamtstärke, beliefen sich jedoch an Brennpunkten bis auf 50% und mehr“569, denn „[a]uf einen ernsthaften Kampf [um Stalingrad] hatte sich vor dem […] [1. Oktober 1942] kaum ein Mann […] eingestellt.“570 Die Truppenstärke der zu verpflegenden deutschen Soldaten und ihrer Verbündeten im Kessel belief sich, laut Meldung des Kommandos der 6. Armee, zu diesem Zeitpunkt auf insgesamt 249.000 Wehrmachtsangehörige, 13.000 Rumänen, 19.300 Hilfswilligen und ca. 6.000 Verwundeten.571 Davon konnten 200.000 Mann ihre eigentliche militärische Funktion auf Grund der Lage nicht mehr ausführen. Darunter waren Kraftfahrer, die ohne Benzin nicht agieren konnten, Kanoniere ohne Munition für die Geschütze,

560 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25 561 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94. 562 Ebd., S. 94. 563 Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271. 564 Ebd. 565 Ebd. 566 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 328. 567 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25 568 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 356 569 Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271. 570 Ebd. 571 Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 22.12.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 4. 71

Kavallerieeinheiten ohne Pferde und Versorgungs- und Nachrichtensoldaten ohne Lager und Stationen, die nun in Schützengräben die Stellung halten mussten.572 Die für den Ausbruch der 6. Armee vorgesehenen Panzerreserven mussten durchgehend an die Brennpunkte des Kessels abkommandiert werden. Munition und Betriebsstoffe, die noch in Stalingrad vorhanden waren, wurden so zusätzlich im anhaltenden Kampfeinsatz um Stalingrad stark dezimiert. Somit gingen wichtige Reserven immer mehr zur Neige, oder wurden zu einem unabkömmlichen Teil der deutschen Front.573 Zusätzlich zu den Abwehrkämpfen wurde am 8. Dezember 1942 der Verpflegungssatz für die Landser im Stalingrader Kessel abermals rationiert574, um ein Überdauern der deutschen Truppen in Stalingrad mit den noch vorhandenen Lebensmitteln wenigstens bis zum 18. Dezember zu garantieren. An diesem Tag hatte Paulus den Entsatz erwartet.575 Im Nordkessel schrieb General von Seydlitz an Paulus, falls „[…] der Entsatz erst später wirksam [wird], so tritt unweigerlich der Zustand der Wehrlosigkeit, d.h. der Vernichtung der Armee ein.“576 Die mit den Landsern eingekesselte rumänische Kavalleriedivision schlachtete die 4000 vorhandenen Pferde ihrer Einheit, bevor die Tiere auf Grund von Futtermangel starben, „um wenigstens das Schlimmste abzuwenden.“577 Gleichzeitig wurde damit jedoch die Bewegungsfähigkeit der Truppe für einen möglichen Ausbruch weiter eingeschränkt.578 Somit betrug die Ration eines Soldaten der deutschen Truppen in Stalingrad „[z]wei Schnitten Brot am Tage, eine dünne Pferdefleischsuppe und einige Tassen heißer Kräutertee oder Malzkaffee – damit sollte der Soldat leben und kämpfen, Frost, Schnee und Sturm widerstehen können.“579 Die notwendigsten Verpflegungsrationen eines Landsers zum Überleben wie bspw. Brot, Aufstrich, Mittagskost, Abendkost, Getränke und Rauchwaren, waren bereits drastisch rationiert worden und drohten jeden Tag gänzlich zur Neige zu gehen.580 Der Kälteschutz für die deutschen Soldaten im Kessel war gleich problematisch wie die Versorgung. Jegliche Kleidung und Schuhe, die die Landser besaßen, trugen sie als Schutz gegen die Temperaturen und das Wetter an ihren Körpern.581 Zusätzlich kam noch der

572 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 357. 573 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94. 574 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 332. 575 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94. 576 General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 8. 577 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344. 578 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1047. 579 u.a., Der schwere Entschluß, Berlin 19653, S. 221. 580 Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 22.12.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 4. 581 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344. 72

Umstand hinzu, dass im Nordkessel auf Grund des erwarteten Entsatzes den deutschen Soldaten der Befehl erteilt wurde, unnütze Ausrüstung zu vernichten.582 Zu Hauf lagen einfache Soldaten und Offiziere in ihren Stellungen, Gräben und Bunkern oder am Hauptverbandsplatz, die sich wegen der eingetretenen Erschöpfungszustände nicht mehr mit eigener Kraft bewegen konnten.583 Darüber hinaus war der russische Winter mit Temperaturen von minus 40 Grad todbringend für tausende unzureichend ausgerüstete deutsche Soldaten in Stalingrad.584 Bis zu diesem Zeitpunkt verzeichneten die deutschen Truppen seit dem Einschluss einen Ausfall von 28.000 Soldaten.585 „Vier Wochen nicht aus den Stiefeln, mangelnder Schlaf, fehlende Ablösung, Angst vor dem Unbekannten und Ungewissen wirkte steigernd zermürbend […]“586 und die Lagemeldung der 6. Armee über den Zustand der deutschen Soldaten stellte zudem klar, dass die „Truppe […] vor Auffütterung nicht in der Lage [war], größere Märsche und Angriffshandlungen ohne zahlreiche Ausfälle durchzuführen.“587 Generalleutnant Fiebig notierte in seinem Tagebuch: „Letztere Verpfleg. Reserven werden am 16.12. an Truppe ausgegeben, reichen bis 18.12. Bis dahin muß Verbindung hergestellt sein! Wenn das nicht erfolgt, kann man nicht sagen[,] wie es weitergeht.“588 Entkräftete Soldaten übertrafen bereits die Anzahl der Verwundeten in Stalingrad.589 Die Unterernährung begann die ersten Opfer außerhalb des Kampfes zu fordern.590 Am 17. Dezember machte die Sanitätsführung in Stalingrad erstmals Todesfälle auf Grund von Erschöpfung öffentlich.591 Von den 18 Divisionen der 6. Armee im Kessel waren trotz der schlechten Zustände am 21. Dezember 14 Divisionen eingeschränkt, zwei Divisionen mit voller Kampfkraft zur Abwehr, und zwei Divisionen gänzlich zum Angriff bereit. Zusätzlich standen noch 121 Panzer vom Typ III/IV und 33 Sturmgeschütze im Kessel auf Abruf, konnten aber auf Grund der ungenügenden Versorgungslage nicht die volle Kampf- und Schlagkraft aufbieten.592

582 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 164. 583 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344. 584 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 585 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 167. 586 Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271. 587 Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 22.12.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 5. 588 Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56. 589 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344. 590 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94. 591 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 345. 592 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 100. 73

5.2 Die ersten militärischen Erfolge Die deutschen Angreifer wurden nur kurz durch einen Artillerieschlag aufgehalten, anschließend begann am Morgen des 12. Dezember 1942 der Vorstoß in Richtung Norden.593 Teile der 6. Panzerdivision griffen westlich, entlang der Bahnlinie, in Richtung Gremjačij an.594 Die Division hatte sich bei Kampfbeginn in vier Kampfgruppen gegliedert, die nun aus drei schwächeren Panzergrenadiergruppen und einer starken Panzergruppe, der s.g. Gruppe Hünersdorff, bestanden. Die deutschen Truppen traten auf der linken Flanke des Entsatzvorstoßes an, um das vermutlich von russischen Soldaten verteidigte Dorf Verchne- Jabločnyj für die weitere Offensive zu sichern und auf der Bahnlinie in Richtung Stalingrad Raum zu gewinnen.595 Unter der Führung von General Hünersdorff kämpfen sich die Truppen des 11. Panzerregiments – welches die Hauptschlagkraft der 6. Panzerdivision darstellte – bestehend aus 1. Bataillon, 2. Bataillon, Panzerjägern und dem 114. Schützenpanzerregiment, in Keilformation auf der Eisenbahnlinie voran.596 Bis zum Ende des ersten Kampftages fiel das veranschlagte Ziel, Verchne-Jabločnyj, nach Gefechten gegen russische Kavallerie- Infanterie- und Panzertruppen, an die deutschen Truppen. Eine Kampfgruppe der Division marschierte östlich der Bahnlinie und konnte bis 12 Uhr mittags 597 den russischen Gefechtsstand Čilekov überrennen sowie die russischen Truppen der 51. Armee bis zum äußeren Verteidigungsring Stalingrads zurückzuwerfen.598 Bei Einbruch des Abends waren die Spitzen der 6. Panzerdivision bis südlich vor Čilekov599 und 4 km weiter in nördlicher Richtung bis zu den Höhen Čilekovs vorgestoßen.600 Um 9 Uhr 50 startete die 23. Panzerdivision, die Truppe unter dem Kommando von General Boineburg-Lengfeld, bestehend aus dem 3. Bataillon des 201. Panzerregiments, der s.g. Kampfgruppe Illig, und dem 1. Bataillon des 128. Panzergrenadierregiments601, aus Pimen- Černi zum Entsatzangriff602 auf der rechten Flanke und traten sogleich gegen ein russisches Infanterieregiment ins Gefecht.603 Bereits vier Stunden später erreichten die Truppen

593 Beevor, Stalingrad, S. 340. 594 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354. 595 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 59-60. 596 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 107. 597 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354. 598 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335. 599 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354. 600 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335. 601 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 110. 602 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354. 603 Artl, Neue Quellen zum Entsatzversuch, S. 141. 74

Nebykov.604 250 russische Soldaten waren im Kampf gefallen, 250 gefangen genommen worden und 3.000 Mann flohen nach Nordosten. Zudem fielen 17 Feldgeschütze, 30 Mörser und 7 Panzerabwehrkanonen an die deutschen Truppen.605 Die Panzerdivision hatte mehr Feinddruck erwartet und bei der Enge um die Station Nebykowskij, die als Bahnlinie nach Stalingrad benutzt wurde und sich taktisch als Sperrriegel zur Abwehr der deutschen Angreifer geeignet hätte, mit erbittertem Feindwiderstand gerechnet.606 Auf Grund des schnellen Vorstoßes konnte sich der Panzerverband weiter nach Norden und Nordosten bis nach Čilekov vorkämpfen. Dort wurde eine Verbindungsachse mit den Truppen der 6. Panzerdivision hergestellt. Ein Gros der Räderteile der 23. Panzerdivision blieb jedoch in Pimen-Černi zurück, da diese die Furten des Aksaj-Kurmojarskij Tales nicht überwinden konnten.607 Mit Einbruch der Dunkelheit kam der Vormarsch zum Stillstand. Das gesetzte Ziel, die Erzwingung der Übergänge des Flusses Aksaj war jedoch nicht erreicht worden.608 Am Abend des ersten Kampftages meldete die 6. Panzerdivision die Absicht, in der Nacht auf den 13. Dezember das Nordufer des Aksaj-Abschnittes in einem Handstreich zu erobern,609 da der Widerstand der russischen 126. und 302. Schützendivision im Angriffsraum der deutschen Entsatzdivisionen am ersten Kampftag nur schwach ausgefallen war.610 „Obwohl rund 180 Divisionen und Brigaden der Roten Armee zwischen Stalingrad und der deutschen Front lagen, kamen die beiden Panzer-Divisionen zügig voran. Noch immer zeigte sich die Wehrmacht in der Taktik des Panzerkrieges der Roten Armee überlegen.“611 Die Offensive der Panzerverbände kam entgegen der Erwartungen der deutschen Truppen zunächst schnell voran, doch „[a]lle waren nicht recht zufrieden mit dem Ablauf des Tages. Wo war der Russe?“612 Generalleutnant Fiebig schrieb nach dem Kampftag des 12. Dezember in sein Tagebuch: „Der Angriff der […] Armee Hoth mit 6. u. 23. Pz. [Division] aus Raum Kotelnikowo zur Verbindung mit 6. Armee, macht gute Fortschritte. Russen kommen ins Laufen wie

604 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354. 605 Ernst Rebenitsch, The combat history of the 23rd Panzer Division in World War II, Mechanicsburg 2012, S. 207. 606 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 58. 607 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354. 608 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 60. 609 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355. 610 Ebd., S. 354. 611 Seewald, In Stalingrad hörte man schon die Retter, Die Welt Online, 20.12.2012, [http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article112139523/In-Stalingrad-hoerte-man-schon-die- Retter.html], eingesehen 14.05.2014. 612 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 64. 75

in alten Zeiten. […] 1/3 des Weges zur 6. Armee wäre damit geschafft. Feindwiderstand bisher nur gering.“613

Die deutsche Aufklärung meldete russische Truppenverschiebungen über den Fluss Aksaj nach Süden und die deutsche Führung der Entsatztruppen rechnete für den folgenden Tag mit einem Gefecht gegen das 4. sowjetischen motorisierten Korps.614 Auf Grund der Lage überlegte Generaloberst Hoth, ob am zweiten Kampftag ein alleininger Stoß mit der 6. Panzerdivision auf den Aksaj-Abschnitt erfolgen sollte und die 23. Panzerdivision als Sicherungsdivision der Flanken nordöstlich von Nebykov einzusetzen war, oder ob er unter der Inkaufnahme keines Flankenschutzes die volle Stärke der deutschen Panzerdivisionen aufbieten sollte.615 Noch „[…] handelte es sich um eine zwar nur zeitliche, dennoch wesentliche Überraschung für die [sowjetische Führung] […]. Und die hieß es [zum Vorteil der deutschen Panzergruppe] auszunutzen.“616 Wegen der bis dato ungeklärten Feindlage hätte die Aufgabe des Flankenschutzes jedoch ein riskantes Wagnis dargestellt. Das rumänische AOK 4 bekam sogleich den Auftrag, die 4. und 8 Kavalleriedivision in Bereitschaft zu stellen, um beim weiteren Vormarsch der deutschen Entsatztruppen am folgenden Tag zusammen mit Teilen des LVII. Panzerkorps nach Nebykov nachzurücken.617

5.3 Das deutsche Überraschungsmoment Die Rote Armee hatte einen deutschen Offensivangriff in Richtung Stalingrad zu dieser Zeit nicht erwartet,618 und das den Raum verteidigende 4. russische Kavalleriekorps wurde so von den Verbänden des LVII. Panzerkorps überrascht. Obwohl die sowjetischen Truppen der 51. Armee noch keine Linie zum Gegenstoß aufboten, beschränkten sich die Soldaten der Roten Armee619 jedoch „[…] keineswegs auf die Abwehr, sondern versucht[en] immer erneut durch Gegenangriffe [den] […] beiden Divisionen gewonnenes Gelände wieder zu entreißen oder Teile von ihnen mit seinen an Zahl überlegenen Panzern einzukesseln.“620 Ein Gegenschlag auf Nebykov konnte durch den Einsatz der 23. Panzerdivision vereitelt werden, ebenso ein Angriff aus der Gegend um Werchne-Kurmojarskaja durch den Einsatz von Sturzkampfbombern des deutschen IV. Fliegerkorps.621

613 Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56. 614 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354. 615 Ebd., S. 354-355. 616 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 59. 617 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354-355. 618 Beevor, Stalingrad, S. 340. 619 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355. 620 Manstein, Verlorene Siege, S. 361. 621 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355. 76

Kommandeur Jeremenko war wegen einer möglichen Zerschlagung der 57. sowjetischen Armee besorgt, die den südwestlichen Teil des Ringes um Stalingrad hielt. Die sowjetischen Befehlshaber befürchteten nämlich zeitgleich mit dem deutschen Vorstoß auch noch einen Ausbruchsversuch der eingeschlossenen deutschen Truppen in Stalingrad, da diesen der Umstand nicht bekannt war, dass Hitler einen Ausbruch der 6. Armee strikt verweigerte und Generaloberst Paulus nur noch 70 fahrbereite Panzer zur Verfügung standen, die sich im besten Fall höchstens bis 20 km vor die Stadt Stalingrad vorkämpfen konnten. Da sich die russischen Befehlshaber und Stalin zunächst nicht auf eine Truppenverschiebung der 2. Gardearmee zur Unterstützung der Stalingrader Truppen einigen konnten, befahl Jeremenko präventiv dem IV. mechanisierten Korps und dem XIII. Panzerkorps den deutschen Vorstoß zu bekämpfen.622 Zusätzlich veranlasste der sowjetische General Vasilevskij am ersten Tag der deutschen Offensive, dass die Aufstellung einer Verteidigungslinie am Myschkowa-Abschnitt forciert werden sollte.623 Erst nach langen Gesprächen im Kreml und Telefonaten mit General Vasilevskij genehmigte Stalin die Truppenverstärkung mit der 2. Gardearmee624 und der Sowjetdiktator gab zusätzlich die Parole aus: „Haltet aus, ich schicke Reserven.“625

5.4 Die Pläne der Roten Armee Zeitgleich mit der Schlacht um Werchne-Kumskij erkannte Stalin, dass seine Generäle mit der Meldung einer deutschen Offensive in Richtung Stalingrad recht behielten und befahl Gegenmaßnahmen, bzw. die s.g. „Operation Saturn“, einzuleiten. Das Primärziel der sowjetischen Gegenoperation war, die angreifenden deutschen Panzerverbände und Infanterie auf deren Route zur Myschkowa aufzuhalten, um so Hoths Truppen den Weg nach Stalingrad abzuschneiden. Der „[…] entscheidende […] Schlag“626 gegen die Deutschen sollte aber weiter nördlich erfolgen.627 185 russische Verbände standen hierzu im Raum um Stalingrad bereit, um den deutschen Angreifern entgegenzuwirken.628 Die Oberbefehlshaber der Woronesch- und Südwestfront bekamen schlussendlich den Befehl zur „Operation kleiner Saturn“. Anstatt wie geplant die deutsch-besetzte Stadt Rostow anzugreifen, sollten nun sowjetische Truppen mit einem Durchbruch bei der Frontlinie der

622 Beevor, Stalingrad, S. 340-341. 623 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 370. 624 Beevor, Stalingrad, S. 340-341. 625 , zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335. 626 Beevor, Stalingrad, S. 341. 627 Ebd., S. 341. 628 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1039. 77

8. italienischen Armee der deutschen Heeresgruppe Don unmittelbar in den Rücken fallen und wie zuvor bei Stalingrad einen Ring um die deutschen Truppen schließen. Die Anlaufzeit für den Gegenschlag der Roten Armee sollte dabei drei Tage betragen.629

5.5 Die Panzerschlacht bei Werchne-Kumskij: 13. bis 19. Dezember Um den Angriffsschwung beizubehalten befahl General Raus der 6. Panzerdivision, die Offensive im Schutz der Dunkelheit fortzusetzen.630 Am 13. Dezember um 8 Uhr gelang es den Spitzen der 6. Panzerdivision, der Kampfgruppe Hünersdorff631, nach einigen Gebietsgewinnen an den Seitenfronten, in dem von den sowjetischen Verbänden verteidigten Raum ein Loch von 30 km zu reißen632, bis vor den Fluss Aksaj vorzustoßen, überzusetzen und bei Saliwskij633 einen 10 km tiefen Brückenkopf für die nachstoßenden Teile zu erkämpfen.634 Die Brücke brach, nachdem schon einige deutsche Truppenkontingente übergesetzt hatten, doch der Erfolg der Aksaj Überquerung wurde von den deutschen Verbänden sofort genutzt, um die Höhen um Saliwskij zu erobern. Dies gelang, und um 13 Uhr 50 gingen Teile der 6. Panzerdivision vor Werchne-Kumskij in Stellung. Im Süden des Flusses gewann eine Kampfgruppe der Division 15 km Raum im nordöstlichen Raum um Čilekov, eine weitere Gruppe deckte das gesamte Unternehmen an der linken Flanke, indem russische Kräfte im Raum um Verchne-Jabločnyj gebunden wurden.635 Die deutschen Divisionen hatten sich großflächig an den Aksaj-Abschnitt herangekämpft, doch die im Süden stationierten russischen Kräfte konnten bis dato vom Entsatzheer nicht aufgerieben werden. Das sowjetische 4. Kavalleriekorps und das 13. sowie 15. mechanische Korps standen der deutschen Offensive in ihren Stellungen bei und südlich des Flussabschnittes Aksaj-Esaulovkij entgegen.636 Zu diesem Zeitpunkt waren die Spitzen der angetretenen Panzergruppe bereits 50 km weit in russisches Gebiet vorgestoßen637 und der Raum um Saliwskij, trotz des Verlustes einer Brücke, fiel in deutsche Hände.638 Noch immer waren keine massiven russischen Gegenangriffe auf das deutsche Hilfskommando erfolgt. Auf Grund dessen konnte die 6. Panzerdivision 12 km weiter bis nach Werchne-Kumskij

629 Beevor, Stalingrad, S. 341. 630 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 112. 631 Ebd., S. 115. 632 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 60. 633 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335. 634 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 67. 635 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355. 636 Ebd., S. 358. 637 Beevor, Stalingrad, S. 341. 638 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 68-70. 78 vorstoßen.639 „Über die Gefährlichkeit des deutschen Vorstoßes konnte der Russe [ja] nicht mehr im Zweifel sein.“640 Die Kampfgruppe Hünersdorff bekam, nach der Lokalisation stärkerer Panzerverbände auf der s.g. Anhöhe 147, vier Kilometer südlich von Werchne-Kumskij von General Raus den Befehl zum direkten Angriff auf die russischen Truppen. Die sowjetischen Verbände kamen den deutschen Angriffsbestrebungen jedoch mit 70 Panzern zuvor, doch die deutschen Truppen schafften es mit ihren 60 Panzern im Gegenschlag den Angriff abzuschlagen. Wegen eines weiteren Aufmarsches russischer Truppen mussten die deutschen Panzerverbände, anstatt weiter anzugreifen, wieder ihre vorherigen Ausgangsstellungen um Werchne-Kumskij beziehen.641 Der 14. Dezember 1942 sollte die erste echte Bewährungsprobe für die deutschen Entsatztruppen darstellen. Das Wetter schlug in eine kurze Tauwetterphase mit starkem Regen um und der Boden verwandelte sich in Schlamm.642Der östlich angreifenden 23. Panzerdivision gelang es bei Krugljakov643, eine Straßen- und Eisenbahnbrücke über den Aksaj-Esaulovkij zu gewinnen644, 210 Gefangene zu machen, zwölf russische Panzer zu vernichten sowie acht Geschütze und drei PAK’s zu erobern.645 Unter starkem Feinddruck im Nordosten bei Samochin kam die Division jedoch erstmals zum Stehen.646 Zudem konnte der Brückenübergang bei Saliwskij nicht zeitgerecht wiederhergestellt werden, sodass sich die weitere Offensive verzögerte und das Zeitkalkül für einen erfolgreichen Entsatz weiter einschränkte.647 Mit dem Vorstoß an die Linie Werchne-Kumskij begann nun eine mehrtägige Schlacht um das Dorf gegen starke russische Kräfte im Morast.648 Der Kampf wurde im Verlauf „[…] eine der wohl größten und härtesten Panzerschlachten des Zweiten Weltkrieges […].649 200 deutschen Panzern standen 300 bis 400 russische Panzer gegenüber.650 Die deutschen Panzerverbände bestanden jedoch zum Großteil aus Panzern vom Typ III SD. KFZ 141651 und waren dem

