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Die Südtribüne im – mit Stehplätzen für 25.000 Fans ist sie allein größer als manches Stadion Der wuchtige Mythos

rst spät legt die Bundesstraße 1, der so genannte Die schiere Wucht und ungewöhnliche Größe dieses »Ruhrschnellweg«, die Sicht frei auf einen der gigantischen Stadions, das, so wissen die Stadionbiogra- Egewaltigsten Fußballplätze Europas. Wer sich fen Dietrich Schulze-Marmeling und Gerd Kolbe, längst dem Westfalenstadion von Westen nähert und rech- »zum Wahrzeichen Dortmunds geworden ist«, erfährt ter Hand die acht gelben Pylone oberhalb des grauen der Betrachter freilich erst im Innenraum. Dann, wenn Daches erspäht, erfasst mit dem ersten Blick noch nicht die hier bei Bundesligaspielen über 82.000 Menschen Feste Dimensionen dieses Stadions. Aus der Distanz betrachtet, des Fußballs feiern. Dann, wenn die monströse Südtri- lässt der gewachsene Baumbestand die Heimat des Ball- büne, deren 25.000 Fans nicht in Leverkusens BayArena spielvereins verhältnismäßig klein hineinpassen würden, sich in einem Fahnenmeer aus erscheinen: Das Stadion ist nach wie vor eingebettet in Schwarz und Gelb präsentiert und inbrünstig Lieder den historischen Sport- und Naturpark, der in den 1920er auf die Borussia intonieren. Dann, wenn sich die Atmo- Jahren angelegt wurde. Aber wenn man die Ostflanke des sphäre verdichtet und verengt in ein großes Kino der Westfalenstadions betritt, dann erschließen sich sofort Gefühle und seinen legendären Ruf als eines der stim- dessen atemberaubende Ausmaße: Dort, wo die Osttri- mungsvollsten Fußballstadien dieser Republik erneuert. büne unmittelbar anschließt an das alte »Stadion Rote Nicht zufällig sucht der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in Erde«, wo die Architektur aus zwei Stadiongenerationen Zeiten der Krisen gern diese mythenbeladene Spielstätte und damit zwei verschiedene Fußballwelten auf engstem auf, um von der Direktheit und der Intensität dieses lei- Raum aufeinanderprallen. Auf der einen Seite der rötliche denschaftlichen Publikums zu profitieren: So wie im Sandstein der 1920er Jahre, der noch die historische Gast- Play-Off-Rückspiel der WM 2002 gegen die Ukraine, als stätte als den damals typischen Ort der Begegnung beher- eine aufgeputschte deutsche Mannschaft schon nach 20 bergt. Auf der anderen Seite der graue und funktionale Minuten uneinholbar führte. Betonbau der 1970er Jahre, der heute, nach der Moderni- Das Westfalenstadion bildet nicht nur wegen seines sierung, auch elf exklusive Logen in sich aufnimmt. rechteckigen Grundrisses und der wenigen Logen DORTMUND 43

eine Ausnahme in der arenisierten Stadionlandschaft satz zu 1974 war Dortmund diesmal »gesetzt« und kein Deutschlands. Als 1995 die beiden Haupttribünen erst- »Nachrücker«. mals vergrößert wurden, war von der WM 2006 noch Anders als viele der brandneuen Arenen, die manchmal nicht die Rede. Nach dem nationalen Titel 1995 reagierte noch jungfräulich und steril wirken, birgt das Westfa- die Vereinsführung des BVB vielmehr auf das Trauma lenstadion also Geschichte in sich, und es ist organisch der 1960er Jahre: Damals war der Dortmunder Fuß- gewachsen. Wenn es nach dem Fachblatt Westfalen- ball nach der Meisterschaft 1963, als das alte Stadion Sport geht, dann ist dem historischen Kern dieses Wachs- unmodern und zu klein geworden war, in ein finanzi- tum wohl bekommen: »Trotz des wiederholten Aus- und elles und sportliches Tal geschlittert. Die Erweiterung Weiterbaus des Stadions ist die Architektur bündig und der Süd- und Nordtribüne im Jahr 1999 war dann – der schlüssig geworden«, hieß es dort in einer Kritik nach Champions League-Triumph des BVB lag erst zwei Jahre der letzten Ausbaustufe, »keine Zersplitterung der ein- zurück – den (zuweilen zu) ehrgeizigen Plänen der Klub- zelnen Blöcke, wie wir es aus anderen Stadien kennen, führung geschuldet, Dortmund zu einem der führenden wenn man in verschiedenen Bauphasen das Fassungs- Standorte des europäischen Fußballs auszubauen. Als vermögen erweitert. Uneingeschränkte Sicht von allen Vorbilder fungierten dabei das Camp Nou in Barcelona Plätzen: So wird der Besuch im Westfalenstadion zum (98.109 Plätze) und das Stadio Giuseppe Meazza in Mai- besonderen Erlebnis.« Aber auch andere Kommenta- land (85.398 Plätze). Und auch, als die dritte Ausbaustufe toren gerieten angesichts dieser Mischung zwischen im Jahr 2002 angegangen wurde – die Schließung der Tradition und Moderne, wie sie etwa in dem verglasten freien Ecken zwischen den vier Tribünen –, lag dem kei- »Borussia-Park« in der Nordtribüne dokumentiert ist, ins neswegs die Befürchtung zugrunde, als WM-Standort Schwärmen. Das Westfalenstadion sei, rühmte der Fuß- womöglich nicht berücksichtigt zu werden. Im Gegen- ballautor Ulrich Hesse-Lichtenberger bereits vor dem

