VOM KÖNIGTUM ZUR REPUBLIK C N Eine Talsenke nahe dem Kapitol war die Bühne, von der aus ein Weltreich regiert wurde: Hier entstand das legendäre Forum Romanum.

Am Mittelpunkt der Macht

Tabularium Über eine schmale Treppe gelangten die Römer vom Forum in ihr Staatsarchiv. Eine Concordiatempel In dem Carcer Römisches Staats- Basilica Porcia In dem Cornelia zweistöckige Arkadengalerie bot gute Sicht auf imposanten Kultbau, der gefängnis und Hinrich- Amtsgebäude oberhalb Im Senatssitz, das Machtzentrum. Heute dient der Monumental- die politische Einigkeit tungsstätte in einem. Ein des Platzes legten die einem hohen Bau, bau den Kapitolinischen Museen als Sitz. Konsul zwischen Plebejern und Loch führte in die Tiefen Volkstribune oft ihr wurden seit der Catulus, der auch das damals abgebrannte Kapitol Patriziern manifestieren des Kerkers und Veto ein. Königszeit die po- wiederaufbaute, errichtete das auf sollte, tagte oft der Senat. zum Henker. litischen Geschicke Geheiß Sullas vermutlich nach 78 v. Chr. Roms gelenkt.

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Comitium (Versammlungsort) mit (Rednerbühne) Vor der Curia stimmte das Volk über Gesetze und Ämter ab, Senatoren L hielten Reden. Basilica Opimia Nach dem gewonnenen Kampf Basilica Sempronia gegen Gaius Gracchus ließ Saturntempel Um 500 v. Chr. Finanzleute, Silberwarenhändler und vor allem Juristen Konsul Opimius 121 v. Chr. errichtete, so die Sage, ein Tyrann gingen in einem der markantesten Großbauten der späten einen neuen Concordia- den mächtigen Tempel im Republik ihrer Arbeit nach. 169 v. Chr. hatte Tiberius Sempro- tempel bauen und wohl etruskischen Stil. Darin war der Staatsschatz, der nius Gracchus die tu steinerne Basilika anstelle des ehema- diese Basilika. Von ihr Besitz des vertriebenen letzten Königs, auf- ligen Wohnhaus des Hannibal-Bezwingers Scipio Africanus wurden bisher keinerlei bewahrt. Vom Vorgängerbau des heute noch errichtet. archäologische Reste erhaltenen, fast zehn Meter hohen Podiums und gefunden. der spätantiken Säulen gibt es kaum Indizien.

Chronik des Forums Entstehung der republikanischen Bauten dargestellter Vestatempel Zustand Basilica Porcia Carcer Tabularium Saturntempel entstand in dieser Form ca. 500 v. Chr. Basilica Opimia Lacus Curtius Basilica Fulvia Concordiatempel Comitium Basilica Sempronia Dioskurentempel Curia Cornelia

300 v. Chr. 200 v. Chr. 100 v. Chr. 0 V 40 Concordiatempel Phase 1 Sein möglicher Stifter, Concordiatempel Phase 2 Nach den politischen Unruhen und DDiktatoriktator Camillus, gilt in der Forschung als konstruierte seinem Sieg über den Volkstribun Gracchus veranlasste Konsul Figur, die Datierung des Baubeginns auf 367 v. Chr. wird Opimius 121 v. Chr. einen hoch aufragenden Neubau des angezweifelt. Stand hier jahrhundertelang lediglich ein Tempels im damals beliebten hellenistischen Stil. Ur-Ur- Kultschrein, um Concordia, die Göttin der Eintracht, ssprünglichprünglich der politischen Eintracht geweiht, war zu verehren und die Tugend der politischen er nun ein „aggressives Siegesmonument“ der Eintracht unter den Römern zu beschwören? Optimaten gegenüber den Popularen. Später hielt Die Berliner Wissenschaftler um Susanne Cicero, den Optimaten nahe, hier seine berühmte Muth sehen mehr Indizien für einen Bau vierte Rede gegen Catilina. Heute ist von der präch-präch- bald nach den Ständekämpfen und tigen Architektur fast alles verloren, sodass eine ReRe-- T rrekonstruiertenekonstruierten eine Tempelversion für konstruktion vorerst nur auf Basis von Vergleichen das mittlere 4. Jahrhundert. mit zeitgenössischen Bauten möglich ist.