639 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335. 640 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 68. 641 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 118. 642 Beevor, Stalingrad, S. 341. 643 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1041. 644 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 358. 645 Rebenitsch, The combat history of the 23rd Panzer Division, S. 208. 646 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 358. 647 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 73. 648 Beevor, Stalingrad, S. 341. 649 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 74. 650 Ebd., S. 74. 651 Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 70. 79 russischen T-34652 an Panzerung und Feuerkraft unterlegen653, da der deutsche Panzer nur auf einer Weite von 800 m und das russische Pendant bereits in 1.500 m Entfernung das Feuer eröffnen konnte.654 Zeitgleich begannen die verbliebenen russischen Truppen im am Tag zuvor verloren gegangenen Raum um Saliwskij, mit einem Gegenschlag gegen Kampftruppen der 6. Panzerdivision.655 Auf Grund der ständig wechselnden Lage der Gefechte und Stellungen war ein deutscher Artillerieschlag nur bedingt möglich und wurde wegen der großen Gefahr, die eigenen Truppen zu zerschlagen, bei der Schlacht um Werchne-Kumskij nicht eingesetzt.656 Zudem griffen die russischen Kräfte von allen Seiten her an und die Situation für die deutschen Soldaten begann sich zu ihrem Nachteil zu verschärfen. Drei schwere deutsche Feldhaubitzen wurden ausgeschaltet, die Munition wurde immer knapper, sodass russische Panzer in das Dorf einbrechen konnten und den deutschen Truppen dort drohte, überrannt zu werden. Deutsche Kräfte, die während des sowjetischen Einbruchs eine Höhenstellung für sich erobern konnten, schafften es jedoch noch rechtzeitig eine günstige Stellung zu beziehen, und die deutschen Truppen in Werchne-Kumskij vor der Zerschlagung zu bewahren.657 Die folgende Panzerschlacht zog sich bis in die Abendstunden658, „[…] eine Entscheidung [wurde] in diesen wechselvollen Kämpfen […] noch nicht erreicht.“659 Den deutschen Truppen gelang am ersten Tag des Gefechts jedoch ein Teilerfolg, indem 33 russische Panzer abgeschossen und im direkten Gegenschlag weitere 3 km in nordöstlicher Richtung bis nach Sagotskot erobert werden konnten.660 Die deutschen Truppen hielten zwar über Nacht den gewonnen Raum und ihre Stellungen in Werchne-Kumskij.661 Am darauffolgenden Tag war die 6. Panzerdivision jedoch wegen des überlegenen Feinddrucks gezwungen, das Dorf zu räumen und es den russischen Truppen zu überlassen sowie sich bis zum Brückenkopf von Saliwskij zurückzukämpfen, der schon stundenlang von russischem Feuer eingedeckt worden war.662 Die russische 51. Armee „[…] kämpfte zäh und wendig, sie setzte ihre Schützendivisionen frontal verteidigend ein, während die beiden mechanisierten Korps (4. und 13.) dem Gegner immer wieder in die Flanken

652 Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 114. 653 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 97. 654 Artl, Neue Quellen zum Entsatzversuch, S. 144. 655 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 74. 656 Ebd., S. 87. 657 Hans Wijers, Winter Storm. The Battle for Stalingrad and the Operation to Rescue the (Stackpole History Series), Mechanicsburg 2012, S. 207. 658 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342. 659 Manstein, Verlorene Siege, S. 361. 660 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 358. 661 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 82. 662 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 361. 80 fuhren.“663 Zwei Mal gelang es den Soldaten der 6. Panzerdivision, einen Angriff in den frühen Morgenstunden auf deren Flanken unter starken eigenen Verlusten abzuschlagen. Zudem versuchte eine sowjetische Kampfgruppe mit zehn Panzern durch einen verdeckten Aufmarsch über eine provisorische Brücke hinter natürlicher Tarnung von Bäumen und Sträuchern, den Brückenkopf von Saliwskij am Morgen, zu Mittag, und am Abend im Handstreich zu nehmen. Die deutschen Panzergrenadiere schafften es jedoch, jeden russischen Versuch, Saliwskij zu erobern, zu vereiteln.664 Allein die 6. Panzerdivision verlor am 15. Dezember 19 Kampfpanzer – ein Panzer II, 13 Panzer III-lang, und fünf Panzer IV- lang.665 Den bei Krugljakov operierenden Kampfgruppen der 23. Panzerdivision glückte es, die russischen Kräfte in Richtung Norden zurückzudrängen und einen weiteren Brückenkopf über den Aksaj zu behaupten. Die operative Bewegung ermöglichte nun Teilen der 23. Panzerdivision und Teilen der 6. Panzerdivision auf einer Kampflinie gemeinsam weiter anzugreifen.666 Generaloberst Hoth entschied am 16. Dezember, mittels Gegenangriff in Richtung Norden wieder Raum zu gewinnen, um die Ausgangslage für einen entscheidenden Schlag gegen die russischen Verbände in Werchne-Kumskij zu schaffen.667 Hoth forderte von seinen Truppen die „Fortsetzung des Angriffs ‚ohne jede Rücksichtnahme‘“668 im Angesicht des immer stärkeren sowjetischen Widerstandes. Den bei Werchne-Kumskij kämpfenden Panzerdivisionen wurde Hilfe durch die als Reserve zurückgehaltene 17. Panzerdivision zugesagt, der es aber erst nach einem langen Anmarsch und nach Mitwirkung am Kampfgeschehen an der Don-Brücke bei Potemkinskaja östlich des Don669, und nachdem die Linie Don – Saliwskij unter deutsche Kontrolle gekommen worden war, möglich wurde, zu den Entsatztruppen aufzuschließen.670 Der Folgeauftrag für die Panzerdivision war, über Pachlebin-Topolev vorzustoßen, unter das Kommando des LVII. Panzerkorps zu treten und für den weiteren Angriff auf Nižne-Jabločnyj in Ausgangsstellung zu gehen. Für den Großangriff des Entsatzheeres war ein gemeinsamer Stoß der 17. Panzerdivision und 6. Panzerdivision vorgesehen, wobei die 23. Panzerdivision die Flankensicherung übernehmen sollte. Hoth versprach sich einen durchschlagenden Erfolg

663 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 371. 664 Wijers, Winter Storm, S. 222. 665 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 130. 666 Ebd., S. 131. 667 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 361. 668 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95. 669 Manstein, Verlorene Siege, S. 361. 670 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 82. 81 durch das Eintreten der 17. Panzerdivision an die Hauptkampflinie des Entsatzvorstoßes.671 Zudem konnten 22 von 30 ausgefallenen deutschen Panzern bei Werchne-Kumskij dem weiteren Angriff wieder zugeführt werden.672 Unterdessen verlangte von Manstein von General Zeitzler, dass Hitler selbst an die Ostfront in das Heeresgruppen-Hauptquartier kommen sollte, um sich ein aktuelles Bild von der Entsatzoperation zu verschaffen und auf Grund der Lagebeurteilung vor Ort seine Entschlüsse zu fassen. Hitler dachte jedoch in keinster Weise nach Osten zu fliegen, sondern lehnte einen Gesamtrückzug der deutschen Truppen aus Stalingrad am 15. Dezember wiederum unmissverständlich ab.673 Obwohl es der 6. und 23. Panzerdivision möglich war, am Aksaij eine zusammenhängende Angriffslinie zu bilden, konnte am 16. Dezember wieder kein entscheidender Sieg auf deutscher Seite errungen werden, um das Dorf Werchne-Kumskij zu erobern.674 Der weitere Vormarsch des Entsatzheeres scheiterte immer noch an den Verteidigungs- und Angriffsstrategien675 der Truppen der 51. sowjetischen Armee, die neben der Abwehr ununterbrochen in die Flanken der Entsatztruppen einzubrechen versuchten.676 Jedoch erreichte die 17. Panzerdivision, wie erhofft, um 11 Uhr Pachlebin, rieb in Nižne-Jabločnyj alle russischen Truppen auf und bekam die Anweisung, auf Generalovskij vorzustoßen, um dort einen Brückenkopf zu errichten und somit den Weg zum Sturm auf und zur Unterstützung der deutschen Divisionen bei Werchne-Kumskij anzutreten. Generaloberst Hoths weitere taktische Planungen sahen vor, am darauffolgenden Tag die russischen Verbände rund um den Brückenkopf von Saliwskij endgültig mit den Truppen der 6. Panzerdivision zu werfen, sowie mit den Panzern der 23. Panzerdivision in Rücken und Flanke der russischen Truppen zu stoßen, um im Folgeauftrag die Übergänge des Flusses Myschkowa bei Vasil’evka und Gromoslavka zu erobern.677 Für den 17. Dezember bekam General Raus von General Hoth die Vollmacht der „freien Hand“ zur Führung der 6. Panzerdivision, um die russischen Kräfte bei Werchne-Kumskij endgültig zu vernichten.678 Durch den Einsatz von Sturzkampfbombern und teilweise Artillerie und Mörsern, dem massiven Aufgebot von Panzergrenadieren des 2. Bataillons des 114. Panzergrenadierregiments, die mit Maschinengewehren, Scharfschützen und

671 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 362. 672 Wijers, Winter Storm, S. 225. 673 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95. 674 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 363. 675 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 82. 676 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 363. 677 Ebd., S. 363-364. 678 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 137. 82

Flammenwerfern die Rotarmisten aus ihren Stellungen und Erdbunkern vertreiben konnten679, schafften es die deutschen Divisionen, den s.g. Hügel 140.0 zu erobern und eine Bresche von drei Kilometern durch das Zentrum von Werchne-Kumskij zu schlagen. 680 Zudem konnte ein russischer PAK-Riegel an der Linie Werchne-Kumskij – Sagotskot von den Truppen der 6. Panzerdivision zwar ausgeschaltet werden, doch für den weiteren Vorstoß reichte der Angriffsschwung nicht mehr aus. 681 Die deutsche Aufklärung ergab, dass sich massive sowjetische Kräfte für einen Gegenschlag um das Dorf sammelten.682 Die deutschen Kommandeure entschieden, die gewonnenen Stellungen bei Tage zu halten, um die Verluste so gering wie möglich zu halten, und bei Einbruch der Nacht in einem gezielten Schlag Werchne-Kumskij zu nehmen.683 Zeitgleich verteidigte die 23. Panzerdivision bei Krugljakov den Brückenkopf gegen die neu eingetroffene 87. russische Schützendivision und schaffte es, im Gegenangriff in Richtung Norden vorzustoßen.684 Der größte moralische Erfolg an diesem Kampftag war das Eintreffen der 17. Panzerdivision unter der Führung von Generalleutnant Fridolin von Senger und Etterlin am Westabschnitt des Flusses Aksaij685, bei dem es Teilen der Division gelang, einen Brückenkopf in der Nähe von Generalovskij zu bilden.686 Beide Seiten hielten verbissen auf allen Angriffs- und Verteidigungsfronten unter dem Verlust von Mensch und Material die Stellungen.687 Der Kommandeur des LVII. Panzerkorps, General Kirchner, plante mit allen drei Panzerdivisionen, der 17. Panzerdivision an der linken Flanke, der 6. Panzerdivision im Mittelabschnitt und der 23. Panzerdivision auf der rechten Seite, die endgültige Entscheidung zum Vorstoß auf Stalingrad herbeizuführen.688 Den Panzergrenadieren gelang es, in einer Nachtaktion weitere russische Truppen aufzureiben689, jedoch zeichnete sich am Morgen des 18. Dezember der Kräfteverschleiß des LVII. Panzerkorps seit dem 16. Dezember ab, indem abermals eine Entscheidung in den Kämpfen um Werchne-Kumskij, „[…] auch nicht annähernd erreicht […]“690 werden konnte. Die 23. Panzerdivision war in Kämpfen gegen eine russische Schützen- und Panzerdivision sowie gegen zwei motorisierte Brigaden

679 Wijers, Winter Storm, S. 228-229. 680 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 137. 681 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 364. 682 Wijers, Winter Storm, S. 229. 683 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 137. 684 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 364. 685 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 142. 686 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 364. 687 Ebd., S. 364. 688 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 143. 689 Wijers, Winter Storm, S. 230-231. 690 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 365. 83 gebunden, deren Ziel es war, den Brückenkopf bei Krugljakov einzudrücken. Die 6. Panzerdivision kam gegen drei Panzer- und vier motorisierte Brigaden sowie zwei Kavalleriedivisionen nur schleppend voran. Jeder Bodengewinn führte auf diese Art und Weise zu einer hohen Anzahl an deutschen Verlusten.691 Nur die 17. Panzerdivision schaffte es weiter vorzustoßen und 22 russische Panzer zu vernichten.692 Doch kam auch diese bis zum Einbruch der Nacht sieben km vor Werchne-Kumskij zum Stillstand.693 In „[…] dieser Situation konnte auch das ersehnte Eingreifen der 17. Panzerdivision […] trotz einiger örtlicher Erfolge das Blatt nicht mehr wenden.“694 Wie die deutschen Truppen hatten auch die russischen Verbände, das sowjetische III. motorisierte Garde- und das XIII. Panzerkorps, starke Verluste in den ersten Tagen der noch immer andauernden Entsatzschlacht zu verzeichnen.695 Auf Grund dessen bestand „[n]och […] die Aussicht, daß das [LVII.] Panzerkorps, wenn erst das Eingreifen der 17. Panzer- Division zur vollen Auswirkung gekommen […] [war], Raum in Richtung Kessel gewinnen k[onnte].“696 Generaloberst Hoth erwog jedoch bereits, die Entsatztruppen beim Scheitern eines Durchbruchs am folgenden Tag hinter den Aksaj zurückzuziehen697 und mittels eines konzentrierten Stoßes über das Dorf Aksaj einen neuen Angriff zu starten. Die neue Offensivabsicht war jedoch schwierig auszuführen, da die deutschen Divisionen es verabsäumt hatten, die sowjetischen Truppen, die im Süden die Stellung hielten, zu zerschlagen, wodurch gegen diese erst ein Gefecht geführt und ohne weitere Verzögerung gewonnen hätte werden müssen.698 Sollten die deutschen Truppen einen Sieg bei Werchne- Kumskij erringen, waren die Landser jedoch schon derart abgekämpft, dass nur noch ein Angriff bis zum Fluss Myschkowa zu erwarten war.699 Hoth entschied sich schlussendlich für die Myschkowa-Lösung und von Manstein hob die Bedeutung eines schnellen Vorstoßes auf die Myschkowa in einem Anruf an den Kommandeur des LVII. Panzerkorps hervor.700 Durch das Zusammenspiel aller verfügbaren Bodentruppen sowie massiver Luftunterstützung konnten die deutschen Divisionen701 nach einer anfänglichen Pattsituation702 am 19. Dezember einen militärischen Erfolg gegen die russischen Kräfte in Werchne-Kumskij

691 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 365. 692 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 145. 693 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 365. 694 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1041. 695 Schröter, Stalingrad, S. 102. 696 Manstein, Verlorene Siege, S. 363. 697 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95. 698 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366. 699 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95. 700 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366. 701 Beevor, Stalingrad, S. 342. 702 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 74. 84 verbuchen.703 Die 23. Panzerdivision hielt die Stellung des Brückenkopfes von Krugljakov, während die 6. und 17. Panzerdivision im gemeinsamen Verbund mit dem deutschen IV. und VIII. Fliegerkorps den finalen Angriff begannen.704 Obwohl die deutschen Divisionen durch Katjusha („Stalinorgel“705)-Raketenbeschuss beim Angriff zehn Panzer auf einen Schlag verloren hatten und die sowjetischen Panzerabwehrkanonen heftigen Widerstand leisteten706, schafften die deutschen Truppen sowohl die Höhenstellung von Werchne-Kumskij als auch das Dorf selbst bis 9 Uhr 15 zu überrennen und gänzlich zu erobern.707 „Die Masse des fliehenden Gegners wurde auf freiem Feld gefangen genommen.“708 Der Durchbruch bestand jedoch größtenteils aus dem Umstand, dass die sowjetische 2. Gardearmee, die wegen eines abermaligen Wetterumschwunges nur sehr schleppend vorankam, nicht in der Lage war, vor dem 19. Dezember zu einem Gegenangriff gegen die Entsatztruppen anzutreten.709 Das LVII. Panzerkorps stand somit vor der Aufgabe, noch vor dem Eintreffen des starken russischen Verbandes über die Myschkowa vorzustoßen, bevor die sowjetische 2. Gardearmee die Truppen des Entsatzheeres abfangen und vor dem letzen Flussübergang nach Stalingrad stoppen konnte.710 Auf dem bisherigen Erfolg aufbauend, griffen die deutschen Truppen, die 6. Panzerdivision in Richtung Vasil’evka und die 17. Panzerdivision mit dem Ziel Gromoslavka, weiter an. Die Truppen der Panzerdivision hatten am Nachmittag Nižne-Kumskij eingenommen, errichteten mit den Panzerteilen einen Brückenkopf und stürmten im Dunkeln bereits auf Gromoslavka. Die Kampfgruppen der 6. Panzerdivision brachten bis 22 Uhr 50 Vasil’evka in deutsche Hände.711 Für das Hilfskommando stellte sich von nun an die Frage, ob die russischen Kommandeure „[…] Truppen vom nahegelegenen Ring um Stalingrad abziehen [würden] […] [.] Dann war für den erhofften Ausbruch des Feldmarschalls Paulus auch schon etwas erreicht. Alles wurde zur Zeitfrage.“712 Das Zeitkalkül mit dem Blick auf die Lage der 6. Armee verlangte vom Entsatzheer nämlich den Angriff in Richtung Stalingrad vehement voranzutreiben und unverzüglich in der Dunkelheit weiter anzugreifen.713 Im Kriegstagebuch des Panzerregiments 11 der 6.

703 Beevor, Stalingrad, S. 342. 704 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366. 705 Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 184-185. 706 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 152-153. 707 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366. 708 Artl, Neue Quellen zum Entsatzversuch, S. 141. 709 Beevor, Stalingrad, S. 342. 710 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 148. 711 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366-367. 712 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 126. 713 Ebd., S. 119. 85

Panzerdivision wurde vermerkt: „Bei Mondschein wird ohne Rücksicht auf Flankenbedrohung der Weitermarsch nach Osten angetreten.“714 Die Entsatztruppen hatten in den Panzerdivisionen zu diesem Zeitpunkt, laut General Kirchners Bericht über die gegenwärtige Stärke des Entsatzheeres an die Heeresgruppe Don, einen Totalausfall von 33 Kampfpanzern, 25 Verluste bei der 6. und acht Totalausfälle bei der 23. Panzerdivision zu verzeichnen; 20 Panzer waren reparaturbedürftig und 83 Panzer befanden sich bereits in Reparatur, für welche eine Dauer von drei Wochen veranschlagt wurde.715 In Summe standen 83 Panzer in Reparatur und 92 einsatzfähige der gesamten Panzergruppe für den weiteren Vorstoß auf Stalingrad zur Verfügung. Die Frage war, wie viele Panzer im Endeffekt noch mobilisiert werden konnten, um im finalen Entsatzangriff anzutreten.716 Von den 15.666 angetreten Soldaten waren bis dato 1.613 Mann im Kampf gefallen, verwundet oder vermisst.717 Den deutschen Truppen standen auf dem gesamten Schlachtfeld drei Mal so viele russische Panzer wie eigene und über 100.000 sowjetische Soldaten gegenüber.718 Nach dem Nachtmarsch und Vorstoß durch von russischen Truppen verteidigte Stellungen, Schnee und Eis sowie schwieriges Gelände719, schafften es die dezimierten Panzer und Panzergrenadiereinheiten der 6. Panzerdivision dennoch, das veranschlagte Ziel, das Südufer der Myschkowa 720 im Raum um Vasil’evka721, zu erobern, dem „[…] letzte[n] Hindernis vor Stalingrad.“722 In einer parallel laufenden Nachtaktion fiel das für den weiteren Angriff so wichtige Nordufer der Myschkowa an die Truppen der 6. Panzerdivision.723 Das Nordufer sollte als Plattform für den letzten entscheidenden Vorstoß und der Vereinigung mit der 6. Armee dienen.724 Der 17. Panzerdivision gelang es bei Nižne-Kumskij, einen Brückenkopf an der Myschkowa zu bilden.725 Ab diesem Zeitpunkt war die Frontlinie des äußeren Kesselrings noch 60 km726 und der Stadtkern von Stalingrad 80 km vom Entsatzheer entfernt.727 „Nun kam alles darauf an, die Stellungen […] so stark wie möglich zu machen

714 Kriegstagebuch Panzerregiment 11, zit. in: Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 121. 715 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367. 716 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 155. 717 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367. 718 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 297. 719 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 123. 720 Schröter, Stalingrad, S. 102. 721 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 125. 722 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 345. 723 Schröter, Stalingrad, S. 102-103. 724 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 300. 725 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1042. 726 Manstein, Verlorene Siege, S. 366. 727 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S.25 86 und die Flanken abzudecken, sowohl im Hinblick auf die zu erwartenden sowjetischen Gegenangriffe, als auch um baldmöglichst [selbst] […] weiter nach Norden anzugreifen.“728

5.6 Hoffnung im Kessel - „Haltet aus, von Manstein haut uns raus!“729 In Windeseile verbreitete sich die Meldung über die vorrückenden deutschen Truppen und den Entsatzangriff bei den Soldaten im Kessel mit der Losung „Der Manstein kommt!“730. Doch je mehr Tage ab dem Angriffsbeginn des Entsatzunternehmens verstrichen, desto niedergeschlagener wurden die Soldaten im Kessel.731 Die ganze Hoffnung der eingekesselten Soldaten basierte auf der Flüsterpropaganda: „Haltet aus, von Manstein haut uns raus!“732 Zudem vergrößerte der Gefechtslärm zwischen den Verbänden des vorstoßenden Entsatzheeres und den russischen Truppen den Hoffungsschimmer der eingeschlossenen deutschen Soldaten in Stalingrad. Jener war durch die Beschaffenheit der russischen Steppe derart weit zu hören, dass der Glaube an die Möglichkeit eines Ausbruchs aus dem Kessel immer größer wurde733 und wieder Optimismus bei den Landsern aufkam.734 Mit zunehmender Dauer des Vorstoßes konnten die Soldaten in Stalingrad in der Ferne sogar die Mündungsfeuer der Panzerkanonen erkennen735 und die Funksprüche der Entsatztruppen mithören736, welche für Hitlers treu ergebene Offiziere und Soldaten im Kessel die Bestätigung dafür war, dass der Führer „[…] stets sein Wort hielt.“737 Die Aussicht auf Entsatz ließ die Landser zudem die Unterversorgung an Nahrungsmitteln vergessen. Der militärische Erfolg der Operation wurde primär voran gestellt. Generalleutnant Fiebig schrieb zur Lage im Kessel: „Am Tag heute nur 80 tons Zufuhr zur Festung, in der Nacht Fortsetzung. Aber der takt[ische] Erfolg der […] [Panzertruppe Hoth] zusammen mit den He’s ist mehr wert als einige tons mehr in der Festung.“738 Der Ausbruch schien für die Soldaten im Kessel unmittelbar bevor zu stehen. Die deutschen Soldaten im Kessel waren trotz ihrer Lage „[…] überzeugt, die wenigen Tage noch durchzuhalten, bis die Entsatzarmee erscheint.“739

728 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367. 729 Gerhard Dengler, Zwei Leben in einem, Berlin 1989, S. 78. 730 Wieder, Stalingrad und die Verantwortung des Soldaten, S. 68. 731 Adam u.a., Der schwere Entschluß, S. 224. 732 Dengler, Zwei Leben in einem, S. 78. 733 Beevor, Stalingrad, S. 340. 734 Adam u.a., Der schwere Entschluß, S. 224. 735 Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 504. 736 Wijers, Winter Storm, S. 240. 737 Beevor, Stalingrad, S. 340. 738 Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56. 739 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 332. 87

