038-053 Fifa-Wm-Stadion Dortmund4.Indd
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40 DORTMUND DORTMUND 41 42 DORTMUND Die Südtribüne im Westfalenstadion – mit Stehplätzen für 25.000 Fans ist sie allein größer als manches Stadion Der wuchtige Mythos rst spät legt die Bundesstraße 1, der so genannte Die schiere Wucht und ungewöhnliche Größe dieses »Ruhrschnellweg«, die Sicht frei auf einen der gigantischen Stadions, das, so wissen die Stadionbiogra- Egewaltigsten Fußballplätze Europas. Wer sich fen Dietrich Schulze-Marmeling und Gerd Kolbe, längst dem Westfalenstadion von Westen nähert und rech- »zum Wahrzeichen Dortmunds geworden ist«, erfährt ter Hand die acht gelben Pylone oberhalb des grauen der Betrachter freilich erst im Innenraum. Dann, wenn Daches erspäht, erfasst mit dem ersten Blick noch nicht die hier bei Bundesligaspielen über 82.000 Menschen Feste Dimensionen dieses Stadions. Aus der Distanz betrachtet, des Fußballs feiern. Dann, wenn die monströse Südtri- lässt der gewachsene Baumbestand die Heimat des Ball- büne, deren 25.000 Fans nicht in Leverkusens BayArena spielvereins Borussia Dortmund verhältnismäßig klein hineinpassen würden, sich in einem Fahnenmeer aus erscheinen: Das Stadion ist nach wie vor eingebettet in Schwarz und Gelb präsentiert und inbrünstig Lieder den historischen Sport- und Naturpark, der in den 1920er auf die Borussia intonieren. Dann, wenn sich die Atmo- Jahren angelegt wurde. Aber wenn man die Ostflanke des sphäre verdichtet und verengt in ein großes Kino der Westfalenstadions betritt, dann erschließen sich sofort Gefühle und seinen legendären Ruf als eines der stim- dessen atemberaubende Ausmaße: Dort, wo die Osttri- mungsvollsten Fußballstadien dieser Republik erneuert. büne unmittelbar anschließt an das alte »Stadion Rote Nicht zufällig sucht der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in Erde«, wo die Architektur aus zwei Stadiongenerationen Zeiten der Krisen gern diese mythenbeladene Spielstätte und damit zwei verschiedene Fußballwelten auf engstem auf, um von der Direktheit und der Intensität dieses lei- Raum aufeinanderprallen. Auf der einen Seite der rötliche denschaftlichen Publikums zu profitieren: So wie im Sandstein der 1920er Jahre, der noch die historische Gast- Play-Off-Rückspiel der WM 2002 gegen die Ukraine, als stätte als den damals typischen Ort der Begegnung beher- eine aufgeputschte deutsche Mannschaft schon nach 20 bergt. Auf der anderen Seite der graue und funktionale Minuten uneinholbar führte. Betonbau der 1970er Jahre, der heute, nach der Moderni- Das Westfalenstadion bildet nicht nur wegen seines sierung, auch elf exklusive Logen in sich aufnimmt. rechteckigen Grundrisses und der wenigen Logen DORTMUND 43 eine Ausnahme in der arenisierten Stadionlandschaft satz zu 1974 war Dortmund diesmal »gesetzt« und kein Deutschlands. Als 1995 die beiden Haupttribünen erst- »Nachrücker«. mals vergrößert wurden, war von der WM 2006 noch Anders als viele der brandneuen Arenen, die manchmal nicht die Rede. Nach dem nationalen Titel 1995 reagierte noch jungfräulich und steril wirken, birgt das Westfa- die Vereinsführung des BVB vielmehr auf das Trauma lenstadion also Geschichte in sich, und es ist organisch der 1960er