Mönche im Labor - Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den Neurowissenschaften Eine kulturhermeneutisch-diskursanalytische Betrachtung globaler Wechselwirkungen zwischen tibetischem Buddhismus und kognitiven Neurowissenschaften ausgehend vom Mind and Life Institute

Dissertation der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. phil.

vorgelegt von Christine Lehr Als Dissertation genehmigt von der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Tag der mündlichen Prüfung: 2. Juli 2020

Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Thomas Demmelhuber

Gutachter: Prof. Dr. Andreas Nehring Prof. Dr. Dr. Philipp Balsiger C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Inhaltsverzeichnis

1 Orientierung...... 6

1.1 Einleitung...... 6 1.1.1 Der Boom der Neurowissenschaften und das Lachen der Mönche...... 6 1.1.2 Skizze und Methodik der Arbeit...... 10

1.2 Forschungsstand...... 13 1.2.1 Überblick über die verschiedenen Forschungsgebiete das Thema der Dissertation betreffend...... 13 1.2.2 Buddhist Studies seit 1960: Das Thema 'Buddhismus' im Westen in nordamerikanisch akademischer Perspektive...... 14 1.2.3 Zur zahlenmäßigen Explosion medizinischer und neurowissenschaftlicher Forschungsliteratur zu buddhistischer Meditation ab 1970...... 16

2 Räume der Grenzüberschreitung zwischen Eigenem und Fremdem...... 18

2.1 Historische Entstehungsbedingungen des Mind and Life Institute...... 18

2.2 Semantiken des Dialogs...... 29 2.2.1 „Du musst dein Leben ändern“: Zur Voraussetzung von Selbstheilung und Selbstkontrolle...... 29 2.2.2 Heilsversprechen auf neurowissenschaftlich: Wirkweise von Meditation auf spezifische Hirnregionen...... 33 2.2.3 Plädoyer für ein Weltbürgertum des 21. Jahrhunderts...... 35

1 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

3 Analytische Längsschnitte der Rezeption...... 40

3.1 Achtsamkeit und Wissenschaft – Erfahrung als 'hard problem'...... 40 3.1.1 Zur Kritik an den Deutungsansprüchen der Hirnforschung aus unterschiedlichen Lagern...... 41 3.1.1.1 Medizinischer Pragmatismus als versöhnliche Position: Peter Janich. 41 3.1.1.2 Die Ironie der toten Lachse – Felix Hasler zur „Neuromythologie“....43 3.1.1.3 „Critical Neuroscience“ - Auf der Suche nach kreativen Paradigmen.45 3.1.1.4 Mereologische Trugschlüsse – Maxwell Bennett und Peter Hacker...51

3.1.2 Bezüge zur neurowissenschaftlichen Meditations-Forschung...... 52 3.1.2.1 Das Gehirn betrachtet sich selbst – Wolf Singer und das „epistemologische Caveat“...... 52 3.1.2.2 „Neuro-Ehrfurcht oder die bildgebenden Verfahren kognitiver Neurowissenschaften...... 58 3.1.2.3 Emergenz und die fünf Aggregate...... 67 3.1.2.4 Compassion und „prosoziales“ Verhalten - Das Zurich Prosocial Game ...... 93 3.1.3 Zum neurowissenschaftlichen Begriff von Erfahrung...... 95

3.2 Achtsamkeit und Wirtschaft – Von Wahrnehmung und Werten...... 97 3.2.1 Einleitung zum Kapitel 'Achtsamkeit und Wirtschaft'...... 97 3.2.2 Emotionale Intelligenz: Ein zweifach dualistisches Achtsamkeits- Dispositiv nach Daniel Goleman...... 99 3.2.2.1 Essentialistische Repräsentation meditativer Bewusstseinszustände.....102 3.2.2.2 Achtsamkeit, Selbst-Bewusstsein und emotionale Intelligenz ...... 106 3.2.2.3 Meditation in ihren diskursiven Auswirkungen auf gesundheitliches Wohlbefinden...... 107 3.2.3 Gegenwärtige Ansätze: Meditationsbedingte Erfolgsfaktoren zwischen

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gesteigerter Effektivität und Produktivitätsausfall...... 112 3.2.3.1 Erfolgs- und Wirkfaktoren achtsamkeitsbasierter Programme in Unternehmen...... 112 3.2.3.2 Drei verschiedene Tore von Achtsamkeit in die Arbeitswelt...... 118 3.2.3.3 Google's Search Inside Yourself Programm...... 120 3.2.3.4 Ausblick: Zur Ideologisierung von Achtsamkeit in 'Corporate Mindfulness' und 'Stealth Buddhism'...... 124

3.3 Achtsamkeit und Psychologie – Bewusstsein als Optimierungsvehikel...... 127 3.3.1 Zwischen enlightenment und happiness: Historische und konzeptuelle Kongruenz und Differenz in Buddhismus und Psychologie...... 127 3.3.2 Duale und nicht-duale Konzepte von Achtsamkeit: MBSR und MBCT...142 3.3.3 Achtsamkeit messen – Begriffsnebel psychologischer Datenerhebung....148 3.3.4 Die dunkle Seite der Achtsamkeit: Dark Night Phänomene und ihre institutionalisierte Antwort...... 156 3.3.5 Zu Übersetzungsverhältnissen von Achtsamkeit in sogenannte westliche Psychologie...... 169

4 Zusammenfassung der Thesen der Dissertation...... 172

4.1 Zusammenfassung des diskurs-analytischen Hauptteils (Grenzüberschreitungen zwischen Eigenem und Fremdem)...... 172

4.2 Zusammenfassung des systematisch-kulturanalytischen Hauptteils (Analytische Längsschnitte der Rezeption)...... 173

4.3 Ausblick...... 174

3 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Anhang...... 176

Überblick über die Veranstaltungen und Publikationen des Mind and Life Institute (1987 – 2018)...... 177 Literaturverzeichnis...... 185 Verzeichnis zitierter Webseiten...... 210 Abbildungsverzeichnis...... 214

4 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

5 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

1 Orientierung

1.1 Einleitung

1.1.1 Der Boom der Neurowissenschaften und das Lachen der Mönche

Richard J. Davidson, einer der führenden Neurowissenschaftler auf dem Gebiet der Erforschung von Meditation und seit 1990 in die Aktivitäten des Mind and Life Instituts involviert1, hielt am 23. September 2009 im Rahmen von Google Tech Talks einen Vortrag mit dem Titel „Transform Your Mind, Change Your Brain: Neuroplasticity and Personal Tranformation“. Davidsons Ausführungen darin, insbesondere in Form einer Anekdote, bieten einen geeigneten Ausgangspunkt für eine Einführung in den vorliegenden Problemkreis, der im Dialog zwischen tibetischem Buddhismus und sog. westlicher Wissenschaft im weitesten Sinn fundiert und durch einen populären Achtsamkeitsdiskurs am Mind and Life Institute und in dessen Umkreis in einem engeren Sinn begrenzt ist.

„One of the early visits that we made to Dharamsala, India, to be with His Holiness was a visit where he asked us if we would give a talk to young monks in the Namgyal monastery, the monastery connected to his residence. And this was a time when Francisco Varela was alive. Francisco was a very eminent neurobiologist who was one of the co- founders of the 'Mind and Life Institute' and who developed the idea

1 Das Mind and Life Institute wurde 1987 gegründet. Davidson nahm an der dritten Mind and Life Konferenz 1990 selbst nicht teil, seine Forschungsergebnisse wurden von dem Neurowissenschaftler Clifford D. Saron auf dieser Konferenz präsentiert. Saron untersuchte seit den frühen 1990er Jahren zusammen mit Jose Cabezón, Davidson, Francisco Varela, Alan Wallace und anderen verschiedene Formen des tibetisch-buddhistischen Bewusstseinstrainings. Davidson nahm nach dem Tod von Francisco Varela, einem der Mit-Gründer des Mind and Life Institutes, 2001 dessen Platz als Vorstand innerhalb des Verwaltungsrates des Mind and Life Institutes ein.

6 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

and hybrid discipline that he called neuro-phenomenology, which I'll talk about in a little while, but Francisco was on this visit and we gave this talk to these young monks in the Namgyal monastery, there were about two hundred monks in the audience, all sitting dutifully on cushions on the floor. And we had instrumentation with us on that visit and we thought that, instead of just giving a dry academic lecture, we'd actually show them how this stuff is done. And so we put electrodes on Francisco and we had a laptop and we were showing him, we were showing the monks the display of brain oscillations, brainelectrical activity, on the laptop that we can record from the person's head. And when we explained, we put the cap on to measure the brain activity and showed them on the laptop – as soon as we did this, all two hundred monks just burst out laughing, just cracking up hysterically. And we thought that they were laughing, because Francisco looked kind of funny with the electrode cap on. It turns out that they were laughing at where we're placing our electrodes. They were, they thought it was hysterical that we thought that the key to compassion was the head as opposed to the heart.“2

Eine religionswissenschaftliche Perspektive auf das als überschwenglich geschilderte Lachen der Mönche kann die kulturelle Differenz der Teilnehmer dieser anekdotischen Szene erhellen. „Allgemein sagt man, dass der Hauptsitz des Bewusstseins das Herz ist. Damit ist nicht das pumpende Organ gemeint, sondern ein Zentrum von Energiekanälen, ein Nervenzentrum, das sich in Höhe des Herzens befindet. In den tantrischen Texten wird beschrieben, dass sich die Nervenzentren in der Mitte des Körpers befinden, aber diese Beschreibungen sind teilweise vereinfachte Darstellungen,

2 http://www.youtube.com/watch?v=7tRdDqXgsJ0 [Video-Transkription min. 21:55 – 23:53, Stand: 26.12.2012].

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die der Meditation dienen; sie müssen nicht unbedingt mit den tatsächlichen Orten übereinstimmen.“3 Aus diesen Ausführungen des Dalai Lama zur Lokalisierung des menschlichen Bewusstseins wird klar, wie verschieden die Annahmen zum Sitz des Bewusstseins sind. Neurowissenschaftler, die Elektroden an der Kopfhaut befestigen, um elektrische Aktivität in bestimmten Hirnregionen sichtbar zu machen, müssen den Mönchen vor diesem Hintergrund tatsächlich inadäquat vorgekommen sein.

Abbildung 1: Matthieu Ricard bei einer Elektroenzophalografie (EEG) im Labor der University of Wisconsin-Madison im Juni 2008

Meditation auf dem Prüfstand - Matthieu Ricard, buddhistischer Mönch und promovierter Molekularbiologe, trägt ein 128-Kanal umfassendes, geodätisches Sensornetz am Kopf. An diesem 5. Juni im Jahr 2008 sitzt er im Waisman Center der University of Wisconsin-Madison und bereitet sich auf eine Elektroenzophalografie vor, die seine Gehirnwellen während verschiedener Formen von Meditation, in diesem Fall der sog. Mitgefühls- oder Metta-Meditation, misst. Ricard ist ein Langzeit-Teilnehmer einer von Davidson geleiteten Studie. So oder so ähnlich sah vermutlich Francisco

3 Dalai Lama (1991): Einführung in den Buddhismus. Die Harvard-Vorlesungen, 25. Auflage 2015, Freiburg im Breisgau: Herder, S. 94 f.

8 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Varela in den frühen achtziger Jahren in Dharamsala aus, das Gelächter der Mönche im Hintergrund. Buddhistische Meditation in ihrer Ausführung, ihren impliziten Handlungsanweisungen, ihren Wirkweisen steht auf dem neurowissenschaftlichen Prüfstand.

Die vergangenen 25 Jahre haben auf diese Weise eine neue Dimension zum Diskurs von Buddhismus und Wissenschaft hinzugefügt,4 das empirische Element des Experiments. Die 1. Person Erfahrung wird innerhalb der kognitiven Neurowissenschaften durch neuere, bildgebende Verfahren, wie MRT, fMR und Kernspintomographie in sog. neuro images sichtbar gemacht. Eine der Fragen für die vorliegende Arbeit lautet demnach, welcher Erfahrungsbegriff angelegt wird, unter welchen naturwissenschaftlichen, objektiven Prämissen, eine derartige, subjektive Erfahrung einzuholen versucht wird.

Eine für den populären Achtsamkeitsdiskurs maßgebende kulturelle Differenzierung geht sicherlich von der Annahme, die den Diskurs wie einen roten Faden durchzieht – die Annahme, dass Meditation „funktioniert“ - aus. In Bezug auf welches Ziel, zu welchem Zweck wird meditiert? Und obwohl durch verschiedene buddhistische Traditionen hindurch Achtsamkeit als zu unterschiedlichen Zwecken dienlich gedacht wird, unterscheidet sich doch eine westliche von einer genuin buddhistischen Perspektive dadurch, dass Achtsamkeitsmeditation im buddhistischen Kontext nicht zur Selbsthilfe, oder -optimierung, sondern zur Erreichung einer völlig neuen Haltung gegenüber der Welt praktiziert wird.

Meditationsanweisungen werden aus dem monastischen Bereich nur sehr selten an Laien weitergegeben, um ein tugendhaftes, glückliches Leben zu führen, vielmehr erhalten diejenigen Suchenden Meditationsanweisungen, deren Bestreben sich auf einen

4 Vgl. Lopez, Donald S. Jr. (2008): Buddhism & Science. A Guide for the Perplexed, London/: The University of Chicago Press, S. 207.

9 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

spirituellen Bereich richtet, nicht auf eine weltliche Wellness- und Happiness-Sphäre. Der Terminus „buddhistische Meditation“ ist es, der gegenwärtig im Fokus des neurowissenschaftlichen Interesses steht. Hierbei gilt es auch zu fragen, was genau unter „buddhistischer Meditation“ in der jeweiligen empirischen Forschungsperspektive verstanden wird. Schliesslich unterscheiden sich beispielsweise Formen der Zen- Meditation von Vipassana-Meditation, oder tantrischer Meditation, die der Dalai Lama selbst täglich praktiziert.

Auf einen erhellenden Zusammenhang verweist der Religionswissenschaftler Donald S. Lopez „However, it can be argued that it is not meditation that produced doctrine but doctrine that produces meditation.“5 Nicht Meditation bedingt ihr Lehrgebäude, sondern umgekehrt, ein bereits bestehendes Gedankengebäude profiliert erst die entsprechenden Ausformungen von Meditation.

1.1.2 Skizze und Methodik der Arbeit

Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden zwei den Diskurs bestimmende Blickwinkel auf Achtsamkeitsmeditation beleuchtet – die sog. „buddhistische Meditation“ in ihren Diskurssemantiken (ihrer Doktrin) und die gegenwärtige (Neuro-)Wissenschaft von ihr. Bezogen auf die Struktur der Arbeit bedeutet dies, dass ein erster historisch-kulturvergleichender Teil zunächst die Rezeptionslinien des tibetisch-buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den Blick nimmt, so auch die historischen Entstehungsbedingungen des Mind and Life Institute.

Der diskursanalytische, zweite Teil widmet sich Räumen der Grenzüberschreitung zwischen Eigenem und Fremdem. Dafür werden Publikationen, die am und um das Mind and Life Institute entstanden sind, analysiert, um Semantiken dieses Diskurses

5 Lopez 2008, S. 210.

10 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

herauszuarbeiten. Darunter der Diskurs der Selbstfürsorge, der sich im Rahmen von Achtsamkeitsmeditation aus Konzepten der Selbstheilung und Selbstkontrolle speist. Darüberhinaus wurde 2009 ein Plädoyer für ein sog. Weltbürgertum des 21. Jahrhunderts aus einem Treffen des Mind and Life Institute laut, das einer diskursanalytischen Betrachtung unterzogen wird, um Intentionen und Diskursdynamik herauszuarbeiten.

Ein systematisch-kulturanalytischer, dritter Teil widmet sich dem Achtsamkeitskonzept im Spiegel seiner Rezeptionskontexte, d. h. die Bereiche Wissenschaft, Ökonomie und Psychologie spielen dabei die tragende Rolle. Neurowissenschaftliche Terminologie wird durch diese Bereiche dekliniert. Drei bzw. vier Begriffe werden für diesen Part als zentral grundgelegt – Erfahrung, Wahrnehmung und Werte, sowie Bewusstsein. D. h. Erfahrung als „hard problem“ thematisiert mündet in eine Analyse der Kritik insbesondere an den (sprachlich formulierten) Deutungsansprüchen der Hirnforschung. Daraus ergeben sich einige, mit Beispielen belegte Bezüge zur gegenwärtigen, neurowissenschaftlichen Meditationsforschung. Die Beispiele stammen teilweise von einem, von der Autorin besuchten Symposium in des Mind and Life Europe. Der neurowissenschaftliche Begriff der Erfahrung lässt sich daraus bzw. dekonstruieren. Danach, welche Rolle Achtsamkeit in der Wirtschaft spielt, fragt ein weiteres Kapitel dieses dritten Teils. Emotionale Intelligenz ist dabei das Stichwort, von dem diese Analyse ausgeht. Dieses Konzept ist im populären Achtsamkeitsdiskurs eng mit dem Begriff meditativer Selbstoptimierung verzahnt.

Schliesslich ist (menschliches) Bewusstsein derjenige Bereich, der für kognitive Neurowissenschaftler von besonderem Interesse ist. Spätestens seit das MBSR (mindfulness based stress reduction) Programm auch im deutschsprachigen Raum teilweise von den Krankenkassen bezuschusst wird, wird der wachsende Bereich, den Achtsamkeitsmeditation im psychologisch-therapeutischen, auch im klinischen Raum einnimmt, für die vorliegende Arbeit relevant. Es wird die diesbezügliche historische

11 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

und konzeptuelle Kongruenz und Differenz in Buddhismus und Psychologie untersucht. Wie unterscheiden sich die Ansätze einer mehr als zweitausend Jahre alten Religion von der einer an die hundert Jahre alten wissenschaftlichen Disziplin, wie der Psychologie. Welche Rolle spielt Dualität in der Konzeption von Achtsamkeit in gegenwärtigen therapeutischen Angeboten wie MBSR und MBCT (mindfulness based cognitive therapy), d. h. sind es duale oder nicht-duale Konzepte von Achtsamkeit, die dabei zu tragen kommen, und inwiefern ist das diskursrelevant. Achtsamkeit wird zudem im psychologischen Bereich mit Hilfe von Fragebögen untersucht, Daten von Praktizierenden werden mittels solcher Fragebögen erhoben. Ein prominenter Fragebogen wird genauerer Untersuchung unterzogen. Dark Night Phänomene werden ebenfalls thematisiert, da sie denjenigen Bereich des populären Diskurses umschreiben, innerhalb dessen Meditation pathologische Konsequenzen zeitigt, es geht um Meditierende, die nach ihrer Praxis eine gewisse Psychopathologie aufweisen. Schliesslich wird nach Übersetzungsverhältnissen von Achtsamkeit in sog. westliche Psychologie gefragt.

Abschliessend werden Thesen der Dissertation gemäß der Hauptteile in einem vierten Teil zusammengefasst. Die Arbeit wird von einem Ausblick auf weitere, fruchtbare Forschungsfragen, und -felder abgeschlossen. Der Anhang beinhaltet neben Literatur- und Abbildungsverzeichnis, sowie einem Verzeichnis zitierter Internetquellen, einen Überblick über die Publikationen und Veranstaltungen des Mind and Life Institute von 1987 bis 2018.

12 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

1.2 Forschungsstand

1.2.1 Überblick über die verschiedenen Forschungsgebiete das Thema der Dissertation betreffend

Der Forschungsstand zum Rahmen des Themas der Rezeption des tibetisch- buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften, insbesondere im Hinblick auf das Mind and Life Institute, unterliegt historisch einer bemerkenswerten Wandlung. Erstens, der Themenbereich des Buddhismus im sog. Westen bildet den forschungstextuellen Rahmen der Dissertation. Eine dafür exemplarische Literaturliste einschliesslich deren Nutzenbewertung für die vorliegende Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gibt allerdings die genannte Wandlung des Forschungsstandes in wesentlichen Zügen wieder. Zweitens zeigt die Aufarbeitung der Forschungslage des tibetischen Buddhismus in den USA eine für die öffentlichen Wahrnehmung des tibetischen Buddhismus charakteristische Entwicklung. Drittens lässt sich ab den 1970er Jahren eine exponentielle Zunahme der Forschungsarbeiten aus den Bereichen Medizin und insbesondere kognitiven Neurowissenschaften zum Thema (Achtsamkeits-)Meditation ausmachen. Viertens mündet die Aufarbeitung der damit zusammenhängen Forschungsliteratur zum Thema Wissenschaft und Buddhismus in die historischen Entstehungsbedingungen des Mind and Life Institute.

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1.2.2 Buddhist Studies seit 1960: Das Thema 'Buddhismus im Westen in nordamerikanisch akademischer Perspektive

Im Jahr 1975 gab es nur sehr wenig umfängliche und wenn dann veraltete Literatur zum Thema des Buddhismus im sog. Westen und in den USA, wie der US-amerikanische Religionswissenschaftler Charles Prebish in seinem Rückblick auf die Entwicklung der entsprechenden Forschung ausführt.6 Buddhist Studies bzw. Buddhology, als akademische Subdisziplin der Religionswissenschaft, gab es in den USA zwar seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. So führte die University of Wisconsin-Madison, an der der führende Neurowissenschaftler und Mind and Life Institute Mitbegründer Richard Davidson seit 1984 lehrt, 1961 das erste Graduiertenprogramm für Buddhist Studies ein. Studien zum Thema des Buddhismus im sog. Westen gab es in diesen Jahren allerdings kaum.

Zu nennen sind Richard Robinsons „The Buddhist Religion“ und Edward Conzes „Essence and Development of Buddhism“, die als Textbücher für die wissenschaftliche Lehre in den 1980er Jahren herangezogen wurden, für deren Ausführungen der westliche Buddhismus jedoch eine sehr geringe Rolle spielt. Sangharakshita spart in seinem „A Survey of Buddhism“ dieses Gebiet der Buddhismusforschung gänzlich aus. Van Meter Ames' „Zen and American Thought“ von 1962 bezeichnet Prebish als sowohl veraltet als auch inhaltlich zu wenig ergiebig. In diese Kategorie fallen ebenfalls Christmas Humphreys' drei Monographien - „The Development of Buddhism in England“ (1937), „Zen Comes West: The Present and Future of Zen Buddhism in Britain“ (1960) und „Sixty Years of Buddhism in England“ (1968). Erst der Sammelband „Buddhism: A Modern Prespective“ aus dem Jahr 1975 wartet mit einer

6 Prebish, Charles S. (2002): Studying the Spread and Histories of Buddhism in the West. The Emergence of Western Buddhism as a New Subdiscipline within Buddhist Studies, in: Prebish / Baumann (Hg.): Westward Dharma. Buddhism beyond Asia, Berkeley: University of Press, S. 66-81.

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Auflistung buddhistischer Gruppen in den USA auf. Louise Hunters Aufsatz darin, „Buddhism in Hawaii“, liefert die erste umfänglichere Bibliographie bezüglich buddhistischer Landschaft im Westen.

In den folgenden Jahren ist es der Zeitraum zwischen 1986 und 1991, der kennzeichnend für den genannten Wandel des Forschungsstandes ist. Prebish führt zwei Ereignisse ins Feld, die ihn deutlich machen. Zum einen erschien 1991 im Journal of the American Academy of Religion eine Untersuchung mit dem Titel „Religious and Theological Studies in American Higher Education: A Pilot Study“. Der frühere Herausgeber Ray L. Hart berichtet in ungefähr einem Drittel der 112 Seiten von einem Fragebogen, der 678 Fakultätsmitgliedern verschiedener Institute zur Beantwortung ausgehändigt wurde, mit dem klaren Ergebnis der Wichtigkeit wissenschaftlicher Selbst-Wahrnehmung und -Definition innerhalb der breiten Disziplin der Religionswissenschaft. Zu m anderen schreibt Malcom David Eckel, Religionswissenschaftler der Boston University, 1991 in einer Studie für die American Academy of Religion, dass es zu den Verdiensten der AAR zähle, innerhalb der (ab 1991) vergangenen zehn Jahre ein sicheres und verlässliches Forum für Buddhismus Forscher und deren wissenschaftliche Gemeinschaft geschaffen zu haben. In den fünf Jahren von 1986 bis 1991 stieg die Anzahl der Teilnehmer der Buddhismus Sektion der jährlichen Treffen der AAR von 60 auf 140.

So lässt sich der akademische Aufmerksamkeitswandel als die rasche und zahlenmäßig signifikante Zunahme der Forschungs-Beiträge sowie die innerakademische Präsenz ab den 1980er Jahren charakterisieren. Und so ist es neben akademischen Publikationen sicherlich eine Kombination aus Fachjournalen, Konferenzen, und Seminaren und Forschungszusammenschlüssen an Universitäten, die dem Thema 'Buddhismus im Westen' damals wie heute gewidmet sind, die Kriterien für den Status der Buddhist Studies als wissenschaftliche Subdisziplin innerhalb der Religionswissenschaften

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bereitstellt.

Bis in das Jahr 2000 gab es schliesslich kein einziges wissenschaftliches Journal, das ausschliesslich der Erforschung westlichen Buddhismus' gewidmet gewesen wäre. Doch das änderte sich im selben Jahr, als das Journal of Global Buddhism online ging, das exklusiv Beiträge zum Thema Buddhismus im Westen veröffentlicht.

1.2.3 Zur zahlenmäßigen Explosion medizinischer und neurowissenschaftlicher Forschungsliteratur zu buddhistischer Meditation ab 1970

Die offizielle Gründung des Mind and Life Institute 1990, und der erste interkulturelle Dialog 1987 in Dharamsala, der den Grundstein für die offizielle Gründung setzte, mag durch das dadurch entstandene öffentliche Interesse auch ein regeres akademisches angestoßen haben. Zwischen 1970 und 2010 ist die englischsprachige Publikationsliste demnach im medizinischen und neurowissenschaftlichen Bereich exponentiell gewachsen. Entsprechende Publikationen mit dem englischen Begriff „Meditation“ im Abstract bzw. in den Keywords laut ISI Web of Knowledge Database7 nahmen zahlenmäßig in dem benannten Zeitraum zu.

In der Literatur des Mind and Life Institute und dessen Umkreises wird diese meist grafisch beeindruckende Darstellung gerne herangezogen, um einen Beweis für die Geschwindigkeit und den Umfang zu geben, mit der/dem Neurowissenschaften meditative Praktiken, hauptsächlich aus der buddhistischen Sphäre, erforschen. Der rapide Zuwachs an neurowissenschaftlicher Forschungsliteratur zu buddhistischer Meditation wird als eine Manifestation einer weit vernetzten, kollaborativen Forschung

7 https://www.webofknowledge.com

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gesehen.8 Folgendes steht dabei im Fokus: „the nature of our own minds, bodies, and brains“, auch die Frage „how they interact to influence health and disease, well-being and suffering, happiness and depression, and, ultimately, our basic humanity.“9

Im Zeitraum der Jahre von 1980 bis 2000 wurden jährlich im Durchschnitt ungefähr 20 Aufsätze zum Thema Achtsamkeit bzw. „mindfulness“ publiziert. Im Jahre 2005 lagen ungefähr 80 Schriften, 2010 schliesslich 360 Publikationen vor, was durchaus die Aktualität der gegenwärtigen Forschung zum Thema repräsentiert, allerdings noch kein Garant für deren Qualität und Wissenschaftlichkeit bedeutet.

8 Vgl. Kabat-Zinn, Jon / Davidson, Richard J. (Hg.) (2011): The Mind's Own Physician. A Scientific Dialogue with the Dalai Lama on the Healing Power of Meditation, Oakland/CA: New Harbinger Publications, S. 7 f. 9 Ebd.

17 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

2 Räume der Grenzüberschreitung zwischen Eigenem und Fremdem

2.1 Historische Entstehungsbedingungen des Mind and Life Institute (1987 – 2018)

Die sog. Mind and Life Dialoge wurden Anfang der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts von einem US-amerikanischen Geschäftsmann und einem chilenischen Biologen, Philosophen und Neurowissenschaftler ins Leben gerufen.10 In den Jahren 1983 bzw. 1984 hatten sowohl Adam Engle, als auch Francisco Varela, zunächst unabhängig voneinander, da sie einander noch nicht kannten, den initialen Gedanken, eine Reihe kulturübergreifender Treffen mit dem Dalai Lama und westlichen Wissenschaftlern zu organisieren. Diese Treffen sollten Raum für ausgiebige Diskussionen über sowohl Wissenschaft, als auch Buddhismus betreffende Themen über mehrere Tage bieten.

Motivation des 1942 im Bundesstatt New York geborenen und in Harvard ausgebildeten Juristen und Unternehmers Engle zu diesem Vorhaben speiste sich aus einer Einsicht Engles des Jahres 1983. Engle, der seit 1974 „Buddhist practitioner“ war, als den er sich selbst im Appendix zur Buch-Publikation des zwölften Mind and Life Dialogs bezeichnet,11 wurde in diesem Jahr gewahr, dass der Dalai Lama einerseits ein großes Interesse für westliche Wissenschaften pflegte, andererseits sein Verständnis östlicher, kontemplativer Ansichten mit westlichen Wissenschaftlern teilen wollte.

Der ab den frühen 1980er Jahren in Paris lebende Neurowissenschaftler Varela (1946-

10 https://www.mindandlife.org/mission [Stand: 01.11.2019]. 11 Begley, Sahron (2008): Train Your Mind, Change Your Brain. How a New Science Reveals Our Extraordinary Potential to Transform Ourselves, New York: Ballantine Books, S. 255.

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2001), der damals ebenfalls seit einigen Jahren mit buddhistischer Meditation vertraut war, trat 1983 auf der internationalen Konferenz 'Alpbach Symposia on Consciousness' in Tirol/Österreich als Redner auf. Und kam mit dem Dalai Lama in angeregte Diskussionen über den Zusammenhang biologischen und tibetisch-buddhistischen Verständnisses des menschlichen Gehirns und dessen Kapazitäten.

Ein Jahr später, 1984, traf Engle, gemeinsam mit dem Unternehmer Michael Sautman12, auf den jüngsten Bruder des Dalai Lama, Tendzin Choegyal (Ngari Rinpoche) in Los Angeles. Dieser trug die Idee der beiden Unternehmer an seinen Bruder weiter, der daraufhin binnen kurzer Zeit die Organisation entsprechender Treffen an die beiden übergab.

Es war die Anthropologin und US-amerikanische Zen Lehrerin Joan Halifax, die 1985 für die Namensgebung der Mind and Life Dialoge den Ausschlag gab. Als mit Varela befreundete Direktorin der Ojai Foundation hatte sie Kenntnis von Engles, Sautmans, Varelas gemeinsamer Idee, Treffen zum Thema Buddhismus und Wissenschaften zu initiieren. Sie schlug eine Zusammenarbeit vor, mit einem Fokus auf wissenschaftlichen Disziplinen, die mit Geist und Leben im weitesten Sinn zu tun hätten. Mind and Life wurde so nicht nur zum Titel für das erste Treffen im Jahr 1987, sondern auch für die gesamte Einrichtung.

12 Michael Sautman gründete seit den 1990er Jahren diverse Unternehmen in der Mongolei, China, Tibet und den USA, die mit Natur- und tierischen Produkten handeln, darunter Kaschmir, Seide, Kalemhaar. Mit einem Master in „Industrial Development“ ist Sautman gegenwärtig mit Produktionslizenzen für industrielle Cannabis-Produkte befasst. http://www.nutrawerx.com/team.html [Stand: 01.11.2019].

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Abbildung 2: Der Dalai Lama überreicht Adam Engle zeremoniell einen Schal (khatag) 1987 nach Abschluss des ersten Mind and Life Dialogs in Dharamsala / Indien

Der erste sog. Mind and Life Dialog fand im Jahre 1987 in Indien statt. Die Aufgaben von Engle und Varela im Vorfeld zu dieser Veranstaltung waren klar verteilt. Engle kümmerte sich um organisatorische Belange hinsichtlich Spendensammlung und der koordinativen Kommunikation mit dem Büro des Dalai Lama. Varela fungierte als wissenschaftlicher Koordinator, der zum einen Themen konkretisierte, entsprechende Wissenschaftler zu den jeweiligen Themen einlud, und zum anderen die Buch- Publikation, die 1992 zum ersten öffentlichen Treffen erschien, editorisch betreute.

1990 stellte sich das Mind and Life Institute als Non-Profit Vereinigung organisatorisch auf. Da es sich bewährte, die allgemeine Koordination von der wissenschaftlichen zu trennen, wurde Engle in diesem Jahr Vorsitzender des Mind and Life Institute. Varela betreute fast alle Dialoge bis zu seinem Tod im Jahr 2001 inhaltlich. Einige Erfahrung

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hatte Varela bereits an der Naropa University13 in Boulder/ bezüglich der Organisation kulturübergreifender Dialoge gesammelt. 1979 fand dort die historisch erste Konferenz ihrer Art zum Thema „Comparative Apporaches to Cognition: Western and Buddhist“ statt.14 Varela profilierte für diese Veranstaltung das wissenschaftliche Programm.

Diese Erfahrungen trugen für Varela dazu bei, dass Wissenschaftler nicht nur aufgrund ihrer wissenschaftlichen Repuation für die Mind and Life Dialoge eingeladen wurden, sondern auch aufgrund ihrer Offenheit für diese Form der Interdisziplinarität. „Some familiarity with Buddhism is helpful, but not essential, as long as a healthy respect for Eastern contemplative science is present.“15 Ein gesunder Respekt vor östlichen, kontemplativen Ansätzen befanden Engle und Varela demnach für die Voraussetzung, gemeinsam in Dialoge zu treten. Der Appendix der Buch-Publikation zum zweiten Mind and Life Dialog fasst vier (Teilnahme-)Voraussetzungen wie folgt zusammen: „choosing open-minded and competent scientists who ideally have some familiarity with Buddhism; creating fully participatory meetings where His Holiness is briefed on general scientific background from a nonpartisan perspective before discussion is opened; employing gifted translators like Dr. Thupten Jinpa, Dr. Alan Wallace, and Dr. José Cabezón, who are comfortable with scientific vocabulary in both Tibetan and English; and finally creating a private, protected space where relaxed and spontaneous discussion can proceed away from the Western media's watchful eye.“16

13 Diese Universität mit dem damaligen Namen Naropa Institute ist eine Einrichtung, die von dem tibetischen Meditationsmeister Chögyam Trungpa Rinpoche ins Leben gerufen wurde. 1979 erhielt sie von der Sloan Foundation, einer philanthropischen Non-Profit Organisation, Gelder, um die erste Konferenz zu bewerkstelligen. 14 Vgl. Begley 2008, S. 256 f. 15 Ebd., S. 257. 16 Houshmand, Zara / Livingston, Robert B. / Wallace, B. Allan (Hg.) (1999): Consciouness at the Crossroads. Conversations with the Dalai Lama on Brain Science and Buddhism, Ithaca/New York: Snow Lion Publications, S. 177.

21 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Um so wichtiger mag das Kriterium gegenseitigen Respekts sein, als sprachliche Barrieren auf den Mind and Life Treffen eine Herausforderung darstellten. Wie Engle berichtet, war es zunächst beinahe unmöglich, jemanden zu finden, der sowohl das Englische, als auch das Tibetische für wissenschaftliche Zwecke fliessend beherrschte. Thupten Jinpa, tibetischer Mönch mit einem Camebridge Ph. D. in Philosophie, war es, der seit den ersten Mind and Life Dialogen für simultane Übersetzungen sorgte. Auch Alan Wallace, der Physik studierte und einen Ph. D. in Religionswissenschaft der Universität Stanford innenhat, unterstützte ab dem ersten Mind and Life Dialog die Treffen übersetzerisch. Wenn Wallace nicht verfügbar war, sprang José Cabezón, Religionswissenschaftler der Universität Wisconsin mit Forschungsschwerpunkt tibetischer Buddhismus, ein.

Die Treffen sollten in einem geschützten Rahmen, fernab des sog. wachsamen Auges westlicher Medien stattfinden. Spätestens ab 1992 änderte sich diese Öffentlichkeits- scheue Haltung hin zu einer auch neue Medien nutzenden Strategie, die Treffen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. So standen die ersten drei Treffen, so wird an dieser Stelle vermutet, in einer Atmosphäre des Neubeginns. Keiner der Teilnehmer hatte zuvor an einer derartigen, kultur- und Sphären-übergreifenden Veranstaltung teilgenommen. Der Terminus Sphäre umfasst hier diejenige der akademischen Wissenschaften, sowie diejenige des tibetischen Buddhismus.

Die Bezeichnung „Dialog“ für die Treffen grenzt das Mind and Life Institute klar von dem Label „Konferenz“ ab, das auf der öffentlichen Webseite des Institutes internationalen Symposien vorbehalten ist, die zeitlich weniger ausgedehnt angesetzt werden, als die sog. Dialoge. „International Symposium for Contemplative Studies“ ist der Titel, der sich für diese Zusammenkünfte eingebürgert hat. Bisher fanden drei solcher Symposien statt, 2014, 2016 und 2018. Für 2020 ist das nächste geplant. Bis zum Jahr 2003 fanden die Mind and Life Dialoge unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Seit 2005 gibt es die Möglichkeit, Video-Aufzeichnungen, teils als käuflich

22 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

erwerbbare DVDs, teils als online kostenlose (YouTube-)Videos einzusehen.

Die bisher 34 Dialoge fanden an unterschiedlichen Orten statt. Der erste sog. Mind and Life Dialog 1987 in Dharamsala/Indien. Dieses erste Zusammentreffen war inhaltlich breit aufgestellt. Die Themen reichten von den Kognitionswissenschaften über die Neurobiologie und Kognitionspsychologie bis hin zu Fragen künstlicher Intelligenz, Gehirnentwicklung, sowie Evolution. Die genannten Disziplinen bzw. Themen waren vertreten durch Jeremy Hayward (Physik und Wissenschaftsgeschichte), Robert Livingston (Neurowissenschaften und Medizin), Eleanor Rosch (Kognitionswissenschaften), Newcomb Greenleaf (Computerwissenschaften), Francisco Varela (Neurowissenschaften und Biologie).

Diese erste Begegnung stellte sich für alle Beteiligten als überaus befriedigend dar. Es gab eine Übereinkunft darüber, „that there was a true meeting of minds with some substantial advances in bridging the gap“17. Der Dalai Lama schlug vor, alle zwei Jahre solche Treffen anzusetzen. Eine Transkription von Mind and Life I wurde fünf Jahre später als die Herausgeberschaft „Gentle Bridges. Conversations with the Dalai Lama on the Science of Mind“ im Shambala Verlag/Massachusetts publiziert.18 Dieses Buch wurde in das Französische, Spanische, Deutsche, Japanische und Chinesische übersetzt.

Am ersten Morgen des zweiten Mind and Life Dialogs, im Oktober 1989, wurde der Dalai Lama mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Gäste auf dieser Zusammenkunft in Newport/Kalifornien waren Wissenschaftler aus den Bereichen Wissenschaftstheorie, Schlaf- und Gedächtnisforschung, sowie prominent auf dem Gebiet der Bewusstseinsforschung innerhalb der Neurowissenschaften, Antonio Damasio. Zehn Jahre nach dem Treffen erschien die entsprechende Publikation, mit

17 Begley 2008, S. 258. 18 Hayward, Jeremy W. / Varela, Francisco J. (1992): Gentle Bridges. Conversations with the Dalai Lama on the Science of Mind, Massachusetts: Shambala.

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dem Titel „Consciousness at the Crossroads. Conversations with the Dalai Lama on Brain Science and Buddhism“19, unter der Herausgeberschaft von Zara Houshmand, Robert Livingston und Alan Wallace.

Das Besondere am dritten Mind and Life Dialog 1990 mit dem Titel „Emotions and Health“, der diesmal wieder in Dharamsala stattfand, war inhaltlich einerseits der Beginn eines kollaborativen Forschungsprojekts zur Untersuchung von Meditationseffekten bei Langzeit-Meditierenden. Richard Davidson, Francisco Varela, Gregory Simpson und Clifford Daron initiierten dieses Projekt. Und formal andererseits die Gründung des Mind and Life Institute als Non-Profit-Organisation. Unterstützt wurde die Gründung durch die Bostoner Hershey Family Foundation20. Es sind Berry und Connie Hershey dieser Foundation, die seit 1990 als stetige Förderer auftreten.21

Darüberhinaus hat das das Mind and Life Institute von folgenden Sponsoren Zuwendungen erhalten: „Fetzer Institute, The Nathan Cummings Foundation, Mr. Branco Weiss, Adam Engle, Michael Sautman, Mr. and Mrs. Thomas Northcote, Ms. Christine Austin, and Mr. Dennis Perman.“22

Es folgten zwei weitere thematisch verwandte Dialoge (1992: „Sleeping, Dreaming, and

19 Houshmand, Zara / Livingston, Robert B. / Wallace B. Alan (Hg.) (1999): Consciousness at the Crossroads. Conversations with the Dalai Lama von Brain Science and Buddhism, Ithaca/New York: Snow Lion Publications. 20 1988 als private Stiftung gegründet, unterstützt die Hershey Family Foundation generell die Bereiche Kunst, Erziehung, Gesundheitswesen. Neben der Gründung des Mind and Life Institute ist diese Stiftung auch einer der Geldgeber für das 1999 von Thupten Jinpa ins Leben gerufene Institute of Tibetan Classics, einer „non-profit educational organization dedicated to the preservation, revitalization and dissemination of classical Tibetan thought, culture and literary heritage. [...] the goal of the Institute is to make the knowledge and insights of classical Tibetan culture a truly shared global intellectual and spiritual resource open to all.“ Das Institute of Tibetan Classics ist ein Übersetzungsprojekt initiiert in Montreal/Kanada, dem Wohnort von Jinpa, das wissenschaftliche Übersetzer aus den USA, Kanada, Großbritannien, und Tibet verbindet, gemeinsam klassische, tibetische Texte zu übersetzen. 21 Vgl. Houshmand / Livingston / Wallace 1999, S. 179. 22 Ebd.

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Dying“, 1995: „Altruism, Ethics, and Compassion“), bevor der sechste Dialog mit dem Titel „The New Physics and Cosmology“ für 1997 angekündigt wurde. Gefolgt von „Epistemological Questions in Quantum Physics“ ein Jahr später. Dieser siebte Dialog wurde am Institut für Experimentalphysik von Anton Zeilinger in Innsbruck 1998 ausgerichtet. Die Physiker Zeilinger und Arthur Zajonc23, sowie die Übersetzer Jinpa und Wallace waren zu diesem Treffen anwesend.

Zu den bis dahin publizierten vier (insgesamt sechs) Büchern zu den Mind and Life Dialogen gesellte sich 1999 ein Geo-Artikel, dessen plakatives Titelbild für eine erhöhte populärwissenschaftliche Wahrnehmung des Mind and Life Institute sorgte. Auf dem Cover waren eine Farbphotographie des Dalai Lama, sowie eine Schwarzweißaufnahme von Albert Einstein zu sehen. Die beiden Köpfe waren vor dem Hintergrund einer Aufnahme des dunkelblauen Sternenhimmels abgebildet, in großen Lettern dazwischen „Wer erklärt uns die Welt?“, etwas kleiner darunter „Mystik und Wissenschaft kommen sich näher“. Nachdem erst im Jahr 1992 ein Mind and Life Treffen öffentlich abgehalten wurden, lässt sich an diesem Artikel ablesen, dass die populärwissenschaftliche Wahrnehmung für ein breiteres Publikum in diesem Jahr ansetzte.

Der US-amerikanische Psychologe und Wissenschaftsjournalist Daniel Goleman war es, der beim achten Mind and Life Dialog im Jahr 2000 erneut als wissenschaftlicher Koordinator fungierte. Bereits 1990 hatte er die wissenschaftliche Leitung des dritten Treffens übernommen. Goleman ist zudem einer der Vorstände innerhalb des Verwaltungsrates („Board of Directors“) des Mind and Life Instutite. Thema dieses Dialogs waren destruktive Emotionen, wozu Goleman im Jahr 2004 das entsprechende

23 Der 1949 in Botson/Massachusetts geborene Physiker Arthur Guy Zajonc war zu einem späteren Zeitpunkt, von Januar 2012 bis Juni 2015, Präsident des Mind and Life Institute. Diese beiden frühen Treffen mit ihrem stark naturwissenschaftlich ausgerichteten Fokus auf die Themen Physik, Kosmologie und Quantenmeachnik, trugen sicherlich dazu bei, seine spätere Mind and Life Präsidentschaft in gewisser Weise vorzubereiten.

25 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Buch24 herausgab.

Titel der folgenden Treffen lauteten „Transformations of Matter, Brain and Emotion“, „The Nature of Matter, The Nature of Life“ und „Investigating the Mind: Exchanges between Buddhism and Biobehavioral Science on How the Mind Works“. Diese Mind and Life Dialoge fanden abwechselnd in den USA und Indien statt. Letzteres als erstes öffentliches Treffen 2003 zog 2008 die Buch-Publikation „The Dalai Lama at MIT“25 nach sich.

