A Conversation with Miško Šuvaković Spaceship Yugoslavia Crew Spaceship Yugoslavia / Arbeitsgruppe Raumschiff Jugoslawien
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Raumschiff Jugoslawien Die Aufhebung der Zeit Spaceship Yugoslavia The The Suspension of Time Raumschiff Jugoslawien/ Spaceship Yugoslavia Naomi Hennig, Jovana Komnenić, Arman Kulašić, Dejan Marković, Arnela Mujkanović, Katja Sudec, Anita Šurkić Wir, die Generation deren Erinnerung an ein sozialistisches Jugoslawien in der Zeit unserer Kindheit angesiedelt ist, fragen uns, inwieweit wir überhaupt eine reale Möglichkeit haben, an eine kritische Referenz anzuknüpfen aus der wir konstruktive Erfahrungen herausziehen können. Auch stammen wir nicht aus einem geregelten System, d.h. unsere Erfahrungen sind unabänderlich an einen Transitionsprozess gekoppelt. Wir können uns weder nach hinten noch nach vorne teleportieren. Wir laufen auf der Erde (und in vielen Ländern), haben aber keinen festen Boden unter den Füßen. Unser gemeinsames Erbe, unsere kulturelle Anbindung ist eine aufgelöste Geschichte, ein schwebender Raum ... ein Raumschiff, auf den Namen Jugoslawien getauft. We ask ourselves—a generation whose childhood memories are anchored in a socialist Yugoslavia— if it is indeed possible to latch onto a critical nexus from which we may have constructive experiences. We did not grow up in an orderly system, causing our experiences to be irrevocably linked with a transition process. We cannot be transported backward or forward in time. We walk this earth in different countries, but have no fixed ground under our feet. Our common inheritence, our cultural connection, is a disintegrated history, a tentative space; it is a spaceship named Yugoslavia. Inhalt / Content 10 Raumschiff Jugoslawien / Die Aufhebung der Zeit 19 Spaceship Yugoslavia / The Suspension of Time Spaceship Yugoslavia Crew Spaceship Yugoslavia / Arbeitsgruppe Raumschiff Jugoslawien 34 Ein Gespräch mit Miško Šuvaković 48 A Conversation with Miško Šuvaković Spaceship Yugoslavia Crew Spaceship Yugoslavia / Arbeitsgruppe Raumschiff Jugoslawien 62 Drei Einträge für ein Jugoslawien-Glossar 66 Three Entries for a Glossary of the Yugoslav Event Gal Kirn 72 Projekt Jugoslawien: Die Dialektik der Revolution 84 Project Yugoslavia: The Dialectics of the Revolution Ozren Pupovac 96 Die jugoslawische Arbeiterselbstverwaltung 102 Yugoslav Workers Self-Management Todor Kuljić im Interview mit / in an interview with Oliver Ressler 108 YU GO Banditen! 113 YU GO Bandits! Vedrana Madžar 120 / 168 How to Make a Refugee Phil Collins 122 / 168 Erstereich Marcel Marliš 124 / 169 Shoelaces are Undone & Zagor against Zagor The Blind Spot – Banners Damir Radović Das Erbe der Jugoslawischen Revolution. 126 Artefakte zwischen Erinnerung und Negation 170 Heritage of the Yugoslav Revolution: Artefacts Between Memory and Neglect Marko Krojač 129 Die Kraft liegt in unserer jungen Generation 171 The Power Lies in Our Young Generation Klopka za pionira 132 / 173 Disputed Histories Vahida Ramujkić Čega je danas ime rat? 134 Wie ist der Name des Krieges heute? 172 What is the Name of War Today? Grupa Spomenik 137 / 173 Woman in Black Vesna Pavlović 140 / 173 Naming the Bridge: Nakie Bajram and Rosa Plaveva Hristina Ivanoska 142 / 174 Theta Rhythm Bojan Fajfrić 144 Drei Reden 174 Three Speeches Laibach & Peter Mlakar 366 Liberation Rituals 150 und Aktion am Treptower Ehrenmal 177 and Action at the Soviet War Memorial, Berlin Igor Grubić 153 / 178 Tales of Protest. A Necessity Nina Höchtl 154 / 179 SubDocumentary Adela Jušić & Lana Čmajčanin 156 Unsichtbares Sisak 179 Invisibel Sisak Marijan Crtalić 159 / 180 Tonys Alban Muja 161 / 181 A Permanent State of Exception: Ideologies & Newborn Sebastjan Leban & Staš Kleindienst 186 Autor_innen / Authors 187 Künstler_innen / Artists 190 Arbeitsgruppe / Project Team 192 Projekte / Projects 192 Ausstellungen / Exhibitions 193 Literaturliste / Bibliography 196 Impressum / Imprint Raumschiff Jugoslawien Die Aufhebung der Zeit Spaceship Yugoslavia Crew, June 2011 Mit der Transformation der europäischen sozialistischen Staatssysteme nach 1989 wurde eine neue Episode in der Weltgeschichte eingeleitet, die in den sogenannten Transitionsgesellschaften vor allem eine Hegemonie des liberalen Marktes etablierte. Die politischen Positionen des Post- kommunismus artikulieren sich dadurch, dass sie alle Facetten des ehe- maligen Systems als Teile eines totalitären Gebildes abwerten, um ihren Freiheitsanspruch (Freiheit in Bezug auf ethnische Identität und/oder auf privates Eigentum) rechtfertigen zu können. Wollen wir vor diesem 9 Hintergrund die spezifische Geschichte der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien betrachten, so stoßen wir auf ein ambivalentes Bild, das keineswegs nur einfarbig, eindeutig oder gar totalitär erscheint. Inwiefern kann eine von Nostalgie