Jahre: Damals war der Dortmunder Fuß- gewachsen. Wenn es nach dem Fachblatt Westfalen- ball nach der Meisterschaft 1963, als das alte Stadion Sport geht, dann ist dem historischen Kern dieses Wachs- unmodern und zu klein geworden war, in ein finanzi- tum wohl bekommen: »Trotz des wiederholten Aus- und elles und sportliches Tal geschlittert. Die Erweiterung Weiterbaus des Stadions ist die Architektur bündig und der Süd- und Nordtribüne im Jahr 1999 war dann – der schlüssig geworden«, hieß es dort in einer Kritik nach Champions League-Triumph des BVB lag erst zwei Jahre der letzten Ausbaustufe, »keine Zersplitterung der ein- zurück – den (zuweilen zu) ehrgeizigen Plänen der Klub- zelnen Blöcke, wie wir es aus anderen Stadien kennen, führung geschuldet, Dortmund zu einem der führenden wenn man in verschiedenen Bauphasen das Fassungs- Standorte des europäischen Fußballs auszubauen. Als vermögen erweitert. Uneingeschränkte Sicht von allen Vorbilder fungierten dabei das Camp Nou in Barcelona Plätzen: So wird der Besuch im Westfalenstadion zum (98.109 Plätze) und das Stadio Giuseppe Meazza in Mai- besonderen Erlebnis.« Aber auch andere Kommenta- land (85.398 Plätze). Und auch, als die dritte Ausbaustufe toren gerieten angesichts dieser Mischung zwischen im Jahr 2002 angegangen wurde – die Schließung der Tradition und Moderne, wie sie etwa in dem verglasten freien Ecken zwischen den vier Tribünen –, lag dem kei- »Borussia-Park« in der Nordtribüne dokumentiert ist, ins neswegs die Befürchtung zugrunde, als WM-Standort Schwärmen. Das Westfalenstadion sei, rühmte der Fuß- womöglich nicht berücksichtigt zu werden. Im Gegen- ballautor Ulrich Hesse-Lichtenberger bereits vor dem In der letzten Ausbaustufe wurden die Ecken geschlossen und als Tragwerk die gelben Pylone montiert 44 DORTMUND letzten Umbau, »wunderbar, weil es nur auf den Fußball Stadionbetreibers Anfang 2003 dann neu geordnet: Der und sich selbst verweist. Da ist keine Landschaft, die man Vertrag mit der Malocra wurde aufgehoben, und der BVB bestaunen müsste; da ist weder die fast peinliche Nähe als Mehrheitseigner verkaufte das Stadion nun für 75,44 zu den Spielern, wie man sie in Bochum findet, noch die Millionen Euro an die Molsiris Vermietungsgesellschaft frostige Distanz, die in München herrscht.« mbH & Co. Objekt Westfalenstadion KG (ebenfalls eine Einzigartig blieb auch die Finanzierung der Erweiterun- Commerzbank-Tochter); die Anteile der Harpener und gen: Die rund 110 Millionen Euro für die drei Anbau- Continentale übernahm ebenfalls die Molsiris. Dem BVB phasen wurden ausschließlich privat finanziert. Diesen wurden eine uneingeschränkte Nutzung und alle Ein- schwer zu schulternden Investitionen ging ein Erbpacht- nahmen garantiert. Als Gegenleistung stand der Molsiris vertrag zwischen der Stadt Dortmund und dem Klub 15 Jahre lang ein jährlicher Pachtzins von 15 Millionen voraus: Am 5. Mai 1995 übernahm die vom BVB initiierte Euro zu. Um die drohende Insolvenz des BVB abzuwen- »Westfalenstadion GmbH und Co. KG«, deren Gesell- den, kam es jedoch im März 2005, nach einer dramati- schaft der BVB (47 %), die Harpener und Continentale (je schen Aktionärsversammlung auf dem Düsseldorfer 26,5 %) waren, das Stadion von der Kommune. Dem