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W155 2180483-1/11E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , StA. , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht erkannt: A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. III. XXXX wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 13.03.2021 erteilt. B) Die Revision ist nicht zulässig. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: 1. Verfahrensgang. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Afghanistan, stellte am 15.07.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag gab er im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, dass er im Alter von 3 Jahren mit seiner Familie nach Pakistan geflüchtet und seither nicht mehr in Afghanistan gewesen sei. Sein Vater sei verstorben, die Mutter und zwei Schwestern leben weiterhin in Pakistan, der Onkel sorge für die Familie. Er spreche Dari und Urdu und sei Hazara. Zum Fluchtgrund gab er an: "Aus wirtschaftlichen Gründen musste ich fliehen. Mein Onkel hat für die Familie gesorgt, bis er gesagt hat, er ist nicht mehr in der Lage auch meine Familie zu ernähren. Er gab mir das Geld für die Ausreise, damit ich im Ausland arbeiten und die Familie finanziell unterstützen kann". Bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimat habe er keine Zukunftsperspektiven. Am 30.10.2017 erfolgte die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) zur Herkunft, zum Fluchtgrund der Eltern, zum Ablauf der Flucht, zur Finanzierung der Flucht und zu den Familien - und Lebensverhältnissen. Er wurde ausführlich zum Fluchtgrund aus Pakistan befragt. In Afghanistan habe er niemanden, dort sei es noch schlechter als in Pakistan. Er bestritt die Aussage bei der Ersteinvernahme, dass er aus wirtschaftlichen geflüchtet 2

sei, er hätte gesagt, dass er Probleme mit seinem Onkel gehabt habe. Mit angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (Spruchteil I) und den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine 14-tägige Frist festgesetzt (Spruchpunkt IV). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass keine asylrelevante Verfolgung in Bezug auf den Heimatstaat Afghanistan vorgebracht worden sei und eine Niederlassung in oder Mazar- Sharif jedenfalls zumutbar sei. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass er den überwiegenden Teil seines Lebens in Pakistan verbracht und keinerlei Bezugspunkte zu Afghanistan habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohe ihm Diskriminierung auf Grund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, zudem wäre er der notwendigen Lebensgrundlagen entzogen. Eine Abschiebung stelle eine reale Verletzung der EMRK dar und sei zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde ua. beantragt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) führte am 11.11.2019 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein eines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die belangte Behörde erschien entschuldigt nicht. Der BF wurde ua. zu seinem gesundheitlichen Befinden, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinen persönlichen Verhältnissen und seinem Leben in Afghanistan und in Pakistan, seinen Familienangehörigen, seinen Fluchtgründen und seinem Leben in Österreich ausführlich befragt. Zum Verhandlungsprotokoll wurden mehrere Integrationsunterlagen als Beilagen genommen, insbesondere Bestätigungen von regelmäßigen freiwilligen Tätigkeiten für die Marktgemeinde Altmünster ab Dezember 2017 II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen: Zur Person des Beschwerdeführers Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen moslemischen Glaubensrichtung an. Seine Identität steht nicht fest, die im Spruch genannte ist lediglich seine Verfahrensidentität. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht verheiratet und hat keine Kinder. Er ist 3

strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz XXXX , Distrikt XXXX und hat dort bis zu seinem dritten Lebensjahr mit seiner Familie gelebt. Anschließend war er in Pakistan, XXXX bis zu seiner Flucht nach Europa aufhältig und ist im Familienverband mit seinen beiden Schwestern aufgewachsen. Er hat 8 Jahre lang die Flüchtlingsschule besucht. Sein Vater ist verstorben, die Mutter und die beiden Schwestern - eine davon verheiratet - sind unbekannten Aufenthaltes. Der letzte Kontakt zur Mutter bestand im Jahre 2017. Der Beschwerdeführer hat nach seinen Angaben keine Verwandten in Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Zur Situation in Österreich Der Beschwerdeführer versteht die deutsche Sprache gut, konnte der Verhandlung gut folgen und hat die gestellten Fragen auf Deutsch beantwortet Er wurde vom Dolmetscher unterstützt. Er verfügt über Deutschkurse auf dem Niveau A2 ÖSD. Der Beschwerdeführer wird in den Referenzschreiben als sehr hilfsbereiter, fleißiger und sympathischer Mensch beschrieben, der seine Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Er ist anpassungsfähig und arbeitsfähig, er kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen Er leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte. Er beabsichtigt, eine Ausbildung zum Altenpfleger oder beim Roten Kreuz zu machen. Zu den Fluchtmotiven Der Beschwerdeführer hat im Alter von 3 Jahren Afghanistan verlassen. Ein seine Familie ins Treffen geführtes Verfolgungsvorbringen liegt nicht vor, auch keine persönliche Bedrohungssituation. Dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe durch Taliban auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit der Hazara droht, kann nicht festgestellt werden. Es ist auch nicht zu erwarten, dass ihm eine Verfolgung oder Tötung auf Grund einer bestimmten Familienzugehörigkeit droht. Pakistan hat er auf Grund von privaten Konflikten und des illegalen Aufenthaltes verlassen. Zu einer möglichen Rückkehr in den Herkunftsstaat: Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich. Die Provinz XXXX gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Aufständische sind in gewissen Distrikten aktiv und es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen. Die Taliban sind in einigen 4

