Zehn Jahre Dfb-Kulturstiftung
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ZEHN JAHRE DFB-KULTURSTIFTUNG ZEHN JAHRE DFB-KULTURSTIFTUNG 16 WIR WUNSCHSPIELER ODE AN DIE DFB-KULTURSTIFTUNG ALBERT OSTERMAIER 18 DAS ERBE DES SOMMERMÄRCHENS VON DER WM 2006 ZUR DFB-KULTURSTIFTUNG GÖTTRIK WEWER 22 „ERST HATTEN WIR KEIN GLÜCK …“ WOVON WIR REDEN, WENN WIR VON FUSSBALLKULTUR REDEN WOLFRAM EILENBERGER 26 50 EINE CHRONIK ES BEGANN AUF IN BILDERN EINEM ACKER IN DER 10 JAHRE DFB-KULTURSTIFTUNG UCKERMARK MORITZ RINKE 36 INHALT GRUNDNAHRUNGSMITTEL FUSSBALL EIN BLICK ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT CLAUDIA ROTH 42 DAS RUNDE MUSS AUFS ECKIGE DAS FUSSBALLFILM- FESTIVAL 11MM BIRGER SCHMIDT / JAN TILMAN SCHWAB 46 EINE GENUTZTE CHANCE ZUR ERINNERUNGSKULTUR IM DEUTSCHEN FUSSBALL LORENZ PEIFFER / HENRY WAHLIG 06 VORWORT – DFB-PRÄSIDENT REINHARD GRINDEL 64 FOOT ENSEMBLE – FUSSBALL VERBINDET 08 EINLEITUNG DES VORSTANDS DFB-KULTURSTIFTUNG 68 EINE SPÄTE BEGEGNUNG 12 GRUSSWORT – STAATSMINISTERIN PROF. MONIKA GRÜTTERS 72 INTEGRATION ZUR SPRACHE BRINGEN 34 ODEN AN DEN FUSSBALL – ALBERT OSTERMAIER 76 STIFTER, GREMIEN, SATZUNG, FINANZEN 62 AM PULS DER ZEIT – DAS STIFTUNGSJAHR 2016 78 IMPRESSUM 05 VORWORT DFB-Präsident Reinhard Grindel Noch nie war der Begriff „Fußballkultur“ so geläufig wie heute. Das ist kein Zufall. Nach einer jahrelangen öffentlichen, medialen und wirtschaftlichen Hausse des Fußballs scheint sich in ihm ein Allge- meinverständnis auszudrücken, nach dem dieses Ballspiel längst mehr geworden ist als ein beliebter Freizeit- und erfolgreicher Mediensport. In seiner Spitze ist er als höchst professionell vermarktetes TV-Event und als Werbeträger heute Teil einer globalen Populärkultur, vielleicht nur vergleichbar mit der Pop-Musik oder Hollywood. Und ähnlich wie viele Transfersummen und Gehäl- ter hat auch seine vermeintliche oder tatsächliche kulturelle „Bedeutung“ eine neue Dimension erreicht. Schon 2004 zeich- nete der Historiker Franz-Josef Brüggemeier, einer der Grün- dungskuratoren unserer Stiftung, nach, wie das Siegtor von Hel- mut Rahn 1954 im Lauf der anschließenden Jahrzehnte zu einem Gründungsmythos der Bundesrepublik umgedeutet wurde. Die späteren Erzählungen der Zeitgenossen, wie sie im heimischen Wohnzimmer oder in überfüllten Kneipen, am Radio oder vor den wenigen Fernsehgeräten versammelt Rahns Linksschuss ins Eck herbeisehnten, scheinen in ihrer Gleichartigkeit direkt aus dem kollektiven Gedächtnis einer ganzen Generation zu spre- chen. Heute ist der Fußball ein zentrales Narrativ der Zeitge- schichte und hat sicher schon zu oft gleich „historische“ Bedeu- tung. Das Foto von Mesut Özil, das die Gratulation von Angela Merkel 2010 in der Mannschaftskabine zum Tor im WM-Quali- fikationsspiel gegen die Türkei zeigt, machte ihn quasi über Nacht zum Inbegriff eines multikulturellen Deutschlands. Die Frank- furter Allgemeine schrieb nach dem Halbfinalsieg 2014: „Der deutsche Fußball hat nun seine Mondlandungsfrage. Wo warst Du beim 7:1 über Brasilien?