UNICUIQUE SUUM NON PRAEVALEBUNT

Redaktion: I-00120 Vatikanstadt Schwabenverlag AG Einzelpreis Wochenausgabe in deutscher Sprache 50. Jahrgang – Nummer 44 – 30. Oktober 2020 D-73745 Ostfildern Vatikan d 2,20

Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Sonntag, 25. Oktober Ernennung von neuen Kardinälen für die Weltkirche

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! wohls stets jegliche Form von Gewalt vermie- den wird. Im heutigen Abschnitt aus dem Evangelium Ich grüße euch alle, die Römer und die Pilger (vgl. Mt 22,34-40) fragt ein Gesetzeslehrer Jesus, aus verschiedenen Ländern: Familien, Pfarrgrup- welches »das wichtigste Gebot« (V. 36) sei, also pen, Vereinigungen und einzelne Gläubige. Ins- das Hauptgebot des ganzen göttlichen Gesetzes. besondere grüße ich die Gruppe »Zelle der Evan- Jesus antwortet einfach: »Du sollst den Herrn, gelisierung« der Pfarrei »San Michele Arcangelo« deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit in Rom, und auch die Jugendlichen der Unbe- ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken« fleckten Empfängnis, von denen heute sehr viele (V. 37). Und er fügt sofort hinzu: »Ebenso wichtig hier sind! ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (V. 39). Anschließend kündigte der Papst ein Konsis- Die Antwort Jesu greift zwei grundlegende torium an und gab die Namen der neuen Kar- Gebote auf, die Gott seinem Volk durch Mose ge- dinäle bekannt: geben hat, und verbindet sie miteinander (vgl. Am kommenden 28. November, am Vor- Dtn 6,5; Lev 19,18). Und so weicht er der Falle abend des ersten Adventssonntags, werde ich ein aus, die ihm gestellt worden war, »um ihn zu ver- Konsistorium für die Kreierung von dreizehn suchen« (vgl. V. 35). Denn sein Gesprächspartner neuen Kardinälen halten. Hier die Namen der versucht, ihn in den Disput der Gesetzesexperten neuen Kardinäle: über die Hierarchie der Vorschriften hineinzuzie- Bischof , Generalsekretär der hen. Doch Jesus setzt zwei wesentliche Eckpfei- Bischofssynode; ler für die Gläubigen aller Zeiten, zwei wesentli- Bischof , Präfekt der che Eckpfeiler für unser Leben. Der erste lautet, Papst Franziskus kündigte für den 28. November ein Konsistorium zur Kreierung neuer Kardinäle an. Kongregation für die Selig- und Heiligspre- dass sich das moralische und religiöse Leben Es ist das siebte Konsistorium seit seinem Amtsantritt 2013. chungsprozesse; nicht auf einen ängstlichen und erzwungenen , Erzbischof von Kigali, Gehorsam reduzieren darf. Es gibt Menschen, die Liebe umzusetzen, auszudrücken. Die Liebe zu che Anstrengung bedeutet, damit unser Leben Ruanda; die Gebote auf ängstliche oder zwanghafte Weise Gott drückt sich vor allem im Gebet aus, insbe- sich nicht von den Götzen der Welt versklaven Wilton Gregory, Erzbischof von Washing- zu erfüllen suchen, und Jesus macht uns ver- sondere in der Anbetung. Wir vernachlässigen lässt. Und der Prüfstein unseres Weges der Um- ton, Vereinigte Staaten von Amerika; ständlich, dass das moralische und religiöse Le- die Anbetung Gottes sehr. Wir halten das Dank- kehr und Heiligkeit besteht immer in der Liebe zu José Advincula, Erzbischof von Capiz, Phi- ben nicht auf ängstlichen und erzwungenen Ge- gebet, das Bittgebet, um etwas zu erbitten…, unserem Nächsten. Das ist der Prüfstein: Wenn lippinen; horsam reduziert werden kann, sondern die aber wir vernachlässigen die Anbetung. Der Kern ich sage: »Ich liebe Gott« und meinen Nächsten Celestino Aós Braco, Erzbischof von San- Liebe als Prinzip haben muss. Der zweite Eck- des Gebets ist gerade die Anbetung Gottes. Und nicht liebe, dann stimmt etwas nicht. Der Beweis, tiago de Chile, Chile; die Nächstenliebe, die auch als dass ich Gott liebe, ist, dass ich meinen Nächsten Cornelius Sim, Titularbischof von Puzia di Die Liebe zu Gott drückt sich vor allem im Gebet aus, geschwisterliche Liebe be- liebe. Solange es einen Bruder oder eine Schwes- Numidia und Apostolischer Vikar von Brunei, insbesondere in der Anbetung. zeichnet wird, besteht aus ter gibt, denen wir unser Herz verschließen, sind Kuala Lumpur; Wir vernachlässigen die Anbetung Gottes sehr. Nähe, aus Zuhören, aus mit- wir noch weit davon entfernt, Jünger zu sein, wie Augusto Paolo Lojudice, Erzbischof von Si- Wir halten das Dankgebet, einander Teilen, aus Fürsorge Jesus es von uns will. Aber seine göttliche Barm- ena-Colle di Val d’Elsa-Montalcino; für andere. Und oft versäumen herzigkeit gestattet uns nicht, den Mut zu verlie- P. , Franziskaner-Minorit, das Bittgebet, um etwas zu erbitten…, wir es, dem anderen zu- ren, ja sie ruft uns vielmehr auf, jeden Tag neu an- Kustos des Franziskaner-Konvents von Assisi. aber wir vernachlässigen die Anbetung. zuhören, weil er auf die Ner- zufangen, um das Evangelium konsequent zu Zusammen mit ihnen werde ich unter die Mit- Der Kern des Gebets ist gerade die Anbetung Gottes. ven geht oder weil er mir Zeit leben. glieder des Kardinalskollegiums aufnehmen: raubt, oder ihn mitzunehmen, Möge die Fürsprache der seligsten Jungfrau Felipe Arizmendi Esquivel, emeritierter pfeiler ist, dass die Liebe zugleich und untrennbar ihn in seinen Sorgen, in seinen Prüfungen zu be- Maria unsere Herzen öffnen, um das »große Ge- Bischof von San Cristóbal de las Casas, Mexiko; auf Gott und auf den Nächsten ausgerichtet sein gleiten… Aber für das Geschwätz finden wir im- bot« zu empfangen, das Doppelgebot der Liebe, Silvano M. Tomasi, Titularerzbischof von muss. Dies ist eine der wichtigsten Neuerungen mer Zeit, immer! Wir haben keine Zeit, die Be- das das ganze Gesetz Gottes zusammenfasst und Asolo, Apostolischer Nuntius; der Lehre Jesu und lässt uns verstehen, dass das trübten zu trösten, aber viel Zeit zum Schwätzen. von dem unser Heil abhängt. P. , Kapuziner, Predi- keine wahre Gottesliebe ist, was nicht in der Passt auf! Der Apostel Johannes schreibt: »Wer ger des Päpstlichen Hauses; Nächstenliebe zum Ausdruck kommt; und seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott Nach dem Angelus sprach der Papst zuerst , Pfarrer der Pfarrei Santa Ma- ebenso ist das keine wahre Nächstenliebe, was nicht lieben, den er nicht sieht« (1 Joh 4,20). So die Lage in Nigeria an: ria del Divino Amore in Castel di Leva. nicht aus der Beziehung zu Gott schöpft. sieht man die Einheit dieser beiden Gebote. Liebe Brüder und Schwestern! Beten wir für die neuen Kardinäle, damit sie Jesus schließt seine Antwort mit den Worten: Im heutigen Evangelium hilft uns Jesus er- Mit besonderer Besorgnis verfolge ich die ihre Verbundenheit mit Christus bekräftigen und »An diesen beiden Geboten hängt das ganze Ge- neut, zur lebendigen und sprudelnden Quelle der Nachrichten aus Nigeria über die jüngsten mir in meinem Dienst als Bischof von Rom zum setz und die Propheten« (V. 40). Das bedeutet, Liebe zu gehen. Und diese Quelle ist Gott selbst, gewalttätigen Zusammenstöße zwischen den Wohl des ganzen heiligen gläubigen Gottesvolkes dass alle Gebote, die der Herr seinem Volk gege- der ganz in einer Gemeinschaft geliebt werden Ordnungskräften und einigen jungen Demons- beistehen. ben hat, in Beziehung zur Gottes- und Nächsten- muss, die nichts und niemand zu zerstören ver- tranten. Bitten wir den Herrn, dass bei der stän- Ich wünsche euch allen einen schönen Sonn- liebe gesetzt werden müssen. Tatsächlich dienen mag. Eine Gemeinschaft, die ein Tag für Tag zu er- digen Suche nach sozialer Harmonie durch die tag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Ge- alle Gebote dazu, diese zweifache unteilbare flehendes Geschenk ist, die aber auch persönli- Förderung der Gerechtigkeit und des Gemein- segnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!

In dieser Ausgabe Generalaudienz in der »Aula Paolo VI« Audienz für den Expertenausschuss

am 21. Oktober ...... 2 des Europarats (Moneyval) ...... 9 Tierisches aus dem Vatikan: Hanno, Predigt des Papstes in der heiligen Messe

der Elefant seiner Heiligkeit ...... 5 für das Korps der Vatikangendarmerie... 10 Heiligkeit in Jeans und Turnschuhen: Audienz für die Carabinieri der

...... der selige Carlo Acutis 6 Kompanie Rom-St. Peter...... 10 Internationales Friedenstreffen in Rom: Audienz für Mitglieder der Stiftung

– Homilie des Papstes beim »Banco Farmaceutico« ...... 11 ökumenischen Gebet...... 7 Schreiben von Kardinalstaatssekretär – Ansprache des Papstes auf dem zum »Tag der katholischen

Kapitolsplatz...... 8 Universität« ...... 11

– Friedensappell ...... 8 Audienz für eine Delegation der Videobotschaft von Papst Franziskus Erzdiözese Ravenna-Cervia aus Anlass

zum Welternährungstag...... 9 des Dante-Jahres ...... 12 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 2 Aus dem Vatikan und der Weltkirche

Generalaudienz in der »Aula Paolo VI« am 21. Oktober Ein Mann von Mit dem Herzen beten tiefer Spiritualität