Am 15. Dezember wurde von den Landsern im Kessel die s.g. „von Manstein-Spende“ für den bevorstehenden Entsatz gesammelt. 100.000 Reichsmark waren zusammengekommen und sollten als Dank dem Feldmarschall zum Weihnachtsfest zur freien Verfügung zukommen.740 Der Landser schrieb am 18. Dezember im Kessel bezgl. des Entsatzes in sein Tagebuch: „Heute sagten die Offiziere den Soldaten, sie sollten einsatzbereit sein. General Manstein nähert sich Stalingrad mit starken Streitkräften von Süden. Das bringt Hoffnung in das Soldatenherz. Gott, lass es wahr werden!“741

5.7 Drei Optionen Die Lage im Kessel von Stalingrad und „[d]er allgemeine Zustand der 6. Armee gab[en] Mitte Dezember allen Anlaß, an der Fähigkeit zu einem erfolgreichen Durchstoß oder gar einem Ausbruch der ganzen Armee zu zweifeln.“742 Bei der 6. Armee wurden trotz allem ab 13. Dezember die Planungen eines Ausbruchs zur Vereinigung mit den Panzerverbänden der Entsatzarmee forciert. Der Mangel an Treibstoffen dominierte jedoch die militärstrategische Taktik des AOK 6 und des Generalkommandos für den Ausbruch mit dem Vermerk743: „[S]oweit es die Betriebsstofflage erlaubt.“744 Durch heikles Herauslösen von deutschen Truppen aus der Front wurde in Stalingrad erreicht, einen kampfkräftigen motorisierten Verband, die 29. Infanteriedivision, bestehend aus 5 Bataillonen, aufzustellen. Diese sollte, gemeinsam mit dem XIV. Panzerkorps, einen Vorstoß von Karpovka aus wagen. Der Beginn des Ausbruchsunternehmens war nach der Überquerung der Myschkowa in nördlicher Richtung nach Buzinovka durch das LVII. Panzerkorps geplant, welcher am 18. Dezember erwartet wurde.745 Generalfeldmarschall von Manstein ließ seinen dritten Generalstabsoffizier, Major Eismann, in den Kessel zu Paulus einfliegen, um ihm die möglichen militärischen Optionen für die 6. Armee darzulegen. Der Fall 1 war der Versuch eines Ausbruchs aus dem Kessel in südlicher und südwestlicher Richtung in den Raum um Buzinovka mit dem zeitgleichen Anrücken von Teilen der Panzergruppe Hoth und schlussendlichen Vereinigung der deutschen Truppen. Der Fall 2 war das Szenario eines zeitlich begrenzten Korridors zur Zufuhr von neuen Kräften und Zugmitteln in den Kessel mit einem folgenden Herausnehmen der

740 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342. 741 Wilhelm Hoffman, zit. in Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 167. 742 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 96. 743 Ebd., S. 96. 744 Ebd., S. 96. 745 Ebd., S. 96. 88 abgekämpften Truppen bis hinter die Myschkowa. Beim Fall 3 hielt die 6. Armee weiterhin die Front in der Stadt an der Wolga und ein Entsatz sollte bis auf Weiteres nicht mehr stattfinden.746 Zu den Vorschlägen des Majors kamen für die Entscheidungsfindung im Kessel zudem noch die Umstände, dass Hitler einerseits strikt gegen die Aufgabe Stalingrads war und andererseits bereits der 5. Waffen-SS Division Wiking befohlen hatte, nach Elista vorzustoßen, um dort die 16. motorisierte Division herauszulösen. Diese sollte dann umgehend zur Unterstützung von Hoths Panzertruppen antreten und die bereits abgekämpften Truppen unterstützen.747

5.8 48 km: 20. bis 21. Dezember Für den 20. Dezember war der Auftrag an die 17. und 6. Panzerdivision, die Brückenkopfe von Vasil’evka und Gromoslavka mit dem Kurs auf Gniloaksajskaja, in Zusammenarbeit mit der 23. Panzerdivision, deren Stoß aus Krugljakov zur Deckung der Ostflanke erfolgen sollte, unter deutsche Kontrolle zu bringen. Im Erfolgsfall sollte ein Folgeangriff auf Zety – Sovchose Krep' erfolgen. Am Angriffstag schafften es die deutschen Panzerdivisionen jedoch nicht, ihre Aufträge zu erfüllen. Die 23. Panzerdivision blieb am russischen Widerstand hängen und die 17. Panzerdivision verlor zeitenweise sogar den Brückenkopf bei Nižne- Kumskij. Nur der 6. Panzerdivision gelang es, mit Stoßtrupps zum Brückenkopf von Vasil’evka vorzustoßen. 748 Zeitgleich wurde ein Eintreffen der 24., 98. und 200. russischen Schützendivisionen bei Nižne-Kumskij gemeldet und Generaloberst Hoth war gezwungen, seine Angriffspläne komplett zu ändern. Die 17. Panzerdivision sollte mit starken Teilkräften die Sicherung des gewonnenen Gebietes aufrechterhalten und sich mit dem Rest des Verbandes westlich der 6. Panzerdivision zum gemeinsamen Angriff bereithalten, da die Kräfte einer deutschen Division nicht mehr für eine Offensive ausreichten. Der 23. Panzerdivision wurde wiederum die Flankensicherung im Osten zugeteilt.749 Am Kampftag konnten die deutschen Verbände jedoch nur minimale Gebietsgewinne erzielen. Während die 6. Panzerdivision ihre Stellung über die Myschkowa gegen starke russische Kräfte verteidigen musste, war auch die 17. Panzerdivision gezwungen auf Verteidigung umzustellen, um die Position bei Nižne-Kumskij zu halten. Einzig die 23. Panzerdivision konnte im Südosten kleinere Gebietsgewinne, v.a. bei Einbruch der

746 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 96. 747 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 157. 748 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367-368. 749 Ebd., S. 368. 89

Dunkelheit verzeichnen. Die russischen Kräfte hielten, zum Unglück der deutschen Verbände, verbissen einen 15 km weiten und 6 km breiten Brückenkopf südlich von Gromoslavka mit dem Effekt, dass sich die Vorausabteilungen der 6. und 17. Panzerdivision zu keinem gemeinsam geführten Schlag gegen die sowjetischen Verteidiger vereinigen konnten.750 Die Führung des Entsatzunternehmens ließ in der Lagemeldung an die Heeresgruppe Don bereits erkennen, dass trotz der deutschen Stoßstrategie ein heftiger Feindwiderstand in nördlicher Richtung der Myschkowa auf den Höhen zu erwarten war und die deutschen Strategen mit einem erfolgreichen Durchbruch darüber hinaus bis hin zum Kesselring und somit zur 6. Armee kaum noch rechnen konnten.751 Im Kriegstagebuch wurde die Lage des Entsatzheeres nicht mehr beschönigt: „‚Die Panzerarmee glaubt, unter diesen Umständen die Gegend von Jeriskoj Krepinskij noch erreichen zu können; sie hegt aber jetzt schon Zweifel, ob es gelingen würde, darüber hinaus noch weiter nach Norden der 6. Armee entgegenzukommen.‘“752 Der 21. Dezember brachte Teilerfolge für die deutschen Panzerdivisionen, deren Aufgaben es nunmehr waren, eine Truppenhälfte zur Abwehr des bereits eroberten Gebietes einzusetzen und mit der anderen den Angriff weiter voranzutreiben.753 Die 17. Panzerdivision blieb an der Gegenwehr der russischen Kräfte vor Gromoslavka im Südwesten hängen, jedoch konnte die 23. Panzerdivision Raum bis nach Gniloaksajskaja gewinnen. Die 6. Panzerdivision schaffte es, den Brückenkopf von Vasil’evka zu halten und die russischen Kräfte im Hinterland der deutschen Vormarschstraße zu werfen.754 Die Angriffsspitzen des Entsatzheeres kämpften sich in Summe trotz des heftigen russischen Widerstandes bis auf 48 km an die südliche Frontline Stalingrads heran.755 „Schon konnten die vordersten Truppen […] am fernen Horizont den Widerschein des Feuers an der Front um Stalingrad erkennen!“756 Ein vorläufiges Zusammentreffen der Panzergruppe Hoth und der 6. Armee für die Zufuhr der benötigten Betriebsmittel, Verpflegung und Munition aus dem Hinterland des Entsatzheeres, für den Folgeauftrag, den „Fall Donnerschlag“, schien gegeben zu sein. Für den Ausbruch waren bereits 3000 Tonnen von Versorgungsgütern mittels Kraftwagen-Kolonnen hinter der 4. Panzer Armee nachgezogen worden, sowie Zugmaschinen zum Bewegen eines Teiles der sich im Kessel befinden Artillerie.757 „Trat − während die 4.

750 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 301-302. 751 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368. 752 Kriegstagebuch der Panzerarmee, zit. in: Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368. 753 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 304. 754 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368. 755 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 147. 756 Manstein, Verlorene Siege, S. 375. 757 Ebd., S. 366. 90

Panzer-Armee ihren Angriff nach Norden fortsetzte oder […] weitere Kräfte der feindlichen Einschließungsfront auf sich zog − die 6. Armee zum Ausbruch an, dann würde der Gegner zwischen den beiden Armeen zwischen zwei Feuer geraten.“758 Auch an der Tschir-Front schien die Lage einen Ausbruch der 6. Armee zu erlauben. Zunächst konnte ein „[e]rneuter Angriff vor italienischer Front […] abgewiesen“759 werden, wodurch die Lage den Eindruck erweckte, die sowjetischen Durchbruchsangriffe so lange verzögern zu können, bis die deutschen Truppen im Kessel eine Verbindung zum Entsatzheer geschlagen hatten.760 Der „Fall Donnerschlag“ musste unbedingt auf das „Unternehmen Wintergewitter“ folgen, da die Lage ein weiteres Warten nicht zuließ. 761 „Die 6. Armee des Feldmarschalls Paulus hatte aber mit dem Ausbruch noch gar nicht begonnen.“762 Der militärische Schlag aus dem Kessel sollte, laut der deutschen Führung im Kessel, erst dann erfolgen, wenn Hoths Verbände sich bis auf 18 km genähert hätten.763

5.9 Der Vormarsch kommt ins Stocken: 22. Dezember Der weiter Vorstoß der deutschen Panzerdivisionen sollte mit einem zentrierten Angriff von Vasil’evka aus in Richtung Norden, zum einen auf Ivanovka und zum anderen auf Werchne- Caricynskij erfolgen. Die Lage für die deutschen Panzerdivisionen änderte sich jedoch am 22. Dezember hin zur allumfassenden Verteidigung des bisher erkämpften Bodens764, da die Befehlshaber der Roten Armee immer mehr Truppen an die bedrohten Fronten warfen765, um die Panzergruppe Hoth an den Flanken zu bekämpfen.766 Teile des Entsatzheeres wurden von neu zugeführten Reserven der verteidigenden 51. sowjetischen Armee aufgehalten.767 Mit dem zusätzlichen Eintreffen der 2. sowjetischen Gardearmee, die in Gewaltmärschen von 40- 50 km am Tag eine Strecke von 200 – 280 km hinter sich gebracht hatte768, wurden die deutschen Truppen an der Myschkowa unter schweres Feuer genommen.769 Den russischen Truppen gelang es wiederholt, die Verbindung zwischen den vordersten Verbänden des Entsatzheeres und den Truppen, die den Brückenkopf am Nordufer der Myschkowa hielten,

758 Manstein, Verlorene Siege, S. 366. 759 Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56. 760 Manstein, Verlorene Siege, S. 366. 761 Ebd., S. 369. 762 Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/ entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014. 763 Schröter, Stalingrad, S. 104. 764 Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368-369. 765 Manstein, Verlorene Siege, S. 362. 766 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95. 767 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342. 768 Ebd., S. 346. 769 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332. 91 zu stören.770 Das XLVIII. Panzerkorps war auf dem Weg, die Verbände des Entsatzheeres zu verstärken, doch russische Truppen erreichten den benötigten Brückenkopf zur Übersetzung der deutschen Truppen am Don vor der deutschen Panzerreserve und machten den Übergang zur Unterstützung des Hauptangriffes unmöglich. Die Panzer mussten somit zur Unterstützung von Hollidts Truppen zur gefährdeten Tschirfront abdrehen.771 Die militärischen Ausfälle waren groß und der deutsche Vorstoß kam ins Stocken. Allein die deutsche 6. Panzerdivision hatte an diesem Tag 1.100 Mann an Verlusten zu verzeichnen772 und die Panzergruppe wurde hinsichtlich der Panzer, Munition und des Betriebsstoffes immer schwächer.773 Die Lage am Fluss Myschkowa begann zudem für das gesamte LVII. Panzerkorps unhaltbar zu werden. Nach den anfänglichen Erfolgen der deutschen Truppen und der Errichtung eines Brückenkopfes am Nordufer des Flusses, warf die Rote Armee immer mehr neue Kräfte aus dem Hinterland gegen die Entsatztruppen, um den Vormarsch zu stoppen.774 „Trotzdem hat das Ob.Kdo.d.H.Gr. die 4. Panzer-Armee in ihrer exponierten Lage ostwärts des Don solange belassen als noch zu hoffen war, daß die 6. Armee ihre letzte Chance nutzen könne und werde.“775 Teile der 17. Panzerdivision schafften es zwar im Raum Gromoslavka die russischen Truppen zu schlagen und so das Hinterland des Brückenkopfes an der Myschkowa für den Entsatz abzusichern. Doch das Gros der Division war noch in Kämpfen im Winkel zwischen Don und Myschkowa verstrickt, sodass den vorgestoßenen Panzerspitzen der 6. Panzerdivision keine zusätzlichen Kräfte zugeführt werden konnten.776 Nach dem Verlust der Brückenköpfe an der Front am Don bei Nischne-Tschirskaja777 ging am 22. Dezember auch die Relaisstation der Deutschen und somit die Möglichkeit der verschlüsselten Funkverbindung verloren. Ab sofort hielten nur noch ein 1.000 Watt Sender und kleinere Funkstationen die Verbindung zwischen Kessel und der Heeresgruppe Don aufrecht.778 Am selben Tag meldete die Aufklärung der deutschen Truppen die Heranführung der erwarteten neuen russischen Kräfte, weshalb Hoth sich entschied, die deutschen Verbände umzugliedern und den Angriff auf den Kesselring erst am 24. Dezember weiter voranzutreiben.779

770 Schröter, Stalingrad, S. 103. 771 Reginald T. Paget, Manstein. Seine Feldzüge und sein Prozess, London 1952, S. 65. 772 Beevor, Stalingrad, S. 344. 773 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 125. 774 Manstein, Verlorene Siege, S. 375. 775 Ebd., S. 373. 776 Schröter, Stalingrad, S. 103. 777 Ebd., S. 103. 778 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 357. 779 Schröter, Stalingrad, S. 105. 92

780

5.10 Das Zögern der deutschen Generäle Generalfeldmarschall von Manstein bekundete dem OKH abermals, dass auf Grund der Lage, nur ein Ausbruch aus dem Kessel sinnvoll wäre: „Wenn ohne alsbaldige Vereinigung mit Hoth sowieso eine kontinuierliche, ausreichende Versorgung der 6. Armee durch die Luftwaffe nicht möglich sei, so bleibe nur deren Gesamtausbruch übrig.“781 Vier Tage lang, vom 19. bis zum 23. Dezember, hatte Generaloberst Paulus die Möglichkeit, den Ausbruch aus dem Kessel von Stalingrad eigenmächtig zu befehlen. Zeitgleich hielt die Entsatzarmee bereits mit dem letzen

780 Operation „Wintergewitter“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/ Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung. 781 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 97. 93

Aufgebot ihrer Kräfte die Front und band die russischen Kräfte.782 Die deutsche Führung im Kessel war jedoch weder von der Heeresgruppe B noch vom OKH wahrheitsgetreu über die tatsächliche kritische Lageentwicklung informiert worden783, sodass „[…] damit der Armeeführung die Chance genommen [wurde], sich auf die Unausweichlichkeit eines Ausbruchs vorzubereiten. Das erklärt, warum Paulus das unbestreitbare Risiko noch immer scheute, anstatt entschlossen zu handeln.“784 Wegen der Herausnahme der 6. Panzerdivision wäre der Weg der 6. Armee zur Panzergruppe Hoth in die Freiheit − 48 km Luftlinie durch Feindgebiet − mit wenig Munition und Treibstoff und nur den eigenen abgekämpften und ausgehungerten Truppen bevor gestanden.785 „Gerade auf Grund dieser Verhältnisse glaubte Paulus, selbst ohne Kenntnis von der Gesamtlage in den Heeresgruppenabschnitten Don, B und A, nur nach den Weisungen Mansteins handeln zu dürfen.“786 Mittels Fernschreibeleitung teilte Paulus von Manstein mit, dass die vorgeschlagene Lösung für den Fall 1 nur mit Panzerverbänden durchführbar wäre, weil es an Infanterietruppen mangelte. Die zweite Option, eine Vereinigung der deutschen Truppen könnte „[…] nur im äußersten Fall“787 bewerkstelligt werden, und nur wenn zuvor entsprechende Mengen an Betriebsstoff und Versorgungsgütern im Kessel ankamen, um die Kampfkraft der Landser wiederherzustellen. Fall 3 war nur akzeptabel, wenn es wirklich gelänge, die Luftversorgung für Stalingrad angemessen in Bezug auf Material und Versorgungsgütern für die Truppen sicherzustellen.788

5.11 „Ich bleibe an der Wolga“ Der „Führer“ identifizierte sich mit den deutschen Soldaten, die die Stadt an der Wolga allen Widrigkeiten zum Trotz hielten, obwohl er selbst deren physische Qualen nicht teilen musste.789 „‚Ich bleibe an der Wolga!‘, gebot er deren Kommandeur Friedrich Paulus […].“790 Hitler musste demnach dazu gebracht werden, seinen Befehl, die Stadt an der Wolga

782 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 357. 783 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 270. 784 Ebd., S. 270. 785 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358. 786 Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 85. 787 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 97. 788 Ebd., S. 97. 789 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 270. 790 Ebd., S. 269-270. 94 unbedingt zu halten, zu widerrufen, denn sein Durchhaltewille beschränkte den Oberbefehlshaber der 6. Armee Generaloberst Paulus in seiner Handlungsfähigkeit.791 Den Soldaten im Kessel war die Tatsache nicht bewusst, dass Hitler Stalingrad nicht aufgeben wollte. Für den Oberbefehlshaber der Wehrmacht kam nach wie vor nur das Erkämpfen und Halten eines geschlagenen Korridors zur Versorgung von Stalingrad bis zur nächsten Sommeroffensive in Frage. Die Wehrmacht hätte bei erfolgreichem Entsatz einen 100 km langen Korridor bis zur Stadt an der Wolga gegen russische Flankenangriffe schützen müssen.792 Das Oberkommando der Heeresgruppe Don versuchte zu diesem Zeitpunkt wiederholt bei der obersten Führung, den Ausbruch der 6. Armee und den Vorstoß sowie die Vereinigung mit dem Entsatzheer genehmigt zu bekommen.793 Das Oberkommando der Heeresgruppe Don hatte hierzu bereits „[…] für ‚Donnerschlag‘ die Räumung des Festungsgebietes ausdrücklich befohlen.“794 In einer von Manstein an das OKW übermittelten Lagebeurteilung unterstrich der Generalfeldmarschall, dass „[d]as Durchbrechen der 6. Armee nach Südwesten […] die letzte Möglichkeit [sei], um wenigstens die Masse der Soldaten und der noch beweglichen Waffen der Armee zu erhalten.“795 Doch selbst nach dem eindringlichen Zureden und der Schilderung der Lage von von Manstein, ließ sich Hitler nicht zum Ausbruch der 6. Armee überreden.796 Der Generalfeldmarschall „[…] wiederholte seine Anträge in den nächsten Tagen mit solcher Vehemenz, daß kein Zweifel daran erlaubt sein darf, daß die 6. Armee seine größte Sorge und ihre Rettung sein größtes Ziel war, unter Inkaufnahme großer operativer Risiken für die Heeresgruppe.“797 General Zeitzler und Generalmajor Heusinger versuchten ebenso, Hitler zum Ausbruch der 6. Armee zu bewegen, doch Hitler, der von Göring erneut beeinflusst wurde, indem Generalfeldmarschall Göring beim Lagevortrag verkündete, dass die Lage im Kessel doch nicht so schlecht sei wie von Zeitzler geschildert, lehnte daraufhin wieder alle Bestrebungen, Stalingrad aufzugeben, strikt ab. Von Manstein war somit die Chance, den Fall 2 als verpflichtenden Befehl zu geben, ohne selbst gegen den Willen Hitlers zu verstoßen, genommen.798 Der Generalfeldmarschall, der streng von preußischen Offizierstugenden

791 Manstein, Verlorene Siege, S. 367-368. 792 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358. 793 Manstein, Verlorene Siege, S. 367. 794 Ebd., S. 369. 795 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 346 796 Ebd., S. 346. 797 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 96. 798 Ebd., S. 97. 95 geprägt war, „[…] hielt es nicht für richtig […] wider die Weisungen des OKW und OKH irgendwelche eigenmächtigen Entscheidungen zu treffen.“799 Von Manstein erließ am 19. Dezember um 18 Uhr dennoch den Befehl zur Vorbereitung von zwei möglichen Operationen. Das erste Unternehmen sollte ein teilweiser Ausbruch mit der Vereinigung der Truppen des LVII. Panzerkorps als Ziel und dem Halten der Front im Kessel sein. Die zweite Operation sah den bereits vorbereiteten „Fall Donnerschlag“ und einen Gesamtausbruch der 6. Armee vor.800 Beide militärischen Aktionen konnten jedoch „[…] erst auf ‚ausdrücklichen Befehl‘ ausgelöst werden.“801 „Paulus hatte damit den Befehl auch den Ausbruch vorzubereiten. Mehr konnten Manstein nicht befehlen. Denn wenn er mehr befohlen hätte, wäre innerhalb von sechs Stunden das rückgängig gemacht worden […] Hitler sagte einfach nein […] und damit hatte sichs – das hatte keinen Sinn.“802

In der deutschen Wehrmacht gebot es zudem nicht der soldatischen Tugend, die vermeintliche Meinung und Absicht des nächsthöheren Befehlshabers zu interpretieren, sondern nur direkt getätigte Befehle auszuführen.803 Dies galt auch vor allem für Paulus, denn er „[…] war nicht der Mann, der opponierte. Er verstand Gehorsam als seine oberste Pflicht und vertraute durchaus auf das militärische Können des ‚Führers‘.“804 Erstens wusste Paulus dass die Rote Armee rund um das Gebiet von Stalingrad alles dagegen unternehmen würde, um die deutschen Truppen an einem Ein- bzw. Ausbruch zu hindern. Eine militärische Katastrophe schien für Paulus bei einem Ausbruchsversuch somit schon vorprogrammiert. Zweitens war der Heeresgruppe Don und der deutschen Führung im Kessel klar, dass ein Ausbruch sowie ein gleichzeitiges Halten von Stalingrad nicht möglich waren. Drittens, rechneten die Generäle an den Fronten nicht mehr mit den von Berlin getätigten Versorgungsversprechungen der Luftwaffe.805 Auf Grund dessen hätte zu diesem Zeitpunkt nur ein direkter und eigenmächtig erteilter Ausbruchsbefehl von Generalfeldmarschall von Manstein „[…] an Paulus helfen können. Manstein gab ihn nicht.“806 Von Mansteins Prämisse für das Auslösen eines Ausbruchsversuchs der Truppen aus Stalingrad war deren

