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01.10.2018

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 01.10.2018

Geschäftszahl W252 2148401-1

Spruch W252 2148401-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elisabeth SHALA, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2017, Zl.XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 27.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass sein Onkel vor ca. sechs Jahren in getötet worden sei. Der Vater des Beschwerdeführers habe den Täter erkannt und daraufhin Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Polizei habe jedoch nichts unternommen und nach einiger Zeit hätte die Familie des Beschwerdeführers Drohanrufe erhalten. Der Beschwerdeführer vermute, dass der Täter auch den Vater und den Bruder des Beschwerdeführers entführt habe und sei er deshalb aus seinem Heimatland geflohen.

3. Das in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 14.11.2015 nennt betreffend den Beschwerdeführer den XXXX als spätestmögliches "fiktives" Geburtsdatum, sodass der Beschwerdeführer zum Antragszeitpunkt bereits volljährig war. Gestützt auf das Sachverständigengutachten stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) mit Verfahrensanordnung vom 15.01.2016 das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX fest.

4. Am 20.10.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) statt, bei der auch die in Österreich lebende Tante des Beschwerdeführers anwesend war. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass vor 24 Jahren der Onkel des Beschwerdeführers von seiner Frau und seinem Schwager vergiftet worden sei und seither eine Feindschaft bestehe. Vor sieben www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018

Jahren sei ein weiterer Onkel des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang getötet worden. Danach hätten die Täter den Vater des Beschwerdeführers und seinen Bruder angerufen und bedroht. Der Bruder und der Vater des Beschwerdeführers seien in weiterer Folge von unbekannte Personen entführt worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen.

5. Das Bundesamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem Bescheid vom 20.01.2017, ZI. XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine bis zum 23.01.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Auch sonst seien im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz der behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat hindeuten würden. Es würden beim Beschwerdeführer jedoch aufgrund der allgemeinen humanitären Lage in Afghanistan in Verbindung mit seiner persönlichen Situation stichhaltige Gründe bestehen, dass er bei einer Abschiebung Gefahr laufen würde, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

6. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 20.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

7. Der Beschwerdeführer erhob, vertreten durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass das Bundesamt ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, da keine Länderberichte zu dem Thema Blutrache herangezogen worden seien. Weiters habe sich das Bundesamtes unzureichend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und habe zudem eine unschlüssige Beweiswürdigung durchgeführt. Aufgrund der unrichtigen Rechtsanwendung und erheblicher Verfahrensfehler sei die Entscheidung betreffend Spruchpunkt I. unzulässig und wäre dem Beschwerdeführer internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.09.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer u.a. ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, spricht Dari als Muttersprache, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Er ist ledig und hat keine Kinder (AS 1, 141; Protokoll vom 04.09.2018 - OZ 5, S. 6).

Der Beschwerdeführer ist in der Stadt Kabul geboren und gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern (fünf Brüder und zwei Schwestern) dort aufgewachsen. Im Alter von drei bis vier Jahren ist der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach Pakistan gegangen. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan acht Jahre lang die Schule besucht. Im Jahr 2014 ist der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern nach Afghanistan zurückgekehrt (AS 205; OZ 5, S. 6 f).

Der Beschwerdeführer verfügt in Kabul noch über seine Mutter, Onkeln, Tanten, eine Schwester und zwei seiner Brüder. Zwei Onkel des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Ein Bruder und der Vater des Beschwerdeführers sind seit 2014 verschollen (AS 143; OZ 5, S. 7 f).

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über eine Schwester, einen Onkel und eine Tante (AS 5, 201; OZ 5, S. 7).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018

Der Beschwerdeführer leidet an der Hautkrankheit Psoriasis vulgaris vom chronisch-stationären Palgue Typ (Schuppenflechte). Er ist arbeitsfähig (AS 153 ff, OZ 5, S. 5).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Ein Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers wurde vor rund 25 Jahren von dessen Frau und dessen Schwager ermordet.

Es kann nicht festgestellt werden, wer den zweiten Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers vor rund neun Jahren ermordet hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, wer den Bruder und den Vater des Beschwerdeführers entführt hat.

Es wird festgestellt, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht worden ist und der Beschwerdeführer deshalb aus seinem Heimatland geflohen ist.

Ebenso wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch staatliche Behörden oder durch andere Personen drohen würde.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 wiedergegeben:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA 2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht- ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

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Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium- Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): , Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/, Farza, , Kabul Stadt, , Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, , Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018 auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem HaqqaniNetzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani- Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018)

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi- nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

Tadschiken

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte (CRS 12.1.2015; vgl. LIP 5.2018); und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (LIP 5.2018). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten: In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIP 5.2018). Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Der Hauptführer der "Nordallianz", einer politisch-militärischen Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist (CRS 12.1.2015). Trotz seiner gemischten Abstammung, sehen ihn die Menschen als Tadschiken an (BBC 29.9.2014). Auch er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war (CRS 12.1.2015). Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015); ein Amt, das speziell geschaffen wurde und ihm die Rolle eines Premierministers zuweist (BBC 29.2.2014).

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

1.3.2. Zusammenfassende Darstellung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 des UNHCR vom 04.05.2016:

"Laut UNHCR können folgende Asylsuchende aus Afghanistan, abhängig von den im Einzelfall besonderen Umständen, internationalen Schutz benötigen. Diese Risikoprofile sind weder zwangsläufig erschöpfend, noch werden sie der Rangfolge nach angeführt: www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;

(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;

(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;

(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;

(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;

(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige)."

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdeninformationssystem, in einen Strafregisterauszug und einen Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden (Geburtsurkunde des Beschwerdeführers [AS 147]; diverse ärztliche Unterlagen des Beschwerdeführers, [AS 151 ff]) und die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urkunden (Bestätigung der Überfälle auf die Onkel des Beschwerdeführers vom 13.11.2010).

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, sein Umzug nach Pakistan, seine Schulbildung und seine Berufserfahrung) sowie zu www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018 seinem derzeitigen Familienstand gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen zu zweifeln.

2.1.2. Die Feststellungen zu dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf seinen glaubwürdigen Angaben in der Einvernahme und der mündlichen Verhandlung, sowie den vorgelegten ärztlichen Unterlagen (Befund des Landesklinikums Wr. Neustadt vom 19.10.2015; Befund des AKH vom 22.01.2016; Röntgenbefund vom 29.04.2016; Laborbefund vom 25.04.2016). Soweit der Beschwerdeführer im Verfahren angegeben hat, dass er in ärztlicher Behandlung sei, ist anzumerken, dass aus den vorgelegten Befunden hervorgeht, dass er lediglich an Schuppenflechte leidet und sich deswegen in ärztlicher Therapie befindet. Der Beschwerdeführer leidet somit an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit und ist dadurch auch nicht in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom 03.09.2018).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer nach seiner Erstbefragung in der Einvernahme vor dem Bundesamt die Gelegenheit gehabt, seine Gründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragung festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der mündlichen Verhandlungen des Bundesverwaltungsgerichts, hat dieses auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine gezielte und auch keine konkrete Verfolgung droht.

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr aufgrund einer Familienfehde, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

2.2.1.1. In der polizeilichen Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass vor sechs Jahren sein Onkel getötet worden sei. Der Vater des Beschwerdeführers hätte den Mörder erkannt und daraufhin Anzeige bei der Polizei erstattet. Danach sei die Familie des Beschwerdeführers von unbekannten Anrufern bedroht worden und seien auch der Bruder und der Vater des Beschwerdeführers entführt worden (AS 9).

Im Gegensatz dazu gab er in der Einvernahme vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung darüberhinausgehend an, dass sein Leben aufgrund einer Feindschaft seiner Familie in Gefahr sei, die seit über 20 Jahren bestehe (AS 203 ff; OZ 5, S. 9). Als Grund für diese Feindschaft führte der Beschwerdeführer die Ermordung des Onkels des Beschwerdeführers durch seine Frau und seinen Schwager vor rund 25 Jahren an. Seither sei die Familie des Beschwerdeführers mehrfach telefonisch und durch Drohbrief mit dem Umbringen bedroht worden und sei sechs Jahre vor seiner Ausreise ein weiterer Onkel des Beschwerdeführers ermordet worden, sowie in weiterer Folge der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers entführt worden (OZ 5, S. 10 f).

Auffallend war dabei, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung einen wesentlichen Teil seiner Fluchtgeschichte weggelassen hat. Gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer die seit über 20 Jahren bestehende Feindschaft seiner Familie, somit den wesentlichsten Teil seiner Fluchtgründe zunächst nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar und zumindest als Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen zu werten.