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Wegen des Coronavirus müssen wir heute die Gestaltung dieser Audienz etwas verändern. Ihr haltet Abstand und tragt auch Schutzmasken, und ich bin hier etwas weiter entfernt und kann nicht das tun, was ich immer tue: nahe zu euch kommen. Denn immer, wenn ich euch nahe- komme, rückt ihr alle zusammen, der Abstand geht verloren, und für euch besteht Ansteckungs- Vatikanstadt. Bei der Generalau - gefahr. Es tut mir leid, das zu tun, aber es ge- dienz erinnerte Papst Franziskus in seinem schieht zu eurer Sicherheit. Statt dass ich nahe zu Grußwort an die polnischen Pilger und Be- euch komme und euch die Hände schüttle, um sucher in besonderer Weise an den heili- euch zu begrüßen, begrüßen wir einander aus gen Papst Johannes Paul II. (1978-2005), der Ferne, aber ihr sollt wissen, dass ich euch mit dessen liturgischer Gedenktag jährlich am dem Herzen nahe bin. Ich hoffe, ihr versteht, 22. Oktober begangen wird. Er sagte: warum ich das tue. »Von Herzen grüße ich alle Polen. Mor- Sinnbild gen feiern wir den liturgischen Gedenktag der Zärtlichkeit des heiligen Johannes Paul II. im Jubilä- umsjahr des hundersten Jahrestages seiner Außerdem hat, während die Lektoren den Geburt. Als ein Mann von tiefer Spiritua- Abschnitt aus der Bibel gelesen haben, das wei- lität betrachtete er jeden Tag Gottes strah- nende Kind – ein Junge oder ein Mädchen – lendes Antlitz im liturgischen Gebet und in meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Und der Meditation über die Psalmen. Er lud ich habe gesehen, dass die Mutter das Kind auch alle Christen ein, ihre Tage mit dem liebkost und gestillt hat, und ich habe gedacht: Lob des Herrn zu beginnen, bevor sie sich »So macht Gott es mit uns, wie diese Mutter«. auf die nicht immer einfachen Wege des Wie zärtlich hat sie versucht, das Kind zu wiegen, täglichen Lebens begeben. Ich segne Sie zu stillen. Das sind wunderschöne Bilder. Und alle von Herzen.« wenn so etwas in der Kirche passiert, wenn ein Kind weint, dann weiß man, dass dort die Zärt- lichkeit einer Mutter ist, wie heute, dass dort die Erfüllung finden. Die Kirchentüren sind keine Zärtlichkeit einer Mutter ist: das Sinnbild der Zärt- Barrieren, sondern durchlässige »Membranen«, lichkeit, die Gott uns entgegenbringt. Wenn ein die bereit sind, die Klage aller Menschen aufzu- Kind in der Kirche weint, darf man es nie zum Grenze, die uns vor uns selbst rettet und verhin- kommt es Tiefgang, bekommt es Gewicht, so, als nehmen. Schweigen bringen, nie, denn es ist die Stimme, dert, dass wir uns räuberisch und gierig auf dieses würde Gott es in die Hand nehmen und verwan- Im Gebet des Psalters ist die Welt stets gegen- die die Zärtlichkeit Gottes anzieht. Danke für dein Leben stürzen. Das Gebet ist die Rettung des deln. Der schlechteste Dienst, den man Gott und wärtig. Die Psalmen geben zum Beispiel der gött- Zeugnis. Menschen. auch dem Menschen erweisen kann, ist es, müde lichen Verheißung des Heils der Schwächeren Wir schließen heute die Katechese über das Gewiss gibt es auch ein falsches Gebet, ein zu beten, aus reiner Gewohnheit. Beten wie die eine Stimme: »Wegen der Unterdrückung der Psalmengebet ab. Zunächst sehen wir, dass in Gebet, das nur dazu dient, von den anderen be- Papageien. Nein, man betet mit dem Herzen. Das Schwachen, wegen des Stöhnens der Armen den Psalmen oft eine negative Gestalt erscheint, wundert zu werden. Wer nur zur Messe geht, um Gebet ist der Mittelpunkt des Lebens. Wenn das stehe ich jetzt auf, spricht der Herr, ich bringe Ret- die des »Frevlers«: also jenes Menschen – Mann zu zeigen, dass er katholisch ist, oder um das neu- Gebet da ist, dann wird auch der Bruder, die tung dem, gegen den man wütet« (12,6). Oder sie oder Frau –, der so lebt, als gäbe es Gott nicht. Es este Modell zu präsentieren, das er erworben hat, Schwester, sogar der Feind wichtig. Ein alter warnen vor der Gefahr der weltlichen Reich - ist der Mensch ohne jeden Bezug zur Transzen- oder um gesellschaftlich einen guten Eindruck zu Spruch der ersten christlichen Mönche lautet so: tümer, denn »der Mensch in Pracht, doch ohne denz, der seine Arroganz nicht zügelt, der über machen, der geht zu einem falschen Gebet. Jesus »Selig der Mönch, der – nach Gott – alle Men- Einsicht, er gleicht dem Vieh, das verstummt« das, was er denkt und was er tut, kein Urteil hat nachdrücklich davor gewarnt (vgl. Mt 6,5-6; schen wie Gott betrachtet« (Evagrius Ponticus, (49,21). Oder sie öffnen den Horizont auf den fürchtet. Lk 9,14). Wenn jedoch der wahre Geist des Ge- Über das Gebet, Nr. 123). Wer Gott anbetet, liebt Blick Gottes auf die Geschichte: »Der Herr verei- Aus diesem Grund präsentiert uns der Psalter bets aufrichtig angenommen wird und in das seine Kinder. Wer Gott achtet, achtet die Men- telte den Ratschluss der Nationen, er machte die das Gebet als die grundlegende Wirklichkeit des Herz einzieht, dann lässt es uns die Wirklichkeit schen. Pläne der Völker zunichte. Der Ratschluss des Lebens. Der Bezug auf das Absolute und Trans- mit Gottes Augen betrachten. Darum ist das Gebet kein Beruhigungsmittel, Herrn bleibt ewig bestehen, die Pläne seines Her- zendente hin – die Lehrer des geistlichen Lebens Wenn man betet, bekommt alles »Tiefgang«. um die Ängste des Lebens zu lindern; oder zu- zens durch alle Geschlechter« (33,10-11). sprechen von der »Ehrfurcht vor Gott« – ist das, Das ist interessant beim Gebet: Vielleicht begin- mindest ist ein solches Gebet gewiss nicht christ- Kurz gesagt, wo Gott ist, dort muss auch der was uns wirklich menschlich macht, ist die nen wir mit etwas Geringem, aber im Gebet be- lich. Das Gebet weckt vielmehr das Verantwor- Mensch sein. Die Heilige Schrift ist kategorisch: tungsbewusstsein eines jeden von uns. Das »Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt sehen wir deutlich im »Vaterunser«, das Jesus hat.« Er geht uns immer voran. Er wartet immer In Europa gibt es die seine Jünger gelehrt hat. auf uns, weil er uns als Erster liebt, und als Erster anschaut, uns als Erster versteht. Er wartet immer meisten Priester und Ordensleute Gottes Blick auf uns. »Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber auf die Geschichte seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer Vatikanstadt. Weltweit muss sich ein katho- Mio.) und Afrika (243 Mio.). Umgekehrt gibt es seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott lischer Priester im Durchschnitt um 3.210 katho- in Europa die meisten Priester (170.936), in Nord- Der Psalter ist eine großartige Schule, wenn nicht lieben, den er nicht sieht.« Wenn du täglich lische Gläubige kümmern, unabhängig von der und Südamerika erreicht ihre Zahl nur 122.383, man lernen will, so zu beten. Wir haben gesehen, viele Rosenkränze betest, aber dann über die an- Konfession um 14.638 Menschen. Dies geht aus gefolgt von Asien (68.265) und Afrika (47.812). dass die Psalmen nicht immer kultivierte und deren klatschst und Groll in dir trägst, Hass gegen einer kirchlichen Statistik hervor, die der Vatikan Europa führt auch die Tabelle der Ordensfrauen freundliche Worte benutzen und dass sie oft die die anderen hegst, dann ist das reine Affektiert- anlässlich des Weltmissionssonntags (18. Okto- an (224.246), gefolgt von Asien mit 174.165 und Narben des Lebens tragen. Dennoch sind diese heit, es ist keine Wahrheit. »Und dieses Gebot ha- ber) veröffentlicht hat. Von den am Stichtag den Amerikas mit 160.032. Bei der Anzahl der Gebete zunächst im Tempel von Jerusalem und ben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen 31. Dezember 2018 gezählten 7,496 Milliarden dann in den Synagogen benutzt worden; auch die Bruder lieben« (1 Joh 4,19-21). Die Heilige Schrift Menschen sind den Angaben zufolge 1,329 Mil- innerlichsten und persönlichsten. Der Katechis- lässt zu, dass ein Mensch Gott zwar aufrichtig liarden katholisch; dies entspricht einem Anteil mus der Katholischen Kirche bringt es so zum sucht, ihm jedoch nie begegnet; aber sie sagt von 17,7 Prozent. Ausdruck: »Die vielfältigen Ausdrucksformen des auch, dass man nie die Tränen der Armen ver- Unter den weltweiten Mitarbeitern der katho- Psalmengebetes nehmen zugleich in der gemein- leugnen darf, denn sonst kann man Gott nicht be- lischen Kirche sind 414.000 Priester. Hinzu kom- samen Liturgie des Tempels und im Herzen des gegnen. Gott duldet nicht den »Atheismus« des- men 47.500 ständige Diakone, 641.660 Ordens- einzelnen Menschen Gestalt an« (Nr. 2588). Und sen, der das göttliche Abbild leugnet, das in jedem frauen und 50.941 Ordensmänner. Die Zahl der so schöpft und nährt sich das persönliche Gebet Menschen eingeprägt ist. Jener alltägliche Atheis- Laienmissionare und Katechisten, wie sie das Sta- aus dem Gebet, das zunächst das des Volkes Is- mus: Ich glaube an Gott, aber zu den anderen tistische Jahrbuch des Vatikan nennt, beträgt rael und dann das des Kirchenvolkes ist. halte ich Abstand, und ich erlaube mir, die ande- 376.188. Die Laienmissionare wie auch die Zahl Auch die Psalmen in der ersten Person Singu- ren zu hassen. Das ist praktischer Atheismus. der ständigen Diakone nahmen zu; alle anderen lar, die uns die innersten Gedanken und Pro- Den Menschen nicht als Abbild Gottes zu erken- Gruppen verzeichneten Rückgänge. So gab es bleme eines Individuums anvertrauen, sind kol- nen ist eine Gotteslästerung, ist ein Gräuel, ist die Ende 2018 weltweit 5.377 katholische Bischöfe, lektives Eigentum und werden sogar von allen schlimmste Beleidigung, die man dem Tempel 12 weniger als ein Jahr zuvor. Die Zahlen der Ordensbrüder ohne Priesterweihe liegt Europa und für alle gebetet. Das Gebet der Christen hat und dem Altar zufügen kann. Priester, Ordensleute und Katechisten sanken vor mit 14.274 nur knapp vor Amerika (14.125). Die diesen »Atem«, diese geistliche »Spannung«, die Liebe Brüder und Schwestern, das Psalmen - allem in Nordamerika und Europa; in Afrika und meisten Ständigen Diakone wirken in den ameri- den Tempel und die Welt zusammenhält. Das Ge- gebet möge uns helfen, nicht in die Versuchung Asien stiegen sie meist an. Damit setzen sich kanischen Ländern (31.106), dort vor allem in den bet kann im Halbdunkel eines Kirchenschiffs be- der »Gottlosigkeit« zu geraten – also so zu leben Trends der vergangenen Jahre fort. USA, gefolgt von Europa mit 15.090. In Afrika, ginnen, aber dann endet es seinen Lauf auf den und vielleicht auch zu beten, als gäbe es Gott Die meisten Katholiken leben in Amerika Asien und Ozeanien erreicht ihre Zahl nur 350 Straßen der Stadt. Und umgekehrt kann es im täg- nicht und als gäbe es die Armen nicht. (642 Mio.), mit Abstand gefolgt von Europa (286 bis 480 Diakone. lichen Tun aufkeimen und in der Liturgie seine (Orig. ital. in O.R. 21.10.2020) 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan und der Weltkirche 3

