Artenreiche Wälder Im Bungsberggebiet, Ostholstein – Wald Und Vegetation Im Wandel Der Zeit
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Artenreiche Wälder im Bungsberggebiet, Ostholstein – Wald und Vegetation im Wandel der Zeit von Katrin Romahn und Ulf Köhn Kurzfassung Die Wälder im Bungsberggebiet sind ein Schwerpunkt der Waldartenvielfalt in Schleswig-Holstein. Eine standörtliche und historische Betrachtung dokumentiert den Wandel, dem die Waldökosysteme im Laufe der Geschichte unterworfen gewesen sind. Walddevastierung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Oldenburger Dunkelwirtschaft sowie Nachkriegs- und Reparationshiebe haben die Wälder geprägt. Die aktuelle Gefäß- pflanzenflora des Gebietes wurde 2014 untersucht. Anhand der punktgenauen Daten charakteristischer Arten werden standörtliche und floristische Besonderheiten der Bungsbergwälder herausgearbeitet. Besonders wertvolle Waldteile und Schlüsselstrukturen werden identifiziert und daraus Hinweise zum Schutz sensibler Waldökosysteme entwickelt. Als Schlüssellebensräume werden Au- und Quellwaldsysteme, Moore und Sümpfe sowie Waldwiesen und artenreiche Wegränder vorgestellt. Das in den Wäldern der Herzoglich- Oldenburgischen Forstverwaltung seit 1950 praktizierte Konzept des »Naturgemäßen Waldbaues« und die Synergieeffekte mit dem Naturschutz werden diskutiert. 1 Einleitung Das Bungsberggebiet ist eine der waldreichsten Gegenden Schleswig-Holsteins. Die Wälder in diesem Gebiet wurden anhand einer Analyse der schleswig-holsteinischen Gefäßpflanzen-Atlasses (Raabe 1987) als besonders reich an Waldpflanzen identifiziert (Romahn 2015 a, in diesem Heft). Da bis dato kaum aktuelle Daten aus dem Bungs- berggebiet vorlagen, wurde es 2014 im Rahmen der Kooperation »Hotspots der Arten- vielfalt« des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume sowie der AG Geobotanik in Schleswig-Holstein und Hamburg e. V. kartiert. Charakteristische Arten wurden punktgenau erfasst und in die Gefäßpflanzen- Datenbank eingegeben. Außerdem werden jene Arten aufgenommen, für die Schles- wig-Holstein eine besondere Verantwortung aufweist. Die Bestandsaufnahme erfolgt einschließlich der Populationsgrößen und der Gefährdung vor Ort. Die punktgenauen Daten helfen bei der Identifikation der besonders wertvollen Waldteile und Schlüssel- strukturen und damit beim Schutz sensibler Waldökosysteme (Romahn 2015 c). Aktuelle botanische Kartierungen können jedoch nur eine Momentaufnahme sein. Für die Wälder des Bungsberggebiets wurde der Ansatz der Dokumentation des aktuellen Artenbestandes um die Betrachtung der historischen und aktuellen Waldnutzung erweitert. Diese liefert unverzichtbare Hinweise zum Verstehen des Werdens und Vergehens von Waldpflanzengemeinschaften. Unter anderem versuchen wir uns den Fragen zu nähern, welche Faktoren zu tiefgreifenden Veränderungen in den Ökosyste- men geführt haben und wie Waldarten trotz dieses Wandels im Laufe der Geschichte im Gebiet überdauern konnten. Mitt. Arbeitsgem. Geobot. Schleswig-Holstein Hamb. 68 - http://www.ag-geobotanik.de/mitt.htm - ISSN: 0344-8002 © 2015 AG Geobotanik in Schleswig-Holstein und Hamburg e. V. 288 Mitt. Arbeitsgem. Geobot. Schleswig-Holstein Hamb. 68: 287-328 Abb. 1: Übersicht über die