Räume gegen das Vergessen Natruper Str. E ri ch -M ar ia Das Museum von Daniel Libeskind – ein Ort für Nussbaum Mehr als eine visuelle Erfahrung Hasetorwall -R e m P a Die Architektur »trägt« die Kunst: Daniel Libeskind, Libeskind »mutet« dem Besucher einiges zu: Schiefwinklig rq Vitihof-G. u e - Architekt des Jüdischen Museums in und mit der aneinander stoßende Wände, schräge Fensterschlitze, kreuz P R i Statthaus-G. n P g tr. Neubebauung von Ground Zero in New York beauftragt, und quer in den Raum ragende Raumteiler, spitzwinklige Große sts H o P e Domsfreiheit lte hat mit seinem Entwurf für das Felix-Nussbaum-Haus Nischen, Fußbodenausschnitte zwischen den Etagen, die nur r. g A r St e tte r Lo - »Museum ohne Ausgang« dem Künstler und seinem von Gitterrosten überdeckt sind – geradezu körperlich wird hier T G o o r e - t W Ledenhof-G. t h Werk ein im wörtlichen Sinne ergreifendes Denkmal für jeden Besucher das Gefühl von Orientierungslosigkeit und k e a r -R l a l in m g gesetzt: Auf einzigartige Weise tritt im Felix-Nussbaum- Ausweglosigkeit spürbar. Kunst bleibt hier keine visuelle Erfahrung, eu P N Neuer Graben Haus die Architektur mit dem Künstler, seinem Werk und sondern teilt sich subtil auch auf anderen Ebenen mit. tr. seiner Biografie in einen Dialog. Die Architektur »trägt« rtinis Ma die Kunst, sie verstärkt Themen und Aussagen der Architektur mit Botschaft

l l Bilder Nussbaums – und: Sie ist selbst ein Stück Kunst. Das Felix-Nussbaum-Haus teilt in seiner Architektur, der a

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S r Verwendung der Materialien und der Ausrichtung seiner c e h g lo r ß u Gebäudeteile viel über Nussbaums Leben und Schicksal mit: b w s al r l te Das Museum besteht aus dem schmalen und hohen Nussbaum- J e oha P nnes Gang, dem Haupttrakt und der sogenannten Nussbaum-Brücke. torwall Die drei Bereiche sind in ihrer Farbigkeit und Materialität deutlich voneinander abgesetzt: Der Nussbaum-Gang, ein fensterloser, Iburger Str. Iburger langgestreckter Baukörper, besteht aus Sichtbeton. Der Haupttrakt

Sutthauser Str. ist mit deutscher Eiche verkleidet, während die Nussbaum-Brücke mit Zinkblechen verblendet wurde. Die zunehmende Kälte dieser drei Materialien versinnbildlicht Nussbaums Schicksalsweg. Auch die Ausrichtung der einzelnen Gebäudeteile, die auf einem ÖFFNUNGSZEITEN Liniensystem zu verschiedenen Lebensstationen Nussbaums basiert, enthält Botschaften: Der Haupttrakt ist ausgerichtet auf die Dienstag bis Freitag: Alte Synagogenstraße, in der sich die Synagoge befand, die 1938 11 – 18 Uhr in der Reichspogromnacht zerstört wurde. Der Nussbaum-Gang, als Samstag und Sonntag/Feiertag: 10 – 18 Uhr Symbol für den Weg ins Exil, ist direkt auf die Villa Schlikker hin Jeden ersten Donnerstag im Monat: orientiert und weist damit auf den Ort, an dem sich von 1933 bis 11 – 20 Uhr 1945 die Parteizentrale der NSDAP befand.