Auf dem zwölften Treffen im Jahr 2004 fiel zum ersten Mal das seitdem populär gewordene Stichwort „Neuroplastizität“. Es ging um neuronale Substrate menschlichen Lernens und dessen sog. Transformation. Vier Jahre später veröffentlichte die US- amerikanische Wissenschaftsjournalistin Sharon Begley dazu das Buch „Train Your Mind, Change Your Brain. How a New Science Reveals Our Extraordinary Potential to Transform Ourselves“26. Der semantisch augenscheinliche Appell, das Gehirn hinsichtlich seines außergewöhnlichen Potenzials zu trainieren, wirft mehrere kulturanthropologisch und religionssoziologisch relevante Fragen nach dem Status des menschlichen Gehirns auf.

Kulturanthropolgisch – wie werden biologische Ausgangsbedingungen für die angenommene Notwendigkeit diskursiviert? D. h. von welchem beispielsweise kognitiv defizitären Menschenbild wird ausgegangen, um für die Notwendigkeit einer Transformation im Sinne einer Gehirnveränderung zu appellieren?

24 Goleman, Daniel (Hg.) (2004): Destructive Emotions: A Scientific Dialogue with the Dalai Lama, Bantam Books. 25 Harrington, Anne / Zajonc, Arthur (Hg.) (2008): The Dalai Lama at MIT, Massachusetts: Harvard University Press. 26 Begley, Sharon (2008): Train Your Mind, Change Your Brain. How a New Science Reveals Our Extraordinary Potential to Transform Ourselves, New York: Ballantine Books.

26 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Religionssoziologisch – Wer sind die Vertreter dieser sog., heilsbringenden „Neuen Wissenschaft“? Was ist unter „Contemplative Science“ als dieser angeblich neuen, akademischen Disziplin zu verstehen?27

Ein weiteres, öffentlich abgehaltenes Treffen fand im November 2005 in Washington statt. Von der John Hopkins University School of Medicine und dem Georgetown Medical Center gesponsort, trug der Dialog den Titel „Investigating the Mind: The Science and Clinical Applications of Meditation“. Sechs Jahre später erschien das von dem US-amerikanischen Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn und dem Psychologen und Neurowissenschaftler Richard Davidson herausgegebene Buch „The Mind's own Physician. A Scientific Dialogue with the Dalai Lama von the Healing Power of Meditation“. Eine DVD mit dem Titel des Treffens erschien ebenfalls.

Auf Kabat-Zinn geht das sog. MBSR-Programm (Mindfulness-based Stress-reduction) zurück. Zusammen mit dem Medizin-Nobelpreisträger Salvador Edward Luria arbeitete er am MIT, und gründete 1979 eine Stress Reduction Clinic in Massachusetts, in dessen Rahmen er das MBSR-Konzept initiierte und erprobte. Auf zahlreichen Mind and Life Treffen war Kabat-Zinn, wie Richard Davidson, als einer der frühen Gründungsväter des Institutes als Redner präsent. Auf Davidson, der seit 1984 an der Universität Wisconsin-Madison Psychologie lehrt, gehen die zahlreichen neurowissenschaftlichen Experimente (mittels EEG, MR, fMR, CT) mit tibetischen (Langzeit-)Meditierenden zurück. Seit 2001 ist Davidson einer der Vorstände des Mind and Life Verwaltungsrates.

Sichtet man die Titel der weiteren Mind and Life Dialoge ab 2005, lassen sich die Treffen in drei Kategorien einteilen. Zum einen fällt der starke Fokus auf die

27 Es sei an dieser einführenden Stelle verwiesen auf das Kapitel 2.2.2., in dem dizidiert auf den zwölften Mind and Life Dialog eingegangen wird. Die genannten Fragen, die allein der Titel dieser Buch-Publikation aufwirft, werden dort beantwortet.

27 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Meditationsforschung ins Auge. Daneben spielen ethische Fragen eine Rolle. Diese werden auf die Themenbereiche Ökologie, Ökonomie oder Gesellschaft bezogen. Das Treffen 2010 beispielsweise, „Altruism and Compassion in Economic Systems: A Dialogue at the Interface of Economics, Neuroscience and Contemplative Sciences“, fand passenderweise in Zürich statt, und unternahm den Versuch, ethische Komponenten des tibetischen Buddhismus für ökonomische Fragestellungen fruchtbar zu machen. Eine dritte Themenkategorie speist sich aus populärwissenschaftlich formulierten Fragen der Physik, wie sie 1987, 1988, 2007 („The Universe in a Single Atom“) ausgetragen wurden.

28 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

2.2 Semantiken des Dialogs

2.2.1 „Du musst dein Leben ändern“: Zur Voraussetzung von Selbstheilung und Selbstkontrolle

Die Veranstaltungs-Titel der Mind and Life Dialoge, sowie die Titel der Buch- Veröffentlichungen auch im Umkreis des Mind and Life Institute lassen bereits einige Schlüsse auf wiederkehrende Semantiken des Dialogs zu. So sticht zunächst eine deutliche Transformationssemantik ins Auge. Titel wie „Train Your Mind, Change Your Brain. How a New Science Reveals Our Extraordinary Potential to Transform Ourselves“28, „Mindsight. The New Science of Personal Transformation“29 oder „The Emotional Life of Your Brain. How to change the way you think, feel and live“ 30 legen dem Leser eine Veränderung seines Denkens und Fühlens nahe. Sogar seine Art zu leben gilt es einer Transformation zu unterziehen, nachdem eine sog. neue Wissenschaft – gemeint sind Contemplative Sciences - sein außergewöhnliches Potenzial dafür aufdeckt. Der Appell, sich zu transformieren, impliziert eine verdrehte Wirkrichtung, d. h. der Geist soll einzig zu dem Zweck (mittels Meditation) trainiert werden, um das Gehirn zu verändern. Dasjenige Gehirn, das ein eigenes emotionales Leben zu führen scheint. Abgesehen von dem immer wieder kehrenden mereologischen Trugschluss, dem Gehirn psychologische Attribute zuzuschreiben, die schlicht falsch sind, da mit diesen Eigenschaften eigentlich das psychologische Verhalten menschlicher Wesen beschrieben und erklärt werden soll, bleibt die Frage, inwiefern und vor allem wozu Veränderungen am Gehirn eine Transformation herbeiführen sollten.

28 Begley, Sharon (2008): Train Your Mind, Change Your Brain. How a New Science Reveals Our Extraordinary Potential to Transform Ourselves, New York: Ballantine Books. 29 Siegel, J. Daniel (2010b): Mindsight. The New Science of Personal Transformation, New York: Bantam Books. 30 Davidson, Richard / Begley Sharon (2013): The Emotional Life of Your Brain. How to Change to the Way You Think, Feel and Live, London: Hodder & Stoughton.

29 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Ein Leser könnte Kantisch fragen, was ist dieses außergewöhnliche Potenzial? Was soll ich tun? Soll ich meditieren? Würde Meditation eine geistige oder körperliche Veränderung bewirken? Kann ich dann hoffen, mein Denken, Fühlen, Leben zu verändern? Wer bin ich ohne meditative Selbstoptimierung? Der hier ideologisch relevante Befund, der jedem dieser Transformations-Appelle in ähnlichen Formulierungen zugrunde liegt, sei hier aus dem Buch „Mindfulness in Plain Englisch“ von dem ceylonesischen Mönch Bhante Gunaratana zitiert. Darin heißt es gleich zu Beginn: „You are a mess, and you know it.“31 Es wird unterstellt, dass Menschsein eine dem Leben inhärente Unzufriedenheit bedeute, das Leben sei ewiger Kampf, ein unglaublicher Aufwand gegenüber nicht enden wollenden Anforderungen dieses Lebens. Tief in sich würde ein Leser wissen, dass es einen anderen Weg zu leben geben müsse, einen besseren Weg, das Leben zu verstehen, und einen besseren Weg, das Leben intensiver zu leben.32 Ein Heilsversprechen bzw. die angedeutete Aussicht auf eine Verbesserung Unzufriedenheits-Status quos (durch Meditation) charakterisieren diesen Befund der menschlichen Situation.

Für den US-amerikanischen Psychologen und Wissenschaftsjournalisten Daniel Goleman, der den achten Mind and Life Dialog des Jahres 2000 in dem Buch „Destructive Emotions: A Scientific Dialogue with the Dalai Lama“33 dokumentierte, sind die Ereignisse des 11.September 2001, die zwischen dem genannten Mind and Life Treffen und der Publikation des Buches 2004 lagen, Beweis „kaltblütiger Unmenschlichkeit höchsten Grades […] Unter allen destruktiven Emotionen sticht eine derart grausame Feindseligkeit als der beunruhigendste Zug der menschlichen Seele hervor.“34 Für gewöhnlich würde „die hier sichtbar gewordene Barbarei irgendwo hinter

31 Gunaratana, Bhante H. (2011): Mindfulness in Plain English, Boston: Wisdom Publications, S. 1. 32 Vgl. ebd., S. 1, 3. 33 Goleman, Daniel (Hg.) (2004): Destructive Emotions: A Scientific Dialogue with the Dalai Lama, Bantam Books. 34 Goleman 2004, S. 14.

30 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

den Kulissen, im Hintergrund unseres kollektiven Bewußtseins“35 lauern. Es müssten die Wurzeln destruktiver Emotionen verstanden werden, um zukünftig ein friedliches Zusammenleben gewährleisten zu können. Insofern wurde auf dem achten Mind and Life Treffen die Dynamik von Trieben und Emotionen im Austausch von Neurowissenschaftlern, Psychologen und dem Dalai Lama erkundet.

Goleman schreibt: „Unsere Konferenz behandelte eine Reihe dringlicher Fragen über unsere destruktiven Emotionen, die uns permanent bedrohen. […] Was lässt diese Triebe so mächtig werden, daß sonst vernünftige Menschen Taten begehen, die sie hinterher bereuen? […] Gibt es Ansatzpunkte, um die von ihnen ausgehende Gefahr für unser persönliches Glück und unsere Stabilität zu vermindern? Wie formbar ist das Gehirn, und wie können wir den neuralen Systemen, in denen die destruktiven Impulse stecken, eine positivere Richtung geben? Und die wichtigste Frage: Wie können wir sie überwinden?“36

So wie für Bhante Gunaratana, eher allgemein formuliert, ewig quälende Anforderungen des Lebens (von außen) eine generelle, überwiegend unbewusste Unzufriedenheit bedingen, ist es für Goleman eine durch ihn pathetisch überzeichnete Grundkonstante des Bösen im Menschen, was Meditation überhaupt erst notwendig macht. Nur mit meditativer Selbstkontrolle lässt sich demnach diese permanent drohende, destruktive Gefahr, die das Individuum von innen zu zerstören droht, abmildern bzw., so die Hoffnung, aufhalten.

Etwas konkreter stellte der in Großbritannien geborene Theravāda Mönch Ajahn Amaro den Zusammenhang zwischen der angesprochenen Unzufriedenheit und Meditation heraus. Auf der ersten Session des Mind and Life Dialog des Jahres 2005 hielt dieser

35 Vgl. ebd. 36 Ebd., S. 15.

31 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

einen Vortrag mit dem Titel „How Buddhist Meditative Practices can inform our unterstanding of Pain and Suffering, the Potential for Healing, the Relief of Suffering, and the Underlying Nature of Human Mind and Body“37. Zunächst stellt er klar heraus, welche zwei Notationen Unzufriedenheit in einem buddhistischen Sinn hat: „The first is that the experience of physical or emotional pain is inescapable, endemic in our very lives as human beings and instrinsic to the fact that we have a body and a mind. We can call this natural suffering or, more simply, pain. The main focus of the Buddha's teaching was on a second element, which we call adventitious suffering: what the mind adds to a negative experience. When we feel physical pain or have some kind of difficulty, the fretfulness, resistance, resentment, and anxiety we create around the experience is this second kind of suffering.“38 Das Auftauchen von Unzufriedenheit in seiner ersten Bedeutung bzw. dem buddhistischen Konzept von dukkha ist demnach unvermeidlich, in der zweiten Bedeutung ist diese Form menschlichen Leidens durchaus und gänzlich vermeidbar, so die von Ajahn Amaro dargelegte buddhistische Perspektive, mittels geistigem Training bzw. Meditation.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl eine psychologische Ausleuchtung des Status quo menschlichen Daseins eines Daniel Goleman, wie auch die Doktrin- informierte Theravāda-Perspektive des Ajahn Amaro eine gewisse defizitäre Dynamik innerhalb des Menschen selbst annehmen, die mittels Meditation transformiert werden könne. Sei es entweder ein global wahrgenommenes Übel auf der Welt, oder ein inneres, menschliches Leiden, für das dem Menschen die eigene Unfähigkeit unterstellt wird, adäquat damit umgehen zu können – Meditation wird einhellig als das Heilmittel, als Medizin39 für diesen Missstand angegeben.

37 Kabat-Zinn, Jon / Davidson, Richard J. (Hg.) (2011): The Mind's Own Physician. A Scientific Dialogue with the Dalai Lama on the Healing Power of Meditation, Oakland/CA: New Harbinger Publications, S. 27-34. 38 Ebd., S. 27. 39 Vgl. Sharon Salzberg, Jon Kabat-Zinn (1997): Mindfulness as Medicine, in: Goleman, Daniel (Hg.) (1997): Healing Emotions: Conversations with the Dalai Lama on Mindfulness, Emotions, and Health,

32 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

2.2.2 Heilsversprechen auf neurowissenschaftlich: Wirkweise von Meditation auf spezifische Hirnregionen

Der Neurowissenschaftler Richard Davidson beispielsweise formuliert explizit Anleitungen, sog. neuronal inspirierte Übungen, um den je eigenen emotionalen „Style“ zu ändern:

„1. Choose a time of day when you are the most awake and alert. Sit upright on the floor or a chair, keeping the spine straight and maintaining a relaxed but erect posture so you do not get drowsy. 2. Now focus on your breathing, on the sensations it triggers throughout the body. Notice how your abdomen moves with each inhalation and exhalation. 3. Focus on the tip of the nose, noticing the different sensations that arise with each breath. 4. When you notice that you have been distracted by unrelated thoughts or feelings that have arisen, simply return your focus to your breathing.“40

Zwei Mal täglich, jeweils zehn Minuten ausgeführt, soll diese Atemübung dazu führen, dass sich das Verhältnis zu eigenen Gedanken und Gefühlen und Körperwahrnehmung verändert. Mit weniger Beurteilung, Panik oder Obsession würde der Übende nun seinem eigenen Innenleben begegnen können. „By strengthening nonjudgmental awareness, you keep thoughts and feelings from hijacking your mind.“41 Gedanken, Gefühle, Körpersensationen werden durch die Einübung von sog. nicht-bewertendem Selbst-Gewahrsein in der Meditation im Alltag des Übenden weniger überwältigend bzw. einnehmend.

Boulder, Colorado: Shambala, S. 107 – 145. 40 Davidson, Begley 2013, S. 236. 41 Ebd., S. 237.

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Belegt werden derartige Wirkmechanismen in diesem populären Achtsamkeitsdiskurs mit neurowissenschaftlichen Studien, die gesteigerte Aktivität in bestimmten Hirnregionen bei Meditierenden nachgewiesen haben. Den Diskurs bestimmend sind drei Ergebnisse neurowissenschaftlicher Erforschung von Meditation.42

Erstens wird der paralimbische Cortex als drei Regionen umfassenden Bereich ins Feld geführt, der als „sozusagen die Verbindung zwischen Körper und Geist“43 gedeutet wird. Die drei Regionen sind Inselcortex, die Spitze des Temporallappens und der Anteriore Cinguläre Cortex. Gesteigerte Aktivität sei in diesen Regionen während der Meditation festgestellt worden.

Zweitens wurde für die Hirnregion der Amygdala eine reduzierte Aktivität während der Meditation festgestellt. Die Amygdala wird in diesem Kontext als zentrale, funktionale Einheit für eine mögliche „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“44 interpretiert.

Drittens wurde zunächst die Vermutung der Vergrößerung der Hirnregion grauer Substanz bei Meditierenden aus semantisch zunächst unverwandten Studien gefolgert. Mehrere Studien wurden herangezogen, die verschiedene Personengruppen bzgl. ihrer grauen Substanz miteinander verglichen haben. Zweisprachige aufgewachsene Personen beispielsweise würden Bereiche mit dickerer, grauer Substanz aufweisen, als solche, die erst im Jugendalter weitere Sprachen lernen würden. Ähnlich der Ergebnisse einer anderen Studie, in der die Dicke grauer Substanz mit dem Grad der Fähigkeit bei Musikern korrelierte.45 Man folgerte daraus, auch bei Meditierenden Veränderungen der grauen Substanz ausmachen zu können. Und in der Tat, die paralimbische Region des

42 Vgl. Lazar, Sara: Die neurowissenschaftliche Erforschung von Meditation, in: Zimmermann, Michael / Spitz, Christof / Schmidt, Stefan (Hg.) (2012): Achtsamkeit. Ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft, 2. Auflage 2013, Bern: Hans Huber Verlag, S. 74 – 76. 43 Ebd., S. 74. 44 Ebd. 45 Ebd., S. 75.

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Inselcortex, die für die „Integration von Sinneswahrnehmungen, Emotionen und Gedanken beteiligt ist“46, zeigt Bereiche grauer Substanz, die dicker ist, als bei Kontrollgruppen, deren Teilnehmer nicht meditierten.

Neuroplastizität ist ein weiteres Stichwort, das in diesem Diskurs immer wieder auftaucht: „[...] the brain has a property called neuroplasticity, the ability to change its structure and patterns of activity in significant ways not only in childhood, which is not very surprising, but also in adulthood and throughout life.“47 Interessant hinsichtlich der Verwendung des Begriffs ist, dass er das erste Mal 1964 in dem Aufsatz Chemical and Anatomical Plasticity of the Brain von den US-amerikanischen Psychologen Mark Rosenzweig, Edward Bennett u. a. erscheint. Rosenzweig zeigte an Tier-Experimenten, dass auch das erwachsene Gehirn durch Erfahrungen dazu fähig ist, sich anatomisch umzustrukturieren, ihr Gehirn eine chemische und anatomische Plastizität aufwies. Es sei angemerkt, dass Sharon Begley eine populärwissenschaftlich aufgearbeitete, wissenschaftshistorische Einordnung des Begriffs als eigenes Kapitel in Train your Mind, Change your Brain vorlegte.48

2.2.3 Plädoyer für ein Weltbürgertum des 21. Jahrhunderts

„So what is the civil religious vision for a good society as envisioned by mindfulness movement enthusiasts?“ fragt 2014 der Religionswissenschaftler Jeff Wilson. Seine Antwort lautet: „A mindful society will either automatically be good, or it will at least establish a solid foundation for discering what is good and necessary, and be able to effectively carry out programs of action that result in maximum success.“49 Sein Befund lautet darüberhinaus, dass, für Kabat-Zinn zum Beispiel, Achtsamkeit in die

46 Ebd. 47 Davidson, Begley 2013, S. 161. 48 Begley 2008, S. 26 – 49. 49 Wilson, Jeff (2014): Mindful America. The Mutual Transformation of Buddhist Meditation and American Culture, New York: Oxford University Press, S. 178.

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teleologische Entwicklung der menschlichen Rasse eingeschrieben sei, was in demokratische, die Freiheit liebende Gesellschaften, wie die USA münden würde. „So America leads to mindfulness, and mindfulness in turn will save America.“50 souffliert er Kabat-Zinn. Achtsamkeit fungiert demnach nicht nur als Heilsbringer einzelner Individuen, die durch regelmässige Meditation ihr Leben ändern können, Achtsamkeit vermag, für die sog. Enthusiasten der Achtsamkeitsbewegung, ein ganzes Land zu retten. Das allerdings auf eine nicht System umwälzende, revolutionäre Art und Weise, wie mancher Buch-Titel vermuten lassen mag.51 Das etablierte politische US-amerikanische System, so sind sich die meisten Achtsamkeits-Autoren einig, würde nur auf eine sanfte, friedvolle Art und Weise transformiert werden können. Und diese Veränderung bezöge sich nicht auf die gegenwärtige Gesellschafts- oder Wirtschaftsform, „a mindful America will still be a consumerist, capitalist nation – it'll just be a kinder, more economically arware one.“52

Im Gegensatz zu Wilsons Perspektive auf Zusammenhänge der Achtsamkeitsbewegung und ihren Einfluss auf politische Strukturen, ist es der gesellschaftliche Funktionsbereich des Bildungssystems bzw. grundlegend eher ein theoretischer Bereich der akademischen Pädagogik, der auf dem 13. Mind and Life Dialog angesprochen sein sollte. Auf diesem Treffen formulierte der Dalai Lama 2005 folgenden Zusammenhang zwischen Religion und einer damit verbundenen, ethischen Basis menschlichen Handelns: „We talked earlier about the 5 billion people on the planet [and how only a relatively small number have a religious faith that offers them an ethical basis for living]. My main concern is to promote genuine human qualities among people, as the most effective method, without any religous agenda.“53 Als einer der wenigen

50 Ebd., S. 179. 51 Vgl. Wallace, B. Alan (2008): Die Achtsamkeitsrevolution. Aktivieren Sie die Kraft der Konzentration, Frankfurt a. M.: O. W. Barth. 52 Wilson 2014, S. 184. 53 Davidson, Begley 2013, S. 244.

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religiösen, gegenwärtigen Leitfiguren, liest man in den Texten und transkribierten Vorträgen des Dalai Lama immer wieder von einer gewissen Loslösung von der eigenen Tradition, sogar von der Bereitschaft, eigene buddhistische Konzepte zu überdenken, sollte die Wissenschaft Gegenteiliges zu Tage fördern.54 Dies mag einen großen Teil, insbesondere der akademischen Attraktivität des Buddhismus ausmachen.

Dabei gibt es viele Versuche, ethische Leitfäden ohne religiöse Fundierung zu formulieren. Man denke etwa an Hans Küngs säkulares Projekt des sog. Weltethos55. Als in Washington 2009 ein besonderer 19. Mind and Life Dialog zum Thema „Educating World Citizens for the 21st Century: Educators, Scientists and Contemplatives Dialogue on Cultivating a Healthy Mind, Brain and Heart“ stattfand, wurden ähnliche Absichten, wie diejenige des eingangs genannten Zitats des Dalai Lama, laut. Die Absicht, elementare Werte, die unabhängig von religiösen Grundsätzen, zu fördern.56

Die offizielle Beschreibung der Veranstaltung auf der Webseite des Mind and Life Institute lautet: „How can our educational system evolve to meet the challenges of the 21st century? How will we educate people to be compassionate, competent, ethical, and engaged citizens in an increasingly complex and interconnected world? The urgent challenges of a globalized and interdependent world demand a new vision of world citizenship that is not confined to national boundaries, but encompasses moral and ethical responsibilities to all humanity“57 Bürger einer globalisierten Welt, die moralische und ethische Verantwortung für die gesamte Menschheit übernehmen sollen – es klingt der Pathos eines hehres Ziels an, das von altbekannten Teilnehmern zwei Tage lang diskutiert wurde.

54 Vgl. Dalai Lama (2010): Meine spirituelle Autobiographie, Zürich: Diogenes Verlag, S. 139. 55 Vgl. https://www.weltethos.org/ [Stand: 01.11.2019] 56 Vgl. Dalai Lama (2011): Rückkehr zur Menschlichkeit. Neue Werte in einer globalisierten Welt, Köln: Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, S. 22. 57 https://www.mindandlife.org/mind-and-life-dialogues/ [Stand: 01.11.2019]

37 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Anwesend waren Tenzin Gyatso, der 14th Dalai Lama; Peter L. Benson; Martin Brokenleg; Ronald E. Dahl; Richard Davidson; Marian Wright Edelman; Linda Darling-Hammond; Jacquelyn Eccles; Nancy Eisenberg; Adam Engle; Daniel Goleman; Mark Greenberg; Roshi Joan Halifax; Takao Hensch; Thupten Jinpa; Anne Carolyn Klein; Linda Lantieri; Kathleen McCartney; Matthew Ricard; Lee S. Shulman.

Erkenntnisse aus theoretischer und angewandter Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Neurowissenschaften und der kontemplativen Tradition des tibetischen Buddhismus sollten erörtert werden, um gemeinsam eine von Mitgefühl durchwirkte Agenda für sog. ethische Weltbürger zu formulieren, deren Fähigkeiten nicht nur für persönliches, individuelles Wachstum, sondern für das Wohl aller genutzt werden könnten.

Konkretisiert wurde dieses Vorhaben über dem Gebiet sozialen und emotionalen Lernens (SEL genannt, „social and emotional learning“), einer pädagogischen Lernmethode, die Kindern und Erwachsenen helfen soll, entsprechende soziale und emotionale Fähigkeiten zu entwickeln, um dem Leben mit seinen Anforderungen besser begegnen zu können. Es geht dabei und sog. pro-soziales Verhalten bei Jugendlichen, sowie dessen Einfluss auf ihr akademisches Lernen.

So galt nach einer einführenden Session, die zweite dem Thema Selbstregulation, der Fähigkeit, sich zunächst seiner Gefühle bewusst zu werden, um die bewusst zu steuern. Dies würde die Aufmerksamkeit trainieren und positive, soziale Beziehungen befördern. „Recent programs in SEL have shown impressive results in teaching children techniques for emotional regulation in social interactions. Meanwhile, neuroscientists have been studying contemplative practices that hone attention and emotional regulation in adults. The evidence from adult studies is compelling, and suggests that, with insight from developmental neuroscience and psychology, practices such as those found in the contemplative traditions like mindfulness meditation may also cultivate, strengthen, and

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extend the habits of mind and heart that SEL teaches.“58 Aufmerksamkeit und Emotionsregulation sind die Stichworte mittels derer neue Lernmethoden für Kindern ersonnen werden sollen. Neurowissenschaftler hätten herausgefunden, wie diese beiden Aspekte durch kontemplative Praktiken, wie Meditation, befördert werden würden.

58 S. 7 des Mind and Life Dialog Programms, abrufbar online unter: https://robertroeser.files.wordpress.com/2010/01/ml-washington-final-program-brochure-20091.pdf [Stand: 01.11.2019]

39 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

3 Analytische Längsschnitte der Rezeption

3.1 Achtsamkeit und Wissenschaft – Erfahrung als hard problem

Ein analytischer Längsschnitt des Dialoges zwischen kognitiven Neurowissenschaften und tibetischem Buddhismus am und um das Mind and Life Institute hat die immer lauter werdende Kritik an den sprachlich formulierten Ansprüchen der Hirnforschung zum Thema. Folgende Fragen sollen daher in diesem Kapitel beantwortet werden.

1. Wer kritisiert welche Aspekte an der aktuellen Hirnforschung?

Die Reihenfolge dieser Fragen zielt auf einen deduktiven Argumentationsstrang, um der mittlerweile in ihrer disziplinären Struktur breit aufgestellten Kritik an der gegenwärtigen Hirnforschung gerecht zu werden. Es geht dabei weniger um die Aufarbeitung aktueller philosophischer oder politischer Debatten, wie derjenigen um Willens- bzw. Handlungsfreiheit oder die Frage des Einflusses der Neurowissenschaften auf die Gesetzgebung, sondern um einen exemplarischen Überblick über die wichtigsten Argumente, die teilweise aus den eigenen neurowissenschaftlichen Reihen gegen eine sog. Deutungsmacht der Hirnforschung im Hinblick auf das Gehirn-Geist-Problem vorgebracht werden.

2. Welche Aspekte davon lassen sich exemplarisch auf die neurowissenschaftliche Meditationsforschung beziehen?

Ob bzw. wie diese Argumente sich auch für die neurowissenschaftliche Meditationsforschung einlösen lassen und ob diese Kritik innerhalb des Achtsamkeitsdiskurses reflektiert wird, soll anhand dreier Beispiele gezeigt werden. Ausgehend davon wird der Frage nachgegangen,

40 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

3. ob sich weitere kritische Punkte ausmachen lassen, anhand derer der neurowissenschaftliche Begriff von Erfahrung eingeholt werden kann?

Der Erfahrungsbegriff ist zentral für den neurowissenschaftlichen Achtsamkeitsdiskurs, da sich an ihm die Problematik einer 1./3. Person Perspektive entspinnt. D. h. wie wird das Verhältnis von Meditationserfahrung und ihrer Explikation bestimmt? Welche Rolle kommt der neurowissenschaftlichen Sprache zu, mit der z. B. farbliche Markierungen auf fMRT-Aufnahmen interpretiert werden? Repräsentiert diese Sprache die eigentliche Meditationserfahrung, oder konstruiert sie Erfahrung, weil sie als (sprachliche) Repräsentation von (bildlicher) Repräsentation hinter der Erfahrung zurück bleibt? In der kritischen Beantwortung dieser Fragen geht es erst auf einer zweiten Ebene um semantische Nuancen im überwiegend unausgesprochen vorausgesetzten, neurowissenschaftlichen Begriff von Erfahrung bzw. Meditationserfahrung, primär geht es um das wissenschaftshistorische Fundament dieser Voraussetzungen.

3.1.1 Zur Kritik an den Deutungsansprüchen der Hirnforschung aus unterschiedlichen Lagern

3.1.1.1 Medizinischer Pragmatismus als versöhnliche Position – Peter Janich

In Anbetracht der aktuellen, öffentlichen Debatte des Gehirn-Geist-Problems, widmet sich der deutsche Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Peter Janich seit 2006 der Frage, unter welchen inhaltlichen Voraussetzungen sich beide Lager in dieser Debatte begegnen. Eine gewisse Opposition von Natur- und Geisteswissenschaft sieht Janich im jeweils zu Grunde gelegten Welt- und Menschenbild fundiert, insofern steht für Janich die unterstellte Kompatibilität beider Perspektiven in Frage. Ein angenommener „Beschreibungsmonismus“ beider Disziplingruppen und die Gefahr eines damit einhergehenden, gegenseitigen Absprechens von Zuständigkeit, generieren für Janich

41 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

ebenfalls die Relevanz einer neu zu initiierenden Verhältnisbestimmung von Natur- und Geisteswissenschaft.

Plakativ formuliert Janich die Frage der Naturwissenschaft: „Wie kann es in der Welt der Ursachen vernünftige Gründe geben?, während die geisteswissenschaftliche Seite fragt: Wie kann es in einer Welt der vernünftigen Gründe Ursachen geben?“59 D. h. „das natur- und das geisteswissenschaftliche Menschenbild schließen sich prinzipiell gegenseitig aus: Der Mensch […] ist in naturwissenschaftlicher Perspektive letztlich auch nur naturgesetzlich-kausal funktionierende Materie; in geisteswissenschaftlicher Perspektive bleibt der erkennende Mensch (einschliesslich des Hirnforschers) in seinen Erkenntnissen über Geist und Gehirn von Kulturleistungen wie einer semantisch gehaltvollen und wahrheitsfähigen Sprache […] abhängig.“60

Das Problem einer solchen dogmatischen Zuspitzung ist, dass der Naturalist Naturerkenntnis nur mit Gründen vertreten kann, und dass der Kulturalist dem Gehirn die Ursache nicht absprechen kann, das Geben von Gründen unter Umständen unmöglich zu machen, im Falle von Störungen bestimmter Gehirnfunktionen beispielsweise. Für Janich liegt im medizinischen Pragmatismus eine mögliche Lösung, um Exklusivitätsansprüche beider Seiten zumindest aufzuweichen. Es handelt sich dabei um eine sinnvolle Art der Kooperation natur- und geisteswissenschaftlicher Beiträge, diese Komplementarität liegt historisch und aktuell bereits vor und meint dass die Hirnforschung von bestimmten Explananda ausgeht. Bestimmte Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns geben Anstoß, nicht primär nach Gründen zu suchen, sondern zunächst Befunde und Differenzierungen vorzunehmen. „[…] Ein Störungsbeseitigungs- oder Störungsvermeidungswissen für die medizinische Therapie und Prophylaxe […] [findet dabei] im pragmatischen […] Abgleich zwischen

59 Janich 2006, S. 80. 60 ebd., S. 93.

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Explanandum und Explanans statt[…].“61 Erschöpfende Komplementarität in der Beschreibung des Menschen wird dadurch nicht gewährleistet, doch unter Umständen eine versöhnlichere Situierung von Natur- bzw. Medizin- und Geisteswissenschaft, so Janichs Position.

3.1.1.2 Die Ironie der toten Lachse – Felix Hasler zur „Neuromythologie“

Der Schweizer Neurobiologe und Wissenschaftshistoriker Felix Hasler legte 2012 die Monographie „Neuromythologie“ als eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung vor. Im Zentrum seiner Kritik steht ebenfalls der Wahrheitsgehalt neurowissenschaftlicher Aussagen, allerdings nicht in einer wissenschaftshistorischen Perspektive, wie sie Janich ausleuchtet, sondern bezüglich der in den kognitiven Neurowissenschaften angewandten Verfahren. In den Produkten bildgebender Verfahren sieht er einen der Gründe für die gegenwärtige, sog. „Neuro-Ehrfurcht“. Die amerikanische Soziologin Kelly Joyce sieht z. B. die Magnetresonanztomographie bereits als „kulturelle Ikone – ein geheiligtes Objekt, um das sich Fragen über persönliche Gesundheit, Identität und die vielen Dilemmas des Lebens drehen.“62

Die MRT-Technologie wurde auch durch den Dalai Lama als Beispiel für die hohen technologischen Errungenschaften unserer Zeit in einer Rede herausgegriffen.63 Strukturelle MRT- oder fMRT-Aufnahmen werden dabei oftmals als vermeintlich wahrheitsgetreue Abbildungen des Gehirns bei der Arbeit gedeutet, tatsächlich sind sie Darstellungen statistisch-parametrischer Berechnungen von Durchblutungs- und Sauerstoffveränderungen im Gehirn. Zudem ist die Reproduzierbarkeit vieler dieser Bildgebungsstudien, d. h. bei zwischen 25 und 40% dieser Studien, so Hasler, nicht

61 ebd., S. 94. 62 Joyce 2008, S. 22. 63 Vgl. Joyce 2008, S. 24.

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gegeben.

Fatal wirkt sich dieses Defizit und eine gewisse ehrfürchtige Haltung beispielsweise im Hinblick auf die biologische Psychiatrie aus, die zu einem umfassenden Erklärungsmodell von psychischen Störungen geworden ist, sie geht von einer „Zerebralisierung“ des Menschen aus, d. h. von der Reduzierbarkeit psychischer Erkrankungen auf das menschliche Gehirn. Im Manifest der Hirnforschung, das 2004 in der Zeitschrift „Gehirn und Geist“ erschien, wird prognostiziert, dass „in absehbarer Zeit […] eine neue Generation von Psychopharmaka entwickelt [wird], die selektiv in bestimmten Hirnregionen an definierten Nervenzellrezeptoren angreift. Dies könnte die Therapie psychischer Störungen revolutionieren.“64 Während früher biographische Faktoren eine zentrale Rolle spielten, setzt die Therapie heute, insbesondere in den USA, am „synaptischen Spalt von Neuronen“ an, was meist zwingend eine Pharmako- Therapie bedeutet.

Den exzellenten Ruf der Magnetresonanztomographie zieht Hasler außerdem als Erklärung für den Erfolg „privatwirtschaftliche[r] Vermarktung von Ganzkörper-Scans zur Gesundheitsprävention“65 heran. Diese gänzlich kommerzialisierte Form der Gesundheitsvorsorge zeichnet exemplarisch den gegenwärtigen Trend nach, Patienten als Konsumenten medizinischer Dienstleistungen umzudefinieren.

Insgesamt zielt Haslers Kritik, als selbst Neuropsychopharmakologe, auf den Einflussbereich der Pharmaindustrie, der durch die Rückwirkung der neurowissenschaftlichen Ergebnisse auf das angenommene Menschenbild, eher erweitert als beschränkt wird. Probates Mittel der Wissenschaftskritik dabei ist im Falle Janich ein im besten Fall medizinischer Pragmatismus, wohingegen Hasler an eine

64 Manifest 2004, S. 34. 65 Hasler 2012, S. 41.

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„experimentelle Ironie“ der Neurowissenschaftler appelliert. Innerhalb der Neurowissenschaften umstrittene Studien von Craig Bennett/Michael Miller/George Wolford und Edward Vul werden herangezogen, um eine gewisse Deutungswillkür der Hirnforschung zu demonstrieren. Experimentell-ironisch an ihnen ist sicherlich das Ergebnis, dass mit toten Lachsen ein ähnliches MRT-Bild generiert wird wie mittels des menschlichen Gehirns, wenn dem Probanden bzw. dem Lachs Photos sozialer Situationen gezeigt werden, doch die Kritik von Studien-Designs „sozialer Neurowissenschaft“ bedürfen nicht nur Ironie, sondern auch informiertere Reflexionen über Disziplinarität und Fragestellungen.

3.1.1.3 „Critical Neuroscience“ - Auf der Suche nach „kreativen Paradigmen“

So sieht sich ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus Natur- und Geisteswissenschaften, Hasler inbegriffen, seit Januar 2012 dieser Notwendigkeit verpflichtet. Das Selbstverständnis dieses Zusammenschlusses wird auf der Webseite wie folgt formuliert: „Our project is not meant as a remedy of (still more) interdisciplinary dialogue and platforms; rather the aim is to probe the extent to which discourses engendering neuroscience do match neuroscience's real world effects.“66 Es geht somit nicht darum, mit anderen interdisziplinär aufgestellten Plattformen zu konkurrieren, vielmehr darum, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Diskursen rund um die Neurowissenschaften und deren tatsächlichem Einfluss innerhalb dieser Diskurse aufzuzeigen. „Critical Neuroscience“ widmet sich daher in Form von Publikationen und Veranstaltungen historischen, philosophischen, anthropologischen und politischen Implikationen aktueller Hirnforschung, mit dem Ziel eine adäquate Terminologie für die neurowissenschaftliche Interpretation ihrer Ergebnisse zu finden. Zudem liegt ein

66 www.critical-neuroscience.org/engaging [Stand: 18.03.2015].

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kritischer Fokus auf sozialen und politischen Imperativen, die die Finanzierung neurowissenschaftlicher Forschungsprojekte gegenwärtig äußerst attraktiv machen. Es sind vier Themenbereiche, denen „Critical Neuroscience“ besondere Aufmerksamkeit widmet.

Erstens „Engaging the 'Neurorevolution'“ - in diesem Bereich soll der wachsende und alarmierende gesellschaftliche Einfluss der Neurowissenschaften hinsichtlich Authentizität, Privatheit / Gesellschaft untersucht werden. Das impliziert zum Beispiel sog. neoliberalistische und kapitalistische Affinitäten der Hirnforschung.

Zweitens „Constructions of the Brain“ - Die Naturalisierung sozialer Kategorien durch bildgebene Verfahren steht in diesem Programm im Mittelpunkt. In historischer Dimension soll das neurowissenschaftliche Verständnis dieser Kategorien beleuchtet werden, wohingegen eine ethnographische Perspektive das brain-mapping in Neuro- Laboren analysiert, d. h. wie werden diese Konstrukte sozialer Kategorien auf Karten des physischen Gehirns übertragen.

Drittens „Neuroscience, Human Nature and Self Understanding“ - Der philosophischen Stoßrichtung dieses Themenbereichs liegt die Annahme zugrunde, dass der Mensch bezüglich seiner eigenen Selbst-Interpretation und Selbst-Definition ein dynamisches Wesen ist. Im Gegensatz dazu konstituiert sich das neurowissenschaftliche Selbstverständnis durch eine menschliche Natur im fixierten, statischen Sinne des Begriffs „hard-wired“. Eine sog. „Anthropologie der Möglichkeit“ soll den Möglichkeitsspielraum menschlicher Existenz und Praxis zugunsten einer Ablösung der Naturalismus-Debatte ausloten. Kenntnisse sowohl der Natur- als auch der Geisteswissenschaften dienen dabei als Wegweiser.

Viertens „Neuropolicies“ - Eine Hypothese dieses Arbeitsbereichs konstatiert beispielsweise einen Zusammenhang zwischen strukturellen Veränderungen

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gegenwärtiger kapitalistischer Systeme und den Diskursen und Praktiken der Neurowissenschaft. Fragen nach der politischen Rezeption neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse sind hier zentral, insbesondere hinsichtlich der politischen Diskurse in den Bereichen Ökonomie, Erziehung und Gesundheit.

Insbesondere für die gesellschaftlichen Bereiche der Medizin und Populärkultur sehen die Vertreter von „Critical Neuroscience“ u. a. in der neurowissenschaftlichen Rhetorik den Grund für eine immer stärker werdende mediale Aufmerksamkeit für die Neurowissenschaften. Dabei wird in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit stets die neurowissenschaftliche Überzeugung verhandelt, innerhalb der nächsten Jahre bestehende soziale, kulturelle, philosophische, politische, literarische Paradigmen hinsichtlich behavioraler Phänomene abzulösen, letztlich gänzlich zu verdrängen und ein neues Menschenbild zu konstruieren.

Für den pädagogischen Bereich beispielsweise prognostizierten 2004 Vertreter der Hirnforschung im sog. Manifest - „Mittlerweile können wir beurteilen, welche Lernkonzepte – etwa für die Schule – am besten an die Funktionsweise des Gehirns angepasst sind.“67 Die von der Hirnforschung eingesetzten Technologien, die im Sinne pädagogischer Verbesserungen und Krankheitsprävention eingesetzt werden, rangieren von einer Reihe neuer pharmazeutischer Medikamente, was insbesondere Hasler anprangert, über Gehirn-basierte Methoden, Intelligenz und Fitness zu steigern, bis hin zu bildgebenden Verfahren für sowohl medizinische, als auch militärische Zwecke. Derart zeichnet das Projekt „Critical Neuroscience“ das mittlerweile gewohnte Bild der verheißungsvollen Selbstinszenierung der Hirnforscher nach.

Trotz des gegenwärtig realen Potenzials der Neurowissenschaften, die Gesellschaft auf diversen Ebenen nachhaltig zu beeinflussen, sehen die Autoren in einer inadäquaten

67 Manifest 2004, S. 33.

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Reflexion von neurowissenschaftlichen Forschungsergebnissen innerhalb der jeweils eigenen wissenschaftlichen Gemeinschaft einen Hauptkritikpunkt an den Neurowissenschaften. „[...] all too often, discourse and state-of-the-art are conflated, and non-reflexive futurism goes hand-in-hand with a lack of regard for a long history of dramatic promise of impending societal transformation brought about by the sciences and technologies of the brain and mind.“68 In vielen Fällen seien demnach die Repräsentation des technologischen Stands der Neurowissenschaften und diejenige ihres jeweiligen Gegenstandbereichs inadäquat vermengt, d. h. neurowissenschaftliche, überwiegend umgangssprachliche Rhetorik entspricht semantisch in den wenigsten Fällen dem terminologisch technologischen Stand, da dieser im Hinblick auf Präsentation der Forschungsergebnisse nicht in einem notwendigen terminologischen Sinn reflektiert wird. Demgemäß werden heilsversprechende Zukunftsvisionen formuliert, die einem nachhaltigen, reflektierten Einfluss der Neurowissenschaften auf verschiedene gesellschaftliche Funktionsbereiche nicht entsprechen.

Die Agenda von „Critical Neuroscience“ beinhaltet, basierend auf dieser Kritik, das Vorhaben, eine Brücke zwischen neurowissenschaftlicher Laborarbeit und sozialen wie anthropologischen Wissenschaftsdisziplinen zu schlagen. Hierfür werden Neurowissenschaftler und Nicht-Neurowissenschaftler – Philosophen, Wissenschaftshistoriker, Anthropologen – engagiert. Diese widmen sich in intendiert vermittelnder Weise sowohl individuellen als auch sozialen Symptomatiken bzw. Pathologien, wie beispielsweise Fragen nach psychischen Störungen, Entfremdung in der Arbeits- und/oder Lebensumgebungen, oder auch Konzepten von Wohlbefinden und deren Umsetzung, wie sie im neurowissenschaftlichen Diskurs um Achtsamkeit und Meditation verhandelt werden.

Zur öffentlichen Positionierung der Neurowissenschaften heißt es auf der Webseite:

68 www.critical-neuroscience.org/about [Stand: 18.03.2015].

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„[...] neurosciences; they happen because of many complex economic, political and other factors, few of which in fact are determined by scientific research, per se. Neuroscience itself, it is worth emphasizing, is nothing that could simply have an 'impact', but is itself a historically grown enterprise, always already enmeshed in a broader realm of the social and cultural.“69 Als historisch gewachsene Unternehmung seien demnach die Neurowissenschaften verwoben in einen ökonomischen wie auch politischen Kontext, der ihre Aktualität maßgeblich mitbestimme und dazu beitrüge, dass die Neurowissenschaften nicht aus sich selbst heraus ein beispielsweise neues Menschenbild konstituieren oder per se einen Einfluss auf bestimmte Bereiche ausüben.