799 Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 85. 800 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 98. 801 Ebd., S. 98. 802 Johann Graf Kielmansegg, Mansteins Befehle, in: Hitlers Krieger, Erich von Manstein – Der Stratege, hrsg. v. Guido Knopp, DVD 2005, Min. 25:43-26:02. 803 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 98-99. 804 Torsten Diedrich, Friedrich Paulus. Ein Soldatenschicksal vor Stalingrad, in: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung (2002), Heft 4, S. 4-7, hier S. 5. 805 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 293. 806 Knopp, Hitlers Krieger, S. 194. 96

Hoffnung, „[d]ie Freiheit wiederzugewinnen, dem Tode oder der Gefangenschaft zu entgehen, [um] das unmöglich Scheinende möglich zu machen.“807 Hitler forderte am 21. Dezember den genauen Bestand an Betriebsstoff in Stalingrad und die 6. Armee übermittelte Wahrheitsgetreu die noch vorhandenen Reserven. Nun wusste auch Hitler, dass die Truppen in Stalingrad nur noch Treibstoff für höchstens 30 km hatten.808 Ab diesem Zeitpunkt festigte sich die Haltung des „Führers“ gegen einen Ausbruch indem er im Gespräch mit Zeitler anmerkte: „Da haben wir es ja, Zeitler, ich kann doch nicht die Verantwortung dafür übernehmen, die Panzer ohne Brennstoff in der Steppe sitzenzulassen.“809Hitler sprach in der Lagebesprechung wiederum ausdrücklich ein Ausbruchsverbot für die 6. Armee aus810 und argumentierte nun, dass die 6. Armee auf Grund der geringen Treibstoffreserven gar nicht zu einem Ausbruch aus dem Kessel im Stande wäre.811 Die Führung der 6. Armee setzte sich trotz schwieriger Lage und Führerbefehl mit der Ausführung der zwei von von Manstein gegebenen Befehle auseinander. Die Problematik war, dass „Wintergewitter“ allein ein verweilen deutscher Truppen in Stalingrad einbezog und zur Aufrechterhaltung der Front immer wieder die schon begrenzten Panzerkräfte hätten herangezogen werden müssen. Beim „Fall Donnerschlag“ wären die Einbrüche in der Front in Kauf genommen worden und die noch vorhandenen Panzer zu einem schlagkräftigen Verband im Bereitstellungsraum für einen Ausbruchsangriff vereint worden. In jedem Fall musste aber gegeben sein, dass das LVII. Panzerkorps an der Myschkowa dem Druck der russischen Verbände stand hielt.812

5.12 Zusammenbruch der Nordflanke: 23. Dezember Mit zunehmender Dauer der „Operation Wintergewitter“ wendete sich das Kriegsgeschick gegen die Entsatztruppen. Am Tschir stand die Armee-Abteilung Hollidt unter dem Druck von General Watunins Truppen.813 An der nördlichen Flanke stürmte, 160 km vom Entsatzheer entfernt, eine russische Offensive mit drei Armeen, der 1. und 3. Gardearmee sowie der 6. sowjetischen Armee814, gegen die 8. italienische Armee des Generals Gariboldi815 am Ufer

807 Knopp, Hitlers Krieger, S. 228. 808 Schröter, Stalingrad, S. 105. 809 Ebd., S. 105. 810 Ebd., S. 105. 811 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 100. 812 Ebd., S. 99. 813 Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 200. 814 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25. 815 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343. 97 des Don an.816 Die Lage verschlechterte sich bei den italienischen Truppen ab 17. Dezember so drastisch817, dass „[…] nach einigen Akten heftigen Widerstands [...]“818 die Verteidigungsstellungen der verbündeten Soldaten von den russischen Truppen aufgerieben wurden.819 Die italienischen Verbände nördlich neben Hollidts Armeegruppe verließen daraufhin auch ihre Verteidigungsgräben und Bunker und zogen sich unter Auflösungserscheinungen vom Schlachtfeld bis Milerowo zurück.820 Die rumänischen Verbündeten im Süden taten es den Italienern gleich und rissen somit, wie bereits im Norden, ein Loch in die Front.821 Die Nordflanke war ab sofort auf einer Länge von 145 km ohne deutsche Verteidigung822, „[…] wodurch der Panzervorstoß [des Entsatzheeres] direkt bedroht wurde.“823 Die eigentliche Reserve an der von der italienischen Armee gehaltenen Front sollte die 17. Panzerdivision darstellen. Der Panzerverband war im Laufe von „Wintergewitter“ jedoch von der Frontlinie abgezogen und östlich des Don in die Panzergruppe Hoth eingegliedert worden. Ein Gegenangriff der italienischen Verbände gegen die sowjetischen Truppen war somit unmöglich. Zudem ließen die Wetterverhältnisse einen Schlag der deutschen Luftwaffe gegen die sowjetischen Truppen zur Unterstützung der deutschen Verbände nicht zu.824 Überdies kam noch der Umstand hinzu, dass schwere Waffen an manchen Abschnitten an der Nordflanke nur ungenügend bei den deutschen Truppen und deren Verbündeten vorhanden waren.825 Der Wetterumschwung, der nun Frost brachte, konnte die russischen Panzerbrigaden mit den T-34 Panzern nicht stoppen und die gesamte deutsche Heeresgruppe Don826 als auch die im Kaukasus kämpfenden Truppenverbände der Heeresgruppe A unter Generaloberst Ewald von Kleist827, liefen darauf hin Gefahr, durch die Offensive der russischen Truppen in Stoßrichtung Rostow abgeschnitten und wie die 6. Armee eingekesselt zu werden.828 „Die Armee-Abteilung Hollidt mußte, so gut es ging, zunächst einmal versuchen, eine neue Front etwa in der Höhe der 3. Rumänischen Armee aufzubauen, um deren Flanke, zugleich aber

816 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25. 817 Schröter, Stalingrad, S. 109. 818 Beevor, Stalingrad, S. 342. 819 Ebd., S. 342. 820 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343. 821 Paget, Manstein, S. 65. 822 Schröter, Stalingrad, S. 109. 823 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340. 824 Paget, Manstein, S. 65. 825 Schröter, Stalingrad, S. 109. 826 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340. 827 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344. 828 Beevor, Stalingrad, S. 343. 98 auch die für die Versorgung der 6. Armee unentbehrlichen Flugbasen […] zu decken.“829 Die für den Erhalt der Truppen in Stalingrad so wichtigen Flugplätze von Tatzinskaja und Morosowskaja lagen in der Stoßrichtung des sowjetischen Gegenstoßes und drohten ohne vorherige Verstärkung der deutschen Abwehrstellungen verloren zu gehen.830 Am selben Kampftag wurde von Generalfeldmarschall von Manstein die Panzergruppe Hoth zurückgezogen und zur Unterstützung der deutschen Truppen nach Norden zum unteren Tschir verlegt, um die Gegenoffensive der Sowjettruppen, gemeinsam mit dem rumänischen 3. AOK und Teilen des 48. Panzerkorps, zu stoppen.831 Die russischen Verbände waren zu diesem Zeitpunkt bereits 25 km weit832 bis zur Linie Kasary – Ternovskaya – Man’kovo – Kalitvenskaja – Kantemirovka833, mit dem Kurs auf Rostow, vorgestoßen.834 Die russischen Kräfte zwangen die Heeresgruppe B zur Sicherung der rechten Flanke und zur Anordnung von Verschiebungen deutscher Truppen.835 Hierzu wurde die 6. Panzerdivision zur Bereinigung der Lage vom Entsatzangriff abbeordert.836 Generaloberst Hoth versuchte in der Nacht von 23. auf 24. Dezember die Abkommandierung der Panzerdivision mit der Begründung, wenigstens noch bis auf 25 km vor Stalingrad anzugreifen um der 6. Armee den Ausbruch zu gewährleisten, zu verzögern.837 „Man war in der Panzerarmee bereit, noch eine letzte Karte auszuspielen und am Heiligen Abend mit allen Panzerkräften zum letzten Schlag anzutreten. Alles war für den Entscheidungsangriff vorbereitet […].“838 Hierzu sollten unter der Führung der 6. Panzerdivision 120 Kampfpanzer, 40 Sturmgeschütze, 24 gepanzerte Fahrzeuge, ein gepanzertes Grenadierbataillon, eine gepanzertes motorisiertes Infanteriekompanie und ein gepanzertes Artilleriebataillon den entscheidenden Vorstoß in Richtung Stalingrad antreten. Die Aufgabe der nichtgepanzerten Teile sowie der beiden schwächeren Panzerdivisionen war es, die gegenwärtigen Stellungen zu halten.839 Zusätzlich war zu diesem Zeitpunkt die Eisenbahnlinie von deutschen Pioniertruppen für einen schnellen Abtransport der 6. Armee bereits bis zum Aksaj verlegt worden.840

829 Manstein, Verlorene Siege, S. 374. 830 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 141. 831 Manstein, Verlorene Siege, S. 376. 832 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343. 833 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1052. 834 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343. 835 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1052. 836 Schröter, Stalingrad, S. 106. 837 Ebd., S. 106. 838 Ebd., S. 106. 839 Wijers, Winter Storm, S. 253. 840 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358. 99

Hoth befahl der 6. Panzerdivision trotz der schwierigen Lage, das Unmögliche zu versuchen und 33 km weit auf Stalingrad vorzustoßen, um den Truppen der 6. Armee – sollte Hitler zu diesem Zeitpunkt vom Ausbruch überzeugt sein – den Rückzug zu geleiten und zu decken.841 Dieser Befehl gab den Entsatztruppen neuen Elan und stärkte ihren Glauben, Weihnachten mit ihren Kameraden aus dem Kessel verbringen zu können.842 Am 24. Dezember wurde der Angriffsplan zur 6. Armee jedoch widerrufen.843 Auf Grund des Feinddrucks an der Tschirfront wurde die 6. Panzerdivision von Hoth abkommandiert und in Richtung Potemkinskaja am Don beordert, um die linke Front der Heeresgruppe Don zu sichern.844 Der Befehl an die 23. und 17. Panzerdivision war somit, ihre eigenen Stellungen sowie das besetzte Gebiet der 6. Panzerdivision aufrecht zu erhalten.845 Die Rote Armee begann jedoch einen groß angelegten Gegenschlag mit einem Gesamtkontingent von 149.000 Mann, 635 Panzern, 1.728 Feldgeschützen und Mörsern sowie 294 Jagdflugzeugen gegen die noch verbliebenen deutschen Divisionen. Die 17. und 23. Panzerdivision waren gezwungen, alle Stellungen an der Myschkowa, um Vasil’evka und Werchne-Kumskij, bis zur Hälfte der Strecke zum Aksaij zurückzuziehen.846 „[S]eit Weihnachten [vergrößerte] sich der Abstand von der eingeschlossenen 6. Armee immer mehr, und damit schwand auch die letzte Hoffnung für die eingeschlossenen Divisionen.“847 Ein Erkämpfen des Korridor bis nach Stalingrad für den Entsatz der deutschen Truppen im Kessel war auf Grund der Gegenoffensiven der Roten Armee nicht mehr im Bereich des Möglichen und das „Unternehmen Wintergewitter“ kam kurz vor der Stadt „[…] im Schnee der Steppe zwischen Don und Wolga […]“848 gezwungenermaßen zum erliegen.849 Dies bedeutete de facto das Ende des militärischen Entsatzes der 6. Armee. Die Frage war nun, wie lange der Zustand der Einkesselung noch anhalten würde, da für die eingekesselten Soldaten in Stalingrad ab diesem Zeitpunkt von außen „[…] keine Hilfe mehr möglich war.“850 Hitler hatte bereits in der Nacht von 23. auf 24. Dezember akzeptiert, dass „Unternehmen Wintergewitter“ gescheitert war, indem er befahl, Teile der Panzergruppe Hoth vom

841 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358. 842 Wijers, Winter Storm, S. 253. 843 Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/ entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014. 844 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358. 845 Wijers, Winter Storm, S. 253. 846 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 321. 847 Schröter, Stalingrad, S. 110. 848 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 341. 849 Beevor, Stalingrad, S. 345. 850 Ebd., S. 345. 100

Entsatzunternehmen abzukommandieren.851 „Mehrere Tage [hatten] […] die Entsatzkräfte auf die 6. Armee [gewartet], die sich aus Stalingrad befreien sollte. Hitler gab nicht den Befehl zum Ausbruch. Auch die Generäle zauderten. Bis es zu spät war.“852 Am 25. Dezember wurden die Entsatzdivisionen gänzlich hinter den Aksaij zurückgeworfen und mussten sich weiter in Richtung Kotelnikowo zurückziehen.853 Die 17. Panzerdivision besaß beim Rückzug noch einen Kampfwert von 8 Kampfpanzern und einer Panzerabwehrkanone.854 Der Auftrag der deutschen Truppen war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr, ihre Rückzugsstellungen um jeden Preis zu halten, sondern möglichst ohne Verluste zu überleben und den russischen Verbänden zu entkommen. Bis zum 29. Dezember fiel Kotelnikowo in russische Hände. Das Entsatzheer hatte binnen sechs Tage jegliches zuvor gewonnenes Gebiet wieder verloren.855 Obwohl es die Truppen des Entsatzheeres schafften, innerhalb weniger Tage ein russisches Kavalleriekorps, zwei Panzerbrigaden, ein Infanteriekorps und eine infanteristische Stoßarmee aufzureiben, konnte der Auftrag, die eingeschlossenen Soldaten in Stalingrad zu befreien, nicht erfüllt werden.856 Anstatt der einen frischen und voll ausgerüsteten Panzerdivision hätten drei schlagkräftige Panzerdivisionen antreten und rechtzeitig mobilisiert werden müssen, um im Verbund mit starken Infanterietruppen die Chance eines Entsatzes der Truppen aus Stalingrad zu wahren.857 Die siebzehntägigen Kampfhandlungen von „Wintergewitter“ hatten von den Entsatzdivisionen zudem noch einen hohen Preis gefordert. 8.000 Soldaten waren tot oder verwundet, 160 Kampfpanzer und Sturmgeschützen sowie 177 Feldgeschütze und Mörser gingen verloren.858 Die Soldaten der Entsatzarmee gingen mit einem „[…] schwer lastenden Gefühl, der 6. Armee nicht die Hilfe gebracht zu haben, die diese mit Sicherheit erwartete, […] in die vierte Kriegsweihnacht.“859

5.13 Der „Donnerschlag“ bleibt aus Die Bedenken der Führung der 6. Armee bei der Durchführung der militärischen Operation eines Ausbruchs waren, dass bei einem Erliegenkommen der entsandten Entsatztruppen vor

851 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 100. 852 Berthold Seewald, Warum man in Stalingrad den Ausbruch verweigerte, Die Welt Online, 21.12.2012, [http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article112161423/Warum-man-in-Stalingrad-den- Ausbruch-verweigerte.html], eingesehen 15.07.2014. 853 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 323.. 854 Samuel W. Mitchan, The Panzer Legions. A Guide to the German Army Tank Divisions of WWII and Their Commanders (Stackpole Military Series), Mechanicsburg 2007, S. 138. 855 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 323-327. 856 Wijers, Winter Storm, S. 256. 857 Stühring, Von Stalingrad bis Kursk, S. 153. 858 Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 327. 859 Schröter, Stalingrad, S. 107. 101

Stalingrad, der weitere Vorstoß gegen einen Gegner mit intakten Panzerverbänden und fest ausgebauten Stellungen erfolgen hätte müssen, und die noch vorhandenen Betriebsstoffvorräte der 6. Armee im Ausbruchsangiff nur bis ca. 20 km vor den Kessel gereicht hätten.860 Das Kommando der 6. Armee berief sich darauf, dass der Fall

„Donnerschlag“ „[…] nicht mehr durchführbar [sei], wenn nicht vorher [ein] Korridor geschlagen und Armee mit Menschen und Versorgungsgütern aufgefüllt w[e]rd[e].“861 Während die Panzergruppe Hoth gezwungenermaßen nach Norden abdrehen musste, weigerte sich Hitler abermals, mit der Begründung auf die schlechte Treibstoffsituation, der 6. Armee den Ausbruch zu gestatten.862 Der Generaloberst im Kessel von Stalingrad stand somit vor der Problematik, welchen Befehl er ausführen und wem er die Treue halten sollte. Den Haltebefehlen des obersten Befehlshabers des Heeres, dem „Führer“, oder dem Räumungs-, aber nicht Ausbruchsbefehl des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe Don.863 Ein selbstständiges Handeln kam jedoch für den Oberbefehlshaber der 6. Armee nicht in Frage.864 „Paulus fürchtete zudem, dass seine Truppen in der Steppe von der überlegenen Roten Armee zerschlagen würden.“865 Außerdem war der selbstständig befohlene Rückzug von General von Seydlitz im Norden des Kessels eine Lehre für Paulus, denn er hatte gesehen, was mit den deutschen Truppen geschehen war, nachdem diese ihre ausgebauten und befestigten Stellungen aufgegeben hatten.866 „Wenn Generaloberst Paulus jetzt nicht das Risiko eines Ausbruches auf sich nahm, konnte nur noch ein Wunder ihn [und die 6. Armee] retten.“867 Ein Ausbruchsversuch der 6. Armee galt für „[…] Paulus [als] unmißverständlich, wenn es die Lage im Großen erfordere, was er‚ von hier aus nicht übersehen könne‘: ‚dann lieber jetzt als später.‘“868 Paulus bat von Manstein um eine Vollmacht, um „Donnerschlag“ anlaufen lassen zu dürfen „[…] die Manstein jedoch nicht glaubte erteilen zu können.“869 Ab diesem Zeitpunkt war gewiss, dass die 6. Armee zum Ausbruch gewillt war, wenn dazu ein direkter Befehl der Heeresgruppe Don gegeben werden würde und das Halten der Stellung auf Grund der Versorgungslage in keinster Weise mehr garantiert werden könne.870

860 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25. 861 Lagemeldung des AOK 6, 26.12.1942. BArch, RH 19-VI/7, fol. 91. 862 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333. 863 Manstein, Verlorene Siege, S. 369. 864 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333. 865 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45. 866 Ebd., S. 46. 867 Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 142. 868 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 101. 869 Ebd., S. 101. 870 Ebd., S. 101. 102

5.14 Das letzte Treffen Paulus und die Korpskommandanten im Kessel trafen sich am 27. Dezember zur letzten Beratung über die Auslösung von „Donnerschlag“.871 Eine Operationsplanung des IV. Armeekorps für einen Ausbruch war am Tag zuvor an das Kommando der 6. Armee ergangen. Darin wurde vorgeschlagen, am Tag „x+1 […] aus dem Raum Zybenko […] - Elchi, die […] als alte deutsche Stellung ausgebaut ist[,] [anzugreifen] und […] Plantator [zu gewinnen]. Hier Anschluß an Kräfte der Gruppe Hoth.“872 Da Hitler jedoch am Tag darauf die Heeresgruppe A aus dem Kaukasus und die Heeresgruppe Don bis hinter den Don zurückbefahl, war eine Vereinigung mit den deutschen Entsatztruppen nicht mehr im Bereich des Möglichen.873 Die durchgebrochenen russischen Kräfte des I. Gardeschützen-, des XI. motorisierten Garde- und VII. Panzerkorps, sowie dem nachrückenden XIII. Panzerkorps konnten von den deutschen Truppen nicht gestoppt werden, sodass die frühere Frontlinie vor der Operation „Blau“ nicht behauptet werden konnte.874 Die Ostfront wurde auf die Linie Konstantinowsk – Salsk – Armawir rückverlegt, wodurch die Truppen in Stalingrad ab diesem Zeitpunkt 300 km von den restlichen Verbänden der Wehrmacht entfernt waren.875 Am selben Tag noch erhielten die Korpskommandanten der 6. Armee die Meldung, dass ein Eintreten von „Donnerschlag“ bis auf weiteres nicht mehr zu erwarten sei.876 Am 30. Dezember wurden alle Befehle für Aktionsvorbereitungen für einen Ausbruch aufgehoben und die Weisung erteilt, dass „[…] die ‚Festung‘ auch ohne Entsatz noch mehrere Wochen gehalten werden müsse.“877

5.15 Das Ultimatum der Roten Armee Das Oberkommando der Roten Armee ließ am 7. Jänner 1943 einen Funkspruch an Generaloberst Paulus übermitteln, in der die Ankunft von drei Parlamentären gemeldet und von deutscher Seite aus für den darauffolgenden Tag, um 10 Uhr, bestätigt wurde.878 Zusätzlich wurde an den Stab der 6. Armee bereits der Text des Ultimatums in deutscher

871 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 102. 872 Das IV. Armeekorps gibt die Operationsabsicht „Fall Donnerschlag“ bekannt, 26.12.1942. BArch, RH 20-6/ 965, fol. 60. 873 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 101. 874 Schröter, Stalingrad, S. 108. 875 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 167-168. 876 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1055. 877 Ebd., S. 1055. 878 Schröter, Stalingrad, S. 153. 103

Sprache durch den deutschen Emigranten durchgegeben.879 Das sowjetische Ultimatum wurde sofort an das Führerhauptquartier weitergeleitet und Paulus fragte erneut um die Gewährung von Handlungsfreiheit an. Hitler verbat jedoch eine Gesamt- sowie eine Teilkapitulation deutscher Truppen im Kessel und rechtfertigte seinen Entschluss mit der Argumentation, dass zahlreiche russische Divisionen mit jedem Tag, den die 6. Armee weiterhin durchhielt, an der Front von Stalingrad gebunden blieben.880 Am 8. Jänner um 9 Uhr traten die russischen Unterhändler, Major A. M. Smyslow, der als Dolmetscher fungierende Hauptmann N. D. Djatlenko und ein Trompeter, auf der Südseite des Kessels mit einer weißen Fahne den Weg an881, um im Auftrag des russischen Generalleutnants Rokossowski882 ein schriftliches Ultimatum in einem versiegelten Brief an die Führung der 6. Armee mit der Option, durch „ehrenvolle“ Kapitulationsbedingungen den Kampf zu beenden, zu überbringen.883 Die Hauptbedingungen dazu hießen884: „1) Alle eingekesselten deutschen Soldaten, mit Ihnen und Ihrem Stab an der Spitze, stellen den Widerstand ein.

2) Sie übergeben organisiert unserer Verfügungsgewalt sämtliche Wehrmachtsange- hörige, die Waffen, die gesamte Kampfausrüstung und das ganze Heeresgut in unbeschädigtem Zustand.