Distrikten der Provinz - die ein strategischer Knotenpunkt für Taliban-Kämpfer ist - aktiv. Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, des Haqqani-Netzwerkes und des IS betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen in einigen Distrikten. Die Städte Mazar-e Sharif in Balkh und Herat in der Provinz Herat stehen unter Regierungskontrolle. Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif und Herat jedoch nicht möglich, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, so wie es auch seine Landsleute führen können. Im Fall einer dortigen Ansiedelung liefe er Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Dem Beschwerdeführer droht wegen seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso sind Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt. Zur maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat Staatendokumentation in der Fassung 04.06.2019 Sicherheitslage: 5

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren. Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt 6

gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen. Rekrutierung durch die Taliban: Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind. Aus Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven schließen sich viele den Taliban an. Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht Personen mit militärischem Hintergrund sowie mit militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Taliban versuchen daher das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Da ein Schwerpunkt auf militärisches Wissen und Erfahrungen gelegt wird, ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters zu rechnen Durch das Anwerben von Personen mit militärischem Hintergrund bzw. von Mitgliedern der Sicherheitskräfte erhalten Taliban Waffen, Uniformen und Wissen über die Sicherheitskräfte. Auch Personen die über Knowhow und Qualifikationen verfügen (z.B. Reparatur von Waffen), können von Interesse für die Taliban sein. Die Mehrheit der Taliban sind Pashtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können. Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen. Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Pashtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen. Die Mehrheit der Taliban 7

sind Pashtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können. Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen. Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Pashtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen. Ghazni Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (Pajhwok o.D.a). Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari (Pajhwok o.D.a; vgl. UN OCHA 4.2014, GIo.D.). Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vgl. HoA 15.3.2016). Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017). 8

Allgemeine Information zur Sicherheitslage Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vgl. SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018). Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen derTaliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da dieseMilizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018). Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen: Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018). Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018). Militärische Operationen in Ghazni Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vgl. Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 13.3.2018; vgl. MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017, MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vgl. Pajhwok 12.3.2018). Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vgl. AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017). 9

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017). Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.- 15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018). Kabul Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): , Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/, Farza, , Kabul Stadt, , Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, , Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017). In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018). Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.). Allgemeine Information zur Sicherheitslage 10

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen: Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018). Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018). Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und 11

einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018). Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018). Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018). Herat: Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen, ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz beträgt 1.967.180 Einwohner. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, 12

eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat. Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Nach zehn Jahren der Entminung sind 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen in den Distrikte Gulran und Shindand wurden diese noch nicht von Minen geräumt. Balkh Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018). Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017). In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante 13

Vorfälle registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017). Mazar-e Sharif: Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Dürre: Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Anfragebeantwortung von ACCORD) Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen. Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an. Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten. Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken. Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, 14

nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt. Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten. Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familien aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind. Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen. Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen. Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt. Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt. Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt. Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung. Die Stadt Mazar-e Sharif selbst ist nicht von den Auswirkungen der Dürre betroffen. Medizinische Versorgung: Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan. In Mazar-e Sharif gibt es ein privates 15

neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Wirtschaft: Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353). Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 353). Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018). In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018). 16

Rückkehrer: Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 26.03.2019, S. 366 f). Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können. IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden. Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype- Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten. Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war 17

bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370f). Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden. Ethnische Minderheiten: In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 314). Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus. Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können. 18

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Hazara in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind. Hazara Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die Hazara- Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016). Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban- Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten 19

Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017). So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016). Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018). Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017). Religionen: Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Schiiten Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und 20

gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017). Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017). Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017). Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017). Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 enthält keine entscheidungsrelevanten Änderungen in diesen erwähnten Punkten. EASO-Bericht "Country Guidance Afghanistan", Juni 2018: Alleinstehende Männer finden in den größeren Städten in der Regel zumutbare und vernünftige Fluchtalternativen vor (S. 30, 106). Für Antragsteller, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder sehr lange Zeit außerhalb Afghanistan gelebt haben, kann sich eine innerstaatliche Fluchtalternative als vernünftigerweise nicht vorhanden erweisen, wenn sie kein unterstützendes Netzwerk vorfinden, das bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen unterstützt. Neben dem Vorhandensein eines Netzwerks sind noch lokales Wissen und Bindungen zum Heimatstaat sowie der soziale und wirtschaftliche Hintergrund einschließlich der erlangten Bildung oder professionellen Ausbildung des Antragstellers zu berücksichtigen (S. 30, 109). 2. Beweiswürdigung: Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie die 21

Vernehmungsprotokolle, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden. Diesem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt sowie das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018, Fassung vom 04.06.2019 und vom 13.11.2019. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018, Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und vor dem BVwG. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, und seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen, seine familiäre Situation in Afghanistan und Pakistan) gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und gleichbleibenden Angaben. Das BVwG hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Die Feststellung, dass sich seine Mutter uns seine Schwestern zunächst in Pakistan und nunmehr unbekannt aufhalten und der Beschwerdeführer keine Angehörigen mehr in Afghanistan hat , ergibt sich aus seinen Angaben im gesamten Verfahren. Unterschiedliche Angaben gibt es allerdings zur Versorgung der Familie nach dem Tod des Vaters: im behördlichen Verfahren war es der Onkel vs, der seine Familie finanziell unterstützte, im Beschwerdeverfahren nannte der Beschwerdeführer den Schwager als Unterstützer und geringfügige Tätigkeiten seinerseits. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation In der Ersteinvernahme gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen lediglich an, dass seine Familie nach Pakistan geflüchtet sei. Im behördlichen Verfahren konkretisierte er dieses Vorbringen dahingehend, dass die Familie wegen des Krieges nach Pakistan geflüchtet sei, um sicher leben zu können. Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt ein Kleinkind, eine persönliche Bedrohung und eine Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer lassen sich daraus nicht ableiten. Dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara und seiner Religionszugehörigkeit als schiitischer Moslem in Afghanistan keine 22

konkret gegen ihn gerichtete physische und/oder psychische Gewalt droht, folgt aus seinem diesbezüglich lediglich allgemein gehaltenen und wenig detailreichen Vorbringen zur Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan, aus dem eine konkrete, individuelle Betroffenheit seiner Person im Hinblick auf Gewalthandlungen nicht ersichtlich ist. Die Feststellungen zum Ausreisegrund aus Pakistan ergeben sich aus den Aussagen im behördlichen Verfahren und der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Zu den Feststellungen zum Herkunftsstaat Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat und den für das Verfahren relevanten Provinzen beruhen im Wesentlichen auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht- regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Insbesondere wurden die neuesten Informationen vom 13.11.2019 berücksichtigt und ergaben für das Gericht keine für das vorliegende Verfahren entscheidungsrelevanten Änderungen gegenüber der Fassung vom Juni 2019. Zu den Feststellungen im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif und Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint. Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105) . Zweifellos handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen Mann im erwerbsfähigen Alter ohne konkrete Berufserfahrung in Pakistan, bei dem aber die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer hat jedoch lediglich die ersten drei Jahre seines Lebens in Afghanistan verbracht und ist seither nicht mehr zurückgekehrt, weswegen in seinem 23