Um diese Verwobenheiten bzw. Querverbindungen mit anderen gesellschaftlichen Funktionsbereichen kritisch aufzuzeigen, veranstaltet „Critical Neuroscience“ kollaborative Workshops und interdisziplinäre Kurse für angehende Neuro- wie auch Nicht-Neurowissenschaftler. Workshops und Konferenzen wurden bereits in Los Angeles und Montreal abgehalten, und Kurse im Cognitive Science Program der Universität Osnabrück und Marburg angeboten. Zukünftig sollen zusätzlich zu diesen Veranstaltungsformaten sog. summer/winter schools abgehalten werden, um themenspezifisch Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammen zu bringen. Explizites Ziel dieser Veranstaltungen ist die Formulierung sog. kreativer Paradigmen, die neue Interpretations-Spielräume eröffnen sollen. Wissenschaftler, die sich dem Projekt „Critical Neuroscience“ verschrieben haben, sind in geographischer Reihenfolge:

Deutschland / Schweiz Isabelle Bareiter, Felix Hasler, Kati Hennig / Berlin School of Mind and Brain der Humboldt Universität; Lukas Ebensperger / Kulturwissenschaftliches Institut der Humboldt Universität Berlin;

69 Ebd.

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Jan Slaby / Sprachphilosophisches Institut der Freien Universität Berlin; Moritz Merten / Fachbereich Pädagogik der Universität Duisburg-Essen; Saskia Kathi Nagel / Kognitionswissenschaften der Universität Osnabrück; Armin Hoyer / Medizinische Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main; Daniel S. Margulies / Fachbereich Neuroanatomie am Max-Planck Institut Leipzig; Jan-Christoph Heilinger / Philosophischer Fachbereich Ethik der Universität München; Max Stadler / Wissenschaftsgeschichte der ETH Zürich;

USA / UK u. a. Felicity Callard / Wolfson Research Institute for Health And Wellbeing der Durham University, UK; Suparna Choudhury / Soziale und transkulturelle Psychiatrie der McGill University, Kanada; Lutz Fricke / Soziologie der Queens University Belfast, Nordirland; Philipp Haueis / Fachbereich Philosophie der Wesleyan University, USA;

Hieran auffällig ist, dass 11 von 15, also zwei Drittel der aufgelisteten Wissenschaftler an deutschen Universität tätig sind.

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3.1.1.4 Mereologische Trugschlüsse – Maxwell Bennett und Peter Hacker

Die Bestrebung, sich gemeinsam um ein klares, begriffliches und methodologisches Instrumentarium für die Neurowissenschaften zu kümmern, liegt ebenfalls der Zusammenarbeit des australischen Neurobiologen Maxwell Bennett und des englischen Philosophen Peter Hacker zugrunde. 2003 legten sie die bis dahin erste systematische Bewertung dieser begrifflichen Grundlagen vor.70

Methodisch erlägen die Neurowissenschaften einem mereologischen Trugschluss, wenn dem Gehirn psychologische Attribute zugeschrieben werden, um Erklärungen von psychologischen Attributen lebender, menschlicher Wesen abzugeben. D. h. es ist wenig sinnvoll vom denkenden, fühlenden, wollenden oder achtsamen Gehirn zu sprechen, da es nicht das Gehirn ist, das denkt, fühlt, etwas will oder achtsam ist.

Eine weitere und ähnliche Misskonzeption bzgl. des menschlichen Bewusstseins lässt sich an der jeweiligen Ambiguität der Ausdrücke „conscious experience“ und „conscious states“ ablesen.71 „Conscious experience“ kann Erfahrung bedeuten, aber auch Erfahrung, die man durchlebt, genossen, erlitten hat. „Conscious states“ kann Zustände meinen, derer man sich bewusst ist, aber auch mentale Zustände, in denen sich jemand befindet, während er lediglich wach ist. Welcher Bedeutungsaspekt auch zugrunde gelegt wird, es sollte der Fehler vermieden werden, anzunehmen, dass eine bewusste Erfahrung eine Erfahrung ist, die mit der Eigenschaft ausgestattet ist, bewusst zu sein. Ein ebenfalls mereologischer Fehlschluss, der in neurowissenschaftlichen Publikationen immer wieder begegnet.

70 Bennett, Maxwell / Hacker, Peter (2003): Philosophical Foundations of Neuroscience, Malden / MA: Wiley-Blackwell. 71 Vgl. Bennett / Hacker (2013): History of Cognitive Neuroscience, Malden / MA: Wiley-Blackwell.

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3.1.2 Bezüge zur neurowissenschaftlichen Meditations-Forschung

3.1.2.1 Das Gehirn betrachtet sich selbst – Wolf Singer und das „epistemologische Caveat“

Ruft man sich Janichs Kritik an den Exklusivitätsansprüchen von Natur- und Geisteswissenschaft in Erinnerung, so konkretisieren sich diese Ansprüche auf dem Gebiet aktueller Hirnforschung als Universalismus und Transsubjektivismus. D. h. die Hirnforschung spricht einerseits über für alle Hirne geltende Hirnfunktionen, und beansprucht für ihre empirischen Ergebnisse nicht nur einzelpersönliche, sondern transsubjektive Geltung. Die Legitimität dieser neurowissenschaftlichen Ansprüche lässt sich einerseits am zu Grunde gelegten Verhältnis zwischen Explanandum und Explanans analysieren (philosophisch/logische Kritik/Janich), andererseits mit einer anthropologischen Blickrichtung (philosophisch/anthropologische Kritik/Tugendhat) auf die epistemologische Diskrepanz zwischen 1. und 3. Person Perspektive, wie auch mit Gödelscher Unbestimmtheit kontrastieren (mathematische Kritik).

Explanandum / Explanans (philosophisch/logische Kritik, Janich)

2002 konstatiert Wolf Singer in der Monographie „Der Beobachter im Gehirn“ folgende Relation: „Bei der Erforschung des Gehirns betrachtet sich ein kognitives System im Spiegel seiner selbst. Es verschmelzen also Erklärendes und das zu Erklärende.“72

In etwa vergleichbar tönt aus dem Manifest der Hirnforschung die Zukunftsvision, dass „sich unser Gehirn ernsthaft an[schickt], sich selbst zu erkennen.“73 Der portugiesische Neurowissenschaftler und Psychologe Antonio Damasio sieht die darin liegende

72 Singer 2002, S. 61. Singer 2006, S. 11. 73 Manifest 2004, S. 37.

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Problematik für die neurobiologische Erforschung menschlichen Bewusstseins in der Schwierigkeit abgebildet, zwischen drei Ebenen bzw. Sichtweisen zu vermitteln, diese angemessen zu kombinieren, „erstens der Sichtweise des direkt bezeugten bewussten Geistes, die persönlich, privat und bei jedem von uns einzigartig ist, zweitens der verhaltensorientierten Sichtweise, die es uns erlaubt, aufschlussreiche Handlungen anderer zu beobachten […], und drittens der Sichtweise der Gehirnforschung, mit deren Hilfe wir bestimmte Aspekte der Gehirnfunktion an Individuen untersuchen können […].“74

Zwischen den Ebenen der Introspektion der 1. Person Perspektive, äußeren Verhaltens und messbaren Vorgängen im Gehirn besteht eine Kluft, die Damasio zufolge nur mit einer vierten Sichtweise überbrückt werden könnte. Diese vierte, evolutionstheoretisch informierte Perspektive, die u. a. schrittweise, evolutionäre Veränderungen des Nervensystems historisch aufarbeitet, mündet in einen eingeschränkten Realismus und eine biologisch begründete Epistemologie, wie sie neben Francisco Varela beispielsweise auch von den Neurowissenschaftlern Gerald Edelman (US- amerikanischer Molekularbiologe) und Guilio Tononi (italienischer Psychiater) vertreten wird.75

Vertreter eines eingeschränkten Realismus verstehen „Bewusstsein [als] ein physikalisches Geschehen […], das in jedem einzelnen Individuum seine Verkörperung findet“76, „aus dem Körper und dessen Entwicklung hervor[geht], […] an körperliche Strukturen gebunden und daher Teil der Natur [ist].“77 Die Annahme der Verkörperung von Bewusstsein zieht die Frage danach nach sich, wie sich das menschliche Gehirn evolutionsgeschichtlich entwickelte. Epistemologisch erkundigt sich dieses biologische

74 Damasio 2010, S. 27. 75 Vgl. Edelman, Tononi 2000, S. 283 ff. 76 Ebd., S. 283. 77 Ebd., S. 295.

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Paradigma entsprechend danach, wie höhere Hirnfunktionen78 entstehen und wie sich diese angemessen beschreiben lassen, wie Information in der Natur entsteht, und wie der Mensch (biologisch) dazu kommt, zu wissen.

Bezug Meditationsforschung: Verkörperung / embodiment (Varela u. a.)

Hieran wird das methodologische Dilemma der Neurowissenschaften deutlich, demzufolge die Erklärung von Hirnfunktionen letztlich durch das kognitive System des jeweiligen Hirnforschers erfolgt. Anders gesagt – die „Exowelt“ lässt sich nur aus einer „Endoperspektive“ betrachten.79

Singer zufolge verschmelzen Erklärendes und das zu Erklärende.80 Gesteht man allerdings für die Sinnhaftigkeit naturwissenschaftlicher Forschung zu, dass stets das Explanandum zuerst und hinreichend genau bestimmt sein muss, dass bei dem begonnen wird, was eine Erklärung fordert, um dann zu dem zu kommen, was eine Erklärung leistet, handelt es sich bei der angenommenen Verschmelzung von Explanandum und Explanans um ein Missverständnis bzw. einen Kategorienfehler. „Denn wo die Scheidung von Explanans und Explanandum nicht streng gelingt, kann trivialerweise auch keine Erklärung gelingen. Und wenn, entgegen der oben vorgebrachten Einwände, tatsächlich die Hirnforschung das Vorgehen und die Ergebnisse der Hirnforschung erklären könnte, wäre eine solche Erklärung bestenfalls zirkulär und hätte keinen empirischen Realitätsbezug als Geltungskriterium“81, so

78 Die Autoren Edelman und Tononi unterscheiden sog. höhere Hirnfunktionen eines Bewusstseins höherer Ordnung von Funktionen eines primären Bewusstsein. Das primäre Bewusstsein meint „die Fähigkeit, ein integriertes mentales Szenario der Gegenwart entstehen zu lassen, für das Sprache oder ein Sinn für das eigene Selbst zunächst einmal keine Rolle spielen.“ (S. 107.) Im Gegensatz dazu beinhalten höhere Hinfunktionen beispielsweise die Fähigkeiten zur Selbst-Reflexion, Sprache, Erzählung, Fiktion, Historie. 79 Vgl. Rössler 1992. 80 Vgl. Singer 2002, S. 61. Vgl. Singer 2006, S. 11. 81 Janich 2006, S. 92.

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Janich.

Singer ist sich dieses Dilemmas durchaus bewusst. 2006 räumt er für naturwissenschaftliche Legitimierung in dem Essay „Vom Gehirn zum Bewusstsein“ ein, dass „wir [die Naturwissenschaftler] […] Weltbeschreibungen als zutreffend [betrachten], wenn sich die aus ihnen abgeleiteten Voraussagen durch Experimente, durch intersubjektiv vereinbarte Beobachtungsverfahren bestätigen lassen. Doch sind auch diese Beobachtungsstrategien von uns erdacht.“82

Lösung für dieses „epistemologische Caveat“, wie Singer es nennt, ist schliesslich die Verbannung der Annahme eines cartesianischen Beobachters im Gehirn, zugunsten von Neuronennetzen, die eine Antwort auf das sog. Bindungsproblem geben sollen. Das Bindungsproblem meint die Frage nach hirnphysiologischen Korrelaten hinsichtlich der Verarbeitung des Gehirns von einer Vielzahl von Sinneseindrücken und der damit einhergehenden Konstruktion einer einheitlichen Wahrnehmung. Dies bestätigt die Charakterisierung der bzw. die Unterstellung an die Kognitionswissenschaftler, die dem Philosophen Slavoj Žižek zufolge versuchen, „empirisch zu beweisen, dass es keinen einheitlichen Schauplatz des Selbst gibt, sondern nur Pandämonium wetteifernder Mächte“83 bzw. Neuronennetze.

Zur 1./3. Person Perspektive (philosophisch/anthropologische Kritik Tugendhat)

Auf der Folie kultureller Pluralität, die mit menschlicher Universalität verknüpft gedacht ist, begreift Tugendhat die beiden Perspektiven als zwei verschiedene „Arten, sich auf Historisches zu beziehen“84, als „zwei Haltungen, die sich aus einer

82 Singer 2006, S. 13. 83 Žižek 2010, S. 7. 84 Tugendhat 2003, S. 165.

55 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

einheitlichen grammatisch-semantischen Struktur ergeben.“85

Das bedeutet, die erste Art, sich auf Achtsamkeitsmeditation zu beziehen, wäre, historische Textzeugen wie das Abhidharma heran zu ziehen, um einerseits beispielsweise eine bestimmte Anleitung zur Meditation nachzuvollziehen bzw. davon zu berichten, andererseits sich historisch-analytisch an der Beantwortung der Frage zu versuchen, ob und inwieweit diese Meditationsanleitung grammatisch-semantisch begründet ist. Diese Blickrichtung nennt Tugendhat die Perspektive der 3. Person.

Die zweite Art sich auf Achtsamkeitsmeditation zu beziehen läge in der je eigenen Praxis der Meditation. Dabei spielen die historischen Textzeugen eine eher inspirative Rolle, d. h. es ginge, Tugendhat zufolge, nicht darum, was eine Meditationsanleitung des Abhidharma im Detail beinhaltet, ebenso wenig um die diese Anleitung rechtfertigenden Gründe, vielmehr möchte man in Perspektive der 1. Person wissen, „ob es wahr ist“86, ob beispielsweise Achtsamkeitsmeditation auf beschriebene Weise wirkt. Voraussetzung dieser Art, sich auf Historisches zu beziehen, ist, dass sich der Meditierende auf denselben propositionalen Gehalt beziehen kann wie beispielsweise der Verfasser einer historischen Meditationsanleitung.

Ort- und Zeitlosigkeit scheinen daher Voraussetzungen für das Einnehmen einer 1. Person-Perspektive zu sein. Sowie die Ansicht, „dass Bewusstsein in jedem Individuum privat und auf einzigartige Weise verkörpert ist und dass keine Beschreibung wissenschaftlicher oder sonstiger Art an die individuelle Erfahrung dieser Verkörperung heranzureichen vermag“87.

Es sei angemerkt, dass Tugendhats Sichtweise auf die Problematik methodischer

85 Ebd., S. 169. 86 Ebd., S. 165. 87 Edelman, Tononi 2000, S. 285.

56 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Differenz von 1./3. Person-Perspektive eine geschichtsphilosophische ist. Ausgehend von einer Kritik an Gadamers hermeneutischer Annahme der Horizontverschmelzung verweist Tugendhat auf die Grenzen einer 1. Person Perspektive, da er er Ansicht ist, „daß die Perspektive der 1. Person die wichtigere Fragerichtung ist, aber sie setzt doch die möglichst weitgehende Erforschung in der Perspektive der 3. Person voraus.“88

Bezug Meditationsforschung (Singer, Ricard)

Was bedeutet dieses neurobiologische Postulat eines „Nicht-Beobachters“ für die neurowissenschaftliche Erforschung von Meditation? Welche Anknüpfungspunkte ergeben sich zwischen der objektivierbaren 3. Person Perspektive des Hirnforschers und dem selbstreferentiellen, praktischen Ansatz einer 1. Person Perspektive des Meditierenden?

Auf der Grundlage von fünf Treffen, u. a. auf Veranstaltungen des Mind and Life Institute, des Neurophysiologen Singer mit dem buddhistischen Mönch und Molekularbiologen Matthieu Ricard in den Jahren 2005 bis 2007 entstand 2008 eine Art Zusammenfassung dieser Gespräche in Form des Buches „Hirnforschung und Meditation. Ein Dialog“.

Ricard legt darin die maßgebliche Rolle eines Beobachters, insbesondere für eine Erforschung des Bewusstseins aus 1. Person Perspektive in der Meditation, dar. Entgegen einer Dualität von getrennten Ebenen des Bewusstseins bilden die Grundlage der Meditation „verschiedene[n] Aspekte von Bewußtsein: eine Basiseigenschaft, die immer da ist, das reine Gewahrsein und die mentalen Konstrukte, die sich darin entfalten und ständig verändern. Statt von Dualität würden wir eher von Kontinuität sprechen. […] Hinter der Trennwand von Gedanken liegt immer und zu jeder Zeit ein

88 Ebd., S. 169.

57 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

reines Bewußtsein, das nicht von seinem Inhalt getrübt ist.“89

Als Basiseigenschaft bzw. Dynamik des menschlichen Bewusstseins legt Ricard demnach ein nicht-duales Modell von Achtsamkeit zugrunde gelegt. D. h. dass zwar eine Dualität zwischen einem Objekt, das präferiert oder verworfen wird und einem dadurch konstituierten Subjekt/Selbst besteht, der Geist in diesem Kontinuum jedoch bereits erwacht und lediglich durch unheilsame Haltungen verdeckt bzw. getrübt ist.90

Singer vermutet in dieser Beschreibung des Bewusstseins „auf der einen Seite […] [einen] unberührbare[n] Betrachter, dessen Blick weder durch Emotionen, Affekte und Fehlwahrnehmungen getrübt werden kann, und auf der anderen […] [einen] abgespaltene[n], fehlbare[n] Teil des Ichs, der inneren Konflikten ausgesetzt ist, […]“91, in mentalen Praktiken letztlich eine Dissoziation des Ichs. Dabei geht es Ricard in dem Spannungsverhältnis von sog. reinem Bewusstsein und es verdeckenden, unheilsamen Geisteszuständen um die Betonung der Entwicklung von Selbst-Vertrauens.

3.1.2.2 „Neuro-Ehrfurcht oder die bildgebenden Verfahren kognitiver Neurowissenschaften

Die argumentative Stoßrichtung Felix Haslers sind die Produkte bildgebender Verfahren, sog. neuro-images. „Neuro-Ehrfurcht“ ist das Stichwort unter dem die Reaktionen gegenüber der Magnetresonanztomographie als Technologie und ihren Bildern laufen.

Es sind allerdings nicht nur die bunt markierten Kernspin-Bilder des menschlichen Gehirns, die derartige Reaktionen in der öffentlichen Wahrnehmung auslösen, auch der

89 Singer, Ricard 2008, S. 17. 90 Vgl. Olendzki 2013, S. 67 f. 91 Singer, Ricard 2008, S. 18.

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immer wiederkehrende, meist an den Anfang von Präsentationen oder Buch- Publikationen gestellten Hinweis auf die Quantität neurowissenschaftlicher Publikationen zum Thema „mindfulness“, „compassion“ oder „empathy“ bezogen auf einen bestimmten Zeitraum scheint die neurowissenschaftliche Selbst-Legitimierung voran zu treiben. Dass dabei im Zeitraum der Jahre von 1980 bis 2000 jährlich im Durchschnitt ungefähr 20 Aufsätze zum Thema Achtsamkeit bzw. „mindfulness“ publiziert wurden und im Jahre 2005 ungefähr 80 Schriften, 2010 schliesslich 360 Publikationen vorlagen, mag die Aktualität der neurowissenschaftlichen Achtsamkeitsforschung repräsentieren, aber dabei nur beeindrucken, solange man die Quantität dieser Publikationen in ihrer grafisch-statistischen Gestalt als Garant für deren Qualität und Wissenschaftlichkeit deutet.

Abbildung 3: A. Zajonc 2012, Mind and Life Institute European Symposium/Präsentation

Der Status einer kulturellen Ikone, den Joyce der Magnetresonanztomographie zuschreibt, trifft Hasler zufolge den Nerv der „ikonophile[n] Spezies Mensch [,auf die] die bunten Tomographiebilder ganz automatisch die verführerische Suggestivkraft einer

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wahrheitsgetreuen Abbildung [entwickeln].“92 D. h. Menschen (wollen) glauben, was sie sehen. Strukturelle oder funktionelle MRT-Aufnahmen sind jedoch keine wahrheitsgetreuen Abbildungen des Gehirns bei seiner Aktivität. Doch was genau sieht man beim Betrachten einer MRT-Aufnahme? Welche Aspekte (hirn-)physiologischer Zustände bzw. Vorgänge werden jeweils mit struktureller und funktioneller Magnetresonanztomographie zur Darstellung gebracht und wie?

Ein bewusst knapp gehaltener und für die Zwecke der vorliegenden Arbeit dienlicher Exkurs in die Historie der bildgebenden Verfahren, die zur neurowissenschaftlichen Meditationsforschung genutzt werden, soll im Folgenden drei Kritikpunkte an neurowissenschaftlichen Interpretationsansätzen verdeutlichen. Erstens können sich Neurowissenschaftler des Vorwurfes reduktionistischer Schlussfolgerungen aus neuro- images nicht erwehren. Zweitens stellen die von Neurowissenschaftlern unberücksichtigten bzw. unhinterfragt vorausgesetzten Übersetzungsketten als basale Konstitution der jeweiligen Interpretation von neuro-images die Plausibilität der Deutungen massiv in Frage. Drittens handeln sich Neurowissenschaftler mit der teilweisen Ignoranz dessen, was auf neuro-images nicht zur Darstellung gelangt oder nicht oder nur unzureichend interpretiert werden kann, letztlich den Vorwurf der Unzulänglichkeit ihrer jeweiligen Interpretation ein. Der im Folgenden ausgeführte historische Überblick dient der Erhellung genannter Kritikpunkte.

Bevor am 17. Juli 1990 die Dekade des Gehirns, „Decade of the Brain“, von der US- amerikanischen Regierung ausgerufen wurde, um neurowissenschaftliche Forschung auch finanziell voranzutreiben, können an die hundert vorausgegangene Jahre als Zeitraum der Entwicklung bildgebender Verfahren gelten. Für die Hirnforschung haben sich dabei unterschiedliche Verfahren als aussagekräftig, gerade im Hinblick auf die medizinische Diagnostik, gezeigt – die Elektro-Encephalographie (EEG), die Kernspin-

92 Hasler 2012, S. 43.

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Tomographie (entspricht der strukturellen Magnetresonanztomographie, kurz MR oder MRT), die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT). „Insbesondere durch die Kombination mehrerer dieser Technologien können wir das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale darstellen, das uns kognitive Funktionen wie Sprachverstehen, Bilder erkennen, Tonwahrnehmung, Musikverarbeitung, Handlungsplanung, Gedächtnisprozesse sowie das Erleben von Emotionen ermöglicht.“93

Allen Verfahren voran ist sicherlich die Entdeckung der Röntgen-Strahlen zu nennen. So war es bis 1895, abgesehen von operativen Eingriffen, medizinisch nicht möglich, in das Innere des Menschen zu „sehen“. Der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen revolutionierte in diesem Jahr mit den Erkenntnissen seines Aufsatzes „Über eine neue Art der Strahlen“ die Medizin. Nun war es möglich, mit Hilfe eines Röntgen-Geräts anatomische Sachverhalte, beispielsweise einen Knochenbruch, in einer Röntgen- Aufnahme sichtbar zu machen.

Demgegenüber bilden Kernspin- bzw. strukturelle Magnetresonanz-Tomogramme in Hell-Dunkel-Konstrasten die Dichte von Wasserstoffkernen im Gehirn ab. „In starken Magnetfeldern werden Protonen (Wasserstoffkerne) durch elektromagnetische Wellen im Radiofrequenzbereich angeregt, was zur Induktion elektrischer Signale im Empfängerstromkreis führt. Diese elektrischen Signale werden ort- und zeitabhängig aufgezeichnet und in Bilder zurückgerechnet.“94

Die erste strukturelle MRT-Aufnahme entstand am 28. August 1980, als der schottische Physiker John Mallard eine Ganzkörper-MRT-Messung durchführte. Seitdem hat sich die Kernspin-bzw. die strukturelle Magnetresonanz-Technologie im medizinischen

93 Manifest 2004, S. 34. 94 Hasler 2012, S. 40.

61 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Bereich weltweit durchgesetzt.

Röntgen- und strukturelle MRT-Aufnahmen zeigen je eine „quasi-fotografische Abbildung dessen, »was tatsächlich da« ist […], nur dass ein anderes physikalisches Messprinzip genutzt wird und der technische Aufwand ungleich größer ist.“95 Ein Röntgen-Bild zeigt den genannten Knochenbruch, ein strukturelles MRT-Bild, Hasler zufolge, beispielsweise die anatomische Lokalisation eines Tumors. Mittels des PET-Verfahrens können im Gegensatz dazu „Veränderungen der lokalen Durchblutung, des Zucker- oder Sauerstoffwechsels indiziert [Anmerkung CL: durch Injizierung eines Kontrastmittels] oder, […] die mit der Hör-, der Seh-, der Sprech- und der Denkaktivität verbundenen Erregungszustände im Gehirn lokalisiert und in ihrer Intensität veranschaulicht werden.“96 Es handelt sich um die statische Abbildung eines bestimmtem Zustandes einer Gehirnregion. Das Zusammenspiel mit anderen Gehirn- Arealen kommt hierbei nicht zur Darstellung. Es werden Stoffwechselprozesse visualisiert. Seit 1975, nachdem die US-amerikanischen Physiker Michel Ter-Pogossian und Michael Phelps ihre Ergebnisse zur Entwicklung der PET veröffentlicht hatten, kommt dieses Verfahren in der Medizin-Diagnostik zum Einsatz.

Im Jahr 1982 wurde durch den US-amerikanischen Radiologen Keith Thulborn der „BOLD-Effekt“ zum ersten Mal festgestellt. „BOLD“ steht als Abkürzung entsprechend für „blood-oxygen-level-dependent“. Seit Anfang der 1990er Jahre wurde darauf fussend die strukturelle MRT zur funktionellen MRT weiterentwickelt. Der Publizist und Philosoph Gert Scobel, der sich umfassend mit gegenwärtigen Neuro-Diskursen wie auch der neurowissenschaftlichen Meditationsforschung beschäftigt hat, fasst die Messmethode der funktionellen Magnetresonanztomographie auf populärwissenschaftliche, verständliche Weise zusammen. „Man sieht also nicht

95 Ebd., S. 39 ff. 96 Bauer/Ernst 2010, S. 260.

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sozusagen in ein Gehirn, sondern nutzt stattdessen zur Herstellung der Bilder den Umstand, dass Blut je nach Zustand unterschiedliche magnetische Eigenschaften annimmt. Kommt es zu einer erhöhten Aktivität in einem Gehirnbereich, d. h. zu einer Steigerung des Stoffwechsels, dann erhöht sich damit auch der Blutfluss. Die Konzentration des oxygenierten (sauerstoffreichen) steigt im Verhältnis zum desoxygenierten (sauerstoffarmen) Blut an. Diese Zustandsänderung des Hämoglobins, des roten Blutfarbstoffs, an den sich Sauerstoff gebunden hat (den »BOLD-Effekt«), kann man sichtbar machen.“97 Was mittels dieser bildgebenden Methode gemessen werden kann, ist demnach lediglich eine Erhöhung des Blutflusses. Die „Korrelation einer zerebralen Blutflussänderung mit einem mentalen Vorgang ist das Grundprinzip der heutigen fMRT.“98

Zusammenfassend lässt sich sagen – PET visualisiert Stoffwechselprozesse, Kernspin bzw. strukturelle MRT visualisiert die Dichte von Wasserstoffkernen, funktionelle MRT visualisiert die Zustandsänderung roter Blutkörperchen. Der Begriff sog. bildgebender Verfahren ist dabei, laut Hasler, überaus treffend, da „in der Wortwahl […] zum Ausdruck [kommt], dass es sich bei diese[n] Visualisierungsverfahren nicht einfach um eine Abbildung, sondern um einen Herstellungsprozess handelt.“99 Zudem gäbe es, so Hasler eine Studie am UCSD Neurovascular Imaging Laboratory, die gezeigt hat, „dass neuronale Aktivität bisweilen auch zu einer Verengung und gar nicht zu einer Erweiterung der Blutgefäße führt.“100 Das bedeutet, dass die ohnehin indirekte Messung des sog. „BOLD-Effekts“ nicht zwangsläufig die Standardinterpretation funktioneller MRT-Aufnahmen stützt.

Neuronale Aktivität, die bedeutet, „dass sich an einem bestimmten Ort im Gehirn die

97 Scobel 2008, S. 219. 98 Hasler 2012, S. 42. 99 Ebd., S. 43. 100Ebd.

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Frequenz der elektrischen Entladungen […] in den Nervenzellen ändert“101, kann mittels bildgebender Herstellungs-Verfahren verschiedener Messmethoden visualisiert werden, doch was auf einer MRT-Aufnahme tatsächlich sichtbar wird, ist den obigen Ausführungen entsprechend nicht die Sache selbst oder das Gehirn bei der Arbeit. Der Medienwissenschaftler Christoph Ernst bezeichnet die Annahme, „die von den jeweils neuesten technischen Errungenschaften erzeugten Bilder seien keine Konstrukte, sondern die Sache selbst“102 als naiv.

Erster Vorwurf – Reduktionistische Schlussfolgerungen

Man handle sich, so Ernst, den Vorwurf des Reduktionismus ein, wolle man komplexe Vorgänge, menschlicher Wahrnehmung beispielsweise, auf lediglich ein Schaubild reduzieren. Es sei angemerkt, dass Neurowissenschaftler auf gewisse Weise immun gegen diese Beobachtung zu sein scheinen, bezeichnen sie sich selbst explizit als Reduktionisten - „Als Neurowissenschaftlerin und Reduktionistin gehe ich davon aus, dass alle […] Verhaltensweisen mit der Hirntätigkeit zusammenhängen, die wiederum von der Hirnstruktur abhängt.“103

Der Vorwurf des Reduktionismus lässt sich demnach nicht nur auf die Relation von mentalen Vorgängen und deren vermeintlichen Schaubildern beziehen. Auch die gesetzte Grundannahme neurowissenschaftlicher Forschungspraxis, dass menschliches (und tierisches) Verhalten nicht nur mit entsprechender Hirntätigkeit korreliert, sondern auf eine je spezifische Hirnstruktur reduziert und somit abgebildet werden kann, hält dem Vorwurf des Reduktionismus nicht stand.

Ernst zufolge muss unterschieden werden zwischen legitimen und illegitimen Formen

101 Ebd. 102 Bauer/Ernst 2010, S. 261. 103 Lazar 2012, S. 71 ff.

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der Reduktion. Denn Naturwissenschaftliche Reduktion legitimiert sich sicherlich dadurch, auf diese Weise „einfache Erklärungen und allgemeine Gesetze für eine Vielzahl von (zusammengesetzten) Erscheinungen zu finden“, wohingegen neurowissenschaftlicher Reduktionismus „sich nicht nur aus der Simplifikation der Probleme, sondern auch aus der Simplifikation der Problemlösung ergeben kann.“104 D. h. neurowissenschaftliche Interpretationsansätze zu MRT-Aufnahmen unterscheiden nicht stringent zwischen den epistemischen Gehalten ontologisch verschiedener Phänomenbereiche von: menschlichem Verhalten (Ausdruck, Repräsentation) – mentalen Vorgängen (Erleben) – spezifischer Hirntätigkeit (hirnphysiologisches Korrelat).

Zweiter Vorwurf – Inadäquater Interpretationsprozess

Insofern sei es ein inadäquater Gedankensprung, aus einem solchen Schaubild Interpretationen hinsichtlich der Bedeutung des vermeintlich Dargestellten abzuleiten. „Der maschinelle Blick in einen lebenden Menschen bedingt eine komplizierte Übersetzung seiner biologischen Struktur in Zahlen, die dann wiederum zu Bildern umgerechnet werden. Und am Ende der Übersetzungskette steht der fehleranfällige Mensch, meist in Gestalt eines Radiologen, der die MRT-Bilder liest, beurteilt und daraus eine Diagnose ableitet.“105 Das oben genannte Verhältnis zwischen Ausdruck, Erleben und dessen hirnphysiologischem Korrelat liegt der von Hasler sog. Übersetzungskette zugrunde. Neurowissenschaftler setzen die Ebene neurophysiologischer Korrelate für den Einsatz der MRT-Technik an. Daraus ergeben sich epistemische und ontologische Fragen nicht nur für den Bereich der ungeklärt vorausgesetzten Zusammenhänge (Ausdruck – Erleben), sondern auch im Hinblick auf die Übersetzungsplausibilität der MRT-Bilder,

104 Bauer/Ernst 2010, S. 262. 105 Hasler 2012, S. 40.

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das schlussendlich auf dem methodologischen Fundament des jeweiligen Interpreten fußt.

Dritter Vorwurf – Das, was nicht zur Darstellung gelangt

Darüber hinaus „folgt aus dem Umstand, dass man dieses oder jenes mit einem bildgebenden Verfahren zeigen kann, noch lange nicht, dass all das, was nicht zur Darstellung gelangt, gar nicht existiert oder irrelevant wäre.“106 Bezüglich der interpretatorischen Grundlage von neuro-images lässt sich dieser Vorwurf noch um den Hinweis auf das Phänomen sog. UBOs erweitern. Als UBOs, „unidentified bright objects“ (nicht identifizierte helle Objekte), kennzeichnen Radiologen helle Flecken auf MRT-Aufnahmen, deren Herkunft unklar ist.107 Darüber hinaus weist Scobel neben dem, was zur Darstellung kommt, auf sog. Artefakte in MRT-Bildern hin, „Ergebnisse, die erst durch die technische Einwirkung und die Messung selbst entstehen.“108 Demnach zeugt nicht nur das, was nicht zur Darstellung gelangt, auch das, was tatsächlich zur Darstellung kommt, sofern es sich um UBOs oder sonstige Artefakte handelt, von der quasi vorprogrammierten Unzulänglichkeit neurowissenschaftlicher Interpretation.

106 Bauer/Ernst 2010, S. 262. 107 Vgl. Hasler 2012, S. 40. 108 Scobel 2008, S. 219.

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3.1.2.3 Emergenz und die fünf Aggregate

„Solange noch gar nicht ausgemacht ist, wie man von der molekularbiologischen Beschreibung der Gehirnaktivität in das Reich der Bedeutungen gelangt, dessen wir uns im Erleben bewusst werden, ist jeder Sprung von einer Ebene zur nächst höheren eine Metabasis, die mit dem oft leichtfertig gebrauchten Begriff der Emergenz nur unzureichend kaschiert wird.“109 Wenn Emergenz derjenige Begriff ist, der die ontologisch verschiedenartige Ebenen hirnphysiologischer Vorgänge oder Zustände einerseits und der Bedeutung(en) andererseits epistemologisch zusammenbringen soll, handelt es sich bei diesen Bemühungen lediglich um monistische Ausflüchte.

Im gegenwärtigen neurowissenschaftlichen Diskurs kursieren in Nuancen unterscheidbare, konkurrierende Dispositive von Emergenz-Typen. Janich unterscheidet grundsätzlich drei verschiedene Typen von Emergenz, wobei der dritte Emergenz-Typ derjenige ist, der für die kognitiven Neurowissenschaften von Relevanz ist.110

Erstens sei der einfachste Fall von Emergenz eine definitorische Emergenz, die auf sprachlicher Ebene logisch stringent sein muss. Janich veranschaulicht dieses Verhältnis anhand eines Getriebes, wobei zwei ineinandergreifende Zahnräder ein Getriebe bilden. „»Getriebe sein« ist gegenüber der »Eigenschaft Zahnrad sein« definitorisch emergent.“111 Das Zusammenwirken mindestens zweier Zahnräder führt definitorisch zu etwas Neuem.

Den zweiten Emergenz-Typ nennt Janich die kausale Emergenz, die kausale Verursachung von etwas genuin Neuem. Das bedeutet, „dass aufgrund von selbstorganisierenden Prozessen Physikalisches etwas hervorbringen kann, was nicht

109 Bauer/Ernst 2010, S. 262. 110 Vgl. Janich 2009, S. 170 ff. 111 Janich 2009, S. 170.

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mehr strikter Kausalität unterliegt.“112 In einem Uhrwerk beispielsweise kann ein Zahnrad allein nicht die Funktion der Zeitanzeige leisten, erst das Zusammenspiel aller funktionellen Teile der Uhr bedingt kausal die Zeitanzeige, die emergent aus diesem Zusammenspiel hervorgeht.

Der dritte Typ von Emergenz lässt sich an folgendem Zitat Singers verdeutlichen. In der Deutschen Zeitschrift für Philosophie formuliert Singer 2004 folgenden Zusammenhang zwischen menschlichem Verhalten bzw. kognitiven Leistungen und neuronalen Vorgängen. „Natürlich sind diese beobachtbaren kognitiven Leistungen mit den zu Grunde liegenden neuronalen Prozessen nicht identisch. Wir verwenden deshalb unterschiedliche Beschreibungssysteme zur Darstellung von Verhaltensleistungen und neuronalen Prozessen, und wir sagen, Verhaltensleistungen seien emergente Eigenschaften neuronaler Vorgänge. Damit soll ausgedrückt werden, dass die kognitiven Funktionen mit den physiko- chemischen Interaktionen in den Nervennetzen nicht gleichzusetzen sind, aber dennoch kausal erklärbar aus diesen hervorgehen.“113 Das bedeutet, Verhalten korreliert nicht nur mit neuronalen Vorgängen, Verhalten geht aus neuronalen Vorgängen, laut Singer, kausal hervor, emergiert aus den physiko-chemischen Interaktionen in neuronalen Netzwerken.

Dieser Typ von Emergenz unterscheidet sich insofern von dem von Janich zweit genannten Emergenz-Typ, als dass kognitive Leistungen gestört sein können, dabei jedoch „der Unterschied von Erkenntnis und Irrtum […] in kausal determinierten Systemen überhaupt nicht vorkommen [kann]“114, so Janich. Überzeugender Grund dafür kann mithilfe der Kontrapositionsregel angeführt werden. Logisch gilt für Aussagen A und B: „Aus (wenn A, dann B) folgt (wenn nicht B, dann nicht A)“. Das

112 Ebinger 2012, S. 150. 113 Singer 2004, S. 236. 114 Janich 2009, S. 173.

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heißt, wenn neuronale Vorgänge kognitive Leistungen kausal bedingen, folgt daraus, dass Störungen kognitiver Leistungen keine neuronalen Vorgänge voraussetzen. Dem würde man gemeinhin nicht zustimmen, da Störungen kognitiver Leistungen letztlich mit Störungen neuronaler Vorgänge einhergehen. „Hirnforscher können daraus lernen: Weil wir mit denselben organismischen Ausstattungen irren, mit denen wir auch erkennen, kann Erkennen keine Kausalwirkung des neuronalen Apparats sein.“115

Francisco Varela gibt in seinem Essay „Cognitive Science. A Cartography of Current Ideas“ 1988 einen historischen Überblick über verschiedene Phasen der Kongitionswissenschaft und Kognitionstechnik, aus denen sich das konnektionistische Konzept der Emergenz erklärt. So leite das kognitivistische Paradigma der 1960er Jahre die parallele Geschichte von Geist und Natur ein, wohingegen die Begriffe Wissen und Erkennen im Vorfeld als Domänen der Psychologie und Philosophie zu verorten waren.

Wesentliche wissenschaftliche Disziplinen der Kognitionswissenschaft und Kognitionstechnik, so Varela, seien die künstliche Intelligenz Forschung, Neurowissenschaften, kognitive Psychologie, Linguistik und Epistemologie. Ein kartographischer Überblick über diese disziplinären Bereiche und ihre jeweiligen von Varela, Evan Thompson und Eleanor Rosch verorteten Vertreter findet sich in „The Embodied Mind. Cognitive Science and Human Experience“ der drei Autoren von 1993.116

115 Janich 2009, S. 173. 116 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 7.

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Abbildung 4: Überblick über die verschiedenen Disziplinen der Kognitionswissenschaften mit ihren jeweiligen Vertretern

Als erste historische Phase, als Gründerjahre, kennzeichnet Varela den Zeitraum der Jahre 1943 bis 1953. Hauptsächlich am MIT und in Princton waren es John von Neumann, Norbert Wiener, Alan Turin, Warren McCulloch, die sich um eine Naturalisierung der Epistemologie bemühten. Wiener prägte schliesslich den Namen Kybernetik. Diese Unternehmung kann als Naturwissenschaft des Denkens und Erkennens verstanden werden, die kognitive Leistungen in mathematische Formeln abzubilden versuchte. Kognition wurde unter kybernetischen Gesichtspunkten als Rechenprozess verstanden. Insbesondere der Aufsatz von McCulloch/Pitt „A logical calculus immanent in nervous activity“ von 1943 gilt als grundlegend für die Kybernetik. Logik soll als adäquate Disziplin angesehen werden, um Denken und Erkennen zu erklären. Das Gehirn verkörpert dabei logische Prinzipien, d. h. ein Neuron ist entweder aktiv oder inaktiv, wahr oder falsch. Das Gehirn wurde somit als deduktive Maschine verstanden.

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In den Jahren 1956 bis 1985 machten sich Herbert Simon, Noam Chomsky, Marvin Minsky und John McCarthy für ein kognitivistisches Paradigma stark. Kognition wurde ausgehend von kybernetischen Überlegungen als Rechen mit symbolischen Repräsentationen verstanden. „Die wesentliche Behauptung der Kognitivisten ist, daß intelligentes Verhalten die Fähigkeit voraussetzt, die Welt als in bestimmter Weise seiend zu repräsentieren oder abzubilden. […] Kognition sei Handeln auf der Grundlage von Repräsentationen, die physikalisch in Form eines symbolischen Kodes im Gehirn oder in einer Maschine verwirklicht sind.“117 Computer stellen demnach ein mechanisches Modell des Denkens dar, in dem eine starke Beziehung zwischen Syntax und Semantik angenommen wird. Es sind verschiedene Ebenen, die intelligentes Verhalten „bedingen“: Die Ebene der Neurobiologie, eine davon geschiedene und irreduzible Ebene der Symbole, und eine semantische bzw. repräsentationale Ebene.

Während in Programmiersprachen die Semantik in der Syntax enthalten ist - der Programmierer prägt die Semantik sozusagen in die Syntax – ist für menschliches Denken jedoch nicht klar, „wie symbolische Ausdrücke, die nach Meinung der Kognitivisten im Gehirn kodiert sind, ihre Bedeutung erhalten.“118 Im kognitivistischen Modell interagiert ein System schliesslich lediglich mit der Form der Symbole, nicht mit ihrer Bedeutung. Kognition ist entsprechend regelgeleitete Symbolmanipulation. Das kognitivistische Paradigma der kognitiven Neurowissenschaften meint entsprechend die Grundidee, dass das Gehirn ein informationsverarbeitender Apparat ist, der selektiv auf Merkmale der Umwelt reagiert.

Zwei Kritikpunkte an diesem Paradigma zielen nachvollziehbar auf einerseits die Symbolverrechnung als der angemessene Trägerebene für Repräsentationen, andererseits auf die Adäquatheit des Begriffs der Repräsentation.119 Die in den USA

117 Varela 1990, S. 39. 118 Ebd., S. 43. 119 Vgl. Varela 1990, S. 53.

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zwischen 1946 und 1953 stattfindenden, interdisziplinären Macy-Konferenzen beinhalteten im Hinblick auf diese Kritikpunkte bereits eingehende Diskussionen der Tatsache, „daß sich in wirklichen Gehirnen weder Regeln noch eine zentrale logische Verarbeitungseinheit finden, und daß keine Information unter exakten Adressen gespeichert ist. Es schien vielmehr klar, daß Gehirne auf der Grundlage zahlloser weitverzweigter Verknüpfungen arbeiteten, so daß die tatsächlichen Beziehungen zwischen Neuronengruppen sich aufgrund von Erfahrungen verändern.“120

Auch für den deutschen medizinischen Psychologen und Biologen Ernst Pöppel verbietet sich die Annahme von hirnphysiologischen Zentren, die bestimmte Funktionen repräsentieren. „Umschriebene Areale des Gehirns mit bestimmten Funktionen sind eine notwendige, doch keine hinreichende Bedingung, um eine bewußte Repräsentation jener Funktion zu haben, die dort repräsentiert ist.“121 An diesen Neuronengruppen oder -netzwerken wird zudem das Prinzip der Selbstorganisation sichtbar, das jedoch auch mit logischer Hilfe ebenfalls nicht einholbar ist, wie für den dritten Typ von Emergenz durch Janich gezeigt werden konnte.

Anzumerken ist, dass der Begriff der Selbstorganisation, der in den Jahren der Kybernetik geprägt wurde, von den Termini Emergenz, emergente/globale Eigenschaften oder Synergetik (Lehre vom Zusammenwirken122) abgelöst wurde. „The strategy […] is to built a cognitive system not by starting with symbols and rules but by starting with simple components that would dynamically connect to each other in dense ways.“123 Entsprechend danken Symbole bzw. die Ansicht vom menschlichem Gehirns als symbolverarbeitendem Apparat zugunsten eines konnektionistischen Paradigmas wissenschaftshistorisch ab.

120 Varela 1990, S. 54. 121 Pöppel 2010, S. 428. 122 Vgl. Haken 1988. 123 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 88.

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So wurde im Jahr 1982 die disziplinäre Bezeichnung Konnektionismus für diejenige Forschungsrichtung durch die US-amerikanischen Kognitionswissenschaftler bzw. Kybernetiker Jerome Feldman und Dana Ballard eingeführt,124 die ihr Augenmerk auf sog. übergreifende Eigenschaften und deren Veränderungen von Zusammenschlüssen einfacherer Bestandteile richten. Der Konnektionismus stellt auf dieser Basis Arbeitsmodelle für Bereiche kognitiver Fähigkeiten zur Verfügung, wie beispielsweise Gedächtnis oder (visuelles) Erkennen.

Bereits 1959 stellte der kanadische Psychologe Donald Hebb fest, dass „Lernen auf Veränderungen im Gehirn beruhen könnte, die sich aus dem Grad der korrelierten Aktivität von Neuronen ergeben. […] Die Konnektivität des Systems ist daher nicht von der Geschichte seiner Veränderungen zu trennen, sie ist außerdem von der Art der Aufgabe abhängig, die dem System gestellt ist.“125 Diese sog. Hebbsche Regel im Sinn scheint der Konnektionismus aus vier Gründen126 befriedigendere Arbeitsmodelle bereitzustellen als die bisher skizzierten aus Kybernetik und Kognitivismus.

Erstens wird dem Phänomen der Veränderung, durch beispielsweise menschliches Lernen, Rechnung getragen. Zweitens können biologische Systeme adäquater betrachtet werden, da schliesslich nicht mehr von Systemen der Symbolmanipulation ausgegangen wird. Drittens ermöglicht der Konnektionismus eine Rückkehr zu einer wieder mehr behavioristischen (nicht mehr sog. computationalen) Orientierung, die die Kognitionsforschung, laut Pöppel, auch die vergangenen Jahre kaum zur Kenntnis genommen hat.127 Viertens stellt der Konnektionismus Modelle bereit, die allgemein genug gehalten sind, um sie auf unterschiedliche Domänen, wie die der Wahrnehmung oder der Spracherkennung, zu beziehen.

124 Vgl. Feldman/Ballard 1982. 125 Varela 1990, S. 58. 126 Vgl. Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 92. 127 Vgl. Pöppel 2010, S. 249.

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Seit den frühen 1990er Jahren erfährt der Begriff der Emergenz in den Kognitionswissenschaften zunehmendes Interesse. Zwar gibt es generell keine einheitliche kognitionswissenschaftliche Theorie von Emergenz, Varela konstatiert dementsprechend, dass sog. emergente Eigenschaften in unterschiedlichen Phänomen- Bereichen gefunden werden könnten, in „Strömungswirbeln und Lasern, in chemischen Oszillationen, in genetischen Netzwerken, in Entwicklungsmustern, in der Populationsgenetik, in Immunsystemen, in der Ökologie und Geophysik.“128 „[…] Because of the system's network constitution, there is a global cooperation that spontaneously emerges when the states of all participating 'neurons' reach a mutually satisfactory state. In such a system, then, there is no need for a central processing unit to guide the entire operation“129, so Varela. Die Konstitution solcher und im besonderen neuronaler Netzwerke bedingt demnach eine spontane Emergenz, sobald die einzelnen Bestandteile des Systems bzw. Neuronen einen sog. gegenseitig zufriedenstellenden Zustand erreichen. Unter diesem Gesichtspunkt wird eine zentrale Verarbeitungseinheit entsprechend obsolet. Die Kennzeichnung eines solchen Zustandes als gegenseitig zufriedenstellend bezieht sich dabei auf die einzelnen Bestandteile des Systems bzw. Neuronen. Dabei sind es nicht nur neuronale Netzwerke, die derart emergente Eigenschaften hervorbringen können - „[…] the emergence of global patterns or cofigurations in systems of interacting elements is neither an oddity of isolated cases nor unique to neural systems. In fact, it seems difficult for any densely connected aggregate to escape emergent properties;“130 Scheinbar bringt jedes dicht verbundene Aggregat, Varela zufolge, emergente Eigenschaften hervor.

Diese These bildet den Dreh- und Angelpunkt für das kognitionswissenschaftliche Interesse an der buddhistischen Tradition. „[…] the Buddhist tradition is especially relevant to our concerns, for […] the concept of a nonunified or decentered (the usual

128 Varela 1990, S. 62. 129 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 88. 130 Ebd., S. 90.

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terms are egoless or selfless) cognitive being is the cornerstone of the entire Buddhist tradition.“131 Insbesondere die fünf Aggregate (skt. skandha), Bestandteil des Abhidharma132, einem der drei Teile des buddhistischen Literaturkanons, bilden im Hinblick auf den Emergenz-Begriff den Fokus des kognitionswissenschaftlichen Interesses.

Skandha bedeutet Anhäufung oder Aneignung und bezeichnet in der buddhistischen Terminologie verschiedene Arten des Potenzials von Anhaftungen. Die fünf Aggregate werden auch Aneignungsgruppen oder fünf Faktoren der Individualität133 genannt, da sich jedes unerlöste Wesen bei ihrer Wiedergeburt eine neue Persönlichkeit entsprechend dieser Gruppen aneignet. Historisch eingebettet ist die Lehre von den fünf Aggregaten in eine Gegenposition des Buddha zur orthodoxen indischen Tradition des Brahmanismus. Der Brahmanismus spricht jedem Menschen eine ewige Seele (skt. ātman) zu, die Teil oder identisch mit dem Absoluten (skt. brahman) ist. Während viele nicht-buddhistische Philosophien annehmen, dass es ein von Körper und Geist losgelöstes Selbst gibt, nahm der Buddha demgegenüber an, dass es weder eine ewige Seele noch brahman, eine Art unpersönlichen Gott, gibt. Die menschliche Persönlichkeit konstituiert sich für beispielsweise die buddhistische Schule der Vaibhāṣikas134 aus den folgenden fünf Daseinsfaktoren oder Aggregaten.135

131 Ebd., S. xviii. 132 Das Abhidhamma (Pali) als Textsammlung der südlichen buddhistischen Schulen in Süd- und Südost-Asien entstand ca. im ersten Jhd. v. Chr., es beinhaltet die sieben Bücher des Abhidhamma- pitaka und die später entstandenen Anleitungen wie das Abhidhammatthasangaha. Der früher, um ca. 300 v. Chr., entstandene Texkorpus des Abhidharma (Sanskrit) nördlicher buddhistischer Schulen in z. B. Nordwest-Indien, beinhaltet bereits die Bücher des Abhidharma-pitaka und das später entstandene Abhidharmakośa. Im Abhidharmakoṣa fallen Achtsamkeit und Weisheit unter die Universalien, d. h. sie erscheinen und verschwinden in jedem Augenblick, zudem sind sie überdeckt von sog. unheilsamen Geisteszuständen, liegen ihnen aber verdeckterweise zugrunde. 133 Vgl. Keown 1996, S. 69 f. 134 Vgl. Dalai Lama 2000, S. 16. 135 Vgl. Schumann 1976, S. 62 ff.

75 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Die fünf Aggregate/Daseinsfaktoren (skt. Skandha):

1) Gruppe des Körpers / der Form (skt. rūpa) 2) Gruppe der Empfindungen (skt. vedanā) 3) Gruppe der Wahrnehmungen (skt. saññā) 4) Gruppe der Geistesregungen (skt. saṇkhāra) 5) Gruppe des Bewusstseins (skt. viññāna)

Dem Konzept der fünf Aggregate liegt die verknüpfte Grundannahme buddhistischen Denkens zu Grunde – die Annahme des Nicht-Dualismus von Leib und Seele, dass sich im Menschen kein festes Ich ausmachen lässt. Sondern dass alle fünf Faktoren gemeinsam den psychologischen Komplex bilden, den man empirische Persönlichkeit nennen kann, der Erfahrung konstituiert.

Im Jahre 528 v. Chr. hält der Buddha den Zusammenhang von Leid und empirischer Person in seiner ersten Lehrrede fest. „Dies, Mönche, ist die Edle Wahrheit vom Leiden (skt. dukkha): Geburt ist leidhaft, Alter ist leidhaft, Krankheit ist leidhaft, Tod ist leidhaft; Trauer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung sind leidhaft; mit Unlieben vereint, von Liebem getrennt sein ist leidhaft; Begehrtes nicht erlangen ist leidhaft; kurz: Die Fünf Aneignungsgruppen sind leidhaft.“136 Für den vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, dass wenn „alles samsarische Dasein nach buddhistischer Überzeugung Leiden [ist], dann kann auch die empirische Person als Gesamtes, als der Brennpunkt der Leidenserfahrung nicht anders beurteilt werden.“137

Die Attribution der fünf Aneignungsgruppen als leidhaft impliziert so auch und vornehmlich die Persönlichkeit als leidhaft. „Es ist die geistige Identifikation mit den

136 Mahāvagga des Vinayapiṭaka 1, 6, 19. 137 Schumann 1976, S. 62.

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Fünf Gruppen, aus der für den Betreffenden Leiden resultiert.“138 Durch beispielsweise die meditative Einsicht kann das Leid potenziell aufgelöst werden kann, durch die Einsicht, dass ein statisches Ich, ein festes Ego nicht existiert, sondern ein solches lediglich in jedem Augenblick einer spezifischen Erfahrung durch das Zusammenspiel der im übrigen nicht ontologisch intendierten Aneignungsgruppen entsteht.

Für Varela steht nicht primär der dargestellte Zusammenhang von Leid und Persönlichkeit im Vordergrund, vielmehr ist er der Ansicht, dass die buddhistische Doktrin von Nicht-Selbst, die in der Lehre der fünf Aggregate implizit enthalten ist, einen signifikanten Beitrag im Dialog mit den kognitiven Neurowissenschaften leisten kann. „The no-self doctrine contributes to understanding the fragmentation of self portrayed in cognitivism and connectionism.“139 Die Art und Weise des Zusammenspiels der fünf Aggregate bezüglich der menschlichen Persönlichkeit ist Varelas Ansicht nach ausschlaggebend für diesen Beitrag, den die buddhistische Lehre für ein konnektionistisches Verständnis von Selbst bzw. das fragmentierte kognitivistische Verständnis von sogenanntem Selbst leisten kann. Um das kognitionswissenschaftliche Bild vom menschlichen Gehirn als biologisch emergentes System in einen konvergenten Zusammenhang mit der Lehre von den fünf Aggregaten zu bringen, was Varelas Anliegen entspricht, steht die Frage danach im Fokus, ob die fünf Aggregate in ihrem Zusammenspiel sequenziell oder simultan auftreten. So äußert Varela die Vermutung „Perhaps the self is an emergent property of the aggregates?“140

Hier lohnt ein differenzierterer Blick auf den vom Buddha angenommenen Zusammenhang der fünf Aggregate. Die erste Aneignungsgruppe des Körpers (wörtlich der Form) meint den physischen Körper des Menschen und die Objekte seiner Umwelt,

138 Ebd., S. 64. 139 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 21. 140 Ebd., S. 69.

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wohingegen die übrigen vier Gruppen als nichtphysisch gedacht sind. Diese nichtphysischen Aneignungsgruppen bilden eine konditionale Folge der menschlichen Identifikation mit der ersten Gruppe und stellen dem deutschen Indologen Hans Wolfgang Schumann zufolge die Wahrnehmungstheorie des Buddhismus dar.141 Als emergente Eigenschaft der Aggregate, die Varela vermutet, kann ein sog. Selbst nicht aus nur einem einzelnen Bestandteil des Persönlichkeits-konstituierenden Systems der Aggregate emergieren, um diese Redeweise zu verwenden. Vielmehr aus dem Zusammenspiel der Aggregate.

Schon an der umgangssprachlichen Referenzierung auf den eigenen Körper lässt sich eine possessive Relation ablesen, dass man nicht der Körper ist, sondern einen Körper hat. Der physische Mechanismus der Wahrnehmung beinhaltet die sechs Sinnesorgane und ihre objektive Entsprechung, d. h. in die Aneignungsgruppe des Körpers fallen nicht nur das Auge und Gesehenes, das Ohr und Geräusche, die Nase und Gerüche, die Zunge und Geschmäcker, der Körper und Berührbares, auch der Geist und Gedanken werden in der Tradition des Abhidharma als Sinn und dessen Objekt bezeichnet. In der jeweiligen Erfahrung tauchen Gedanken im Geist wie beispielsweise Gerüche in der Nase auf.

Varela führt den Zusammenhang von Körper und Sinneseindrücken folgendermaßen aus „The body is the location point of the senses; we look at the world from the vantage point of the body, and we perceive the objects of our senses to be related spatially to our body. Though the mind may wander, sleeping or daydreaming, we count on returning to the same body.“142 Der Körper wird als lokaler Referenzpunkt der Sinne, einschliesslich des Geistes, verstanden. Der Körper ist dabei nicht das Selbst. Mit Schumann lassen sich insgesamt drei Beweisführungen im buddhistischen Literaturkanon dafür finden.143

141 Vgl. Schumann 1976, S. 63. 142 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 65. 143 Schumann 1976, S. 65 f.

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Varela verwendet für seine Ausführungen lediglich eine eigens getroffene Exemplifizierung des ersten Beweises. Beweis Nr. 1, es seien bezüglich des Körpers Qualitäten vorhanden, die mit einem Selbst nicht vereinbar seien. „Der Körper, Mönche, ist nicht ein Selbst. Denn wäre, Mönche, dieser Körper ein Selbst, (dann) würde dieser Körper nicht zu Krankheiten neigen und man könnte beim Körper erreichen: «So sei mein Körper!», «so sei mein Körper nicht!»“144

Hier implizit enthalten ist, dass die Suche nach einem sog. Selbst derjenigen nach einer unsterblichen, nicht entstandenen Seelen-Entität gleichkommt, und diese wird in den Lehrreden des Buddha verneint. Varela führt im Sinne dieses ersten Beweises aus „As upset we might be at the loss of a finger (or any other body part), we would not feel that we had thereby lost our identity. In fact, even in normal circumstances, the entire makeup of the body changes rapidly, as seen by the turnover of one's cells.“145 In zeitgenössisch molekularbiologischer Manier wird die Eigenschaft des Körpers ins Feld geführt, sich zu verändern, unter Umständen Gliedmaßen zu verlieren, Zellen zu erneuern, ohne dabei jedoch die je eigene Identität einzubüßen.

Die zwei weiteren von Schumann angeführten Beweise spielen für Varela keine Rolle. Beweis Nr. 2, „Der Körper, Mönche ist nicht das Selbst. Was die Ursache, was die Voraussetzung zum Entstehen des Körpers ist, auch das ist ohne ein Selbst. Wie, Mönche, könnte der Körper, der aus etwas entstand, das kein Selbst ist, ein Selbst sein?“146 Entstehen und Vergehen als Qualitäten, womit alle fünf Aneignungsgruppen versehen sind, verhindern so definitorisch eine mögliche Identifikation des Körpers mit einem sog. Selbst als einer währenden Substanz.

Beweis Nr. 3, für den Schumann auf Sutta 28 des Majjhimanikāya (I p. 185 ff.)

144 Saṃyuttanikāya 22, 59, 3-4. 145 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 65. 146 Saṃyuttanikāya 22, 20, 3-7.

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verweist, ist meines Erachtens nach eine Differenzierung des Beweises Nr. 2. Der Körper wird als den vier Elementen zugehörig bzw. aus ihnen bestehend verortet, Erde, Wasser, Feuer, Luft, insofern als Teil der physischen Welt, die der Wandlung unterliegt und insofern keine Substanz, kein Selbst sein kann.

Weniger eine umfassende buddhistische Textkunde, mehr die Science Fiction ist diejenige Sphäre, die für Varela letztlich den Hauptgrund liefert, dass der Körper kein eigenständiges Selbst ist - „Perhaps the most definitive argument that we do not take our body as our self is that we can imagine a total body transplant, that is, the implantation of our mind in someone else's body […], yet we still count as ourselves.“147 Inwiefern dieses Gedankenexperiment als Hauptargument dafür tragfähig ist, dass der Körper nicht das Selbst ist, oder es nicht vielmehr als hypothetischer Hinweis darauf verstanden werden könnte, dass stattdessen „our mind“ dasjenige sei, dem trotz Körperverlust bzw. -wechsel substantieller Bestand zukommt, mag der Leser an dieser Stelle selbst entscheiden.

Insbesondere an der Gruppe der Empfindungen kann eine Theorie der Dynamik der Wahrnehmung abgelesen werden, wie weiter oben mit Schumann bereits angedeutet. Wahrnehmung wird als Prozess angenommen, der kein Subjekt dieser Wahrnehmung beinhaltet, der „kein Selbst als Subjekt des Erkennens voraussetzt“148. Als der Buddha von einem Mönch gefragt wurde, wer es ist, der empfindet, wer es ist, der berührt, antwortet der Buddha „Die Frage ist nicht zulässig […] Ich sage nicht: «Er berührt.» Würde ich [so] […] sprechen, dann wäre die Frage angebracht: «Wer berührt, Herr?» So sage ich nicht. Würde man mich, der ich das nicht sage, so fragen: «Aus welcher Voraussetzung, Herr, [entsteht] Berührung?», [dann] ist diese Frage zulässig. Die richtige Antwort ist hier: «Aus den Sechs [Sinnes-] Gebieten als Voraussetzung

147 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 66. 148 Schumann 1976, S. 66.

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[entsteht Sinnes-] Berührung, aus der [Sinnes-] Berührung als Voraussetzung [entsteht Sinnes-] Empfindung.»“149

Es sind demnach unpersönliche Vorgänge, die den Wahrnehmungsprozess konstituieren, ein Selbst lässt sich in buddhistischer Sichtweise auch in einem Akt der Wahrnehmung, der auf den Kontakten der verschiedenen Sinne mit ihren jeweiligen Objekten der Körpergruppe basiert, nicht ausmachen. Dennoch scheinen einem die je eigenen Gefühle als relevant, Varela formuliert dazu in einem subjektiv-pragmatischen Sinn „We are very concerned about our feelings. We strive endlessly to seek pleasure and avoid pain. Our feelings are certainly self-relevant, and at moments of strong feeling we take ourselves as our feelings. Yet are they our self?“150

Zugestanden die Annahme, dass die Empfindungen, die aus den sechs Sinnen entstehen, nicht permanenter Natur sind, so können auch Wahrnehmungsakte für Varela, die sich von Augenblick zu Augenblick verändern, nicht eine dauerhafte, solide Persönlichkeit implizieren.

Meditation in einem eher unspezifischen Sinn wird von Varela in Anlehnung an die buddhistische Tradition als empirische Methode ins Feld geführt, um ein Bewusstsein davon zu kultivieren bzw. eine Erfahrung von der Vergänglichkeit und der Veränderlichkeit von Gefühlen und Sinneseindrücken zu gewinnen. „Awareness of these changes can be made [...] in mindfulness/awareness practice: one develops firsthand experience of the momentary arising of feelings and sensations as well as their changes.“151

Genau genommen besteht jedoch einen Unterschied zwischen einer sog. mindfulness

149 Saṃyuttanikāya 12, 12, 4. 150 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 66. 151 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 66.

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und einer sog. awareness Tradition. Der ehemalige Direktor der Insight Meditation Society und aktuelle Direktor am Barre Center for Buddhist Studies Andrew Olendzki unterscheidet die beiden Ansätze hinsichtlich ihres jeweiligen Zusammenspiels der Aneignungsgruppen bzw. ihrer jeweiligen Konstruktion von Erfahrung. „The technology of awareness is a matter of how the aggregate of consciousness […] interacts with the aggregate of material form […] as it manifests in the sense organs of the body and the sense objects of the environment; but the development of mindfulness and insight is rather a matter of how the aggregate of formations […] co-arises with the other aggregates.“152

Awareness meint demnach die Aufmerksamkeit, die sich auf das Was der jeweiligen Erfahrung fokussiert. Achtsamkeit oder Einsicht bezieht sich auf das Wie der jeweiligen Erfahrung. Im frühen buddhistischen Denken wird Meditation verstanden als Training des Geistes, der mittels Aufmerksamkeit immer wieder auf ein bestimmtes Objekt gerichtet wird, um die Konzentrationsfähigkeit zu schulen. Der Großteil dieses Trainings jedoch besteht in der Kultivierung bestimmter Eigenschaften oder Qualitäten des Geistes, vermittels derer das Objekt betrachtet wird, um sog. unheilsame Geisteszustände zu eliminieren.153 Das hat damit zu tun, dass der Weg zur Befreiung von Leid neben anderen Faktoren ein besonderes Verständnis der eigenen Erfahrung voraussetzt, im Buddhismus Weisheit genannt.

Die Konzentration auf ein oder mehrere im Erfahrungshorizont auftretende Objekte ist entsprechend frühen buddhistischen Denkens nicht ausreichend, um auch die

152 Olendzki 2013, S. 57. 153 Sog. unheilsame Geisteszustände sind die Täuschung (über die Impermanenz von Erfahrung, die Selbst-Losigkeit von Erfahrung, Gründe des Leidens), die Ratlosigkeit (Agitation des Geistes), Gewissenlosigkeit, und mangelnder Respekt. Diese Geisteszustände werden als universelle unheilsame Zustände des Geistes bezeichnet. Daneben werden okkasionelle unheilsame Zustände des Geistes angenommen – Gier und Hass, falsche Sicht, Sorgen, Erstarrung, Dünkel und Einbildung, Zweifel, Habsucht, Faulheit. Diese okkasionellen Faktoren werden als spezifische Ausformungen der universellen unheilsamen Geisteszustände verstanden.

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emotionale Färbung bzw. Involvierung, die ein Objekt in der Erfahrung unter Umständen mit sich bringt, vom Objekt trennen zu können. Oledzki führt dazu aus „[…] consciousness does not carry any characteristics other than the mere knowing or cognizing of an object, so all the textures and qualities of experience are supplied by other mental functions arising in various combinations.“154 Die mentalen Funktionen, die Erfahrung in ihrem verschiedenartigen Aufkommen konstituieren – gemeint sind sog. heilsame und sog. unheilsame Geisteszustände – finden bei Varelas Ausführungen keine Beachtung.

Aufmerksamkeit oder die Fähigkeit zur Konzentration kann auch als Voraussetzung verstanden werden, Einsicht zu gewinnen durch eine Haltung der Achtsamkeit. Varela hingegen identifiziert beide Ansätze, Konzentration und Einsicht, mit der meditativ möglichen Erfahrung sowohl des Aufkommens als auch der Veränderung von Empfindungen, und berücksichtigt nicht das in der buddhistischen Lehre differenzierte Geflecht sog. heilsamer bzw. unheilsamer Geisteszustände für die Konstitution von Empfindungen. Dennoch stimmt Varela zu, dass sich auch bezüglich der Aneignungsgruppe der Empfindungen kein Selbst ausmachen lässt, das mit einer in einem bestimmten Augenblick präsenten Empfindung identisch wäre, vielmehr, und so verhält es sich wie mit dem Körper – hat man ein Gefühl, man ist nicht das Gefühl. „Though feelings affect the self, no one would say that these feelings are the self. But what/who is it, then, that feelings are affecting?“155

Mit Blick auf die Gruppe der Wahrnehmungen differenziert Varela die Tradition der Achtsamkeit von derjenigen der Konzentration ebenfalls nicht. „Within the context of mindfulness/awareness practice, the coupling of discernment and impulse in a moment of experience is especially important. There are said to be three root impulses –

154 Olendzki 2013, S. 57. 155 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 66.

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passion/desire (toward desirable objects), aggression/anger (toward undesirable objects), and delusion/ignoring (toward neutral objects). […] These three basic impulses are also called the three poisons because they are the beginnings of actions that will lead to further ego grasping. But who is this ego who is grasping?“156 Der Zusammenhang jedoch von Urteilsvermögen (discernment) und Antrieb (impulse) spielt bei seinen Überlegungen zur Aneignungsgruppe der Wahrnehmungen in einem allerdings lediglich angedeuteten Sinn eine Rolle. Sinnliche Reize, Eindrücke, Empfindungen werden im Geiste des Betrachters zu Widerspiegelungen der Objekte, d. h. zu Wahrnehmungen.

„Wappnet man sich nicht mit Achtsamkeit“, so Schumann, „erwachsen aus diesen noch nicht verarbeiteten Wahrnehmungen Geistesregungen […], schliesslich Vorstellungen, Sehnsüchte und Begierden“157, die wiederum Leid bedeuten. Varela verweist diesbezüglich auf die drei Gifte bzw. die sog. unheilsamen Wurzeln von Erfahrung, die buddhistischer Lehre zufolge die Gründe für menschliches Leid bedeuten.

Die drei Geistes-Gifte158 (skt. Triviṣa):

156 Ebd., S. 66 f. 157 Schumann 1976, S. 63. 158 In der buddhistischen Kunst werden sie in einem kreisförmigen Lebensrad als Schwein (Verblendung), Schlange (Begehren) und Hahn (Aversion) dargestellt. Jedes Tier hält dabei den Schwanz des anderen im Maul, sie jagen sich gegenseitig. Diese Art der Darstellung symbolisiert den sich immer weiter drehenden Geburtenkreislauf, in dem Verlagen neues Verlangen hervorbringt, so dass der Mensch immer wieder geboren wird, erneut Leid erfährt. Im Aṅguttaranikāya findet sich beispielsweise hinsichtlich des Zusammenhangs von Wiedergeburtenlehre und den drei Geistes-Giften folgender Teil einer Lehrrede des Buddha, „Welche Tat, Mönche, ohne Begehren, ohne Haß [Aversion] und in Unverblendung getan worden ist... nachdem man Begehren, Haß (und) Verblendung aufgehoben hat, diese Tat ist aufgehoben, an der Wurzeln abgeschnitten, einer entwurzelten Palme gleichgemacht, am Werden (d. i. kammischen Reifen) gehindert, zukünftig nicht dem Gesetz des Werdens unterworfen.“ (Aṅguttaranikāya 3, 33, 2.) Für die Zwecke des vorliegenden Kapitels wird an dieser Stelle jedoch nicht eigens auf die buddhistische Lehre der Wiedergeburt eingegangen. Es sei jedoch verwiesen auf folgende Texte der Sekundärliteratur: Keown 1996, S. 65 ff. Schumann 1976, S. 71 ff. Lopez 2008, S. 148 f. Stone 2005, S. 59 ff.

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1) Verblendung (skt. moha) bzgl. neutraler Objekte 2) Begehren (skt. rāga) bzgl. gewünschter Objekte 3) Aversion (skt. dveṣa) bzgl. unerwünschter Objekte

Physische oder mentale Objekte werden wahrgenommen in Relation zu einem Selbst, entweder in einem neutralen Sinne, d. h. als irrelevant für ein Selbst, als wünschenswert oder nicht wünschenswert. Diesen unterschiedlichen Wahrnehmungsszenarien inhärent kann bei mangelnder Achtsamkeit ein automatischer Umpuls zu Handlungen sein. Als Geistes-Gifte werden diese Faktoren, die die Wahrnehmung nuancieren, insofern bezeichnet, als dass ihnen ein entsprechend ihrer drei Faktoren unreflektierter Handlungsimpuls innewohnen kann, was letztlich Leid verursacht, metaphorisch gesprochen Handlungen vergiftet und das Individuum an das Rad der Wiedergeburt bindet. Auch die Aneignungsgruppe der Wahrnehmungen für sich genommen konstituiert für Varela kein Selbst. Zwar werden physische wie mentale Objekte mittels der drei Geistes-Gifte in ein Verhältnis zu einem scheinbaren Selbst gesetzt, Kontinuität der Erfahrung eines Selbst bedeutet die Dynamik von Wahrnehmung und möglichem Handlungsimpuls dabei jedoch nicht.

Die Aneignungsgruppe der Geistesregungen impliziert habituelle Muster des Denkens, Fühlens, Wahrnehmens und Handelns. Universelle und okkasionelle (un)heilsame Zustände des Geistes wie beispielsweise Faulheit, Habsucht, Gier, Zweifel oder deren positives Pendant, bilden die Grundlage für sog. dispositionale Formationen, wie Varela diese Aneignungsgruppe bezeichnet. Vorstellungen, Sehnsüchte und Begierden charakterisieren diese Gruppe in ihrem jeweiligen Drang auf Verwirklichung. „We are now in the domain of the kinds of phenomena that could well be called cognitive in the language of cognitive science or personality psychology.“159 Für Varela stellt diese Aneignungsgruppe ein entsprechend maßgeblicher Anknüpfungspunkt zu den

159 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 67.

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Kognitionswissenschaften dar, da man es mit der Domäne sog. kognitiver Phänomene zu tun hätte.

An dieser Stelle sei auf die Problematik der Übersetzung verwiesen, die der US- amerikanische Psychotherapeut Harvey Aronson exemplarisch umschreibt - „much as the word habit means something different to a nun and a smoker, so too the Sanskrit word atman […] and the English words self, ego, and I mean vastly different things in different contexts.“160 Es ist demnach nicht voraussetzungslos, einen Terminus aus dem historisch und linguistisch buddhistischen Kontext in wissenschaftliche Domänen der Kognitionswissenschaften eins zu eins zu übersetzen. Insbesondere der Begriff des sog. Selbst (skt. atman), den Varela als emergentes Phänomen durch das Zusammenspiel der Aneignungsgruppen vermutet, dessen Konzeption zur historischen Zeit des Buddha eine zentrale philosophische Position bereits innerhalb der Upanishaden einnimmt, kann nicht unreflektiert in Ansätze der Kognitionswissenschaften wie der Psychologe übernommen werden.161

In den Hindu Upanishaden meint atman sehr reduziert gesprochen eine Seele oder ein inneres Selbst, die/das als Begriff einer philosophischen, nicht einer psychologischen Auseinandersetzung mit einem metaphysischen Substrat des Individuums dient. Insofern gilt es zu differenzieren zwischen einem metaphysischen, einem ontologischen und einem empirisch psychologischen Selbst. Der Buddha hatte hinsichtlich der fünf Aneignungsgruppen einen Appell an seine Schüler im Sinn, die eigene Erfahrung dessen zu machen, dass ein Selbst zwar metaphysischen Bestand hat, jedoch keinen ontologischen oder psychologischen.

160 Aronson, Harvey (2004): Buddhist Practice on Western Ground, Boston/London: Shambala, S. 65. 161 Zur historischen Einordnung: Der Todeszeitpunkt des Buddha wird in der aktuellen Forschung zwischen den Jahren 420 und 370 v. Chr. angesetzt. Die Hindu Upanishaden entstanden zwischen 700 und 200 v. Chr.

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Als er von dem Mönch und Wanderasket Vacchagotta gefragt wurde, ob ein Selbst existiere, wollte er die Annahme, dass ein Selbst nicht existiert, nicht bestätigen. Auf die Frage, warum, antwortete der Buddha, dass sein Selbst vormals existiert hätte, jetzt jedoch nicht (mehr).162 Schumann führt die Tragweite dieser indifferenten Haltung des Buddha aus. „Da ein Selbst in Indien stets als etwas Ewiges gedacht wird, hätte ein Ja bedeutet, daß kein Erlöschen der Person im Heilszustand möglich ist. Ein Nein hätte der Fragesteller dahingehend ausgelegt, daß es keine Wiedergeburt gibt. Beide Alternativen widersprechen der buddhistischen Auffassung, und keine der beiden Antworten hätte den Fragenden zu der Einsicht gebracht, daß die Person nur ein Bündel von Erscheinungen ohne konstanten Kern ist.“163

In dieser zumindest sprachlichen Indifferenz liegt Aronsons Ansicht zu folge der Grund für ein sog. westliches Missverständnis von buddhistischer Lehre. Wenn nach Angabe des Buddha ein Selbst vormals existiert hätte, jetzt jedoch nicht mehr, so könnte man annehmen, dass die Einsicht in die Dynamik von Person als lediglich Bündel von Erscheinungen ohne konstanten Kern einen Verlust des Selbst bedeuten könnte.

Selflessness ist daher ein Begriff, der im gegenwärtigen englischsprachigen spirituellen Diskurs unter sog. Schülern oft fällt, dem jedoch keine Entsprechung in früher buddhistischer Literatur zukommt, sondern der unter Umständen eine gewisse Angst vor einem Verlust von Selbst zum Ausdruck bringt, so Aronson.164 Vor dem Hintergrund eines in westlichen Industrienationen vorherrschenden Konzepts eines sozialen Selbst, dem historisch Eigentumsrechte oder bestimmte politische Reche unveräußerlich zugesprochen werden, scheint das Missverständnis oder eine Angst, für die Befreiung von Leid das Selbst aufzugeben zu müssen, durchaus nachvollziehbar.

162 Vgl. Harvey 1995, S. 29. Saṃyuttanikāya 44, 10, 3 ff. IV p. 400 f. 163 Schumann 1976, S. 68 f. 164 Vgl. Aronson 2004, S. 67.

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Doch wenn nach buddhistischem Denken ein Selbst weder als ontologische noch als tatsächlich empirisch psychologische Kategorie verstanden werden kann, scheint das Selbst ausschliesslich als Benennung zu fungieren. Der Textkorpus Milindapanha, aus dem 4. - 5. Jhd. n. Chr., besteht aus dem Dialog zwischen dem griechischen König Menander und dem buddhistischen Mönch Nagasena. Er kann als früheste Aufzeichnung eines Dialoges zwischen einem indischen Buddhisten und einem (sog. westlichen) Griechen gelten. Nagasena versuchte Menander die Art und Weise der Verwendung des Namens Nagasena zu erklären. Diese Verwendung des Namens beinhaltet Nagasena zufolge nicht die Annahme eines permanenten Individuums, ein Name sei lediglich ein Label und referenziert dabei nicht auf eine substantiell existierende Entität. Schliesslich existiert, so der Dalai Lama, „das Selbst […] als bloße Benennung in Abhängigkeit von seinen Teilen und hat damit keinerlei Existenz von der Seite der Aggregate her.“165

Während sich alle buddhistische Schulen darin einig sind, dass es kein ontologisches oder empirisches Selbst gibt, unterscheiden sich die unterschiedlichen buddhistischen Lehrmeinungen in ihren Annahmen, was die Konstitution eines Selbst für diejenigen bedingt, die bisher sozusagen (noch) nicht die Einsicht in die Nicht-Selbstheit gewonnen haben.166 So bezieht sich die frühe Schule der weiter oben erwähnten indischen Vaibhāṣikas auf das Konzept der Aggregate bzw. Aneignungsgruppen.

Die Schule der Cittamātras, die auch als Bezeichnung für die Yogācāra-Tradition des

165 Dalai Lama 2000, S. 17. 166 Zwischen sog. erwachten und (noch) nicht erwachten Menschen wird in einem immanenten bzw. nicht-dualen Modell von Achtsamkeit, wie beispielsweise dem Abhidharmakoṣa, nicht unterschieden wird. Sondern die Ansicht vertreten wird, dass der Geist bereits erwacht, jedoch durch ungesunde Haltungen überdeckt sei. Im Gegensatz dazu nimmt ein konstruktivistisches bzw. duales Modell von Achtsamkeit, wie beispielsweise im Abhidhammatthasangaha, Meditation als Prozess der Veränderung, des Trainings, der Reinigung, Transformation und letztlich Befreiung an, was im Gegensatz zu einem nicht-dualen Modell durchaus eine Unterscheidung von erwacht/nicht erwacht bedeutet.

88 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

indischen Buddhismus gelten kann, hingegen bezieht sich hinsichtlich der Frage nach der Entstehung von empirischer, individuierter Person auf die traditionell sechs Bewusstseinsarten, namentlich Seh-, Hör-, Riech-, Schmeck-, Tastbewusstsein, sowie als sechste das geistige Bewusstsein. Die Veränderlichkeit dieser Erfahrungsweisen lässt entsprechend die Annahme eines ontologisch stetigen Selbst nicht zu.

Insofern werden in dieser buddhistischen Schule insgesamt acht Arten von Bewusstsein angenommen. Zusätzlich zu den Genannten – ein sog. Allem-zugrundeligendes (Schumann nennt es Speicher- oder Grundbewusstsein) und ein sog. verblendetes Bewusstsein (Schumann: Individual- oder Denkbewusstsein).167 In tantrischen Schriften finden sich ebenfalls acht Bewusstseinsarten. Das Allem-zugrundeliegende Bewusstsein jedoch ist im Gegensatz zur Schule der Cittamātras nicht karmisch neutral, sondern wird als Bewusstsein gedacht, dass sich in einen heilsamen Zustand umwandeln kann. Denn „im Grundbewußtsein wie in einer Nährflüssigkeit herumtreibend, reifen […] [karmische Eindrücke (skt. vāsanā)] zu Denken […] oder Denkbewußtseinen […] heran, die sich jeweils für ein Selbst, eine physisch-reale Person halten: Sie individuieren sich.“168 Diese Individuation sinkt ins Grundbewusstsein ab und bildet damit den Kreislauf der Wiedergeburten. Aus diesem sich zu befreien bedarf es einer Umkehr (skt. parāvṛtti) durch Abwendung von der Individuation und Rückwendung zum Grundbewusstsein als Absolutem.169

Genannte Schulen nehmen die metaphysisch inhärente Existenz eines Selbst an, entweder auf Benennungsgrundlage des Aggregats des Bewusstseins, oder nehmen ein weiteres Bewusstsein, das Allem zugrundeliegende Bewusstsein als Benennungsgrundlage an. Hier gilt es zu unterscheiden zwischen einem Selbst als

167 Vgl. Dalai Lama 2000, S. 16. Vgl. Schumann 1976, S. 186 f. 168 Ebd., S. 187. 169 Vgl. ebd., S. 188.

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nominellem und substantiellem Phänomen. Das Selbst wird in genannten Schulen als nominelles Phänomen verstanden, dem substantielle Existenz zu eigen ist. Im Gegensatz dazu beruft sich die Tradition der Prāsaṅgika-Mādhyamika auf einen Vergleich des Buddha, um zu verdeutlichen, dass das Selbst nur als Benennung in Abhängigkeit von seinen Teilen existiert. So gibt es „keinen auffindbaren Faktor 'Wagen', den man innerhalb seiner Teile, also auf der Seite des Objekts, ausfindig machen könnte. Der Wagen ist nicht irgendeins der Teile, nicht die Summe der Teile, und er existiert auch nicht getrennt von den Teilen. Man kann also keinen Wagen ausfindig machen, der inhärent existiert, der eine eigene Existenz besitzt. Der Wagen existiert nur in Abhängigkeit, als Benennung abhängig von den Teilen.“170 Ebenso verhält es sich mit den Begriffen des Selbst, das nur nominell, nicht inhärent, von seinem eigenen Wesen her existiert, in Abhängigkeit von den verschiedenen körperlichen und geistigen Faktoren, wie sie in den fünf Aneignungsgruppen ausgeführt sind.

Zusammenfassend lässt sich für die zunächst begrifflichen Bedingungen des Selbst sagen – in unterschiedlichen buddhistischen Traditionen wird das Selbst in seiner begrifflichen Konstitution verschiedenartig gedacht. Die drei Traditionen der Vaibhāṣikas, Cittamātras und des Yoga-Tantra gehen dabei von einer metaphysisch inhärenten Existenz des Selbst aus, deren begriffliche Grundlage entweder in den fünf Aggregaten, einem Allem-zugrundeligenden Bewusstsein oder einem weiteren, dem geistigen Bewusstsein verortet wird. Demgegenüber nehmen die Prāsaṅgikas an, dass kein Objekt inhärent existiert, nur als Benennung und in Abhängigkeit. Das Selbst entsprechend als rein nominelles Konzept zu verstehen, birgt so den Vorteil, das Selbst nicht als einen bestimmten Faktor innerhalb der Aggregate postulieren zu müssen, was nach Ansicht des Dalai Lama eine unlösbare Aufgabe wäre.171

170 Dalai Lama 2000, S. 17. 171 Vgl. ebd., S. 18.

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So formuliert er auch 1981 in seinen Harvard-Vorlesungen - „Weil die körperlichen und geistigen Aggregate ohne ein Selbst sind, das eine eigene, von ihnen getrennte Entität besäße, sind sie leer von einem beständigen Selbst, welches frei von Entstehen und Vergehen ist. Aus der Tatsache, dass es kein Selbst gibt, das eine eigene, von den körperlichen und geistigen Aggregaten faktisch verschiedene Grundlage hätte, folgt zwangsläufig, dass gemeinsam mit dem Entstehen und dem Vergehen der Aggregate auch das Selbst entsteht und vergeht. Somit existiert eine Leerheit in Bezug auf ein beständiges Selbst. Darüber hinaus sind die körperlichen und geistigen Aggregate selbstlos in dem Sinne, dass im Zusammenhang mit ihnen kein eigenständiges Selbst existiert.“172

Dennoch, so Varela, hätten wir ein starkes Interesse an unserer je eigenen Persönlichkeit. „If someone criticizes our bevahiour or makes a favorable comment about our personality, we feel that she is referring to our self. As in each of the other aggregates, our emotional response indicates that we take this aggregate as our ego-self. But again, when we contemplate the object of that response, our conviction falls apart. We do not normally identify our habits with our self. Our habits, motives, and emotional tendencies may change considerably over time, but we still feel a sense of continuity as if there were a self distinct from these personal changes. Where could this sense of continuity come from, if not from a self that is the basis of our present personality?“173 Unsere emotionale Antwort bzw. Geistesregung auf beispielsweise ein Kompliment, das uns jemand macht, scheint verknüpft zu sein mit einem starken Sinn von Selbst, auf das sich dieses Kompliment bezieht. Doch bei genauerer Untersuchung gibt es einen Unterschied zwischen einem scheinbaren Selbst und den habituellen Mustern und emotionalen Tendenzen, die ihrerseits dem Wandel unterliegen, man identifiziert sich

172 Dalai Lama 1991 , S. 46. 173 Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 67.

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nicht mit der emotionalen Reaktion auf das Kompliment. Dennoch empfinde man, so Varela, eine gewisse Kontinuität von so etwas wie einem Selbst, unabhängig von sich verändernden Geistesregungen.

So wird verständlich, dass die Aneignungsgruppe des Bewusstseins für einige der buddhistischen Traditionen am ehesten als theoretischer Kandidat für ein metaphysisch inhärentes Selbst in Frage kommt. Eine gewisse Kontinuität des Bewusstseins wird all unserer Erfahrung begrifflich zu Grunde gelegt, Olendzki beispielsweise spricht vom sog. stream of consciousness. „The starting point of foundation of all experience is […] an episode of cognition in one or another of the six modes [Formen, Geräusche, Gerüche, Geschmäcker, Berührungen, Gedanken], which occurs again and again in a temporal series we generally refer to as the stream of consciousness.“174 Bewusstsein wird entsprechend aus den vier anderen Aneignungsgruppen entstehend gedacht, d. h. „aus Empfindungen, Wahrnehmungen und Geistesregungen als ein Bewußt- oder Gewahrwerden des Aufgefaßten: Das vom Augen, Gehör, Geruchsorgan usw. vermittelte Objekt wird zu einem vom Licht des wachen Verstandes beleuchteten Gegenstand, der sich als Material zu Denkoperationen verwenden läßt.“175

Kontinuität des Bewusstseins, die einer spezifischen Erfahrung zu Grunde liegt, lässt sich, wie Olendzki beschreibt, als zeitliche Serie bzw. Abfolge des bewussten Erkennens in verschiedenen Modi verstehen. Varela bezieht sich für sein Verständnis von Bewusstsein auf die Textsammlung des Abhidharma, derzufolge Bewusstsein immer auf eine sog. dualistische Erfahrung referenziert, die aus einem Erfahrenden, einem Objekt, das erfahren wird, und einer Relation oder mehreren Relationen zwischen diesen besteht.176

174 Olendzki 2013, S. 57. 175 Schumann 1976, S. 63 f. 176 Vgl. Varela/Thompson/Rosch 1993, S. 67.

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Innerhalb der Schulen des Abhidharma gibt es allerdings unterschiedliche Meinungen darüber, welches zeitliche Verhältnis zwischen Bewusstsein und Objekt besteht. Die Ansicht eines gleichzeitigen Auftretens von Bewusstsein und seinem Objekt konkurriert mit der Ansicht, dass zuerst ein Objekt erscheint, dem das Bewusstsein von diesem Objekt folgt. Eine dritte Perspektive besagt, dass Bewusstsein und Objekt gleichzeitig für Sinneseindrücke auftreten, Bewusstsein jedoch im Hinblick auf Gedanken sequenziell nachgelagert ist, d. h. erst tritt ein Gedanke auf, dann das denkende Bewusstsein. „Yet when mindfulness/awareness reveals the disunity of […] experience – a sight, a sound, a thought, another thought, and so on – it becomes obvious that consciousness as such cannot be taken as that self we so treasure and for which we are now searching.“177 Varela widmet sich im Fortgang seiner Publikation im Detail der von ihm in den Vordergrund gestellten Sequenzialität des Zusammenspiels der fünf Aggregate.

