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Research Collection Edited Volume Randkulturen Lese- und Gebrauchsspuren in Autorenbibliotheken des 19. und 20. Jahrhunderts Publication Date: 2020-11 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000360058 Originally published in: http://doi.org/10.46500/83533667 Rights / License: Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information please consult the Terms of use. ETH Library Randkulturen Lese- und Gebrauchsspuren in Autorenbibliotheken des 19. und 20. Jahrhunderts Randkulturen Lese- und Gebrauchsspuren in Autoren bibliotheken des 19. und 20. Jahrhunderts Herausgegeben von Anke Jaspers und Andreas B. Kilcher Wallstein Verlag Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Publiziert von der Wallstein Verlag GmbH, Göttingen 2020 www.wallstein-verlag.de Text © Anke Jaspers / Andreas Kilcher 2020 Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf Gesamtherstellung: Wallstein Verlag, Göttingen ISBN 978-3-8353-3667-4 DOI: https://doi.org/ 10.46500/83533667 Dises Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0 Inhalt Anke Jaspers | Andreas B. Kilcher Einleitung: Lesen und Schreiben am Rand der Bücher . 7 I Theorie Uwe Wirth Lesespuren als Inskriptionen. Zwischen Schreibprozessforschung und Leseprozessforschung . 37 Magnus Wieland Border Lines – Zeichen am Rande des Sinnzusammenhangs . 64 Manuel Bamert Gelesenes Gedrucktes. Textzentrierte Erklärungsansätze zur Entstehung von Lesespuren . 90 Mike Rottmann Verstehendes Entziffern eines ›historisierten‹ Papierarbeiters. Methodische und responsive Reflexionen zur Erschließung, Edition und Kommentierung von Friedrich Nietzsches nachgelassener Bibliothek . 110 II Praxeologie Anke Jaspers (Frau) Thomas Manns Bibliothek? Autorschaftsinszenierung in der Nachlassbibliothek . 141 Caroline Jessen »!?!!« Esoterisch / Exoterisch: Annotationen von Karl Wolfskehl . 166 Stephan Matthias Von der Lektüre zum Zitat. Randbemerkungen zu Stefan Zweigs Randbemerkungen . 193 Anna Busch Fontane als Leser. Zur Visualisierung von Lese- und Gebrauchsspuren in Fontanes Bibliothek . 215 Birgit Dahlke Christa Wolf auf den Spuren des Exilanten Thomas Mann . 244 III Poetologie Andreas B. Kilcher Bücher aus Büchern. Bibliothekarisches Schreiben in Thomas Manns Josephsroman . 271 Martina Schönbächler »[F]ehlerhafte[ ] Thatsächlichkeit«? – Thomas Manns Bibliothek als Medium seiner Poetologie . 293 Yahya Elsaghe »Weistu was so schweig«. Thomas Manns Verwertung seiner Lesespuren in Heinrich Teweles’ Goethe und die Juden . 315 Armin Thomas Müller Lesend schreiben lernen: Die ideelle Bibliothek des jungen Nietzsche und die produktive Aufnahme seiner Lektüren in die Jugendlyrik . 342 Jane O. Newman »Von hier an ganz umzuschreiben«. Spuren des Existentialismus in Auerbachs Büchern . 363 Autorinnen und Autoren . 385 Anke Jaspers | Andreas B. Kilcher Einleitung: Lesen und Schreiben am Rand der Bücher Lesespuren in Büchern sind Randkulturen im doppelten Sinne: Zum einen liegen sie am Rand eines Drucktexts, zum zweiten werden sie, wenn sie philologisch wahrgenommen werden, in ihrer Bedeutung oft insofern mar- ginalisiert, als sie in den Dienst werkgenetischer oder ideen geschichtlicher Interpretationen gestellt und damit als Randphänomene des Textes aufge- hoben und neutralisiert werden.1 Die Eigenheit und Alterität von Lesespu- ren ernst zu nehmen, wird dagegen – womöglich philosophie- und kultur- geschichtlich bedingt, so Jacques Derrida in Bezug auf die Marginalie in Marges de la Philosophie (1972) – oft nicht in die Überlegungen einbezogen. Die genuinen Formen und Funktionen von Lese- und Gebrauchsspuren in Bibliotheken sowie ihre Herausforderung und Bedeutung für die Vorstel- lung, Einschätzung und Analyse von Lektüre- und Schreibpraktiken blieben daher weitgehend ein blinder Fleck. Das änderte sich erst in jüngerer Zeit. Der allgemeine Horizont dafür bildet die Verlegung des Augenmerks von der integralen Werk- und Buch- form hin auf marginale Textformen wie Paratexte und Hypertexte (Gérard Genette), Randnoten (Jacques Derrida), Fußnoten (Anthony Grafton), Kom- mentare (zuletzt: Andreas Kilcher / Liliane Weissberg), aber auch auf Konglo- merate von fragmentarischen Singularformen in Enzyklopädien (Andreas Kilcher), Bibliotheken (Nikolaus Wegmann) sowie in nichtlinearen digitalen Hypertexten (Jay David Bolter). Vor diesem generellen Hintergrund stellt auch die Erschließung und Erforschung von Marginalien, von Lese- und Gebrauchsspuren in nachgelassenen Autorenbibliotheken im Speziellen, so Claudine Moulin 2010, eine »Disziplin in einem übergreifenden kulturhis- torisch-philologischen Spannungsfeld von Philologie, Kulturwissenschaft sowie Buch- und Bibliothekswissenschaft dar«.2 1 In diesem Sinne konzentriert sich die Beschäftigung mit Lesespuren in Autorenbi- blio theken oft, so Stefan Höppner, »auf die Suche nach Benutzungsspuren und An- streichungen, Marginalien oder Textentwürfen und Vorstufen von Werken«. Stefan Höppner: Bücher sammeln und schreiben. Eine Einleitung, in: Autorschaft und Bi- bliothek. Sammlungsstrategien und Schreibverfahren, hg. von Stefan Höppner u. a., Göttingen 2018, S. 14–22; hier S. 19. 