Natalie Bauer-Lechner War Eine Österreichische Bratsche- Rin Und Geigenpädagogin Und Von 1895 Bis 1913 Als Brat- Scherin Mitglied Des Soldat-Roeger-Quartetts
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Bauer-Lechner, Natalie Profil Natalie Bauer-Lechner war eine österreichische Bratsche- rin und Geigenpädagogin und von 1895 bis 1913 als Brat- scherin Mitglied des Soldat-Roeger-Quartetts. Sie unter- nahm zahlreiche Konzertreisen im In- und Ausland. Bis heute ist sie vor allem durch ihr Buch „Erinnerungen an Gustav Mahler“ bekannt, das 1923, zwei Jahre nach ih- rem Tod, vom Ehemann ihrer Nichte, Johann Killian, herausgegeben wurde und für die Mahlerforschung so- wie für das Verständnis der Musikkultur ihrer Zeit von großer Bedeutung ist. Natalie Bauer-Lechner entstammte einer gutbürgerli- chen Wiener Familie und erhielt ab ihrem fünften Le- bensjahr Geigenunterricht. Von 1866 bis 1872 studierte sie Violine und Klavier am Wiener Musikkonservatori- um, wo sie auch Gustav Mahler kennen lernte, mit dem sie von 1891 bis zu seiner Verlobung mit Alma Schindler im Dezember 1901 eng befreundet war. Neben den Auf- zeichnungen über Gustav Mahler verfasste sie mehrere Schriften, in denen sie ihre unabhängige und emanzipato- rische Geisteshaltung darlegte. Nur zwei Texte wurden zu ihren Lebzeiten veröffentlicht: „Fragmente. Gelerntes und Gelebtes“ (1907) und eine „Schrift über den Krieg“ Natalie Bauer-Lechner (1918), für die sie laut Auskunft ihrer Familie in Wien we- gen Hochverrats angeklagt wurde und eine längere Ge- Natalie Bauer-Lechner fängnisstrafe verbüßte. Bis zu ihrem Tod 1921 lebte und Geburtsname: Natalie Anna Juliane Lechner lehrte Natalie Bauer-Lechner als Bratscherin, Autorin und Musikpädagogin in Wien. * 9. Mai 1858 in Wien, Orte und Länder † 8. Juni 1921 in Wien, Natalie Bauer-Lechner wurde am 9. Mai 1858 in Wien ge- Bratscherin, Geigerin, Autorin, Pädagogin, boren, von wo aus sie viele Reisen und Konzertreisen inn- Gesprächspartnerin erhalb Europas unternahm. Sie starb am 8. Juni 1921 in Wien. „Die so oft empörend-brutale und missachtende Behand- Biografie lung der Männer gegen ihre Frauen – als wären sie tiefer stehende Geschöpfe – zur peinvollen Entwürdigung und Natalie Bauer-Lechner wurde am 9. Mai 1858 in Wien Herabziehung beider, kann nur aus der Welt geschafft als erste Tochter des Universitätsbuchhändlers und Ver- werden durch die pekuniäre Unabhängigkeit des Weibes, legers Rudolf Lechner (1822 bis 16.8.1895) und seiner und daß es einen Beruf hat, wie jeder Mann und ihm Re- Frau Julie von Winiwarter (1831 bis 6. Dezember 1905), spekt und Anerkennung darin abzwingt, gleich einem der Tochter des Rechtsgelehrten und Universitätsprofes- tüchtigsten Fachgenossen.“ sors Josef Ritter von Winiwarter, geboren. Sie wuchs zu- sammen mit zwei jüngeren Schwestern, Ellen und Wilhel- (Natalie Bauer-Lechner. Fragmente. Gelerntes und Ge- mina, und ihrem Bruder Oscar in Wien auf. Eine weitere lebtes. Wien 1907, S. 74.) Schwester Auguste war sehr früh verstorben. Beide Eltern musizierten gern. Ab ihrem fünften Lebens- jahr erhielten Natalie und Ellen Geigenunterricht. Als Na- talie acht Jahre alt war, wurde sie ins Konservatorium – 1 – Bauer-Lechner, Natalie der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufgenom- und