3.1.2.4 Compassion und „prosoziales“ Verhalten – Das Zurich Prosocial Game

Das ZPG – das Zurich Prosocial Game – fungiert in einem groß angelegten (und groß finanzierten) Forschungsprojekt Tania Singers als Methode, um „prosoziales“ Verhalten zu messen. Es handelt sich um ein Computerspiel, in dem die Probanden nach einem Kurzzeit-compassion-training Coins an Fremde respektive andere Mitspieler abgeben können oder nicht. Ergebnisse dieser Studie werden als Evidenz dafür diskutiert, dass das vorhergeganene „compassion“-Training einen höheren Grad prosozialen Verhaltens bedingt.

177 Ebd., S. 69.

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Abbildung 5: T. Singer 2012, Mind and Life Institute European Symposium/Präsentation

Der von Hasler kritisierte Punkt des Mangels an Reproduzierbarkeit der Neuro- Experimente greift hier nicht. Tania Singer betont in ihrer Präsentation im Oktober 2012 in Berlin ausdrücklich die Reproduzierbarkeit dieser Studie, dem Computerspiel sei Dank.

Daneben fallen jedoch verschiedene andere Aspekte ins Auge, um nur einige zu nennen: eine undifferenzierte und vage Begriffsverwendung von „prosozialem“ Verhalten gegenüber der Begriffe „compassion“ und „empathy“; die Generalisierung von Evidenz, wenn angenommen wird, „compassion“-Training führe zu generell höheren Graden des untersuchten Verhaltens, während das Experiment lediglich von bestimmtem Spielverhalten zeugt; außerdem fußt die Annahme einer Übersetzbarkeit der körperlichen Erfahrung meditativer Zustände in verändertes, „prosozialeres“ Verhalten, auf der Annahme eines verkörperten Bewusstseins;

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3.1.3 Zum neurowissenschaftlichen Begriff von Erfahrung

Das führt zur Frage nach dem neurowissenschaftlichen Begriff von Erfahrung. Die Relevanz dieses Begriffs im gegenwärtigen Diskurs stellt Varela wie folgt heraus: „[...] concern with the parsing of experience in one of the more remarkable points of convergence between cognitive science and the mindfulness/awareness tradition.“178

An den Anfang dieses Kapitels ist die Frage nach ebendiesem Übersetzungsverhältnis von Meditationserfahrung und ihrer Explikation gestellt. Denn an den Beginn einer Meditationspraxis sind zunächst explizite Anweisungen geknüpft, deren Umsetzung auf einer körperlichen Ebene erfolgt, durch beispielsweise „body-scans“. Und das durch Übung internalisierte, habitualisierte und somit implizite Wissen eröffnet im Neuro- Diskurs einen Horizont der Selbstfürsorge, d. h. das Versprechen von bestimmten Vorzügen einer veränderten Lebenspraxis. Die ideologische Anreicherung dieser Versprechen sollte nicht außer Acht gelassen werden, denn wer legt beispielsweise das Maß an Stress fest, nach dem jemand einen MBSR-Kurs absolvieren sollte?

In jedem Fall kann in der Annahme eines verkörperten Bewusstseins der Grund für die Anschlussfähigkeit verschiedener Meditationspraktiken gesehen werden. Für die disziplinäre Aufstellung der kognitiven Neurowissenschaften führt dabei die Integration buddhistischer Praktiken erst zu neuen sog. Disziplinen wie „sozialer Neurowissenschaft“, „contemplative science“ oder „Neuro-Phänomenologie“. Auf dem Mind and Life Institute Symposium in Berlin 2012 war z. B. die Rede von „Cardio- Phänomenologie“. Schlüsselbegriffe für all diese neurowissenschaftlichen Unternehmungen sind u. a. „conscious experience“ und „conscious states“, da sie konstitutiv für diesen Erfahrungsbegriff sind, um an die Kritik von Maxwell Bennett und Peter Hacker zu erinnern. Darüber hinaus fungiert Achtsamkeitsmeditation

178 Varela/Thompson/Rosh 1993, S. 97.

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beispielsweise im Bereich der „contemplative science“ als adäquater Zugang bzw. zulässige Methode, das menschliche Bewusstsein zu studieren. Dieses Vorgehen wiederum ruft Janichs Kritik auf den Plan, da das menschliche Bewusstsein als das zu Erklärende mit Mitteln des Bewusstseins selbst untersucht wird.

Doch was haben „soziale Neurowissenschaft“, contemplative science“ oder „Neuro- Phänomenologie“ im Hinblick auf ihr methodisches Fundament gemeinsam. Anders gefragt, welcher Begriff von Erfahrung bzw. Empirie wird in den kognitiven Neurowissenschaften zu Grunde gelegt, und welche Rolle spielt dabei die Annahme eines verkörperten Bewusstseins. Insbesondere Kapitel 3.3. zu Achtsamkeit und Psychologie wird diese Fragen fortführend klären.

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3.2 Achtsamkeit und Wirtschaft – Von Wahrnehmung und Werten

3.2.1 Einleitung zum Kapitel 'Achtsamkeit und Wirtschaft'

Das Golemansche Konzept emotionaler Intelligenz der 1990er Jahre, das in den Anfängen neoliberalistischer Unternehmensstrukturen zum Tragen kommt, entbehrt dort schon nicht einer gewissen Ideologisierung. Dem gegenüber steht das in ökonomischen Kreisen gepriesene Charakteristikum von Achtsamkeit als wert- und ideologiefreier Bewusstseins-Technik.

Auf der Webseite des Search Inside Yourself Leadership Institutes heisst es, „Developed at Google by leading experts in neuroscience, business, and psychology, we teach you the practical mindful leadership and emotional intelligence tools to bring out your best. (…) Our training has been proven to: reduce stress, improve focus, raise peak performance, and improve interpersonal relationships.“179

Fähigkeiten emotionaler Intelligenz und achtsamer Mitarbeiterführung sollen hier vermittelt werden. Die sogenannten Tools dafür seien bei Google von führenden Experten der Gebiete Neurowissenschaft, Wirtschaft und Psychologie entwickelt worden. Diese Fähigkeiten einmal im Leadership Institute erworben, reduzierten nachweislich Stress, verbesserten die Konzentration, führten zu Höchstleistungen und optimierten zwischenmenschliche Beziehungen. Ein auf den ersten Blick zwar hehres, doch ökonomisch neutrales Versprechen, das sich ganz dem Besten des Einzelnen verschrieben zu haben scheint.

Corporate Mindfulness, Stealth Buddhism, Integrity Bubbles sind von US- amerikanischen Religionswissenschaftlern und Ökonomen geprägte Begriffe, die

179 https://siyli.org, [Stand: 17.10.2018].

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demgegenüber prägnant und aktuell auf eine starke Ideologisierung von Achtsamkeit aufmerksam machen. Um die historische Basis zu schaffen, fungiert Golemans Konzept emotionaler Intelligenz als erstes Beispiel für Semantiken entsprechender Ideologisierung. Davon ausgehend wird das bereits zitierte Search Inside Yourself Leadership Institute, das ursprünglich eine Google interne Einrichtung war, auf genannte Terminologie hin analysiert, um die Ideologisierung durch Achtsamkeit in ihrer ökonomischen Dynamik auszuleuchten. Ein soziologisch informierter, kulturanalytischer Ausblick auf den sich in sog. Singularisierungsprozessen befindlichen Arbeitnehmer, schließt das Kapitel über Achtsamkeit und Wirtschaft ab.

Der Zusammenhang von Wahrnehmung und Werten spielt insofern eine tragende Rolle für diesen Teil der Arbeit, da vor dem Hintergrund des aktuellen Hypes von Achtsamkeit in unternehmerischen Kontexten gefragt werden kann, wie Werte durch veränderte Wahrnehmung entstehen. Denn ganz offensichtlich lässt sich insbesondere im US-amerikanischen Raum bezüglich Achtsamkeit ein exzessives Streben nach Happiness ausmachen, d. h. Achtsamkeitsmeditation dient als Optimierungsvehikel für das Individuum. Es ist von mindfulness, empowerment, happiness die Rede. „[…] in order to be happy we must live fully in the present moment, with total mental focus on whatever we are doing or experiencing Right This Second.“180

Für den Soziologen Hans Joas entstehen „Werte […] in Erfahrungen der Selbstbildung und Selbsttranszendenz.“181 Das bedeutet, Achtsamkeitsmeditation ist prädestiniert, ihre Wirkweisen als Werte zu generieren. Das Individuum erfährt sich als entspannt, gelassen, empowered, entsprechend „happier“ während oder nach einer Meditationssitzung und erhebt diese neue Erfahrung des eigenen Selbst zum neuen Wert.

180 Whippman, Ruth (2016): America the Anxious. Why our Search for Happiness is driving us crazy and how to find it for real, New York: St. Martin's Press, S. 90. 181 Joas, Hans (1999): Die Entstehung der Werte, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 10.

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Erfahrung ist das Stichwort, über das ein Wahrnehmungsbegriff eingeführt wird, der diese Erfahrung komplementär zu Joas' Rede von Transzendenz zu profilieren vermag. Achtsamkeitsmeditation als ästhetische Selbstverwirklichung, das Individuum nimmt sich selbst neu oder anders wahr durch Meditation, transzendiert dadurch sein Selbst.

Darüberhinaus könnte eine Analyse der kulturellen Lage auf der Folie individueller Selbstverwirklichung zweierlei theoretische Richtung einschlagen. Zum einen ließe sich über die Kommunitarismusdebatte (Taylor, Honneth etc.) die starke Tendenz zum Individualismus nach dessen Vereinbarkeit mit gemeinschaftsbezogenen Werten befragen. Zum anderen werden gegenwärtig Stimmen wie diejenige von Reckwitz laut, die die Tendenz zur Singularisierung auf Gemeinschaften ausweiten, um so soziale Phänomene wie Polarisierung oder gar Klassenbildung zu erklären.

Diese Ansätze seien für einen Ausblick als potentiell weitere Forschungsperspektiven im Hinblick auf Achtsamkeit in ökonomischen Kontexten erwähnt.

3.2.2 Emotionale Intelligenz: Ein zweifach dualistisches Achtsamkeits- Dispositiv nach Daniel Goleman

„Q: You’ve described self-awareness as one of the most important facets of EQ. How can people develop greater self-awareness?

A: Self-awareness means the ability to monitor our inner world – our thoughts and feelings. Mindfulness is one method for enhancing this essential capacity – it trains our attention to notice subtle, but important signals, and to see thoughts as they arise rather than just being swept away by them.“182

182 FAQ Sektion der Webseite www.danielgoleman.info [Stand: 14.01.2014].

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Emotionale Intelligenz ist das Stichwort, mit dem man Daniel Goleman seit 1995, im deutschsprachigen Raum seit 1997, verbindet. Sein Buch „Emotional Intelligence. Why it can matter more than IQ“ wurde in vierzig Sprachen übersetzt und weltweit 5 Millionen Mal verkauft. Damit sorgte Goleman für eine Popularisierung dieses Konzepts, nachdem es die US-amerikanischen Psychologen Peter Salovey und John D. Mayer bereits 1990 als Modifikation der Theorie multipler Intelligenzen nach Howard Gardner, US-amerikanischer Psychologe und Pädagoge, formuliert hatten. Zwei Mal war Goleman als US-amerikanischer Psychologe und Wissenschaftsjournalist der New York Times für den Pulitzer Preis nominiert.

Als einer der Vorstände innerhalb des Verwaltungsrates („Board of Directors“) des Mind and Life Instutites bekleidete er zudem das Amt des wissenschaftlichen Koordinators dreier Mind and Life Institute-Konferenzen. Die wissenschaftliche Leitung beispielsweise der dritten Mind and Life-Konferenz 1990 zum Zusammenhang von Emotionen und Gesundheit, wie auch die der achten Mind and Life-Konferenz im Jahr 2000 zum Thema Emotionalität fiel in seinen organisatorischen Verantwortungsbereich.

Damit verknüpft erschienen jeweils unter seiner Herausgeberschaft 1997 „Healing Emotions. Conversations with the Dalai Lama on Mindfulness, Emotions and Health“ und 2000 „Destructive Emotions. A scientific dialogue with the Dalai Lama“, wobei beide Veröffentlichungen sich als chronologische Abbilder der Konferenzen lesen lassen, d. h. entweder in Form transkribierter Dialoge oder als Reflexionen und Nacherzählungen selbiger.

Die freundschaftliche Verbindung mit zweien der Mitbegründer des Mind and Life Institute, Adam Eagle und Francisco Varela, in den 1980er Jahren gab seiner eigenen Aussage zufolge Anstoß, die dritte Mind and Life-Konferenz 1990 zu gestalten. Durch die Verortung der genannten Texte in die Publikationsliste Golemans ergeben sich für die wissenssoziologische Charakteristik des Autors weitere, maßgebliche Aspekte, die

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im weiteren Fortgang dieses Kapitels durch differenzierte Analysen einschlägiger Textstellen auch anderer Monographien bestätigt werden sollen.

So sei Golemans erste Buchpublikation aus dem Jahr 1977 „The Varieties of Meditative Experiences“, die 1988 unter dem Titel „The Meditative Mind“ erschien, als einer der inhaltlichen Gründe für seine spätere Verbindung zum Mind and Life Institute genannt, denn darin werden Begriffe wie Aufmerksamkeit, Konzentration und Achtsamkeit durch Beschreibungen unterschiedlicher Formen von Meditation dekliniert. Diese populärwissenschaftliche Aufarbeitung zweier Forschungsreisen nach Indien und Sri Lankareflektiert einerseits das soziologische, anthropologische, vornehmlich psychologische Interesse an traditionellen Bewusstseinstheorien asiatischer Religionen, entstand andererseits ein Jahr nach Golemans psychologischer Doktorarbeit an der Harvard Universität zum Thema Meditation als Stress-Intervention.

So absolvierte Goleman vor Abfassen seiner Dissertation Anfang der 1970er Jahre in Bodhgaya einen zehntägigen Vipassana-Kurs bei S. N. Goenka. Und pflegte engen Kontakt zu dem Hindu Guru Neem Karoli Baba.183 Beide spirituellen Lehrer verstärkten das Bestreben, sein Wissen um die Texte des buddhistisch-scholastischen Abhidhamma zu vertiefen. 1971 verbrachte Goleman den Sommer in Kosani, einem kleinen Dorf im Himalaya Gebirge, praktizierte dort bei Ram Dass184 buddhistische, hinduistische und christliche Formen der Meditation. Ram Dass konkretisiert in seinem Vorwort zu „The Meditative Mind“ Golemans Motivation, „to bring what he could, from these experiences and practices, home to the

183 Goleman/Bush(2013): min. 1:50 – 4:10. 184 Ram Dass wurde 1931 in Boston geboren, mit dem bürgerlichen Namen Richard Alpert. An der Stanford Universität wurde er im Fach Psychologie promoviert und hatte an der Harvard Universität eine Professur für Soziologie inne, bis er 1963 zusammen mit Timothy Leary - US-amerikanischer Psychologe, der als Befürworter psychedelischer Drogen streitbaren Bekanntheitsgrad erlangte – von der Universität ausgeschlossen wurde. In Alperts Fall war die mutmaßliche Weitergabe von Drogen an Studenten Grund für seinen Ausschluss. Seit 1967 war er spiritueller Schüler von Neem Karoli Baba.

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scientific community. I, on the other hand, had long since left academia. Dan could do the intellectual task of integration: provide a needed overview of spiritual paths and the states of consciousness they traverse.“185

Ein weiterer Argumentationsbogen zum Mind and Life Institute ergibt sich aus Golemans Interesse an Bedingungen, Möglichkeiten und Methoden emotionaler, sozialer und ökologischer Intelligenz. 2006 erschien „Social Intelligence. The new science of social relationships“, 2009 folgte „Ecological Intelligence. How knowing the hidden impacts of what we buy can change everything“. Diese von Goleman konstatierten Facetten menschlicher Intelligenz werden jeweils mit dem Potenzial zu individueller Leistungssteigerung, der Verbesserung von „Leadership“-Kompetenzen, oder kollektiver Öko-Transparenz versehen. Damit trifft er ebenfalls den thematischen Nerv der Mind and Life-Inhalte, als in Dharamsala beispielsweise 2011 über „Ecology, Ethics and Interdependence“ konferiert wurde, wo Goleman zum Planungskomitee gehörte und als Moderator fungierte.

3.2.2.1 Essentialistische Repräsentation meditativer Bewusstseinszustände

In seinem Buch „The Varieties of Meditative Experiences“ buchstabiert Goleman 1977 unterschiedliche Meditationstraditionen aus, um nach deren Gemeinsamkeiten bzw. einer Essenz von Meditation zu fragen. Die 1988 erschienene Neuauflage unter dem Titel „The Meditative Mind. The Varieties of Meditative Experience“ beinhaltet ein zusätzliches Kapitel, in dem Goleman anhand praktischer Anwendungsmöglichkeiten von Meditation deren Auswirkungen auf physische und psychische Gesundheit zu belegen versucht.

185 Goleman (1996a): S. xv.

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Das essentialistische Argument dieses Textes nimmt seinen Ausgang in der Beschreibung zweier sog. Wege der Meditation. Goleman extrahiert aus dem Visuddhimagga, einem Theravada-Text der ca. 500 n. Chr. von dem Mönch Buddhaghosa als Zusammenfassung von Schriften zu Meditation aus dem Abhidhamma abgefasst wurde, einerseits den Weg der Konzentration, andererseits den Weg der Einsicht bzw. Achtsamkeit. Elemente beider Wege meint Goleman nicht nur in anderen Traditionen wiederzuerkennen, transzendente Erfahrungen des menschlichen Bewusstseins bilden für ihn das Gemeinsame aller Religionen. „[…] transcendental states seem to be the seeds of spiritual life, and they have been experienced by the founders and early followers of every world religion. […] the modern crisis of established religions is caused by the scarcity of the personal experience of these trancendental states – the living spirit at the common core of all religions.“186 Grund für eine angenommene Krise etablierter Religionen wird dabei in einem Mangel an persönlicher Transzendenz- Erfahrung gesehen, die den Kern etablierter Religionen bedeute.

Der Weg der Konzentration ziele durch die Reinigung („purification“) von Ablenkungen innerhalb des Sphäre des menschlichen Geistes zunächst auf die Fokussiertheit auf einen Punkt („one-pointedness“). Dazu konzentriere sich der Meditierende auf eines der vierzig im Visuddhimagga empfohlenen Meditationsthemen bzw. -objekte. Im Laufe der kontinuierlichen Übung dieser Meditationspraxis sei der Meditierende nicht nur fähig, seinen Geist auf ein bestimmtes Objekt zu konzentrieren, sondern könne vollständig in diesem Objekt absorbiert werden, d. h. das jeweilige Objekt sei so das Einzige im Gewahrsein des Meditierenden.187 Um schliesslich den Bewusstseins-Zustand des Nirvana zu erreichen, würden sich alle empfohlenen Meditationsobjekte mit ihren je unterschiedlichen Konsequenzen für Art,

186 Goleman (1996a): S. xxiii, xxiv. 187 Vgl. Goleman (1996a): S. 7.

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Tiefe und Nebeneffekte der Konzentration eignen. Goleman führt einen knappen Überblick dieser Meditationsthemen an, darunter die Konzentration auf eine der zehn kasinas (z. B. in Form einer Scheibe mit bestimmten Qualitäten), zehn asubhas (z. B. im Sinne eines verfallenden Körpers oder Skeletts), zehn Reflexionen (z. B. Eigenschaften des Buddha oder Ein- und Ausatmung), vier edlen Zustände (z. B. „compassion“, „loving-kindness“), vier formlosen Kontemplationen (z. B. unendlicher Raum, unendliches Bewusstsein), und vier Elemente (bzw. deren Qualitäten). Abschliessend werden acht Stufen meditativer Absorption des Bewusstseins, Jhanas, grob umrissen.

Dem Weg der Konzentration misst Goleman gemäß dem Visuddhimagga einen geringfügigeren Stellenwert innerhalb der spirituellen Entwicklung eines Meditierenden bei, denn bei dem Weg der Einsicht handle es sich um „'concentration games,' the play of well-advanced meditators“. „Jhana mastery is part of a fully rounded training, but its advantages for the meditator are in making his mind wieldy and pliable […]. But the crux of his training is a path that need not include the jhanas. This path begins with mindfulness (satipatthana), proceeds through insight (vipassana), and ends in nirvana.“188

Das Verhältnis beider Wege wird im Sinne einer optionalen Vorbereitung von Achtsamkeit durch Konzentration bestimmt, d. h. der Weg der Einsicht wird in acht bzw. neun Grade der Einsicht unterteilt, die durch vier Arten von Achtsamkeit erreicht werden können. Durch Achtsamkeit auf den Körper, Gefühle, mentale Zustände und Objekte des Geistes. „Those who traverse these distinctly different paths to their summits, then, may no longer belong solely to one but to both. With full mastery of either concentration of insight, the other is readily attainable. At their end, the

188 Ebd.: S. 20.

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distinction between meditation avenues melts.“189 So stellt Goleman das Verhältnis beider Wege als in gewisser Weise reziprok dar. Das Erreichen der Ziele bzw. das Durchschreiten des einen Weges impliziert demnach das Erreichen der Ziele des anderen Weges. Meditationswege würden verschmelzen.

Eine umstrittene Ansicht – die mögliche Verschmelzung der Meditationswege bzw. die indifferente Haltung gegenüber kulturell verschiedenen, religiösen Traditionen. Besonders, wenn das Argument auf einer materialistischen Basis fusst. Goleman führt dazu aus: „Religions may differ by virtue of accident of time and place, but the experiences that are precursors to beliefs are often the same. Some degree of unity in final teaching is inevitable: All human beings are alike in nervous system, and it is at this level that the laws governing final teaching operate.“190 Seiner Ansicht nach, teilen Menschen die physische Basis ihrer Erfahrung des je eigenen Bewusstseins, dasselbe Nervensystem, das wiederum würde die Möglichkeit gleicher Erfahrungen verbürgen. Fraglich bleibt bei dieser Argumentation allerdings, ob ich beispielsweise tatsächlich dasselbe dasselbe Schokoladeneis wie mein Freund schmecke.191 Oder, auf verschiedene meditative Traditionen gewendet, bleibt es fraglich, ob ein Rinzai Mönch in Kyōto in letzter Konsequenz tatsächlich dieselbe Erleuchtungs-Erfahrung wie ein kalifornischer Jugendlicher in einem Vipassana Retreat in der Area macht.

Neurowissenschaftliche Studienergebnisse, die bestimmte Hirnareale mit meditativen Erfahrungen korrelieren sehen, würden dies unter Umständen bejahen. Da deren Korrelation als kausale Verknüpfung zwischen Körper und Geist verstanden wird. Eine starke Korrelation, die auch Goleman annimmt, wenn er über im Visuddhimagga eine Anleitung sieht, religiöse Konzepte als Ideologien zu durchbrechen, um zu deren

189 Goleman (1996a): S. 38. 190 Goleman (1996a): S. 40. 191 Vgl. Thomas Nagel (1990): Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie, Stuttgart: Reclam, S. 22 – 27.

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gemeinsam gedachten Kern zu gelangen: „The Visuddhimagga map undercuts seeming distinctions between spiritual paths in meditation techniques and states. These distinctions, in fact, stem from different ideologies. The Visuddhimagga road maps give us a typology for sorting out techniques in terms of their mechanics, cutting through the conceptual overlay of religions.“192

3.2.2.2 Achtsamkeit, Selbst-Bewusstsein und emotionale Intelligenz

Prägnant bildet das eingangs genannte Zitat das Verhältnis ab, in dem Achtsamkeit zu Selbst-Bewusstsein, emotionaler Intelligenz und Aufmerksamkeit für Goleman steht. Selbst-Bewusstsein bzw. Selbst-Wahrnehmung wird als Fähigkeit im Sinne einer Beobachter-Position verstanden, d. h. man ist sich der eigenen, inneren Sphäre seiner Gedanken und Gefühle bewusst. Sie sind das durch gerichtete Aufmerksamkeit Beobachtbare. Achtsamkeit meint hierbei eine Methode des besonderen Umgangs mit Gedanken. So dient das geübte, mit Achtsamkeit konnotierte Lenken von Aufmerksamkeit als methodisches Mittel, Gedanken lediglich zu beobachten, anstatt sich in sie zu involvieren. Eine auf diese Weise kultivierte Selbst-Wahrnehmung fungiert für Goleman, basierend auf den Arbeiten von Mayer und Salovey - neben den Aspekten Selbstregulation, Selbstmotivation, Empathie und Belohnungsaufschub, soziale Kompetenz - als eine der wichtigsten Kompetenzen emotionaler Intelligenz.193

Diese Konstruktion von Selbst-Bewusstsein, kombiniert mit Achtsamkeit als möglichem Zugang zu diesem Selbst-Bewusstsein ist voraussetzungsreich. Eine sog.

192 Ebd. 193 Das fünfgliedrige Konzept emotionaler Intelligenz vereinfachte Goleman ab 2002 zusammen mit dem US-amerikanischen Organisationstheoretiker Richard Boyatzis und der gebürtigen Engländerin und Pädagogin Annie McKee zu einem Modell mit nur noch vier Domänen. Emotionale Intelligenz setzt sich demnach aus Fähigkeiten zur Selbstwahrnehmung, zum Selbstmanagement, des sozialen Bewusstseins und Beziehungsmanagements zusammen. Vgl. Goleman/Boyatzis, McKee 2002, S. 59 ff.

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innere Welt wird unausgesprochen im Gegensatz zu einer äußeren Welt angenommen. Konstituiert diese innere Welt hinreichend das menschliche Selbst? Wie ist es in dieser Konzeption des menschlichen Selbst möglich, Gedanken durch das Lenken von Aufmerksamkeit zu beobachten, wenn gerade das Innere als konstitutiver Raum des Selbst impliziert, dass man es je selbst ist, der die eigenen Gedanken denkt? Anders formuliert nimmt Goleman das geistige Potenzial zu einer Beobachter-Position an und verortet dieses in einer inneren, psychischen Sphäre, so dass sich eine zweifache Dualität ergibt – einerseits die Dualität von beobachtendem Subjekt und beobachtetem Objekt innerhalb des Bewusstseins, andererseits die Dualität zwischen Innen- und Außenwelt.

3.2.2.3 Meditation in ihren diskursiven Auswirkungen auf gesundheitliches Wohlbefinden

Zentral für Golemans Überlegungen ist der Zusammenhang von Emotionalität und psychischer wie physischer Gesundheit. Am Beispiel eines transkribierten Ausschnittes der dritten Mind and Life Institute-Konferenz 1990 zum Thema „Emotions and Health“ soll nun analysiert werden, wie Golemans Ausführungen dieses Zusammenhangs das bisher skizzierte Achtsamkeits-Dispositiv argumentativ fundieren.

„Daniel Goleman: Your Holiness, you raised the point that 3 to 4 billion people on the planet have no religious belief. The question is, what kind of ethics can appeal to those 4 billion? I'm going to present experimental scientific evidence suggesting a completely new path for approaching that question: that the body's own mind, the immune system, provides a basis for a de facto ethical system […] What I'm going to show is that the body's ethical system, this 'body dharma', approximates an aspect of Buddhadharma, in that the afflictive emotions tend to make one ill and wholsome states of mind tend to promote

107 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

health.“194

Plakativ zusammengefasst: An die vier Milliarden Menschen ohne religiösen Glauben haben keine ethische Orientierung. Diese Menschen können sich jedoch auf ihr Immunsystem als ethischen Ratgeber berufen, da negative Gefühle krank machen, positive Gefühle Gesundheit befördern. Diese mit „wissenschaftlicher“ Evidenz belegte Dynamik menschlicher Gesundheit heißt „body dharma“ oder „Buddhadharma“. Auch an späterer Stelle der Transkription wird deutlich, worauf diese Argumentation zielt - „to convince people to live ethically who have no religious belief but only the individualistic ethic“195.

Die nötige Überzeugungsarbeit wird durch die Aneinanderreihung zahlreicher medizinischer und psychologischer Studien versucht zu leisten, die erneut weder auf den jeweiligen Seiten, noch im Anhang des Buches im Sinne wissenschaftlicher Referenz bibliographiert sind. Zunächst werden negativ belegte Geisteszustände wie Wut, Depression, Angst und Stress in ihren Auswirkungen auf das menschliche oder tierische Immunsystem, im Hinblick auf Krankheitsgenese oder Sterberate anhand genannter Studien knapp dargelegt, um die abschliessende Vermutung zu untermauern, dass diese Arten menschlicher Geisteshaltung bzw. psychischer Störungen generell physische Gesundheitsrisiken erhöhen.

Ebenso verfährt Goleman mit positiv besetzten Geisteszuständen, die sich entsprechend vorteilhaft auf die Gesundheit auszuwirken scheinen. „Another positive state of mind is confidence, a sense of being able to handle the situation. In the West it's often thought of as a sense of control. A confident person feels things are in their control. […] In one experiment repeated at several medical centers, two white rats are put in cages next to

194 Goleman 1997, S. 33 ff. 195 Ebd., S. 44.

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each other. Both rats get an electric shock simultaneously, but one rat has a lever it can push to stop the shock, and the other has no lever. They get exactly the shame shock, but only one can control it. The one without control gets stomach ulcers.“196 Selbstvertrauen wird als positiver Geisteszustand gekennzeichnet und auf einen nicht weiter bestimmten Kontrollsinn reduziert, der im Experiment an Ratten durch einen Hebel symbolisiert sein soll. Im Gegensatz zu ihrem Artgenossen kann eine der beiden Ratten den Elektroschock damit unterbrechen und erkrankt durch ihr kontrollierendes Eingreifen letztlich nicht an Bauchgeschwüren. Zumindest eine der beiden Ratten scheint Glück gehabt zu haben, doch „when both rats are injected with cancer cells, the tumors spread more rapidly in the rat without control.“197 Die Variablen dieses Ergebnisses – keine Kontrolle führt zu Bauchgeschwür bei Ratten- sind für Goleman mit der Sterberate von Bewohnern eines Altenheims vergleichbar – Kontrolle über Mahlzeiten und Besuche („they also gave each individual in this group a plant to take care of“198) führt nach einem Jahr zu halbierter Sterberate im Gegensatz zur Kontrollgruppe. Dass die Beobachtungen im Altenheim von Psychologen der Yale Universität durchgeführt wurden, scheint für Goleman den postulierten, wissenschaftlichen Evidenz-Charakter zu verbürgen.

Weitere Tier-Experimente dieser Art werden angeführt, sie handeln u. a. von Affen, die unter Folter-Bedingungen gehalten wurden, um deren (erwartungsgemäß) erhöhtes Cortisol-Level zu messen, oder Kaninchen, denen fettreiche Nahrung verabreicht wurde, um deren (erwartungsgemäß) erhöhte Arterien-Verengung zu messen. „The rabbits that were petted had less blockage than those that were not petted.“199 Die von Goleman angeführten Studien, die allesamt der Illustrierung des Zusammenhangs von

196 Ebd., S. 41. 197 Ebd. 198 Ebd., S. 41 ff. 199 Goleman 1997, S. 43.

109 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Emotionen und Gesundheit dienen sollen, rufen im Rahmen dieser Mind and Life Institute-Konferenz keine nennenswerte Diskussion über experimentelle Designs oder psychologische Terminologie, ganz abgesehen von ihrer ethischen Fragwürdigkeit, hervor. Lediglich Francisco Varela bezieht in kurzen Sätzen Stellung - „The measurements reflect global parameters and activity on a very general, unspecific scale. […] We have to be very, very prudent in not being overly optimistic in interpreting these kinds of initial studies.“200 - während der Dalai Lama lacht. „Dalai Lama: You've given me a lot of ammunition! (laughter)“201

Die zugespitzte Zusammenfassung von Golemans Vortrag soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass darin 1990 zumindest eine klinische Untersuchung zu möglichen physischen Auswirkungen von Meditation Erwähnung findet. „When some of the students at Ohio State University who were facing exams meditated every day, their T- cells were found to increase [...]. The more often and more consistently they meditated, the stronger the effect.“202 Allerdings bleibt unklar, welche Art der Meditation die Studenten über welchen Zeitraum ausübten. Womit genau ein Zuwachs an T-Zellen bzw. T-Lymphozyten, weiße Blutzellen, die einen Teil der menschlichen Immunabwehr darstellen, für Goleman korreliert, lässt sich seiner Rede nicht eindeutig entnehmen.

Effektiver zu entspannen, indem Muskelanspannungen genauer identifiziert werden können, schliesslich Prüfungen gelassener gegenüberzustehen, sind Aspekte, die in diesem Zusammenhang erwähnt, aber nicht explizit als Korrelate bezeichnet werden.

Dreizehn Jahre zuvor stellt sich das letzte Kapitel von Golemans „The Meditative Mind“ als Fundus ähnlich diskursivierter Studien dar. So berichtet er darin beispielsweise von der mit Gary Schwartz, dem Betreuer seiner Dissertation,

200 Ebd., S. 45. 201 Ebd., S. 45. 202 Ebd., S. 40.

110 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

entwickelten Versuchsanordnung im Jahre 1976, die den Zusammenhang von Meditation und dem Umgang mit Stress abbilden sollte, um „the lower incidence of anxiety and psychosomatic disorders among meditators“203 zu erklären.

Einer Meditations-erfahrenen und einer Meditations-unerfahrenen Gruppe wurde nach jeweils zwanzig-minütiger Meditation, ein Film eines Unfalls in der holzverarbeitenden Industrie gezeigt, der den Puls beider Gruppen in die Höhe schnellen ließ und messbare Angst-Symptome, wie beispielsweise vermehrtes Schwitzen, bei den Versuchspersonen bedingte. Unterschied in beiden Gruppen, so fanden Goleman und Schwartz heraus, war, dass die Meditations-Erfahrenen im Gegensatz zu den Meditations-Novizen sowohl schneller mit genannten Symptomen auf den Film reagierten als sich auch erheblich schneller von diesen wieder erholten. Dieses Ergebnis deuteten sie als Beleg für verminderte Angst-Reaktionen und erhöhtes Regenerationsvermögen nach Stress verursachenden Situationen unter sog. Meditierenden. Welche Form der Meditation die Probanden ausübten, wird allerdings nicht expliziert.204 Stattdessen gibt Goleman eine allgemein gehaltene Definition von Meditation, die er als „in essence, the effort to retrain attention“ versteht. „This gives meditation its unique cognitive effects, such as increasing the meditator's concentration and empathy. The most common use of meditation, however, is as a quick-and-easy relaxation technique.“205 Konzentration und Empathie kennzeichnen demnach spezifische Effekte von Meditation, in der Aufmerksamkeit gezielt gerichtet wird.

Dieses Verständnis von Meditation als einfacher und schneller Entspannungsübung findet sich in beinahe demselben Wortlaut auch in Golemans Publikation „Focus. The Hidden Driver of Excellence“ von 2013. „Almost any variety of meditation, in essence,

203 Goleman 1996a, S. 179. 204 Vgl. Goleman, Daniel / Schwartz, Gary (1976): Meditation As an Intervention in Stress Reactivity, in: Journal of Clinical and Consulting Psychology 44 (1976). S. 456-466. 205 Goleman 1996a, S. 169.

111 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

retrains our habits of attention – particularly the routine default to a wandering mind.“206

Im Vergleich zur Diskursivierung von Studien zur Meditationsforschung durch beispielsweise den US-amerikanischen Philosophen Jonathan Shear, der 1999 mit Francisco Varela den Aufsatzband „The View from Within. First-Person approaches to the study of consciouness“ herausgab, zeigt sich, dass sich Goleman, trotz des Rückgriffs auf sein frühes Überblickswerk zu Meditationsformen unterschiedlicher spiritueller Traditionen, in einer begrifflichen und vor allen Dingen funktionellen Distanz zu eben diesen Traditionen verorten lässt.

3.2.3 Gegenwärtige Ansätze: Meditationsbedingte Erfolgsfaktoren zwischen gesteigerter Effektivität und Produktivitätsausfall

3.2.3.1 Erfolgs- und Wirkfaktoren achtsamkeitsbasierter Programme in Unternehmen

Ein Blick auf Deutschland. Der von Lohmann-Haislah 2012 für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verfasste „Stressreport“ berichtet von alarmierenden Zahlen. Bereits jeder fünfte Arbeitnehmer hat mit gesundheitlichen Folgen von Stress zu kämpfen, die Symptome reichen dabei von Schlafstörungen bis hin zu Herzinfarkten. Untersuchungen von Krankenkassen und der WHO weisen außerdem darauf hin,207 dass psychiche Belastungen die Hautpursache für Frühverrentungen sind. 10,3 Milliarden

206 Goleman 2013, S. 198. 207 Lohmann-Haislah, A. (2012): Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden, Paderborn: Bonifatius GmbH. https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/Gd68.pdf?__blob=publicationFile&v=7 [Stand: 15.12.2020].

Techniker Krankenkasse. Gesundheitsreport 2013 – Veröffentlichungen zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement der TK, Band 28. https://www.tk.de/resource/blob/2034308/bd293b4339460486bb721b5d54524ca6/gesundheitsreport- 2013-data.pdf [Stand: 15.12.2020].

112 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Euro Bruttowertschöpfungsverlust, sowie 5,9 Milliarden Euro Produktionsausfallkosten bilden zahlenmäßig die Folgen von beruflichem Stress ab.

Zweierlei mag das erklären. Zum einen ein rasant wachsendes Achtsamkeitsangebot für unternehmerische Kontexte. Zum anderen die damit einhergehende Reduzierung von meditativen Achtsamkeitstechniken auf eine alleinige Methode zur Stressbewältigung.

Um sich zunächst einen Überblick auf das seit den Tagen Golemans wachsende Feld achsamkeitsbasierter Techniken in ökonomischen Kontexten zu verschaffen, eignet sich der Beitrag „Achtsamkeit im Berufsalltag“208 von Nicole Stern. 2015 im von Britta Hölzel und Christine Brähler herausgegebenen Sammelband „Achtsamkeit mitten im Leben - Anwendungsgebiete und wissenschaftliche Perspektiven“ erschienen, widmet sich die Vipassana-Lehrerin und im Bereich der Unternehmensberatung erfahrene Führungskraft Stern den Erfolgsfaktoren achtsamkeitsbasierter Programme in Unternehmen.

Stern zufolge ermögliche Achtsamkeit im Arbeitsalltag Führung und Überblick, helfe dabei, gelassener zu werden, und klarer zu sehen. Darüberhinaus würde das Unterscheidungsvermögen geschärft, was das Verständnis von Zusammenhängen verbessern würde.209 Allesamt Wirkfaktoren bzw. Kompetenzen, die der oben genannten, berufsbedingten Stress-Symptomatik entgegenzuwirken scheinen. Dabei fundiert Stern die Begriffe „Führung“ und „Überblick“ mit einem Rückgriff auf die buddhistische Text-Sammlung Samyutta-Nikaya (Sv5)210 aus dem Pali-Kanon, derzufolge der Begriff sati mit Hilfe des Bildes eines Wagenlenkers erklärt wird, der zu

208 Stern, Nicole: Achtsamkeit im Berufsalltag, in: Hölzel, Britta K. / Brähler, Christine (2015): Achtsamkeit mitten im Leben. Anwendungsgebiete und wissenschaftliche Perspektiven, München: O. W. Barth, S. 243–272. 209 Vgl. Stern 2015, S. 245 ff. 210 Sammlung buddhistischer Lehrreden, Samyutta-Nikaya (Sv5), http://www.palikanon.de/samyutta/sam05.html [Stand: 15.12.2020].

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einer höher gelegenen Plattform kommt und von dort aus eine bessere Übersicht hat. Die Beschreibung einer Kompetenz, die durchaus als Antwort auf den beispielsweise verantwortungsvolllen wie hektischen Berufsalltag eines leitenden Angestellten gelten kann. Stern führt ein Interview mit einer solchen Person an, die sich nach einer Beförderung mehr Druck und Verantwortung ausgesetzt sah, und sich nicht mehr gut konzentrieren konnte, aufgrund dessen ihre sog. Gelassenheit einbüßte.

„Achtsamkeitstraining war meine Rettung. Ich habe im Kurs gelernt, wie ich einen Fokus halten kann, d. h. bewusst bei einer Sache zu bleiben. Wenn meine Aufmerksamkeit wieder abdriftete, nahm ich es mit Achtsamkeit wahr und lenkte sie wieder zum Fokus zurück. Als Perfektionist fand ich es ungemein erleichternd, dass ich hier nicht scheitern konnte. Jedes Bemerken des Abdriftens zeigte mir, wie viel achtsamer ich schon geworden war. Ich habe in einer Übung erlebt, dass Multitasking ein Mythos ist, dem ich blindlings gefolgt war. Umgehend beschloss ich, meine Arbeitsweise zu ändern; seither arbeite ich nicht mehr an drei Dingen gleichzeitig. Allein das hat mir mehr Gelassenheit verschafft. Ich meine auch, dass ich bei der Arbeit effektiver geworden bin. Zusätzlich mache ich jetzt regelmäßig viele kleine achtsame Pausen. Verrückt – ich hatte einfach vergessen, wie ich wieder Momente der Muße in mein Leben bringen kann.“211

Die von Stern eher allgemein gehaltenen, und für die vorliegene Analyse als Einleitung dienenden, genannten Faktoren, Führung, Überblick, Gelassenheit, Verbesserung des Unterscheidungs- und Urteilsvermögens lassen sich mit solchen, von Saki Santorelli erprobten erweitern.212 Der Verhaltensmediziner der Universität Massachusetts, sowie in

211 Stern 2015, S. 246 f. 212 Vgl. Santorelli, Saki F. (2013): 'Enjoy your Death': Leadership lessons forged in the Crucible of organizational Death and Rebirth infused with Mindfulness and Mastery, in: Williams, Mark / Kabat- Zinn, Jon (2013), Mindfulness. Diverse Perspectives on its Meaning, Originis and Applications, New York: Routledge, S. 199-217.

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der Funktion als Direktor des Center for Mindfulness in Medicine, Health Care, and Society führt folgende Charakteristika des Verhältnisses von Achtsamkeit und Führungskompetenzen an. Falling and Intimacy, Surrender and Sovereignity, Conciliation and Wisdom, Standing inside of things and Sustained Concentration, Emptying of Self and Innovation.213 Fünf menschliche Qualitäten, die durch eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis entwickelt und gestärkt werden könnten.

Falling and Intimacy – Die Angst zu fallen, wiege Santorelli zufolge schwerer als ein Fallen an sich. Aus seiner persönlichen Erfahrung als Leiter des Mindfulness Centers zeichnet er einen unbedingten Zusammenhang zwischen Fallen, Scheitern, Kontrollverlust etc. und einer Intimität, die sich aus dem Annehmen der damit einhergehenden Ängste für ihn ergibt. Er sei durch die, mittels Achtsamkeit eingeübte Fähigkeit, innere Befindlichkeiten so anzunehmen, wie sie in seiner inneren Sphäre aufkommen, ein mitfühlenderer Vorgesetzter für seine Mitarbeiter, ein besserer Zuhörer für seine Patienten geworden, und hege eine größere Wertschätzung für seine Kollegen.

Surrender and Sovereignity – Santorelli versteht unter dem englsichen „surrender“ ein Verb der Hingabe, des Abgebens beispielsweise eigener Unsicherheiten hinsichtlich seines eigenen Arbeitsalltags im Mindfulness Center. Da ist einerseits die Rede von der buddhistisch motivierten, unpersönlichen Qualität von Ereignissen, zu Gunsten dessen er seine persönliche Involviertheit in Ereignisse abgibt bzw. übt, loszulassen. Anderseits die Rede vom Loslassen wahrgenommener Ungerechtigkeiten, im Angesicht der eigenen inneren, positiven Grundhaltung. Für Santorelli insofern positiv, als dass sich die eigene Souveränität schliesslich dadurch ergibt, dass durch Achtsamkeitspraxis nach und nach die rein persönlich gefärbten Anliegen abgelegt werden können, um Raum für eine Quelle der Vision und Inspiration entstehen zu lassen.

213 Santorelli 2013, S. 210-214.

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Conciliation and Wisdom – Eine versöhnlichere Haltung gegenüber Geschäftspartnern führe Santorelli zufolge zu einer klareren Sicht auf Unterschiede in den jeweiligen Anliegen, sowie zu größerem Verständnis und letztlich Übereinstimmungen. Er berichtet beispielshaft von viermonatigen Verhandlungen mit der Krankenhausleitung bzgl. der Finanzierung des Center for Mindfulness in Medicine, Health Care, and Society, während derer eine weniger offensive, freundlichere Atmosphäre durch die Einnahme der Sitzplätze erreicht werden konnte. So nahm Santorelli neben anstatt direkt gegenüber seinem Verhandlungspartner Platz, und ist sich sicher, allein dadurch bereits zu anderen, für ihn besseren Ergebnissen gekommen zu sein. „By learning to meet and befriend myself through mindfulness practice, I am learning to make room within myself for whatever arises, whether I like it or not. This itself is an act of hospitality, an expression of a basic warmth and friendliness that, in turn, begins to flow out into my relationships with others.“214 Diese Fähigkeit, Freundlichkeit trotz Unterschiedlichkeit zu anderen einzuüben, bedeutet Santorelli die Basis von Verständnis, damit die Grundlage für so etwas wie Weisheit.