Stadtplan des republikanischen Rom Forum Romanum

r Kapitol Hier endete jeder Tibe Stadtmauer

Triumphzug. Das HauptHaupt-

Basilica Fulvia Die Großmacht heiligtum Roms, der Tempel Rom war stolz auf ihren 179 des Iuppiter Optimus Maxi- v. Chr. errichteten, in der Folge- mus, stand auf diesem Hügel. zeit noch prächtiger augestat- Palatin Auf dem Hügel teten Hallenbau. In der dreischif- Aventin Das südlichste der wohnten die Reichen. Die N figen Basilika fanden Geldge- sieben besiedelten Hügel Grundstückspreise waren schäfte, Prozesse und Roms war während der Repu- exorbitant hoch. außenpolitische Empfänge reich- blik ein Handwerkerviertel. lich Platz.

Regia Im Amtslokal des Pontifex Maxi- mus, einst Königs- palast, lagerten C Archivtafeln. Hier wurde auch dem Kriegsgott Mars Lacus Curtius und der Ernte- An dem kleinen Heiligtum gedachten die göttin Ops Consivia Römer eines mythischen Wunders aus der geopfert. Gründungszeit Roms. Dioskurentempel Dieser prächtige Bau wurde 484 v. Chr. den Dioskuren Castor und Pollux, Schutzgöttern der Patrizier, geweiht. Das Podium nutzten Redner als Bühne, im Innenraum tagte seit der späten Republik der Senat.

C E Vestatempel Im Staatsherd brannte vermutlich schon seit dem 8. Jh. v. Chr. das ewige Feuer. Sechs jungfräuliche Vestalinnen kümmerten sich darum. Bei Nachlässigkeit peitschte der Pontifex Maximus sie aus.

Visualisierung: digitales forum romanum, Projektleitung: Susanne Muth, 3D-Visualisierung: Armin Müller. Weitere Informationen zum Forum Romanum: www.digitales-forum-romanum.de 41 VOM KÖNIGTUM ZUR REPUBLIK