In der letzten Ausbaustufe wurden die Ecken geschlossen und als Tragwerk die gelben Pylone montiert 44 DORTMUND

letzten Umbau, »wunderbar, weil es nur auf den Fußball Stadionbetreibers Anfang 2003 dann neu geordnet: Der und sich selbst verweist. Da ist keine Landschaft, die man Vertrag mit der Malocra wurde aufgehoben, und der BVB bestaunen müsste; da ist weder die fast peinliche Nähe als Mehrheitseigner verkaufte das Stadion nun für 75,44 zu den Spielern, wie man sie in Bochum findet, noch die Millionen Euro an die Molsiris Vermietungsgesellschaft frostige Distanz, die in München herrscht.« mbH & Co. Objekt Westfalenstadion KG (ebenfalls eine Einzigartig blieb auch die Finanzierung der Erweiterun- Commerzbank-Tochter); die Anteile der Harpener und gen: Die rund 110 Millionen Euro für die drei Anbau- Continentale übernahm ebenfalls die Molsiris. Dem BVB phasen wurden ausschließlich privat finanziert. Diesen wurden eine uneingeschränkte Nutzung und alle Ein- schwer zu schulternden Investitionen ging ein Erbpacht- nahmen garantiert. Als Gegenleistung stand der Molsiris vertrag zwischen der Stadt Dortmund und dem Klub 15 Jahre lang ein jährlicher Pachtzins von 15 Millionen voraus: Am 5. Mai 1995 übernahm die vom BVB initiierte Euro zu. Um die drohende Insolvenz des BVB abzuwen- »Westfalenstadion GmbH und Co. KG«, deren Gesell- den, kam es jedoch im März 2005, nach einer dramati- schaft der BVB (47 %), die Harpener und Continentale (je schen Aktionärsversammlung auf dem Düsseldorfer 26,5 %) waren, das Stadion von der Kommune. Dem Ver- Flughafen, zu einer teilweisen Rückabwicklung dieses trag nach sollte die Betreibergesellschaft das Stadion auf Deals (und zu einer Stundung anderer Forderungen): Für eigene Rechnung erweitern und instandsetzen. Zwecks rund 42 Millionen Euro kaufte der Betreiber rund 42,8 % Finanzierung der dritten Ausbaustufe erwarb im Dezem- der Stadionanteile zurück. Bereits Ende 2002 hatte der ber 2001 die Malocra Vermietungsgesellschaft mbH, BVB das Stadiongrundstück und weitere 37.000 m² für eine Commerzbank-Tochter, für 31 Millionen Euro eine 12,8 Millionen Euro erworben. Unterbeteiligung von 24 %. Inmitten der finanziellen Tur- Nicht nur die Finanzierung, auch das Dach verursacht bulenzen des Klubs wurden die Besitzverhältnisse des Schwierigkeiten: Die fehlende Luftzirkulation und das

Eine der größten Fußballkulissen der Welt DORTMUND 45

Die FIFA fordert Sitze mit Rückenlehne. So wurden im Sommer 2005 neue (schwarz-gelbe) Sitzschalen montiert WM-Spiele in Dortmund Vorrunde Sa., 10. Juni: B3 – B4 Mi., 14. Juni: Deutschland – A3

