Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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01.10.2018 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 01.10.2018 Geschäftszahl W252 2148401-1 Spruch W252 2148401-1/7E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elisabeth SHALA, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2017, Zl.XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text BEGRÜNDUNG: I. Verfahrensgang: 1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 27.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. 2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass sein Onkel vor ca. sechs Jahren in Kabul getötet worden sei. Der Vater des Beschwerdeführers habe den Täter erkannt und daraufhin Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Polizei habe jedoch nichts unternommen und nach einiger Zeit hätte die Familie des Beschwerdeführers Drohanrufe erhalten. Der Beschwerdeführer vermute, dass der Täter auch den Vater und den Bruder des Beschwerdeführers entführt habe und sei er deshalb aus seinem Heimatland geflohen. 3. Das in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 14.11.2015 nennt betreffend den Beschwerdeführer den XXXX als spätestmögliches "fiktives" Geburtsdatum, sodass der Beschwerdeführer zum Antragszeitpunkt bereits volljährig war. Gestützt auf das Sachverständigengutachten stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) mit Verfahrensanordnung vom 15.01.2016 das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX fest. 4. Am 20.10.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) statt, bei der auch die in Österreich lebende Tante des Beschwerdeführers anwesend war. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass vor 24 Jahren der Onkel des Beschwerdeführers von seiner Frau und seinem Schwager vergiftet worden sei und seither eine Feindschaft bestehe. Vor sieben www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018 Jahren sei ein weiterer Onkel des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang getötet worden. Danach hätten die Täter den Vater des Beschwerdeführers und seinen Bruder angerufen und bedroht. Der Bruder und der Vater des Beschwerdeführers seien in weiterer Folge von unbekannte Personen entführt worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen. 5. Das Bundesamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem Bescheid vom 20.01.2017, ZI. XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine bis zum 23.01.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Auch sonst seien im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz der behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat hindeuten würden. Es würden beim Beschwerdeführer jedoch aufgrund der allgemeinen humanitären Lage in Afghanistan in Verbindung mit seiner persönlichen Situation stichhaltige Gründe bestehen, dass er bei einer Abschiebung Gefahr laufen würde, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. 6. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 20.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. 7. Der Beschwerdeführer erhob, vertreten durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass das Bundesamt ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, da keine Länderberichte zu dem Thema Blutrache herangezogen worden seien. Weiters habe sich das Bundesamtes unzureichend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und habe zudem eine unschlüssige Beweiswürdigung durchgeführt. Aufgrund der unrichtigen Rechtsanwendung und erheblicher Verfahrensfehler sei die Entscheidung betreffend Spruchpunkt I. unzulässig und wäre dem Beschwerdeführer internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen. 8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.09.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer u.a. ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt übermittelt. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen: 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, spricht Dari als Muttersprache, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Er ist ledig und hat keine Kinder (AS 1, 141; Protokoll vom 04.09.2018 - OZ 5, S. 6). Der Beschwerdeführer ist in der Stadt Kabul geboren und gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern (fünf Brüder und zwei Schwestern) dort aufgewachsen. Im Alter von drei bis vier Jahren ist der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach Pakistan gegangen. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan acht Jahre lang die Schule besucht. Im Jahr 2014 ist der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern nach Afghanistan zurückgekehrt (AS 205; OZ 5, S. 6 f). Der Beschwerdeführer verfügt in Kabul noch über seine Mutter, Onkeln, Tanten, eine Schwester und zwei seiner Brüder. Zwei Onkel des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Ein Bruder und der Vater des Beschwerdeführers sind seit 2014 verschollen (AS 143; OZ 5, S. 7 f). Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über eine Schwester, einen Onkel und eine Tante (AS 5, 201; OZ 5, S. 7). Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018 Der Beschwerdeführer leidet an der Hautkrankheit Psoriasis vulgaris vom chronisch-stationären Palgue Typ (Schuppenflechte). Er ist arbeitsfähig (AS 153 ff, OZ 5, S. 5). 1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers: Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden. Ein Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers wurde vor rund 25 Jahren von dessen Frau und dessen Schwager ermordet. Es kann nicht festgestellt werden, wer den zweiten Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers vor rund neun Jahren ermordet hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, wer den Bruder und den Vater des Beschwerdeführers entführt hat. Es wird festgestellt, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht worden ist und der Beschwerdeführer deshalb aus seinem Heimatland geflohen ist. Ebenso wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch staatliche Behörden oder durch andere Personen drohen würde. 1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan: 1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 wiedergegeben: Sicherheitslage Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018). Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.). Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien