FRAUEN IM PARLAMENT Nationalrat Und Bundesrat
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, [die] FRAUEN IM PARLAMENT nationalrat und bundesrat 1919–1934 1945–2019 Parlamentsdirektion (Hg.) INHALT Vorworte Wolfgang Sobotka 6 Doris Bures 7 Anneliese Kitzmüller 8 Barbara Krenn 9 Gabriele Heinisch-Hosek 10 Carmen Schimanek 11 Claudia Gamon 12 Stephanie Cox 13 ..., [die Erste] [Vorworte Die Vorreiterinnen 14 Anna Boschek 16 Hildegard Burjan 17 Emmy Freundlich 18 Adelheid Popp 19 Gabriele Proft 20 Therese Schlesinger 21 Amalie Seide 22 Maria Tusch 23 Lotte Furreg 24 Olga Rudel-Zeynek 25 Grete Rehor 26 Franziska Fast 27 Marga Hubinek 28 Freda Meissner-Blau 29 Heide Schmidt 30 Susanne Riess-Passer 31 Benita Ferrero-Waldner 32 Barbara Prammer 33 Margit Kraker 34 ..., [die] Frauen im Parlament 36 Register 119 Bildnachweis 124 Impressum 127 − 4 − − 5 − Wolfgang Sobotka Doris Bures Präsident des Nationalrates Zweite Präsidentin des Nationalrates In diesem Jahr soll der Schwerpunkt auf das Die Doyenne der österreichischen Zeitgeschichte, 100-jährige Jubiläum des Wahlrechts für Frau- Gerda Lerner, sagte: en gelegt werden. Das allgemeine, gleiche, freihe, „Ohne eigene Geschichte ist uns Frauen die direkte, geheime und persönliche Wahlrecht für Möglichkeit eines historischen Selbstbewusstseins Frauen und Männer gleichermaßen ist der Beginn abgeschnitten. Jede Frau ändert sich, wenn sie er- der Möglichkeit zu demokratischer Partizipation kennt, dass sie eine Geschichte hat.“ in unserem Land. Es ist der Start für einen Prozess 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahl- mit vielen Brüchen und Diskontinuitäten, der bis rechts in Österreich und des Einzugs der ersten acht heute andauert. Diese wechselvolle Entwicklung Frauen ins Parlament wissen wir heute, im Jahr 2019: ist eng verbunden mit Protagonistinnen aus ver- wir haben eine Geschichte, eine Geschichte, auf die schiedenen politischen Lagern wie Adelheid Popp, wir stolz sein können und die uns stark macht. Hildegard Burjan, Maria Tusch, Therese Schlesin- Vieles konnte durch mutige und entschlossene ger oder Amalie Seidel, um nur einige zu nennen. Frauen in der Vergangenheit erreicht werden, vieles Diese ersten weiblichen Abgeordneten dürfen nicht ist noch zu tun. Die 100 Jahre seit dem erfolgrei- in Vergessenheit geraten, sondern sollen uns auch chen Kampf um das Frauenwahlrecht zeigen näm- heute noch als Vorbilder dienen – gerade dann, lich auch, dass unsere Geschichte keineswegs einen wenn Fragen der Weiterentwicklung von Demokra- kontinuierlichen Verlauf in Form eines stetigen tie und Parlamentarismus in unserer Gesellschaft Aufwärtstrends genommen hat. Phasen des Fort- betroffen sind. schritts folgten Phasen des massiven Rückschritts Die Rechte von Frauen sind nicht einfach gege- während des dunkelsten Kapitels unserer Geschich- ben, sie müssen auch heute noch stetig weiterentwi- te, gefolgt von Stillstand, ehe es in den siebziger bis Ein Tag für Demokratie ckelt werden. Es liegt daher in der Verantwortung neunziger Jahren zu großen Reformen im Familien- der Politik in unserem Land, Frauen zu stärken und recht, Strafrecht und im Gewaltschutz kam. Nach und Parlamentarismus zu motivieren, sich in der Politik und auch anderen dem Vorbild der Pionierinnen ist es daher erforder- in Österreich Bereichen des öffentlichen Lebens zu engagieren lich, täglich aufs Neue dafür zu kämpfen, dass Frau- und gestalterisch zu wirken. en ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben So selbstverständlich Gleichberechtigung heu- führen können. Der 4. März ist in zweifacher Hinsicht ein Tag des te für uns ist und so sehr sie in vielen Bereichen Dazu braucht es insbesondere auch eine star- Parlamentarismus und der Demokratie in Österreich. gelebt wird, so müssen wir uns doch bewusst sein, ke Vertretung im Parlament. Und wer ist berufener, An diesem Tag treffen die Konstituierung der dass Fragen der Gleichberechtigung – insbesondere sich in Frauenfragen zu engagieren, wenn nicht wir Nationalversammlung 1919 unter Beteiligung der zwischen den Geschlechtern – sich immer wieder Frauen selbst? Mit 37 % weiblicher Abgeordneter ersten weiblichen Abgeordneten und die Ausschal- stellen. Dieses Thema kann nicht als abgeschlossen haben wir zwar aktuell den historisch höchsten tung des Parlaments 1933 zusammen. betrachtet werden. Das lehren uns die Vorreiterin- Frauenanteil, doch dies ist nicht genug. Das Parla- Der 4. März ist daher für mich ein Tag des Par- nen der vergangenen 100 Jahre und, ihrem Erbe ment soll die Gesellschaft widerspiegeln, so dass lamentarismus in Österreich. Ein Tag, der sowohl verpflichtet, ist es für mich eine Selbstverständlich- eine dem Bevölkerungsanteil von Frauen adäquate den Beginn als auch das Ende des demokratischen keit, mich als Politiker in meiner Arbeit stets für Repräsentation dort essenziell ist, wo wichtige