Mo., 19. Juni: G4– – G2 Do., 22. Juni: F4 – Brasilien Endrunde Di., 27. Juni: Achtelfinale Di., 4. Juli: Halbfinale

VIP-Buffet und Vitrinen zu geringe Sonnenlicht gefährden stets die Qualität des Rasens. Zudem mussten die altmodischen Kabinen den WM-Richtlinien angepasst werden. Auch die alten blassgrünen Sitzschalen waren zu ersetzen. Die neuen, in schwarz-gelb gehaltenen Sitze fügen sich nun in das, was die Designer Corporate Identity nennen. Die 1,4 Millionen Fans, die in der Saison 2004/05 eine Rekordmarke in der Bundesligageschichte setzten, wären wahrscheinlich auch ohne derartige Aufhüb- schungen nach Dortmund gekommen. In dieses Sta- dion, das wie kaum ein anderes den Fußball atmet.

Erik Eggers Der Eckausbau ermöglichte die Einrichtung neuer Clubräume 46 DORTMUND DORTMUND 47 48 DORTMUND

Der Weg zum Sitzplatz auf der Westtribüne Blick auf das Spielfeld aus einem der Nordwest-Sektoren

Fan-Graffiti Atmosphärisch: der Weg ins Stadion bei Flutlicht durch die Ecktürme

Rückseite einer der beiden Videowände, für die nach dem Ausbau kaum ein geeigneter Ort übrig blieb DORTMUND 49 Stufe für Stufe

er Ausbau des Westfalenstadions erfolgte etap- penweise. Zwischen Juni 1995 und Dezember D1996 wurden für 62 Millionen Mark auf der Ost- und Westtribüne neue Oberränge errichtet, womit sich die Kapazität um je 6.000 Sitzplätze auf 55.000 (davon 38.500 Sitzplätze) erhöhte. Mit der zweiten Ausbaustufe 1998/1999 arbeitete der Bauherr gegen den Zeitgeist: Denn mit der Erhöhung der Südtribüne, die mit 25.000 Stehplätzen zur größten freistehenden Stehplatztribüne Europas geriet, wurde das Stehplatzkontingent erwei- tert. Bei internationalen Spielen kann auf 10.500 Sitz- plätze umgerüstet werden. Mit dem Ausbau der Nordtri- büne, die im zusätzlichen Oberrang nun 7.600 Sitzplätze fasste, schuf man gleichzeitig den »Borussia-Park«, der von außen schmuck glasverziert wurde, und in dem nun auch Platz war für Gastronomie und das BVB-Museum mit seinen 1.500 Exponaten. Nun konnte das Westfalen- stadion bei Ligaspielen 68.800 Gäste aufnehmen (davon 41.000 sitzende); in europäischen Wettbewerben rund 52.000. Mit dieser ca. 55 Millionen Euro teuren Maßnah- 1. Ausbaustufe: Meisterfeier auf der Baustelle 1996 me verschwanden auch die Flutlichtmasten, die Schein- werfer prangen seitdem unter den Tribünendächern. Die machte das Fundament aus Bohrpfählen Probleme: Hier dritte Erweiterung (2002/2003), die Schließung der zuvor stieß man in den alten Kohleflözen auf Hohlräume, die freien Ecken, war aus der Perspektive der Ingenieure am aufwändig verfestigt werden mussten. Diese 40 Millio- anspruchsvollsten. Denn die vier alten Eckpylone mus- nen Euro teure Stufe brachte weitere 14.500 Sitzplätze sten, da sie sonst die Sicht behindert hätten, durch acht – und erhöhte die Kapazität auf beeindruckende 82.932 neue, 62 Meter hohe Dreier-Pylone ausgetauscht wer- Plätze. Ausverkauft war es erstmals am 30. Januar 2004 den. Sie trugen nun so genannte »Dreigurt-Binder«, an gegen den FC Schalke 04 (0:1). Einen Clou stellt die Ent- deren Seite die Tribünendächer aufgehängt wurden. wässerung des nach innen gerichteten Daches dar: Hier Jedes der vier, je rund 3.000 t schweren Tribünendächer wird das Wasser dachaufwärts gepumpt und nach außen musste dazu angehoben werden. Vor allem im Süden geleitet.