Ver- Flughafen, zu einer teilweisen Rückabwicklung dieses trag nach sollte die Betreibergesellschaft das Stadion auf Deals (und zu einer Stundung anderer Forderungen): Für eigene Rechnung erweitern und instandsetzen. Zwecks rund 42 Millionen Euro kaufte der Betreiber rund 42,8 % Finanzierung der dritten Ausbaustufe erwarb im Dezem- der Stadionanteile zurück. Bereits Ende 2002 hatte der ber 2001 die Malocra Vermietungsgesellschaft mbH, BVB das Stadiongrundstück und weitere 37.000 m² für eine Commerzbank-Tochter, für 31 Millionen Euro eine 12,8 Millionen Euro erworben. Unterbeteiligung von 24 %. Inmitten der finanziellen Tur- Nicht nur die Finanzierung, auch das Dach verursacht bulenzen des Klubs wurden die Besitzverhältnisse des Schwierigkeiten: Die fehlende Luftzirkulation und das Eine der größten Fußballkulissen der Welt DORTMUND 45 Die FIFA fordert Sitze mit Rückenlehne. So wurden im Sommer 2005 neue (schwarz-gelbe) Sitzschalen montiert WM-Spiele in Dortmund Vorrunde Sa., 10. Juni: B3 – B4 Mi., 14. Juni: Deutschland – A3 Mo., 19. Juni: G4– – G2 Do., 22. Juni: F4 – Brasilien Endrunde Di., 27. Juni: Achtelfinale Di., 4. Juli: Halbfinale VIP-Buffet und Vitrinen zu geringe Sonnenlicht gefährden stets die Qualität des Rasens. Zudem mussten die altmodischen Kabinen den WM-Richtlinien angepasst werden. Auch die alten blassgrünen Sitzschalen waren zu ersetzen. Die neuen, in schwarz-gelb gehaltenen Sitze fügen sich nun in das, was die Designer Corporate Identity nennen. Die 1,4 Millionen Fans, die in der Saison 2004/05 eine Rekordmarke in der Bundesligageschichte setzten, wären wahrscheinlich auch ohne derartige Aufhüb- schungen nach Dortmund gekommen. In dieses Sta- dion, das wie kaum ein anderes den Fußball atmet. Erik Eggers Der Eckausbau ermöglichte die Einrichtung neuer Clubräume 46 DORTMUND DORTMUND 47 48 DORTMUND Der Weg zum Sitzplatz auf der Westtribüne Blick auf das Spielfeld aus einem der Nordwest-Sektoren Fan-Graffiti Atmosphärisch: der Weg ins Stadion bei Flutlicht durch die Ecktürme Rückseite einer der beiden Videowände, für die nach dem Ausbau kaum ein geeigneter Ort übrig blieb DORTMUND 49 Stufe für Stufe er Ausbau des Westfalenstadions erfolgte etap- penweise. Zwischen Juni 1995 und Dezember D1996 wurden für 62 Millionen Mark auf der Ost- und Westtribüne neue Oberränge errichtet, womit sich die Kapazität um je 6.000 Sitzplätze auf 55.000 (davon 38.500 Sitzplätze) erhöhte. Mit der zweiten Ausbaustufe 1998/1999 arbeitete der Bauherr gegen den Zeitgeist: Denn mit der Erhöhung der Südtribüne, die mit 25.000 Stehplätzen zur größten freistehenden Stehplatztribüne Europas geriet, wurde das Stehplatzkontingent erwei- tert. Bei internationalen Spielen kann auf 10.500 Sitz- plätze umgerüstet werden. Mit dem Ausbau der Nordtri- büne, die im zusätzlichen Oberrang nun 7.600 Sitzplätze fasste, schuf man gleichzeitig den »Borussia-Park«, der von außen schmuck glasverziert wurde, und in dem nun auch Platz war für Gastronomie und das BVB-Museum mit seinen 1.500 Exponaten. Nun konnte das Westfalen- stadion bei Ligaspielen 68.800 Gäste aufnehmen (davon 41.000 sitzende); in europäischen Wettbewerben rund 52.000. Mit dieser ca. 55 Millionen Euro teuren Maßnah- 1. Ausbaustufe: Meisterfeier auf