Mehr Solidarität Provisorisches Abkommen Ins Gebet Jesu in Europa zwischen Heiligem Stuhl und China wird verlängert eintreten Vatikanstadt. Angesichts der Corona-Krise Vatikanstadt. In der Generalaudienz am hat Papst Franziskus Europa zur Solidarität und Offener und konstruktiver Dialog Mittwoch, 28. Oktober, die in der vatikanischen zur Besinnung auf seine Werte gemahnt. Der Audienzhalle stattfand, setzte Papst Franziskus Kontinent müsse wieder zu sich selbst finden, be- Vatikanstadt. Das Provisorische Abkom- die Katechesereihe über das Gebet fort. Ein Mit- tonte er in einem am Dienstag, 27. Oktober, ver- men zwischen dem Heiligen Stuhl und der arbeiter der deutschsprachigen Abteilung des öffentlichten Schreiben. Besorgt äußerte sich Volksrepublik China ist um weitere zwei Jahre Staatssekretariats trug folgende Zusammenfas- Franziskus darin über eine jüngst gewachsene verlängert worden. Das teilte der Vatikan am sung vor: »Versuchung zur Autonomie«, die in Gegensätze Donnerstag, 22. Oktober, mit. Nach Ablauf der Liebe Brüder und Schwestern, das öffentliche und Konflikte führe. Er träume von einem »men- Gültigkeit der bisherigen, vorübergehenden Ab- Wirken Jesu beginnt mit seiner Taufe im Jordan. schenfreundlichen«, »solidarischen und großzügi- machung über die Ernennung von Bischöfen, die Bei diesem Ereignis hatte sich das Volk zum Ge- gen« Europa, »einem einladenden und gast- am 22. September 2018 in Peking unterzeichnet bet und zur Buße versammelt, alle erhofften sich freundlichen Ort«, so Franziskus in dem Brief an wurde und einen Monat später in Kraft trat, hät- von der Taufe durch Johannes die Vergebung der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der den Va- ten beide Seiten vereinbart, die Phase der expe- Sünden. Obwohl der Herr ohne Sünde ist, reiht er tikan bei verschiedenen Gedenkanlässen in Brüs- rimentellen Umsetzung des Provisorischen Ab- als auch auf universaler Ebene«. Genau dieses sich unter die Sünder ein, ja er selbst lässt sich in sel hätte vertreten sollen. »Europa, finde zu dir kommens zu verlängern, heißt es in einer Element »inspirierte die Verhandlungen und war das Wasser der Reinigung eintauchen. Denn Je- selbst! Entdecke deine Ideale wieder, die tiefe Pressemitteilung. bei der Abfassung des Textes des Abkommens sus ist kein ferner Gott. In seiner Inkarnation hat Wurzeln haben«, betonte der Papst. Der Heilige Stuhl betrachte die anfängliche von Bedeutung«, um »nach und nach sowohl die er allen Menschen, allen Sündern den Weg zum Als Eckpunkte der Humanität nannte Franzis- Anwendung der Vereinbarung – »die von großem Einheit im Glauben und die Gemeinschaft unter Gebet als Söhne und Töchter Gottes eröffnet: kus den Schutz des Lebens von der Empfängnis kirchlichen und pastoralen Wert ist« – dank der den Bischöfen als auch den vollen Dienst an der »Das kindliche Gebet, das der Vater von seinen bis zu seinem natürlichen Ende, aber auch die guten Kommunikation und Zusammenarbeit katholischen Gemeinschaft in China sicherzu- Kindern erwartete, wird endlich vom einzigen Förderung von Beschäftigung und Bildung sowie zwischen beiden Seiten in den vereinbarten An- stellen«. Bereits heute, zum ersten Mal seit vielen Sohn in seiner Menschennatur mit den Men- den Schutz der »Schwächsten und Gebrechlichs- gelegenheiten »als positiv. Er beabsichtigt, einen Jahrzehnten, stünden alle Bischöfe in China in schen und für sie gelebt« (KKK 2599). Bei seiner ten« und insbesondere älterer, kranker, pflegebe- offenen und konstruktiven Dialog zum Wohle der Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, »und Taufe betet Jesus, dabei öffnet sich der Himmel, dürftiger oder behinderter Menschen. Dabei katholischen Kirche und des chinesischen Volkes dank der Umsetzung des Abkommens wird es von dem aus die Wahrheit ertönt: »Du bist mein müsse Europa als Gemeinschaft »die besonderen zu führen«, heißt es in der Mitteilung weiter. keine illegitimen Weihen mehr geben«. geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen ge- Eigenschaften jedes Menschen und jedes Volkes« Dem Kommuniqué ist ein langer Artikel für Der Artikel im »Osservatore Romano« erklärt, funden.« In allen Lebenslagen bis hin zu seiner würdigen, »ohne zu vergessen, dass sie eine ge- die Vatikanzeitung »L’Osservatore Romano« bei- dass mit dem Abkommen »nicht alle offenen Fra- Verurteilung zum Tod lebt Jesus stets beim Vater, meinsame Verantwortung verbindet«. gefügt, in dem die Gründe für diese Entscheidung gen oder Situationen, die noch Anlass zur Sorge mit dem er im Gebet, erfüllt vom Heiligen Geist, Anlass des Schreibens von Papst Franziskus erläutert werden. »Beide Seiten«, so heißt es in um die Kirche geben«, behandelt worden seien, in einem ständigen Dialog der Liebe steht. Auch sind unter anderem der 40. Jahrestag der Grün- dem Artikel, »haben verschiedene Aspekte der sondern »ausschließlich das Thema der Bischofs - wir sind als getaufte Kinder Gottes würdig, in das dung der Kommission der Bischofskonferenzen Anwendung des Abkommens evaluiert und sind ernennungen«. Der Artikel zitiert die jüngste Gebet Jesu einzutreten, um so in den inneren Lie- in der Europäischen Union (COMECE} sowie der durch den offiziellen Austausch von Verbalnoten Rede von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin besaustausch der Dreifaltigkeit hineingenommen 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Be- übereingekommen, seine Gültigkeit um weitere auf der PIME-Konferenz in Mailand und erinnert zu werden. ziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der zwei Jahre, bis zum 22. Oktober 2022, zu verlän- daran, dass »einige Missverständnisse aufge- Der Papst grüßte die deutschsprachigen Pilger Europäischen Union. Eine für Mittwoch, 28. Ok- gern.« Der Hauptzweck des Abkommens bestehe taucht sind«. Viele davon hätten sich daraus erge- auf Italienisch. Anschließend wurde folgende tober, geplante Reise von Kardinalstaatssekretär darin, »die Verkündigung des Evangeliums« in ben, dass dem Abkommen »Ziele zugeschrieben deutsche Übersetzung der Grüße vorgelesen: Pietro Parolin nach Brüssel musste coronabedingt China zu unterstützen und zu fördern, »indem wurden, die es nicht hat«, oder dass es »mit poli- Von Herzen grüße ich die Gläubigen deut- abgesagt werden. Die Begegnungen, darunter die volle und sichtbare Einheit der Kirche wieder- tischen Fragen verknüpft wurde, die nichts mit scher Sprache. Danken wir dem Herrn für die auch ein Treffen mit den in der COMECE ver- hergestellt wird«. Die Fragen der Ernennung von dem Abkommen selbst zu tun haben«. Gnade der Taufe, durch die wir Kinder Gottes und sammelten »Europabischöfen« der Bischofskon- Bischöfen und der Einheit der Bischöfe mit dem (In unserer nächsten Aufgabe veröffentlichen Glieder des mystischen Leibes Christi geworden ferenzen in den EU-Staaten, fanden per Video- Nachfolger Petri »ist von entscheidender Bedeu- wir den oben genannten Artikel im vollen Wort- sind, der die Kirche ist. Leben und teilen wir diese konferenz statt. tung für das Leben der Kirche, sowohl auf lokaler laut.) unaussprechliche Gnade in geistlicher Freude und bleiben wir in der väterlichen Liebe Gottes allzeit tief verwurzelt. Allerseelenablass Corona-Impfstoff Ehrendoktorwürde für wird erweitert zuerst für Riskogruppen Patriarch Bartholomaios Vatikanstadt. Angesichts der Corona-Infek- Brüssel. Die Kommission der Bischofskonfe- Rom. Bartholomaios I., Patriarch von Kon- Kurz notiert tionsgefahr hat der Vatikan den Allerseelenablass renzen in der Europäischen Union (COMECE) stantinopel und Ehrenoberhaupt der orthodoxen auf den gesamten Monat November ausgeweitet. fordert, zukünftige Corona-Impfstoffe zuerst Kirche, hat am Mittwoch, 21. Oktober, die Ehren- Vatikanstadt. In der Päpstlichen Als Grund nannte ein Dekret der Apostolischen Menschen für Risikogruppen zur Verfügung zu doktorwürde der Päpstlichen Universität Antoni- Schweizergarde sind mittlerweile 13 von Pönitentiarie, es sollten Ansammlungen von stellen. »Künftige Covid-19-Impfstoffe sollten ver- anum in Rom erhalten. Bei der Feierstunde hielt 113 Angehörigen an Covid-19 erkrankt. Gläubigen auf Friedhöfen und in Kirchen vermie- fügbar, erschwinglich und zugänglich sein, insbe- Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die Laudatio. Das gab das Gardekommando am Freitag, den werden. Zudem werden Priester aufgefor- sondere für ältere Menschen, Kranke und Be- Die Urkunde der Doktorwürde »honoris causa« in 23. Oktober, bekannt. In den Tagen zuvor dert, am Allerseelentag (2. November) drei Mes- schäftigte im Gesundheitswesen«, heißt es in Philosophie überreichte der Generalminister des seien sämtliche Gardisten auf das Corona- sen für die Verstorbenen statt nur einer zu feiern. einer Mitteilung. Die COMECE ruft dazu auf, »die Minoritennordens und Großkanzler des Antonia - virus getestet worden. Von den Infizierten Ausdrücklich wird die Möglichkeit eines Ablas- Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren nums, P. Michael Anthony Perry OFM. wiesen nicht alle die typischen Krankheits- ses auch jenen Gläubigen eingeräumt, die aus Al- Mitgliedstaaten im Gesundheitsbereich zu stär- Die Päpstliche Universität wies in einer Mittei- symptome auf, hieß es. Keiner sei in klini- ters- oder Gesundheitsgründen oder wegen Aus- ken, die Bezahlbarkeit, Nachhaltigkeit und Si- lung auf das »solide ökumenische Band« zwi- scher Behandlung, ihr Zustand werde aber gangsbeschränkungen nicht das Haus verlassen cherheit der medizinischen und pharmazeuti- schen Papst Franziskus und Patriarch Bartholo- in Zusammenarbeit mit dem vatikani- können. Zur Beichte, die zu den Bedingungen für schen Versorgung zu gewährleisten und eine maios I. hin, der in der Enzyklika »Laudato si’« schen Gesundheitsamt überwacht. Die einen Ablass gehört, verweist das Dekret auf eine strategische Widerstandsfähigkeit aufzubauen«. aufgrund seiner Sorge um die Bewahrung der ersten Corona-Fälle in der Garde wurden Bestimmung vom 19. März, die ebenfalls vor dem In diesem Zusammenhang unterstrich die zu- Schöpfung erwähnt wird. Bartholomaios habe am 12. Oktober öffentlich. Bereits vergan- Hintergrund der Pandemie großzügigere Rege- ständige Arbeitsgruppe auch das Recht auf Seel- damit auch das Lehramt von Papst Franziskus in gene Woche mussten wegen des Ausfalls lungen für das Bußsakrament eingeführt hatte. sorge für Patienten und Gesundheitspersonal. »herzlicher und zentraler Weise« geprägt. eines Zehntels der Truppe die Dienstpläne umgeschrieben werden. ****** Papst empfängt Jury des interreligiösen Zayed-Preises Franziskus spendet Bonn. Die Bischöfe in Deutschland ru- Geld für Hinterbliebene fen dazu auf, Covid-19-Kranke und andere Vatikanstadt. Papst Franziskus hat die Jury halber erhalten. Für die Auslobung verantwort- Betroffene der Pandemie nicht allein zu las- des internationalen »Zayed Award for Human lich ist das von den Vereinigten Arabischen Emi- von Schiffsunglück sen. Aber nicht nur Infizierte oder Kranke Fraternity« am Freitag, 23. Oktober, in Audienz raten initiierte »Hohe Komitee der menschlichen bräuchten Unterstützung. »Die Glaubwür- empfangen. Der Preis wurde anlässlich des histo- Brüderlichkeit« (»Higher Committee of Human Vatikanstadt. Der Papst hat eine Spende an digkeit der Kirche und insbesondere des rischen Treffens zwischen dem Papst und Groß - Fraternity«/HCHF). Das ebenfalls interreligiös die Hinterbliebenen des Schiffsunglücks der christlichen Verständnisses des Menschen imam Ahmad Al-Tayyeb 2019 in Abu Dhabi ins besetzte Komitee wurde vor rund einem Jahr in »Gulf Livestock 1« veranlasst. Wie der Vatikan am hängt wesentlich davon ab, wie wir als Kir- Leben gerufen und soll »signifikante Beiträge Rom gegründet. Es kümmert sich um die Umset- Mittwoch, 21. Oktober, mitteilte, bekommen die che mit den Kranken, Alten und Schwa- zum menschlichen Fortschritt und zur Erleichte- zung des »Dokuments über die Brüderlichkeit al- Angehörigen der verschollenen Besatzung einen chen umgehen«, heißt es in den Überle- rung friedlichen Zusammenlebens« würdigen. Er ler Menschen«, das Franziskus und Al-Tayyeb ge- Geldbetrag in nicht genannter Höhe. Der Frach- gungen der Bischofskonferenz mit dem ist mit einer Million US-Dollar dotiert. Wer die meinsam im Februar 2019 in Abu Dhabi ter unter panamaischer Flagge war Anfang Sep- Titel »Fürchtet euch nicht! – Diakonische erste reguläre Auszeichnung erhält, soll am 4. Fe- unterzeichnet hatten. tember mit 43 Personen und 5.800 Rindern an Seelsorge bei Menschen mit Covid-19.« bruar bekanntgegeben werden. Benannt ist der Preis nach Scheich Zayed bin Bord vor der japanischen Küste gekentert. Nur Laut einer Mitteilung des Vatikans lud Papst Sultan al-Nahyan (1918-2004), Gründungsfigur zwei Crew-Mitglieder überlebten. ****** Franziskus die Mitglieder des Gremiums ein, und erster Präsident der Emirate nach ihrer Un- Den Angaben zufolge werden die Familien Bonn. Aus Anlass des Weltmissions- nach würdigen Kandidaten Ausschau zu halten. abhängigkeit 1971. Mögliche Preisträger vor- der Opfer bereits seit Wochen durch die katholi- sonntags am vergangenen Sonntag baten Die interreligiöse Jury, der unter anderen der fran- schlagen können Regierungsmitglieder, frühere sche Seemannsmission Stella Maris seelsorglich die Bischöfe in Deutschland die Gläubigen zösische Kurienkardinal Staatschefs, Richter von Obersten Gerichten, betreut. Mit der Spende und einem persönlichen um Spenden für die Kirche in den ärmsten angehört, tagt während der aktuellen Nominie- UN-Führer, Persönlichkeiten aus der akademi- Geschenk wolle der Papst nun selbst »seine Nähe Ländern der Welt und insbesondere um rungsphase in regelmäßigen Abständen. Nach schen und kulturellen Welt, internationale Nicht- und Solidarität« zum Ausdruck bringen, hieß es. die Unterstützung von Friedensprojekten der Gründung des Preises hatten der Papst und regierungsorganisationen sowie die Mitglieder Die meisten der verunglückten Seeleute stamm- in Westafrika. Großimam Al-Tayyeb die Auszeichnung ehren- des HCHF selbst. ten von den katholisch geprägten Philippinen. 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 4 Aus dem Vatikan