“ Und in den Stadionkurven werden heute Globalisierungsdebatten geführt, Ultras als Teil der Jugend- kultur begriffen. Ohne Zweifel sind die Wechselwirkungen von Fußball, Kultur und Gesellschaft in den Stadien und unter dem Brennglas der Medien besonders deutlich sichtbar. Dennoch, die Kurven mit ihrer Zuschauer- und Fankultur sind nur ein Ausschnitt eines weitaus komplexeren Gesamtbilds. Nach Schlusspfiff eines Bun- desliga-Spieltags haben wir 18 Spiele gesehen. Gleichzeitig T vorwor haben rund 80.000 Amateurspiele stattgefunden, mit über einer den. Das zeigt unter anderem ein Blick auf die prominente Liste Million Beteiligten: Spieler, Eltern, Zuschauer, Vereinsmitglieder, der Mitglieder des Stiftungskuratoriums, dem ich die Freude Ehrenamtliche. Medial ist der Mikrokosmos der lokalen Fußball- habe vorzusitzen. Einige unserer Kuratoren haben dankenswer- kultur in den 25.000 Amateurvereinen mit ihren Begegnungen terweise auch einen Beitrag zu diesem Jubiläumsband beige- und Gesprächen, Freuden und Konflikten weitaus weniger sicht- steuert. bar. Gleichwohl finden hier Tag für Tag die Vermittlungs- und Aushandlungsprozesse einer modernen, vielfältigen Gesellschaft In diesem Jahrzehnt hat sich der Fußball nicht nur als Breiten- gleichsam an der Wurzel statt. Vereine sind eben auch eine Schule und Spitzensport verändert, auch die Wahrnehmung seiner der Demokratie. Hier wird nicht nur über, sondern mit Geflüch- Bedeutung als Kultur- und Bildungsort ist heute eine andere. teten gesprochen und sogar gespielt. Hier sammeln Zehnjährige Dass Fußballspielen positive gesundheitliche und soziale Effekte an verregneten Sonntagvormittagen nicht nur sehr konkrete haben kann, ist lange bekannt. Dass er aber als Kulturinstrument, Erfahrungen mit ihrem Körper und dem Ball, mit Sieg und Nie- als Lernfeld in vielfältiger Weise wirksam sein kann, rückt erst derlage, aufgeregten Eltern, Gegenspielern und Schiedsrichtern, langsam ins Blickfeld. Mit ihren Eigen-, Förder- und Kooperati- sondern auch mit Mannschaftsgeist, Fair Play, Verbindlichkeit onsprojekten nutzt die DFB-Kulturstiftung den Fußball als nied- und dem Umgang mit Konflikten. rigschwelliges und attraktives Medium für kulturelle, künstleri- sche und wissenschaftliche Projekte sowie Bildungsinitiativen Durch die Gründung der DFB-Kulturstiftung hat der Deutsche und setzt sich dabei gleichzeitig für die Vermittlung ihrer sat- Fußball-Bund vor zehn Jahren dieser gesellschaftlichen und kul- zungsgemäßen und gemeinwohlorientierten Werte und Ziele turellen Vielfalt Rechnung getragen und eine Förder- und ein: Integration, Völkerverständigung, für historisches und kul- Diskussionsplattform für Menschen geschaffen, die über die turelles Lernen, für eine vielfältige, offene und demokratische Spielfeldgrenzen hinausschauen und -denken. Mit abwechs- Gesellschaft und gegen Diskriminierung in jeder Form. Dieser lungsreichen Projektinitiativen, Kooperationen und der Förde- Jubiläumsband bietet einen Rück- und Überblick über das, wie rung vieler lokaler Vorhaben hat sie seitdem Akzente gesetzt, ich meine, fast immer inspirierte Wirken der Stiftung heute und an Profil gewonnen, Anerkennung, Freunde und Partner gefun- in den vergangenen zehn Jahren. Viel Spaß beim Lesen! 