Der Chef Und Seine Nachfolger
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Deutschlands WM- Der Chef und Trainer seine Nachfolger Die deutschen WM-Trainer – ihre Karrieren, ihre Geschichten, ihre Erfolge 1 Fotos: dpa Editorial Acht Trainer, acht Geschichten Von Stephan Klemm ie Geschichte der deutschen Fußballnationalmann- wortung stand, bis Joachim Löw. Zum Vorschein kom- Dschaft bei Weltmeisterschaften hat viele Facetten men acht verschiedene Trainer-Persönlichkeiten, ihr und sie lässt sich von einer Reihe von Blickwinkeln aus Werdegang und ihr Auftreten bei Weltmeisterschaften. betrachten. Weil die DFB-Elf gerade bei diesem Turnier Herberger, der schon deutlich klar machte, dass ohne besonders erfolgreich war, sind es vor allem die Spieler ihn nichts geht, hatte einen ganz anderen Führungsstil und die Spiele, die im Vordergrund stehen. als sein sehr auf Mitbestimmung setzender Nachfol- Aber es gibt natürlich auch noch die Menschen hin- ger Helmut Schön, während wiederum die Zeit danach ter den Triumphen, die ihre Akteure mit ihren Prinzi- unter Jupp Derwall allzu zwanglos verflog. Und so ging pien und taktischen Vorgaben erst dazu gebracht ha- es weiter über den auf einer Woge des Glücks gleiten- ben, Partien, die im Gedächtnis blieben, wie etwa das den Franz Beckenbauer, den zu akribischen Berti Vogts, WM-Finale von 1954, zu gewinnen. Deshalb haben den vom Volk verehrten Rudi Völler und den Erneuerer wir in dieser Spezialausgabe alle Trainer in den Mittel- Jürgen Klinsmann bis hin zu Joachim Löw, den Vertre- punkt gestellt, die bei den Endrunden die Nationalelf ter des schönen Spiels. ausgewählt, aufgestellt und betreut haben – von Sepp Viel Spaß also beim Lesen und Stöbern durch die deut- Herberger, der schon 1938 in Frankreich in der Verant- sche WM-Geschichte. 2 Fototermin der deutschen Fuß- ballnationalmann- schaft im Jahr 1951 - Sepp Herberger. Foto: dpa Stratege, Wun der macher, ewig Suchender Sepp Herberger steht für den WM-Sieg von 1954. Taktisch hat ihn auch Maos Guerilla-Lehre inspiriert. Noch heute gilt er als Autorität seines Sports. Von Stephan Klemm in ganz besonderer Ball ist die wichtigste Reliquie im sung von Fritz Walter, dem Kapitän. In der Kabine ging ELeben des Sepp Herberger, sein heiliger Gral, sein das Leder in den Besitz des gerührten Sepp Herberger größter Schatz. Aufbewahrt hat er ihn daheim in Ho- über. Heute ist dieser Ball ein zentrales Ausstellungs- hensachsen bei Mannheim, das Leder schimmert gelb, stück des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund. darauf stehen die Unterschriften seiner Weltmeister. Dort hat man dem einstigen Reichs- und Bundestrainer Der Endspielball von Bern 1954 ist ein Unikat, damals Herberger eine ganze Abteilung gewidmet. Zu sehen gab es nur ein einziges Exemplar pro Spiel. Und immer sind unter anderem einige seiner Trainingspläne und wieder hat Herberger dieses besondere Andenken für auch die Eheringe der Eheleute Eva und Sepp Herber- Besucher hervorgeholt, um die Magie des Exponats mit ger. Im Zentrum aber steht das Spielgerät, mit dem die dem Betrachter zu teilen. Besorgt hat es Herbergers deutschen Außenseiter im Finale von 1954 die jahre- robuster Verteidiger Werner Kohlmeyer auf Veranlas- lang