Walter Mehring unangepasst und provozierend

1896 In geboren, Einfluss des linksintellektuellen Milieus des Vaters, Sigmar Meh- ring, Redakteur der satirisch-humoristischen Beilage “ Ulkö des “ Berliner Tageblattsö. Sig- mar Mehring veroffentliche als einer der ersten Zeichnungen von . Durch die Veroffentlichung eines Gedichts uber die Verurteilung des franzosischen. Hauptmanns Dreyfus wurde S. Mehring 1899 als , staatgefahrlicher Autor– zu einer Fes- tungshaft verurteilt. (Seine fruhen Jahre beschreibt Mehring in “ Die verlorene Bibliothekö.)

Erster dokumentierter Konflikt Walter Mehrings mit der Obrigkeit in Gestalt der Schulbe- horde: Wegen “ unpatriotischem Verhaltenö wurde er aus dem Kgl. Wilhelm-Gymnasium entfernt und konnte das Abitur nur extern ablegen. 1914 ʧ 15 Kurzes Studium der Kunstgeschichte.

1915 Anschluss an den Sturm-Kreis um Herwarth Walden (Vertreter des Expressionis- mus, seine Zeitschrift “ Der Sturmö offnete er auch fur den Futurismus und Kubismus). Der junge Mehring schrieb im Stil des Expressionismus, verfugte fruh uber ein ausgefeiltes lyrisches Formenrepertoire. Er bevorzugte in dieser Phase die sog. Simultangedichte.

1916 Im Dezember Abbruch dieser Phase durch erzwungene Teilnahme am 1. Weltkrieg. Ausbildung zum Richtkanonier. Durch das Sabotieren militarische Umgangsformen wurde er vom aktiven Fronteinsatz ausgeschlossen: wegen “ weltanschaulicher Unzuverlassigkeitö.

1918 Mehring wird auf Betreiben von George Grosz Mitglied der Berliner Dada-Sektion [zusammen mit Wieland Herzfelde, Raoul Hausmann, Richard Huelsenbeck u.a.]. Im Vor- dergrund seines Wirkens: Provokative “ Happeningsö und Sprachexperimente verbunden mit Zeitkritik [Prinzip der Montage auf die Lyrik ubertragen]

1919 Dez. Mitwirkender in Max Reinhardts wiedereroffnetem Kabarett “ Schall und Rauchö/ Berlin, neben Tucholsky und Klabund; eine Folge von Mehrings fortschreitender Politisierung

1919/20 Strafverfahren wegen “ Verachtlichmachung der Reichswehr und Verbreitung unsittlicher Schriftenö, ausgelost durch das Gedicht “ Der Coitus im Dreimaderlhausö

1920 1. Lyrikband erscheint: “ Politisches Cabaretö mit Texten fur “ Schall und Rauchö

1920/21 Mitglied des Kabaretts “ Wilde Buhneö von .

1920 ʧ 24 Als ausgezeichneter Beobachter wurden seine journalistischen Arbeiten von geschatzt und in der “ Weltbuhneö veroffentlicht.

1921 2. zeitkritischer Lyrikband “ Das Ketzerbrevierö; Provokation durch die Instrumentalisierung von Sakralem (Brevier und Elemente der Liturgie) zur Darstellung von zeitkritischen-aggressiven Inhalten.

1923 “ Wedding - Monmertreö enthalt Lieder, die Mehring fur fremde Kabarettprogramme geschrieben hatte. Einfluss der franzosischen Tradition sozialkritischer Chansons auf seine Couplets.

1924 ʧ 28 Korrespondent in fur das Berliner “ Tage-Buchö (Hg. Leopold Schwarz- schild)

1927 Roman: “ Paris in Brandö (gegen Sensationsjournalismus); Erzahlung: “ Algier oder Die 13 Oasenwunderö, (Ergebnis einer Nordafrikareise von 1926)

1929 1. Lyrische Bilanz in “ Die Gedichte, Lieder und Chansons des Walter Mehringö; “ Der Kaufmann von Berlinö, Urauffuhrung des Stucks durch Piscator, Theaterskandal

1929 - 1932 Kritisch-polemische Auseinandersetzung in der “ Weltbuhneö mit dem Nationalsozialismus [Hitler ß der “ Mittelstandsheilandö, der “ Wunderattentaterö]

1931 Lyrikband “ Arche Noah SOSö

1932 Die Proben zu “ Die hollische Komodieö mussten in Leipzig abgesetzt werden. Goebbels kundigte in seiner Silvesterrede an: “ Nachstes Fruhjahr sind wir dran [...] und da werde ich mir mal vier Intelligenzbestien personlich vorknopfen: den Alfred Kerr und den Tucholsky, den Ossietzky und den Mehring.ö

1933 27. Februar: Mehring flieht aus Berlin nach Paris; auf seine Warnung hin verlat Bertolt Brecht Berlin, ehe ihn die Gestapo ergreifen kann.

Walter Mehring schrieb mit dem “ Emigrantenchoralö die “ Hymneö der Exilierten. Der Refain lautet: “ Die ganze Heimat Und das bi chen Vaterland Die tragt der Emigrant Von Mensch zu Mensch ß von Ort zu Ort An seinen Sohl–n, in seinem Sacktuch mit sich fort.ö