Fall nicht davon ausgegangen werden kann, dass er mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten sowie den Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist. Dadurch, dass er die die Sozialisation prägenden Jahre seines Lebens in Pakistan verbracht hat und folglich dort sozialisiert wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer die afghanischen Gebräuche und Traditionen ausreichend vermittelt wurden, weswegen der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr gezwungen wäre, sich als Fremder im eigenen Land niederzulassen. Insbesondere ist nicht zu erwarten, dass vom Beschwerdeführer und seinen Angehörigen im Zuge des Zusammenlebens ein Bezug zu afghanischer Kultur und afghanischen Gebräuchen, Traditionen, Lebensgewohnheiten und Gegebenheiten so weit aufrechterhalten werden konnte, dass dem Beschwerdeführer ein Einblick in deren aktuell gelebte Form im Herkunftsstaat vermittelt hätte werden können. Durch den langen Aufenthalt in Pakistan entspricht es der Erfahrung und ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine entsprechende Sprachfärbung aufweist, die ihn mit den in Pakistan in Quetta aufhältigen Afghanen in Zusammenhang bringt. So führt der Dolmetscher in der Beschwerdeverhandlung an, dass die Sprache des Beschwerdeführers einen starken persischen Akzent aufweist (VH-Schrift, S. 6). Bedingt dadurch ist der Beschwerdeführer als Rückkehrer nach langer Abwesenheit erkennbar, wobei sich aus den vorliegenden Informationen ergibt, dass der Beschwerdeführer deshalb mit Diskriminierungserfahrungen wird rechnen müssen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. 21. Individuals who were born in Iran or Pakistan and/or who lived there for a long period of time, S. 66 f.) Diese erreichen freilich nicht jene Dichte, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr mit gravierenden Übergriffen zu rechnen hätte, stellen aber den vorliegenden Informationen zufolge eine Erschwernis etwa bei der Unterkunfts- und Arbeitssuche dar. Weiters stellt das "soziales Kapital" die wichtigste Ressource für Rückkehrer dar, wobei die Großfamilie als die zentrale Institution in Afghanistan bezeichnet wird. Sie gewähre Schutz, Betreuung und Versorgung und bilde eine wirtschaftliche Einheit. Die Männer der Familie treffe die Pflicht, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen. Ein solches Netzwerk sei für das Überleben in Afghanistan wichtig und sein Fehlen stelle die größte Herausforderung für Rückkehrer dar. Insbesondere aus dem EASO Bericht Afghanistan Netzwerke von Jänner 2018 lässt sich entnehmen, dass der Zugang zu sozialen Netzen als zentrale Voraussetzung für die Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens und insbesondere die Teilnahme am Arbeitsmarkt im Fall einer Niederlassung im Herkunftsstaat bedeutsam ist. Auf ein solches Netzwerk kann der Beschwerdeführer, wie bereits beweiswürdigend ausgeführt wurde, im Herkunftsstaat nicht zurückgreifen. Insbesondere besteht kein Hinweis auf etwaige in Afghanistan aufhältige Angehörige des Beschwerdeführers. Im Bericht von ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 vom 07.12.2018 wird berichtet, dass der Zugang zu Arbeitsplätzen auf dem schrumpfenden Arbeitsmarkt von Kontakten abhängt und dass insbesondere Rückkehrende aus Europa und dem Iran keine Arbeit finden würden, 24

wenn sie keine soliden sozialen Kontakte hätten. Wichtigster Faktor bei der Personalauswahl sei Vertrauen (siehe Kapitel 2.5. Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktzugang, S. 123 ff.). Demnach ist der Zugang des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt bedingt dadurch, dass er über kein soziales Netzwerk verfügt, stark erschwert. Durch die Inanspruchnahme der nach den vorliegenden Länderinformationen grundsätzlich verfügbaren Rückkehrhilfe (Länderinformationsblatt, Kapitel Rückkehr) könnte der Beschwerdeführer höchstens sehr kurzfristig das Auslangen finden und wird insbesondere nur für Kabul berichtet, dass etwa Unterkünfte speziell für Rückkehrer verfügbar sind. Hinzu kommt die allgemein prekäre - die alle afghanischen Staatsangehörigen, aber in besonderem Maße jene ohne familiären Rückhalt trifft - Versorgungslage vor allem im Hinblick auf den Zugang zu Arbeit und Wohnraum. Das Länderinformationsblatt berichtet von hoher Arbeitslosigkeit (über 40 % Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung) und Armutsgefährdung. Nach den vorliegenden Informationen sind auch die Aufnahmekapazitäten der afghanischen Städte bereits überlastet. 72,4 % der städtischen Bevölkerung leben in Slums, informellen Siedlungen oder unter unzulänglichen Wohnverhältnissen (siehe dazu etwa UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedelungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten [S. 125 f.]). Der Anteil der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze liegt bei 55 % (ebd.). Nachdem der Beschwerdeführer allein und ohne soziales Netzwerk sowie örtliche Kenntnisse erstmals in den Herkunftsstaat "zurückkehren" würde, erscheint eine besondere Betroffenheit dieser prekären Lebensverhältnisse im Fall des Beschwerdeführers als höchst wahrscheinlich. In einer Zusammenschau der erläuterten aus den spezifischen individuellen Merkmalen (sofortige Erkennbarkeit als Rückkehrer, fehlendes soziales Netzwerk) des Beschwerdeführers resultierenden Erschwernissen unter Berücksichtigung auch der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat ist im Fall des Beschwerdeführers, - anders als bei jenen afghanischen Staatsangehörigen, die ihre ganzes Leben in Afghanistan verbracht haben und dort zur Gänze sozialisiert wurden bzw. Rückkehrer, die über ein tragfähiges soziales Netzwerk verfügen - nicht davon auszugehen, dass er in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) Fuß fassen und ein Leben ohne unbillige Härte wird führen können und es ist im Fall einer dortigen Ansiedelung sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung nicht befriedigen wird können und in eine ausweglose Situation gerät. Zu den Feststellungen zum Leben in Österreich Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (zu seinen Deutschkenntnissen, ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie seiner Integration) stützen sich auf die Aktenlage und die vorgelegten Integrationsunterlagen sowie die Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung. 25