unbezwungenen Ungarn schlugen, 3:2. „Der Ball 3 Deutschlands WM- Trainer Auf Schultern getragen: Fritz Walter (oben l.) und Sepp Herberger (Mantel) nach dem Sieg im WM-Fi nale von Bern 1954 Foto: dpa ist ein zeitgeschichtliches Dokument der jungen Bun- Herberger nach den verpatzten Olympischen Spielen desrepublik. Und er war ein wichtiges Erinnerungs- von Berlin 1936, als die deutsche Elf im Viertelfinale an stück für Herberger persönlich“, sagt Manuel Neukirch- Norwegen scheiterte, als Reichstrainer nominiert wur- ner, Museums-Direktor und Herberger-Experte. de. Nerz war nicht mehr zu halten. Bundestrainer war Herberger schließlich ab 1950. Geschichte eines Aufsteigers Zu Herbergers Nachlass gehören auch 1500 Bücher. Herbergers Geschichte ist die eines Aufsteigers. Gebo- Eine Bibliothek, die - wie Neukirchner mit seinem Werk ren 1897, groß geworden in einer Mannheimer Arbei- „Herbergers Welt der Bücher“ zeigen konnte - die tersiedlung, Schulabschluss mit 14. Auf dem Weg nach Grundlage für alle Weisheiten ist, die Herberger so von oben half der Fußballsport, den er liebte. Er war der sich gab. Und Neukirchner zeigte auf, dass sich Her- Quell seines Ehrgeizes: Fußballlehrer wollte er wer- berger für seine Taktik Anleihen bei Militärstrategen den, unbedingt. Und wie es sich so fügt im Leben eines nahm, etwa bei Carl von Clausewitz (1780 bis 1831), wild Entschlossenen: Er, ehemaliger Fußball- und Nati- einem preußischen Generalmajor und Militärethiker. onalspieler, schaffte es, durch Überzeugung und Hilfe Und auch in den drei Hauptwerken von Mao Tse-tung, von Unterstützern, seinen Traum zu verwirklichen. Ei- der für Guerillakrieg gegen die Gruppe der Kuomintang ner seiner Förderer war Otto Nerz, Reichstrainer seit stand, die 1912 die erste Republik China gründeten, 1926, den Herberger aus Mannheimer Fußballerzeiten wurde Herberger fündig. Er sei eben wissbegierig ge- kannte. Nerz lotste Herberger nach Berlin, wo er dank wesen, „ein ewig Suchender“, erzählt Neukirchner. Von bester Referenzen mit einer Ausnahmegenehmigung Clausewitz nun empfahl, dass die Armee bei Überge- ohne Abitur 1927 ein Studium an der Hochschule für wicht des Gegners in der Defensive verharren solle, Leibesübungen aufnehmen durfte, das er 1930 als bis der Kontrahent ermüdet sei, um dann selbst ein Jahrgangsbester abschloss. 1932 bekam Herberger Übergewicht zu erlangen. Herberger entwickelte dar- eine Anstellung als Cheftrainer beim Westdeutschen aus eine Art Guerilla-Wirbel, permanente Bewegung, Fußballverband, und in dieser Funktion arbeitete er ständige Positionswechsel. Und schuf ein System, das Nerz zu. Deshalb war es keine Überraschung, dass Vorteile in Überraschungscoups suchte - sichere Ab- 4 Deutschlands WM- Trainer Eva und Sepp Herberger am Rande der Gala zum 80. Ge burts tag des ehe ma li- gen Bun des trai ners 1977 im Mann hei mer Schloss Foto: ima go/S ven Simon wehr und dann „Blitzangriffe“ setzen. Entstanden war Umstände, weil er nach der Eingliederung Österreichs so ein Mao-Clausewitz-Fußball, der 1954 im Halbfinale aus zwei Nationen mit zwei Spielstilen eine Elf formen der WM gegen Österreich (6:1) und im Finale gegen die musste, was misslang. Dabei hatte Herberger zuvor Ungarn seine Blüte erlebte. mit der Breslau-Elf ein famoses deutsches Team gebil- Neben seiner Taktik steht Herberger für psychologi- det, das zehn von elf Spielen gewann. 