3) Wir garantieren allen Offizieren und Soldaten, die den Widerstand einstellen, Leben und Sicherheit und nach Beendigung des Krieges Rückkehr nach Deutschland oder in ein beliebiges Land, wohin die Kriegsgefangenen zu fahren wünschen.“885

Mit zunehmender Annäherung an die deutschen Truppen wurde den russischen Parlamentären daraufhin mit Schüssen klar gemacht, dass das Kapitulationsangebot der Roten Armee von der deutschen Führung im Kessel abgelehnt wurde886 und die Unterhändler zogen sich wieder zu den eigenen Linien zurück. Zeitgleich befahl Paulus, dass jegliche weitere russische Parlamentäre mit Feuer zum Rückzug genötigt werden sollten.887

5.16 Angriff an allen Fronten Die folgenden Kampfeinsätze der 6. Armee in der Stadt an der Wolga hatten nun die Aufgabe, möglichst viele Kräfte der Roten Armee zu binden, um deren Offensivbestrebungen nach

879 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 382. 880 Schröter, Stalingrad, S. 154-155. 881 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 382. 882 Schröter, Stalingrad, S. 153. 883 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342. 884 Kapitulationsbedingungen, zit. in: Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 172. 885 Schröter, Stalingrad, S. 154. 886 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 47. 887 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 382. 104

Rostow zu schwächen.888 Somit konnte von den deutschen Truppen im Kessel „[…] kein Anzeichen eines Gegenschlags, der zu einer Vereinigung der deutschen Kräfte hätte führen können“889 mehr kommen. Symbolisch für Hitlers Haltebefehl stand nun die Verkündung der Führung des 6. AOK, „[d]ass die Armee alles tun wird, um [sich] bis zur letzten Möglichkeit zu halten […].“890 Die 6. Armee war jedoch operativ und bewegungsmäßig derart eingeschränkt, dass ab 5. Jänner 1943 abschnittweise die komplette Versorgung zusammenbrach und zudem das deutsche Kontingent durch Verlausung oder Todesfälle auf Grund von physischer Erschöpfung und Kälte immer weiter geschwächt wurde.891 Bereits am 20 Dezember hatte ein Offizier im Lagebericht den Zustand der Truppe betreffend vermerkt, dass „[g]anze Kompanien […] ohne jeden Kampfwert [waren], dagegen eine Gefahr für jede Art von Ersatz. An den Stellen, wo solche Haufen noch hingestellt werden m[usste]n, um eine Verteidigung vorzutäuschen, k[onnte] nur der Zufall helfen.“892 Unter dem Decknamen „Operation Koltso“ begann die Rote Armee am 10. Jänner 1943 mit der endgültigen Zerschlagung der deutschen Truppen in Stalingrad. Zum Zeitpunkt des russischen Gegenschlags herrschten Temperaturen von bis zu -35 Grad.893 Nachdem in der Nacht Bombenangriffe der russischen 16. Luftarmee geflogen worden waren894 begannen die sowjetischen Truppen die deutschen Stellungen in Stalingrad mit 281.000 Soldaten, 257 Panzern und 10.000 Geschützen, einer „[…] der größten Artilleriekonzentration der Geschichte um die Widerstandslinie der 6. Armee zu zerschlagen“895, anzugreifen und die Landser immer weiter von Westen nach Osten zu drängen. Der sowjetischen 65. Armee gelang es am ersten Tag 10 km weit in die Stadt einzubrechen. Im Süden und Norden war der Widerstand der deutschen Truppen jedoch so groß, dass keine nennenswerten Gebietsgewinne errungen werden konnten.896 Die deutschen Verluste summierten sich mit zunehmender Dauer der Kampfhandlungen und beliefen sich nach der ersten Angriffswelle der Roten Armee bereits auf 40.000 Tote und 29.000 Verwunde. Da die Landser selbst nicht angemessen versorgt werden konnten, sandte Paulus die russischen Kriegsgefangenen zu den Linien der Roten Armee zurück. Viele

888 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333. 889 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340. 890 Lagemeldung des AOK 6, 26.12.1942. BArch, RH 19-VI/7, fol. 91. 891 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1054. 892 Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271. 893 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342. 894 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1056. 895 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342. 896 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 169. 105

Rotarmisten fürchteten jedoch Vergeltungsmaßnahmen des NKWD und blieben weiter auf dem noch deutsch besetzten Gebiet.897 Zu Beginn der russischen Gegenoffensive äußerte sich Oberst Herbert Selle bei der Lagebesprechung mit Paulus, auf die Frage, was er von der jetzigen Lage in Stalingrad halte, folgendermaßen: „Herr General hätten sich den Befehlen widersetzen sollen, doch die Gelegenheit wurde verpasst. Bereits im November hätte er funken sollen: ‚Ich kämpfe diese Schlacht mit der und für die 6. Armee. Bis sie vorüber ist, gehört mein Kopf mir. Danach, mein Führer, gehört er euch.‘“898

Paulus erwiderte darauf nur: „Mir ist bewusst, dass die Militärhistorie ihr Urteil über mich bereits gefällt hat.“899 Die Verbände der Roten Armee schlossen den Ring um die deutschen Truppen immer enger. Die deutschen Stellungen vor Marinowka brachen am 11. Jänner 1943 zusammen und die russischen Verbände drängten die deutschen Truppen nordwestlich an die Rossoschka, bei der die verbliebenen kämpfenden Truppenteile der 29. motorisierten Division und 376. Infanteriedivision im erbitterten Kampf aufgerieben wurden.900 Der Kampftag des 12. Jänner forderte 26.000 deutschen Soldaten das Leben, da die sowjetischen Streitkräfte die westliche Front des Kessels, die s.g. „Don-Front“ durchstießen901 und die gesamte s.g. „Nase von Marinowka“ zurückerobern konnten.902 Am darauffolgenden Tag nahmen die russischen Soldaten Karpowka, das Flugfeld im Süden Stalingrads, ein und erreichten die Rossoschka.903 Am 14. Jänner ging Basargino verloren und zwei Tage später fiel der große Flugplatz Pitomnik in russische Hände. Der Wegfall Pitomniks bedeutete logistisch und psychologisch ein Desaster. Sturzkampfbomber, Jäger und Aufklärer der deutschen Luftwaffe, die zuvor aus dem Kessel abgezogen worden waren, hatten nun keine Chance mehr, vom Kesselinneren aus die verbliebenen deutschen Bodentruppen gegen sowjetische Flieger und Luftangriffe zu verteidigen.904 Nur noch die improvisierte Landepiste von Gumrak blieb für die Versorgung und den Abtransport von Verwundeten bestehen. 905

897 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 169-170. 898 Ebd., S. 170. 899 Ebd., S. 170. 900 Ebd., S. 172. 901 Ebd., S. 172. 902 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 279. 903 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 171-174. 904 Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1056-1057. 905 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174. 106

Nach dem Scheitern des Entsatzes im Dezember 1942 gab Hitler die Weisung und weitere geplante Marschrichtung aus, dass „[d]ie Heeresgruppe Don […] nach wie vor die Pflicht [habe], alles zu tun, um die Voraussetzungen für die Befreiung der 6. Armee zu erhalten.“906 In Hitlers Vorstellung sollte die deutsche Sommeroffensive 1943 den endgültigen Entsatz der 6. Armee sicherstellen. „Um die Befreiung der 6. Armee durchführen zu können, wird eine starke Kräftegruppe von Panzerverbänden Mitte Februar im Gebiet südostwärts [von] Charkow versammelt werden […] [und] je nach Wetterlage zur Befreiung der 6. Armee an[…]treten.“907 Auf Grund der sich permanent verschlechternden Lage und des aussichts- und sinnlos werdenden Kampfes, entschloss sich Paulus, einen jungen Ritterkreuzträger, Hauptmann Winrich Behr, in das Führerhauptquartier nach Rastenburg in Ostpreußen ausfliegen zu lassen, um dem „Führer“ aus erster Hand die Lage in Stalingrad zu schildern, in der Hoffnung908, dass „[…] dessen schwarze Panzeruniform mit dem Ritterkreuz auf Hitler schon die richtige Wirkung ausüben werde.“909 Am Abend des 13. Jänner erreichte Paulus‘ Gesandter den Lagebesprechungsraum und begann Hitler und 25 anwesenden Generälen die Lage Stalingrads vorzutragen. Hitler versuchte den jungen Hauptmann durch das Versprechen, dass, wie veranschlagt, durch ein SS-Panzerkorps ein späterer Entsatz erfolgen wird, den Verlauf des Gespräches zu steuern, um so das eigentliche Begehren des eingeflogenen Offiziers gar nicht erst aufkommen zu lassen. Behr aber, der im Vorhinein von Hitlers Strategie unterrichtet worden war, musste zur Erfüllung seines Auftrages unbedingt zu Wort kommen.910 Hierzu sprach er Hitler direkt an: „‚Mein Führer, mein Oberbefehlshaber gab mir den Befehl, Sie über die Lage zu unterrichten. Bitte gestatten Sie mir nun, meinen Bericht zu geben.‘ Dies konnte Hitler ihm vor so vielen Zeugen nicht verweigern.“911 Der Offizier führte unter Miteinbeziehung aller Fakten die aktuelle Lage wahrheitsgetreu über Stalingrad aus, ohne dass Hitler dessen Ausführungen unterbrach. Nach dem Lagevortrag widmete sich Hitler der großen Lagekarte, die mit Fähnchen und Wimpeln – die einzelne Divisionen darstellten, welche jedoch in der Realität größtenteils nur noch aus wenigen Soldaten bestanden – bestückt war, und kam zum gleichen Ergebnis wie am Beginn des Vortrages.912 „Er hat […] die Generäle kritisiert, war aber nicht bereit, Paulus Handlungsfreiheit einzuräumen, obwohl ich das mehrfach ansprach.

906 Hitler weist das weitere Vorgehen der Heeresgruppe A und Don an, 28.12.1942. BArch, RH 19-VI/8, fol. 343. 907 Generalstab des Heeres an die Heeresgruppe Don, 31.12.1942. BArch, N 63/43, fol. 50. 908 Beevor, Stalingrad, S. 392. 909 Ebd., S. 392. 910 Ebd., S. 393-394. 911 Ebd., S. 394. 912 Ebd., S. 394. 107

‚Stalingrad muss durchhalten‘ – das waren seine Worte. Er verwies immer wieder auf die SS- Divisionen.“913 Das beorderte SS-Korps würde die Lage bereinigen und Stalingrad bald entsetzen können. Behr hatte jedoch im Vorhinein von Generalfeldmarschall von Manstein erfahren, dass sich der Einsatz der SS-Truppen auf Grund der Gesamtlage an der Ostfront noch um mehrere Wochen verzögern würde.914 Laut von Manstein war Hitlers Plan, mit einem SS-Panzerkorps, bestehend aus den Panzergrenadier-Divisionen „Leibstandarte“, „Reich“ und „Totenkopf“, in der nächsten Frühjahrsoffensive über 560 km von Charkow aus in Richtung Stalingrad vorzustoßen und die 6. Armee zu entsetzen, reine Utopie.915 Mit den für die 6. Armee schlechten Nachrichten sollte Behr wieder in den Kessel zurückfliegen. Im Gespräch mit Hitlers Adjutanten, General Rudolf Schmundt, gab der Hauptmann jedoch offenkundig seine Meinung über den Lagevortrag bei Hitler wieder. „‚Wie fanden Sie denn das Gespräch mit Hitler?‘ Da habe ich ganz offen gesagt: ‚Katastrophal. Das glaubt doch keiner, dass ich so töricht bin, die Sache mit den SS-Divisionen zu glauben.‘“916 Mit dieser Aussage war der Offizier nicht mehr der richtige Gesandte, um die deutsche Führung im Kessel zum Durchhalten zu veranlassen.917 Die Mission zur Erlangung der ersehnten Handlungsfreiheit war an Hitlers Willen gescheitert.

6. Stalingrad als Opfergang Nach dem Verstummen des Gefechtslärms schwand auch bei den Soldaten im Kessel endgültig die Hoffnung auf einen erfolgreichen Entsatz.918 „Die Stimmung der Armee hat […] nach Abbruch der Entsatzoffensive des Generalobersts Hoth einen Tiefpunkt erreicht.“919 Hinzu kam noch der Umstand, dass Stalingrad nur noch aus Ruinenfeldern, Häuserresten und Fensterhöhlen bestand sowie zu Hauf tote Soldaten auf den Straßen lagen.920 Zu Weihnachten wurden die deutschen Truppen informiert, dass der erhoffte Ausbruch nicht mehr stattfinden würde und dass nun wochenlange Kämpfe bei unzureichender Versorgung

913 Winrich Behr, zit. in: Klaus Wiegrefe, Den Mann kannst du abschreiben, SPIEGEL online, 16.12.2002, [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25940328.html], eingesehen 29.05.2014. 914 Beevor, Stalingrad, S. 394-395. 915 Manstein, Verlorene Siege, S. 380. 916 Wiegrefe, Den Mann kannst du abschreiben, SPIEGEL online, 16.12.2002, [http://www.spiegel.de/spiegel/ print/d-25940328.html], eingesehen 29.05.2014. 917 Wiegrefe, Den Mann kannst du abschreiben, SPIEGEL online, 16.12.2002, [http://www.spiegel.de/spiegel/ print/d-25940328.html], eingesehen 29.05.2014 918 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 26. 919 Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 359 920 Schröter, Stalingrad, S. 221. 108 auf die Eingeschlossenen warteten.921 Ein „[...] Kampf bis zur letzten Patrone und bis zum letzten Mann […]“922 wurde nunmehr von den Landsern gefordert.923 In der Realität dauerte eine Truppenverschiebung einer deutschen Kompanie über vier km Marschweg auf Grund des Zustandes der Soldaten etwa von 6 Uhr früh bis in die Abendstunden.924 Wie der Ordonanzoffizier der Abteilung für Feindaufklärung, Joachim Wieder, in seinen Erinnerungen über die deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad wiedergab, „[…] versteckten [manche] ihre innere Angst und Leere hinter einer verkrampften soldatischen Haltung oder gar hinter einer betonten Landsknechtgesinnung. Wenn sie schon einmal verurteilt seien ‚draufzugehen‘, dann wollten sie wenigstens bis zuletzt ihre Haut teuer verkaufen und möglichst viele Russen ‚mitnehmen‘.“925

Am 28. Jänner 1943 kam im Kessel ein Funkspruch des Reichsmarschalls Göring mit den Worten an926: „Vom Kampf der 6. Armee wird es einmal stolz heißen, an Todesmut ein Langenmarck, an Zähigkeit ein Alkazar, an Tapferkeit ein Narvik, an Opfer ein Stalingrad.“927 Die Gewissheit des Opferganges kam für die Landser im Kessel mit der Rede Görings am 30. Jänner 1943, die auch in Stalingrad über den Rundfunk lief. Der Reichsmarschall verglich die deutschen Soldaten an der Wolga mit der Geschichte bei den Thermophylen und den griechischen Kämpfern des Königs Leonidas, die dem Ansturm der Perser so lange stand hielten, bis die Griechen die Verteidigung errichtet hatten.928 Die griechischen Helden waren wie die „Helden aus Stalingrad“ gefallen, weil es die Pflichterfüllung von ihnen verlangte.929 Görings demagogische Rede, die Herodots Grabepigramm nachempfunden war, legte das Heroentum der Antike auf die Stalingradkämpfer um.930 Während deutsche Soldaten noch in den Gräbern und Häusern kämpfend die letzen Stellungen hielten, vernahmen diese ihre eigene „Leichenrede“931 über die wenigen funktionierenden Wehrmachtsfunkgeräte im Kessel: „[…] noch in tausend Jahren, wird jeder Deutsche mit heiligem Schauer von diesem Kampf in Ehrfurcht sprechen und sich erinnern, daß dort trotz allem Deutschlands Sieg entschieden worden ist! […] Kommst du nach Deutschland, so berichte, du hast

921 A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 26. 922 Schröter, Stalingrad, S. 221. 923 Ebd., S. 221. 924 Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 16. 925 Wieder, Stalingrad und die Verantwortung des Soldaten, S. 107. 926 Schröter, Stalingrad, S. 223. 927 Ebd., S. 223. 928 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 46-47. 929 Rüdiger Overmans, In sowjetischer Gefangenschaft: Schlimmer als der Tod?, in: Damals. Das Magazin für Geschichte und Kultur (6/2001), S. 30-35, hier S. 31. 930 Rolf-Dieter Müller, Militärgeschichte, Köln u.a. 2009, S. 34. 931 Schröter, Stalingrad, S. 224. 109

uns in Stalingrad liegen sehen, wie das Gesetz, das heißt, das Gesetz der Sicherheit unseres Volkes, es befohlen hat.“ 932

Ab diesem Zeitpunkt war allen deutschen Soldaten klar, dass ihr Schicksal besiegelt und die Errettung der Armee endgültig aufgegeben worden war.933 Die deutschen Truppen in Stalingrad „[…] hatten Wind gesät, jetzt mußten [sie] Sturm ernten.“934 Die russische Propagandaabteilung versuchte mit Flugblättern die noch verblieben Landser zum überlaufen zu bewegen.935 Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch Kämpfer, Verwundete und Fahnenflüchtige in Stalingrad.936 Insgesamt verließ jedoch nur eine Minorität der deutschen Soldaten die eigene Truppe und gliederte sich bei den russischen Kräften ein.937 Die Angst vor einer drohenden russischen Gefangenschaft war bei den deutschen Soldaten bereits bis ins Mark indoktriniert worden.938 Manche Wehrmachtsangehörige behielten das sowjetische Flugblatt jedoch als „Passierschein“, um für jede noch mögliche Lage gewappnet zu sein.939 Das Hauptaugenmerk der deutschen Führung lag nach dem Zusammenbruch der Front im Norden nicht mehr auf der 6. Armee940, sondern auf der Abwehr und somit der Rettung der 1,5 Millionen Soldaten der Heeresgruppe Don und der Heeresgruppe A, die alle bedroht durch den sowjetischen Durchbruch Gefahr liefen, aufgerieben und vernichtet zu werden.941 241.000 Soldaten, 539 Geschütze und 131 Panzerfahrzeuge standen dafür noch in Stalingrad bereit.942 „Der Entsatz der 6. Armee war zu einer Aufgabe zweiter Priorität geworden.“943 Somit sollte der letzte Glaube daran, dass „[d]ie Festung […] eine Zeit lang halten [wird], wenn die Männer baldigst wieder volle Portionen bekommen, genügend Betriebsstoff vorhanden ist, um Versorgungsfahrten und Truppenverschiebungen durchzuführen und die nötigste Munition herankommt“944 ein baldiges Ende finden.

932 Hermann Goering, Appell des Reichsmarschalls an die Wehrmacht, in: Deutschland im Kampf (Januar- Lieferung Nr. 81/82), hrsg. v. A. J. Berndt/Oberst von Wedel, Berlin 1943, S. 11-20, hier S. 16-17. 933 Overmans, Schlimmer als der Tod?, S. 31. 934 Wieder, Stalingrad, S. 141. 935 Schröter, Stalingrad, S. 210. 936 Ebd., S. 222. 937 Ebd., S. 210. 938 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 272. 939 Schröter, Stalingrad, S. 210. 940 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333. 941 Knopp, Hitlers Krieger, S. 196. 942 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 102. 943 Ebd., S. 102. 944 Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 25.12.1942. BArch, RH 20-6/240, fol. 194. 110

6.1 Der Untergang der 6. Armee Bis zum 17. Jänner 1943 war der Kessel bis auf ein Drittel des zuvor deutsch besetzten Gebietes von der Roten Armee zurückerobert worden.945 Abermals entsandte die Rote Armee ein Kapitulationsangebot an die deutsche Führung im Kessel, welches wiederum abgewiesen wurde.946 Das OKH gebot Paulus, trotz der sich abzeichnenden Niederlage, nicht ohne Zustimmung der obersten deutschen Führung zu kapitulieren. Hierzu diktierte Hitler dem Oberbefehlshaber im Kessel: „Kapitulation ausgeschlossen. Truppe verteidigt sich bis zuletzt. […] 6. Armee hat damit einen historischen Beitrag in dem gewaltigsten Ringen der deutschen Geschichte geleistet.“947 Der sowjetische General Rokossowski schlug vor, zur Regeneration der russischen Truppen eine dreitägige Kampfpause einzulegen, doch Stalin befahl die Offensive weiter voranzutreiben, „[…] da die erschöpften und hungernden deutschen Soldaten von Tag zu Tag weniger Widerstand leisteten.“948 Am 18. Jänner 1943 hatten die Landser bereits all ihre Verteidigungsstellungen aufgeben und den Rückzug in die Innenstadt Stalingrads antreten müssen. 949 Die 3,2 km entfernte 21. sowjetische Armee nahm das einzig noch verbliebene deutsch besetzte Flugfeld unter Feuer und der letzte deutsche Nachschubweg zu Lande ging am 23. Jänner verloren.950 Eine Heinkel HE 111, mit 19 Verwundeten und 8 Feldpostsäcken an Bord, war das letzte Flugzeug, das von Stalingrad abhob.951Ab diesem Zeitpunkt konnten Versorgungsgüter für die Truppen in den beiden Kesseln nur mehr direkt aus der Luft abgeworfen werden.952 Der Nachschub landete jedoch zum Großteil in tiefem Schnee und konnte von den Landsern, die erschöpft und entkräftet waren, nicht mehr geborgen werden. Der geringe Bestand an Munition sowie die Rationen der deutschen Truppen drohten nun vollständig auszugehen.953 Paulus bat indirekt am 22. Jänner in einem Funkspruch an die Heeresgruppe Don kapitulieren zu dürfen und den Wunsch an Hitler weiterzuleiten: „Welche Befehle soll ich den Truppen geben, die keine Munition mehr haben und weiter mit starker Art[illerie], Panzern und

945 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 46. 946 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 175. 947 Hitler an Paulus, 22.01.1943. BArch, RH 19-VI/12, fol. 324. 948 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174. 949 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 950 Ebd., S. 137. 951 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 175. 952 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 953 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174-175. 111

Inf[anteriemassen] angegriffen werden[?]“954 Die Antwort Hitlers war eine kategorische Ablehnung einer Kapitulation955 mit der Begründung, dass der „Russe“ die Kapitulationsversprechen sowieso nicht einhalten würde.956 Die noch übrigen deutschen Verbände wurden durch eine Vereinigung der 21. und 62 sowjetischen Armee957 im Norden und Süden der Stadt in zwei Teilkessel gespalten.958 Die russischen Verteidiger der Fabriken „Roter Oktober“ und „Barrikady“ konnten sich erstmals seit Beginn der Schlacht um Stalingrad wieder in die Roten Armee eingliedern.959 Im Südabschnitt des Kessels verlagerte Paulus sein Hauptquartier in das Erdgeschoss des Univermag-Kaufhauses. Versorgungsgüter waren nur noch so spärlich vorhanden, dass die Führung im Kessel beschloss, an Verwundete keine Verpflegungsrationen mehr zu verteilen.960 Zu diesem Zeitpunkt lagen 20.000 verwundete Landser bei Temperaturen von -30 Grad in improvisierten und großteils ungeheizten Feldlazaretten.961 Auf Grund der Lage bemühte sich am 24. Jänner nun auch von Manstein mit Paulus‘ Unterstützung, Hitler zur Erlaubnis einer Kapitulation zu bewegen. Nach Hitlers Vorstellung sollte die Armee jedoch bis zur letzten Patrone kämpfen weshalb die Bitte der beiden Generäle abgewiesen wurde.962 „Hitler wollte für seine Propaganda jetzt ein Heldenepos, Menschenleben waren ihm dabei gleichgültig.“963 Überdies wurde Generaloberst Paulus von Hitler demonstrativ am 30. Jänner zum Generalfeldmarschall befördert. Da in der Geschichte „[…] noch nie ein deutscher Feldmarschall kapituliert hatte, sollte Paulus diesem Beispiel folgend mit der 6. Armee bis zum ‚Heldentod‘ weiterkämpfen.“964 Bereits am 12. Dezember 1942 war ein Befehl der Armeeführung mit der Weisung erlassen worden, dass ein deutscher Offizier nicht befugt war, den Weg in die Gefangenschaft anzutreten, sondern nachdem seine ihm unterstellte Truppe aufgerieben worden war, den Freitod zu wählen und sich zu erschießen hatte.965 Einerseits wusste Paulus zwar, dass Hitlers Beförderung ein Appell zum Selbstmord war. Dies widersprach jedoch seiner christlichen Weltanschauung. Andererseits war Paulus nicht gewillt, als erster Feldmarschall wegen Kapitulation in deutscher geschichtlicher Erinnerung zu bleiben. Deshalb proklamierte Paulus sich selbst zur