VATIKANISCHES BULLETIN Aus dem Vatikan in Kürze

Papst Franziskus hat auf die Bedeutung der Gottesmutter Maria hingewiesen. Die Privataudienzen Kirche müsse ihr »mütterliches Herz wie- derentdecken«, betonte er bei einem Tref- Der Papst empfing: fen mit Studenten und Dozenten der Päpstlichen Theologischen Fakultät »Mari- 22. Oktober: anum« aus Anlass ihres 70-jährigen Beste- – den Ökumenischen Patriarchen von Konstanti- hens. Eine Welt ohne Mütter habe keine nopel, Seine Heiligkeit Bartholomaios I., mit Zukunft, so der Papst. Kein anderes Konzil Gefolge; habe der Mariologie so viel Platz gewid- – den Präfekten der Kongregation für die Glau- met wie das Zweite Vatikanische Konzil in benslehre, Kardinal Luis Francisco Ladaria der Dogmatischen Konstitution Lumen Ferrer; gentium. Die theologische Disziplin, die – den Prälaten von Loreto und Päpstlichen Ge- sich mit Maria befasst, habe auch die Auf- sandten für das Heiligtum von Loreto und für die gabe, »würdige Räume für die Frau in der Basilika des heiligen Antonius in Padua (Italien), Kirche« zu finden. Erzbischof Fabio Dal Cin; ******* – den Abt der Territorialabtei Montevergine (Ita- Die Menschheit kann die großen Pro- lien), Dom Riccardo Luca Guariglia OSB; bleme der Welt nur gemeinsam lösen. Das 23. Oktober: unterstrich Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am 23. Oktober in einer Videobot- – Mitglieder des Komitees »Zayed Award for Hu- schaft bei der internationalen Konferenz man Fraternity« der Päpstlichen Stiftung »Centesimus An- – den Präfekten der Kongregation für die Evange- Bei der Begegnung mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez am 24. Oktober sprach der Papst nus Pro Pontifice«. Die Veranstaltung trug lisierung der Völker, Kardinal Luis Antonio G. über die Aufgaben eines Politikers. Dazu zähle, das Heimatland »gemeinsam mit allen« aufzubauen, den Titel »Die Meilensteine der ganzheitli- Tagle; die Nation zu stärken und sezessionistischen Denkweisen zu widerstehen. chen Ökologie für eine menschliche Wirt- – den Apostolischen Nuntius auf den Philippi- schaft«. Parolin forderte dazu auf, den nen, Charles John Brown, Titularerzbischof – zum Metropolitan-Erzbischof von Brasília (Bra- Todesfälle Menschen in der Wirtschaft an die erste von Aquileia; silien): Paulo Cezar Costa, bisher Bischof der Stelle zu setzen, dies sei wichtiger als fi- – den Botschafter von Korea, Lee Baek Man, zu Diözese São Carlos; Am 18. Oktober ist der emeritierte Bischof nanzielle Aspekte. Außerdem könne in der gegenwärtigen Notsituation kein Staat seinem Abschiedsbesuch; – zum Bischof der Diözese Barreiras (Brasilien): von Berbérati in der Zentralafrikanischen Repu- blik, Agostino Giuseppe Delfino, aus dem Or- allein das Gemeinwohl der Bevölkerung 24. Oktober: Moacir Silva Arantes, bisher Weihbischof in gewährleisten. der Metropolitan-Erzdiözese Goiânia und Titular- den der Kapuziner, im Alter von 85 Jahren ge- – den Ministerpräsidenten von Spanien, Pedro bischof von Tituli di Numidia; storben. Sànchez Pérez-Castejón, mit Gefolge; Am 20. Oktober ist der emeritierte Weihbi- – den Präfekten der Kongregation für die 22. Oktober: schof in der Erzdiözese Gnesen in Polen, Bogdan religieux« der Französischen Bischofskonferenz Bischöfe, Kardinal ; – zum Metropolitan-Erzbischof von Lyon (Frank- Józef Wojtus, Titularbischof von Vassinassa, im (Frankreich); Prof. Umberto Bresciani, Profes- 26. Oktober: reich): Olivier de Germay, bisher Bischof der Alter von 83 Jahren gestorben. sor an der Katholischen Universität Fu Jen, Neu- Diözese Ajaccio; – den Präsidenten der Studienkommission zum Am 24. Oktober ist der emeritierte Erzbischof Taipeh (Taiwan); Dr. Lawrence E. Sullivan, Frauendiakonat, Kardinal , – zum Erzbischof von Auch (Frankreich): Ber- von Mandalay in Myanmar, Paul Zingtung Gra- emeritierter Direktor des »Center for the Study of Erzbischof von L’Aquila (Italien), mit dem Se- trand Lacombe, bisher Weihbischof in der Erz- wng, im Alter von 82 Jahren gestorben. World Religions« an der Harvard Divinity School, kretär der Kommission, Denis Dupont-Fau- diözese Bordeaux und Titularbischof von Saint- Cambridge (Vereinigte Staaten von Amerika); Dr. ville; Papoul; Valeria Martano, Verantwortliche der Gemein- schaft Sant’Egidio für den interreligiösen Dialog – zum Bischof von Santa Rosa de Osos (Kolum- Der Apostolische Stuhl – den Präsidenten der Päpstlichen Kommission in Asien, Rom (Italien); Maria Lia Zervino, Prä- bien): Elkin Fernando Álvarez Botero, bisher für die Aktivitäten öffentlicher juristischer Perso- sidentin der Weltunion der Katholischen Frauen- Weihbischof in der Metropolitan-Erzdiözese nen der Kirche im Gesundheitswesen, Msgr. Lu- Römische Kurie organisationen, Rom (Italien); Nicoletta Ber- Medellín und Titularbischof von Gemelle di Nu- igi Mistò. nasconi, Mitglied des »Zentrums für den midia; Der Papst ernannte: interreligiösen Dialog« der Fokolar-Bewegung, – zum Bischof der Diözese Sault Sainte Marie (Ka- Rom (Italien). Bischofskollegium nada): Thomas Dowd, bisher Weihbischof in der 22. Oktober: Metropolitan-Erzdiözese Montréal und Titularbi- – zu Konsultoren des Päpstlichen Rats für den In- Ernennungen schof von Treba; terreligiösen Dialog: Jorge Patricio Vega Vela- sco SVD, Bischof und Prälat der Prälatur Illapel Der Papst ernannte: 24. Oktober: (Chile); P. Diego Ramón Sarrió Cucarella 20. Oktober: – zum Patriarch von Jerusalem der Lateiner: MAfr, Dekan des Päpstlichen Instituts für Ara - Pierbattista Pizzaballa OFM, bisher Apostoli- – zum Apostolischen Administrator »sede va- bische und Islamische Studien, Rom (Italien); scher Administrator »sede vacante« dieses Kir- cante« der Eparchie der heiligen Cyrill und Me- Sebastian Maria Michael SVD, Direktor der chenbezirks und Titularbischof von Verbe; Kommission für den interreligiösen Dialog der thodius in Toronto für die Slowaken des byzanti- L’OSSERVATORE ROMANO Erzdiözese Bombay (Indien); P. In-gun Joseph Wochenausgabe in deutscher Sprache nischen Ritus (Kanada): Kurt R. Burnette, 27. Oktober: Kang SJ, Koordinator der »Buddhist Studies and 50. Jahrgang Bischof von Passaic der Ruthenen (Vereinigte – zum Bischof-Koadjutor der Diözese Riobamba Herausgeber: Apostolischer Stuhl Staaten von Amerika); Dialogue of the Jesuit Conference of Asia Pacific - Verantwortlicher Direktor: Andrea Monda (Ecuador): Gerardo Miguel Nieves Loja, bis- JCAP« (Kambodscha); P. Mario Imperatori SJ, Vizedirektor: Giuseppe Fiorentino 21. Oktober: her Generalvikar und Pfarrer in der Diözese. Dozent an der Päpstlichen Theologischen Fakul- tät Süditaliens, Neapel (Italien); P. Bryan Lobo Redaktion – zum Bischof der Diözese León (Spanien): Luis I-00120 Vatikanstadt; Ángel de las Heras Berzal, bisher Bischof von Rücktritte SJ, Dekan der Fakultät für Missionswissenschaft Tel.: 00 39/06 69 89 94 30; der Päpstlichen Universität Gregoriana, Rom (Ita- Internet: http://www.vatican.va; Mondoñedo-Ferrol; E-Mail: [email protected] Der Papst nahm die folgenden Rücktrittsge- lien); Sr. Jolanta Maria Kafka RMI, General- Bilder: Foto-Service und Archiv O.R. suche an: oberin der Schwestern von der Unbefleckten Tel.: 00 39/06 69 84 51 47; E-Mail: [email protected] Apostolisches Exarchat Jungfrau Maria und Präsidentin der Internationa- Verlag: Schwabenverlag AG; Vorstand: Ulrich Peters 20. Oktober: len Vereinigung der Generaloberinnen, Rom (Ita- Vertrieb: Annika Wedde; Anzeigen: Angela Rössel Postfach 42 80; D-73745 Ostfildern; 24. Oktober: – von Bischof Marián Andrej Pacák von der lien); Sr. Maria Angela De Giorgi MMX, Vize- Tel.: (07 11) 44 06-0; Fax: (07 11) 44 06 138; direktorin des »Shinmeizan Centre of Spirituality Internet: http://www.schwabenverlag.de; Der Papst hat Kardinal Angelo De Do- Leitung der Eparchie der heiligen Cyrill und Me- E-Mail: [email protected] and Interreligious Dialogue«, Nagomi-machi (Ja- natis, Generalvikar Seiner Heiligkeit für thodius in Toronto für die Slowaken des byzanti- Druck: Pressehaus Stuttgart Druck GmbH pan); Prof. Ambrogio Bongiovanni, Professor Plieninger Straße 150, D-70567 Stuttgart; die Diözese Rom, von seinem Amt als Apo- nischen Ritus (Kanada); Jahresabonnement: Deutschland e 98,50; Schweiz an der Päpstlichen Universität Gregoriana, Rom e e stolischer Administrator »sede vacante« sFr. 135,–; restl. Europa 102,50; Übersee 129,50. 21. Oktober: (Italien); Prof. Gaetano Sabetta, Außerordentli- ISSN 0179-7387 des Exarchats für die in Italien lebenden Folgende Bankverbindungen gelten für die Kunden in cher Professor an der Päpstlichen Universität ukrainischen katholischen Gläubigen des – von Bischof Julián López Martín von der Lei- Deutschland, Österreich und der Schweiz: tung der Diözese León (Spanien); Urbaniana, Rom (Italien); Prof. Vincenzo Buon - Deutschland: Liga Bank Regensburg; BIC: GENODEF1M05; byzantinischen Ritus entbunden. IBAN: DE53750903000006486142; omo, Rektor der Päpstlichen Lateran-Universität, Österreich: BAWAG P.S.K.; BIC: OPSKATWW; IBAN: AT476 Zugleich ernannte der Papst Paulo 22. Oktober: Rom (Italien); Prof. Rita George-Tvrtkovicˇ, Pro- 000000007576654 Schweiz: PostFinance AG; BIC: POFICHBEXXX; IBAN: Dionisio Lachovicz OSBM zum Apos - – von Erzbischof Maurice Gardès von der Lei- fessorin an der »University of Notre Dame«, Fort CH2809000000800470123 tolischen Exarchen für die in Italien leben- tung der Erzdiözese Auch (Frankreich); Wayne-South Bend (Vereinigte Staaten von Ame- Abonnementgebühren sind erst nach Rechnungserhalt zahl- bar. Abbestellungen können nur schriftlich mit einer Frist den ukrainischen katholischen Gläubigen rika); Lawrence Chong, Mitglied des »Archdio- von 6 Wochen zum Bezugsjahresende entgegengenommen des byzantinischen Ritus; er war bisher 26. Oktober: cesan Catholic Council for Interreligious Dialo- werden. Bei Anschriftenänderung unserer Leser ist die Post berechtigt, diese an den Verlag weiterzuleiten. Zur Zeit ist die Delegat »ad omnia« dieses Kirchenbezirks – von Bischof Emmanuel Lafont von der gue« der Erzdiözese Singapur (Singapur); Prof. Anzeigenpreisliste Nr. 29 vom 1. Januar 2019 gültig. Für un- und Titularbischof von Egnazia. Leitung der Diözese Cayenne (Französisch-Gu- Pierre Diarra, Mitglied des »Conseil pour les re- verlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Ge- währ übernommen. ayana ). lations interreligieuses et les nouveaux courants 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Kultur 5