2 Claudine Moulin: Am Rande der Blätter. Gebrauchsspuren, Glossen und Annotationen in Handschriften und Büchern aus kulturhistorischer Perspektive, in: Autorenbiblio- 8 Anke Jaspers | Andreas B. Kilcher Tatsächlich werden Privatbibliotheken von Autorinnen und Autoren heute zunehmend als signifikante Bestandteile von Nachlässen und Werkzusam- menhängen betrachtet und behandelt.3 Sie werden sowohl auf archiva rischer Seite nach und nach erschlossen, als auch auf wissenschaftlicher Seite zum einen poetologisch als Medien des Schreibprozesses und zum anderen kul- turwissenschaftlich »als Wissensarsenale und Wissensordnungen wie auch als Traditionskonstruktionen und Umschreibungen« analysiert und ausge- wertet.4 Einlagen, Randbemerkungen, An- und Unterstreichungen, selbst Eselsohren und andere physische Gebrauchsspuren lassen Schlussfolgerun- gen über die Lektüre- und Schreibpraxis von Autorinnen und Autoren zu und können Auskunft darüber geben, mit welcher Intensität, mit welchen Interessen und unter welchen intellektuellen Voraussetzungen und Implika- tionen Werke gelesen wurden. Mit Davide Giuriato und dessen Anlehnung an Paul Valéry gesprochen, bilden sich in Lesespuren »Denken, Lesen und Schreiben« als ein »Prozeß ständigen und unabschließbaren Werdens« ab.5 Als »Zeugnisse von Arbeits-, Produktions- und Revisionsprozessen« weisen sie damit in das Werk von Schriftstellerinnen und Schriftstellern.6 Darüber hinaus öffnen Gebrauchsspuren in Büchern und Bibliotheken ein eigenes, praxeologisch motiviertes und an der materiellen Kulturforschung orien- tiertes Forschungsfeld.7 So lassen sich Lese- und Gebrauchsspuren auch als Ausdruck kultureller Praktiken, mithin als Randkulturen, verstehen. Die Beiträge des vorliegenden Bands wollen den Zusammenhang von Lesen und Schreiben, von der Rezeption und Produktion von Büchern, der sich in Autorenbibliotheken abbildet, sowohl in allgemeinen Perspektiven theoretisch als auch an spezifischen Beispielen exemplarisch analysieren. Sie gehen vom Entstehungskontext der Lese- und Gebrauchsspuren inner- halb annotierter Exemplare und im Rahmen von Autorenbibliotheken aus, theken, Bibliotheques d’auteurs, Biblioteche d’autore, Bibliotecas d’autur, Quarto. Zeit- schrift des Schweizerischen Literaturarchivs 30/31, 2010, S. 19–26; hier S. 20. 3 Vgl. exempl. Autorenbibliotheken, Bibliotheques d’auteurs, Biblioteche d’autore, Biblio- tecas d’autur, Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 30/31, 2010. 4 Autorschaft und Bibliothek. Sammlungsstrategien und Schreibverfahren, hg. von Stefan Höppner u. a., Göttingen 2018, Klappentext. 5 Davide Giuriato: Prolegomena zur Marginalie, in: »Schreiben heißt: sich selber lesen«. Schreibszenen als Selbstlektüren, hg. von Davide Giuriato, Martin Stingelin, Sandro Zanetti, München 2008, S. 177–198; hier S. 184. 6 Autorschaft und Bibliothek (Anm. 4), Klappentext. 7 Vgl. exempl. Carlos Spoerhase: Das Format der Literatur. Praktiken materieller Textualität zwischen 1740 und 1830, Göttingen 2018. Einleitung: Lesen und Schreiben am Rand der Bücher 9 um ihre »Gemachtwordenheit«8 verstehen zu können. Erst in diesem Kon- text geben Lesespuren Aufschluss über Lektüre- und Annotationspraktiken einerseits und Schreibpraktiken andererseits. Der Blick auf die Gesamtheit der Lesespuren, auf Bücher, die vielleicht gelesen wurden, aber deren Ein- fluss auf einen Text nicht nachweisbar ist, bedeutet einen umfassenderen Forschungszugang auf das Lektürefeld einer Autorin oder eines Autors.9 Die Autorenbibliotheks- und die Lesespurenforschung sind grundsätz- lich verschiedene Forschungsfelder. Während sich die eine mit der Prove- nienz von Exemplaren und der Rekonstruktion von Büchersammlungen und deren Bedeutung für die Kultur- und Wissensgeschichte beschäftigt, Auktions- und Antiquariatskataloge studiert, erschließt und ediert und dabei auch Gebrauchsspuren betrachtet,10 verfolgt die andere Lese- und Schreibprozesse, bringt textgenetische Studien hervor und beginnt seit einigen Jahren mit der