Besuch von Schulklassen nach Vereinbarung Anlässlich der Eröffnung des von ihm entworfenen Imperial War Museum North in Manchester schrieb Libeskind 2002 in einem Eintrittspreise Führungen/Begleitprogramm Beitrag für »The New Statesman«: Nähere Informationen über Erwachsene: 5€ Schulklassenführungen, Werk- U18: Eintritt frei FELIX stattprogramme und Exkursionen Ermäßigter Eintritt: 3€ »Architektur ist eine kommunikative Kunst. Allzu oft wird erhalten Sie bei Ralf Langer vom Gruppen (ab 12 Pers.): 4€ p.P. Architektur jedoch als stumm eingeschätzt. Gebäude werden als frei Museumspädagogischen Dienst verfügbare Gebrauchsgegenstände verstanden, deren Schicksal es unter der Telefonnummer einzig und allein ist, hinter ihrer Verwendung zu verschwinden. [...] 0541 323-2064 Ich bin entschlossen, von dieser zu stark vereinfachten Sichtweise der NUSSBAUM Tradition der Architektur wegzukommen.«

Museumsquartier Osnabrück EIN DEUTSCHER MALER Lotter Straße 2 Bereits 1998 ist Libeskind dies in Osnabrück mit dem Felix- 49078 Osnabrück Nussbaum-Haus gelungen, das als erstes Gebäude des Architekten www.museumsquartier-osnabrueck.de fertiggestellt wurde. Telefon: 0541 323-2207 / 323-2237

DEUTSCH Von Osnabrück nach Berlin Lebensraum Kunst

Osnabrück, Schloßstraße 11 – Berlin, Kunstszene Ein deutscher Maler Geboren 1904, wächst Nussbaum behütet in Osnabrück auf. Felix Nussbaum ist hauptsächlich Sein Vater, ein wohlhabender Kaufmann, musisch begabt, als Maler des jüdischen Schicksals, theaterbegeistert und kunstinteressiert, fördert das Interesse sein Werk als »jüdische Kunst« seines Sohnes an der Malerei. Gespräche über Kunst nehmen präsent. Diese Betrachtungsweise einen breiten Raum im Hause Nussbaum ein, der Vater verehrt greift jedoch zu kurz, sie verliert besonders Vincent van Gogh. Als Felix Nussbaum 1922 Osnabrück den künstlerischen Rang von verlässt, geht er zunächst nach , dann nach Berlin, um Nussbaums Malerei aus dem Malerei zu studieren. Nussbaum hat erste Erfolge: Er erhält den Blick und wird seinem Werk Rompreis und gewinnt ein begehrtes Stipendium in der Villa nicht gerecht. Nussbaum ist ein Massimo in Rom, eine große Karriere scheint vor ihm zu liegen. deutscher Maler, als Jude wird er diffamiert. So handelt es sich Emanzipation als Maler auch bei seinem berühmten In seiner Zeit in Berlin bezieht Nussbaum zum ersten Mal Der Flüchtling (Europäische Vision), 1939 »Selbstbildnis mit Judenpass« künstlerisch Position, in bewusster Abgrenzung zu den Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Leihgabe Irmgard Schlenke von 1943 nicht in erster Linie um Kunstauffassungen der akademischen »Väter«. Nussbaum ist ein Bekenntnis zum Judentum, relativ unbeeindruckt von den längst etablierten Avantgardismen. sondern um die Erkenntnis seiner Stattdessen begibt er sich zunächst in die Nähe seiner Vorbilder Verunsicherung, Flucht, Exil objektiven Situation. Nussbaum van Gogh und und befasst sich mit der Pittura selbst verstand sich als Künstler, Triumph des Todes, 1944, Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Leihgabe der Niedersächsischen Sparkassenstiftung metafisica. Darauf basierend entwickelt Nussbaum seinen wie viele seiner Werke zeigen. individuellen, naiv-neusachlichen Stil, bei dem die Verwendung Geraubte Perspektive von Symbolzeichen und allegorischen Motiven eine besondere 1932 verlässt Nussbaum Berlin, um in Italien sein Stipendium Im künstlerischen »Zwiegespräch« Rolle spielt. Er beginnt, sich mit seiner Malerei »ein Bild zu wahrzunehmen. Nach Deutschland wird er nicht wieder zurück- Besonders deutlich zeigt er dies Lager, Versteck, Vernichtung verschaffen« von seiner emotionalen, inneren Wirklichkeit. kehren: Nachdem er im Mai 1933 aus der Villa Massimo in seinem »Selbstbildnis an der verwiesen wird, emigriert er über die Schweiz und Frankreich Staffelei« aus dem Jahr 1943, Todesangst und Todesgewissheit Bildnisgruppe, 1930, Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, 1935 nach Belgien. Noch verfügt er über ein Touristenvisum gemalt kurz vor seinem Tod. In seinen letzten Lebensjahren verdichtet sich für Nussbaum Schenkung Witwe Dr. Wassermann, Tel Aviv und ist als offizieller Flüchtling anerkannt. Aber Nussbaum hat Nussbaum präsentiert sich in Todesangst zu Todesgewissheit. Er weiß, er wird sich nicht in Belgien keine feste Bleibe. Arbeitsverbote und befristete seiner Selbstbetrachtung als retten können, doch er wird nicht müde, sich mit seiner Aufenthaltsgenehmigungen belasten den Alltag des verfolgten Maler, der alle Attitüden und Malerei zu »wehren«. Nussbaums eindringlichste Arbeiten Künstlers in der Emigration. 1937 siedelt er endgültig nach Verhüllungen abgelegt hat: kühl, entstehen angesichts der Unausweichlichkeit des Weges in Brüssel um und bezieht eine Wohnung in der Rue Archimède 22. selbstbewusst und entspannt. die Katastrophe, der nicht nur für ihn in Auschwitz endet. Mit dem Ausbruch des Krieges 1939 verändert sich die Situation Trotz seiner tiefen Melancholie ist auch für die Flüchtlinge grundlegend. Die nationalsozialistische er seiner selbst sicher und hofft Malen als Befreiung Gewaltherrschaft droht sich in ganz Europa auszubreiten. auf die Unsterblichkeit seiner In »Triumph des Todes« gelingt es Nussbaum, sich durch Die bittere Ahnung, im Zufluchtsland keinen Schutz mehr zu Malerei. Die große Zahl der einen malerischen Befreiungsakt aus Angst und Resigna- bekommen, verbildlicht Nussbaum in dem Gemälde „Der Selbstbildnisse, die Nussbaum Selbstbildnis an der Staffelei, 1943, tion zu lösen: »Triumph des Todes« ist das letzte von Nuss- Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Flüchtling“. malte, zeigt, wie unentbehrlich Leihgabe Niedersächsische baums bekannten Werken. In diesem Bild beschreibt der der selbstbewusste Blick auf das Sparkassenstiftung 39-jährige Nussbaum das Ende der Zivilisation als frühneu- Gefangenschaft Künstler-Ich zur Bestimmung zeitlichen danse macabre. Die Welt ist entvölkert und liegt Unmittelbar nach Kriegsbeginn und der Besetzung Belgiens durch des eigenen Standortes war. Im »Zwiegespräch« mit seinem in Trümmern, aber sie ist nicht am Ende – der Totentanz die deutschen Truppen wird Nussbaum im südfranzösischen St. Spiegelbild legt Nussbaum Rechenschaft über sich selbst ab – geht weiter, Erlösung ist nicht in Sicht. Tröstlich ist einzig Cyprien von Mai bis August 1940 interniert. Ihm gelingt die und konfrontiert den Betrachter mit einem unverstellten Blick in der Akt der Malerei. In ihr behauptet sich der Mensch, aller Flucht, als Illegaler kehrt er nach Belgien zurück und lebt dort sein Innerstes. Barbarei zum Trotz. Nussbaum versucht, in seiner Malerei isoliert und unter ständiger Bedrohung im Untergrund. Die Jahre dem Unfassbaren eine Gestalt und somit eine menschliche in Belgien werden zunehmend geprägt von Ausweglosigkeit und und damit verbunden erträgliche Dimension zu verleihen. Einsamkeit.