Tierisches Hanno, aus dem Vatikan der Elefant Seiner Heiligkeit

m Februar 2015 brachte die deutsche Wo- chenausgabe des Osservatore Romano auf Iihrer Titelseite ein bemerkenswertes Foto. bleichten und befürchteten einen Eklat. »Doch Das Cover der Vatikan-Zeitung schmückte ein Der Elefant Hanno, Seine Heiligkeit jauchzte vor Begeisterung und Bild von der Reise des Papstes nach Colombo um 1516, hielt sich mit einem Lachen den kugelrunden (Sri Lanka). Es zeigte, wie Papst Franziskus mit Künstler aus der Bauch«, berichtete ein Chronist. seinem Wagen durch ein Spalier prächtig ge- Werkstatt Raffaels, Der Pontifex ließ Hanno eine eigene Unter- schmückter Elefanten fuhr. Der damalige Presse- Feder in Braun, mit kunft in den vatikanischen Gärten erbauen. Zu sprecher des Heiligen Stuhles, Pater Federico Pinsel weiß gehöht, seinem Betreuer ernannte er den päpstlichen Lombardi SJ, bekannte: »Ich war überrascht. Ich Kupferstichkabinett, Kammerherrn Giovanni Battista Branconio habe noch nie ein Willkommen eines Papstes Staatliche Museen zu dell’Aquila, der sich gemeinsam mit einem durch Elefanten gesehen. Es waren vielleicht Berlin, KdZ 1794. Mahut, einem indischen Pfleger, um das Tier zu vierzig von ihnen entlang der Straße. Sie leben in kümmern hatte. Leo X. war daran gewöhnt, den großen buddhistischen Tempeln als Zeichen seltene Tiere um sich zu haben; sein Vater – Lo- des Respektes vor dem heiligen Bereich.« renzo der Prächtige – hatte in Florenz ein berühmtes Gehege unterhalten. Leos eigenem Exotisches Geschenk kleinen Zoo gehörten ein Bär, Leoparden und ein Chamäleon. An Sonntagen durfte das römische Gut fünfhundert Jahre zuvor hatte einer der Volk Hanno besuchen, der dann oft nach einer Vorgänger des Heiligen Vaters, Leo X. (1513-1521), tugal, der sich der »Herr der Eroberungen, der überall Aufruhr und daher auch bedenkliche Ver- Musik tanzte und Kunststücke vorführte. eine denkwürdige Begegnung mit einem Elefan- Seefahrt und des Handels mit Indien, Äthiopien, wüstung«, hieß es in Berichten nach Rom. Der Der Elefant nahm auch an der Einholung ho- ten. Dem Medici-Papst waren anlässlich seiner Arabien und Persien« nannte, versuchte, mit Papst sah sich gezwungen, Militär zu entsenden: her Besucher, an Umzügen und Prozessionen Erhebung auf den Stuhl Petri zahlreiche Hul- einer siebzigköpfigen Gesandtschaft und außer- Bogenschützen und die leichte Kavallerie, die für teil. Bei einer dieser Gelegenheiten kam es zu ei- digungsadressen erwiesen und kostbare Ge- gewöhnlichen Geschenken aufzutrumpfen. die Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung nem folgenschweren Unfall. Als der Bruder des schenke gemacht worden. Vor allem Spanien und Das Eintreffen der Abgesandten des Königs im zu sorgen hatten, aber auch ein Pikett der Schwei- Papstes nach seiner Heirat mit der Schwester Kö- Portugal waren in einen Wettstreit getreten. 1494 März 1514 wurde zu einem gefeierten Ereignis, zergarde, das eine standesgemäße Eskorte für die nig Ludwigs XII. von Frankreich zu Besuch nach hatte der Heilige Stuhl im Vertrag von Tordesillas zu einem »Mega-Event« der damaligen Zeit. ausländischen Gäste samt ihrem tierischen Ge- Rom kam, wurde dem jungen Ehepaar eine über die territorialen Ansprüche der mächtigen Die portugiesischen Edelleute und Geistlichen, folge stellte. Eskorte entgegengeschickt, zu der auch Hanno Kolonialreiche entschieden, und beide Königrei- die sich der Ewigen Stadt näherten, wurden gehörte, der mit einem kleinen Turm, in dem be- che bemühten sich, auch weiterhin in der Gunst von Scharen exotischer Tiere begleitet. Vor allem Kleiner Zoo im Vatikan waffnete Männer saßen, bepackt war. Salut- des Papstes zu stehen. König Manuel I. von Por- ein Elefant ließ die Bevölkerung des Kirchenstaa- schüsse und der Lärm der Menge versetzten den tes den Weg, den die Gesandt- Im Vatikan erwartete Leo X. die Gesandt- Elefanten in Panik, wobei der Turm herabstürzte; schaft einschlug, voller Neugier schaft. Der dressierte Elefant, der schon bald den herandrängende Menschen kamen unter die säumen. Menschen stiegen auf Namen »Annone«, zu deutsch »Hanno«, erhalten Hufe der Pferde und des Elefanten, viele Verletzte Dächer, die unter der Last der Zu- sollte, begrüßte den Heiligen Vater mit lauten und Tote waren zu beklagen. schauer zusammenbrachen. »Der Trompetenstößen. Dann ging er – wie es sich das Im Frühjahr 1516 geriet Leo X. – und mit ihm Zug der Portugiesen verursacht Hofzeremoniell nicht hätte besser wünschen der ganze Päpstliche Hof – in Aufregung. Hanno können – in die Knie. Der Papst, der ein überaus war erkrankt! Atemnot und Verstopfung plagten kindliches Gemüt besaß, war gerührt und ihn. Die Leibärzte des Papstes wurden gerufen. Raffael: Schöpfung der Tiere. klatschte vergnügt in die Hände. Dann nahm Schon bald sahen sie, dass dem Liebling des Pon- Am Baum Hanno, dahinter auch Hanno einen tiefen Schluck aus einem Wasser- tifex wohl kaum noch zu helfen war, und so ent- das Rhinozeros, das Rom nicht trog, der ihm gereicht wurde, schwang seinen schlossen sie sich für ein letztes radikales Vorge- lebend, sondern ausgestopft Rüssel wie ein Aspergill und durchnässte den hen. Sie verabreichten Hanno einen abführenden erreichte. Loggien des Papst und die Kardinäle, die ihn umgaben, bis auf Trank, dem hochwirksame Kräuter und ein be- Apostolischen Palastes, Vatikan. die Haut. Die portugiesischen Gesandten er- trächtliches Maß an Gold, das damals als Wun- dermittel galt, beigefügt worden war. Ein letztes Mal bäumte sich das stolze Tier auf. Der Elefant Seiner Heiligkeit war tot. In Rom trauerte man, Schätze in der Vatikanischen Bibliothek und überall war der Spottvers zu hören: »Das Chamäleon, der Elefant, die indische Ziege, das Rhinozeros, sie alle sind tot; es wäre ungerecht, Der Physiologus – wurde er mehrmals überarbeitet stammen aus der Karolingerzeit. wenn der Löwe (Leo) sie überleben sollte!« Der eine Naturgeschichte mit und ist in vier Redaktionen über- Diese Fassung war die Vorlage für Papst gab am 1. Dezember 1521 seine Seele dem allegorischer Deutung des liefert. Die älteste, mit fünf Über- die deutschen Bearbeitungen des Schöpfer zurück; er wurde in der Kirche Santa Heilsgeschehens (Ross. 22) lieferungsklassen, besteht aus 48 Mittelalters. Von den 27 Kapiteln Maria sopra Minerva in der Altstadt Roms nahe Kapiteln und neben den Tieren der althochdeutschen Version von dem Pantheon beigesetzt. Wer sein Grab auf- in anonymer, vermutlich sind auch Pflanzen und Minera- 1070 sind noch zwölf erhalten, sucht und das Gotteshaus betritt, muss auf dem E aus Alexandrien stam- lien beschrieben, die zweite mit- vermutlich ist der Text im Kloster Vorplatz an einem Obelisken vorbei, der auf dem mender Autor wählte im 2. Jahr- telbyzantinische Redaktion aus Hirsau entstanden. Aus der mittel- Rücken eines steinernen Elefanten ruht. hundert n. Chr. aus der hellenisti- 27 Abschnitten ist ohne Pflanzen hochdeutschen Epoche ist der Raffael und seine Schüler verewigten den schen Literatur Tiergeschichten und Mineralien, aber mit mehr Darstellung des Löwen aus Prosatext des Wiener Physiologus Liebling Leos X. und der Römer in den Loggien des und -legenden aus, modifizierte sie volkssprachlichen Elementen ver- dem »Physiologus Bernensis« mit 27 Kapiteln (um 1200) und der Apostolischen Palastes. Zeichnungen, Radierun- und brachte sie in allegorischer sehen. In der aus dem 11. Jahrhun- (entstanden um 830). gereimte Millstätter Physiologus gen und Stiche zeigen den berühmten Elefanten; Weise mit Bibelstellen und dem dert stammenden dritten Version überliefert. Letzterer ist in einfa- sein Bild war auf dem Tafelgeschirr römischer christlichen Heilsgeschehen in mit 30 Teilen wird der heilige Basi- ihrem Blut zum Leben erweckt, chen Reimen umgesetzt und ist im Adelsfamilien zu sehen. Berichte, Erzählungen Verbindung. Diese anschauliche lius als Autor und Salomon als na- mit dem Opfertod Christi, seiner bairisch-österreichischen Sprach- und Sonette, die über Hanno geschrieben wur- Erbauungsliteratur (auch für die turkundlicher Gewährsmann an- Auferstehung und Erlösung vergli- gebiet entstanden. Außerdem ist den, werden in den Archiven und in der Biblio- Schule) sollte den einfachen Gläu- gegeben. Die letzte Fassung aus chen. So sollen christliche Tugen- der Text mit schlichten Strich- thek des Papstes verwahrt. Im Hof der Bibliothek bigen die elementaren Lehren der spätbyzantinischen Zeit mit 48 den besser verständlich gemacht zeichnungen illustriert. Für die wurden 1962 bei Ausschachtungsarbeiten die des christlichen Glaubens durch Kapiteln ist in Versform gehalten. werden. drei im 15. Jahrhundert bearbeite- Knochen und der Zahn eines Elefanten gefunden. Analogien in der Natur näherbrin- Die einzelnen Kapitel werden Der Physiologus wurde in ver- ten Überlieferungen konnten bis- Die Experten berieten sich und kamen zu der gen. Wegen der volkstümlichen jeweils mit der Nennung eines schiedene Sprachen übersetzt und lang keine Vorlagen nachgewie- Überzeugung, dass Hanno wohlmöglich an dieser Erklärungen war der Physiologus Tieres und einer Beschreibung des war im christlichen Orient und im sen werden. Der Physiologus hat Stelle beigesetzt worden war. In der Schatzkam- sehr beliebt. Im Laufe der Zeit Verhaltens des Tieres in bestimm- mittelalterlichen Europa weit ver- sich nachhaltig auf die bildende mer des Domkapitels von Sankt Peter werden ten Situationen eingeleitet. Aus breitet. Ab dem 5. Jahrhundert Kunst ausgewirkt, besonders auf Zähne eines Elefanten verwahrt, die in Verzeich- dieser Handlungsweise wird dann wurde der Text ins Koptische, Ar- dem Gebiet der christlichen Ikono- nissen des 16. Jahrhunderts Hanno zugeschrie- eine Analogie zur christlichen menische und Syrische übertra- graphie sind lebhafte Motive zu ben werden. Sogar die Gärten des Vatikans tragen Heilsgeschichte hergestellt, zum gen. Die erste Übersetzung ins La- finden, wie der Pelikan, das Ein- auf ihre Weise zur Erinnerung an Hanno bei; hier Beispiel wird das Verhalten der Pe- teinische erfolgte um 431 und die horn oder der Phönix. finden Besucher seltene Gewächse wie das Ele- likanmutter, die ihre Jungen mit ältesten erhaltenen Handschriften Dr. Christine Grafinger fantenohr (Alocasia macrorrhiza) und den Elefan- tenfuss (Beaucarnea recurvata). Ulrich Nersinger 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 6 Kirche in der Welt

Der neue Selige: Carlo Acutis Originell und Heiligkeit in Jeans und Turnschuhen authentisch Assisi. Bischof Marcello Semeraro, der Von Nicola Gori neue Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, hat am 19. Oktober beim Grab des seligen Carlo Acu- »Ein Applaus für den neuen Seligen aus der tis die heilige Messe gefeiert. »Ich bin si- Generation Y!« Mit diesen Worten forderte Papst cher«, unterstrich er in der Predigt, dass der Franziskus die Gläubigen beim Angelus am selige Carlo Acutis »die Träume und die 11. Oktober auf, die Seligsprechung von Carlo Sehnsucht vieler, die ihn als Vorbild und Acutis zu feiern, die am Vortag in Assisi stattge- Beispiel betrachten«, unterstützt. »Heute funden hatte. Ein »in die Eucharistie Verliebter«, steht vor unseren Augen das Bild eines jun- nannte ihn der Papst, der sich »nicht in einer be- gen Mannes, der in seinem Leben auf quemen Unbeweglichkeit ausgeruht, sondern Christus gesetzt hat. Es gibt viele Aspekte, die Bedürfnisse seiner Zeit erkannt hat«, weil »er die seine Gestalt faszinierend machen. Er in den Schwächsten das Antlitz Christi sah«. Sein hat einen besonderen Charme.« Seine Mut- Zeugnis zeige »den jungen Menschen von heute, ter habe bezeugt, dass Carlo auch seine dass man das wahre Glück dann findet, wenn schwachen Seiten gehabt habe, manchmal man Gott an die erste Stelle setzt und ihm in un- sei er ein »Plappermaul« gewesen und habe seren Brüdern und Schwestern dient, besonders zum Stolz geneigt. Aber, so der Präfekt. »er in den Geringsten«. ist gewachsen. Er hat seine Schwäche und Es war nicht das erste Mal, dass der Papst auf Kleinheit erkannt und die Hindernisse für das Beispiel und das Zeugnis des Jungen hinwies. das Wirken des Heiligen Geistes beseitigen Es sei nur erinnert an den langen Abschnitt, den In den ersten drei Oktoberwochen kamen täglich über 2.000 Gläubige zum Grab von Carlo, der am können.« Als Computergenie habe er keine ihm Franziskus im nachsynodalen Apostolischen 10. Oktober seliggesprochen wurde. Sein Gedenktag ist der 12. Oktober, sein Todestag. Follower und Bewunderer gesucht, son- Schreiben Christus vivit vom 25. März 2019 ge- dern sei ein Jünger Jesu geworden. Nach widmet hat. Worte, die um die Welt gegangen der heiligen Messe wurde das Grab des Se- sind. schof Domenico Sorrentino, Bischof der Diözese ben, in Assisi an der Seligsprechung teilzuneh- ligen geschlossen. Bischof Semeraro bat Assisi-Nocera Umbra-Gualdo Tadino, die Feier- men. Auch sie in Turnschuhen, Jeans und Carlo um seine Fürsprache für den Papst Grund der Beliebtheit lichkeiten zur Seligsprechung am 1. Oktober offi- Sweatshirt. Jeder mit seiner eigenen Lebensge- und die Kirche, aber auch für seine neue ziell eröffnet hat, nicht allein mit der Neugier schichte und -situation, mit dem Wunsch, einen Aufgabe als Präfekt der Kongregation für Mit etwas zeitlichem Abstand zur Seligspre- erklären. Da ist sehr viel mehr, was die Jugendli- Augenblick der Freude und des Festes zu erleben. die Selig- und Heiligsprechungsprozesse. chung stellt sich spontan dieselbe Frage, die Fra chen veranlasst, den Schrein zu berühren, einige Denn das war es: ein echtes Familienfest, ein Fest Der bisherige Bischof von Albano war am Masseo an den heiligen Franz von Assisi gerich- Augenblicke vor dem Leib des jungen Mannes der Herzen. Bunte Rucksäcke und Tücher, we- 15. Oktober ernannt worden. tet hat: »Warum läuft dir die ganze Welt nach, aus Mailand zu verweilen, der Assisi zu seiner hende Fahnen und Transparente auf den Plätzen, Am Sonntag, 18. Oktober, hatte der Bi- jeder scheint dich sehen, hören und dir gehor- Wahlheimat erkoren hat. wo die Jugendlichen die Seligsprechung auf schof von Assisi-Nocera Umbra-Gualdo Ta- chen zu wollen?« Warum standen trotz der Ein- Ein Paar Turnschuhe, Jeans und ein Sweat- Großbildschirmen verfolgen konnten, waren dino, Domenico Sorrentino, bei der Feier schränkungen aufgrund der Pandemie Hunderte shirt könnten da eine Erklärung liefern. Mit die- sichtbare Zeichen der Zuneigung zum neuen Se- der Messe mit Priestern der Diözese ge- Jugendliche in den letzten Tagen bereits seit dem sen wurde Carlo nach seiner Überführung in das ligen. sagt: »In dieser Kirche sprechen Franz von frühen Morgen Schlange, um am Grab des Seli- »Heiligtum der Entkleidung des heiligen Franzis- Assisi und Carlo mit einer Stimme.« Die gen zu beten? An seinem neuen Grab, wo der am kus« bekleidet. Sie sind ein Zeichen für das Ge- Sein Erbe beiden hätten eine Art »Allianz« geschlos- 12. Oktober 2006 Verstorbene vom 1. bis 19. Ok- heimnis so großer Sympathie der heutigen Gene- sen, über die sie trennenden Jahrhunderte tober hinter einer Glasscheibe zu sehen war. Fra ration: Die Botschaft von Carlo ist direkt, Auch die Ausstellungen über Marienerschei- hinweg. »Beide sind in der Lage, die Spra- Masseo wollte mit seinen Fragen die Demut des verständlich, einleuchtend. Er ist einer von ih- nungen und Eucharistische Wunder, die Carlo che der Jugendlichen zu sprechen.« Und heiligen Franziskus prüfen. Versuchen wir auf nen. Nach dem Vorbild des heiligen Franziskus entworfen und zusammengestellt hat, waren in zwar sei dies die Sprache der Originalität dieselbe Weise bei Carlo nach dem Grund seiner hat Carlo verstanden, dass er Gott in den Mittel- zwei Kirchen Assisis zu sehen und zogen viele und der Authentizität, so der Erzbischof. Beliebtheit zu fragen. punkt seines Lebens stellen musste. Andernfalls Jugendliche an. Am Vorabend der Seligsprechung »Die Jugendlichen sehnen sich nach Ori- Im Leben des Seligen und des Heiligen von bestünde das Risiko, angepasst zu sein und un- stellten einige Jugendliche in einem Theaterstück ginalität, aber um sie zu erreichen, gehen Assisi gibt es einen grundlegenden Berührungs- fähig, sich als mit Würde begabte selbstständige das Leben ihres »Freundes« vor, mit der Bot- sie häufig falsche Wege und enden als Fo- punkt: die Entdeckung Gottes und seiner Liebe Personen zu verwirklichen. Diesbezüglich war schaft, dass Internet und soziale Netzwerke dazu tokopien, wie Carlo zu sagen pflegte, von und infolgedessen der Vorrang für die, die Gott ein Wort des Seligen gleichsam das Leitmotiv der dienen können, das Evangelium zu verbreiten, aktuellen Moden bestimmt.« Erzbischof besonders liebt: die Armen, die Ausgeschlosse- 17-tägigen Veranstaltungen aus Anlass der Selig- wie Carlo es verstanden hatte. Ein Pfeiler seiner Sorrentino unterstrich, dass Carlo und nen, die Obdachlosen, die Flüchtlinge, die Ver- sprechung: »Alle werden als Original geboren, Spiritualität war die Eucharistie. Und so wurde Franziskus »zu den Jugendlichen in ihrer zweifelten. aber viele sterben als Fotokopie.« ganz Assisi in der Nacht vor der Seligsprechung Sprache sprechen möchten, um ihnen zu Vielleicht sehen die Jugendlichen von heute Vielleicht waren es dieser Lebensmut, diese zur »Eucharistischen Stadt«, Kirchen und Klöster sagen, dass sie glückliche Originale wer- in Carlo einen neuen Franziskus, der einfach und Freude am Leben und an der Schöpfung, die blieben zur Anbetung des Allerheiligsten geöff- den können, wenn sie den richtigen Weg verständlich über Gott zu ihnen spricht? Sicher- Freude, eine gemeinsame Glaubenserfahrung zu net. Ein weiteres Zeichen, das Carlo als Erbe hin- gehen, das heißt den Weg Jesu«. lich lässt sich das, was geschehen ist, seit Erzbi- machen, die Hunderte Jugendliche veranlasst ha- terlassen hat.