2.2.1.2. Die angegebenen Fluchtgründe waren außerdem insgesamt unplausibel. Der Beschwerdeführer gab im Verfahren an, dass eine Feindschaft bestehe, da sein Onkel vor ca. 25 Jahren von dessen Frau und dessen Schwager ermordet worden sei. Seither habe die Familie der Frau regelmäßig Drohungen ausgestoßen und sei in www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018 weiterer Folge noch einen weiteren Onkel des Beschwerdeführers ermordet und der Bruder sowie der Vater des Beschwerdeführers entführt worden (AS 204 ff; OZ 5, S. 9). Laut den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren gab es in all den Jahren seit der Ermordung des ersten Onkels keine Rachehandlungen seitens der Familie des Beschwerdeführers. Es scheint daher nicht nachvollziehbar, dass die Familie der Frau weiterhin Familienmitglieder des Beschwerdeführers ermordet und entführt habe, wenn die Familie des Beschwerdeführers selbst keine Rachehandlungen gesetzt habe. Aus den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Länderberichten geht hervor, dass Blutfehden und Blutrache "aus dem Begehen von Gewalt oder Unrecht im Rahmen von Ehrenverletzungen, Landstreitigkeiten und Familien- oder Beziehungskonflikten entstehen" und die Vergeltungshandlungen dabei zur "Wiederherstellung der Gerechtigkeit" bzw. der "Rache an Übeltätern" dienen würden (siehe Beschwerdeschrift). Charakteristisch für Blutfehden in Afghanistan ist daher vor allem die beidseitige Anwendung von Racheakten.

Trotzdem der Beschwerdeführer aufgrund seiner nachvollziehbaren und plausiblen Angaben in der Einvernahme und in der Verhandlung glaubhaft gemacht hat, dass der Ursprung der Familienfehde - die Ermordung des ersten Onkels - tatsächlich stattgefunden hat, handelt es sich dabei aufgrund der geschilderten Umstände, insbesondere wegen der fehlenden Gewaltanwendung der Familie des Beschwerdeführers, um keinen plausiblen Auslöser für eine Blutfehde und ist es aus der Sicht des erkennenden Gerichts daher nicht plausibel, dass deswegen mehrere weitere Angehörige des Beschwerdeführers angegriffen wurden und die Familie des Beschwerdeführers deswegen weiterhin bedroht werde.

Die Tante des Beschwerdeführers gab vor dem Bundesamt und in der Verhandlung zudem an, dass sie bis heute nicht wisse, warum der Onkel des Beschwerdeführers damals ermordet worden sei (AS 203; OZ 5, S. 15). Zum Inhalt der Drohanrufe konnte der Beschwerdeführer im Verfahren auch keine genauen Angaben machen, außer, dass sie "uns auch vernichten werden" (AS 207; OZ 5, S. 11). In diesem Zusammenhang war es daher nicht plausibel, dass in all den Jahren, die seit der Ermordung des Onkels vergangen sind, in keinem der zahlreichen Drohanrufe und Drohbriefe zur Sprache gekommen sei, weshalb die Familie des Beschwerdeführers "vernichtet werden" solle.

2.2.1.3. Weiters waren die Angaben des Beschwerdeführers über die Entführung seines Vaters und seines Bruders äußerst vage und wenig detailliert. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zu der Entführung lediglich Folgendes an: "R: Wo sind Ihr Vater und Ihr Bruder entführt worden? BF: Keiner weiß das. Sie wurden aus Kabul entführt, wohin, wissen wir nicht" (OZ 5, S. 8). Das erkennende Gericht konnte daraus nicht erkennen, dass es sich dabei um tatsächliche Ereignisse handelt.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Entführungen waren außerdem unplausibel. Angesichts der geschilderten Vorgeschichte der Familienfehde ist es aus der Sicht des erkennenden Gerichts nicht nachvollziehbar, dass der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers nur entführt worden seien. Da die Verfolger bisher keine Forderungen gestellt hätten und auch sonst kein besonderes Motiv, außer dem Wunsch nach der "Vernichtung der Familie des Beschwerdeführers", offenbart hätten, ist es nicht nachvollziehbar, dass der Bruder und der Vater des Beschwerdeführers entgegen dem bisherigen Vorgehen der Verfolger am Leben gelassen wurden. Die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Tante in der mündlichen Verhandlung deuten jedoch daraufhin, dass der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers zumindest vor ihrer Ausreise aus Afghanistan noch am Leben gewesen seien (OZ 5, S. 11).