Lucy Herbert-Campbell (Violoncello, ab 1903 Leonti- men, wo sie von 1866 bis 1872 im Hauptfach Violine und ne Gärtner). Das Quartett unter Leitung der Joachim- im Nebenfach Klavier studierte. Ihre Schwester Ellen Schülerin Marie Soldat-Roeger debütierte am 11. März Schlenk-Lechner (gest. um 1931) gründete um 1909 ein 1895 im Wiener Bösendorfer-Saal u.a. mit dem Streich- eigenes Streich-Quartett in Wien. Sie hat außerdem Kom- quartett C-Dur, op. 74 Nr. 1 von Joseph Haydn und dem positionen veröffentlicht (vgl. Hofmeisters Monatsbe- Streichquartett Nr. 5 in Es-Dur, op. 44, 3 von Felix Men- richt, Leipzig: Januar-Heft 1883, S. 3). delssohn Bartholdy. Von da an konzertierte es bis 1913 re- Die Schwestern, für die es keinen Schul- oder Prüfungs- gelmäßig im In- und Ausland (vgl. Silke Wenzels Artikel zwang gab, wurden durch häufig wechselnde Hauslehrer über Marie Soldat-Roeger; zum Streichquartett Soldat- unterrichtet. Ihre Ausbildung war äußerst lückenhaft, Roeger vgl. Kühnen 2000, S. 58-93). Gespielt wurden an- was Natalie angesichts der Möglichkeiten ihres Bruders fangs vornehmlich Werke der Wiener Klassiker Joseph als „namenlose Ungerechtigkeit“ empfand (Bauer-Lech- Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beet- ner 1907, S. 84). Sie beschreibt sich selbst als eine Schüle- hoven sowie von Franz Schubert, Robert Schumann, Fe- rin, der das Lernen und Aufnehmen schwer fiel (ebd., S. lix Mendelssohn-Bartholdy und Johannes Brahms. Ne- 4 ff.), die jedoch dafür umso gründlicher studierte. Dank ben den Streichquartetten wurden zur Auflockerung des ihres großen Wissensdursts und eines „unersättlichen Le- Programms kammermusikalische Werke mit anderen Be- setriebs“, der sie ihr ganzes Leben hindurch begleitete, setzungen aufgeführt, wie z. B. Solosonaten für Violine, kompensierte sie im Laufe der Zeit den mangelhaften Un- die die Geigenvirtuosin und Quartettgründerin Marie Sol- terricht. „Die schönsten Stunden meiner frühen Jugend dat-Roeger selbst spielte, oder Violin- und Violoncelloso- waren es, wenn ich abends in meines Vaters Buchhand- naten mit Klavier sowie verschiedene Trios, Quintette lung nach vollbrachtem Tagewerk mir den Inhalt herr- oder Oktette. Wenn nötig wurden Kollegen dazugebeten lichster Bücher nach Herzenslust zuführen konnte. Es wie z. B. der damalige Wiener Hofkapellmeister Bruno war freilich ein wahlloses und wenig zweck- und zeitge- Walter (Klavier) oder der Cellist des Berliner Joachim- mäßes Lesen, das sich von Belletristik und Romanen Quartetts, Robert Hausmann, sowie der Klarinettist und dann auf alle möglichen wissenschaftlichen Schriften Kammervirtuose des Meininger Orchesters Richard stürzte, aus denen ich ohne Anleitung und feste Grundla- Mühlfeld. Letzterer konzertierte regelmäßig mit den gen doch nicht viel Förderndes und Dauerndes zog. Erst Frauen. Zum Repertoire dieses Ensembles gehörte z. B. spät kam durch eine höchste Führung Ordnung, Zusam- das Klarinettenquintett B-Dur von Carl Maria von Weber menhang und Fruchtbarkeit in mein gesamtes geistiges oder - am häufigsten gespielt - das Klarinettenquintett h- Aufnehmen“ (ebd., S. 9). moll, op. 115 von Johannes Brahms. 