2. Ausbaustufe von 1998 bis 1999 3. Ausbaustufe: Pylonmontage im Jahr 2003 50 DORTMUND

Westfalenstadion Baudaten Verein: BVB 09 Dortmund Bauzeit: Ausbau in drei Stu- Bundesliga: 81.264 Plätze fen, letzte Umbaumaßnahme (53.675 Sitzplätze, (Schließung der Ecken) Mai 27.589 Stehplätze) 2002 bis September 2003 Internationale Spiele: Baukosten: ca. 32 Mio. Euro 65.718 Sitzplätze (3. Ausbaustufe)

Flutlicht Planung & Bau Leuchten: 78 Architekten: Architekten Lichtstärke: 2.100 Lux Schröder Schulte-Ladbeck Strothmann (3. Ausbaustufe) Generalunternehmer: Hochtief Construction AG

Versorgung VIP-Bereich Kioske: 38 Logen: 11 Logen Toiletten: ca. 600 mit 162 Plätzen Business-Plätze: 3.500

Anzeigetafeln Westfalenstadion im Internet 2 à 48 m² www.bvb.de –> Stadion DORTMUND 51

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Haupttribüne – hier befinden sich unter anderem 1 die Pressetribüne, Logen und Business-Seats

Südtribüne – in der Bundesliga Heimkurve. Mit 2 25.000 Plätzen größte Stehtribüne Deutschlands

Nordtribüne – auf ihrer Ostseite befindet sich der 3 Gästebereich. Unten Stehplätze, darüber Sitze

Strobelallee – an Spieltagen ist die Straße für 4 den Individualverkehr gesperrt

Stadion Rote Erde – von 1937 bis 1974 Heimat 5 des BVB, heute Amateurstadion

August Lenz Haus – ehemals BVB-Geschäftsstelle, 6 heute Biergarten und Außenstelle des WM-OK

Bahnhof – der DB-Haltepunkt 7 wird noch bis kurz vor WM-Beginn ausgebaut

Westfalenhalle – Die berühmte Veranstaltungs- 8 halle teilt sich mit dem Stadion die Infrastruktur

Helmut-Körnig-Halle – die Leichtathletikhalle ist 9 Bestandteil des „Olympiastützpunkt Westfalen“ 52 DORTMUND Von der »Roten Erde« zur »Mailänder Scala«

icht der Fußball gebar die Dortmunder Kampf- Millionen Reichsmark teuren Baukosten. Der Fußball noch bahn »Rote Erde«, die am 1. Juni 1926 eingeweiht nicht: Die Premiere einer Dortmunder Stadtauswahl, eine Nwurde. Die Idee der Volks- und Gesundheitsfür- hohe 1:11-Niederlage gegen den damaligen Spitzenklub sorge mit Hilfe des Sports brachte dieses Stadion her- Wacker München, sahen nur 9.000 Zuschauer. Erst zu vor. Nicht von ungefähr war die »Rote Erde« also nur Teil Beginn der 1930er Jahre strömten die Massen wegen eines Großprojekts. In Dortmund firmierte das Vorhaben »König Fußball« in die »Rote Erde«: Wenn Schalke 04, der unter dem sperrigen Namen »Kleingartendaueranlage spätere Erzfeind, dort um die Deutsche Fußballmeister- und Spiel- und Sportplätze im Volksparkgelände hinter schaft kämpfte. 1935 vergab der DFB das erste Länderspiel dem Steinernen Turm«. Dennoch stand die »Rote Erde« nach Dortmund: Deutschland gewann 3:1 gegen Irland. als wichtigster Mosaikstein – es fasste anfangs 35.000 Doch so richtig heimisch wurde der Fußball dort erst, als Zuschauer – im Zentrum eines Gesamtensembles, das der BVB seinen angestammten Platz »Weiße Wiese« ver- wie in Duisburg oder Köln am grünen Stadtrand ange- ließ und in die »Rote Erde« umsiedelte. siedelt wurde: »Als ich den Zirkelschlag machte, stand Die Crux: Nach dem Krieg, als auch die Dortmunder mir die zukünftige Gestaltung des Volksparks klar vor Fußballer zu Volkshelden gerieten und in der Zeit der Augen: Die Kampfbahn das Herz, die Westfalenhalle die Oberliga West (1947 – 1963) drei deutsche Meistertitel Krone«, so lautete die kühne Vision des verantwortlichen feierten, war das Stadion bereits zu klein geworden. Das Stadtrats, Dipl. Ing. Hans Strobel. galt insbesondere für die rauschenden Europokalnächte Der rote Ruhrkohlesandstein, aus dem es gehauen wor- – der 5:0-Sieg 1963/64 gegen Benfica Lissabon gehört den war, stand Pate für den Namen. »Wuchtig und trutzig zu dem ruhmreichsten Abenden in der Geschichte der wächst die Kampfbahn aus dem Land der roten Erde her- »Roten Erde« –, aber auch für die Derbys gegen Essen, vor«, befand Autor Max Ostrop 1928. Aber anders als seine Duisburg und Schalke. Das Spiel am 6. September 1969 Nachfolger schmiegte sich das erste Dortmunder Groß- gegen Schalke 04, dem offiziell 39.000 Zuschauer folg- stadion noch flach in die Landschaft, die Ränge stiegen ten, ist aus zwei Gründen in die Fußballgeschichte ein- keineswegs steil in den Himmel. Allein die Haupttribüne, gegangen. Damals biss ein Schäferhund den Schalker die 2.200 Zuschauern ein Dach bot, und der gegenüber- Spieler Friedel Rausch in den Allerwertesten. Weitrei- liegende Musikpavillon ragten wirklich heraus. Zunächst chender: Dieser »Vorfall trug mit dazu bei, dass in den rechtfertigten nur die gut frequentierten Kirchentage, Bundesligastadien bald Zäune errichtet wurden«, wie Reichskriegertage und andere Massenereignisse die 1,8 der Fußball-Autor Dietrich Schulze-Marmeling schreibt.