Standing inside of things and Sustained Concentration – Die ersten hundert Tage der genannten vier Monate an Verhandlungen waren von der Unsicherheit über den Augang der Unternehmung geprägt. Für Santorelli hängt entsprechend die Kultivierung von Geduld mit derjenigen Führungskompetenz zusammen, über einen längeren Zeitraum hinweg die Konzentration unbeirrt auf einem bestimmten Objekt halten zu können, um voreiliges, etwaiges sog. unreifes Verhalten zu vermeiden. Achtsamkeitsmeditation sei das Vehikel für diese Kultivierung. Gemeint sei damit allerdings nicht, jedwede Bedingung bestimmter Situationen schlichtweg zu tolerieren, sondern in einer Zeit des Nicht-Wissens, der Unsicherheiten bei der Sache zu bleiben, bis die richtige Entscheidung gemeinsam gefällt werden könnte. Interessanterweise fundiert Santorelli als Leiter einer „Mindfulness“ Einrichtung den

214 Santorelli 2013, S. 213.

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von ihm angenommenen Nutzen der Kultivierung von Konzentration für Führungskräfte nicht mit einem Verweis auf buddhistische Literatur, sondern mit einem Hinweis auf den 1927 verstorbenen, indischen Gründer des Internationalen Sufi-Ordens Hazrat Inayat Khan215. „Described as 'one of the wings to the power of concentration' in the Sufi teachings on mastery (Khan 1962), patience is a critical capacity for leaders who are constantly called upon to develop, direct and sustain unwavering concentration on an object often for long periods of time.“216 Inwiefern Santorelli demnach eine kulturell indifferente Haltung gegenüber den Meditationswegen kulturell differenter, religiöser Traditionen, hier Konzentrationstechniken islamischer Mystik vs. solcher buddhistischer Couleur, einnimmt, lässt sich aus dem kurzen Hinweis auf Khan nicht unterstellen. Durchaus aber sei ein Verdacht auf eine ähnlich essentialistische Perspektive wie bei Goleman formuliert, da die genannten achtsamkeitsbasierten Führungskompetenzen keinen dezidiert buddhistischen Quellen zugeordnet werden.

Emptying of Self and Innovation – Santorelli sieht zusätzlich einen unbedingten Zusammenhang zwischen einer Erneuerung bzw. Disintegration individueller und kollektiver Identitäten und der daraus folgenden Fähigkeit zu Innovation.217 Das bedeutet, bereit und willig zu sein, alte, unter Umständen beengende Inditifikationen mit Arbeitssituationen, aufzugeben, ebne den Boden, neue, innovative Perspektiven einzunehmen. Festgefahrene Ansichten zu lockern, bereit zu sein, sie unter Umständen sogar aufzugeben, bilde entsprechend die Basis, achtsamer Führungskompetenz.

215 Vgl. Khan, Hazrat Inayat (1962): The Sufi Message of Hazrat Inayat Khan, Vol. I and VIII., London: Barrie and Jenkins Khan. 216 Santorelli 2013, S. 214. 217 Vgl. Santorelli 2013, S. 214 f.

117 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

3.2.3.2 Drei verschiedene Tore von Achtsamkeit in die Arbeitswelt

Über verschiedene Kanäle gelangt die Bewusstseinstechnik der Achtsamkeitsmeditation in die Arbeitswelt. Nicole Stern benennt insgesamt drei: über die persönliche Initiative des Arbeitnehmers, über die betriebliche Initiative des Arbeitgebers, oder im Zuge der Entwicklung einer Unternehmenskultur.218

Die Eigeninitiative eines Arbeitnehmers, in seiner Freizeit beispielsweise einen MBSR- Kurs zu besuchen, geschieht meist aufgrund der Wahrnehmung eines veränderten Umgangs mit Stress. Gesteigerte Anforderungen, durch z. B. Umstrukturierungen im Unternehmen, die Unzufriedenheit oder körperliche wie mentale Erschöpfung bedingen, können im Arbeitsumfeld als Faktoren gerechnet werden, die gegenwärtig bereits häufig in eine therapeutische oder ärztliche Empfehlung für einen MBSR-Kurs münden. Dort erlernen Arbeitsnehmer achtsamkeitsbasierte Techniken, besser mit den neuen Anforderungen umzugehen, oder auch, im Sinne einer Nachsorge bei bereits diagnositiertem Burn-Out, effektiv neuen Belastungen vorzubeugen.

Um die Arbeits- und Leistungsfähigkeit zu erhalten, implementieren immer mehr Unternehmen, so Stern, sog. betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Dies beinhaltet neben einem Angebot an Rückentrainings oder Kursen zu gesunder Ernährung gegewärtig und immer häufiger Trainings, Workshops sowei Vorträge zum Thema Achtsamkeit.

In manchen Unternehmen werden allerdings auch achtsamkeitsbasierte Trainings in die Team-Entwicklung aufgenommen, um die gesamte Unternehmenskultur entsprechend zu profilieren. Für den deutschsprachigen Raum sei hier eine Studie der Bertelsmann- Stiftung genannt, „Die erschöpfte Arbeitswelt“ von 2011, die sich dem Zusammenhang

218 Vgl. Stern 2015, S. 248-253.

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zwischen Leistungsvermögen und Gesundheit von Arbeitnehmern in Unternehmen widmet.219 Darin ist die Rede von der Notwendigkeit, Achtsamkeit in Unternehmen „von oben“ zu kultivieren, d. h. Führungskräfte sollten Werte wie Selbtwahrnehmung, emotionale Selbstregulation, Einfühlungsvermögen und eine gewisse Sensibilität verkörpern und vorleben.

Neben den drei genannten Toren von Achtsamkeit in die Arbeitswelt sei auch ein Blick auf den Lehrplan europäischer und US-amerikanischer Wirtschaftshochschulen geworfen. An der School of Management der Claremount Graduate University beispielsweise treibt Jeremy Hunter mit seinen Seminaren zum Zusammenhang von mindfulness und leadership die Agenda des von ihm ins Leben gerufenen Executive Mind Leadership Institutes220 voran. Auch der an der Harvard Business School leitende Professor William George, der seit 1975 selbst Achtsamkeitsmeditation praktiziert,221 lenkt sein Forschungsinteresse auf ein verbessertes Verständnis von Emotionen für angehende Unternehmer, vor dem Hintergrund persönlicher Entwicklung hinsichtlich leadership Kompetenzen.222

Zur Vertiefung des Aspekts von Achtsamkeit in akademischer bzw. Hochschulbildung sei auf den Beitrag „Mindfulness in Higher Education“ von Mirabai Bush, Mitentwicklerin von Googles Search Inside Yourself Programm, aus dem Jahr 2011 hingewiesen.223

219 Badura / Steinke (2011): Durch achtsame Führung den Kulturwandel gestalten, in: Die erschöpfte Arbeitswelt. Durch eine Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie, Kreativität, Wohlbefinden und Erfolg, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, S. 58-61. 220 Vgl. https://www.cgu.edu/center/executive-mind-leadership-institute [Stand: 15.01.2021]. 221 Vgl. Stern 2015, S. 255. 222 Vgl. https://www.hbs.edu/faculty/Pages/profile.aspx?facId=275677&view=research-summary [Stand: 15.01.2021]. 223 Bush, Mirabai (2011): Mindfulness in higher education, in: Williams, Mark / Kabat-Zinn, Jon (2013), Mindfulness. Diverse Perspectives on its Meaning, Originis and Applications, New York: Routledge, S. 183-197.

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3.2.3.3 Google's Search Inside Yourself Programm

Der in Singapur geborene Ingenieur Chade-Meng Tan trägt mit einer konzeptuellen Verknüpfung religiös-meditativer Techniken mit emotionaler Intelligenz wesentlich zu einer säkularen Effizienz- und Optimierungs-Kultur innerhalb der Google Unternehmenssphäre bei. Search Inside Yourself heisst das von Tan 2007 initiierte, zunächst Google interne Programm, das entweder als zweieinhalb Tageskurs oder in neunzehn Stunden über sieben Wochen verteilt absolviert werden kann.

Dem US-amerikanischen Online Finanzmagazin Business Insider gegenüber äußert der amerikanisch-asiatische Laie Tan 2014, er hätte kein Interesse daran, Google den Buddhismus näherzubringen, er wolle den Menschen bei Google helfen, den Schlüssel zu Happiness zu finden, und Weltfrieden zu kultivieren. „Happiness is the default state of mind“224 heißt es in der 2012 von Tan publizierten, in 24 Sprachen übersetzten Monographie mit dem entsprechend verheißungsvoll appellativen Titel Search Inside Yourself: The Unexpected Path to Achieving Success, Happiness (and World Peace). 2018 veröffentlichte Tang Joy on Demand: The Art of Discovering the Happiness Within.

Das Narrativ geht jeweils so - die Abwesenheit von Happiness führt zu Stress, Leiden und Krankheit des Arbeitnehmers, deren Eliminierung das ausgemachte Ziel der Achtsamkeitsbewegung ist. Der unerwartete Pfad, um Erfolg, Happiness und Weltfrieden zu generieren, lässt sich wie folgt umschreiben: Um „happy“ zu sein, muss man im gegenwärtigen Moment sein, präsent sein mit was auch immer sich in der inneren wie äußeren Sphäre zeigt.

224 Tan, Chade-Meng (2012): Search Inside Yourself: The Unexpected Path to Achieving Success, Happiness (and World Peace), New York: Harper, S. 32.

120 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Dieser semantische Code ist in eine Hierarchie der Werte eingelassen. Erfolg an erster Stelle, dicht gefolgt von Happiness und nicht zuletzt Weltfrieden konstituieren den ausgesprochenen Werte Himmel der Corporate Mindfulness Welt im Google Unternehmen. Daniel Goleman und Jon Kabat-Zinn verfassten das Vorwort zu Tans Buch, Empfehlungen auf dem Buchrücken stammen vom Dalai Lama, dem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter, dem sechsten Präsidenten Singapurs, sowie einem der Mitgründer von Whole Foods.

Der Religionswissenschaftler Jeff Wilson kommentiert den Inhalt zwei Jahre nach Erscheinen kritisch. „The content inside is breezy, self-deprecatingly funny, and even contains numerous cartoons as it teaches how to do 'mindfulness without butt on cushion.' It attributes Google's massive success in part to the mindfulness program for employees that Tan instituted at the company, and suggests that you can replicate this success in your own life through meditation. This is brilliantly marketed mindfulness, and sales figures reflected the various strategies at work.“225 Der Zusammenhang von unternehmerischem Erfolg und Achtsamkeitstrainings für die Mitarbeiter ist dabei nicht wissenschaftlich bestätigt.

So basiert diese brilliante Vermarktungsstrategie von Befürwortern sogenannter Corporate Mindfulness darüberhinaus auf der Vorgabe politischer Neutralität und neurowissenschaftlicher Evidenz der unternehmensinternen Achtsamkeitstrainings. Doch Achtsamkeit im ökonomischen Kontext ist weder politisch neutral, noch zur Gänze neurowissenschaftlich, klinisch, am wenigsten ökonomisch in seiner Wirksamkeit bestätigt.

Ronald Purser226, Professor für Management an der San Francisco State University,

225 Wilson, Jeff (2014): Mindful America. The Mutual Transformation of Buddhist Meditation and American Culture, New York: Oxford University Press, S. 141. 226 Wie seiner persönlichen Webseite zu entnehmen, ist Purser nicht nur im akademischen Bereich tätig,

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formuliert dazu 2017 in einem Artikel für die US-amerikanischen Onlinezeitung The Huffington Post „To be sure, it is important to facilitate the well-being of employees. But the drive to celebrate the links between mindfulness and wellness and organizational good is not free from the workings of power.“227 Purser schlägt eine ähnliche Seite wie Wilson an, indem er ebenfalls die fehlende wissenschaftliche Evidenz von Achtsamkeit in ökonomischen Kontexten anmahnt.

Zusätzlich beleuchtet er die Disziplin der Management Science, die seiner historischen Ansicht nach stets eine politische Unternehmung gewesen sei, um unternehmerische Interessen zu legitimieren. Dafür würden Erkenntnisse der Sozialwissenschaften oder Psychologie die Wissenschaftlichkeit der Management Science verbürgen. Mit Worten derAmerican Psychological Association von 1962, „essentially what the industrial psychologist attempts to do is to help the employee to … a recognition of how his interests and management's coincide“228. Management Science Verschriebene und entsprechend Befürworter von Achtsamkeit in unternehmerischen Kontexten, was sich unter das Stichwort Corporate Mindfulness zusammenfassen lässt, weisen, der Ansicht von Purser zufolge, wiederholt Kritiken bezüglich der wissenschaftlichen Evidenz von Corporate Mindfulness zurück. Ihrer lediglich persönlichen Meinung nach, würde sich in Mindfulness Seminaren die Wirksamkeit immer wieder zeigen. Doch Privatmeinung, so Purser, ersetze keine wissenschaftliche, empirische Evidenz. Auch warnt er vor einer Voreingenommenheit hinsichtlich der rein positiven Rezeption von Corporate Mindfulness Phänomenen, wenn es um prominente Stimmen in

sondern seit 2013 ordinierter Lehrer der koreanischen Taego Zen-Tradition. Fundierte Kenntnis dieser buddhistischen Linie lässt seine Kritik am Konzept von Corporate Mindfulness innerhalb der Management Science in einem besonderen Licht erscheinen. Vgl. https://www.ronpurser.com/author, [Stand: 17.10.2020]. 227 https://www.huffingtonpost.com/ron-purser/cutting-through-the-corporate-mindfulness- hype_b_9512998.html, [Stand: 17.10.2020]. 228 Vgl. ebd.

122 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Achtsamkeits-Buch Rezensionen und Autorenschaft geht. In nahezu allen Werken des populären Achtsamkeitsdiskurses finden sich Vorworte, Klappentexte, und im Vorfeld Empfehlungen, die allesamt mit ihrem jeweils prominenten Charakter wenn nicht die Evidenz, so doch den Achtsamkeitshype mit befeuern.

2012 wurde das Non-Profit Search Inside Yourself Leadership Institute gegründet, da die Google internen Kurse bis zu sechsmonatige Wartelisten zeitigten, sowie großes Interesse auch von anderen Unternehmen bekundet wurde. Daniel Golemans Konzept der emotionalen Intelligenz spielt für die genannte unternehmerische Absicht, Mitarbeitern zur Einsicht zu verhelfen, dass sich ihre Interessen mit denen des Unternehmens decken, eine wesentliche Rolle. So wird emotionale Intelligenz als wissenschaftlich validierte Methode innerhalb des Search Inside Yourself Leadership Institutes gehandelt, um beruflichen und Karriere Erfolg zu sichern. Auf der Webseite des Instituts, abgekürzt SIYLI, heisst es zum Zusammenhang von emotionaler Intelligenz und Achtsamkeitsmeditation:

„[...] emotional intelligence is the ability to be aware of our own emotions, to manage them deliberately, and manage our relationships with empathy and compassion. Emotional intelligence (or EQ) includes self-awareness, self- management, social awareness, and relationship management. At SIYLI, we use mindfulness-based practices to train awareness as the foundation for the other EQ competencies.“229

So haben Empathie, Selbst-Regulation und Mitgefühl Eingang in einen neuen Management Ethos gefunden. Es bleibt fraglich, inwieweit diese Verbindung von Achtsamkeit und emotionaler Intelligenz am SIYLI frei von elitären Machtinteressen bestehen kann, es alleinig um das Wohl der Mitarbeiter geht.

229 https://siyli.org/emotional-intelligence-is-not-optional, [Stand: 18.06.2018].

123 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Purser zumindest weist auf den ironischen Umstand der Erkenntnis einer Studie mit SIYLI Absolventen dreier Technologie Unternehmen in der San Francisco Bay Area hin230, dass das awareness bzw. Achtsamkeitstraining bei den Mitarbeitern für ein erhöhtes Gewahrsein hinsichtlich ihrer eigenen Erschöpfung gesorgt hätte. Ihre Reaktion war, sicherlich entgegen des jeweiligen Managements, eine Distanzierung von ihrer Arbeit als eine Form der Erholung.

3.2.3.4 Ausblick: Zur Ideologisierung von Achtsamkeit in Corporate Mindfulness und Stealth Buddhism

Interessanterweise findet man in den fürsprechenden Publikationen des Corporate Mindfulness Kontextes wenig bis gar keine Erwähnungen buddhistischer Quellen. Begriffe wie Buddhismus, Religion, Spiritualität oder Erwachen, Erleuchtung oder sogar Meditation tauchen schlicht kaum auf. Dennoch indirekt das Versprechen, die Teilnehmer solcher Kurse vom „Leid“ zu befreien, zu mehr Konzentration, Erfolg, besseren Beziehungen etc. zu verhelfen. Vergleicht man diese Beobachtung mit der psychologischen, auch klinischen (MBSR-) Literatur zu Achtsamkeit, wie im folgenden Haupt-Kapitel 3.3 der vorliegenden Arbeit nachzulesen ist, so wird eine für ökonomische Kontexte spezifische Substitution narrativer Elemente auffällig.

Candy Gunther Brown, Religionswissenschaftler der Indiana University, berichtet, dass der Dalai Lama eine solche Modifikation der Terminologie, gutgeheißen hätte. „During a 1990 meeting, the Dalai Lama himself approved Kabat-Zinn's strategy of modifying vocabulary in order to make mindfulness acceptable to non-Buddhists.“231 Es scheint, als bergen im ökonomischen Kontext Begriffe wie Meditation, Buddhismus oder spirituelle Praxis ein Stigma, zu dessen Eliminierung eine Modifikation des Vokabulars

230 Vgl. https://www.huffingtonpost.com/ron-purser/cutting-through-the-corporate-mindfulness- hype_b_9512998.html, [Stand: 17.10.2020]. 231 https://www.huffpost.com/entry/mindfulness-stealth-buddh_b_6243036, [Stand: 17.10.2020].

124 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

erst nötig wird. Trudy Goodman, Gründerin von Insight LA, in Kalifornien wandte diese gewollte Stigmatisierung positiv, als sie in einem Podcast-Interview mit den Machern der Internetseite BuddhistGeeks.com 2014 folgende Beobachtungen schilderte.

„Goodman: I really wanted us to be able to work in this community to go into hospitals, and universities, and schools, and places where as Buddhists we might not be so welcome, especially state places, which is appropriate since we have the separation of church and state ... The really interesting question is what do they do after they take that class ... And you know the reality is they aren't that different from our Buddhist classes. They just use a different vocabulary ... And the question of will people then sort of migrate into Buddhism. Some will, some won't .... anyone who practices sincerely, whether they want it or not, they are going to discover more deeply other dimensions of their being, I think it's inevitable if they keep practicing, don't you? Horn: That seems to be somewhat independent of whether one is trained in a Buddhist context, or in a new, non-Buddhist Buddhist context. Goodman: My former husband George, he used to call it crypto- Buddhism, stealth Buddhism we now might say. Horn: Absolutely.“232

Der Begriff Stealth Buddhism bezeichnet demnach eine Art trojanisches Pferd, mit Hilfe dessen, ursprünglich buddhistische Konzepte in einen ökonomischen Kosmos Eingang finden, denen ohne die Eliminierung buddhistischen Vokabulars die Tür höchstwahrscheinlich verschlossen bliebe. Brown konstatiert, dass demgegenüber die Reaktionen unter den nicht sekularen Buddhisten zweierlei seien. Einerseits gäbe es diejenigen, die einen Stealth Buddhism Ansatz für achtsame Rede (Bestandteil des achtfachen Pfades) hielten, eine solche Säkularisierung würde also den Buddhismus

232Vgl. https://www.huffpost.com/entry/mindfulness-stealth-buddh_b_6243036, [Stand: 17.10.2020].

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selbst als Prämisse dafür zulassen, ohne, dass es jemand merkt, versteht sich. Andererseits betonten andere Vertreter der buddhistischen Traditionen, so Brown, dass achtsame Rede immer wahrheitsgemäß sein sollte, und dass auch das Schweigen über die Herkunft dieser Corporate Mindfulness Techniken unter diesen Anspruch fiele.

Ob man unter Achtsamkeitsseminaren in Unternehmen nun raffinierte, durch den Dalai Lama legitimierte Missionierung eines der wichtigsten gesellschaftlichen Funktionsbereiche oder (auch) achtlose, den Buddhismus verzerrende Reden versteht, bleibt offen. Sicherlich jedoch ließen sich, wie das vorliegende Kapitel zu zeigen versucht hat, Erfolgs- und Wirkfaktoren achtsamkeitsbasierter Programme in Unternehmen ausmachen, die weitreichende, durchaus positive Implikationen haben, wie von Santorelli plausibel dargestellt. Obwohl sich hier auch wie bei Goleman eine gewisse essentialistische Repräsentation buddhistischer Ideen identifizieren ließ. Über welche verschiedenen Wege Achtsamkeit in die Arbeitswelt Einzug gehalten hat, wurde ebenfalls dargestellt, um ein prominentes Beispiel, das Google Search Inside Yourself Programm, näher zu beleuchten. Kritik aus religionswissenschaftlichen und ökonomischen Stimmen rundet diesen Part ab.

126 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

3.3 Achtsamkeit und Psychologie – Bewusstsein als Optimierungsvehikel

3.3.1 Zwischen enlightenment und happiness: Historische und konzeptuelle Kongruenz und Differenz in Buddhismus und Psychologie

Psychologie als seit einem Jahrhundert etablierte wissenschaftliche Disziplin im Westen und Buddhismus als über zwei Jahrtausende alte religiöse Tradition indischen Ursprungs haben vieles gemeinsam.233 Trotz historischer, kultureller, struktureller Unterschiede sprechen beide Gebiete einander die ergänzende Bereicherung des jeweils anderen nicht ab. Gegenwärtig werden nicht nur groß finanzierte, akademische Studien zu Schnittmengen von Psychologie und Buddhismus unternommen, Fachdiskussionen rücken darüberhinaus immer mehr in den medial öffentlichen Raum. Neben der Erschließung neuer wissenschaftlicher Gebiete und öffentlichen Dialogen, wie denjenigen des Mind and Life Institute, tritt der Bereich der Praxis in den Fokus nicht nur wissenschaftlichen, auch öffentlichen Interesses.

Diese Praxis speist sich aus von Psychologie und Buddhismus geteilten Grundannahmen. Erstens scheinen beide Traditionen Sinnangebote für ähnliche menschliche Bedürfnisse bereitzustellen. Zweitens ist beiden Gebieten an der Aufdeckung und Umformung von Dynamiken des menschlichen Geistes gelegen.

233 Ein Hinweis auf Heideggers Humanismusbrief soll an dieser Stelle ausreichen, um darauf hinzuweisen, dass Ismen bzw. die so sich ergebende essentialistische Repräsentation von Traditionen wie des sogenannten Buddhismus oder der sogenannten Psycholgie, lediglich zur Vereinfachung der Lektüre vorgenommen sind. Ebenso ist mit dem Terminus des sogenannten Westens verfahren. Differenzierungen genannter Ismen, wie auch territorialer Zuordnungen werden im Verlauf des Kapitels extrapoliert. Für eine erhellende Einführung in den Problemkreis dieser Terminologie vgl. Winkler, Heinrich August (2009): Geschichte des Westens. Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München: C. H. Beck, S. 17-24.

127 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Drittens, beide wollen die Aufdeckung und mögliche Eliminierung von Strategien des sogenannten menschlichen Egos, die es für sein Überleben entwickelt, und die für das Individuum hinderlich für den eigenen Lebensvollzug sind.

Franz Aubrey Metcalf, der im Fach Komparative Religionswissenschaft der California State University in Los Angeles lehrt, konkretisiert in seinem 2002 erschienenen Aufsatz zu Buddhismus und Psychologie234 das therapeutische Selbstbild, das beiden Bereichen inhärent sei, in drei Punkten. Erstens, die Person bzw. der menschliche Geist entwickle sich durch die Lebensspanne hindurch und wird durch Erfahrung und die gedankliche Reflexion darüber geprägt. Zweitens, der menschliche Geist sei selbstkorrektiv, sofern er Einsicht in dysfunktionale mentale Dynamiken gewinnt. Drittens, Psychologie wie auch Buddhismus stellen Praktiken bereit, mit Hilfe derer solche Einsichten gewonnen werden können, die ebenfalls für die längerfristige Integration der so gewonnenen Kenntnisse genutzt werden können.

Diese Aspekte des therapeutischen Selbstbildes erhellen die Ziele beider Bereiche. Eine buddhistische Perspektive versucht Einsicht in die wahre Natur des sogenannten Selbst zu gewinnen, um Freiheit von diesem illusorischen Selbst zu erlangen. Leidenschaften bzw. mentale Anhaftungen sind dabei das Mittel des Selbst, den Menschen in einem unglücklichen geistigen Zustand zu halten. Die Psychologie versucht Einsicht in die Natur der Person zu gewinnen, um illusorische Ideen über diese Person bzw. dieses Selbst letztlich fallen zu lassen. Vergangene mentale Anhaftungen sind es beispielsweise, die den Menschen in einer unglücklichen geistigen Sphäre belassen.

Allerdings begegnen hier unterschiedliche Konnotationen des Begriffs Anhaftung. Während Anhaftung in der Psychologie eine durchaus wertvolle Beziehungskategorie

234 Metcalf, Franz Aubrey (2002): The Encounter of Buddhism and Psychologie, in: Prebish / Baumann (Hg.) (2002): Westward Dharma. Buddhism beyond Asia, Berkeley: University of California Press, S. 348.

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meint, die nur als unsicher oder belastend erlebte problematisch und unter Umständen therapiebedürftig für den Einzelnen wird, sieht eine buddhistische Perspektive in Anhaftungen grundsätzlich und erheblich weitläufiger ein Problem, das den eigenen Lebensweg behindern kann. In der ersten Lehrrede des Buddha, die die sogenannten vier edlen Wahrheiten überliefert, wird der Kontext formuliert, in dem Anhaftung (upādāna-skandha) bzw. menschliches Verlangen verortet wird. Knapp formuliert – Alles Leben ist leidvoll (dukkha), dieses Leiden hat seinen Grund in Begierden (tanhā), die beendet werden können, mit Hilfe des achtfachen Pfades, dessen siebtes Glied sogenannte rechte Achtsamkeit ist.235 Darüberhinaus jedoch, und dieser Hinweis konkretisiert die erste Fußnote dieses Kapitels zu sogenannten Ismen, legen verschiedene philosophische Schulen innerhalb der buddhistischen Tradition unterschiedliche Konzepte des menschlichen Selbst als Träger der vier edlen Wahrheiten zu Grunde.

Varela beispielsweise führt in der Publikation Sleeping, Dreaming, and Dying aus dem Jahr 1997, einem Text, der die vierte Mind and Life Konferenz von 1992 in großen Teilen transkribiert, aus, dass zwar alle buddhistischen Schulen die Existenz eines Selbst, das unabhängig von den fünf Aggregaten bestünde, verneinen, jedoch hinsichtlich ihrer Spezifik differieren.236 „For example, one Buddhist school asserts that the self is the collection of the five psycho-physical aggregates (Skt. Skandhas). Another school identifies the self with the mind. Within this approach, again there are various views. For example, […] one school asserts that mental consciousness is the self. Then, if you go to Yogācāra school, you find the assertion that the foundation consciousness (Skt.Ālayavijnāna) is the self. […] we move to the Prāsangika Madhyamika school. Accoring to this school, all of the five aggregates are said to be

235 Vgl. Keown / Prebish (Hg.) (2007): Encyclopedia of Buddhism, New York: Routledge, S. 272 ff. Vgl. Dalai Lama (1991): Einführung in den Buddhismus. Die Harvard-Vorlesungen, 25. Auflage 2015, Freiburg im Breisgau: Herder, S. 27 f. 236 Varela, Francisco (1997a): Sleeping, Dreaming, Dying. An Exploration of Consciousness with the Dalai Lama, Massachusetts: Wisdom Publications, S. 112.

129 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

experienced by the self.“237

Es lässt sich sagen, dass die sogenannte westliche Psychologie einen enger gefassten Freiheitsbegriff propagiert als der Buddhismus. Die Psychologie hat die Freiheit für die Person Blick, der Buddhismus die Selbstlosigkeit der Person, d. h. die Freiheit von der Person (pudgalanairātmya), ein Konzept, das allen buddhistischen Traditionen wesentlich ist.

Person und Selbst sind jedoch keine von den beiden Traditionen synonym zu verwendenden Begriffe. Person ist kein Begriff, der der Psychologie vorbehalten, Selbst ist kein Begriff, der exklusiv dem Buddhismus zuzuordnen ist. So führt William Pietz, Direktor des Hypnose Zentrums Ojai in Kalifornien, in seinem Beitrag zum Begriff Person in Donald Lopez' Band Critical Terms for the Study of Buddhism im Jahr 2005238 aus, dass der Begriff Person die soziale Identität und Existenz eines Menschen innerhalb einer kollektiven Ordnung, der Begriff Selbst hingegen die verkörperte Identität des Menschen meint.

Im Kontext dieser Terminologie konkretisiert der Religionswissenschaftler Martin Baumann einen vergleichenden Ausblick, „It remains to be seen, wether Buddhism's aim and intention to understand the nature of suffering (dukkha), and by this process to enable men and women to reach spiritual enlightenment, will be buried under the Western obsession with the personal self and the 'I', or wether the transformative spiritual appeal remains […].“239 Um es plakativ zu sagen, wie gehen westliche Psycologie, die mit einer Stärkung der Person befasst ist, und das buddhistische Sinnangebot, das Selbst im besten Fall zu suspendieren, zusammen? Auf den ersten

237 Varela 1997a, ebd. 238 Pietz, William (2005): Person, in: Lopez (Hg.) (2005): Critical Terms for the Study of Buddhism, London/Chicago: The University of Chicago Press, S. 192. 239 Baumann, Martin (2007): Buddhism, Psychology, and Therapy, in: Keown / Prebish (Hg.) (2007): Encyclopedia of Buddhism, New York: Routledge, S. 167.

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Blick scheint es, als läge in diesem Aspekt ein nicht zu überwindender Unterschied zwischen beiden Traditionen. Wie zu zeigen sein wird, gelingt in neueren Therapie- Modellen wie MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) oder MBCT (Mindfulness Based Cognitive Therapy) eine Überbrückung dieser Diskrepanz durch die Auslassung kollektiver (monastischer), ritueller und devotionaler Dimensionen des Buddhismus.240

Es breitet sich schliesslich bei näherer Betrachtung ein fruchtbares Feld der eingangs genannten repräsentativen Schnittmengen vor einem aus, bestehend aus wissenschaftlicher Forschung, der Präsenz von Vertretern kontemplativer buddhistischer Traditionen sowie derjenigen der entsprechenden akademischen Disziplinen im öffentlichen medialen Raum, sowie aus im Folgenden exemplarisch zu erhellender klinischer Anwendung ursprünglich buddhistischer Achtsamkeitstechniken. Dieses Feld lässt sich mit Metcalf charakterisieren durch einerseits eine Amerikanisierung und Psychologisierung des Buddhismus, sowie eine „Buddhicization of Psychology“, was umgekehrt den Einfluss des Buddhismus auf ein Denken in traditionell psychologischen Gefilden meint.

Um zunächst den Einfluss des Buddhismus auf westliche Psychologie zu verstehen, lohnt es, den sozialen und historischen Kontext zunächst der Entwicklung der Fachdisziplin Psychologie näher zu betrachten. Als neue und eigenständige Disziplin entstand die Psychologie aus einerseits einer Antwort auf einen aufkommenden Gemeinschaftssinn zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, andererseits aus einer wegbrechenden religiösen Identität des damaligen Menschen. Psychologen und Psychoanalytiker, wie William James (1842-1910), Sigmund Freud (1856-1936) und Carl Gustav Jung (1875-1961) erforschten und systematisierten den Einfluss des Unbewussten auf das Bewusste im Menschen, sowie den Einfluss des Unbewussten auf psycho-somatische Dynamiken menschlichen Verhaltens. Metcalf formuliert dazu: „[...]

240 Vgl. Baumann 2007, S. 167.

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we understand psychology best when we see it both as science and as a secularized technology for achieving a kind of salvation.“241 Psychologie hat demnach mehr mit Religion zu tun, als es auf den ersten Blick ersichtlich ist. Die Freudsche Psychoanalyse, im Besonderen Jungs analytische Psychologie, Adlers Individualpsychologie seien als Beispiele historischer Stationen der Psychologie genannt, die den Beginn dieser jungen Wissenschaft markieren. Eine besondere Affinität entwickelte Jung für den tibetischen Buddhismus. Nicht nur meditative Praktiken, auch tibetische Symbole galten ihm als Ausdruck sogenannter Archetypen. Das von Jung verfasste Vorwort zu Daisetz Teitaro Suzukis Introduction to Zen aus dem Jahre 1949 beispielsweise sorgte ganz wesentlich für eine wachsende Popularität des Buddhismus unter westlichen Psychologen. Ähnlich große Wellen schlug der Klassiker Zen Buddhism and Psychoanalysis von Erich Fromm, D. T. Suzuki und Richard De Martino aus dem Jahr 1960.

Etwas früher schon, im Jahre 1922 erschien ein Aufsatz einer der Schüler Freuds, Franz Alexanders, mit dem Titel Buddhist Training as an Artificial Catatonia242, der 1931 zur Veröffentlichung kam. Bereits der Titel lässt auf ein eher eng gefasstes Bild des Buddhismus schließen. Alexander formuliert darin, ganz in der Tradition klassischer Psychoanalyse, ein Verständnis des Buddhismus als einer Art nihilistischer Haltung, die die Welt verneint, den Menschen von allen menschlichen Bedürfnissen abzieht und sich letztlich ganz von der Welt zurückzieht. In dieser Perspektive erscheint der Buddhismus als der ultimative psychoanalytische Abwehrmechanismus im Sinne einer Form von sogenannter Regression. Diesem falschen Verständnis buddhistischer Lehre gegenüber steht als basales Anliegen der klassischen Psychoanalyse die Bewusstmachung von Unbewusstem. Die philosophischen Voraussetzungen des Buddhismus schienen diesem Anliegen für Alexander diametral entgegengesetzt zu sein.

241 Metcalf 2002, S. 350. 242 Alexander, Franz (1931): Buddhist Training as an Artificial Catatonia: The Biological Meaning of Psychic Occurrences, in: Psychoanalytical Review 18, no. 2 (1931), S. 129-45.

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Während Freud sein Augenmerk unbehaglich zwar auf Christentum und Judentum richtete, verfasste er selbst keine Texte zum Thema Buddhismus. Allerdings war es ihm um eine strikte Trennung von Religion und Rationalität zu tun, da Religion seiner Ansicht nach den Menschen weder Wohlbefinden noch sittliche Erziehung gebracht hätte, Aufklärung und Psycho-Analyse sollten dies leisten.243 An diesem Anliegen wird Metcalfs Formulierung verständlich, Psychologie sei eine säkularisierte Technologie, um eine Art von Erlösung zu erfahren. Freud spricht in diesem Zusammenhang 1930 in Die Zukunft einer Illusion von einem „ozeanischen Gefühl“ als Grundlage von Religion.

Genau genommen prägte den Begriff der französische Literatur-Nobelpreisträger Romain Rolland, der Freud nach Erscheinen von Das Unbehagen in der Kultur 1927 darauf hinwies, die eigentliche Quelle von Religiosität außer Acht gelassen zu haben, die in einem Gefühl von etwas „gleichsam Ozeanischem“ bestünde.244 Religion sei illusionär, so Freud, mit einem Gefühl von etwas Großem, Ewigen, Ozeanischen konnte er ebenso wenig etwas anfangen und deutete dieses Gefühl, „das in meditativer Versenkung oder im Gebet auftaucht, [als] Ausdruck der frühen Verschmolzenheit des Säuglings mit seiner Mutter. Somit sah er in dem primären kindlichen Narzissmus den Ursprung religiösen Erlebens, der somit letztlich Ausdruck eines regressiven Verschmelzungswunsches sei“245, so die Dresdener Psychiaterin Ulrike Anderssen- Reuster in ihrem 2012 erschienenen Aufsatz zu achtsamkeitsbasierter Psychotherapie.

Während Freud sich jedoch nicht explizit mit buddhistischen Gedanken befasste, war es sein Zeitgenosse Carl Jung, in dessen Werk ab den 1940er Jahren dafür umso

243 Vgl. Freud, Sigmund (1930): Die Zukunft einer Illusion, in: Sigmund Freud Studienausgabe (1974), Bd. IX, Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, S. 171. 244 Freud 1930, S. 197. 245 Anderssen-Reuster, Ulrike (2012): Achtsamkeit in Psychosomatik und Psychotherapie, in: Zimmermann / Spitz / Schmidt (Hg.) (2012): Achtsamkeit. Ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft, 2. Auflage 2013, Bern: Hans Huber Verlag, S. 104.

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ausführlicher buddhistische Ideen einflossen. Jungs Begriff des kollektiv Unbewussten könne als einer der möglichen Anknüpfungspunkte mit dem Buddhismus gelesen werden, so Metcalf.246 Für Jung individuiert sich der Mensch in einem Prozess der Unabhängigkeit, einem Prozess der Selbstwerdung. Später jedoch entwickelt sich der Mensch in eine abnehmend autonome Richtung, die das kollektiv Unbewusste meint.247 Jung wie auch seine Schüler waren entsprechend offen für religiöse Erfahrung als eine Art Eingangstür zum kollektiv Unbewussten, um dem menschlichen Selbst näher zu kommen.248

In den 1960er Jahren richtet der Psychologe Erich Fromm in Zen Buddhism and Psychoanalysis den Blick auf Praktiken des Zen Buddhismus. Zwar stimmt er noch mit Freud überein, dass es in einer Analyse der menschlichen Psyche um das Aufdecken unbewusster Gehalte gehen soll, geht jedoch über ihn hinaus, indem er die Trennung zwischen Bewusstem und Unbewusstem gänzlich aufheben will. In Form eines Dialoges mit Suzuki entfaltet er diese Perspektive auf den großen Beitrag, den Zen- Praktiken seiner Ansicht nach zur Psychoanalyse bzw. Psychotherapie leisten können. Für Suzuki geht Psychotherapie allerdings nicht weit genug. Obwohl Suzuki eine ahistorische und idealisierte Version des Zen Buddhismus formuliert,249 markiert dieser kurze Text von sechsundsechzig Seiten die dialogische Fortsetzung des Austausches von Zen Buddhismus und Psychotherapie, die Suzuki bereits früher angestoßen hatte.

1927 verfasste Suzuki einen Essay in Zen Buddhism. Darin reduzierte er die ritualistische, pietistische, sakramentale Dimension der Zen-Praxis zugunsten eines

246 Vgl. Metcalf 2002, S. 351. 247 Vgl. Jung, Carl Gustav (1940): Psychologie und Religion, in: Grundwerk C. G. Jung (1984), Bd. 4, Menschenbild und Gottesbild, Olten: Walter-Verlag, S. 11-40. 248 Vgl. Jung, Carl Gustav (1943): Zur Psychologie östlicher Meditation, in: Grundwerk C. G. Jung (1985), Bd. 9, Mensch und Kultur, Olten: Walter-Verlag, S. 164-181. 249 Vgl. Metcalf 2002, S. 352.

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zielgerichteten Ansatzes, so eine Zusammenfassung Baumanns.250 Suzuki gab in diesem Text eine psychologische Lesart Zen buddhistischer Konzepte. So schreibt er zum Beispiel den japanischen Begriff satori, der im Zen Buddhismus knapp formuliert Durchbruch oder Erleuchtung meint, in die Einsicht in das Unbewusste um. Die amerikanische Beat Generation der 1950er Jahre fand schnell Gefallen an dieser unkonventionellen Lesart. Die beiden letztgenannten Texte, sowie die Teilnahme Fromms, des US-amerikanischen Religionswissenschaftlers Richard De Martino, und Suzukis 1959 an der Konferenz Zen Buddhism and Psychoanalysis in Mexiko, stellen den ersten und wichtigsten historischen Kontaktpunkt zwischen westlicher Psychologie und dem (Mahāyāna) Buddhismus dar. Zudem gilt der 1963 für den Friedensnobelpreis nominierte Japaner Suzuki als einer der einflussreichsten Wegbereiter für die Rezeption des Zen Buddhismus im Westen.

Wie sich bereits in dem Text Zen Buddhism and Psychoanalysis abzeichnet, Begeisterung für die Erkenntnisse aus der noch jungen Psychologie auf Seiten beispielsweise amerikanischer Buddhisten existiert nur bedingt. Zum Einfluss westlicher Psychologie auf den Buddhismus vermerkt Ryo Imamura251 „[...] interest in Western psychotherapy by Asian American Buddhists has been so minimal and sporadic that it can be safely said to be virtually nonexistent.“252 Viele westliche Psychotherapeuten hingegen entwickelten eine gewisse Affinität für den Buddhismus, da sie sehen, dass der Buddhismus nicht nur westliche psychologische Theorien und Praktiken bereichern, sondern diese hinsichtlich ihrer Vorraussetzungen und Ziele um Kategorien wie Mitgefühl oder Weisheit erweitern kann. Für eine buddhistische

250 Vgl. Baumann 2007, S. 165. 251 Ryo Imamura gehört einer Familie in der achtzehnten Generation buddhistischer Priester der Jōdo Shinshū Sekte an. Er studierte Mathematik und Psychologie. Gegenwärtig ist er Professor für Psychologie am Evergreen State College in Olympia / Washington tätig. Seine Arbeit fokussiert sich auf Ost-West Psychologie, darüberhinaus ist er als Psychotherapeut tätig. 252 Imamura (1989): Buddhist and Western Psychotherapies: An Asian American Perspective, in: Prebish / Tanaka (Hg.) (1998): The Faces of Buddhism in America, Berkeley: University of California Press, S. 228.

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Perspektive hingegen scheint westliche Psychotherapie nicht weit genug zu gehen, das mag mit einem maßgeblichen Unterschied beider Gedankengebäude zu tun zu haben, der bereits angedeuteten verschiedenen Konzeption von Selbst und Freiheit.

Baumann zufolge besteht durchaus ein starker Einfluss westlicher Psychologie auf buddhistische Ideen.253 Seit den 1960er Jahren könne von einer Psychologisierung des Buddhismus gesprochen werden. Gemeint sind allerdings nicht buddhistische Klöster, deren Lehren von Konzepten westlicher Psychologie beeinflusst würden. Baumann hat vielmehr Konvertiten im Sinn, die den Buddhismus als neuen Orientierungsgeber für ihr Leben wählen. Wobei buddhistisches Denken im US-amerikanischen Raum auf fruchtbaren Boden fiel. „Convert Buddhism has taken root in America exactly because it is so well suited to thrive in the laicized and psychologized environment of mainstream American culture“254, begründet Metcalf diese Konversionen.

Eine Psychologisierung des Buddhismus wurde dementsprechend möglich durch einen sozialen Trend religiöser Laienschaft mit gleichzeitiger starker Psychologisierung. Metcalf verweist darüberhinaus auf drei sozialanalytische Autoren, die dieser Entwicklung den theoretischen Weg geebnet haben. Er nennt Philip Rieff, der 1966 den Triumph der Therapie als Amerikas primärer sozialer Orientierung beschreibe, Robert Wuthnow, der zehn Jahre später in amerikanischen Religionen individualistische, mystische, wissenschaftsorientierte Trends ausmache, sowie Philip Hammond und Wade Clark Roof, die insbesondere gegenwärtig diesen Trend bestätigen.255

Insbesondere an der Vipassanā Bewegung lässt sich ein Phänomen dieses Trends ablesen. Das von Psychologen und Psychotherapeuten, die als Dharma Lehrer beispielsweise in der Insight Meditation Society (IMS) fungieren. Es handelt sich bei

253 Vgl. Baumann 2007, S. 165. 254 Metcalf 2002, S. 353. 255 Vgl. Metcalf 2002, S. 353.

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ihnen um konvertierte, amerikanische Buddhisten, die nach aktueller Datenerhebung überwiegend - das bedeutet in Zahlen neun von vierzehn Lehrern am Spirit Rock Meditation Center - ausgebildete Psychotherapeuten sind. Die Reduktion (Theravada) buddhistischen Vokabulars und die Verwendung westlicher psychologischer Termini stattdessen, die sowohl am Insight Meditation Center in Kalifornien als auch am Spirit Rock Meditation Center in Massachussets beobachtbar wird, bestätigt diesen Trend.