Von BIGNA FINK Maenius-Säule löste auch eine Welle neu - Täglich versammelten sich die Sena - er Ehrenmonumente auf dem Forum aus. toren in der Curia im Nordwesten des ebende Politiker als Stand - Immer mehr Römer wollten sich an die - Platzes. Vor diesem Grundtyp aller Par - bild – was heute ein Fall für ser prominenten Stelle verewigt sehen. lamentsgebäude stimmten die wahlbe - Satiriker wäre, galt in der Schließlich diente das Forum nicht rechtigten römischen Bürger mehrmals Römischen Republik als gro - nur der Politik. Religiöser Kult und pro - im Jahr auf dem kreisrunden Comitium Lße Ehrung, die auch für die faner Handel, informelle Begegnungen, von etwa 40 Meter Durchmesser über Eigenwerbung taugte. Wer auf sich und diplomatische Treffen, Wahlkämpfe und Ämter und Gesetze ab. Mit dem Anwach - seine Leistungen aufmerksam machen so manche Intrige – all das spielte sich sen der Republik nahm die Wählerschaft wollte, für den konnte so eine Skulptur hier ab, inmitten von Tempeln, Amtshäu - große Teile des Forums in Anspruch. genau das Richtige sein – vor allem, sern, Hallen und Ladenzeilen. Auf Ochsen- und Eselskarren trans - wenn sie auf dem Forum Romanum portierten Händler ihre Waren heran. stand, im Zentrum der Stadt und des Rei - Dass ausgerechnet dieser Flecken Hauptverkehrsader des Forums war die ches. Erde zur Schaltstelle eines Weltreichs Via Sacra, die „Heilige Straße“, auf der So dachte im Jahr 338 v. Chr. auch ein werden konnte, verblüfft Archäologen man bis zum Tempel des Hauptgottes bedeutender Mann namens Caius Mae - bis heute. Um 800 war die Gegend, Ve la - Iuppiter Optimus Maximus auf dem Ka - nius. Mitten auf dem Comitium, dort, brum genannt, nicht viel mehr als eine pitol gelangte. Von der Höhe aus blickte wo die wichtigen Entscheidungen fielen, sumpfige Talsenke voller Mücken gewe - man über das ganze Forum Romanum. errichtete man ihm eine Siegessäule: sen, lediglich als Friedhof zu gebrauchen. Von einer besonders steilen Stelle, dem Obenan vermutlich eine Statue des Mae - Erst nachdem die Siedler von den umlie - Tarpejischen Felsen, wurden Hinrich - nius, unten am mächtigen Sockel die genden Hügeln um 600 einen Abwasser - tungsopfer hinabgestürzt. Aufzählung seiner Taten. Der Senat hat - kanal, die , gegraben und Unten auf dem Markt erfuhr man te sie dem erfolgreichen Feldherren und so die Ebene trockengelegt hatten, war Neuigkeiten, hörte von Gesetzesände - Censor gestiftet. ein dörflicher Marktplatz mit Lehm - rungen oder Wahlterminen. Festtage Dass die Säule so ostentativ in den hütten entstanden. Seit der Königsherr - waren auf Tafeln verzeichnet, die an der Blick gerückt stand, nicht seitlich wie schaft hatte die Bedeutung als Verkehrs - Rednerbühne oder der mächtigen Podi - sonst, zeugte vom Ansehen, das der Feld - mittelpunkt zugenommen; spätestens in umswand des Saturntempels angebracht herr genoss, seit er die Hafenstadt Anti - der republikanischen Zeit konzentrierte waren – noch heute sind die Löcher der um (heute Anzio) erobert hatte. Aber die sich hier Roms Öffentlichkeit. eisernen Stifte zu sehen, mit denen die Kalenderlisten befestigt waren. Vor den monumentalen Tempeln der Die Via Sacra (Heilige Straße) mit Blick Dioskuren Castor und Pollux, des Saturn auf den Kapitolshügel – der schmucklose oder der Vesta fanden die Opferriten Backsteinbau mit dem Fenster statt. Triumph- und Leichenzüge führ - ist ein Nachbau der Curia, wo auch zu ten hier vorbei. Auch Gladiatorenkämp - repu blikanischer Zeit der Senat tagte. fe gab es – ursprünglich inszeniert im Rahmen von Totenfeiern. Im späten 4. Jahrhundert nahm das bunte Markttreiben dann ab. Lebensmit - telhändler wie etwa die Fleischer muss - ten ihre hölzernen Läden (Tabernae) auf dem Forum räumen; dort zogen Geld - wechsler, Juweliere und staatliche Insti - tutionen ein. Das nun umlaufende Münzgeld brachte ganz neue Gewerbs - zweige hervor, ins besondere für Finanz - geschäfte. Metzger und Gemüsehändler bekamen ihren eigenen Lebensmittel - markt nördlich des Forums. Bewegung, oft auch Hektik und Tru - bel herrschten auf dem Forum weiter - hin von früh bis spät. Manche Geschäfte öffneten schon vor Sonnenaufgang. Aus engen Gassen strömten hier die Men - schen zusammen. Mehrmals im Jahr be - schloss die Volksversammlung wichtige Gesetze, etwa zur Getreideversorgung. Immer wieder gab es auch Wein- und P A

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Essensgelage: Um 200 verzeichnete der I S I R