untersuchten Waldgebiete: 1 Weißenhaus Eitz, 2 Wassermühlenholz/Kükelühner Mühlenau, 3 Testorfer Au südl. Farver Burg, 4 Steinbek südöstl. Testorf, 5 Hellberg, 6 Steinbusch, 7 Löhrsdorfer Holz/Kremperkate, 8 Thimmhofen, 9 Bungsberg, Buchholz, 10 Große Wildkoppel, 11 Glinde, 12 Hollergraben und benachbarte Bachschluchten, 13 Kniphagener Holz, 14 Hohes Holz/Kieferngehege Kasseedorf, 15 Lachsbachtal nördlich Sierhagen, 16 Lensahnerhof, 17 Voßgraben Güldenstein, Johannishof Romahn, Köhn: Artenreiche Wälder im Bungsberggebiet, Ostholstein 289 Lage und Abgrenzung Die untersuchten Wälder liegen in Schleswig-Holstein im Kreis Ostholstein nordöstlich der Kreisstadt Eutin. Das Untersuchungsgebiet wird im Süden durch das Gut Sierhagen, im Norden durch die Ostsee bei Weißenhaus, im Westen von dem Ort Sibbersdorf und im Osten durch den Ort Lensahn eingerahmt. Das Bungsberggebiet ist eines der wald- reichsten Gebiete in Schleswig-Holstein. Die Gemeinde Kasseedorf hat einen Waldan- teil von 27,8 % (Trüper & Gondesen 1992) und der Anteil der Gemeinde Schönwalde beträgt 21,6 % (Bendfeldt et al. 2002). Die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten AöR sind mit nur 40 ha Wald am Bungs- berg im Untersuchungsgebiet vertreten. Der größte Anteil der untersuchten Wälder mit etwa 2000 ha ist im Eigentum der Herzoglich Oldenburgischen Forstverwaltung Lensahn. Im Norden sind vor allem bachbegleitende Wälder der Gutsverwaltungen Farve und Weißenhaus mit geschätzt 120 ha begutachtet worden. Im Süden wurden Wälder der Sierhagener und Banndorfer Forstverwaltung, der Privatwald Kniphagen und einige kleinere Waldparzellen weiterer Waldbesitzer entlang der Kremper Au und des Lachsbaches mit etwa 100 ha untersucht. Geologie, Relief und Böden Das Bearbeitungsgebiet liegt im Schleswig-Holsteinischen Hügelland, dem Naturraum Ostholsteinisches Hügel- und Seenland, einer durch die Weichseleiszeit geprägten Jungmoränenlandschaft. Die forstliche Standortkartierung ordnet das Bungsberggebiet dem Wuchsgebiet Schleswig-Holstein Ost und dem Wuchsbezirk Mittleres Hügelland zu (AK Standortkartierung & AG Forsteinrichtung 1985). Das Mittlere Hügelland wurde durch die jüngste Eiszeit des Weichselglazials geprägt. Eine Oszillation mehre- rer Gletschervorstöße und das Rückschmelzen während wärmerer Perioden formte ein abwechslungsreiches Relief aus Seen, Hügeln, Tälern und Schluchten sowie ausgepräg- ten Niederungsgebieten. Inmitten dieser Landschaft liegt die höchste Erhebung Schleswig-Holsteins, der Bungsberg, mit einer Höhe von 167 m NN. Geologisch interessant sind zudem die Binnensander als kiesig-sandige Wasserablagerungen vor ehemaligen Gletschertoren und die zahlreichen Endmoränenzüge (NFV 2000). Die flachen und kuppigen Grundmoränen sind aus Ablagerungen von nährstoffreichen tonigen Geschiebelehmen, kalkreichen Geschiebemergeln und steinreichen Geschiebe- sanden aufgebaut. Daraus haben sich vorratsfrische Parabraunerden, wechselfeuchte Pseudogleye und Pelosole entwickelt. Die Endmoränenrücken setzen sich zumeist aus Sanden und steinreichen Kiesen zusammen. Hier entstanden mäßig frische bis frische nährstoffreiche Braunerden. Auf den nährstoffärmeren Schmelzwassersandern kommen auch podsolige Braunerden vor. Im Holozän bildeten sich