1910 bis 1912 ließ Am 27. Dezember 1875, noch nicht siebzehn Jahre alt, Natalie Bauer-Lechner drei sogenannte Viola-Konzerte heiratete sie den im Jahr zuvor verwitweten Professor mit verschiedenen Besetzungen im kleinen Saal des Kon- für chemische Technologie an der Technischen Hoch- zertvereins Wien ankündigen. Das Programm ist bisher schule Wien und späteren Hofrat Dr. Alexander Bauer nicht bekannt (Ankündigungen s. unter Materialsamm- (1836 bis 12. April 1921), der drei minderjährige Töchter lung). (elf, acht und ein Jahr alt) mit in die Ehe brachte. Zehn Zwar unterlagen die Konzertprogramme ständiger Verän- Jahre später, am 19. Juni 1885, wurde die Ehe in beider- derung und Erweiterung, beschränkten sich jedoch an- seitigem Einverständnis geschieden (vgl. das Schreiben fangs auf erprobte und bekannte Werke. 1897 wurde der Technischen Hochschule Wien in Sachen Professor zum ersten Mal ein Werk eines zeitgenössischen Kompo- Hofrat Dr. Bauer, Ruhestand, an das k.k. Ministerium nisten aufgeführt: das Klavierquartett C-Dur op. 6 von für Kultus und Unterricht Wien, dokumentiert in Her- Joseph Labor. Ab 1903 nahmen die Frauen zunehmend bert Killian (Hg.). Gustav Mahler in den Erinnerungen zeitgenössische Werke ins Programm, darunter auch von Natalie Bauer-Lechner. Hamburg, 1984, S. 209; das 1888 die Uraufführung eines Streichquartetts von Sylvio hier genannte Scheidungsjahr 1892 ist lt. Killian falsch). Lazzari (1857-1944). Man muss bei der Programmbe- Von nun an bis zu ihrem Tod war Natalie Bauer-Lechner trachtung berücksichtigen, dass die Musikerinnen - zu- als Bratschistin und Violinpädagogin in Wien tätig. Von mindest galt dies für Marie Soldat-Roeger und Natalie 1895 bis 1913 spielte sie Bratsche im Damen-Streichquar- Bauer-Lechner - mit dem Quartettspiel ihren Lebensun- tett von Marie Soldat-Roeger (1. Violine), zusammen mit terhalt sichern mussten, während viele ihrer männlichen Elly Finger-Bailetti (2. Violine, ab 1898 Elsa von Plank) Kollegen gleichzeitig Mitglieder der Wiener Orchester – 2 – Bauer-Lechner, Natalie oder Professoren für Musik an den Akademien waren, si- wie Geschwister zusammen gelebt. Und dieses Gefühl chere Berufe und Erwerbsmöglichkeiten also, die den war vielleicht umso sicherer, als es nicht erleuchtet, aber Frauen nicht offen standen. auch nicht überglüht und geblendet von Leidenschaft Im Studienjahr 1919/20 war Natalie Bauer-Lechner als war (Natalie Bauer-Lechner, zit. nach Killian 1984, S. Hilfslehrerin für Violine am Salzburger Mozarteum ange- 22). In der Mahler-Literatur wird Natalie Bauer-Lechner stellt (Brenner, Kubik 2014, S. 18). jedoch oft nicht nur aus den langen Listen der Freunde und Korrespondenten Mahlers ausgespart (vgl. z. B. Con- Schon im Konservatorium hatte Natalie Bauer-Lechner stantin Floros. Gustav Mahler. Visionär und Despot. Por- den zwei Jahre jüngeren Kommilitonen Gustav Mahler trait einer Persönlichkeit, Zürich: Arche Verlag, 1998, S. kennen gelernt, der als Musiker einen „unauslöschlichen 20/21), sondern ihre Beziehung zu Mahler wird auch ab- Eindruck“ auf sie gemacht hatte (Natalie Bauer-Lechner, wertend auf die Karikatur unerwiderter Liebe reduziert. zit. nach Killian 1984, S. 17). Ende der 1880er Jahre be- Ursache hierfür ist vermutlich zum einen die Darstellung gegneten die beiden Musiker sich in Wien erneut. Die Alma Mahler-Werfels in ihren 1940 erstmals erschiene-