07 Dass sich ein Fußballverband aktiv der Kultur zuwendet, gen, die den Fußball in den Mittelpunkt stellen, ist seitdem enorm noch dazu nachhaltig mit einer eigenen Stiftung, ist bis gewachsen. Dem Fußball – lange als vermeintlich triviale Unter- heute weltweit einzigartig. Kaum verwunderlich also, dass bei haltung für den „kleinen Mann“ ein unvereinbarer Gegenpol zur unserer Gründung nicht selten die Frage gestellt wurde, was Hochkultur des Bildungsbürgers – ist nach und nach der „Auf- denn Fußball mit Kultur zu tun habe. Kultur war etwas, das man stieg“ vom Sportteil ins Feuilleton gelungen. Heute gehört bei sich allenfalls zu festlichen Anlässen leistete, wenn es beson- prominenten Musikern, Schauspielern und Regisseuren fast schon ders schön und stimmungsvoll werden sollte. Zu einem runden verpflichtend das Bekenntnis zum Lieblingsklub dazu. Mit der Jubiläum oder gerne auch, wenn man internationale Gäste zu medialen Erfolgswelle des Fußballs schwappt auch eine zuneh- einer Weltmeisterschaft erwartete. Aber dauerhaft, als Aufgabe mende Zahl von Theaterstücken, Ausstellungen, Filmen, Büchern verankert in einer Stiftung? Gab es wirklich etwas wesentlich oder Fotografien mit Fußballbezug auf den Markt. Darunter künst- Verbindendes von Kunst, Kultur und Fußball? War es im Gegen- lerisch spannende Arbeiten mit breiter Resonanz, aber auch viele teil nicht auffällig, wie klein doch die Schnittmenge war zwischen Nischenprodukte. Manches ist schnell wieder vergessen. diesen populären, von so vielen Menschen leidenschaftlich ver- folgten Freizeit- und Erholungsaktivitäten? Aber ist die Hinwendung der Künstler zum Fußball mehr als eine oberflächliche Erscheinung? Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ra- Sicher, auf der Suche nach Begegnungen zwischen Fußball und nicki jedenfalls äußerte sich im Vorfeld der WM 2006 nüchtern: Kultur wurde man immer mal wieder fündig, in Buchhandlungen, „Sport und Literatur“, so Reich-Ranicki, „sind nahe Verwandte, Ausstellungshallen und Theatern, manchmal in Kunstgalerien. die sich ähneln. Sie ähneln sich zu sehr, um sich aufrichtig lie- Die Zahl der künstlerischen Werke und kulturellen Veranstaltun- ben zu können. Es sind im Grunde feindliche Brüder. Was die G N U IT E INL E EINLEITUNG DES VORSTANDS DER DFB-KULTURSTIFTUNG Literatur dem Leser bietet, kann man auch im Stadion finden, ohne rakter. Projekte mit Basisbezug, verwachsen mit der örtlichen Verschlüsselung, ohne Intellekt, ganz und gar unkompliziert. Das Fan-, Vereins- oder Kulturszene. Initiativen, die die Fußballbe- Sporterlebnis, so viel scheint mir jedenfalls sicher, macht für geisterung von Kindern und Jugendlichen nutzten, um gesell- viele Menschen die Kunst überflüssig. Sport ist Kunstersatz.“ schaftspolitische und soziale Impulse zu geben: für Integration zum Beispiel, für kulturelle und politische Bildung, gegen Dis- Und die Kunst? Ist sie im Umkehrschluss nur ein unbefriedigen- kriminierung, für Gleichberechtigung. Oder, wie in den vergan- der Sportersatz? Und wenn dem so wäre, wo sollte die Arbeit genen paar Jahren, in die Arbeit mit Geflüchteten. der Stiftung ansetzen? Das vom Bund finanzierte und zwischen 2003 und 2006 von André Heller kuratierte offizielle WM-Kul- Neben den „offiziellen“ WM-Kulturprojekten waren rund um das turprogramm gab wichtige Anhaltspunkte, half aber mit seinem Turnier vor allem in den Metropolen viele weitere, mit großer auf das WM-Event gerichteten Fokus nur