zudem Auenböden an den Bächen und Moorböden in den Niederungen aus. Charakteristisch für das Bungsberggebiet sind die von der höchsten Erhebung Schles- wig-Holsteins sternförmig verlaufenden zum Teil tiefeingeschnittenen Bachschluchten der Kremper Au, des Lachsbaches, der Schwentine, der Farver Au und weiterer Bäche. An den angeschnittenen Flanken der Bachschluchten und an den Unterhängen der Endmoränenrücken finden sich vereinzelt Quellhorizonte. Diese werden von der 290 Mitt. Arbeitsgem. Geobot. Schleswig-Holstein Hamb. 68: 287-328 Zusammensetzung des Quellwassers geprägt und reichen von kalkreichen Tuff- bis zu Eisenockerquellen. Abb. 2: Blick auf den Westrand des Bungsbergs, 2012. (Foto: Köhn) Klima Für die Beschreibung des Klimas wurde die Wetterstation Eutin mit dem Zeitraum von 1961 bis 1990 ausgewählt (Deutscher Wetterdienst 1993). Aufgrund der halbinselarti- gen Lage des Kreises Ostholstein wird das bei großräumiger Betrachtung eher subkon- tinentale Klima durch den ausgleichenden Einfluss der Ostsee im Bungsberggebiet gemäßigt feucht temperiert. So verbleibt nur ein leicht kontinentaler Einschlag. Die mittleren Jahresniederschläge von 737 mm im Südwesten nehmen auch bedingt durch das Relief des Bungsbergs nach Nordosten bis auf 550 mm ab. Im Windschatten des Bungsbergs ist es daher regenarm und sonnenscheinreicher. Die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur liegt bei 8,1° C und schwankt von 7,0° C bis 9,6° C. Im Januar sind die tiefsten Temperaturen zu verzeichnen. Häufig erfolgt durch Hochs polaren Ursprungs um den 10. Februar ein weiterer Kälteeinbruch. Mai und September sind die Monate, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Trockenperioden durch westöstlich gerichtete Hochdruckbrücken auftreten. Die höchsten Niederschläge fallen in den Monaten Juli/August und November/Dezember. Der vornehmlich aus west- südwestlicher Richtung kommende Wind weist mittlere Windstärken von 2,5 bis 3,0 Bft. auf. Für die Wälder bedeutsam sind die häufig auftretenden Herbststürme und Winterorkane (zum Beispiel Abbildung 3). Von 1956 bis 1976 wurde das Bungsberg- gebiet von 16 Orkanen mit zum Teil erheblichen Waldschäden getroffen (vgl. Gadow 1982). Romahn, Köhn: Artenreiche Wälder im Bungsberggebiet, Ostholstein 291 Abb. 3: Die Vorder-Glinde nach dem Sturm am 12. Februar 1894. (Foto: Forstarchiv der Herzoglich Oldenburgischen Verwaltung Lensahn) 2 Landschaftsentwicklung vom Urwald zur Kulturlandschaft Bis in das 12. Jahrhundert dehnte sich im Wesentlichen ein großes zusammenhängen- des Waldgebiet um den Bungsberg aus. Für die küstennahen Teile des Untersuchungs- gebietes zeigen jedoch archäologische Forschungen, dass mindestens seit 5000 Jahren durch das menschliche Tun wie Ackerbau und Viehzucht, die Landschaft, der Pflan- zenbestand und die Gewässer verändert wurden. Durch die viehwirtschaftliche Nutzung hatte sich die Gehölzzusammensetzung der verbliebenen Wälder bereits von dichten und schattigen lindenreichen Wäldern zu lichten Wirtschaftswäldern gewandelt, die als Waldweide für das Vieh sowie für das Sammeln von fettreichen Haselnüssen und vitaminreichen Beeren genutzt wurden (Hartz et al. 1997). In der anschließenden Bronze- und Eisenzeit wurde das Binnenland mit seinen schwerer