954 Paulus an Heeresgruppe Don, 22.01.1943. BArch, RH 19-VI/12, fol. 326. 955 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174-175. 956 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 285. 957 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 175. 958 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 959 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342. 960 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 176. 961 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342. 962 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 176. 963 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 284. 964 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 965 Schröter, Stalingrad, S. 115. 112

„Privatperson“ und übergab die Befehlsgewalt den wenigen verbleibenden s.g. Kesselkommandanten in den noch deutsch besetzten Teilabschnitten.966 Hauptmann Gerhard Dengler gab in seinen Erinnerungen über Stalingrad wieder, wie Paulus die Befehlsgewalt auf die unteren militärischen Befehlsebenen übertrug.967 „Paulus sagte mir: ‚Herr Hauptmann, Sie haben es leicht, Sie sehen nur das weiße im Auge des Feindes, wir aber im Stab der Armee müssen dem Führerhauptquartier folgen […][.] [J]etzt ist die schwere Stunde gekommen, wo die Initiative auf die unteren Truppenführer übergeht.‘“968 Somit stand es Generälen, Divisions- und Regimentskommandeuren frei, über weitere Verteidigung oder Teilkapitulation ihrer Einheiten zu entscheiden.969 Am 31. Jänner 1943 um 6 Uhr 15 meldete ein Funker, „[…] dass Russen vor der Tür standen.“970 Eine Stunde später wurde dem OKH im letzten Funkspruch aus Stalingrad die Vernichtung der eigenen Ausrüstung gemeldet. Paulus und die deutschen Verbände im Südkessel ergaben sich um 7 Uhr 45.971 Eine förmliche Kapitulationserklärung wurde allerdings nie unterzeichnet.972Als Hitler von Paulus‘ „Verrat“ wegen der Kapitulation ohne seine Zustimmung hörte, geriet er in Rage und verkündete: „Das Heldentum von so vielen Zehntausenden von Menschen, Offizieren und Generalen wird ausgelöscht von einem einzigen charakterlosen Schwächling. In diesem Krieg wird niemand mehr Feldmarschall.“973 Der Kampf um Stalingrad fand nach 162 Tagen ein Ende.974 Am 2. Februar 1943 um 10 Uhr 45 endete die Schlacht um Stalingrad mit der Aufgabe der Kampfhandlungen der deutschen Truppen im Nordkessels und die Kapitulation besiegelte somit den endgültigen Untergang der 6. Armee in der Stadt mit Stalins Namen.975 „Wenn Friedrich der Große einmal gesagt hatte der Soldat müsse ‚fortune‘ haben, mit anderen Worten: ohne Glück sei kein Soldat zu denken, so ist ‚fortune‘ Soldatenglück, letzten Endes dem Generalfeldmarschall von Stalingrad versagt geblieben […]“976 Die schätzungsweise Bilanz der Kampfhandlungen um Stalingrad ergab, dass 195.000 Mann unter deutschem Kommando eingeschlossen worden waren, und 60.000 dem Hunger, der Kälte oder den Kämpfen auf dem Schlachtfeld zum Opfer gefallen waren. 110.000 deutsche Soldaten kamen in russische Kriegsgefangenschaft,

966 Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 47. 967 Jürgen Engert, Soldaten für Hitler, Berlin 1998, S. 196. 968 Ebd., S. 196. 969 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 289. 970 Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 178. 971 Ebd., S. 178. 972 Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16. 973 Guido Knopp, Entscheidung Stalingrad, in: FOCUS (9/1999), S. 60-61, hier S. 61. 974 Bedürftig u.a., Chronik des Zweiten Weltkrieges, S. 257. 975 Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 109. 976 Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 70. 113 von denen 17.000 auf dem Weg in die Kriegsgefangenenlager und zehntausende in den Folgemonaten in der Gefangenschaft starben.977 6.000 Mann sollten bis zum Jahr 1955 die Heimat wiedersehen. Nur ein geringer Teil der Armee, konnte verletzungsbedingt aus dem Kessel ausgeflogen werden.978 20.000 verwundete Landser979 und 21 deutsche Generäle inklusive eines Feldmarschalls fielen in russische Hände. Auf sowjetischer Seite waren 1,5 Millionen Soldaten entweder tot oder verwundet.980

6.2 Heroisierung Der Fokus des Interesses der Bevölkerung im Dritten Reich lag ab Spätsommer 1942 auf der Schlacht um Stalingrad.981 In den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS wurde die Kriegsstimmung der Bevölkerung festgehalten. Die Stimmung im Reich begann „[a]ufgrund der Heftigkeit der Kämpfe um Stalingrad […]“982 umzuschlagen und „[…] in banger Sorge der hohen Blutopfer, die die Eroberung […] noch kosten werde“983 wurde dem Ende der Kampfhandlungen entgegengesehen. In der Bevölkerung herrschte zudem die Meinung vor, dass Stalingrad zu einem „Wendepunkt“ des Ostfeldzuges werden würde, denn im vergangenen Sommer waren die prophezeiten Erfolge der deutschen Truppen noch nicht erreicht worden.984 Bis dato wurde dem Volk von der deutschen Propaganda weis gemacht, dass der Krieg bereits für Deutschland entschieden und nur noch nicht ganz beendet war.985 Die Einschätzung der Bevölkerung den Ausgang der Schlacht betreffend bewegte sich, je länger sich die Entscheidung verzögerte, zwischen „[…] zuversichtlichem Hoffen und bangen Befürchtungen“986, denn das „[…] Ausbleiben der erwarteten Sondermeldung über den Fall Stalingrads [hatte] bei vielen Volksgenossen sorgenvolle Erörterungen über die Lage an der Ostfront ausgelöst.“987 Die Gerüchte über den Einschluss von deutschen Verbänden wurden durch Feldpost aus Stalingrad bestätigt und zur Realität.988 Die Nachricht von der endgültigen

977 Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 224. 978 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 979 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 343. 980 Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 271. 981 Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17. 982 Meldungen aus dem Reich 1938-1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Bd.11, hrsg. v. Boberach, Heinz, Herrsching 1984, S. 4165. 983 Ebd., S. 4165. 984 Ebd., S. 4175. 985 Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17. 986 Meldungen aus dem Reich 1938-1945, Bd.11, S. 4231. 987 Ebd., S. 4231. 988 Meldungen aus dem Reich 1938-1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Bd.12, hrsg. v. Boberach, Heinz, Herrsching 1984, S. 4587. 114

Niederlage in der Stadt an der Wolga löste unter der Bevölkerung „[…] lähmendes Entsetzen aus.“989 Wie schon der Rückzug der deutschen Truppen vor den Toren Moskaus im Dezember 1941 von der deutschen Propaganda umgedeutet worden war, wurde bereits während der letzten Kampftage die unvermeidliche Niederlage bei Stalingrad wie noch niemals zuvor instrumentalisiert.990 „Für die Wehrmacht waren Moskau, Stalingrad […] Menetekel für die eigenen Leistungsgrenzen […]“991, doch da die deutsche Propagandamaschinerie, die zuvor monatelang die Bevölkerung des Reiches über die aussichtslose Lage der Truppen in Stalingrad hinweg getäuscht hatte, musste nun die militärische Niederlage dem deutschen Volk möglichst glaubhaft dargestellt werden.992 Propagandaminister Goebbels äußerte sich zur geplanten mythologisierenden Umdeutung in seinem Tagebuch mit den Worten993: „Ein Bild von wahrhaft antiker Größe. Die Worte fehlen, dieses Heldendrama zu schildern. In Stalingrad selbst hilft man sich mit dem Vergleich, daß das Nibelungenlied in den Schatten gestellt sei. Es ist in der Tat so.“994 Die Heroisierung konnte jedoch die Soldaten, die die Schlacht von Stalingrad überlebt hatten, nicht mehr überzeugen und zudem auch nicht abwenden, dass Hitler die Niederlage persönlich vorgehalten wurde.995 Am Tag nach der Niederlage von Stalingrad wurde im Deutschen Reich der Presse aufgetragen, „[…] das ergreifende Ereignis, das die größten Waffentaten der Weltgeschichte überstrahlt, zu würdigen und dieses erhabene Beispiel höchster heldischer Haltung, letzten Opferwillens für den Sieg dem deutschen Volk als heiliges Fanal vor Augen zu führen.“996 Verstärkend herrschte zudem im Reich eine dreitägige Staatstrauer. Der Rundfunk spielte Bruckners 7. Sinfonie997, drei Strophen von „Ich hatt‘ einen Kameraden“ und eine drei minütige Funkstille wurde gehalten.998 Zudem blieben auf Anordnung Kinos und Theater geschlossen.999

989 Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17. 990 Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16. 991 Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 293. 992 Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16. 993 Wolfram Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“. Stalingrad in der NS-Propaganda, in: Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, hrsg. v. Gerd Ueberschär/Wolfram Wette, Frankfurt am Main 1992, S. 43-60, hier S. 43. 994 Goebbels Tagebucheintrag vom 23.1.1943, zit. in: Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 50-51. 995 Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942 bis 2. Februar 1943, S. 335. 996 Bedürftig u.a., Chronik des Zweiten Weltkrieges, S. 257. 997 Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 343. 998 Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 55. 999 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 115

Am 3. Februar 1943 erschien der Sonderbericht über den Fall von Stalingrad1000: „Der Kampf um Stalingrad ist zu Ende. Ihrem Fahneneid bis zum letzten Atemzuge treu, ist die 6. Armee unter der vorbildlichen Führung des Generalfeldmarschalls Paulus der Uebermacht des Feindes und der Ungunst der Verhältnisse erlegen. […] Unter der Hakenkreuzfahne, die auf der höchsten Ruine von Stalingrad weithin sichtbar gehisst wurde, vollzog sich der letzte Kampf. Generale, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften fochten Schulter an Schulter bis zur letzten Patrone.1001

Die Kardinaltugenden des deutschen Soldatentums wurden in der Schlacht um Stalingrad missbraucht, indem der Mythos der Stalingradkämpfer in Umlauf gebracht wurde, dass die deutschen Soldaten trotz aussichtloser Lage in Stalingrad ritterlich standhielten, ohne an das eigene Schicksal zu denken.1002 Vom deutschen Propagandaapparat erfolgte eine Umkehrung der Realität1003 mittels „[…] Uminterpretation dieser schweren Niederlage in einen ‚germanischen Heldenkampf‘[,] in dem die mutigen deutschen Soldaten wie einst die Nibelungen kämpfend untergingen.“1004 Das von Goebbels‘ Agitation konzipierte Bild des Heldenmythos zielte bewusst auf die Aktivierung der Empathie, und ein Ausblenden des kritischen Hinterfragens, ab.1005 Die verlorene Schlacht wurde in einen moralischen Sieg für Deutschland umgemünzt.1006 „Goebbels Propaganda verwandelte die Toten in Helden und die Trauer in Stolz.“1007 Die Absicht hinter der Instrumentalisierung von Stalingrad war jedoch ein Vorbereiten und Einstimmen der Bevölkerung des Reiches auf das noch auf sie Zukommende, auf den s.g. „totalen Krieg“.1008 Für die Wirksamkeit des totalen Krieges waren Meldungen von Überlebenden und in die Gefangenschaft gegangenen deutschen Soldaten unerwünscht.1009 „Die Helden hatten tot zu sein.“1010 Am 4. Februar 1943 führten deutsche Printmedien, wie bspw. der Völkische Beobachter, den Auftrag der Propagandaabteilung aus und titelte mit der heroisierenden Schlagzeile zum Gendenken an die deutschen Kämpfer von Stalingrad: „Der Kampf der 6. Armee in Stalingrad zu Ende. Sie starben, damit Deutschland lebe!“1011 Dies entsprach nun der Legende, die für das Sinnbild des Heldenepos stehen sollte.1012 Damit

1000 Sonderbericht über den Fall von Stalingrad, 3.2.1943. BArch, RW 4/140, fol. 1. 1001 Ebd., fol. 1-2. 1002 Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16. 1003 Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 9. 1004 Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137. 1005 Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 43. 1006 Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16. 1007 Ebd., S. 16. 1008 Ebd., S. 16. 1009 Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 58. 1010 Ebd., S. 58. 1011 Völkischer Beobachter, 04.02.1943. 1012 Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 59. 116 erweckte die deutsche Propaganda tatsächlich die Vorstellung, dass ein Gros bzw. alle deutschen Soldaten in Stalingrad gefallen waren und sich nur wenige Landser in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befanden.1013 Feldpostbriefe von Stalingradkämpfern, die aus der Kriegsgefangenschaft schrieben, wurden abgefangen, ebenso die versandten Briefe der Angehörigen aus dem Reich. Mundpropaganda und russische Rundfunkmeldungen, die Namen von deutschen Kriegsgefangenen durchgaben, erfuhren trotz Verklärung als Feindpropaganda, mehr und mehr an Bedeutung.1014 Stalingrad war eine Zäsur in der Einstellung des deutschen Volkes zum Krieg.1015 Der schon bei der Niederlage vor Moskau 1941 in Frage gestellte Nimbus der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht war ab Stalingrad gänzlich erloschen.1016 „Vielmehr war unmittelbar nach Ende der Kämpfe in Stalingrad in deutschen Großstädten die Jahreszahl ‚1918‘ zu lesen – unter Lebensgefahr auf die Hauswände gepinselt, als Mahnung an die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg.“1017 Ein Teil der Bevölkerung fühlte sich durch das Schicksal der deutschen Wehrmacht bei Stalingrad zum Aufgebot aller Kräfte berufen, die anderen zogen die Lehre daraus1018, dass ab diesem Zeitpunkt eine endgültige Niederlage spürbarer war als der „Endsieg“.1019

7. „Wiederauferstehung“ und Ende der 6. Armee Am 6. März 1943 erfolgte in Südrussland als Ersatz für die aufgeriebene 6. Armee im Kessel von Stalingrad eine Neuaufstellung einer „6. Armee“. Dieser Verband setzte sich aus Teilen des im November 1942 aufgestellten Generalkommandos XVII. AK., das in der Folge zur Armeegruppe bzw. zur Armeeabteilung Hollidt wurde, zusammen. 1020 Die „neue“ 6. Armee ereilte jedoch dasselbe Schicksal wie das der „alten“ 6. Armee in Stalingrad. Während einst die deutschen Landser an der Wolga ihr verderben fanden, symbolisierte nun der Fluss Pruth in Rumänien das Ende einer Armee. Fünf Tage lang rannten sowjetischen Truppen gegen die Verteidigungsstellungen der deutschen Verbände an. Am 25.

1013 Heinz Boberach, Stimmungsumschwung in der deutschen Bevölkerung, in: Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, hrsg. v. Gerd Ueberschär/Wolfram Wette, Frankfurt am Main 1992, S. 61-66, hier S. 63. 1014 Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 59. 1015 Michael Wildt, Krieg im eigenen Land, in: Informationen zur politischen Bildung (3/2012), Heft 316, S. 51- 67, hier S. 60. 1016 Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 298. 1017 Deutsches Historisches Museum, Die Schlacht um Stalingrad (23. August 1942 bis 2. Februar 1943), [http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/stalingrad/], eingesehen 20.03.2014. 1018 Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17. 1019 Wildt, Krieg im eigenen Land, S. 60. 1020 Georg Tessin, Verbände der deutschen Wehrmacht und Waffen SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, Bd. 3: Die Landstreitkräfte 6-14, Osnabrück 19742, S. 5. 117

August 1944 wurden die deutschen Truppen der 6. Armee eingekesselt1021 und, zusammen mit Verbänden der Heeresgruppe Südukraine, bei Kämpfen um Kischinew fast vollständig aufgerieben.1022 Da „[…] die Hauptkräfte der d[eutschen] 6. Armee ostwärts des Pruth vernichtet w[u]rden, [konnten] […] nur Teile in die Wälder südlich von Husi entkommen […].“1023 Die Bilanz der Schlacht am Pruth war auf deutscher Seite verheerend. Von 360.000 Mann waren 150.000 tot, 106.000 verwundet und 80.000 wurden vermisst.1024 Die verbliebenen deutschen Soldaten wurden im September in die 2. ungarische Armee eingegliedert und kämpften ab sofort unter dem Namen „Armeegruppe Fretter-Pico“. Von Jänner bis März 1945 wurde der Verband in „Armeegruppe Balck“ umbenannt. Der einstige Name und ein Verweis auf die Bezeichnung „6. Armee“ waren somit endgültig für den restlichen Verlauf des Zweiten Weltkrieges erloschen.1025

1021 o.V., Staub im August, Der SPIEGEL (1965), Heft 9, [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46169570.html], eingesehen 22.04.2014. 1022 Tessin, Verbände der deutschen Wehrmacht, S. 5. 1023 Hans Kissel, Die Katastrophe in Rumänien 1944 (Beiträge zur Wehrforschung Bd. V/VI), Darmstadt 1964, S. 128. 1024 o.V., Staub im August, Der SPIEGEL (1965), Heft 9, [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46169570.html], eingesehen 22.04.2014. 1025 Tessin, Verbände der deutschen Wehrmacht, S. 5. 118

8. Resümee Der Ostfeldzug kalkulierte keinen Winterkrieg und keine Bildung von größeren Reserven sowie Eventualitäten zum eigentlichen Plan von „Barbarossa“ mit ein, da Hitler und seine Generäle davon ausgingen, die Sowjetunion ähnlich wie Frankreich, innerhalb kürzester Zeit in einem „Blitzkrieg“ zu schlagen. Der s.g. Nimbus der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht wurde begleitet und unterstützt von schnellen Siegen, bei denen in den ersten Monaten des Ostfeldzuges große Gebietsteile in deutsche Hände fielen und drei Millionen sowjetische Soldaten den Weg in die deutsche Kriegsgefangenschaft antraten. Erst vor Moskau, im Winter 1941, musste das siegesverwöhnte deutsche Heer eine herbe Niederlage einstecken und konnte nur unter Inkaufnahme von starken Verlusten an Menschen und Material die Front stabilisieren. Die folgende Sommeroffensive war gekennzeichnet durch eine schon im Vorhinein schwierige Versorgungslage sowie durch unzureichendem Truppenausgleich bzw. Auffrischung der soldatischen und mechanischen Kräfte. Zudem wurden, durch die Überdehnung der Hauptkampflinie, große Frontabschnitte nur mit schlecht ausgerüsteten Verbänden der mit dem Reich verbündeten Staaten gehalten. Anstatt wie in der veranschlagten Sommeroffensive 1942, der „Operation Blau“, nacheinander die militärischen Ziele – Stalingrad und dann die Ölfelder des Kaukasus – zu erobern, wurde die Heeresgruppe Süd in zwei Teile gespalten und beide Verbände traten gleichzeitig, ohne Reserven im Hinterland bereit zu haben, zum Angriff an. Einerseits brannten die Ölfelder von Baku bereits, als die Wehrmacht im Kaukasusgebiet eintraf, und andererseits besiegelte Hitlers Wille, die Stadt, die Stalins Namen trug, um jeden Preis zu erobern, das Schicksal einer ganzen Armee. Das Scheitern der Eroberung der Stadt, der Gegenschlag der Roten Armee, die Einkesselung von 290.000 Soldaten unter deutschem Oberbefehl sowie eine Fehleinschätzung der deutschen Führung, mit der Versorgung von Stalingrad gleich zu verfahren wie beim Kessel von Demjansk, zogen eine unzureichende Luftversorgung mit Betriebsmitteln, Munition und vor allem Verpflegung für die Landser im Kessel mit sich. Die Frage, ob ein Entsatz der eingeschlossenen deutschen Truppen in Stalingrad unter Miteinbeziehung der Auswirkungen und Folgen des deutschen Vormarsches 1941 bis 1942 überhaupt möglich gewesen wäre, muss verneint werden. Im Speziellen war bereits der Beginn der Entsatzoperation ein riskantes militärisches Wagnis. Das Kontingent der von Hitler veranschlagten und versprochenen Truppen zur Aufstellung eines schlagkräftigen Entsatzheeres konnte von Anfang an nicht sichergestellt werden. Einerseits konnte der zu diesem Zeitpunkt technisch überlegene Tigerpanzer nicht rechtzeitig an die Ostfront verlegt

119 werden und andererseits hätte das Entsatzheer anstatt einer starken Einheit und zwei schwachen Panzerdivisionen, mindestens drei schlagkräftige Verbände mit ausreichender Infanterieunterstützung, die zudem noch frühzeitig im Verfügungsraum eintreffen hätten müssen, für einen erfolgreichen Angriff benötigt. Zudem mussten die deutschen Divisionen, die im Endeffekt aus ungenügenden Kräften bestanden, den Entsatzangriff, anstatt wie geplant, mit zwei Angriffsspitzen, nur mit einer Angriffsfront, die noch die dreifache Entfernung nach Stalingrad aufwies, sowie mangelnder Flankensicherung antreten. Unternehmen „Wintergewitter“ war in den Anfangstagen auf taktischer Ebene erfolgreich, missglückte aber an der Distanz zu den eingeschlossenen Soldaten im Kessel und den russischen Verteidigungbestrebungen bzw. Gegenangriffen sowie den nicht verfügbaren operativen Reserven. Die militärische Operation war aufgrund der genannten Bedingungen bereits im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Infolgedessen konnten die Entsatztruppen im Sinne der Auftragserfüllung gegen die vorhandenen und während des Angriffes herangeführten russischen Kräfte nur bis auf 48 km vor den äußeren Einschließungsring von Stalingrad vorstoßen. Erschwerend kam noch der Umstand hinzu, dass bei den deutschen Bundesgenossen im Norden die Flanke unter starkem russischen Druck zusammenbrach und die deutschen Truppen im Raum des Kaukasus, die Heeresgruppe Don, sowie das Entsatzheer drohten, eingeschlossen zu werden. Zeitgleich mit dem Entsatzvorstoß konnten über die Luftversorgung nur unzureichende Ressourcen für einen Gesamtausbruch der 6. Armee zugeführt werden. Des Weiteren kamen noch Hitlers Haltewille und Paulus‘ „Kadavertreue“ sowie die Weigerung von Mansteins, selbst den direkten Befehl zum Ausbruch an Paulus zu erteilen, und somit etwaige Konsequenzen auf sich zu nehmen hinzu. Der Untergang der 6. Armee und die Niederlage bei Stalingrad führten sich trotz aller Heroisierungsversuche der deutschen Propagandamaschinerie unter der Bevölkerung im Dritten Reich zu einer Zäsur in der Einstellung und Glauben an den „Führer“.

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BArch, Bild 183-J18468 Feldpostbriefmarke, [http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Einsatzgruppe_B.jpg], eingesehen 06.08.2014.