1954 der Höhe- sches Geschick, sein Können, Spieler durch einfühl- punkt: Weltmeister in der Schweiz. 1958: Halbfinale, same verbale Umarmungen starkzureden. Doch der während 1962 in Chile das Aus im Viertelfinale kam: vermeintlich so herausragend psychologisch geschulte 0:1 gegen Jugoslawien. Kritik mischte sich in sein Al- Musterstudent hatte ein Manko: Im Fach Psychologie terswerk, es folgte 1964 der Rücktritt mit 67 Jahren. erhielt er in seinem Abschlusszeugnis nur ein „genü- Herbergers Bilanz nach 162 Länderspielen: 92 Siege, 26 gend“. Herberger reagierte darauf mit verstärkter Lek- Unentschieden, 44 Niederlagen. Sein Fazit: „Innerlich türe von wissenschaftlichen psychologischen Abhand- gab es für mich keinen Abschied vom Fußball. Ich kann lungen und Ratgebern. es nicht. Es ist wie mit der Zeit. Zeit habe ich immer zu Für die Umsetzung seiner Ideen brauchte Herberger wenig gehabt.“ Herbergers prägnantes Gesicht mit den einen Strategen auf dem Platz. Er fand ihn in seinem Falten auf der Stirn schenkte ihm, gemischt mit seiner Lieblingsschüler Fritz Walter, seinem Kapitän von 1954, Erzählfreude und seiner Lebensleistung, eine spezielle sein „Feldmarschall“, wie Neukirchner es formuliert. Aura, er war eine beliebte Instanz voller Humor. Zuletzt „Herberger hat gesagt, die Theorie kann das Spiel vor- empfing er im blauen Trainingsanzug in seinem Haus in bereiten, aber das Spiel wird auf dem Platz entschie- der Sepp-Herberger-Straße 8 Fernsehteams, Schulklas- den durch den Geniestreich - und dabei dachte er an sen, Freunde und seine ehemaligen Nationalspieler. Fritz Walter.“ Der machte auch 1958 noch mit, mit 37 Der Tod kam Ende April 1977, einen Monat nach sei- - bei der WM in Schweden bestätigten die Deutschen nem 80. Geburtstag. Deutschland spielte in Köln gegen ihren Aufschwung. Halbfinale, Platz vier. Nordirland. Zur Halbzeit, es stand 0:0, klagte Fern- Vier Weltmeisterschaften verantwortete Herberger als seh-Zuschauer Herberger über Herzschmerzen. Er Trainer deutscher Nationalteams. 1938 scheiterte er wurde in ein Hospital gebracht, wo er um 1.30 Uhr an im Achtelfinale an der Schweiz und erhielt mildernde Herzversagen starb. Deutschland gewann noch 5:0. 5 Mann mit Mütze und Profil: Bun- des trai ner Helmut Schön Foto: dpa Er folg reich mit Eleganz, Harmonie und Diplo ma tie Helmut Schön führte deutsche Teams durch vier WM-Turniere. 1974 gewann er auch dank seines antiautoritären Führungsstils den Titel im eigenen Land. Von Stephan Klemm ie Fischer-Chöre haben vor dem Anpfiff gesungen, blau-grünen Schottenmuster auf dem Kopf trägt? „Völ- Ddie Menschen im Stadion befinden sich in Hoch- lig benommen blieb ich für ein paar Augenblicke sit- stimmung, schreibt Helmut Schön in seiner Autobio- zen. Das war es also. Kein überschwängliches Gefühl, grafie, Titel: „Fußball“. Und nachher - der Erfolg steht keine wilde Begeisterung. Es war nur, als wenn man fest, der Triumph bei der Weltmeisterschaft im eige- abschließend sagt: „So“.“ nen Land - „detonierte der Jubel“. Sieg im WM-Finale So. Nüchterner lässt sich ein solcher Coup