Carlos Freunde erzählen

spielte: Mattia erzählt von seinem nem Interview in dieser Hinsicht als mir mit einem breiten Lächeln an dem und war beeindruckt von einem Bild großen Bruder, der ihn oft gepiesackt »Analphabetin«. Ihrer Ansicht nach Ort, wo ich normalerweise Beichte von Carlo, der irgendwie auf mich ge- habe. Carlo habe ihm immer geholfen, spielte das polnische Kindermädchen höre, entgegenkam. Er sagt zu mir: Ich wartet hat. Ich konnte nicht anders, als das habe er damals noch nicht richtig Beata vielleicht eine Rolle. Aber er würde gerne alle deine Freunde ken- mich zu nähern und die traurige und verstanden. Aber irgendwie habe er habe eine natürliche Veranlagung für nenlernen. Ich frage ihn: Warum das? lichtvolle Geschichte eines Jungen zu gemerkt, dass er ein besonderer das Heilige gehabt. Seine Mutter er- Er antwortet mir: Um davon zu er- lesen, für den kurze 15 Jahre ›ausrei- Mensch gewesen sei. Carlo habe ihn zählt: »Als er dreieinhalb Jahre alt war, zählen, was Gott mit mir getan hat. chend‹ waren, um eine unauslöschli- sehr berührt und »ich habe ihn nie ver- bat er mich, in die Kirchen zu gehen, Dann verschwindet er. Der Traum hat che Spur auf dieser Erde zu hinterlas- gessen«. um Jesus zu grüßen. In den Parks von sich dreimal wiederholt. Ich konnte sen. Ich werde das Grab besuchen, in Der Hausangestellte der Eltern aus Mailand sammelte er Blumen, um sie keine Erklärung dafür finden. Ich sagte dem Carlo ruht, um ihm für sein kost- Indien, Rajesh Mohur, der sich auch der Muttergottes zu bringen. Es war mir: Gott wird mir eine Antwort ge- bares Geschenk zu danken.« arlo wurde am 3. Mai 1991 ge- um Carlo kümmert, mit ihm spazie- sein Wunsch, die Eucharistie im Alter ben. So sehe ich am 21. September Darüber hinaus spricht das Leben Cboren, er wäre heute 29 Jahre ren geht und spielt, lässt sich nach ei- von sieben Jahren zu empfangen und (dem Tag, an dem die Kirche der Beru- von Carlo auch seine Altersgenossen alt. Michele, ein Mitschüler aus der niger Zeit taufen. Den Brahmanen aus nicht erst mit zehn.« fung des heiligen Matthäus gedenkt) an. Ein junger Mann schreibt in sei- Grundschule, war mit ihm in der ers- der hinduistischen Priesterkaste hatte Nach Carlos Tod 2006 nehmen beim Besuch im Zentrum für Beru- nem Blog: »Nachdem man seine Ge- ten und zweiten Klasse enger befreun- besonders beeindruckt, wie Carlo den viele Menschen Kontakt mit der Fami- fungspastoral in meiner Diözese ein schichte kennengelernt hat, ist es un- det. Sie trafen sich nachmittags, um zu Armen half – in verschiedenen Sup- lie Acutis auf, um mitzuteilen, wie sie Foto von Carlo Acutis. Derselbe Junge, möglich, sich keine Fragen zu stellen spielen oder Filme zu sehen. Als Com- penküchen und auch indem er den ihm über seinen Tod hinaus begegnet der in meinen Träumen zu mir gekom- darüber, wie wir unseren Glauben im puterfan drehte Carlo lustige Filme, de- Obdachlosen, die in der Nähe seiner sind und was sie dadurch erlebt ha- men ist! Da haben sich meine Augen Leben umsetzen, gerade weil wir ren Hauptdarsteller die im Haus leben- Wohnung unter einem Bogen lebten, ben. Zum Beispiel schreibt im Oktober mit Tränen gefüllt und mein Herz mit keine Ausrede haben, dass es sich um den Tiere waren. Im Rückblick schätzt Essen und Getränke brachte. Mit sei- 2011 ein junger Gemeindepfarrer aus einem Frieden und einer Freude, die eine weit entfernte Gestalt aus vergan- Michele an seinem Freund besonders, nen Ersparnissen kaufte er auch der Diözese Cartago in Costa Rica an ich nicht erklären kann. Ich habe dann genen Zeiten handelt.« Er fügt hinzu: dass er sehr einfach war und nie über Schlafsäcke für sie. die Mutter von Carlo: »Ich möchte Ih- das Leben von Carlo gelesen, und jetzt »Und wo war ich in dieser Zeit? Was die Menschen geurteilt hat. Ein ande- Carlo lebte eine so tiefe Freund- nen voller Freude erzählen, wie ich ist mir alles klar.« habe ich getan? Dieser Junge wurde rer Junge hat als Sechsjähriger Carlo im schaft mit Christus, dass er auch seine Ihren Sohn kennengelernt habe. An- Ein Geschäftsmann erzählt: »An ei- nach mir geboren und ist vor mir ge- Sommer in Assisi kennengelernt, als er Mutter auf den Weg des Glaubens fang September 2011 habe ich von ei- nem Sonntag habe ich die Kirche San storben, und schau, wie weit er ge- mit den anderen Kindern Fußball führte. Sie selbst bezeichnete sich in ei- nem Heranwachsenden geträumt, der Frediano al Cestello in Florenz besucht kommen ist!« 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan 7

Internationales Friedenstreffen in Rom – Ökumenisches Gebet der Christen in der Basilika Santa Maria in Aracoeli Das wahre Problem ist der Mangel an Liebe Homilie von Papst Franziskus am 20. Oktober

»Niemand rettet sich allein – Frieden und Geschwisterlichkeit«. Unter diesem Motto stand das von der Gemeinschaft Sant’Egidio jährlich organisierte Friedenstreffen, das we- gen der Pandemie auf einen Nachmittag ver- kürzt worden war. Rund 600 geladene Gäste waren vor Ort anwesend, weltweit verfolgten Tausende die Live-Übertragung im Internet. Es begann mit einem Moment des Gebets, den jede Glaubensgemeinschaft für sich in der ei- genen Tradition hielt. Katholiken, Orthodoxe, Lutheraner und Anglikaner kamen in der Basi- lika Santa Maria in Aracoeli zusammen. Im Folgenden die Worte des Papstes:

Es ist ein Geschenk, gemeinsam zu beten. Ich danke euch und grüße euch alle von Herzen, be- sonders meinen Bruder Seine Heiligkeit den Öku- menischen Patriarchen Bartholomaios und den lieben Bischof Heinrich, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der hochwürdigste Erzbischof von Canterbury Justin konnte wegen der Pandemie leider nicht kom- men. Der eben gehörte Abschnitt aus der Leidens- geschichte des Herrn gibt die Augenblicke kurz vor Jesu Tod wieder und schildert die Versuchung, die ihn überkommt, als er am Ende seiner Kräfte am Kreuz hängt. Er durchlebt Momente schlimm- Rette dich selbst. Als nächstes treten die Ho- zu sprechen, das Schlechte beim Nächsten und depunkt, denn Gott zeigt nicht mit dem Finger sten Schmerzes und größter Liebe, während ihm hepriester und Schriftgelehrten vor. Sie waren es, nicht bei sich selbst zu sehen und letztendlich die auf jemanden, sondern umarmt jeden. Denn nur die Menge gnadenlos immer wieder »Rette dich die Jesus verurteilt hatten, weil er eine Gefahr für Schuld auf die Schwachen und Ausgegrenzten die Liebe löscht den Hass, nur die Liebe über- selbst!« (Mk 15,30) entgegenschmettert. Es ist die sie darstellte. Aber wir alle sind Spezialisten, an- abzuwälzen! Aber warum sind die Mitgekreu- windet die Ungerechtigkeit ganz und gar. Nur zentrale Versuchung, die alle, auch uns Christen, dere ans Kreuz zu schlagen, nur um uns selbst zu zigten auf Jesus wütend? Weil er sie nicht vom die Liebe macht Platz für den anderen. Nur die befällt: die Versuchung, nur an das eigene Heil retten. Jesus lässt sich dagegen ans Kreuz nageln, Kreuz befreit. Sie sagen ihm: »Rette dich selbst Liebe ist der Weg zur vollen Gemeinschaft unter oder das einer bestimmten Gruppierung zu den- um uns zu lehren, das Böse nicht auf den Nächs - und auch uns!« (Lk 23,39). Sie suchen Jesus nur uns. ken, nur die eigenen Probleme und Interessen im ten abzuwälzen. Diese Religionsführer beschul- zur Lösung ihrer Probleme. Aber Gott kommt Schauen wir auf den gekreuzigten Gott, und Kopf zu haben, während alles andere nicht zählt. digen ihn gerade wegen der anderen: »Andere nicht so sehr deswegen zu uns, um uns von den bitten wir den gekreuzigten Gott um die Gnade, Das ist ein sehr menschlicher, jedoch böser In- hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten« immer wiederkehrenden Problemen zu befreien, dass wir noch mehr geeint und geschwisterlicher stinkt, und stellt die letzte Herausforderung für sondern vielmehr, um uns sind. Und wenn wir versucht sind, der Logik der den gekreuzigten Gott dar. vom wahren Problem zu Welt zu folgen, wollen wir an die Worte Jesu den- Rette dich selbst. Das sagten als erste »die Das »Evangelium« des »Rette-dich-selbst« erlösen, das der Mangel an ken: »Wer sein Leben retten will, wird es verlie- Leute, die vorbeikamen« (V. 29). Das waren ein- ist nicht das Evangelium des Heils. Liebe ist. Das ist der tiefe ren; wer aber sein Leben um meinetwillen und fache Menschen, die gehört hatten, wie Jesus Es ist das falscheste unechte Evangelium, Grund unserer persönli- um des Evangeliums willen verliert, wird es ret- sprach und Wunder wirkte. Jetzt sagen sie zu das den anderen das Kreuz auferlegt. chen, sozialen, internatio- ten« (Mk 8,35). Was in den Augen des Menschen ihm: »Rette dich selbst und steig herab vom Das wahre Evangelium hingegen nimmt nalen und ökologischen einen Verlust bedeutet, wird für uns zum Heil. Kreuz.« Sie fühlten kein Mitleid, sondern wollten die Kreuze der anderen auf die eigene Schulter. Probleme. Nur an sich Lernen wir vom Herrn, der uns dadurch gerettet ein Wunder, sie wollten sehen, wie er vom Kreuz selbst zu denken ist die Ur- hat, dass er sich selbst entäußert hat (vgl. Phil 2,7) herabsteigt. Vielleicht hätten manchmal auch wir sache allen Übels. Aber ei- und anderes wurde: als Gott wurde er Mensch, lieber einen spektakulären Gott als einen barm- (V. 31). Sie kannten Jesus, sie erinnerten sich an ner der Verbrecher betrachtet Jesus und erkennt als Geist wurde er Fleisch, als König Diener. Er herzigen, lieber einen Gott, der in den Augen der die Heilungen und Befreiungen, die er gewirkt in ihm die milde Liebe. Und er gewinnt das Para- lädt uns auch ein, »anderes zu werden«, auf an- Welt stark ist, der sich mit Gewalt durchsetzt und hatte, und ziehen einen tückischen Schluss: Sie dies, weil er eines tut: Er lenkt die Aufmerksam- dere zuzugehen. Je mehr wir mit dem Herrn außer Gefecht setzt, wer uns Böses antun will. unterstellen, dass es nichts bringt, die anderen zu keit von sich auf Jesus hin, von sich weg zu dem, Jesus Christus verbunden sind, desto offener und Aber das ist nicht Gott, sondern unser eigenes heilen oder ihnen zu helfen; denn er, der sich so der an seiner Seite hing (vgl. V. 42). »universaler« werden wir sein, weil wir uns für Ego. Wie oft wünschen wir uns einen Gott nach sehr für die anderen aufgeopfert hat, verliert sein Liebe Brüder und Schwestern, auf Golgota die anderen verantwortlich fühlen. Und der an- unseren Maßstäben, anstatt dass wir uns Gottes eigenes Leben! Es ist eine höhnische Anklage, die fand das große Duell zwischen Gott, der ge- dere wird dann der Weg sein, um sich selbst zu Maßstäben anpassen; einen Gott so wie wir, an- sich religiöser Begriffe bedient, wenn sie zwei kommen ist, um uns zu retten, und dem Men- retten: jeder andere, jeder Mensch, unabhängig statt dass wir wie er werden! Aber so ziehen wir Mal das Verb »retten« verwendet. Aber das schen, der sich selbst retten will, statt; zwischen von seiner Geschichte und seinem Glaubensbe- der Gottesverehrung den Kult des Ich vor. Es ist »Evangelium« des »Rette-dich-selbst« ist nicht das dem Glauben an Gott und dem Kult des Ich; kenntnis – angefangen bei den Armen, die Chris- ein Kult, der mit der Gleichgültigkeit gegenüber Evangelium des Heils. Es ist das falscheste un- zwischen dem Menschen, der beschuldigt, und tus am ähnlichsten sind. Der große Erzbischof unserem Nächsten zunimmt und sich daraus echte Evangelium, das den anderen das Kreuz Gott, der entschuldigt. Und Gottes Sieg ist ge- von Konstantinopel, der heilige Johannes Chry - speist. Die vorübergehenden Leute interessierten auferlegt. Das wahre Evangelium hingegen kommen, seine Barmherzigkeit ist auf die Welt sostomus, schrieb einmal: »Wenn es keine Ar- sich für Jesus nämlich nur zur Befriedigung der ei- nimmt die Kreuze der anderen auf die eigene herabgestiegen. Vom Kreuz strömte die Verge- men gäbe, würde unser Heil großenteils zu Fall genen Wünsche. Als Abschaum am Kreuz inter- Schulter. bung, wurde die Geschwisterlichkeit wieder kommen« (In epistulam secundam ad Corinthios, essierte er sie aber nicht mehr. Er befand sich di- Rette dich selbst. Zum Schluss beteiligen sich neu geboren: »Das Kreuz macht uns zu Ge- XVII, 2). Möge der Herr uns helfen, gemeinsam rekt vor ihren Augen, aber weit weg von ihren auch noch die mit Jesus Gekreuzigten an dieser schwistern« (Benedikt XVI., Worte am Ende des auf dem Weg der Geschwisterlichkeit zu gehen, Herzen. Die Gleichgültigkeit hielt sie vom wah- herausfordernden Stimmung gegen ihn. Wie Kreuzwegs, 21. März 2008). Die am Kreuz aus- damit wir glaubwürdige Zeugen des lebendigen ren Angesicht Gottes fern. leicht ist es doch zu kritisieren, gegen jemanden gebreiteten Arme Jesu kennzeichnen den Wen- Gottes sein können.