Die Rote Erde in den 50er Jahren: Rechts der Musikpavillon DORTMUND 53

Rücken an Rücken: Rote Erde und das junge Westfalenstadion

Im Rahmen der Bewerbungskampagne für die WM 1974 kenstadion in Mexiko-City schöner. Die vier Partien am erwies sich Dortmund dann als Pionier in der deutschen WM-Standort Dortmund, das 1971 vom Rückzug Kölns Stadiongeschichte. Auch wegen der hohen Kosten, die profitiert hatte, produzierten rauschende Fußballfeste. ein Mehrzweckstadion produziert hätte, entschied sich Die Atmosphäre des Stadions, diese Enge und Gedrängt- der Stadtrat im Oktober 1971 nach langem Hin und Her heit, trug danach sehr dazu bei, dass der BVB eine sport- gegen den Zeitgeist für ein reines Fußballstadion, das liche Talfahrt überstand und nach dem Wiederaufstieg in sich bald im Rücken der Haupttribüne der »Roten Erde« der Saison 1976/77 mit 43.000 Zuschauern den höchs- auftürmte. Nach dem Vorschlag der Leser einer Lokalzei- ten Bundesligaschnitt besaß. Aufgrund der durch die tung wurde es schließlich »Westfalenstadion« genannt. UEFA erzwungenen Erhöhung der Sitzplatzkontingente Finanziert wurde der 30 Millionen Mark teure Bau zu 80 verringerte sich die Kapazität nach 1992 auf 43.175 Prozent aus Zuschüssen des Bundes, des Landes, der Plätze, rund 90 Prozent der 26.000 grünen Sitzschalen Glücksspirale und durch Spenden. Nur sechs Millionen waren überdacht. 1995, befeuert durch die erste Meis- zahlte die Stadt als Träger. Das Stadion fasste 54.000 terschaft seit 1963, präsentierte sich Dortmund erneut Zuschauer, die 16.500 Sitzplätze befanden sich sämtlich als Wegbereiter: Mit der ersten privat finanzierten Sta- auf der Ost- und Westtribüne. Und nach dem Einwei- dionerweiterung der Bundesligageschichte, dem Aus- hungsländerspiel am 17. April 1974 gegen Ungarn (5:0) bau auf 55.000 Plätze (davon 38.000 Sitzplätze), leitete schwärmten die Akteure des Fußballs: Franz Beckenbauer es ein neues Kapitel im deutschen Stadionbau ein: Das nannte es die »Mailänder Scala unter Deutschlands Sta- der Kommerzialisierung. dien«, Bundestrainer Helmut Schön fand nur das Azte- Erik Eggers