Ent- Österreichs markiert. die Gleichberechtigung von Frauen einzusetzen. scheidungen für unser Land getroffen werden. Und so wünsche ich mir im Sinne des Zitats von Gerda Lerner, dass wir die Geschichte der Frau- en in Österreich, der Frauen im Parlament selbstbe- wusst weiterentwickeln und fortschreiben! − 6 − − 7 − Anneliese Kitzmüller Barbara Krenn Dritte Präsidentin des Nationalrates Abgeordnete zum Nationalrat (ÖVP) 1918 war das Jahr der Veränderungen. Das Ende des Zum ersten Mal durften Frauen am 16. Februar 1919 Ersten Weltkrieges und der Zerfall der Monarchie bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalver- brachten mit der Gründung der Republik auch das sammlung wählen und auch gewählt werden. Dies lang ersehnte Frauenwahlrecht. war das Ergebnis eines langjährigen Engagements Die Einführung des allgemeinen und gleichen der österreichischen Frauenbewegung. Die Mög- Wahlrechts für Frauen vor 100 Jahren war das lichkeit wählen zu gehen, ohne Unterschied des Ge- Ende einer Entwicklung, die in Österreich bis in schlechtes, wurde am 4. März von Erfolg gekrönt. das Jahr der bürgerlichen Revolution von 1848 zu- An diesem Tag zogen erstmals insgesamt acht Frau- rückreichte. Endlich war es Frauen möglich, poli- en in den Nationalrat ein, was einem Frauenanteil tisch zu partizipieren und die Rechte in Anspruch von knapp 5 % entsprach. Dass jede Stimme zählte, zu nehmen, die Männern in vollem Umfang 1907 dass jede Stimme gleich viel wert war, das ist 100 zugestanden worden waren. Jahre später schon fast zur Selbstverständlich- Mit der Wahlrechtsreform von 1918 wurde je- keit geworden. Obwohl 52 % der österreichischen doch nicht nur Frauen das Wahlrecht zugestanden, es Bevölkerung Frauen sind, sind heute noch immer wurde auch das Wahlalter von der geltenden Groß- lediglich 68 Frauen (37 %) im Nationalrat vertreten. jährigkeit von 24 Jahren auf 20 Jahre herabgesetzt, In den vergangenen Tagen feierten wir 100 Jah- wodurch es einer noch größeren Zahl von Personen re Frauenwahlrecht, was eine wahrhaft demokrati- möglich wurde, das politische Geschehen aktiv mit- sche Errungenschaft und einen wichtigen Schritt zugestalten. Zugleich wurde auch Männern wie Frau- zur Gleichberechtigung darstellt. Es ist wichtig, en das passive Wahlrecht – also das Recht gewählt zu dass der Nationalrat unsere gesamte Gesellschaft werden – ab dem 29. Lebensjahr zugestanden. abbildet – im besten Fall eine Gesellschaft reprä- Dieses Mitgestaltungsrecht konnte am 16. Feb- sentiert, in der Frauen und Männer gleichberech- ruar 1919 erstmals in Anspruch genommen werden. tigt leben, wo Frauen und Männer ihre Potenziale Bei einer sehr hohen Wahlbeteiligung, bei Frauen einbringen und Gerechtigkeit unter den Geschlech- lag sie bei 82,10 %, bei Männer bei 86,97 %, konnten tern herrscht. auch die ersten acht weiblichen Abgeordneten in Diese Aufgaben sind entsprechend zu würdi- den Nationalrat einziehen. gen – ob in der Chefetage, in der Kindererziehung 2019 sitzen nun 68 weibliche Abgeordnete im oder am Arbeitsplatz. österreichischen Nationalrat und bestimmen die Ich möchte an alle Frauen appellieren, sich politischen Geschicke unseres Landes mit, denn mehr zuzutrauen, „ja“ zu sagen bei neuen Heraus- auch heute noch beruht unsere starke Demokratie forderungen und vor allem sich auftuende Chancen auf dem Fundament, das vor 100 Jahren geschaffen zu ergreifen. Engagierte und mutige Frauen, die für wurde, und lebt von der Mitwirkung aller. gleiche Rechte kämpfen, schaffen eine Basis für die Zukunft und ein Fundament, auf dem der gemein- same Einsatz für echte Gleichberechtigung und gleiche Chancen weitergeführt wird. − 8 − − 9 − Gabriele Heinisch-Hosek Carmen Schimanek Abgeordnete zum Nationalrat (SPÖ) Abgeordnete zum Nationalrat (FPÖ) 100 Jahre nachdem sich Frauen das Wahlrecht er- Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges und der kämpft haben, sind viele Versprechen noch unein- Ausrufung der Republik wurde das allgemeine und gelöst. Aber blicken wir kurz zurück: Kein Wahl- gleiche Wahlrecht 1918 in Österreich eingeführt. recht bedeutete kein Mitspracherecht. Europaweit ist dies eine der frühesten Entscheidun- Ausgenommen waren wenige vermögende gen für eine liberale Politikführung. Das Frauen- Frauen, die durch einen „bezahlten“ Stellvertreter wahlrecht ist nicht nur eine Folge der politischen bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihre Stim- Umbrüche und Änderungen, die zu jener Zeit statt- me abgeben konnten (Zensuswahlrecht). Die Mehr- fanden, sondern auch das Resultat eines lang an- heit der Frauen, vor allem die Arbeiterinnen, konn- dauernden Kampfes von sich aufopfernden Frauen ten zwar politisch denken und sich in Vereinen um gesellschaftliche Partizipationsrechte. politisch organisieren, zu wählen war ihnen aber Mit über 80 % Wahlbeteiligung bestimmten verboten. Das ist das Unvorstellbare. Frauen