und Revisionismus Abstand haltende Anerkennung dieser Vergangenheit gedacht und reflektiert werden, um zur Konzeption zukünftiger Veränderungsprozesse beizutragen? Transition als Nicht-Ort der Geschichte Ozren Pupovac diagnostiziert das fehlende Selbstbewusstsein der post- kommunistischen Identität, in der es kein Bild des Selbst als Subjekt der Geschichte geben kann. Ihm zufolge ist der Postkommunismus ein delo- kalisierter (misplaced) Zustand, ein Ort, der sich ständig in Bezug auf das Vergangene, sowie auf das Zukünftige – also auf das, was nicht mehr, bzw. noch nicht ist – definiert und mit diesen ständigen Bezugnahmen schließ- lich das eigene Jetzt aus den Augen verliert oder verleugnet. Der Postkommunismus integriert einerseits eine rückwärtsgewandte nationalistische identitäre Ideologie aus dem 19. Jahrhundert, anderer- seits orientiert sich dieser Nicht-Ort des Jetzt an der Vorstellung einer zukünftigen Perfektion neoliberaler Demokratie und des Kapitalismus. Dadurch ist jede Möglichkeit des Ausbruchs aus dieser „presentless time“ (Pupovac), jede emanzipatorische Position unterminiert. „Presentless times are those times which are voided of an idea of radical change, times in which a qualitative transformation of our social condi- tions seems not only improbable but impossible: a foolish utopia.“ 1 Der Untertitel des Projekts, „Aufhebung der Zeit“, greift diese treffende Konzeptualisierung der postkommunistischen Transition von Ozren Pupovac auf. Wir sprechen von dem merkwürdigen Zustand, in dem die Zeitlichkeit des Jetzt aufgehoben ist und wo Identifikation permanent im Vakuum des ‚weder-noch‘ zirkuliert. Indem wir uns über diese illusionslose Beschreibung der heutigen Situa- tion, über die „post-utopischen, post-historischen, post-kritischen Zustän- de des Postkommunismus“ hinwegsetzen, lernen wir, das nicht nennbare 10 und unmöglich gemachte Jugoslawien (und wir meinen nicht: Ex-Jugos- lawien) zu denken. In seinen verbliebenen territorialen Überresten ist es zwar Teil jener oben beschriebenen „gegenwartslosen Zeit“, jedoch ver- bleibt ein bestimmter, kaum zu bezeichnender Überschuss, der nicht in die nationalen Narrative der Gegenwart zu integrieren ist: Jugoslawien soll hier verstanden werden als Name, welcher, erneut ausgesprochen, das Jetzt wiederum in Bewegung versetzt. Eben dies verstehen wir als eman- zipatorisches Potential. „Emancipatory politics is [...] always about the ‚wrong‘ names and ‚wrong‘ identities – it is about the ‚misnomer that articulates a gap and connects it with a wrong‘. In this configuration, emancipation is always about the ‚wrong‘, since by definition it includes those who are excluded – ‚the part without parts‘; emancipatory politics arises precisely through the process of ‚counting those who are uncounted‘“. 2 Evolution eines ex-territorialen Projekts Die Anfänge des Projektes Raumschiff Jugoslawien reichen in die Zeit als wir – damals Studierende in Berlin und Bremen – uns entschlossen hatten, eine verbindende Fragestellung darüber zu artikulieren, was aus unse- ren Erinnerungen an das ehemalige Jugoslawien zu einem verständlichen gemeinsamen Bild konstruiert werden könnte. Ausgangspunkt unserer Diskussionen war, dass der größere Teil der Gruppe durch eine gemeinsa- me Herkunft verbunden ist – von sieben Mitgliedern stammen sechs aus dem ex- oder postjugoslawischen kulturellen und geografischen Raum. Wir wollten herausfinden, wie wir uns über ein territoriales, abgrenzen- des und national begründetes Selbstverständnis gründlich und nachvoll- ziehbar hinwegsetzen können. Wir begannen darüber zu diskutieren, was auf uns als ‚Jugoslawen‘ projiziert wird und was dem Bild der tanzenden, ballernden, trinkenden Balkan-Exotik entgegengesetzt werden könnte. Spätestens während der Recherchereise durch die Länder des ehemaligen Jugoslawien wurde uns schließlich klar, dass der Anfangs proklamierte multikulturelle Konsolidierungsdiskurs – vor allem auf Grund seiner kul- turideologischen Angepasstheit an die offizielle Kulturpolitik eines liberal- demokratischen ‚Europas der Nationen‘ – keinen effektiven Standpunkt 11 bot, um die politischen Themen, die sich vor uns auftaten, zu adressieren. Die Frage kam auf: Welche gemeinsame Position muss unsere Arbeits- gruppe konstruieren, um ein Feld zu bearbeiten, das einerseits von einem vielschichtigen politik- und kulturwissenschaftlichen Diskurs, von do- minanten kuratorischen Erzählungen vorstrukturiert ist, und das doch zugleich mit dem persönlichen Leben verknüpft bleibt und in die indivi- duellen Erfahrungen der Einzelnen zerfällt? Die einzig mögliche Lösung lag in der Artikulation einer gemeinsamen Plattform, die auf der Grund- lage einer sich stetig weiterentwickelnden kritischen Meinungsbildung ein für alle Beteiligten ansprechbares und nachvollziehbares emanzipato- risches Potenzial beinhaltet. Diese Vermittlungssprache