»Wie können wir als Kirchen Boten und Kundschaf- ter von Gottes Heilung sein? Wie können wir Zei- chen des Friedens und der Geschwisterlichkeit sein?«, fragte Landesbischof Heinrich Bedford- Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (links), in seiner Meditation.

In den Fürbitten wurde um Befreiung von Krieg und Gewalt gebetet. Einzelne Länder wurden na- mentlich erwähnt. Nach jeder Bitte wurde eine Kerze entzündet, eine Afrikanerin (rechts) tat dies nach der Bitte um Versöhnung in Burundi. 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 8 Aus dem Vatikan

Internationales Friedenstreffen in Rom Frieden ist die oberste Priorität jeder Politik Ansprache von Papst Franziskus am 20. Oktober

Im Anschluss an das Gebet kamen die Teil- In der Tat ist »das Gebot des Friedens [tief in nehmer zu einer Kundgebung auf dem Kapi- die] religiösen Traditionen eingeschrieben« (En- tolsplatz zusammen, bei der Papst Franziskus zyklika Fratelli tutti, 284). Die Gläubigen haben die folgende Ansprache hielt: verstanden, dass die Religionsverschiedenheit keine Rechtfertigung für Gleichgültigkeit oder Liebe Brüder und Schwestern! Feindschaft ist. Im Gegenteil, vom Glauben her Es ist mir ein Grund zur Freude und ich danke können wir zu »Handwerkern« des Friedens wer- Gott, hier auf dem Kapitol im Herzen Roms den den und bleiben nicht länger träge Zuschauer des verehrten Religionsführern, den werten Vertre- Übels von Krieg und Hass. Die Religionen dienen tern des öffentlichen Lebens und zahlreichen dem Frieden und der Geschwisterlichkeit. Aus Freunden des Friedens begegnen zu dürfen. Wir diesem Grund ermutigt auch das heutige Treffen haben Seite an Seite für den Frieden gebetet. Ich die Religionsführer und alle Gläubigen, beharr- begrüße den Präsidenten der Republik Italien Ser- lich für den Frieden zu beten, sich niemals mit gio Mattarella. Und ich freue mich, meinen Bru- Krieg abzufinden und mit der sanften Kraft des der Seine Heiligkeit den Ökumenischen Patriar- Glaubens zu handeln, um den Konflikten ein chen Bartholomaios erneut zu treffen. Ich weiß Ende zu setzen. es sehr zu schätzen, dass er und andere Persön- lichkeiten trotz der erschwerten Reisebedingun- Ursache für gen an diesem Gebetstreffen teilnehmen woll- Leid und Armut ten. Im Geiste des vom heiligen Johannes Paul II. im Jahr 1986 einberufenen Treffens von Assisi Wir brauchen Frieden! Mehr Frieden! »Wir begeht die Gemeinschaft Sant’Egidio jedes Jahr in dürfen nicht gleichgültig bleiben. Die Welt hat einer anderen Stadt diesen Moment des Gebets heute einen brennenden Durst nach Frieden. In und Dialogs für den Frieden zwischen den An- vielen Ländern leidet man unter Kriegen, die oft gehörigen verschiedener Religionen. ausgeblendet werden, und doch immer Ursache Die Konflikte gehen unterdessen weiter, und Jünger vor seiner Passion zwei Schwerter zeigen. Diese Friedensvision trug einen propheti- für Leid und Armut sind« (Ansprache beim Welt- mit ihnen Schmerz und Tod. Kriege zu beenden »Genug davon!«: Es ist eine unmissverständliche schen Samen in sich, der mit Gottes Gnade nach gebetstag für den Frieden, Assisi, 20. September ist eine unaufschiebbare Pflicht aller politischen Antwort gegen jede Gewalt. Dieses »Genug da- und nach durch neu entstandene Treffen, Frie- 2016). Die Welt, die Politik und die öffentliche Verantwortungsträger vor Gott. Frieden ist die von!« Jesu überdauert die Jahrhunderte und er- densaktionen und ein neues Denken der Ge- Meinung laufen Gefahr, sich an das Übel des oberste Priorität jeder Politik. Gott wird jeden, der geht mit Nachdruck auch an uns heute: Genug schwisterlichkeit herangereift ist. Denn rück- Krieges als naturgegebenen Begleiter in der Ge- den Frieden nicht gesucht oder Spannungen und der Schwerter, der Waffen, der Gewalt! Schluss blickend dürfen wir, obschon es in den ver- schichte der Völker zu gewöhnen. »Halten wir Konflikte geschürt hat, für alle vergangenen Tage, mit dem Krieg! gangenen Jahren leider schmerzliche Ereignisse uns nicht mit theoretischen Diskussionen auf, Monate und Jahre, in denen die Menschen vom Diesen Aufruf griff der heilige Paul VI. im Jahr wie Konflikte, Terrorismus oder Radikalismus zu- sondern treten wir in Kontakt mit den Wunden, Krieg heimgesucht wurden, zur Rechenschaft 1965 bei den Vereinten Nationen auf, als er sagte: weilen auch im Namen der Religion gab, doch berühren wir das Fleisch der Verletzten. […] ziehen! »Nie wieder Krieg!« Das ist die flehentliche Bitte fruchtbare Schritte im Dialog zwischen den Reli- Achten wir auf die Flüchtlinge, auf diejenigen, die Das Wort unseres Herrn Jesus Christus be- von uns allen, Männern und Frauen guten Wil- gionen erkennen. Das ist ein Zeichen der Hoff- unter atomarer Strahlung oder chemischen An- sticht durch seine tiefe Weisheit: »Steck dein lens. Es ist der Wunschtraum aller, die den Frie- nung, das uns ermutigt, als Brüder und Schwes- griffen gelitten haben, auf die Frauen, die ihre Schwert in die Scheide» – so sagt er – »denn alle, den suchen und aufbauen, da sie sich bewusst tern zusammenzuarbeiten – als Brüder und Kinder verloren haben, auf die Kinder, die ver- die zum Schwert greifen, werden durch das sind, dass jeder Krieg die Welt schlechter zurück- Schwestern. So gelangten wir zu dem wichtigen stümmelt oder ihrer Kindheit beraubt wurden« Schwert umkommen« (Mt 26,52). Alle, die zum lässt, als sie vorher war (vgl. Enzyklika Fratelli Dokument über die Brüderlichkeit aller Men- (Enzyklika Fratelli tutti, 261). Heute werden die Schwert greifen, vielleicht in der Meinung, tutti, 261). schen für ein friedliches Zusammenleben in der Leiden des Krieges auch durch die Covid-19-Pan- schwierige Situationen rasch lösen zu können, Welt, das ich 2019 zusammen mit dem Groß- demie und den in vielen Ländern fehlenden Zu- werden an sich selbst, an ihren Lieben, an ihren Konflikte imam von Al-Azhar Ahmed Al-Tayyeb unter- gang zu notwendigen Behandlungen noch ver- Ländern den Tod durch das Schwert erfahren. verhindern zeichnet habe. schlimmert. »Genug davon!« (Lk 22,38), sagt Jesus, als ihm die Wie kommen wir aus festgefahrenen Dauer- konflikten heraus? Wie lassen sich die verwickel- ten Knoten so vieler bewaffneter Kämpfe lösen? Wie können Konflikte verhindert werden? Wie Friedensappell können die Kriegsherren oder diejenigen, die auf die Stärke der Waffen vertrauen, zum Frieden be- Wir sind hier in Rom im »Geist von Assisi« besser, in einer Welt, die total verbunden ist, treten und für die Menschen sowie für unser wegt werden? Kein Volk, keine soziale Gruppie- zusammengekommen, geistlich verbunden aber oft den Sinn für die Geschwisterlichkeit gemeinsames Haus Sorge zu tragen. Verlieren rung kann Frieden, Gutes, Sicherheit und Glück mit den Glaubenden in aller Welt und mit allen verliert. Wir alle sind Brüder und Schwestern! wir keine Zeit! Beginnen wir mit erreichbaren allein erreichen. Niemand. Die Lektion der jüngs- Frauen und Männern guten Willens vereint. So Wir bitten den Höchsten, dass es nach dieser Zielen: vereinen wir fortan unsere Anstren- ten Pandemie besteht darin, wenn wir ehrlich haben wir Seite an Seite gebetet, um die Gabe Zeit der Prüfung nicht mehr »die anderen«, son- gungen, um der Verbreitung des Virus Einhalt sein wollen, dass sie »das Bewusstsein geweckt des Friedens auf unsere Erde herabzuflehen. dern ein großes, vielfältiges »Wir« gibt. Es ist er- zu gebieten, solange es noch keinen geeigne- [hat], eine weltweite Gemeinschaft in einem Boot Wir gedachten der Wunden der Menschheit; neut Zeit für die kühne Vision, dass der Friede ten, allgemein verfügbaren Impfstoff gibt! zu sein, wo das Übel eines Insassen allen zum wir tragen im Herzen das stille Gebet so vieler möglich ist, dass eine Welt ohne Krieg keine Il- Diese Pandemie macht uns deutlich, dass wir Schaden gereicht. Uns wurde bewusst, dass kei- Leidender, die viel zu oft ohne Namen und lusion ist. Deshalb wollen wir noch einmal sa- alle blutsverwandt, Schwestern und Brüder ner sich allein retten kann, dass man nur Hilfe er- ohne Stimme sind. Aus diesem Grunde fühlen gen: »Nie wieder Krieg!« sind. fährt, wo andere zugegen sind« (Enzyklika Fra- wir uns verpflichtet, diesen Friedensappell zu Leider scheint der Krieg für viele wieder ein Zu allen Glaubenden und zu den Frauen telli tutti, 32). leben und ihn den Verantwortlichen der Staa- möglicher Weg zur Lösung internationaler und Männern guten Willens sagen wir: Seien Die Geschwisterlichkeit, die aus der Gewiss- ten wie auch den Bürgerinnen und Bürgern der Streitigkeiten zu sein. Das ist aber nicht so. Be- wir kreativ und werden wir zu Handwerkern heit erwächst, dass wir alle der einen Menschheit ganzen Welt feierlich zu unterbreiten. vor es zu spät ist, wollen wir alle daran erin- des Friedens; bauen wir soziale Freundschaft angehören, muss das Leben der Völker, die Ge- Auf diesem Kapitolsplatz haben kurz nach nern, dass die Welt nach einem Krieg immer auf; machen wir uns eine Kultur des Dialogs zu meinschaften, Regierenden und internationalen dem Ende des größten kriegerischen Konflikts, schlechter sein wird, als sie vorher war. Der eigen! Der aufrichtige, beharrliche und mutige Vereinigungen durchdringen. Auf diese Weise den die Geschichte je gekannt hat, die einst Krieg ist ein Scheitern der Politik und der Dialog ist das Heilmittel gegen das Misstrauen, wird sie das Bewusstsein fördern, dass wir uns kriegführenden Nationen ein Bündnis ge- Menschlichkeit. gegen die Spaltungen und gegen die Gewalt. nur gemeinsam retten, wenn wir nämlich einan- schlossen, das auf einer Vision der Einheit Wir appellieren an die Regierenden, dass sie Der Dialog löst von der Wurzel her die Ursa- der begegnen, miteinander verhandeln, aufhören gründete und im vereinten Europa Wirklich- die Sprache der Spaltung zurückweisen, die chen der Kriege auf, die das Projekt der Ge- uns gegenseitig zu bekämpfen, uns versöhnen, keit wurde. Heute, in dieser Zeit der Orientie- sich oft aus Gefühlen der Angst und des Miss - schwisterlichkeit zerstören, das zutiefst zur Be- die Sprache der Politik und der Propaganda mäßi- rungslosigkeit und getroffen von den Folgen trauens nährt. Sie mögen sich nicht auf Wege rufung der Menschheitsfamilie gehört. gen und konkrete Wege zum Frieden entwickeln der Covid-19- Pandemie, die den Frieden durch begeben, die keine Umkehr kennen. Schauen Keiner kann sich dem entziehen. Wir sind (vgl. Enzyklika Fratelli tutti, 231). die Ausbreitung von Ungleichheit und Angst wir gemeinsam auf die Opfer. Es gibt so viele, alle mitverantwortlich. Wir alle haben es nötig, Wir sind heute Abend zusammengekommen, bedroht, sagen wir mit Nachdruck: Keiner zu viele noch offene Konflikte. zu vergeben und um Vergebung bitten. Die Un- um als Menschen unterschiedlicher religiöser kann sich allein retten, kein Volk, niemand! Den Verantwortlichen der Staaten sagen gerechtigkeiten der Welt und der Geschichte Traditionen eine Botschaft des Friedens auszu- Die Kriege und der Frieden, die Pandemien wir: Lasst uns gemeinsam an einer neuen Ar- heilen nicht durch Hass und Rache, sondern senden. So wird deutlich, dass die Religionen kei- und die Gesundheit, der Hunger und der Zu- chitektur des Friedens arbeiten. Vereinen wir durch Dialog und Vergebung. nen Krieg wollen, sondern vielmehr alle, die die gang zur Nahrung, die globale Erwärmung und unsere Kräfte für das Leben, für die Gesund- Gott gebe uns allen diese Ideale ein für den Gewalt religiös zu verklären suchen, Lügen stra- die Nachhaltigkeit der Entwicklung, die Wan- heit, für die Erziehung und für den Frieden! Der Weg, den wir gemeinsam gehen; er berühre die fen; sie bitten alle, für die Versöhnung zu beten derung von Bevölkerungsgruppen, die Beseiti- Zeitpunkt ist gekommen, dass die Ressourcen, Herzen aller und mache uns zu Boten des Frie- und entsprechend zu handeln, damit die Ge- gung der nuklearen Gefahr und die Verringe- die eingesetzt wurden, um immer zerstöreri- dens. schwisterlichkeit neue Pfade der Hoffnung eröff- rung der Ungleichheit betreffen nicht nur schere, todbringende Waffen herzustellen, net. Denn mit Gottes Hilfe ist es möglich, eine einzelne Nationen. Das verstehen wir heute jetzt genutzt werden, um für das Leben einzu- Rom, auf dem Kapitol, 20. Oktober 2020 Welt des Friedens aufzubauen und so, liebe Brü- der und Schwestern, gemeinsam Rettung zu er- langen. Danke! 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan 9