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er in Österreich ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgeht und aus den Empfehlungsschreiben. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen. Im Verfahren sind auch keine Umstände hervorgekommen sind, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. 3. Rechtliche Beurteilung: Zu Spruchpunkt A) Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss zudem in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH vom 22.03.2017, Ra 2016/19/0350). Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Nach der Judikatur des VwGH ist für den Flüchtlingsbegriff der GFK entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). 26

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN). Der Beschwerdeführer macht keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend, die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen war. Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG führt jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des VwGH war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 30.01.2018, Ra 2017/20/0406). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307). 27

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der VwGH unter Berücksichtigung der Judikatur des EuGH zur Statusrichtlinie ausgesprochen, dass § 8 Abs. 1 AsylG entgegen seinem Wortlaut in unionsrechtskonformer Interpretation einschränkend auszulegen ist. Danach ist subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 wiederholt der VwGH, dass es der Statusrichtlinie widerspricht, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen. Art. 6 Statusrichtlinie definiert als Akteur den Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (lit. b) und nichtstaatliche Akteure, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art. 7 zu bieten (lit. c). Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 Statusrichtlinie die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Herkunftsstaat (lit. b) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (lit. c). Zur Rückkehr in die Herkunftsregion des Beschwerdeführers Für die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr dorthin die Gefahr droht, im Zuge des im Herkunftsstaat herrschenden bewaffneten Konfliktes getötet, verletzt oder misshandelt zu werden. Daher droht ihm ein Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie durch einen innerstaatlichen Konflikt iSd lit. c leg cit. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht. Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet wird und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann. 28

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Zunächst muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Der VwGH hält das Kriterium der Zumutbarkeit als getrennt zu prüfende Voraussetzung auch in seiner jüngsten Rechtsprechung weiterhin aufrecht (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). Fallbezogen ist dazu auszuführen, dass sich für die Stadt Kabul ergibt, dass der Beschwerdeführer im Fall einer dortigen Niederlassung Bedingungen ausgesetzt wäre, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, weil die Stadt, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, vom innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat relativ stark betroffen ist. Kabul kommt daher nicht als innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer in Betracht. Für die Städte Mazar-e Sharif und Herat ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass bedingt durch die relativ geringe Betroffenheit der genannten Städte vom Konflikt für den Fall einer dortigen Niederlassung des Beschwerdeführers eine Gefahr, dass dieser im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommt oder misshandelt oder verletzt zu wird, nicht droht. Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz für den Beschwerdeführer rechtfertigen würden, liegen demnach dort nicht vor. Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des VwGH die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (Vgl. abermals VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen. Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es dem Asylwerber im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen 29

Schwierigkeiten möglich sein, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (Zuletzt VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). Aufgrund der umfassenden beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit den zu erwartenden individuellen Lebensumständen des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde festgestellt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Umstände (fehlendes soziales Netzwerk, Rückkehrereigenschaft, fehlende Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse) und der Schwierigkeiten und Diskriminierungen, die diese nach sich ziehen, unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht möglich ist, sich im Sinne der obigen Judikatur im Herkunftsstaat niederzulassen, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Eine Ansiedelung in den als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebieten - Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) - ist dem Beschwerdeführer nach der oben zitierten Judikatur daher nicht zumutbar und das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Möglichkeit, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat auf die Inanspruchnahme einer dortigen innerstaatlichen Fluchtalternative zu verweisen. Zur befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen ist. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision: Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei den im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen im Rahmen der Prüfung der Asylrelevanz des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers, der Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers sowie der Prüfung, ob dem 30

Beschwerdeführer eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, auf die existierende zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Für die Feststellung des nach dieser Judikatur erforderlichen Tatsachensubstrates waren dagegen beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.