Eigene Darstellung

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Teil II

9. Die neue kompetenzorientierte Reifeprüfung im Fach Geschichte, Sozialkunde/Politische Bildung Die s.g. „Zentralmatura“ sieht ab dem Maturaturnus 2014/2015 für allgemeinbildende höhere Schulen (AHS) und ab dem Jahr 2015/2016 für berufsbildende höhere Schulen (BHS) eine Kombination aus standardisierten, kompetenzorientierten Aufgabenstellungen für den schriftlichen, und von der Lehrperson erstellte kompetenzorientierte Prüfungsaufgaben für den mündlichen Teil der Reifeprüfung vor.1026 Die „neue Matura“ sollte im Vergleich zur vorhergegangenen Reifeprüfung, eine Erhöhung der Aussagekraft durch bestmöglichste Transparenz, Objektivität, und Affinität von erbrachten Leistungen der Schülerinnen und Schüler (SuS) hervorbringen. Zudem wird durch die neue Prüfungsordnung ein Vergleich mit dem europäischen Konsens an Abschlüssen, wie bspw. dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) oder dem Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR), möglich. Im Bereich des Qualitätsmanagements stellt die standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung Anforderungen an eine Steigerung des Niveaus bei gleichzeitiger Sicherung der Qualität, wobei der Fokus der Kompetenzorientierung bei den Aufgabenstellungen darauf abzielt, die erworbenen Kompetenzen sowie das Wissen für die Zukunft zu verinnerlichen.1027 Der Leitsatz für den Terminus der Kompetenzorientierung lautet, dass „‚Wissen […] in Können umgesetzt werden [muss]. Wissen und Können müssen in neuen Situationen angewandt werden.‘“1028 Um sicherzustellen, dass die gestellten Aufgabenstellungen für die Schülerinnen und Schüler der Vorgabe der Kompetenzorientierung entsprechen, liegen jeder Aufgabenstellung drei Parameter, der Reproduktionsaspekt, der Transferaspekt und der Diskussionsaspekt, zu Grunde. „Kompetenzorientierung bedeutet also konkret, dass ich auch Aufgabenstellungen vorlege, die nicht inhaltlich im Unterricht behandelt wurden; sonst wäre es ja ausschließlich eine Reproduktionsleistung.“1029 Angewandt auf das im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung bedeutet dies, dass zusätzlich alle Prüfungsfragen so erstellt werden müssen, dass diese an Hand einer historischen Quelle oder Darstellung aufgebaut sind

1026 Michael Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, in: Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, hrsg. v. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2011, S. 8-10, hier S. 8. 1027 Bundesministerium für Unterricht und Frauen, Standardisierte kompetenzorientierte Reifeprüfung an AHS, [https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/ba/reifepruefung.html], eingesehen 10.06.2014. 1028 Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, S. 8. 1029 Ebd., S. 8. 122 und unmittelbar mit dem Unterrichtsgeschehen in Verbindung gebracht werden können.1030 Die Vorgabe für SuS die im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung zur neuen Reifeprüfung antreten, ist die, dass diese nachweisen können, „dass sie fähig sind, in historisch, sozial- und politikwissenschaftlichen Dimensionen zu denken, und dass sie die erworbenen methodischen Kenntnisse bei der Interpretation unterschiedlicher (historischer) Quellen (Texte, Karten, Bilder, Filme, Reden, Statistiken) anwenden können.“1031

9.1 Der Themenpool Prüfungsfragen dienen der Bewertung und Beurteilung und es sollten ihnen die Attribute der Reliabilität, Validität und Objektivität zu Grunde liegen.1032 Um die Fragestellungen dem Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung und dessen Dimension anzugleichen, werden Themenpools mit unterschiedlichen Parametern erstellt.1033 Der Fragenkatalog, bzw. der s.g. Themenpool, wird in zwei s.g. „Baukästen“ eingeteilt. Auf Grund des Lehrplans für das Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung müssen einerseits konzept- und themenorientierte Bereiche (Baukasten I) und andererseits, zur Miteinbeziehung historischer Methoden, methoden- und gattungsorientierte Bereiche (Baukasten II), entworfen werden. Ein Drittel aller Themen muss zudem dem Baukasten II entsprechen.1034 Bei den konzept- und themenorientierten Bereichen soll das geschichtliche Fachwissen sowohl nach ausgewählten Kategorien und Prinzipien als auch nach theoretischen Gesichtspunkten ausgerichtet, examiniert und analysiert werden. Methoden- und gattungsorientierte Themen legen den Fokus auf den sachkundigen Umgang mit historischen Forschungsmethoden sowie der Differenzierung der einzelnen Quellengattungen und Quellentypen.1035 Um die inhaltliche Validität sicherzustellen, müssen alle Prüfungsaufgaben der thematischen Verbindung entsprechen, welche von der Lehrperson laut Lehrplan im Unterricht behandelt wurde.1036 Der Themenpool muss aus drei Mal so vielen Bereichen wie abgehaltenen Unterrichtsstunden in der Oberstufe bestehen. Bspw. würden 6 Wochenstunden des Unterrichtsfaches Geschichte

1030 Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, S. 8. 1031 Alois Ecker, Geschichtsdidaktische Prinzipien, in: Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, hrsg. v. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2011, S. 19-23, hier S. 19. 1032 Wolfgang Taubinger/Elfriede Windischbauer, Das Thema Aufgabenstellung in einem kompetenzorientierten Unterricht im Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, in: Kompetenzorientierter Unterricht in Geschichte und Politische Bildung: Diagnoseaufgaben mit Bildern, hrsg. v. Heinrich Ammerer u.a., Wien 2011, S. 4-11, hier, S. 4. 1033 Ecker, Geschichtsdidaktische Prinzipien, S. 19-20. 1034 Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, S. 9. 1035 Ecker, Geschichtsdidaktische Prinzipien, S. 20-22. 1036 Taubinger u.a., Das Thema Aufgabenstellung, S. 5. 123 und Sozialkunde/Politische Bildung 18 Themenbereiche ergeben. Das Höchstmaß der Bereiche ist mit 24 gedeckelt. Pro Themenbereich müssen zudem zwei Aufgabenstellungen erstellt werden. Bei oben genanntem Beispiel müssten deshalb 36 „[…] deutlich unterscheidbare [...]1037 Prüfungsfragen mit gleichen Schwierigkeitsniveau von der Lehrperson erstellt werden, welche mit handlungsinitiierenden Verben (s.g. Operatoren) formuliert werden.1038

9.2 Kompetenzbereiche der neuen Matura Der Kompetenzbegriff umfasst gemäß der Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK)1039 „[…] längerfristig verfügbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, die von den Lernenden entwickelt wurden und die sie befähigen, Aufgaben in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsbewusst zu lösen und die damit verbundene motivationale und soziale Bereitschaft zu zeigen.“1040

SuS sollten demnach selbstständig dazu in der Lage sein, historische Problemstellungen aufzuschlüsseln bzw. konkrete Lösungen zu ermitteln.1041 Für die neue kompetenzorientierte Reifeprüfung im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung stehen zwei Kompetenzbereiche, die historische und die politischen Kompetenzen umfassen, im Fokus.1042 Die Zusammensetzung der historischen Kompetenzen ergibt sich aus den Frage-, Methoden-, Orientierungs-, und Sachkompetenzen. Die Fragekompetenz gibt Fragen aus der Gegenwart an die Geschichte als Beispiel vor und zielt auf die Entwicklung einer neuen Perspektivensicht der SuS ab. Die Methodenkompetenz (Re-Konstruktionskompetenz und De-Konstruktionskompetenz) bezieht sich auf die Fertigkeit der SuS, die Vergangenheit und Quellen der Geschichte selbst zu re-konstruieren und Verbindungen herzustellen, vorhandene Narrationen zu de-konstruieren und dabei den Konstruktionscharakter von Geschichte kritisch zu betrachten bzw. zu hinterfragen. Die Orientierungskompetenz basiert auf dem Transfer von historischem Wissen auf Gegenwart

1037 Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, S. 9. 1038 Ebd., S. 9. 1039 Seit dem Schuljahr 2014/15 Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF). 1040 Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur über Bildungsstandards im Schulwesen StF: BGBl. II Nr. 1/2009, in: Gesamte Rechtsvorschrift für Bildungsstandards im Schulwesen, [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung /Bundesnormen/20006166/Bildungsstandards%20im%20 Schulwesen,%20Fassung%20vom%2029.07.2014.rtf], eingesehen 04.08.2014. 1041 Barbara Dmytrasz, Fachspezifische Kompetenzmodelle für Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, in: Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, hrsg. v. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2011, S. 11-13, hier S. 11. 1042 Ebd., S. 11.

124 und Zukunft. Die Sachkompetenz beschreibt die Fertigkeit der SuS, geschichtliche Konzepte, Kategorien und Begrifflichkeiten in bereits vorhandene Wissenskanäle zu transferieren. Das Ziel dabei ist die Anwendung von Inhalten in kategorisierender, vergleichender und angewandter Weise.1043 Die Zusammensetzung der politischen Kompetenzen ergibt sich aus Urteils-, Handlungs-, Methoden-, und Sachkompetenzen. Die politische Urteilskompetenz beschreibt die Fähigkeit, eigene oder fertig vorliegende Urteile wert- und sachorientiert bzgl. politischer Entscheidungen, Kontroversen oder Probleme einzustufen. Handlungskompetenz fordert einen Beitrag zur Lösungsfindung sowie die Fähigkeit, eigene und fremde Positionen zu artikulieren, aufzugreifen bzw. verstehen können. Die Methodenkompetenz fordert die praktische Anwendung von Verfahren und Methoden, um fertige politische Manifestationen, wie bspw. politische Reden, zu entschlüsseln, diese zu hinterfragen bzw. eigene Manifestationen zu kreieren. Die politische Sachkompetenz spiegelt die Qualifikationen wider, politische Begriffe, Kategorien und Konzepte zu verstehen, über sie zu verfügen und diese unter kritischer Betrachtung weiterentwickeln zu können.1044 „Gerade bei umfangreichen Prüfungen ist es wichtig, mehrere (Teil-)Kompetenzen […] zu thematisieren und unterschiedliche Anforderungsbereiche an die SchülerInnen heranzutragen. Unterschiedliche Anforderungsbereiche resultieren aus unterschiedlichen kognitiven Operationen bei SchülerInnen: Sie müssen etwas ‚beschreiben‘, ‚benennen‘, ‚einordnen‘, ‚erklären‘, ‚erörtern‘ usw.“1045

9.3 Operatoren und Anforderungsbereiche Den Prüfungsfragen der neuen Matura im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung liegt ein Operatorensystem zu Grunde. Handlungsinitiierende Verben „‚verstanden als Verben, die bei den Schülern relativ genau vordefinierte und eintrainierte Handlungsweisen zur Bearbeitung einer gestellten Aufgabe auslösen sollen‘“1046, stellen ab sofort die Basis der neuen Maturafragen dar. Wer?, Was?, Wann? Wie? Wo? – Fragen, die ausschließlich den Reproduktionsapekt berücksichtigen, werden bewusst vermieden. Stattdessen werden mittels drei Anforderungsbereichen (I-III), mit den jeweiligen dazugehörenden Operatoren, Fragestellungen formuliert. Bei den Anforderungsbereichen muss darauf geachtet werden,

1043 Dmytrasz, Fachspezifische Kompetenzmodelle für Geschichte, S. 11-12. 1044 Ebd., S. 12. 1045 Taubinger u.a., Das Thema Aufgabenstellung, S. 8. 1046 Christoph Kühberger, Operatoren als strukturierende Elemente von Aufgabenstellungen für Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, in: Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, hrsg. v. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2011, S. 14-18, hier S. 14. 125 dass eine Steigerung von leichten (Anforderungsbereich I) bis zu den komplexeren, schwierigeren Fragestellungen (Aufgabenbereich II und III) erkennbar ist.1047 Anforderungsbereich I beinhaltet die Reproduktion, d.h. Anwendung von im Unterricht angeeignetem fachspezifischem Wissen, historischen Sachverhalten oder Arbeitstechniken. Der Anforderungsbereich II zielt bereits vertiefend auf die selbstständige Reorganisation von Inhalten und den Transfer durch angewandte methodische Praktiken auf unbekannte Aspekte, ab. Der Anforderungsbereich III erfordert die Reflexionsfähigkeit, um Wege zu selbstständigen Problemlösung mittels historischer Re- und De-Konstruktion zu beschreiten.1048 Die Operatoren für die neue Matura lassen sich zum Großteil eindeutig einem Anforderungsbereich zuteilen. Verdeutlicht werden die Operatoren der Anforderungsbereiche I bis III nach Christoph Kühberger in folgenden drei beispielhaften Darstellungen1049:

1047 Kühberger, Operatoren als strukturierende Elemente, S. 14. 1048 Ebd., S. 15. 1049 Ebd., S. 15-16. 126

127

Bei Aufgabenstellungen mit Operatoren muss zwischen den SuS und der Lehrperson der Erwartungshorizont für beide Seiten klar sein, denn während im Anforderungsbereich I zum Großteil nur reproduktive Leistungen verlangt werden, werden in den Anforderungsbereichen II-III „[…] im Rahmen des historischen Lernens […] eigentlich selbstständig begründete Darstellungen/Interpretationen oder Erzählungen über die Vergangenheit (Re- Konstruktion)[,] die entlang von historischen Quellen oder Fachliteratur abwägend vorgenommen werden, als anspruchsvolle Leistungen […]“1050 verstanden. Den SuS müssen hierzu im Vorhinein Materialien, wie bspw. historische Quellen und Darstellungen, zugänglich gemacht werden, um sie auf den richtigen Weg der Problemlösung zu geleiten. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, die Operatoren präzise zu formulieren und ggf., um Unklarheiten zu vermeiden, durch Zusatzerklärungen zu ergänzen.

10. Stalingrad als Themenpool Die Verankerung des Themas „Stalingrad“ erfolgt im Lehrplan für die 7. Klasse AHS mit dem Passus: „[…] kollektive Friedenssicherungspolitik nach 1918 und ihr Scheitern; Ursachen und Verlauf des Zweiten Weltkrieges […].“1051 Umgelegt auf die neue kompetenzorientierte Reifeprüfung im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung dienen die „Schlacht von Stalingrad“ und die historischen Feldpostquellen deutscher Soldaten als weit greifender Themenpool für den Einsatz in der neuen Matura.

1050 Kühberger, Operatoren als strukturierende Elemente, S. 17. 1051 Bundesministerium für Bildung und Frauen, Lehrpläne der AHS-Oberstufe. Geschichte, Sozialkunde/Politische Bildung, [http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_ahs_oberstufe.xml], eingesehen 29.05.2014. 128

Stalingrad ist ein Beispiel des Zweiten Weltkriegs, in welchem Feldpost von Soldaten in existenzieller Notlage geschrieben wurde.1052 Vom 22. November 1942 bis zum 2. Februar 1943 war Feldpost für den Soldaten in der Stadt an der Wolga die einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt und der Heimat in Kontakt zu treten.1053 Für die Generationen der Jungendlichen sind die Briefe der deutschen Soldaten ein Nachweis dafür, wie sich die belastende Situation „[a]uf unbestimmte Zeit getrennt von den Angehörigen […], unter großen körperlichen und psychischen Entbehrungen und Strapazen […] im Bewusstsein der Möglichkeit des eigenen gewaltsamen Tötens und Sterbens […]“1054 auswirkte.1055 Historische Feldpost gibt somit Erkenntnisse darüber, wie Kriegserfahrungen auf Menschen wirkten und was sie festhalten bzw. dem Empfänger schriftlich „[…] über sich und ihre Umgebung“1056 berichten wollten.1057

10.1 Feldpost aus Stalingrad in historischer Reflexion Der Begriff Feldpost umfasste im Zweiten Weltkrieg alle Postbotschaften in Brief- und Paketform. Zudem umfasste Feldpost nicht nur Sendungen zwischen Privatpersonen, sondern wurde auch von Behörden und Organisationen an deren Mitglieder an die Front gesendet.1058 Das Senden der Mitteilungen war, mit Ausnahme einiger Gewichtsbeschränkungen gebührenfrei und wurde somit vom Reich finanziert. Das Interesse des Staats lag dabei auf dem psychologischen Nutzen der Feldpost für die Kämpfer an der Front sowie für die Familie in der Heimat, um Unruhen über den Verbleib der Angehörigen präventiv vorzubeugen.1059 Kleinere Mengen an Nachschubsrationen und Kleidungsstücken kamen den Soldaten über Feldpostsendungen aus der Heimat zu, für welches die Landser im Gegenzug „Beutegut“ nach Hause schickten.1060 Im Dritten Reich unterlag das Feldpostwesen einer starken Zensur, die den Verfasser „[…] – unter dem Hinweis auf Gegenspionage, der man ja nicht in die Hände arbeiten durfte – zur kollektiven Loyalität des Schweigens über die eigentlichen Kriegserfahrungen“1061 zwang.

1052 Astrid Irrgang, Feldpost eines Frontsoldaten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 14-15/2007, S. 41-46, hier S. 41. 1053 Martin Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, in: Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, hrsg. v. Gerd Ueberschär / Wolfram Wette, Frankfurt am Main 1992, S. 68-79, hier S. 68. 1054 Irrgang, Feldpost eines Frontsoldaten, S. 41. 1055 Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 68. 1056 Irrgang, Feldpost eines Frontsoldaten, S. 41. 1057 Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 69-70. 1058 Ebd., S. 70. 1059 Ebd., S. 70. 1060 Ebd., S. 70. 1061 Ebd., S. 71. 129

Die Überwachung und Ausübung der Zensur der Nachrichten erfolgte über s.g. Feldpostprüfstellen und wurde sichtbar durchgeführt. Alle Feldpostsendungen wurden geöffnet und wieder verklebt und erhielten einen Stempelaufdruck mit „Geöffnet – Feldpostprüfstelle.“1062 Mit den zunehmenden Distanzen, die die deutschen Truppen während des Angriffes auf die Sowjetunion zurückzulegen hatten, gestaltete sich die Lieferung von Feldpost an die Soldaten der Ostfront immer schwieriger. Zusätzlich zu Lastkraftwagen und Eisenbahn wurden auch Luftfeldpostsendungen vermehrt eingesetzt um die größeren Strecken überwinden zu können.1063 Auf Grund des Einschlusses der 6. Armee war ein Lieferengpass mit Versorgungsgütern akut, sodass die Auslieferung von Feldpost zurückgestuft werden musste. Sämtliche Feldpostpaketlieferungen waren seit 22. November gestoppt1064, sodass erst ab 6. Dezember die Übermittlung von Feldpostbriefen wieder vollzogen werden konnte.1065 Die Summe der nicht zugestellten Feldpostpakte für Stalingrad betrug circa zwei Millionen Sendungen.1066„Von einer regelmäßigen Verbindung in die Heimat konnte keine Rede mehr sein.“1067

1062 Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 71. 1063 Ebd., S. 73. 1064 Ebd., S. 73. 1065 Manfred Kehrig, Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht, Stuttgart 1979, S. 302. 1066 Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 73. 1067 Ebd., S. 73. 130

10.2 Beispiel I – Der Angriff - Sturm auf Stalingrad

Themenbereich: Deutschland im Zweiten Weltkrieg

Thema: Die Schlacht von Stalingrad 1942

Situationsbeschreibung: „Im Verlauf der deutschen Sommeroffensive von 1942 erreichte die 6. Armee unter General Friedrich Paulus Ende August Stalingrad (heute: Wolgograd). Bis Mitte November eroberte sie rund 90 Prozent der Stadt.“1068

1. Fassen Sie die Entschlüsse und Absichten der deutschen Führung im Bezug auf einen Angriff auf Stalingrad zusammen.

2. Begründen Sie die Aussage eines deutschen Offiziers in Stalingrad: „Wir standen in Europa – und blickten nach Asien.“1069

3. Rekonstruieren Sie anhand der Feldpostquelle die Stimmung der deutschen Soldaten und stellen sie die Lage im gegenwärtigen Nahostkonflikt auf Basis des „Briefes eines Soldaten im Gazastreifen“ dar.

Rußland, 3. Sept. 42. „Ihr Lieben!

Die Stadt, vor der wir liegen, wird nun bald in unserer Hand sein. Gestern Abend haben wir sie schon brennen sehen aus 20 km Entfernung. Ob wir allerdings noch in der Wolga werden baden können, scheint mir fraglich zu sein, denn seit drei Tagen ist es hier Herbst, ganz unverkennbar. Der bisher ausgesprochen warme Wind weht kühl, die Nächte sind kalt und wenn es regnet, ist es ganz ungemütlich. Glücklicherweise haben wir unseren geschlossenen Ford! Bis jetzt haben wir erst einen Regentag gehabt, u. ich hoffe sehr, daß es bis zur Regenperiode noch einige Zeit dauert. Heute scheint die liebe Sonne. Sie ist mit einem Mal wieder zur "lieben Sonne" geworden, denn sie sticht u. brennt nicht mehr, sondern wärmt angenehm. Aber immerhin muß man sich schon warm anziehen. Im übrigen geht es mir gesundheitlich tadellos. Wir sind sehr oft im Einsatz, aber bitte keine Sorge, Unkraut vergeht ja nicht! Herzliche Grüße und Küsse! Euer Ekki.“1070

1068 Deutsches Historisches Museum, Die Schlacht um Stalingrad (23. August 1942 bis 2. Februar 1943), [http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/stalingrad/], eingesehen 20.03.2014. 1069 Bernd Freytag-Loringhoven, zit in: Henning Stühring, Von Stalingrad bis Kursk. Erlebnisse aus dem Russlandfeldzug. Als der Osten brannte, Teil II 1942/43, Berlin 2014, S. 105. 1070 Ekkehard Lauritzen, Briefe aus Stalingrad kurz vor dem Fall, [http://www.lauritzen-hamburg.de/ ekkehard_johler_stalingrad2.html], eingesehen 04.08.2014. 131

Brief eines Soldaten im Gazastreifen

„[...]Heute schlagen unsere Herzen in Angst. Wer von uns wird sterben? Und wer wird sicher zurückkehren?

Wir sind eure Botschafter im Kampf. Wir kämpfen, damit ihr mit euren Kindern in Frieden leben könnt. Damit ihr am Leben bleiben könnt. Wir sind euer Schutz. Werdet ihr unserer sein?

Wir gehen in diesen gefährlichen Auftrag in dem Wissen, dass einige von uns nicht zurückkommen, sondern in einem Sturm zu ihrem nächsten Posten im Himmel auffahren werden, wie es der Prophet Elias tat.

Wir gehen mit Hingabe und Engagement. Wir bitten euch, dass ihr mit euren Gebeten unser Schutz seid. Schützt uns, indem ihr selbst über Spiritualität und gute Taten über euch hinaus geht.

Betet für uns. Betet, dass ihr nicht erlebt, dass eine weitere Mutter ihren Sohn beerdigt. Betet, dass unsere Kinder aufwachsen und wissen, wer ihre Väter sind.

Betet, dass wir die Terroristen eliminieren werden, die uns vernichten wollen und dass wir keine unschuldigen Frauen und Kinder verletzen.

Bitte, wir flehen euch an, wenn ihr dies lest, macht nicht einfach mit der nächsten Sache weiter, die ihr tut.

Sprecht einen Psalm. Weckt König David auf, dass er den Allmächtigen um volle Erlösung und Frieden für die ganze Welt bittet. Nehmt es auf euch eine weitere gute Tat zu tun. Und bitte gebt dies weiter. Ich bin sicher, dass eure Gebete etwas bewirken werden.