2.2.1.4. Die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren waren außerdem teilweise widersprüchlich: Der Beschwerdeführer machte vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung übereinstimmende Angaben darüber, dass die Ermordung des zweiten Onkels durch den Vater des Beschwerdeführers bei der Polizei angezeigt worden sei (AS 207; OZ 5, S. 13). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zusätzlich jedoch an, dass sein Vater nach einer gewissen Zeit bei der Polizei nachgefragt hätte. Ihm sei dabei mitgeteilt worden, dass die Anzeige verschwunden sei (OZ 5, S. 13). Im Gegensatz dazu gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt an, dass die Polizei gesagt habe, dass sie sich bemühen werde, aber aufgrund der Verbindungen der Mörder nichts erreichen konnte (AS 207). Es war für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang widersprüchliche Angaben gemacht hat und scheinen seine Aussagen daher nicht glaubhaft.

2.2.1.5. Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesamt und in der Verhandlung zudem an, dass die Familie des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise aus Afghanistan telefonisch und mittels Drohbriefen bedroht worden sei (OZ 5, S. 10). Zuerst sei der Vater des Beschwerdeführers und nach der Entführung des Vaters die Mutter angerufen worden. Die Mutter sei mindestens alle zwei Tage angerufen worden. Es sei auch an ihre Tür geklopft worden. Die Familie des Beschwerdeführers habe deswegen drei bis viermal das Haus gewechselt (OZ 5, S. 11).

Die Angaben des Beschwerdeführers zu der fortdauernden Bedrohung durch unbekannte Personen sind nicht plausibel. Es war in diesem Zusammenhang nicht lebensnah, dass die Verfolger keine inhaltlichen Forderungen www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018 an die Familie des Beschwerdeführers gerichtet hätten und sie dennoch unzählige Male kontaktiert haben sollen. Der Familie des Beschwerdeführers sei dadurch lediglich die Möglichkeit gegeben worden, ihren Wohnsitz zu wechseln und der Beschwerdeführer habe genügend Zeit gehabt aus Afghanistan zu flüchten. Würden die Verfolger daher wirklich - wie vom Beschwerdeführer angegeben - auf die Vernichtung der Familie des Beschwerdeführers abzielen, hätten sie mit Sicherheit anders agiert und scheinen die Angaben des Beschwerdeführers daher nicht glaubhaft. Es war in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollziehbar, dass die Verfolger offensichtlich den Aufenthaltsort der Familie des Beschwerdeführers gekannt hätten, da sie diese auch regelmäßig zuhause aufgesucht haben sollen, es aber zu keinen weiteren Angriffen auf die übrigen Familienmitglieder gekommen sei.

Weiters war es nicht plausibel, dass die Familie des Beschwerdeführers trotz mehrmaliger Wohnsitzwechsel in einer Metropole wie Kabul von ihren Verfolgern regelmäßig wiedergefunden werden konnte.

Der Beschwerdeführer gab zu dem Inhalt der Bedrohungen sowohl vor dem Bundesamt als auch in der Verhandlung lediglich an, dass am Telefon nur gesagt worden sei, dass sie die Familie des Beschwerdeführers vernichten werde (AS 207; OZ 5, S. 11). Die Angaben des Beschwerdeführers waren diesbezüglich sehr vage und wenig detailliert. Es war dabei aus der Sicht des erkennenden Gerichts nicht verständlich, dass der Beschwerdeführer keine genaueren Angaben zu dem Inhalt der Bedrohungen machen konnte, obwohl die Familie nach seinen Angaben im Verfahren unzählige Male angerufen worden sei, mehrere Drohbriefe erhalten haben soll und der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben auch persönlich mit den unbekannten Personen gesprochen habe (AS 207; OZ 5, S. 10 f).

Lediglich am Rande sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass der Beschwerdeführer im Verfahren keine Drohbriefe vorgelegt hat und auch keine Angaben dazu gemacht hat, wo die angegebenen Drohbriefe seien.

In einer Gesamtschau des Vorbringens konnte daher nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Privatpersonen droht.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die den Länderfeststellungen (vgl. Punkt II.1.3.) zu Grunde liegenden Berichte wurden in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihm wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und allenfalls dazu innerhalb einer Frist von einer Woche Stellung zu nehmen.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der - zulässigen - Beschwerde

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb

www.ris.bka.gv.at Seite 11 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018 des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt wurde, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen, infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt, nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2.1. dargestellt, kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines konkreten Vorbringens zu seinem primären Fluchtgrund (betreffend die Gefahr, in Afghanistan seitens Privatpersonen physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein) keine Glaubwürdigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

3.3. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG abzuweisen. www.ris.bka.gv.at Seite 12 von 13 Bundesverwaltungsgericht 01.10.2018

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2018:W252.2148401.1.00

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