römische Kalender an die 65 Festtage. R O T

Junge Adlige flanierten in kostbaren O I R A

Gewändern, bedrängt von Bettlern und M

42 SPIEGEL GESCHICHTE 5 | 2015 Der Lacus Curtius Eine unschein bare selbst ernannten Wunderheilern. Der Ansammlung von Steinen in Form rius Gracchus aufgekauft. Er ließ es Komödiendichter Plautus berichtet einer Brunnenfassung, heute von ei- 169 abreißen und stattdessen ein präch - auch von Huren auf dem Forum. Stark nem Dach geschützt, gilt als der Ort, tiges Hallengebäude erbauen, die Ba- geschminkt, teils mit blonder Perücke wo das frühe Rom durch ein Selbstop - silica Sempronia. Weitere solcher mehr - aus dem Haar von Germaninnen, buhl - fer gerettet worden sein soll: Als sich stöckiger Geschäftshäuser veränderten ten sie um Kundschaft. Besonders an 362 v. Chr. hier die Erde spaltete und den Charakter des Forums erheblich. den hölzernen Wechselstuben sollen sie keine Auffüllung half, soll sich nach Auch mit den inzwischen zahllosen gestanden haben, in kurzen Kleidern einem Orakelspruch der Soldat Marcus Gedenksteinen und Statuen machte mit tiefen Dekolletés. Curtius mit Pferd in voller Rüstung man eines Tages kurzen Prozess: Alle Sogar Wohnhäuser gab es auf dem Fo - hineingestürzt haben. In der Nähe nicht offiziell genehmi gten Zeugnisse rum. Gleich neben ihrer Arbeitsstelle, fand man ein altes Relief; heute erin - politischer Selbstdarstellung habe man dem ewig brennenden heiligen Herdfeu - nert eine Kopie an die Sage. im Jahr 158 kurzerhand abgeräumt, er im Vestatempel, lebten die Priesterin - berichtet der kaiserzeitliche Gelehrte nen der Göttin. Und um 200 v. Chr. konn - Laut der Überlieferung geht noch Plinius. te sich Hannibals Bezwinger Scipio Afri - eine andere Neuerung auf Maenius zu - canus einer Wohnadresse am Forum rück: Im Jahr 318 soll er hölzerne Em - Aus solchen Nachrichten, vor al - rühmen. Die Immobilie in exzellenter poren über den damaligen Ladenreihen lem aber den reichen archäologischen Lage samt Atrium dürfte auch damals der Tabernae veteres und der Tabernae Befunden haben Susanne Muth und ihr ein Vermögen wert gewesen sein. novae zu beiden Seiten der Via Sacra ha - Team von der Berliner Humboldt-Uni - ben anbringen lassen. Die Balkone wur - versität bislang sieben Entwicklungssta - Für Roms Politik war die Nordwest - den sogar nach ihm benannt. Privatleute dien des Forums als 3-D-Modelle doku - ecke des nicht gerade übersichtlichen konnten auf diesen „Maeniana“ Zu - mentiert. Es ist nicht die erste Rekon - Orts am wichtigsten. Von der Redner - schauerplätze mieten, beispielsweise struktion des legendären Platzes, aber bühne aus sprachen die Politiker zu den wenn Gladiatoren ihre blutigen Kämpfe eine der wenigen Nachbildungen, die Bürgern; das tuffsteinerne Podium, von ausfochten. Bauzustände vor der augusteischen Zeit dem später so legendäre Gestalten wie Mit der pompösen Architektur grie - zeigt. Was Rom-Besucher heute wahr - Gaius Gracchus oder Caesar an das Pu - chischer Stadtstaaten konnte sich das nehmen, geht zum größten Teil auf spä - blikum appellierten, war mit Schiffs - Forum freilich lange nicht messen. Der tere, kaiserzeitliche Bautätigkeit zurück. schnäbeln geschmückt. Historiker Polybios hat im 2. Jahrhun - Erst die Frühphasen aber machen ver - Urheber der originellen Verzierung dert v. Chr. beschrieben, wie erstaunt ständlich, weshalb selbst kaiserliche war derselbe Caius Maenius, dem der Griechen bei dem Anblick waren; man - Despoten den Ort später nie durchgrei - Senat dann 338 die Ehrensäule zubillig - chen Besucher dürfte die winkelige, viel - fend verändert haben. te. Eigenmächtig ließ er die bei Antium fach zugestellte Dorfplatzanlage sogar Hier schlug nun einmal das Herz erbeuteten Rammsporne, lateinisch belustigt haben. Erst nach 200 began - dessen, was sich aus kümmerlichen An - ) . L (

S Ros tra, am Podest für die Redner an - nen die Römer, ihr Stadtzentrum nach fängen zur Weltmacht der Antike em - U S

R bringen. griechischen Mustern großzügiger zu porgekämpft hatte. So kann es selbst U

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R „Ganz schön frech“, findet die Berli - gestalten. für heutige Besucher ein ergreifender (

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L ner Archäologin Susanne Muth. Immer - Das Wohnhaus des Scipio Africanus Moment sein, wenn sie bemerken, dass

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U hin habe Maenius damit die Tribüne, beispielsweise wurde vom Censor Tibe - sich, immer noch deutlich erkennbar T C I P

„auf dem alle Politiker ihre Reden an ihren massiven dunklen Steinplat - I N I

T zum Volk hielten, als sein Siegesmo - ten, zwischen Fundamentspuren,

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A nument“ vereinnahmt. Der Coup ge - Grasflecken und den Resten alter

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/ lang: Bis heute wird die Rednerbühne Tempel die uralte Via Sacra zum Ka - spiegel.de/sg052015forum G K

A Rostra genannt. oder in der App DER SPIEGEL pitol hinaufschlängelt. n

SPIEGEL GESCHICHTE 5 | 2015 43