Vergesst nicht, wir stecken alle zusammen hier drin. Wir sind an der Front, tragen die Waffen und ihr kämpft mit uns zusammen in euren Gebeten. Jedes Wort eurer Gebete gibt uns Kraft, Schutz und Erfolg.“1071

[Verfasser unbekannt]

1071 o.V., Brief eines Soldaten im Gazastreifen, haOlam.de - das Nachrichten- und Onlinemagazin für Politik, Kultur, Wirtschaft, Lifestyle und jüdisches Leben, , 03.08.2014, [http://haolam.de/artikel_18513.html], eingesehen 04.08.2014. 132

10.3 Beispiel II – Im Kessel - Stalingrad vor Weihnachten

Themenbereich: Deutschland im Zweiten Weltkrieg

Thema: Die Schlacht von Stalingrad 1942

Situationsbeschreibung: Die deutschen Soldaten im Kessel waren trotz ihrer Lage „[…] überzeugt, die wenigen Tage noch durchzuhalten, bis die Entsatzarmee erscheint.“1072

1. Beschreiben Sie die Haltungen von Generaloberst Friedrich Paulus und Adolf Hitler nach der „Einkesselung“ der deutschen Truppen in Stalingrad.

2. Analysieren Sie die psychologische Wirkung der folgenden Feldpostquelle aus Stalingrad für den Schreiber und die Empfängerin.

Rußland, den 19.12.42.

„Mein liebes Frauchen! Immer näher rückt Weihnachten heran. Noch 5 Tage und es ist Heiligabend. Es wird für Euren Vati sowie alle Soldaten, die im Kessel sind, ein trostloser Weihnachten werden. Auf einen Weihnachtsbaum werden wir auch verzichten müssen, da in dieser weiten Steppenwüste kein Baum und Strauch wächst. Heute habe ich von unserem Zahlmeister erfahren, daß wir alle jeder 200 Zigaretten bekommen sollen. Das ist wenigstens ein Tropfen auf einen heißen Stein. Außerdem fährt morgen unser Zahlmeister zum Verpflegungsamt, um eine gute Verpflegung für die Weihnachtstage für uns herauszuschlagen. Voriges Jahr hat unsere Batterie an nichts zu Weihnachten Mangel gehabt. Schnaps war in Hülle und Fülle da. Das wäre auch dieses Jahr der Fall gewesen, wenn der Russe uns nicht eingekesselt hätte. Das schlimmste sind ja die Päckchen, die du mit so viel Liebe fertig gemacht hast und die mich zu Weihnachten nicht er. reichen werden. Ich hätte so gerne ein paar Makronen, ein Stück Kuchen oder ein schönes Schmalzbrot gegessen. Hoffentlich verlebst Du mit unseren Kindern einen schönen Weihnachten, das ist auch eine Freude für mich. Schreibe mir mal wie Weih- nachten verlaufen ist und ob der Schlitten angekommen ist. Ich bin ja leider nicht in der Lage, einen von Euch irgendeine Klei- nigkeit zu schenken. Das schönste Weihnachtsgeschenk für

1072 Janusz Piekalkiewicz, Stalingrad: Anatomie einer Schlacht, München 1977, S. 332. 133 euch soll’s sein, daß euer Vati recht bald auf Urlaub kommt. In einem Schlußsatz des Tagesbefehls an die eingeschlossenen Truppen hat der Führer gesagt: Haltet aus, der Führer haut euch raus. Hoffentlich bewahrheitet sich dieses Wort recht bald, damit ich wieder Post von dir bekomme und eventuell bald auf Urlaub fahren kann. In diesem Sinne grüße und küsse ich Euch 1000 mal. Euer Vati Ebenso herzliche Grüße an deine Eltern“1073

Max Breuer *1909, Gefreiter; in Gefangenschaft gestorben.

3. Rekonstruieren Sie anhand der Quelle die Lage im Kessel von Stalingrad zu Weihnachten 1942 und beurteilen Sie die gegenwärtige Situation von amerikanischen Soldaten auf dem Kriegsschauplatz Irak auf Basis des Liedtextes „Hero of war” der Band Rise Against.

„Er sagte: „Mein Sohn, hast du die Welt gesehen? Oder was würdest du davon halten, wenn ich dir sage, dass du es könntest? Trag einfach dieses Gewehr und du wirst auch noch dafür bezahlt." Ich sagte:"Das hört sich ziemlich gut an." Schwarze Lederschuhe, Glänzend vom Speichel[,] Sie haben meine Haare abgeschnitten, aber es stand mir ziemlich gut Wir sind marschiert und haben gesungen Wir sind alle Freunden [sic!] geworden, Als wir lernten zu kämpfen Ein Kriegsheld Genau das werde ich sein Und wenn ich wieder nach Hause komme, Werden alle verdammt stolz auf mich sein Ich werde für diese Flagge sterben, wenn es sein muss, Denn es ist die Flagge, die ich liebe, Und die Flagge, der ich vertraue Ich habe die Tür eingetreten, Und meine Kommandos gegeben Die Kinder, sie haben geschrien, Aber ich habe den Mann gefunden, nach dem ich suchte Wir haben ihn mitgenommen,

1073 Feldpostbriefe aus Stalingrad. November 1942 bis Januar 1943, hrsg. v. Jens Ebert, Göttingen 2003, S. 166- 167.

134

Mit einen [sic!] Sack über seinem Kopf, Weggezerrt von seiner Familie und all seinen Freunden Sie haben ihn ausgezogen Sie haben in seine Hände gepisst Ich befahl ihnen aufzuhören, Aber dann habe ich mitgemacht Wir haben ihn mit den Gewehren geschlagen Und mit Schlagstöcken, nicht nur einmal, Sondern immer und immer wieder ... Ein Kriegsheld Das werde ich sein Und wenn ich wieder nach Hause komme, Werden sie verdammt stolz auf mich sein Ich werde diese Flagge tragen Bis ins Grab, wenn ich muss Denn es ist die Flagge, die ich liebe Und die Flagge, der ich vertraue Sie ging durch Kugeln und Rauchschwaden Ich habe sie gebeten, anzuhalten Ich flehte sie an, stehen zu bleiben Aber sie ist weiter gegangen, Also habe ich mein Gewehr gehoben Und losgefeuert Die Hülsen flogen durch den Rauch Und in den Sand, Der das Blut schon aufgesaugt hatte Sie brach zusammen, mit einer Flagge in ihrer Hand Einer Flagge, so weiß wie Schnee Ein Kriegsheld Ist es wirklich das, was sie in mir sehen? Nur Medaillen und Narben So verdammt stolz auf mich Und ich habe ihre Flagge zurück nach Hause getragen Jetzt setzt sie Staub an Aber es ist die Flagge, die ich liebe Die einzige Flagge, der ich vertraut habe Er sagte:" Mein Sohn, hast du die Welt gesehen? Oder was würdest du davon halten, wenn ich dir sage, dass du es könntest?"1074

1074 Rise Against, Songtext: Hero of War, [http://www.songtexte.com/uebersetzung/rise-against/hero-of-war- deutsch-2bd6b08e.html], eingesehen 20.03.2014. 135

10.4 Beispiel III – Im Kessel - „Stille Nacht in Stalingrad“1075

Themenbereich: Deutschland im Zweiten Weltkrieg

Thema: Die Schlacht von Stalingrad 1942

Situationsbeschreibung: „Man suchte trotz des Elends ringsum die Gemeinschaft und gegenseitigen Halt. Während des trostlosen Weihnachtsfestes fern der Heimat ging ein Bild von Hand zu Hand – die Madonna von Stalingrad.“1076

1. Beschreiben Sie den Verlauf der Schlacht um Stalingrad mit den Schlagwörtern „Der Angriff“ – „ Der Kessel“ – „ Der Untergang“.

2. Erläutern Sie mittels der Darstellung der „Madonna von Stalingrad“ und der Zeitzeugen- aussagen des Stalingradüberlebenden Günter Schröder die Stimmungslage der deutschen Soldaten zu Weihnachten in Stalingrad.

1077

„Das Einzige, was uns nachher geholfen hat, das war die Madonna von Stalingrad. Die hat ein Arzt, ein Stabsarzt, auf der Rückseite einer russischen Karte gemalt. […] Und das ging wie ein Lauffeuer durch den ganzen Kessel. Und die Madonna von Stalingrad hatte die Worte

1075 Sebastian Dehnhart, ZDF:zeit Dokumentation. Stille Nacht in Stalingrad, Deutschland 2012. 1076 Torsten Diedrich, Paulus. Das Trauma von Stalingrad. Eine Biographie, Paderborn u.a. 2008, S. 272. 1077 Kurt Reuber, Stalingradmadonna, 25.12.1942, [http://de.wikipedia.org/wiki/Stalingradmadonna# mediaviewer/Datei:Berlin._Kaiser_Wilhelm_Ged%C3%A4chtnis_Kirche_005.JPG], eingesehen 30.06.2014. 136

Licht, Leben, Lieben. Und das waren ja Dinge, die dem Einzelnen also wie Öl über die Seele gelaufen sind. Natürlich, dass es kein Entrinnen gab, das war klar, aber sie haben wenigstens innerlich mit sich abgeschlossen und haben gesagt: ‚So, mit dem Trost der Madonna kann ich jetzt wenigstens dem Ende entgegen sehen.‘“1078

[Günter Schröder, Offizier und Überlebender von Stalingrad]

3. Bewerten Sie die Feldpostquellen aus den Jahren 1942 und 2006 und diskutieren Sie die Intention(en) der Verfasser.

Weihnachten im Felde 1942.

„Meine liebe Friedel! Deinen lieben Brief vom 15.XI. Nᵒ 13 habe ich mit Freude er- halten, wofür ich dir herzlich Danke. Auch ein Brief von Mut- ter vom 15. XI. ist angekommen. Besten Dank. Nun ist die Zeit gekommen, worauf man sich das ganze Jahr freut. Leider kam es dieses Jahr anders als sonst, aber auch das wir wieder einmal anders werden. Liebe Friedel! Die ganzen Tage vor Weihnachten war ich in jeder freien Minute in Ge- danken bei Euch. Wie werdet Ihr Weihnachten feiern. Werdet Ihr Post bekommen haben von mir, oder ward Ihr in großer Sorge um mich. Ich hätte Euch gerne diese Sorgen abgenom- men, aber das war mir leider nicht möglich. Es sind jetzt schon fünf Wochen, daß uns der Russe in diese Lage gebracht hat u. dadurch wurden uns viele Hoffnungen zunichte gemacht. Schon allein dadurch, daß der regelmäßige Postverkehrabge- rissen wurde. Jetzt kommt ja die Post wieder, wenn auch in beschränktem Maße, aber doch kommt ab u. zu ein Brief. Päckchen kommen vorerst noch keine. In diesen 5 Wochen habe ich jetzt diese beiden Briefe erhalten worauf ich heute antworte. Deshalb werde ich aber auch nicht verzagen son- dern nur hoffen, daß es bald anders wird. Wir hatten ja im Stillen gehofft, daß auf Weihnachten die Sache wieder besser aussieht, […]. Wir vertrauen aber auf unseren Führer, der uns nicht im Stiche läßt. […]“

Erwin Guhl * 1918, Obergefreiter. Vermisst.

1078 Interview mit Günter Schröder, in: Dehnhart, Sebastian, ZDF:zeit Dokumentation. Stille Nacht in Stalingrad, Min. 29:14 - 30:19Deutschland 2012, [http://www.youtube.com/watch?v=DQyv44T1HBM], eingesehen 13.06.2014. 137

Feldpostbriefe deutscher Soldaten aus Afghanistan

„Ich öffne meine Geschenke und falle erst mal in ein Loch. Man merkt wieder mal wirklich, dass man bewaffnet in einer Art Bunker sitzt und alle, die einem etwas bedeuten, 5000 Kilometer entfernt sind. Später versammeln wir uns in unserem Kaffeeraum, um ein wenig zu feiern. Es gibt das Übliche und einen Haufen Alkohol. Wir öffnen ein paar Flaschen und sinnieren über Weihnachten. Gegen 22 Uhr gehen wir zur Christmette. […] Weihnachtslieder, ein paar weihnachtliche Worte und etwas Ruhe. […]“1079

[Leutnant Lars Stock, 30, Masar-i-Scharif 2006]

1079 Feldpost Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan, hrsg. v. Marc Baumann u.a., Hamburg 2011, S. 180. 138

10.5 Beispiel IV – Der Untergang - Das Ende einer Armee

Themenbereich: Deutschland im Zweiten Weltkrieg

Thema: Die Schlacht von Stalingrad 1942

Situationsbeschreibung: Am 31. Jänner und 2. Februar 1943 gaben die deutschen Truppen den Widerstand in Stalingrad auf. Bis zur informellen Kapitulation fielen tausende Soldaten dem Hunger, der Kälte und dem Kampf zum Opfer.

1. Skizzieren Sie die Schlacht von Stalingrad als „Wendepunkt“ im Zweiten Weltkrieg.

2. Charakterisieren Sie die Niederlage von Stalingrad mit Hilfe der Feldpostquelle.

„… So, nun weißt du es, dass ich nicht wiederkomme. Bringe es unseren Eltern schonend bei. Ich bin schwer erschüttert und zweifle sehr an allem. Einst war ich gläubig und stark –jetzt bin ich klein und ungläubig. Vieles, was hier vor sich geht, werde ich nicht erfahren, aber das Wenige, das ich mitmache, ist schon so viel, dass ich es nicht schlucken kann. Mir kann man nicht einreden, dass die Kameraden mit dem Worte ‚Deutschland‘ oder ‚Heil Hitler‘ auf den Lippen sterben. Gestorben wird – das läßt sich nicht leugnen; aber das letzte Wort gilt der Mutter, oder dem Menschen den man am Liebsten hat oder nur dem Ruf nach Hilfe. […]“1080

3. Bewerten Sie den folgenden Auszug aus dem Zeitungsbericht „Die Schlacht um die Erinnerung“ in Bezug auf die gegenwärtige Erinnerungskultur der Schlacht um Stalingrad.

„Russlands Präsident Wladimir Putin hat zum Jahrestag der Schlacht von Stalingrad an deren weltgeschichtliche Bedeutung erinnert. ‚An den Ufern der Wolga wurde der Verlauf des Zweiten Weltkrieges gewendet‘, sagte er bei einem Treffen mit Veteranen im Kreml. ‚Und gewendet wurde er von unserem Volk, dem sowjetischen Soldaten, der Europa die Freiheit brachte und die Welt von Vernichtung und Sklaverei rettete‘. Nun gelte es, diese Erinnerung zu verteidigen gegen ‚Versuche, die Ereignisse des Krieges zu verzerren‘ und ‚schamlos die Heldentat jener auszulöschen, die die Welt befreit haben‘, sagte der Präsident.[…] “1081

1080 Letzte Briefe aus Stalingrad (Das kleine Buch, Nr. 60), hrsg. v. Wolfgang Strass, Gütersloh 1959, S. 22-23. 1081 Christian Esch, Die Schlacht um die Erinnerung, Frankfurter Rundschau online, 04.02.2013, [http://www.fr- online.de/politik/stalingrad-die-schlacht-um-die-erinnerung,1472596,21628698.html], eingesehen 04.08.2014. 139

11. Resümee Die Prämisse, dass Feldpostquellen im Unterreicht behandelt worden sind, muss für einen Einsatz der Quellen in der neuen Matura gegeben sein. Da Feldpostquellen den vorgegebenen konzept- und themenorientierten sowie methoden- und gattungsorientierten Parametern der neuen Reifeprüfung entsprechen, lassen sich mehrere Kompetenzen in positiver Korrelation vereinen und somit von der Lehrperson abprüfen bzw. bewerten. Auf das Thema „Stalingrad“ bezogen, eignen sich Feldpostquellen, unabhängig aus welcher Phase – ob vom Angriff, vom Kessel, von der Kriegsweihnacht 1942 oder vom Untergang – diese stammen, immer für eine Verwendung als Prüfungsinhalt und lassen sich mit Operatoren aller drei Anforderungsbereiche beliebig kombinieren. Eine Schwierigkeit ergibt sich allerdings bei der Erstellung der Prüfungsfragen mit der geforderten Formulierung eines Transferaspektes von der Geschichte zur Gegenwart, da sich die welt- und sicherheitspolitische Lage täglich verändert. Das gewählte Thema der Quelle muss dennoch mit gegenwärtigen ähnlichen Ereignissen, die auch im direkten Gegensatz zur historischen Begebenheit stehen können, in Verbindung gebracht werden um alle Anforderungsbereiche zu erfüllen. Von Vorteil ist die eminente Diversität an Quellen, welche die geforderte Objektivität der Prüfung erhöht, da eine sehr große Wahrscheinlichkeit besteht, dass die SuS die von der Lehrperson gewählten Quellen noch nie zuvor gesehen, gelesen bzw. bearbeitet haben. Die fachdidaktische Tauglichkeit von Feldpostquellen aus Stalingrad für den Einsatz in der neuen standardisierten kompetenzorientierten Reifeprüfung im Unterrichtsfach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung ist somit, im Hinblick auf die zu erfüllenden Vorgaben und Parameter, gegeben.

140

12. Quellen- und Literaturverzeichnis

Teil I

Quellen - Archivalien Bundesarchiv, RH 19-VI/2, fol. 269

Bundesarchiv, RL 8/56

Bundesarchiv, RL 8/271

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 4

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 5

Bundesarchiv, RH 20-6/240, fol. 194

Bundesarchiv, RH 20-6/965, fol. 60

Bundesarchiv, RH 20-6/965, fol. 61

Bundesarchiv, RH 19-VI/7, fol. 90

Bundesarchiv, RH 19-VI/7, fol. 91

Bundesarchiv, RH 19-VI/8, fol. 343

Bundesarchiv, N 63/43, fol. 50

Bundesarchiv, RW 4/v. 577, Bl. 72

Bundesarchiv, RW 4/v. 577, Bl. 73

Bundesarchiv, RW 4/v. 577, Bl. 75

Bundesarchiv, RW 4/578, Bl. 42

Bundesarchiv, RH 20-6/493, fol. 169

Bundesarchiv, RH 20-6/888, fol. 205

Bundesarchiv, RH 20-6/888, fol. 206

141

Bundesarchiv, RH 20-6/221

Bundesarchiv, RH 20-6 - 241, fol. 272

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 179

Bundesarchiv, RH 20-6 - 238, fol. 181

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 149

Bundesarchiv, RH 20-6/175

Bundesarchiv, RH 20-6/176

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 163

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 8

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 9

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 10

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 11

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 12

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 13

Bundesarchiv, RH 20-6/238, fol. 144

Bundesarchiv, RW 4/140, fol. 1

Bundesarchiv, RW 4/140, fol. 2

Bundesarchiv, RH 19-VI/12, fol. 324

Bundesarchiv, RH 19-VI/12, fol. 326

Primärliteratur Adam, Wilhelm/Rühle, Otto, Der schwere Entschluß, Berlin 19653.

Dengler, Gerhard, Zwei Leben in einem, Berlin 1989.

142

Deutschland im Kampf (Januar-Lieferung Nr. 81/82), hrsg. v. Berndt, A. J. / von Wedel, Oberst, Berlin 1943.

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Frontverlauf Ostfront 9. Juli 1941 - 9. September 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/ Eastern_Front_1942-05_to_1942- 11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung.

Frontverlauf Ostfront 9. September 1941 – 5. November 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/Eastern_Front_1942-05_to_1942- 11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung.

Gegenoffensive der Roten Armee im Winter 1941, nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Map_Soviet_1941_Winter_counteroffensive.jpg, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung.

Ostfront 7. Mai 1942 – 18. November 1942, nach: [http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/Eastern_Front_1942-05_to_1942- 11.png], eingesehen 03.07.2014, eigene Darstellung.

Operation „Uranus“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ab/Map_Battle_of_Stalingrad-lt.svg, eingesehen 10.07.2014, eigene Darstellung.

Operationsplanung „Wintergewitter“ und „Donnerschlag“ im Vergleich, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung.

Ausgangsstellung Operation „Wintergewitter“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung.

Operation „Wintergewitter“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung.

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Teil II

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152

Anhang Teil I

BArch RW 4/v. 577, Bl. 72.

153

BArch RW 4/v. 577, Bl. 73.

154

BArch RW 4/v. 577, Bl. 75.

155

BArch RW 4/578, Bl. 42.

156

BArch, RH 20-6/493, fol. 169

157

BArch, RH 20-6/888, fol. 205

158

BArch, RH 20-6/888, fol. 206

159

BArch, RH 20-6/221 160

BArch, RH 20-6/221

161

BArch, RH 20-6 - 241, fol. 272

162

BArch, RH 20-6/238, fol. 179

163

BArch, RH 20-6 - 238, fol. 181

164

BArch, RH 20-6 - 238, fol. 181

165

BArch, RH 20-6/238, fol. 149

166

BArch, RH 20-6/175

167

BArch, RH 20-6/176

168

BArch, RH 20-6/238, fol. 163

169

BArch, RH 20-6/238, fol. 163

170

BArch, RH 20-6/238, fol. 8

171

BArch, RH 20-6/238, fol. 9

172

BArch, RH 20-6/238, fol. 10

173

BArch, RH 20-6/238, fol. 11

174

BArch, RH 20-6/238, fol. 12

175

BArch, RH 20-6/238, fol. 13

176

BArch, RH 20-6/238, fol. 144

177

BArch, RH 19-VI/2, fol. 269

178

BArch, RL 8/56 179

BArch, RL 8/56

180

BArch, RL 8/271

181

BArch, RL 8/271

182

BArch, RL 8/271

183

BArch, RL 8/271

184

BArch, RH 20-6/238, fol. 4

185

BArch, RH 20-6/238, fol. 5 186

BArch, RH 20-6/240, fol. 194

187

BArch, RH 20-6/965, fol. 60

188

BArch, RH 20-6/965 fol. 61

189

BArch, RH 19-VI/7, fol. 90

190

BArch, RH 19-VI/7, fol. 91

191

BArch, RH 19-VI/8, fol. 343

192

BArch, N 63/43, fol. 50

193

BArch, RW 4/140, fol. 1 194

BArch, RW 4/140, fol. 2

195

BArch, RH 19-VI/12, fol. 324

196

BArch, RH 19-VI/12, fol. 326

197

Widmung Meine Diplomarbeit ist meinem „Kärnten-Opa“, dem „Schmied-Opa“ und dem „Opa-Ludä“ gewidmet, die im Zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht als junge Soldaten kämpfen mussten.

Dankesworte Mein spezieller Dank ergeht an Herrn ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Albrich für die Betreuung meiner Diplomarbeit, der mich professionell und in vollstem Vertrauen an meine Kompetenzen während des Schreibens meiner Diplomarbeit betreute.

Ein großes Dankeschön gilt, meiner EF-Kameraden Mama, Frau Mag. Helga Ebner für das Korrekturlesen meiner Diplomarbeit.

Bedanken möchte ich mich des Weiteren herzlichst bei meinem geschätzten Studienkollegen, Herrn Mag. Thomas Lintner, der mir jederzeit mit Ratschlägen sowie der Korrektur der Arbeit zur Seite gestanden ist.

Einen ganz herzlichen Dank möchte ich an dieser Stelle meinem Bruder, Mag. Andreas Ender aussprechen, der mich immer wieder motiviert hat.

Abschließend möchte ich meinen Eltern, meiner Mama Sigrid und vor allem meinem Papa Albert danken, die mich während meiner Studienzeit immer tatkräftig unterstützt haben.

198

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides Statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister-/ Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

______Datum Unterschrift

199