In diesen Zentren wird Vipassanā Meditation als Aufmerksamkeitstechnik gehandelt, um sogenanntes Gewahrsein und Freiheit im Sinne psychologischer Heilung zu etablieren. „IMS is one of the great dharma portals and jewels on this planet. I have been going there to sit retreats whenever I can since it began thirty years ago. [Anmerkung der Autorin: mittlerweile 43 years ago] The teaching is uniformly superb, and the conditions for deep practice optimal. The vision for mindfulness-based stress reduction arose there one afternoon, while I was sitting in my room in the Catskills (now Karuna House) dormitory“256, so Jon Kabat-Zinn, der Begründer des achtwöchigen MBSR-Programms, über seine Verbindung und Erfahrung mit der IMS.

Die Säkularisierung buddhistischer Meditation findet sich auch im Bereich des tibetischen Buddhismus. So machten beispielsweise Toni Packer (1927-2013) und Joko Beck Sensei (1917-2011) das Shambala Training in Zen Zentren in den USA populär. Die deutsch-amerikanische Schriftstellerin und Psychologin Packer gründete 1981 das Springwater Center in Springwater im Bundesstaat New York.257 Sie war zuvor am Rochester Zen Center, einer der ältesten und größten Zen buddhistischen Einrichtungen in den USA, zu unterrichten autorisiert worden. Überwarf sich nach kurzer Zeit aufgrund hierarchischer Differenzen mit dem Zentrum in Rochester und gründete zunächst das Genesee Valley Zen Center in Springwater. 1986 umbenannt in das

256 https://www.dharma.org/about-us/ims-turns-40/#message [Stand: 01.06.2018]. 257 https://www.springwatercenter.org/about/history [Stand: 04.06.2019].

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Springwater Center. Sog. Gewahrsein und Fragen sind die zwei Methoden, die Packer zufolge keiner Methodik mehr folgen sollen. „Can there be simple listening, being present to what appears as sound and feeling and thinking in the midst of open silence? A vast listening space of no preferences and no judgments, no one here to do the listening. It’s happening on its own.“258 Gewahrsein trifft als Übersetzung am ehestens das benannte Präsentsein mit dem, was über Sinneseindrücke wahrgenommen werden kann. Als im Gegensatz zum Denken mündet dieses Gewahrsein in eine unmittelbare Erkenntnis dessen, was ist. Ergänzend kommt das meditative Fragen ins Spiel. „Questioning has no methods, no knowing—just wondering freely, vulnerably, what it is that is actually happening inside and out. Not the word, the idea of it, not the reaction to it, but the simple fact.“259 Diese beiden Techniken, die in Meditation nach Packer Anwendung finden,

Darüberhinaus begegnet das gänzlich von religiösen Notationen befreite Phänomen der Vipassanā Meditation auch in Kliniken, Gefängnissen und Schulen. So produzierte die israelische Dokumentarfilmerin Eilona Ariel 1997 eine Dokumentation zur Einführung und Praxis der Vipassanā Meditation in einem indischen Gefängnis.260 Nach Veröffentlichung ihres Films zu Vipassanā wurde diese Meditationstechnik in einer Rehabilitationseinrichtung für Gefangene auch in Seattle/USA eingeführt.

Neben den Beispielen der international weite Kreise ziehenden Vipassanā und der Shambala Bewegung wird allerdings auch eine Art blinde, kultursystematisch völlig undifferenzierte Anwendung psychologischer Voraussetzungen und Praktiken beobachtbar. Imamura macht in diesem Kontext auf ein sehr fragwürdiges

258 https://www.springwatercenter.org/about/meditation [Stand: 04.06.2019]. 259 Ebd. 260 Ariel, Eilona (2013): »Vipassana Meditation and Body Sensation: Eilona Ariel at TEDxJaffa 2013«, Video vom 15.11.2013, https://www.youtube.com/watch?v=ixu4Kd5R1DI, min. 6:50 [Stand: 16.05.2018].

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Forschungsprojekt aufmerksam, das burmesische Mönche 1987 einem Rorschach Test unterzog.261 US-Amerikanische Wissenschaftler zogen psychopathologische Schlüsse aus ihren Experimenten mit den buddhistischen Mönchen, „who showed marked regression in the manifestations of aggressive and oral needs, hypochondriasis, 'erotic self-cathexis', great fear of female and mother figures, great defensiveness, and apparently latent homosexuality.“262 An diesem Beispiel wird bereits ein gravierender Unterschied zwischen westlicher und buddhistischer Psychotherapie ersichtlich. Das Bedürfnis westlicher Prägung, Verhaltensweisen als krank bzw. abnormal zu labeln.

Unterschiede in beiden Ansätzen sollen im Folgenden in Anlehnung an eine differenzierende Darstellung von Imamura263 ausformuliert werden. Es sei angemerkt, dass terminologisch mit westlicher bzw. buddhistischer Psychotherapie grundlegende Qualitäten des jeweiligen Ansatzes gemeint sind, um einen Vergleich hinsichtlich der vier Aspekte Charakteristik, Annahmen, Ziele und Praktiken bewerkstelligen zu können. Imamura führt insgesamt sieben Unterschiede auf, die für die vorliegende Analyse genannten vier Aspekten subsummiert werden.

Erstens charakterisiert beide Ansätze jeweils ein bestimmtes Konzept von Wohlbefinden, Normalität und des insbesondere im US-amerikanischen Diskurs so beliebten Schlagworts happiness.264 Westliche Psychotherapie zeichnet sich dadurch aus, dass Zufriedenheit in Beziehungen und am Arbeitsplatz Zeichen von mentaler Gesundheit sind. Ein klarer Geist, physische Gesundheit, materieller Komfort, das Befolgen gesellschaftlicher Regeln, Produktivität am Arbeitsplatz, sowie erfüllende

261 Vgl. Imamura 1989, S. 235. 262 Abel, T. M. / Metroux, R. / Roll, S. (1987): Psychotherapy and Culture, 2. Edition, Alberquerque: University of New Press, S. 63. 263 Vgl. Imamura 1989, S. 230 ff. 264 Vgl. Whippman, Ruth (2016): America the Anxious: Why our Search for Happiness is driving us crazy and how to find it for real, New York: St. Martin's Press.

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Beziehungen konstituieren Wohlbefinden und Normalität. Die Störung einer oder mehrerer dieser Faktoren kann zu einer psychischen Instabilität führen, die im Bereich der sogenannten westlichen Psychologie je nach Charakteristik und Symptomatik Krankheitskategorien zugeordnet wird. Von psychischer Beeinträchtigung bzw. Störung bis zu psychischen Krankheiten liefert international das von der WHO herausgegebene ICD-10265 den Katalog einer solchen Auflistung. Psychische Gesundheit wird als die Abwesenheit von Krankheit verstanden, als relatives Wohlbefinden, das bezüglich bestimmter Faktoren besteht.

Ganz anders in einer buddhistischen Perspektive. Depression zum Beispiel wird nicht als pathologisches Phänomen verstanden, zu deren Heilung pharmakologische und verhaltenstherapeutische Interventionen initiiert werden. Lebensereignisse werden prinzipiell als wertvolle Lektionen verstanden, die die Selbst-Bezogenheit im Leben sowie limitierende mentale Anhaftungen aufzeigen können. „Suffering or unhappiness is the outcome of a failure to see that life is in constant flux and that nothing is permanent in this world, a failure to see the interconnectedness and interpenetration of things in the world, and a failure to see the illusory nature of the conceptual self of ego.“266 Ständiger Wandel im Leben, Verbundenheit aller Dinge, Illusion des Selbst sind die drei Annahmen der buddhistischen Lehre, die in ihrer Abwesenheit bzw. ihrer fehlenden Einsicht Leid verursachen. Psychische Gesundheit ist nicht relativ zu spezifischen Lebensbereichen, sondern fußt auf der Einsicht in genannte Annahmen. Während westliche Psychotherapie Patienten mit statischen, negativ besetzten Labeln von Krankheitsbezeichnungen stigmatisiert, erkennt buddhistische Psychotherapie die permanente Wandelbarkeit menschlicher Wahrnehmung an und begrüßt das Mysterium menschlicher Bedingungen. Entsprechend resultieren Staunen, Menschlichkeit und Mitgefühl, so Imamura, aus einer buddhistischen Sichtweise auf die menschliche

265 Vgl. Online Systematik des ICD-10: http://www.icd-code.de/icd/code/ICD-10-GM.html [Stand: 25.05.2018]. 266 Imamura 1989, S. 231.

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Psyche.

Zweitens lauten die Grundannahmen beider Bereiche entsprechend – obwohl sowohl Psychologie als auch Buddhismus menschliches Leid adressieren, sind beiden Bereichen unterschiedliche basale Annahmen inhärent. Wie eingangs ausgeführt, geht die Psychologie von einer Person aus, die Stärkung erfahren soll, die buddhistische Lehre hingegen führt durch Einsicht in das kognitiv Illusorische des menschlichen Selbst. Leiden entsteht für westliche Psychotherapie aus der Störung bestimmter Lebensbereiche, die daraus entstandene Krankheit wird symptomatisch erfasst, um einen psychisch normalen Zustand wiederherzustellen. Westliche Psychotherapie ist dabei stark wertend, ob ein Verhalten als normal oder abnorm interpretiert wird, ist für die Diagnostik im ICD-10, der sog. international statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, fixiert.

Drittens lassen sich die Ziele beider Ansätze deutlich unterschieden. Westliche Psychotherapie spricht von Behandlungserfolg, wenn sich der Patient besser fühlt, einen oder mehrere Lebensbereiche besser als vor der therapeutischen Intervention meistert, und normal in der Gesellschaft funktionieren kann, mentale Stabilität ist wieder hergestellt. Dieses Ziel impliziert eine politische Dimension. Es geht darum, ein normativ gutes, produktives Mitglied der Gesellschaft zu werden, in der Therapie sollen Werte und Ziele der jeweiligen Gesellschaft akzeptiert und angenommen werden.267

Buddhistischer Psychotherapie geht es um sogenannte Erleuchtung. Enlightenment ist das Stichwort, das zwar in verschiedenen buddhistischen Traditionen unterschiedliche Ausformungen erfahren hat, jedoch von allen Traditionen geteilt, mit der Einsicht in die Struktur des menschlichen Selbst zu tun hat.

267 Vgl. ebd., S. 233.

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Viertens sind Praktiken beider Ansätze zu differenzieren. „Buddhist practice is concerned with the purification, development, and harmonious integration of these five factors of personality, through the cultivation of moral discipline and meditation.“268 Demgegenüber sind klinische Internentionen wie MBSR oder MBCT nicht mit innerer Reinigung oder moralischer Disziplin befasst, sondern mit der Reduzierung von katalogisierten Stress-Symptomen. Der Vergleich Imamuras stammt aus dem Jahr 1989. Gegenwärtig, dreißig Jahre später, nachdem sich klinische Interventionen wie MBSR oder MBCT im US-amerikanischen Raum etabliert haben, können derlei Unterschiede noch deutlicher abgelesen werden.

3.3.2 Duale und nicht-duale Konzepte von Achtsamkeit in MBSR und MBCT

Der Pali-Kanon, der älteste buddhistische Schriftkorpus aus dem 1 Jh. vor Christus, der im 5. und 6. Jahrhundert durch Konzile überarbeitet bzw. kommentiert wurde, setzt sich zusammen aus drei Teilen bzw. Körben (pitaka) zusammen. Der erste Teil des Pali- Kanon heißt Vinayapitaka und beinhaltet Ordensregeln, der zweite Teil ist der Suttapitaka und vereint Lehrreden des Buddhas. Der dritte Teil, der Abhidhamma- pitaka, auf den die beiden unterschiedlichen Konzepte von Achtsamkeit zurückgehen, gliedert sich wie die beiden ersten Teile in verschiedene Abhandlungen, Abteilungen und Abschnitte.

In südlichen buddhistischen Schulen in Süd- und Südost-Asien formuliert der Pali-Text des Abhidhamma ein duales Konzept von Achtsamkeit. Im Abhidhammatthasangaha, einem systematischen, buddhistischen Kategorien-Katalog von Bewusstseins- bzw. Meditationsphänomenen, den sog. dharmas, wird Meditation als Prozess verstanden,

268 Keown, Damien / Prebish, Charles S. (Hg.) (2007): Encyclopedia of Buddhism, New York: Routledge, S. 569.

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insofern werden Anleitungen gegeben, mithilfe derer der Geist verändert, trainiert, gereinigt, transformiert und befreit werden kann. Es handelt sich dabei um ein konstruktivistisches Modell von Achtsamkeit, da Achtsamkeit im Sinne einer Okkasionalie gehandelt wird, die nur auftritt, wenn gesunde Universalien ebenfalls präsent sind.

D. h. Achtsamkeit gilt als Haltung oder emotionale Einstellung gegenüber einem Objekt des Gewahrseins, die Aufmerksamkeit ist von Achtsamkeit geformt, mit Geistesgegenwärtigkeit (in der englischsprachigen Sekundärliteratur wird von „presence of mind“ gesprochen), Nicht-Achtlosigkeit und einer Stabilität des Fokus; Achtsamkeit exkludiert dharmas wie Täuschung, Rastlosigkeit und andere sog. ungesunde Geisteszustände. Achtsamkeit stellt sich als Folge von basalen Aufmerksamkeitsebenen ein, die eingenommen werden können, wie Intention und Zielgerichtetheit, oder die Aufmerksamkeit auf einem gewählten Objekt zu halten. Darüber hinaus formt Achtsamkeit die Wahrnehmung des Objekts und hat somit transformativen Charakter.

Die angenommene Dualität besteht in diesem Modell nicht zwischen einem wahrnehmenden oder erkennenden Subjekt und einem erkannten Objekt, vielmehr handelt es sich um eine konzeptuelle Dreiteilung von Sinnesorgan, Sinnesobjekt und Bewusstsein. Das Zusammenspiel der drei konstituiert Kontakt, quasi Kollisionen der inneren und äußeren Welt, die Erkenntnis ermöglichen. Bewusstsein ist nicht ein Subjekt, sondern eine Aktivität, ein Prozess. Daher kann man von einer Organ/Objekt- Dualität sprechen. Ein Beispiel wäre, dass Sie als Leser in diesem Augenblick einen stabilen Aufmerksamkeits-Fokus auf den Ihnen vorliegenden Text gerichtet halten. Wollte man diesen Fokus dem Beispiel zweckdienlich Achtsamkeit nennen, könnten Sie nicht gleichzeitig innerlich rastlos, besorgt oder erstarrt sein, also solche Zustände des Geistes erleben, die im Abhidhamma als ungesunde Geisteszustände konnotiert sind. Stattdessen kann Ihr achtsamer Fokus nur auftreten in Verbindung mit sog. gesunden

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Geisteszuständen wie Gelassenheit oder Ruhe.

Für dieses duale, konstruktivistische Verständnis von Meditation bedeutet dies, dass Achtsamkeit prozessual ausgerichtet ist, im Sinne der Eliminierung ungesunder Geisteszustände- bzw. Phänomene. Diese Sichtweise ist auch der Grund, warum einem auch in aktuellen Publikationen mit buddhistischer Thematik immer wieder die Lotusblume begegnet. Sie dient u. a. als Symbol für diesen Prozess – die Lotusblume, die aus dem Matsch erwächst und sich mit Wasser nach oben hin öffnet.

In nördlichen buddhistischen Schulen in z. B. Nordwest-Indien beinhaltet das sanskrit Abhidharma aus dem 3. Jh nach Christus ebenfalls allerdings etwas andere Abhandlungen, darunter das später entstandene Abhidharmakosa. Darin fallen Achtsamkeit und Weisheit unter die Universalien, das bedeutet, Achtsamkeit erscheint und verschwindet in jedem Augenblick und kann dabei überdeckt von ungesunden Geisteszuständen sein, Achtsamkeit liegt diesen aber verdeckter weise zugrunde. Will heißen, der Geist ist bereits erwacht, er ist lediglich durch ungesunde Haltungen verdeckt, daher spricht man auch von einem immanenten Modell der Achtsamkeit.

Welche Form der Dualität wird nun in diesem dezidiert nicht-dualen Konzept verneint? Im Gegensatz zum dualen Modell, gibt es keine derart starke Gewichtung der Sinnesorgane, erkenntnistheoretisch wird hier der kognitive Akt des Erkennens in den Blick genommen. Die nicht-duale Sichtweise hat dabei jedoch nicht eine Dualität von Objekt und gewusstem Objekt im Sinn, sondern die Dualität zwischen einem Objekt, das präferiert oder verworfen wird und das dadurch konstituierte Subjekt bzw. Selbst im Sinn. Eine Lösung oder ein Weg zum Erwachen bestünde darin, das Bewusstsein vom Objekt zu entkoppeln, um sog. „reines Bewusstseins“ zu erfahren. Doch, so die konstruktivistische Kritik (von Andrew Olendski und anderen): das scheint das Subjekt auf Kosten des Objekts zu erhalten. In der zeitlich früheren, konstruktivistischen Lehre

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hingegen soll gerade die Illusion des Subjekts erkannt werden, um das Objekt als so zu erkennen, wie es wirklich ist. Ein anschauliches Beispiel lässt sich hierfür leider nicht finden, da im nicht-dualen Modell die Suspendierung des Subjekts bzw. des Selbst als Charakteristikum eines möglichen Erwachens gilt.

Das erklärt jedoch zumindest in diesem Kontext das Symbol einer goldenen Kugel stellvertretend für das „reine“ menschliche Bewusstsein, deren Oberfläche Staubpartikel oder Trübungen enthalten kann. Es handelt sich also nicht um ein prozessuales Modell, sondern um ein immanentes Modell des Erwachens. Achtsamkeit ist je präsent, durch ungesunde Geisteszustände verdeckt oder nicht verdeckt.

Bei dieser Gegenüberstellung geht es an dieser Stelle nicht um viel diskutierte historische Fragen buddhologischer Forschung, wie zum Beispiel diejenige nach der zeitlichen Einordnung der philosophischen Veränderungen beider Systeme. Oder die Frage, ob neue Praktiken zu Revisionen des Abhidhamma führten oder umgekehrt. Auch möchte ich diese Unterschiede nicht philosophisch bewerten. Vielmehr zielt die Analyse dieser sehr unterschiedlichen Konzepte auf einen Abgleich mit den in gegenwärtiger Rezeption verhandelten Achtsamkeits-Dispositiven. Anhand des MBSR-Programms möchte ich das verdeutlichen. Und die Frage klären, welches der beiden Konzepte dem Mindfulness-based-stress-reduction Programm zugrunde liegt und vor allen Dingen auch in einem religionssoziologischem Sinne warum.

MBSR wird in einem therapeutischen Kontext zur Prävention und Post-Intervention bei Depression, Angststörung und in der Schmerztherapie somatoformer Erkrankungen angewendet. Es beinhaltet verschiedene Körperübungen und Meditationsanweisungen, in denen die Aufmerksamkeit abwechselnd auf Körpersensationen, Gedanken, Gefühle und Sinneseindrücke gerichtet wird. Diese möglichen Objekte der Achtsamkeit finden sich ebenfalls im sattipatanasutta, der Lehrrede des Buddha zur Achtsamkeit, im

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zweiten Korb des Pali-Kanons, dem Suttapitaka. Eine besondere Form der Meditation, „body-scan“ genannt, hat den gesamten menschlichen Körper zum Objekt.

Der sog. Klient im MBSR-Programm wird in den einzelnen Kurssitzungen wie auch durch Audio-Aufnahmen des Kursleiters auf Cd dazu angeleitet, seine/ihre Aufmerksamkeit nacheinander vom kleinen Zeh bis zum Scheitelpunkt des Kopfes zu lenken und einige Zeit zu halten. Diese als Übung bezeichnete Praxis dient einmal dem Training von stabilem Fokus, im Sinne aufmerksamer Konzentration, wie auch der Einübung, Körpersensationen bewertungsfrei wahrzunehmen. Ein body-scan kann bis zu 60 Minuten in Anspruch nehmen.

Erster Impuls zur Einordnung von MBSR wäre, es als duales Konzept zu verstehen, wenn im body-scan die Aufmerksamkeit auf verschiedene Körperregionen gerichtet wird und dadurch implizit-somatisches Wissen in ein Verhältnis zu explizit- intentionalen Überzeugungen gestellt werden soll. Da MBSR nicht nur Meditationsanweisungen beinhaltet, sondern auch als Appell zu Achtsamkeit als Lebensform verstanden werden kann, ergibt sich ein sehr starker Individualitätsbegriff. Andreas Nehring und Christoph Ernst haben diesen in ihrem Aufsatz zu populärer Achtsamkeit bereits herausgestellt. Es werde „unter Affirmation stereotyp 'östlicher' Ideen und Praktiken eine Distanzierung zu stereotyp 'westlichen' Konzepten von Individualität aufgebaut, andererseits aber nichts anderes als ein Heilsversprechen für das Individuum formuliert (...)“ (393). Dieses Heilsversprechen deckt sich thematisch einerseits mit gegenwärtigen Selbstfürsorge-Diskursen, wie beispielsweise Peter Sloterdijks polemischem Aufruf „Du mußt Dein Leben ändern!“ von 2009, andererseits, so meine These scheint nicht nur eine Affirmation östlicher Stereotype, sondern auch die nicht-duale Konzeption des MBSR-Programms für die zitierte Distanzierung zu westlichen Konzepten von Individualität zu sorgen.

Kabat-Zinn beruft sich explizit auf die buddhistische Tradition der Vipassa-Meditation,

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die ebenfalls Techniken, wie den body-scan beinhaltet. Vipassana ist durch die angenommenen Absorptionsebenen menschlichen Bewusstseins der 8 bzw. 9 Jhanas ein nicht-duales Konzept von Achtsamkeit, in dem das Subjekt bzw. Selbst graduell dekonstruiert wird. Und obwohl die mbsr-Techniken, entsprechend des erwähnten ersten Impulses, anheben bei einer Dualität von Bewusstsein und Körper bezüglich gerichteter Aufmerksamkeit, zielen diese Techniken letztlich auf eine solche Dekonstruktion des Subjekts, wenn es etwa um die heilsverpsrechende da stress- mindernde Floskel, Gedanken seien nur Gedanken, geht, die in einer Beobachtungsperspektive den eigenen Gedanken gegenüber, das Subjekt als lediglich gedankliches Konstrukt entlarvt.

Religionssoziologisch erstaunlich an dieser These, dass die nicht-duale Achtsamkeits- Konzeption im MBSR eine Distanzierung zu westlichen Konzepten von Individualität bedeutet, ist, dass die MBSR-Kurse im US-amerikanischen und europäischen Bereich trotzdem auf einen euphorischen Rezeptionsboden fallen. Erstaunlich deshalb, da sich diese Euphorie doch im Angesicht der viel konstatierten Leistungsgesellschaft eher aus einem dualen Konzept erklären ließe, d. h. ein konstruktivistischer Weg zur Stressreduktion entspräche viel eher einem Leistungs- oder Effektivitätsstreben, ein Weg also, in dem es etwas zu erreichen, zu schaffen, zu bewältigen gäbe. Andererseits natürlich trifft Achtsamkeit in diesem Sinne vielleicht gerade deshalb einen Nerv, da Klienten-Nerven in dem Augenblick eine Reduzierung von Stress erfahren, wenn erkannt wird, dass es den Klienten gar nicht gibt.

Die therapeutischen Effekte von Achtsamkeits-Meditation lassen sich auch mit Rückgriff auf buddhistische Texte belegen, wenn es um eine Materialisierung von Bewusstsein aufgrund karmischer Anhaftung geht. Man könnte fragen, ob sich diese Effekte, somit auch die angeregte Rezeption therapeutischer Achtsamkeit, unter Rückgriff auf gesellschaftliche Analysen nicht ebenfalls erklären lässt, um den Diskurs gerade in seiner interkulturellen Dynamik in den Blick zu nehmen. Wenn ja, besteht ein

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maßgeblicher Wirkfaktor in gegenwärtiger gesellschaftlicher Konstitution.

3.3.3 Achtsamkeit messen – Begriffsnebel psychologischer Datenerhebung

Um die Wirkweisen von Achtsamkeitsmeditation wissenschaftlich zu überprüfen werden neben bildgebenden Verfahren auch Fragebögen eingesetzt, gegenwärtig kursiert eine Vielzahl solcher Fragebögen. Meditierende sollen Fragen zu ihrer Meditationspraxis beantworten, indem sie, wie beispielsweise im Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit, dem sog. FFA, für vorgegebene Sätze subjektive Einschätzungen in Form von Häufigkeitsangaben angeben.

Ein Beispiel aus diesem Fragebogen: „Ich nehme unangenehme Erfahrungen an.“ Zu diesem Satz lässt sich eine Option aus den folgenden ankreuzen: „fast nie“, „eher selten“, „relativ oft“ oder „fast immer“. Dieses Beispiel zeigt schon sehr deutlich, welche Schwierigkeit in der Konzeption solcher Fragebögen besteht. Wie wird Achtsamkeit definiert? Die Fähigkeit, unangenehme Erfahrungen zu akzeptieren bzw. anzunehmen, scheint als ein Effekt von Achtsamkeitsmeditation im Alltag angenommen zu werden. Was jedoch der Einzelne als unangenehme Erfahrung für sich deklariert, worin darüberhinaus das Annehmen einer solchen Erfahrung besteht, bleibt in diesem Fragebogen unklar.

Weitere Beispiele aus demselben Fragebogen lauten:

„Ich bin in Kontakt mit meinen Erfahrungen, hier und jetzt. Ich spüre in meinen Körper hinein, sei es beim Essen, Kochen, Putzen, Reden. Wenn ich merke, dass ich abwesend war, kehre ich sanft zur Erfahrung des Augenblicks zurück. Ich kann mich selbst wertschätzen.

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Ich achte auf die Motive meiner Handlungen. Ich sehe meine Fehler und Schwierigkeiten, ohne mich zu verurteilen. Ich bin mir selbst gegenüber freundlich, wenn Dinge schief laufen. Ich beobachte meine Gefühle, ohne mich in ihnen zu verlieren. In schwierigen Situationen kann ich innehalten. Ich erlebe Momente innerer Ruhe und Gelassenheit, selbst wenn äußerlich Schmerzen und Unruhe da sind. Ich bin ungeduldig mit mir und meinen Mitmenschen. Ich kann darüber lächeln, wenn ich sehe, wie ich mir manchmal das Leben schwer mache.“

All diese Sätze sind mit den Optionen „fast nie“, „eher selten“, „relativ oft“ oder „fast immer“ im Hinblick auf die Häufigkeit ihres Auf- oder Eintretrens vom Patienten zu bewerten. Dieser ist zu Beginn des FFA aufgefordert, die zwei A4 Seiten Fragebogen so ehrlich und spontan wie möglich zu beantworten. Es gäbe keine richtigen oder falschen Antworten, die jeweils persönliche Erfahrung wäre den Klinikern wichtig. Die aufgeführten Fragen sind konzeptuell sog. Faktoren zugeordnet wie Aufmerksamkeit, Urteilslosigkeit, Gegenwärtigkeit, Nicht-Identifikation, Ganzheitlichkeit, Prozesshaftigkeit, Neutralität, Akzeptanz, Nicht-Oberflächlichkeit, Absichtslosigkeit, einsichtsvolles Verstehen, Anfängergeist und abnehmende Reaktivität.

Achtsamkeit wird zwar nicht definiert, aber umrissen als eine entsprechend messbare Fähigkeit, die mit der Grundannahme einher geht, dass Achtsamkeit einerseits erlernt werden kann, und sich andererseits in der subjektiven Bewertung der genannten Kategorien niederschlägt. Diese Konzeption deckt sich weitestgehend mit der Definition von Paul Grossmann, die er als Psychologe und Forschungsleiter der Abteilung Psychosomatische Medizin der Universitätsklinik Basel 2009 in einem Vortrag gibt. „Mindfulness is the process of intentional moment-to moment attending with full awareness to what is perceptible without conceptualizing the mental content, and with

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openness, kindness, patience to whatever arises.“269

Diese Definition deckt die Prozesshaftigkeit von Achtsamkeit ebenso ab, wie die genannte Neutralität, die sich auf die Nicht-Konzeptualisierung von Gedankeninhalten bezieht. Offenheit, Freundlichkeit, Geduld gegenüber allem, was in der inneren Sphäre der Erfahrung erscheint, sind ebenfalls im FFA als Kategorien implementiert, sie werden in nach deren Häufigkeit zutreffenden Sätzen abgefragt wie beispielsweise „Ich bin ungeduldig mit mir und meinen Mitmenschen.“ (Geduld), „Ich bin mir selbst gegenüber freundlich.“ (Freundlichkeit), „Ich bin offen für die Erfahrung des Augenblicks“ (Offenheit).

Die von Paul Grossmann genannte Definition sowie die Konzeption des FFA zusammengenommen machen die Problematik in der Verwendung von Fragebögen zu Achtsamkeit deutlich.

Da ist erstens das zu Beginn dieses Kapitels angedeutete Problem der Subjektivität zu nennen. D. h. was der einzelne Patient beispielsweise als Ungeduld an sich selbst wahrnimmt, mag von Patient zu Patient unterschiedlich eingeschätzt werden. Was ein Patient als Freundlichkeit sich selbst gegenüber empfindet, bedeutet auch eine sehr subjektive Einschätzung. Was eine sogenannte Offenheit gegenüber der Erfahrung des Augenblicks anbelangt, kann bei nur zwei Probanden differierenden Selbst- Wahrnehmungen untergeordnet sein.

Darüberhinaus wird zweitens das semantische Problem der Terminologie des FFA deutlich. Geduld, Offenheit, Freundlichkeit oder genannte konzeptuelle Faktoren wie

269 Grossmann, Paul (2009): The Present Moment in Mindfulness Research: Scientific Progress and its Near Enemies, in: http://www.psychosomatikbasel.ch/deutsch/news/grossman_the_present_moment.pdf, S. 14. [Stand: 29.06.2019]

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Aufmerksamkeit, Urteilslosigkeit, Gegenwärtigkeit, sind nicht erschöpfend definiert.

Drittens ist die Loslösung des im FFA zu Grunde gelegten Achtsamkeitsbegriffs vom ursprünglich buddhistischen Kontext kritisch anzumerken. Von Vorteil ist diese Loslösung insofern, als dass das Anwendungsgebiet des Fragebogen vergrößert wird, als rein psychologisches Konstrukt findet der FFA im klinischen Kontext oder in psychologischen Praxen Verwendung. Von Nachteil ist die Loslösung vom buddhistischen Kontext insofern, als dass entscheidende Elemente von Achtsamkeit nicht oder nur in geringem Umgang zum Tragen kommen, wie eine liebevolle Aufmerksamkeit kleinen Dingen gegenüber270, oder etwa eine spezifisch buddhistische, ethische Komponente wie Mitgefühl. Diese Loslösung mag umso mehr erstaunen, je größeres Augenmerk auf den thematischen Hintergrund der Probanden für die Entwicklung des FFA gelegt wird. So wurden die Erfahrungen von etwas über einhundert Teilnehmern eines Vipassana-Retreats als Grundlage für die Entwicklung des FFA verwendet.

Um Selbst-Mitgefühl zu evaluieren, wurde die Self-Compassion-Scale eruiert, ein Fragebogen, der seit 2011 kursiert. Und Mitgefühl ist das Stichwort, durch das sich die Gesamtheit der Fragebögen zur Achtsamkeit von solchen, die aktuell zur Diagnostik von ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) im deutschsprachigen Raum in Verwendung sind, unterscheidet. Man könnte schliesslich fragen, worin durch die Loslösung vom buddhistischen Kontext der Unterschied zu anderen psychologischen Achtsamkeits- oder Aufmerksamkeits-Fragebögen besteht. Unterscheiden sie sich dann überhaupt?

270 Vgl. Walach, Harald / Buchheld, Nina / Buttenmüller, Valentin / Kleinknecht, Normann / Grossmann, Paul / Schmidt, Stefan (2004): Empirische Erfassung der Achtsamkeit – Die Konstruktion des Freiburger Fragebogens zur Achtsamkeit (FFA) und weitere Validierungsstudien. [Empirical assessment of mindfulness: The construction of the Freiburg Mindfulness Questionnaire and further validation studies] In: Heidenreich, Thomas / Michalak, Johannes (Hg): Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie. Tübingen: dgvt, S. 737.

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Und bei einem ersten Blick auf einen Fragebogen, der bei diagnostischen Interviews für ADHS bei Erwachsenen genutzt wird, fällt auf, dass diejenigen Interview-Fragen, die das Defizit in der Aufmerksamkeit abprüfen sollen, keinerlei beispielsweise Mitgefühl betreffende Fragen beinhalten. Das bedeutet eine ethische Komponente wie Mitgefühl spielt für die klinische Diagnostik von ADHS zunächst keine Rolle, mehr sehr konkrete Sachverhalte, die abgefragt werden.

Für die weitere religionswissenschaftliche Forschung zur Konzeption von Achtsamkeits-Fragebögen mag diese komparative Perspektive relevant werden, da sie unter Umständen Aufschluss über die Art und Weise der Suspendierung des buddhistischen Kontextes und dessen Bedeutung liefert. Mit anderen Worten, wird die klinische Konzeption von Achtsamkeit durch Fragebögen wie den FFA derart ihres buddhistischen Hintergrundes enthoben, dass kein Unterschied mehr zu pathologischen Konzepten wie Aufmerksamkeit(sstörungen), ADHS lediglich die im öffentlichen Raum prominenteste, besteht?

Der FFA wurde von dem klinischen Psychologen und Wissenschaftshistoriker Harald Walach und dessen Kollegen 2004 entwickelt.271 Bis 2016 leitete Walach als Professor für Forschungsmethodik das Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften an der Europa-Universität in Frankfurt. Seine Ansätze auf dem Gebiet sind kontrovers diskutiert. Hinsichtlich des FFA wurde zunächst „[...] auf der Basis einer Literaturstudie und anschließender Bewertung durch ExpertInnen ein Fragebogen mit 38 Items erarbeitet. Dieser wurde an Stichproben von 115 TeilnehmerInnen an einem Vipassana-Retreat jeweils vor und nach dem Retreat ausgefüllt. Aus diesen Daten konnte die 30-Item- Langform des FFA gebildet werden, die mit einer internen Konsistenz von r = .93 und

271 Vgl. Walach u.a. (2004): Empirische Erfassung der Achtsamkeit – Die Konstruktion des Freiburger Fragebogens zur Achtsamkeit (FFA) und weitere Validierungsstudien, S. 727-765.

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einer Vierfaktorenstruktur gute psychometrische Kennwerte aufweist.“272 Die genannten ExpertInnen waren, Walach zufolge, namentlich nicht genannte Personen aus dem deutschsprachigen Raum, die selbst Vipassana Meditation lehren, oder über langjährige Meditationserfahrung verfügten. Wie viele Jahre Erfahrung das Kriterium bildeten ist nicht klar umrissen. Zur Validität des FFA schreibt Walach: „Der Fragebogen bildet eine erwartete Erhöhung der Achtsamkeit in Folge eines Meditationsretreats ab und trennt Personen mit wenig Meditationspraxis zum Zeitpunkt vor dem Intensivkurs von solchen, die mehrmals täglich üben.“273

Weiterentwickelt wurde der FFA 2009 anhand einer Online-Studie274 über 150 Frauen mit und 169 Frauen ohne Meditationserfahrung, die den ursprünglichen Fragebogen um die Faktoren Präsenz und Akzeptanz erweiterte.

Neben dem Freiburger Fragebogen gibt es eine Vielzahl weiterer solcher Fragebögen, darunter die prominentesten in keiner besonderen Reihenfolge: den Mindful Attention Awareness Scale, Kentucky Inventory of Mindfulness Skills, Cognitive and Affective Mindfulness Scale – Revised, Southampton Mindfulness Questionnaire, Five Facet Mindfulness Questionnaire, Philadelphia Mindfulness Scale, sowie den Toronto Mindfulness Scale.

Weitere Fragebögen: Comprehensive Inventory of Mindfulness Experiences, Applied Mindfulness Process Scale, Acceptance and Action Questionnaire, Experiences Questionnaire (misst sog. „Decentering“), Mindful Eating Questionnaire, Langer Mindfulness Scale, Mindfulness- Based Relapse Prevention Adherence and Competence Scale, Mindfulness Process

272 Ebd., S. 729 f. 273 Ebd., S. 747. 274 Vgl. Kohls, Niko / Sauer, Sebastian / Walach, Harald (2009): Facets of mindfulness – Results of an online study investigating the Freiburg mindfulness inventory, in: Saklofske, Donald (Hg.) (2009): Personality and Individual Differences, Vol. 46 (2), S. 224-230.

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Questionnaire, Carolina Empirically Derived Mindfulness Inventory, Self-Other Four Immeasurables.

Im deutschsprachigen Raum hat sich allerdings der Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit etabliert. Bei der Erforschung der Wirkung von Achtsamkeit auf Krebspatienten beispielsweise findet er neben anderen evaluierenden Fragenkatalogen, das Wohlbefinden der Krebspatienten betreffend, Verwendung. Im Rahmen des achtsamkeitsbasierten Tagesklinikprogramms an der Universität Duisburg-Essen, das auf Kabat-Zinns MBSR-Programm basiert, sind Zielkriterien wie Lebensqualität, Lebenszufriedenheit, Angst und Depressivität jeweils mit eigenen Fragebögen abgedeckt.275 Die Begriffe Krankheitsumgang und Krankheitsinterpretation gelten neben Achtsamkeit als sog. Prozessvariablen, die mit dem Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit versucht werden abzuklären.

Ab 1999 nahmen über 2000 Krebspatienten an dem Programm der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin der Kliniken Essen-Mitte teil. Das auf elf Wochen ausgerichtete Programm (MBSR nach Kabat-Zinn ist ein achtwöchiger Kurs) sieht pro Woche einen Termin à sechs Stunden vor, in dem Patienten über die Psychophysiologie von Stress in Vorträgen lernen. Wie in einem klassischen MBSR Kurs werden die Patienten in formale Achtsamkeitsübungen eingeführt, d. h. sie üben Sitzmeditation, Body Scan, achtsames Hatha Yoga, Gehmeditation. Wie im Programm nach Kabat-Zinn wird großes Gewicht auf die informelle Praxis von Achtsamkeit gelegt. D. h. die Patienten werden angehalten, auch in ihrem Alltag, den täglichen Routinetätigkeiten wie beispielsweise Essen, Körperpflege und Kommunikation mit Achtsamkeit zu begegnen.

275 Dobos, Gustav / Paul, Anna / Cramer, Holger (2012): Die Wirkung von Achtsamkeit auf Gesundheit und Wohlergehen von Krebspatienten, in: Zimmermann / Spitz / Schmidt (2012), S. 141.

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Die Gruppendynamik innerhalb des Essener Programms spielt eine ebenso große Rolle, so werden gemeinsam Hindernisse der Achtsamkeitspraxis, Schwierigkeiten bei der Integration der Techniken in den individuellen Alltag oder emotionale Probleme hinsichtlich des körperlichen Befindens in der Gruppe unterstützend besprochen. Neben dem zeitlich größeren Umfang des Tagesklinikprogramms, wurde in Essen das MBSR-Programm nach Kabat-Zinn zudem um „die Vermittlung naturheilkundlicher Selbsthilfestrategien, insbesondere auf der Basis der Kneippschen Wasseranwendungen, sowie praktische Elemente zu Bewegung und Ernährung“276 erweitert.

Im Jahr 2012 lag eine Auswertung von 65 Patienten vor, die den FFA nach Absolvieren des elf-wöchigen Essener Programms ausgefüllt hatten. „Nach Teilnahme am tagesklinischen Programm berichteten diese ein signifikant größeres emotionales (p= 0,005), kognitives (p=0,013) und soziales (p=0,013) Wohlbefinden […], ebenso eine signifikant größere allgemeine Lebenszufriedenheit (p=0,009). Daneben verringerte sich die Depressivität (p=0,002) und Ängstlichkeit (p<0,001) der Patienten.“277 So wird die durchaus positive Schlussfolgerung der Essener Programmleiter verständlich, „dass die Implementierung eines achtsamkeitsbasierten Tagesklinikprogramms für Krebspatienten im Rahmen einer integrativen Onkologie nicht nur die Lebensqualität der Patienten steigern, sondern auch ihre Einstellungen und ihre Lebensführung positiv beeinflussen kann.“278

276 Dobos u. a., S. 141. 277 Ebd., S. 142. 278 Ebd., S. 143.

155 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

3.3.4 Die dunkle Seite der Achtsamkeit: Dark night Phänomene und ihre institutionalisierte Antwort

In diesem Kapitel geht es um die mögliche Bestimmung des Übersetzungsverhältnisses von Achtsamkeit in sog. westliche Diskurse bzw. Disziplinen, wie beispielsweise der Psychologie. Um dieses wissenssoziologisch angemessen bestimmen zu können, wird im Folgenden die kommunikative Konstruktion von Achtsamkeit in den analytischen Blick genommen. Diese journalistisch und monographisch aufbereitete Konstruktion, die überwiegend positiven Bewertungstendenzen folgt, wird mit ihrer dunklen Seite kontrastiert. Dunkel, weil einerseits im öffentlichen Raum nicht kommuniziert, andererseits weil überwiegend negativ konnotiert.

Die Gegenüberstellung von Achtsamkeit und ihrer sog. dunklen Seite erhellt dabei die Möglichkeit einer Bestimmung des genannten Übersetzungsverhältnisses. Interessant hierbei ist, dass unterschiedliche Übersetzungskonzepte je nach gesellschaftlichem Funktionsbereich zum Tragen kommen.

Die kommunikative Konstruktion von Achtsamkeit als Allheilmittel

Am 25. Januar 2015 berichtete die Welt am Sonntag vom aktuell tagenden Weltwirtschaftsforum in Davos.279 Jeden Morgen wurde für die Manager und Vorstände der großen Wirtschaftskonzerne ein „mindfulness meditation" Programm angeboten. So sind es mittlerweile ganz unterschiedliche gesellschaftliche Funktionsbereiche, in denen das Konzept buddhistischer Achtsamkeit Anwendung findet. Nicht nur überarbeiteten Managern wird Achtsamkeit als Burn-Out-Prävention ans Herz gelegt, auch Pädagogen sind dabei, die Achtsamkeits-Meditation in Erziehungseinrichtungen wie Kindergärten oder Schulen populär zu machen.

279 Vgl. Gersemann 2015, »Top-Manager kämpfen gegen das Weichei-Syndrom«.

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Im klinisch-therapeutischen Bereich gibt es inzwischen zahlreiche Achtsamkeits- basierte Interventionen, wie beispielsweise MBSR (mindfulness-based stress reduction), MBCT (mindfulness-based cognitive therapy) oder DBT (dialectical behaviour therapy). Darüberhinaus kreieren Autoren von Büchern des Selbsthilfe-Genres Versionen von Achtsamkeits-Meditation für Sportler, Eltern280, Musiker, Schwangere281, Künstler etc.

Achtsamkeit scheint im gegenwärtigen Selbstfürsorge-Diskurs ein reflexartig verschriebenes Sinnangebot zu sein, das viele positive Effekte haben soll. In einem Artikel der Frauenzeitschrift Brigitte findet sich Folgendes: „Meditierende entwickeln nur halb so oft wie Nicht-Meditierende eine Krebserkrankung. Bereits nach vier Wochen Meditationspraxis schneiden Testpersonen bei Prüfungsfragen und Konzentrationsaufgaben um 40 Prozent besser ab als Meditationsmuffel. Grippeschutzimpfungen wirken bei Meditierenden besser. Die Testpersonen entwickelten deutlich mehr Grippeantikörper. Meditierende haben um 73 Prozent seltener mit Atemwegsproblemen zu tun. Sie leiden um 87 Prozent weniger an psychischen Krankheitsbildern wie Angststörungen oder Depressionen. Meditation hilft außerdem gegen: chronische Schmerzen, Asthma, Schuppenflechte, Allergien, Arteriosklerose.“282 Auf welche spezifische Datenerhebung sich die Aussage zur Krebs-Prognose bezieht, ist in diesem Artikel nicht erwähnt.283 Auffallend die zahlenmäßige Darstellung der

280 Vgl. Kaiser Greenland 2010, Wache Kinder. 281 Vgl. Vieten 2011, Ressourcen für Mütter. 282 Ost, Anna (2009): »Selbstheilung durch Meditation«, Online-Artikel, http://www.brigitte.de/gesund/natuerlich heilen/meditation-572737/ [Stand: 26.01.2015]. 283 Ob Meditierende somit seltener eine Krebserkrankung entwickeln bleibt fraglich. Es gibt jedoch aktuell eine Studie an der Universität Witten-Herdecke unter der Leitung von Prof. Dr. med. Arndt Büssing, in der die Wirkmechanismen eines Achtsamkeits-basierten Tagesklinikprogramms für Krebspatienten untersucht werden. „Bisher liegen Daten von 65 Patienten vor. Nach Teilnahme am tagesklinischen Programm berichten diese ein signifikant größeres emotionales […], kognitives […] und soziales Wohlbefinden […], ebenso eine signifikant größere allgemeine Lebenszufriedenheit […]. Daneben verringerte sich die Depressivität […] und Ängstlichkeit […] der Patienten.“

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angenommenen positiven Effekte von Meditation, die aufgrund des Anstrichs der Wissenschaftlichkeit sicherlich zu einer erhöhten Akzeptanz der Aussagen unter den LeserInnen der Brigitte beiträgt. Was unter Meditation in dem gepriesenen Sinne zu verstehen ist, oder um welche Meditationstechnik es sich handelt, bleibt Anna Ost, die Autorin des Artikels, schuldig. Es werden lediglich fünf verschiedene Formen von Meditation aufgelistet (Atemmeditation, Visualisierungen, Konzentration auf Worte, Achten auf Körperempfindungen, Bewegungsmeditation), die jedoch nicht in einen bedingenden Zusammenhang mit genannten positiven Effekten gestellt werden. Auch der Begriff „Achtsamkeit“ taucht in diesem Kontext nicht auf.

Ähnliches Loblied findet sich in zahlreichen deutschen Zeitungen und Zeitschriften.284 Die Wochenzeitschrift Stern titelt im August 2017 beispielsweise „Stark durch Meditation. Wie Millionen Menschen mit ihr besser leben. Und wie man sie ganz einfach lernen kann“. Laut Stern hätte sich inzwischen herumgesprochen, „dass regelmäßiges In-sich-Gehen die seelische und körperliche Gesundheit auf bemerkenswerte Weise [fördere].“285 Die Stern-Autorin Nina Poelchau begründet dabei die synonyme Substitution des Begriffs „Meditation“ durch „Achtsamkeit“ damit, dass letzterer „nicht so aufwendig und etwas weniger nach Rückzug in eine tibetische Höhle [klingt].

Wo 'Achtsamkeit' im Namen steht, schwingt das Versprechen mit, es werde gelingen, fast nebenher und ohne Räucherstäbchen-Hokuspokus die Lebensqualität enorm zu steigern.“286 Ein Blick auf den Brigitte-Artikel sowie die in den Fußnoten genannten

Dobos, Paul, Cramer (2012): Die Wirkung von Achtsamkeit auf Krebspatienten, in: Zimmermann (2012), S. 141. 284 Vgl. Blech 2013, »Heilen mit dem Geist«. Vgl. Burmester 2013, »Dieses weiche, widerliche Wort. Silke Burmester über Achtsamkeit«. Vgl. Schnabel 2013a, »Neue Haltung im Büro. Mehr „Achtsamkeit“ soll vor Stress und Überforderung schützen«. 285 Poelchau S. 42. 286 Ebd., S. 42 f.

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Artikel jedoch legt nahe, dass die Synonymisierung der Begriffe „Meditation“ und „Achtsamkeit“ reziprok erfolgt, d. h. nicht nur der Begriff „Meditation“ wird regelmäßig mit „Achtsamkeit“ ersetzt, auch wenn die Rede dezidiert von Achtsamkeit ist, fällt synonym mit verlässlicher Häufigkeit der Begriff „Meditation“.

Das ist insofern ein brisanter Aspekt, als dass Achtsamkeit in der buddhistischen Literatur zu Meditation in beispielsweise dem Pāli-Kanon sowohl als Voraussetzung als auch als essentieller Teil aller Formen von Meditation angesehen wird.287 Die Begriffe „Meditation“ und „Achtsamkeit“ sind in diesem traditionellen Kontext somit keine Synonyme, sondern der Begriff „Achtsamkeit“ ist dem der „Meditation“ hierarchisch untergeordnet.

Sog. Meditation wird nicht nur als ein erlernbares288 Instrumentarium zur sanften Selbsthilfe kommuniziert, Meditation wird als ein Allheilmittel für körperliche sowie psychische Krankheiten bzw. Störungen gepriesen.

Eine ebensolche positive Färbung des Diskurses entdeckt man bei einem Blick in die Publikationen des Neurobiologen und Kinderpsychiaters Daniel Siegel. In seiner 2007 erschienenen Monographie The Mindful Brain definiert Siegel das sog. achtsame Gewahrsein: „Bei Achtsamkeit in ihrem allgemeinsten Sinne geht es darum, aus einem Leben, das sozusagen auf Automatik geschaltet war, aufzuwachen und für den Reiz des Neuen in unseren Alltagserfahrungen empfänglich zu werden. Durch das achtsame Gewahrsein dringt der Energie- und Informationsfluss, der unser Geist ist, in unsere bewusste Aufmerksamkeit ein, und wir können auf der einen Seite seinen Inhalt würdigen und auf der anderen Seite lernen, seinen Fluss auf neue Weise zu

287 Vgl. McMahan, David L.: Meditation in the Pāli Canon and the Theravada Tradition, in Keown / Prebish (2007), S. 508. 288 Vgl. Siegel, Daniel (2007): The Mindful Brain. Reflection and Attunement in the Cultivation of Well-Being, New York: Norton & Company, S. 131.

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regulieren.“289

Entsprechend nennt er als Vorteile dieses Gewahrseins die Emotionsregulation, die Verbesserung von Denkgewohnheiten und sog. emotionalen Fehlfunktionen, die Reduktion negativ konnotierter Denkweisen, sowie die Verbesserung bestimmter Körperfunktionen.290 „Unsere Beziehungen zu anderen Menschen verbessern sich ebenfalls, weil sich die Fähigkeit, nonverbale emotionale Signale von anderen wahrzunehmen, genauso erhöht wie unsere Fähigkeit, das Innenleben unserer Mitmenschen wahrzunehmen.“291

Neuronale Wirkmechanismen von Achtsamkeits-Meditation

Die neurowissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Achtsamkeits-Meditation kreist bisher größtenteils um neuronale Korrelate in den Gehirnen von Achtsamkeits- Meditierenden. D. h. systematisch unterteilen kognitive Neurowissenschaftler vier Bereiche, in denen neuronale Wirkmechanismen zum Tragen kommen: Aufmerksamkeitsregulation, Körpergewahrsein, die von Siegel bereits benannte Emotionsregulation und Selbstwahrnehmung. Diese Systematik der Einteilung von Wirkmechanismen wurde 2011 von den neurowissenschaftlich ausgerichteten Psychologen Britta Hölzel, Ulrich Ott u. a. aufgestellt292 und wird seitdem von anderen sog. Meditationsforschern weitestgehend übernommen.

Aufmerksamkeitsregulation

Der Coburger Mediziner und Gesundheitswissenschaftler Tobias Esch formuliert in

289 Siegel 2007, S. 25. 290 Vgl. ebd., S. 26. 291 Ebd., S. 26. 292 Vgl. Hölzel/Lazar/Gard/Schuman-Olivier/Vago/Ott: How does mindfulness meditation work? Proposing mechanisms of action from a conceptual and neural perspective.

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seiner aktuellen Studie zum Wirkmechanismus der Aufmerksamkeitsregulation durch Achtsamkeit: „Durch das Training fällt es einerseits leichter, die Aufmerksamkeit auf ein Objekt zu fokussieren und zu halten sowie schneller zu bemerken, wenn Gedanken abdriften, auch effektiver mit Störungen umzugehen, sie auszublenden oder zu akzeptieren.“293 Diese Art der Aufmerksamkeit bezeichnen die Neurowissenschaftler Antoine Lutz und Richard Davidson als „focused attention“294. Eine andere Art der Aufmerksamkeit, „open monitoring“ genannt, beschreibt der Neurowissenschaftler Esch im Sinne einer Aufmerksamkeitsverteilung, es gelinge besser, „die Aufmerksamkeit zu verteilen bzw. den 'Taschenlampenkegel des Bewusstseins' […] zu weiten, d. h. das Gegenwartsfenster auszudehnen und dadurch mehr 'mit zu bekommen'.“295

Körpergewahrsein

Achtsamkeits-Meditation wirkt sich auf den hirnphysiologischen Bereich des Cingulums (limbisches System) aus. „Relevantes und Fehler werden schneller herausgefiltert, man 'fühlt sich gut' (ist im engen Kontakt mit den eigenen Empfindungen), es entstehen eine erhöhte Intuitivität und ein 'Bauchgefühl', das tatsächlich mit einer verstärkten Repräsentation der Gefühle aus dem Körperinneren einhergeht. Auch das Bewegungs- und Fertigkeitsgedächtnis […] werden gestärkt.“296 → Spiegelneuronen „Achtsamkeit und die dadurch aktivierten Areale für das 'Körpergespür' schließen auch solche Bereiche und Modalitäten ein, die für die Resonanz mit anderen gebraucht werden.[…] Empathie- und Mitgefühlsfähigkeit, d. h. das emotionale

293 Esch: Die neuronale Basis von Meditation und Achtsamkeit, S. 22. 294 Vgl. Lutz/Greischar/Rawlings/Richard/Davidson: Long-term meditators self-induce high-amplitude gamma sychrony during mental practice. 295 Esch, Tobias (2014): Die neuronale Basis von Meditation und Achtsamkeit, in: SUCHT 60 (1), 2014, Bern: Hans Gruber Verlag. S. 22. 296 Ebd.

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Einfühlungsvermögen, aber auch die kognitive Fähigkeit, die Perspektive eines anderen einzunehmen […] werden mutmaßlich gestärkt.“297

Emotionsregulation

Endogene Emotions- und Motivationssteuerung wird neurowissenschaftlich drei funktionellen Ebenen des limbischen Systems zugeordnet. Untere und mittlere Ebenen, z. B. der Amygdala, so Esch, seien i. d. R. kaum zu kontrollieren. Die obere angenommene limbische Ebene, z. B. in Teilen des Präfrontalkortex, sei imstande, emotionsregulierenden Einfluss auszuüben. Dieser Bereich fungiere als Brücke zwischen unterer (funktionell zuständig für Affekte und Emotionen) und mittlerer Ebene (funktionell zuständig für Ratio und Kognition) des limbischen Systems. Die Technik der Achtsamkeits-Meditation „verbindet Psyche, Affekt, Ratio, Geist und Soma, die Mind-Body-Connection wird erfahr- und messbar. Durch Training kommt es zu einer systematischen Desensibilisierung gegenüber negativen Affekten und Emotionen und zu einer Zunahme von Mitgefühl, Offenheit und Gleichmut […].“298 „Wir sehen, dass affektive Schaltkreise formbar sind, vergleichbar der Aufmerksamkeit […]. Dadurch werden neue Verhaltensweisen vorstellbar, auch solche, die zu einer Abnahme des Stresserlebens führen. Auch Schmerz kann so womöglich besser reguliert werden.“299

Selbstwahrnehmung

Achtsamkeit führe potenziell zu einer differenzierteren Selbstwahrnehmung, „d. h. Vorstellungen vom Selbst (Ego, Selbstbild) und tatsächliches Selbsterleben können besser auseinander gehalten werden […] Etwas Ähnliches wurde schon im Kontext der

297 Ebd. 298 Ebd. 299 Ebd.

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Schmerzmodulation beobachtet: Der Praktizierende lernt, sich nicht mit Gedanken, Empfindungen und Gefühlen zu identifizieren ('Ich bin nicht der Schmerz', 'Schmerz und Leid sind nicht eins').“300 Diese Haltung wird „Decentering“ oder „Disidentification“ genannt. Demgegenüber wird die „'Selbstwirksamkeits-Erfahrung' bzw. ein Erleben von authentischer internaler Kontrolle“301 benannt. „Neurobiologisch scheint es sich dabei weniger um einen kognitiven Prozess bzw. eine primär kognitive Kontrolle zu handeln ('Ich will keinen Schmerz mehr haben', 'Ich halte das schon aus'), sondern tatsächlich um eine veränderte Schmerzverarbeitung.“302

Achtsamkeit beeinflusst demnach die genannten Ebenen der Regulation bzw. Wahrnehmung überaus positiv. Die neurobiologischen Effekte von Achtsamkeits- Meditation lassen sich dabei teilweise experimentell im Gehirn anhand von strukturellen Veränderungen von grauer und weißer Substanz nachweisen. Zudem steige auf neuroendokriner Ebene der Dopamin- und Serotonin-Spiegel, während Cortisol und Norepinephrin durch Meditation sinke, wie der Coburger Mediziner und Gesundheitswissenschaftler Tobias Esch in seiner aktuellen Studie zusammenfassend darlegt.303 Dieser Einblick in neurowissenschaftlich formulierte, durchweg positive Wirkfaktoren von Achtsamkeits-Meditation entspricht dem kommunizierten Mainstream kognitiver Neurowissenschaften.

„Da es aber auch anders ist;“

In der Parabel „Auf der Galerie“, die Franz Kafka 1919 verfasste, findet sich der Satz „Da es aber auch anders ist;“. Dieser Satz teilt die Geschichte in zwei Seiten einer

300 Ebd. 301 Ebd. 302 Ebd. 303 Vgl. Esch 2014, S. 22-24.

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Medaille. Der erste Teil der Geschichte handelt von einer hinfälligen, bedauernswerten Kunstreiterin, die von einem erbarmungslosen Zirkusdirektor mit der Peitsche zu akrobatischen Leistungen angetrieben wird. Der Zuschauer auf der Galerie möchte dazwischen gehen und dieser Szene ein Ende bereiten. Dann der Satz „Da es aber auch anders ist;“ und der nun folgende zweite Teil handelt von einer schönen, gesunden Kunstreiterin, die von dem Direktor liebevoll umsorgt wird. Der Zuschauer auf der Galerie legt sein Gesicht auf die Brüstung und weint, ohne es zu wissen. So die Geschichte, für die Kafka nicht mehr als eine Seite vorsah.

Eine Seite, man könnte auch sagen eine Münze oder Medaille, die zwei Seiten birgt. Achtsamkeits-Meditation ist nicht nur ein wie im populären Diskurs gepriesenes Allheilmittel, sie kann auch eine dunkle Seite bedeuten. Das Bild der vitalen Kunstreiterin steht für eine gelingende Aufmerksamkeits- und Emotionsregulation, eine bessere Körper- sowie Selbstwahrnehmung durch Achtsamkeit. Das dunkle Gegenstück der kranken, leidenden Akrobatin für psychische Krisen-Erfahrungen und diagnostizierbare psychische Störungen und Erkrankungen wie Depression, Depersonalisation, Halluzinationen etc. Davon ist im populären Diskurs nicht die Rede.

Einzig der Spiegel und der britische Guardian berichteten erstmals 2014 von negativen Folgen bzw. Kontraindikationen der medial überhöhten Achtsamkeits-Meditation.304 Um drei Beispiele herauszugreifen, eigne sich Achtsamkeit gerade nicht für Menschen mit Depressionen, Psychosen oder Suchterkrankungen. Was in der psychologischen Fachliteratur bereits seit 2009 kursiert – nämlich differenzierte, kontrainduzierte Fallbeispiele und entsprechende Gegenmaßnahmen, wie von den Psychologen Ulrich Ott oder Mary Lustyk305 dokumentiert – ist im öffentlichen Diskurs bisher nicht

304 Vgl. Hauschild 2014, »Achtsamkeit mit Nebenwirkungen: Verdammt, entspann dich!«. Vgl. Booth 2014, »Mindfulness Therapy comes at a high price for some, say experts«. 305 Vgl. Lustyk, M. K., Chawla, N., Nolan, R. S., Marlatt, G. A. (2009): Mindfulness meditation research: Issues of participant screening, safety procedures, and researcher training, in: Advances in Mind Body Medicine (24), S. 20-30.

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angekommen.

Der im populären Diskurs immer wieder angeführten Evidenz für die Wirksamkeit von Achtsamkeit, im Sinne des neuronalen Korrelats der Veränderung grauer Substanz im Gehirn, stellt Ott entgegen, dass „jede Art von mentalem Training dazu führt, dass die Dicke und Dichte der grauen Substanz zunimmt“306.

Dark Night Project

2011 wurde das Cheetah House307 ins Leben gerufen. Die US-amerikanische Neurowissenschaftlerin Willoughby Britton gründete dieses an die Brown University in Rhode Island anschließende Haus-Projekt als Erweiterung des Programms „Contemplative Studies Initiative“, das mit dem Mind and Life Institute verknüpft ist. Diese akademische Initiative widmet sich mit unterschiedlichen Disziplinen, wie der Philosophie, Religions- oder auch Theaterwissenschaft der sog. kontemplativen Erfahrung verschiedenster Couleur, sowohl der 1. Person Perspektive, d. h. im Labor- bzw. hausinternen Selbstversuch, als auch den philosophischen Fundierungen dieser Erfahrungen. Seit Ende 2013 gibt es im Cheetah House das Dark Night Project.

Der Name Cheetah geht zurück auf die buddhistische Parabel von Kisogotami. So heißt darin ein junges Mädchen in Shravasti/Indien, das von seinen Eltern in den Wald Holz holen geschickt wird. Im Wald begegnet dem Mädchen ein Cheetah, ein Gepard. Gerettet von einem jungen Jäger des Königs, wird sie ihn später heiraten. So die kurze Fassung der Parabel.

Vgl. Ott, Ulrich (2013): Meditation als angewandte Neurowissenschaft. Warum meditieren gegen Angststörungen und Depression helfen kann, in: Renger / Wulf (2013), S. 103-114. 306 Ott 2013, S. 104. 307 http://cheetahhouse.org [Stand: 01.03.2015].

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Das Dark Night Project des Cheetah House befasst sich gemäß dieser Parabel mit den Gefahren, die einem im metaphorisch dichten Wald der Meditation begegnen können. Hier einige Auszüge zeitgenössischer Erfahrungsberichte, die Jack Kornfield 1979 und aktuell der angehende Neurowissenschaftler Ross Buttner 2013 phänomenologisch aufgearbeitet haben.308

„I felt my body divided in half“ „lots of shaking“ „saw a spider as big as my hand come out of the floor“ „like a truck (…) driving through your whole body“ „heavy sadness“ „huge release of anger“ „violent crying“309

Ganz im Gegensatz zum populären, journalistisch und monographisch aufbereiteten Achtsamkeits-Diskurs, ist hier nicht die Rede von Bliss, Happiness, Entspannung, Gelassenheit oder den in Brigitte und Co genannten positiven Effekten der Achtsamkeits-Meditation, die auch gerne mit entsprechender optischer Weichzeichnung untermalt werden.

308 Vgl. Buttner 2013, »Challenges on the Buddhist Path«. Vgl. Kornfield, Jack (1979): Intensive Insight Meditation: A Phenomenological Study, in: The Journal of the Transpersonal Psychology 1979, Vol. 11 (1). 309 Kornfield 1979, S. 45 f.

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Abbildung 6: BlissBlissBliss, Morgantown, Abbildung 7: Brown Alpert Medical School, West Virginia / USA Rhode Island / USA (http://www.brown.edu) (http://www.theblissblissbliss.com)

Abbildung 8: Brown Alpert Medical School, Rhode Island / USA (http://www.brown.edu)

Hier geht es um handfeste somatische, visuelle, mentale Krisen-Erfahrungen von Meditierenden der Vipassana, Achtsamkeits-Meditation. Der britische Psychiater Florian Ruth berichtet beispielsweise von Fällen von Depersonalisation, als Folge von MBCT.310

Der US-amerikanische Meditationslehrer Shinzen Young, der in zum Mönch der Shingon Tradition (Mainstream japanischen Buddhismus der Vajrayana Linie) ordiniert

310 Vgl. Booth 2014, »Mindfulness Therapy comes at a high price for some, say experts«.

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wurde und mit Neurowissenschaftlern der Harvard, Yale und Vermont University bezüglich säkularer Anwendung von „mindfulness meditation“ zusammenarbeitet, definiert diese sog. Dark Night Erfahrungen von Meditations-Anfängern beispielsweise als „Schwierigkeit, die Erfahrung von Nicht-Selbst zu integrieren“311 (difficulty integrating the experience of no self). Auch er berichtet in diesem Zusammenhang von der Schwierigkeit, die psychiatrischen Störungen wie Depersonalisation oder Derealisation von Erfahrungen der sog. Leere oder Erleuchtung zu unterscheiden.

Auch andere sog. westliche Meditationslehrer, Psychologen, die ebenfalls am Mind and Life Institute zu Wort kommen, wie Daniel Goleman oder Ken Wilber kommen in diesem bisher wenig gehörten Sub-Diskurs zu Wort. Es geht dabei um einerseits die Forderung nach umfassend ausgebildeten Achtsamkeits-Meditationslehrern, die mit etwaigen Krisen oder irritierenden oder für die Schüler sehr ungewöhnlichen Meditationserfahrungen umzugehen wissen. Andererseits, dieser Forderung vorausgehend, mehr Forschung in dem Bereich anzustoßen.

In dem Spannungsfeld von Achtsamkeit als Stressreduktion und Achtsamkeit im Sinne eines Erleuchtungs-Vehikels, ist es für eingangs genannte Übersetzungsverhältnisse von Achtsamkeit in den westlichen psychologischen Bereich aufschlussreich, zu sehen, inwieweit die buddhistische Literatur diese Art von Meditationserfahrungen dokumentiert. Zahlreiche buddhistische Texte bezeugen schliesslich derartige Erfahrungen. Und wie weit die neurowissenschaftliche Rezeption dieser Quellen reicht.

Die bisherigen Beobachtungen dieses Sub-Diskurses legen die Vermutung nahe, dass obwohl Achtsamkeit als an sich „leeres“ Konzept sehr adaptionsfähig an westliche Selbstfürsorge-Diskurse ist, die Herauslösung von Achtsamkeit aus ihrem religiösen

311 Young, Shinzen (2011): »The Dark Night«, Blog-Artikel und Video vom 03.12.2009, http://shinzenyoung.blogspot.de/2011/11/dark-night.html [Stand: 26.01.2015].

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Kontext in eine gemeinsame menschliche Handlungsweise mit gewissen impliziten Vorannahmen bzw. Meditationsanleitungen noch auf eine differenziertere Verhältnisbestimmung wartet.

Dabei zu beachten ist u. a. die kulturelle Herkunft derjenigen, die diese sog. dunklen Seiten der Achtsamkeits-Meditation näher beleuchten, wie diejenige der Neurowissenschaftlerin Britton, oder der US-amerikanischen Achtsamkeits-Pioniere wie Shinzen Young oder Jack Kornfield, die alle samt einen akademischen Hintergrund mitbringen und sich als Befürworter der Achtsamkeits-Meditation im Diskurs positionieren. Es sind also nicht Meditations-Skeptiker, sondern Meditations-erfahrene Befürworter der Achtsamkeits-Meditation, die diese Rezeption vorantreiben.

3.3.5 Zu Übersetzungsverhältnissen von Achtsamkeit in sogenannte westliche Psychologie

Für die Frage nach der Bestimmung des Übersetzungsverhältnis von buddhistischer Achtsamkeit in den sog. westlichen Kontext ergibt sich daraus, dass durch diesen Sub- Diskurs nicht wie bei dem religionswissenschaftlich gegenwärtig dominanten Übersetzungsmodell der Adaption buddhistische Inhalte modifiziert und für einen anderen, etwa rein therapeutischen Gebrauch passend gemacht werden, MBSR oder MBCT wären hierfür Kandidaten, vielmehr beschreibt das von Eve Kosofsky Sedgwick 2005 vorgeschlagene Modell von recognition bzw. realization adäquater die Dynamik des Dark Night Diskurses.312 Kosofsky Sedgwick entwickelt dieses Modell anhand des „Tibetan Book of Living and Dying“, es eignet sich jedoch überaus gut, auch die hier dargelegte Rezeption zu beschreiben, da das Konzept der Realisation gerade kein eindimensionales ist, wie beispielsweise adaption, integration oder assimilation. Als Integration kann man beispielsweise Achtsamkeit in der Wirtschaft bezeichnen, als

312 Vgl. Kosofsky Sedgwick, Eve (2005): Pedagogy, in: Lopez (2005), S. 162-187.

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Assimilation die mediale Aufbereitung von Achtsamkeit als Allheilmittel, da dafür nahezu der gesamte buddhistisch philosophische wie auch religiöse Kontext getilgt wird. Marriage und transplantion sind ebenfalls Übersetzungsmodelle, die insbesondere im psychologischen Bereich Verwendung finden, der US-amerikanische Psychotherapeut Harvey Aronson verwendet diese Terminologie, und versucht damit zum Ausdruck zu bringen, dass sich eine mögliche und wünschenswerte Heirat beider sog. Weltsichten schwierig gestaltet, da seiner Ansicht nach gegenwärtig eine vorherrschende Transplantation buddhistischer Lehren in westliche Therapiekonzepte es geradezu verhindert, dass sog. typisch westliche psychologische Krankheitsbilder wie Depression oder Angststörungen durch Achtsamkeit angemessen adressiert werden. „Without more culturally appropriate interventions such as psychotherapy, even some advanced meditators continue to suffer from anxienty, depression, isolating narcissm, or numbed disengagement.“313 für den Diskurs exemplarisch appelliert Aronson demnach für eine angemessenere Gewichtung von im Westen etablierten Therapieformen und sozusagen dort hinein transplantierte Meditationsanweisungen. Der Fokus ruht dabei allerdings auf der eigenen Kultur, Psychotherapie wird unhinterfragt als angemessener gekennzeichnet.

Im Dark Night Project finden hingegen auch Rückfragen im Sinne literarischer Verweise innerhalb des Projekts an den Burmesischen Meditationslehrer Mahasi Sayadaw statt. Seine 1965 pulizierte und von Nyanaponika Thera übersetzte Monographie „Progress of Insight“ dient dabei als quasi Ansprechpartner hinsichtlich bestimmter Dark Night Phänomene. Insofern scheint das Realisations-Modell der Übersetzung bezüglich seiner reziproken Struktur popularisierter buddhistischer Lehren bessere Dienste zu leisten. Den Prozess der recognition bzw. realization konstituiert nicht nur eine gewisse strukturelle Mehrdimensionalität, sondern inhaltlich auch bestimmte epistemologische Bedürfnisse der Diskurspartner. Mit anderen Worten, Dark

313 Aronson 2004, S. 13.

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Night Phänomene kennzeichnen nicht das Ende eines Austausches oder das resignierte Zurückbleiben bei den eigenen Leisten, sondern bedingen unter Umständen eine epistemologisch intensivere Beschäftigung mit dem jeweils anderen bzw. dem vormals Fremden. Markieren vielleicht einen kulturellen Austausch, der nicht hinter einer assimilativen oder adaptiven Haltung zurückbleibt, sondern sich eventuell als sehr fruchtbar erweist.

Das zur Diskussion stehende Übersetzungsverhältnis von Achtsamkeit in sog. westliche Diskurse bzw. Disziplinen zeigt sich nach der vorangegangenen Analyse als kontextabhängig. D. h. je nach gesellschaftlichem Funktionsbereich kommt ein entsprechendes Übersetzungs- bzw. Transformationsverhältnis zum Tragen.

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4 Zusammenfassung der Thesen der Dissertation

4.1 Zusammenfassung des diskurs-analytischen Hauptteils (Grenzüberschreitungen zwischen Eigenem und Fremdem)

Im Teil 2 der vorliegenden Arbeit „Räume der Grenzüberschreitung zwischen Eigenem und Fremdem“ wurden zwei Aspekte dieses aktuellen, populären Achtsamkeits- Diskurses in den Blick genommen. Zum einen galt es einen Überblick über historische Entstehungsbedingungen des Mind and Life Institute zu geben, da sich Gründung, Teilnehmer, sowie insbesondere Themen, die auf den sog. Dialogues des Mind and Life Institute verhandelt wurden und werden, als bestimmend für den Diskurs herausgestellt haben. Konkretisiert wurde die Diskurs-Semantik des Austausches zwischen Vertretern des sog. westlichen Buddhismus und gegenwärtigen, kognitiven Neurowissenschaftlern anhand verschiedener Zusammenkünfte des Mind and Life Institute, sowie den entsprechenden Publikation, die sich aus den Zusammenkünften jeweils ergaben.

Ein Bereich der Selbstfürsorge, und -optmierung, wurde ebenso herausgearbeitet, wie die Heilsversprechen, die ausgehend von neurowissenschaftlichen, überwiegend akademischen Diskurs-Räumen die Selfhelp- und Happiness-Diskurse der US- amerikanischen, gesellschaftlichen Öffentlichkeit beeinflussen und teilweise bedingen. Dafür spielt natürlich die in diesem Teil der Arbeit analysierte Wirkweise von Meditation auch eine Rolle für ein sog. Plädoyer für ein Weltbürgertum des 21. Jahrhunderts, dessen Appell sich das Mind and Life Institute plakativ auf die Fahnen schreibt.

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4.2 Zusammenfassung des systematisch-kulturanalytischen Hauptteils (Analytische Längsschnitte der Rezption)

„Analytische Längsschnitte der Rezeption“ ist derjenige Part, der insgesamt drei gesellschaftliche Funktionsbereiche näher untersucht. Achtsamkeit wurde dafür in ein Verhältnis gesetzt zur Wissenschaft, den kognitiven Neurowissenschaften, der Ökonomie, sowie dem Bereich der Psychologie.

Meditation als neurowissenschaftliches Forschungsobjekt wirft methodische und theoretische Probleme auf. Gegenwärtig werden dazu Stimmen aus den eigenen, neurowissenschaftlichen Reihen laut, die auf diese Problematik aufmerksam machen und versöhnliche Lösungsangebote zu formulieren versuchen, wie beispielsweise Peter Janich als wissenschaftshistorische Stimme, oder Felix Hasler als Neuropharmakologe. Die entsprechende Kritik an den Deutungsansprüchen der Hirnforschung wurde insofern aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

Ökonomische Gefüge und die entsprechende Diskursivierung von Achtsamkeits- Meditation kamen als weiterer Bereich der Analyse in den Blick. Daniel Goleman und sein Konzept emotionaler Intelligenz, so ergaben diese Kapitel, haben mehr mit Meditation zu tun, als auf den ersten Blick ersichtlich. Spätestens hier wurde eine ideologische Verwendung des Achtsamkeitskonzepts, beispielsweise bezüglich gesteigerter Effektivität, deutlich sichtbar. Dieses ideologisch aufgeladene Achtsamkeits-Dispositiv funktioniert überwiegend über eine essentialistische Repräsentation meditativer Bewusstseinszustände.

Psychologie ist derjenige Bereich, innerhalb dessen Konzepte wie MBSR, MBCT, oder andere achtsamkeits-basierte, therapeutische Interventionen zum Tragen kommen. Dieses Kapitel beantwortete, ausgehend von einer historisch-kulturvergleichenden Perspektive auf Kongruenz und Differenz in Buddhismus und Psychologie, die Frage

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nach Konzeptionalisierung der jeweiligen Programme, wie MBSR im besonderen. Darüberhinaus wurden auch Methoden der psychologischen, sowie klinischen Datenerhebung zu Achtsamkeit analysiert. Schliesslich rundet das Kapitel zu Übersetzungsverhältnissen von Achtsamkeit in sog. westliche Diskurse diese differenzierte Analyse der Rezeption ab.

4.3 Ausblick

Einige Aspekte der vorliegenden Dissertation ergeben für die Zukunft ein ergiebiges Forschungsfeld. Im Themengebiet Achtsamkeit und Psychologie sicherlich die Frage nach Dualität / Nicht-Dualität der verschiedenen Achtsamkeits-konzepte in therapeutischen Interventionen. Der Religionswissenschaftler Andrew Olendzki wäre hierfür geeigneter Anprechpartner.314

Im Themengebiet Achtsamkeit und Ökonomie gibt es neuere Strömungen, wie beispielsweise den sog. „Stealth Buddhism“, innerhalb dessen Achtsamkeit als Konzept wie eine Art trojanisches Pferd in die Unternehmenskultur US-amerikanischer Firmen Verwendung findet. „Organisational Mindfulness“ oder „selling spirituality“ sind hier die Stichworte. Bikkhu Bodhis Kritik an einem „reinforcement of consumer capitalism“ käme hier zum Tragen. Ebenso wie Eine historische-kritische Betrachtung wäre religions- und kulturwissenschaftlich eine interessante Stoßrichtung.

Für einen eher kulturpessimistischen Ausblick auf den psychosomatischen Arbeiter in säkularer Performanz liefern die US-Amerikaner Ron Purser, Professor für Ökonomie der San Franciso State University, und der Psychologe David Forbes mit regelmäßigen Podcast Publikationen ausreichend streitbaren, und religionswissenschaftlich durchaus

314 Vgl. Olendzki, Andrew (2013): The Construction of Mindfulness, in: Williams, Mark / Kabat-Zinn, Jon (2013), Mindfulness. Diverse Perspectives on its Meaning, Originis and Applications, New York: Routledge, S. 55-70.

174 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

ergiebigen Stoff.315

Darüberhinaus bleibt sicherlich der Blick auf weitere Diskursteilnehmer fruchtbar. Die wissenschaftliche Analyse des tibetische Lama Justin Wall zum Beispiel, der das Milarepa Retreat Center in Tennessee gründete, Achtsamkeit auf eine kritische Weise modifizierte, oder von Figuren wie Jack Kornfield, der die Theravada Reformbewegung mit Goldstein zusammen aufgriff und in Insight Meditation wandelte, könnte einen großen Beitrag zur weiteren Erhellung des Diskurses liefern.

315 http://www.mindfulcranks.com/ [Stand: 01.11.2019].

175 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Anhang

176 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Überblick über die Veranstaltungen und Publikationen des Mind and Life Institute (1987 – 2018)

XXXIV, 30.10. - 01.11.2019: Conversations on Compassion, Interconnection and Transformation Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien

Sonstiges: Videos online https://www.mindandlife.org/videos/mind-life-conversations-with-the-dalai- lama-and-david-sloan-wilson [Stand: 01.12..2019] https://www.mindandlife.org/videos/mind-life-conversations-with-the-dalai- lama-and-pumla-gobodo-madikizela [Stand: 01.12..2019]

XXXIII, 12. - 16.03.2018: Reimagining Human Flourishing Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/watch?v=SaN-3pCfDdE [Stand: 05.04.2018]

XXXII, 17. - 19.08.2017: A Dialogue on Spirituality, Science and Humanity Veranstaltungsort: Botho/Ubuntu, Botswana

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/playlist list=PLOafJ4rP1PHxIi0QN0pOJblZzwSyuggE8 [Stand: 08.01.2018]

XXXI, 9. - 11.09.2016: Power and Care. Towards Balance for our Common Future Science, Society and Spirituality in Dialogue

177 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Veranstaltungsort: Brüssel, Belgien

Sonstiges: Session-DVDs erhältlich

XXX, 14. - 17.12.2015: Perception, Concepts, and Self. Contemporary Scientific and Buddhist Perspectives Veranstaltungsort: Bylakuppe, Karnataka, Indien

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/watchv=khGQCf_hgWw&feature=youtu.be&list=PL OafJ4rP1PHy0g568Gb7YJRVa7wgiQz1I [Stand: 08.01.2018]

XXIX, 2014: Mapping the Mind Veranstaltungsort: Kyoto, Japan

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/playlist?list=PLOafJ4rP1PHwlqiOnVXZ- QJkeUSn1KVKj [Stand: 08.01.2018]

XXVIII, 2014: Ethics, Education and Human Development Veranstaltungsort: Rochester, Minnesota / USA

XXVII, 28.10. - 01.11.2013: Craving, Desire and Addiction Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien

XXVI, 17. - 22.01.2013: Mind, Brain and Matter: Critical Conversations between Buddhist Thought and Science Veranstaltungsort: Mundgod, Indien

178 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Publikation: Hasenkamp, Wendy / White, Janna R. (Hg.) (2017): The Monastery in the Microscope: Conversations with the Dalai Lama on Mind, Mindfulness, and the Nature of Reality, New Haven: Yale University Press.

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/watch?v=bOpVrprggG0&amp [Stand: 08.01.2018]

XXV, 17. - 21.10.2012: Contemplative Practice and Health: Laboratory Findings and Real World Challenges Veranstaltungsort: The Rockefeller University, New York, NY / USA

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/playlist? list=PLOafJ4rP1PHx8fTzEhEBkxscr_oyxLQdi [Stand: 08.01.2018]

XXIV, 2012: Latest Findings in Contemplative Neuroscience Veranstaltungsort: Mayo Clinic Rochester, Minnesota / USA

XXIII, 17. - 21.10.2011: Ecology, Ethics and Interdependence Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/watchv=OjMWC1Bz2xA&feature=youtu.be&list=PL 5774AB447690B8E7 [Stand: 08.01.2018]

XXII, 20. - 23.11.2010: Contemplative Science: The Scientific Study of the Effect of the Contemplative Practice on Human Biology and Behaviour

179 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Veranstaltungsort: Neu Delhi, Indien

Sonstiges: Videos online https://www.youtube.com/playlist?list=PL50BE06AF235A9263 [Stand: 08.01.2018]

XXI, 2010: Mental Training: Impact on Neuronal, Cognitive, and Emotional Plasticity Bis auf Angabe der Teilnehmer und Beschreibung („latest scientific discoveries“)

Sonstiges: keine Ortsangabe, Programm oder Videos online

XX, 9. - 11.4.2010: Altruism and Compassion in Economic Systems: A Dialogue at the Interface of Economics, Neuroscience and Contemplative Sciences Veranstaltungsort: Zürich, Schweiz Publikation: Singer, Tania / Ricard, Matthieu (Hg.) (2015): Caring Economics: Conversations von Altruism and Compassion, between Scientists, Economists, and the Dalai Lama, London: Picador.

Sonstiges: DVD „Altruism and Compassion in Economic Systems“

XIX, 8. - 9.10.2009: Educating World Citizens for the 21st Century: Educators, Scientists and Contemplatives Dialogue on Cultivating a Healthy Mind, Brain and Heart Veranstaltungsort: Washington, District of Columbia / USA

Sonstiges: DVD „Educating World Citizens for the 21st Century“

180 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

XVIII, 6. - 10.4.2009: Attention, Memory, and the Mind Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien

XVII, 2009: Latest Findings in Contemplative Neuroscience Veranstaltungsort: Mayo Clinic Rochester, Minnesota / USA Publikation: Luigi, Pier / Houshmand, Zara (Hg.) (2009): Mind and Life. Discussions with the Dalai Lama on the Nature of Reality, New York: Columbia University Press.

XVI, 16.4.2008: Investigating the Mind-Body Connection: The Science and Clinical Applications of Meditation Veranstaltungsort: Rochester, Minnesota / USA

XV, 20.10.2007: Mindfulness, Compassion and the Treatment of Depression Veranstaltungsort: Atlanta, Georgia / USA

XIV, 9. - 13.4.2007: The Universe in a Single Atom Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien

17.9.2006: Public Talk with HH Dalai Lama Veranstaltungsort: Denver, Colorado / USA Vortrag des Dalai Lama: “The Science of a Compassionate Life”

Sonstiges: DVD “The Science of a Compassionate Life”

XIII, 8. - 10.11.2005: Investigating the Mind: The Science and Clinical Applications of Meditation Veranstaltungsort: Washington, District of Columbia / USA Publikation: Kabat-Zinn, Jon / Davidson, Richard J. (Hg.) (2011): The Mind's

181 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Own Physician. A Scientific Dialogue with the Dalai Lama on the Healing Power of Meditation, Oakland/CA: New Harbinger Publications.

Sonstiges: DVD „The Science and Clinical Applications of Meditation“

XII, 18. - 22.10.2004: Neuroplasticity: The Neuronal Substrates of Learning and Transformation Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien Publikation: Begley, Sharon (2008): Train Your Mind, Change Your Brain. How a New Science Reveals Our Extraordinary Potential to Transform Ourselves, New York: Ballantine Books.

XI, 13. - 14.9.2003: Investigating the Mind: Exchanges between Buddhism and Biobehavioral Science on How the Mind Works Veranstaltungsort: Cambridge, Massachusetts / USA [erstes öffentliches Treffen] Publikation: Harrington, Anne / Zajonc, Arthur (Hg.) (2008): The Dalai Lama at MIT, Massachusetts: Harvard University Press.

X, 30.9. - 4.10.2002: The Nature of Matter, The Nature of Life Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien

IX, 21. - 22.5.2001: Transformations of Mind, Brain and Emotion Veranstaltungsort: Madison, Wisconsin / USA

VIII, 20. - 24.3.2000: Destructive Emotions Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien Publikation: Goleman, Daniel (Hg.) (2004): Destructive Emotions: A Scientific Dialogue with the Dalai Lama, Bantam Books.

182 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

VII, 15. - 22.6.1998: Epistemological Questions in Quantum Physics and Eastern Contemplative Sciences Veranstaltungsort: Innsbruck, Österreich Publikation: Bericht als Leitartikel in „GEO“ „Wer erklärt uns die Welt“ (Januar 1999)

VI, 27. - 31-10-1997: The New Physics and Cosmology Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien Publikation: Zajonc, Arthur (2004): The New Physics and Cosmology: Dialogues with the Dalai Lama, New York: Oxford University Press.

V, 2. - 6.10.1995: Altruism, Ethics, and Compassion Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien Publikation: Davidson, Richard / Harrington, Anne (Hg.) (2002): Visions of Compassion: Western Scientists and Tibetan Buddhists Examine Human Nature, New York: Oxford University Press.

IV, 5. - 9.10.1992: Sleeping, Dreaming, and Dying Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien Publikation: Varela, Francisco J. (1997): Sleeping, Dreaming, Dying. An Exploration of Consciousness with the Dalai Lama, Massachusetts: Wisdom Publications.

III, 5. - 9.11.1990: Emotions and Health Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien Publikation: Goleman, Daniel (Hg.) (1997): Healing Emotions: Conversations with the Dalai Lama on Mindfulness, Emotions, and Health, Boulder, Colorado: Shambala.

183 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

II, 5. - 6.10.1989: Dialogues between Buddhism and the Neurosciences Veranstaltungsort: Newport Beach, Kalifornien / USA Publikation: Houshmand, Zara / Livingston, Robert B. / Wallace, B. Alan (Hg.) (1999): Consciousness at the Crossroads. Conversations with the Dalai Lama on Brain Science and Buddhism, Ithaca/New York: Snow Lion Publications.

I, 23. - 29.10.1987: Dialogues between Buddhism and the Cognitive Sciences Veranstaltungsort: Dharamsala, Indien Publikation: Hayward, Jeremy W. / Varela, Francisco J. (1992): Gentle Bridges. Conversations with the Dalai Lama on the Science of Mind, Massachusetts: Shambhala. (Übersetzungen: Französisch, Spanisch, Deutsch, Japanisch, Chinesisch)

184 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

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Damasio, Antonio (1999): Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des

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193 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

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Hasler, Felix (2012a): Neuromythologie. Eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung, Bielefeld: transcript Verlag.

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195 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

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Kabat-Zinn, Jon / Davidson, Richard J. (Hg.) (2011): The Mind's Own Physician. A Scientific Dialogue with the Dalai Lama on the Healing Power of Meditation, Oakland/CA: New Harbinger Publications.

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213 C. Lehr Rezeption des buddhistischen Achtsamkeitskonzepts in den kognitiven Neurowissenschaften

Abbildungsverzeichnis

S. 8...... Abbildung 1: Photographie von Matthieu Ricard bei einer Elektroenzephalografie (EEG) im Labor der University of Wisconsin-Madison im Juni 2008 https://news.wisc.edu/newsphotos/davidson08.html [Stand: 01.10.2019]

S. 20....Abbildung 2: Der Dalai Lama überreicht Adam Engle zeremoniell einen Schal (khatag) 1987 nach Abschluss des ersten Mind and Life Dialogs in Dharamsala / Indien https://en.wikipedia.org/wiki/R._Adam_Engle#/media/File:R_Adam_Engle _receiving_ceremonial_scarf_from_Dalai_Lama,_Dharamsala,_India,_198 7.jpg [Stand: 01.10.2019]

S. 59....Abbildung 3: Mindfulness Research Publications by Year, 1980-2013 Kabat-Zinn, Jon / Davidson, Richard J. (Hg.) (2011): The Mind's Own Physician. A Scientific Dialogue with the Dalai Lama on the Healing Power of Meditation, Oakland/CA: New Harbinger Publications, S. 7.

S. 70....Abbildung 4: Überblick über die verschiedenen Disziplinen der Kognitionswissenschaften mit ihren jeweiligen Vertretern Varela, Francisco J. / Thompson, Evan / Rosch, Eleanor (1993): The Embodied Mind. Cognitive Science and Human Experience, Massachusetts: MIT Press, S. 7.

S. 94.....Abbildung 5: T. Singer 2012, Mind and Life Institute European Symposium/Präsentation: Measuring Change in Prosocial Behaviour, The Zurich Prosocial Game

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https://journals.plos.org/plosone/article? id=10.1371/journal.pone.0017798 [Stand: 01.10.2019]

S. 150...Abbildung 6: Logo einer Wellness Einrichtung den USA: BlissBlissBliss, Morgantown, West Virginia / USA http://www.theblissblissbliss.com [Stand: 01.10.2019]

S. 150....Abbildung 7 u. 8: Brown Alpert Medical School, Rhode Island / USA http://www.brown.edu [Stand: 01.10.2019]

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