Videobotschaft von Papst Franziskus zum Welternährungstag 2020 [FAO, Rom, 16. Oktober 2020] Hunger ist eine Tragödie und Schande für die Menschheit

wirtschaftliche Entwicklung (IFAD) ins Leben ge- und die Zunahme von Konflikten in verschiede- rufenen Initiativen zu unterstützen, um eine nen Teilen des Planeten. Andererseits werden nachhaltige und vielseitige Landwirtschaft zu för- tonnenweise Lebensmittel weggeworfen. Ange- dern, die kleinen landwirtschaftlichen Gemein- sichts dieser Wirklichkeit können wir nicht un- den zu unterstützen und an der ländlichen Ent- berührt oder gelähmt bleiben. Wir alle tragen Ver- wicklung der ärmsten Länder mitzuwirken. antwortung. Wir sind uns bewusst, dass wir auf diese Her- Die gegenwärtige Krise zeigt uns, dass kon- ausforderung antworten müssen in einer Zeit, krete politische Maßnahmen und konkretes Han- die voller Widersprüche ist: Einerseits sind wir deln notwendig sind, um den Hunger in der Welt Zeugen eines nie dagewesenen Fortschritts in auszurotten. Manchmal entfernen uns die dialek- den verschiedenen Bereichen der Wissenschaft; tischen oder ideologischen Debatten davon, die- andererseits steht die Welt zahlreichen huma- ses Ziel zu erreichen, und wir lassen unsere nitären Krisen gegenüber. Leider stellen wir fest, Brüder und Schwestern weiter aus Mangel an dass den jüngsten Statistiken der FAO zufolge Nahrung sterben. Eine mutige Entscheidung trotz der in den letzten Jahrzehnten unternom- wäre es, mit dem Geld, das für Waffen und an- menen Anstrengungen die Zahl der Menschen, dere Militärausgaben verwendet wird, »einen die mit Hunger und Ernährungsunsicherheit zu Weltfonds« einzurichten, um dem Hunger ein für kämpfen haben, wächst, dass sie im Wachsen be- alle Mal ein Ende zu setzen und die Entwicklung griffen ist. Und die gegenwärtige Pandemie wird der ärmsten Länder zu fördern. Auf diese Weise An Seine Exzellenz Umwelt verbessern und die Hoffnung vieler diese Zahlen noch verschärfen. würde man viele Kriege verhindern, ebenso wie Herrn Qu Dongyu Menschen und Völker fördern. Für die Menschheit ist der Hunger nicht nur die Auswanderung vieler unserer Brüder und Generaldirektor der FAO Im Laufe dieser 75 Jahre hat die FAO gelernt, eine Tragödie, sondern auch eine Schande. Er Schwestern und ihrer Familien, die sich gezwun- dass es nicht genügt, Nahrung zu produzieren, wird zum größten Teil verursacht durch eine un- gen sehen, ihr Zuhause und ihre Länder zu ver- An dem Tag, an dem die FAO ihr 75. Grün- sondern dass es auch wichtig ist, sicherzustellen, gleiche Verteilung der Früchte der Erde. Hinzu lassen auf der Suche nach einem menschenwür- dungsjubiläum feiert, möchte ich Sie und alle dass die Ernährungssysteme nachhaltig sind und kommen fehlende Investitionen im landwirt- digeren Leben (vgl. Fratelli tutti, Nr. 189, 262). Mitglieder, aus denen sie sich zusammensetzt, gesunde und allen Menschen zugängliche Kost schaftlichen Sektor, die Folgen des Klimawandels Herr Generaldirektor, während ich meinen grüßen. Ihre Sendung ist schön und wichtig, liefern. Es geht darum, innovative Lösungen an- Wunsch zum Ausdruck bringe, dass die Arbeit denn das Ziel Ihrer Arbeit ist es, Hunger, zunehmen, die die Form, in der wir Nahrungs- der FAO immer einflussreicher und fruchtbarer Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung mittel produzieren und konsumieren, zugunsten werden möge, rufe ich Gottes Segen auf Sie und zu besiegen. unserer Gemeinschaften und unseres Planeten alle herab, die an der lebenswichtigen Sendung, Das in diesem Jahr für den Welternährungstag verändern und so die Erholungsfähigkeit und die die Erde zu bebauen, die Hungernden zu vorgeschlagene Thema ist von großer Bedeutung: langfristige Nachhaltigkeit stärken können. ernähren und die natürlichen Ressourcen zu be- »Anbauen, ernähren, bewahren«, und das »Ge- Daher ist es in dieser Zeit großer Schwierigkei- wahren, teilhaben, damit wir alle menschen- meinsam. Unser Handeln ist unsere Zukunft«. ten, die durch die Covid-19-Pandemie verursacht würdig, mit Achtung und mit Liebe leben kön- Dieses Thema hebt die Notwendigkeit hervor, ge- werden, noch wichtiger, die von Organisationen nen. Danke. meinsam und fest entschlossen zu handeln, um wie der FAO, dem Welternährungsprogramm Initiativen hervorbringen zu können, die unsere (WFP) und dem Internationalen Fonds für land- (Orig. span., ital. in O.R. 16.10.2020)

Audienz für den Expertenausschuss des Europarates (Moneyval) Schutz einer »sauberen« Finanz Ansprache von Papst Franziskus am 8. Oktober

Liebe Brüder und Schwestern! Notleidenden zu Hilfe zu kommen (vgl. Enzy- klika Populorum progressio, 51). Ich habe diesen Anlässlich eures Besuchs in eurer Eigenschaft Vorschlag in der Enzyklika Fratelli tutti wieder als Experten des Europarates für die Bewertung aufgegriffen und darum gebeten, statt in Angst, von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terro- nukleare, chemische oder biologische Bedrohung rismusfinanzierung heiße ich euch herzlich will- zu investieren, diese Ressourcen zu verwenden, kommen. Ich danke dem Präsidenten der Finanz- »um dem Hunger ein für alle Mal ein Ende zu set- aufsichtsbehörde für seine freundlichen Worte. zen und die Entwicklung der ärmsten Länder zu Eure Arbeit für dieses zweifache Ziel liegt mir fördern, damit ihre Bewohner nicht zu gewaltsa- besonders am Herzen. Denn sie ist eng verbun- men oder trügerischen Lösungen greifen oder den mit dem Lebensschutz, mit dem friedlichen ihre Länder verlassen müssen, um ein menschen- Zusammenleben der Menschheit auf der Erde würdigeres Leben zu suchen« (Nr. 262). und mit einer Finanz, die die Schwachen und Die Soziallehre der Kirche hat den Irrtum des lehrt: »Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Motu proprio promulgiert, für eine bessere Ver- Notleidenden nicht unterdrückt: Alles ist mitein- neoliberalen »Dogmas« (vgl. ebd., 168) hervorge- Mammon« (Mt 6,24). Denn wenn die Wirtschaft waltung der Ressourcen und zur Förderung der ander verbunden. hoben, demzufolge die wirtschaftliche Ordnung ihr menschliches Gesicht verliert, dann bedient Transparenz, der Kontrolle und des Wettbewerbs Wie ich im Apostolischen Schreiben Evangelii und die moralische Ordnung so unterschiedlich man sich nicht des Geldes, sondern man dient in den Verfahren zur Vergabe der öffentlichen gaudium geschrieben habe, halte ich es für not- und einander so fremd seien, dass jene auf keine dem Geld. Und das ist eine Form des Götzen- Aufträge. Am vergangenen 19. August hat eine wendig, unser Verhältnis zum Geld zu überden- Weise von dieser abhängig sei (vgl. Pius XI., Enzy- dienstes, gegen den wir reagieren müssen, indem Verordnung des Präsidenten des Governatorats ken (vgl. Nr. 55). Denn in vielen Fällen scheint klika Quadragesimo anno, 42). Wenn man diese wir die Vernunftordnung der Dinge wieder auf- die Freiwilligenorganisationen und die Rechts- man die Vorherrschaft des Geldes über den Men- Aussage im Licht der heutigen Zeit liest, stellt zeigen, die zum Gemeinwohl führt1, denn »das personen des Staates der Vatikanstadt der Pflicht schen akzeptiert zu haben. Manchmal achtet man fest: »Die Anbetung des anti- unterstellt, verdächtige Aktivitäten der Finanz - man, nur um Reichtum anzuhäufen, nicht auf ken goldenen Kalbs (vgl. Ex 32,1-35) Eure Arbeit für dieses zweifache Ziel liegt mir aufsichtsbehörde zu melden. seine Herkunft, auf die mehr oder weniger recht- hat eine neue und erbarmungslose besonders am Herzen. Denn sie ist eng verbunden mit Liebe Freunde, ich danke euch erneut für eu- mäßigen Aktivitäten, die es hervorgebracht ha- Form gefunden im Fetischismus des dem Lebensschutz, mit dem friedlichen Zusammenleben ren Dienst. Ich betrachte ihn so: als einen Dienst, ben, und auf die Logik der Ausbeutung, die ihm Geldes und in der Diktatur einer der Menschheit auf der Erde und mit einer Finanz, die und ich danke euch. Denn die Einrichtungen, die zugrunde liegen kann. So kommt es vor, dass Wirtschaft ohne Gesicht und ohne die Schwachen und Notleidenden nicht unterdrückt: ihr überwacht, dienen dem Schutz einer »saube- man in einigen Bereichen Geld berührt und sich ein wirklich menschliches Ziel« Alles ist miteinander verbunden. ren Finanz«, in deren Bereich es den »Händlern« dabei die Hände mit Blut befleckt, mit dem Blut (Apostolisches Schreiben Evangelii verwehrt ist, in dem heiligen Tempel zu spekulie- der Brüder und Schwestern. Oder es kann auch gaudium, 55). Denn »eine Finanzspekulation mit Geld muss dienen und nicht regieren!« (Apostoli- ren, der die Menschheit ist, wie es dem Liebes- vorkommen, dass finanzielle Ressourcen dazu billigem Gewinn als grundlegendem Ziel richtet sches Schreiben Evangelii gaudium, 58; vgl. Pas - plan des Schöpfers entspricht. Noch einmal vie- bestimmt werden, Terror zu säen, um die Vor- weiter Unheil an« (Enzyklika Fratelli tutti, 168). torale Konstitution Gaudium et spes, 64; Enzy- len Dank, eine gute Arbeit und vergesst nicht, für herrschaft des Stärkeren, des Gewalttätigen Die politischen Maßnahmen gegen Geldwä- klika Laudato si’, 195). mich zu beten. durchzusetzen – dessen, der das Leben seines sche und Terrorismus stellten ein Mittel zur Über- Zur Umsetzung dieser Prinzipien hat die Bruders skrupellos zum Opfer bringt, um die ei- wachung der Finanzbewegungen dar und gestat- Rechtsordnung des Vatikans auch in jüngster Zeit Fußnote gene Macht durchzusetzen. ten es, dort einzugreifen, wo solche irregulären einige Maßnahmen zur Transparenz in der Ver- Der heilige Paul VI. schlug vor, mit dem für oder sogar kriminellen Aktivitäten auftreten. waltung des Geldes und zur Bekämpfung von 1 Vgl. hl. Thomas von Aquin, Summa Theolo- Waffen und andere Militärausgaben verwende- Jesus hat die Händler aus dem Tempel vertrie- Geldwäsche und Finanzierung von Terrorismus giae, I-II, q. 90, a. ten Geld einen Weltfonds zu gründen, um den ben (vgl. Mt 21,12-13; Joh 2,13-17) und hat ge- ergriffen. Am vergangenen 1. Juni wurde ein (Orig. ital. in O.R. 8.10.2020) 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 10 Aus dem Vatikan

Heilige Messe für das Korps der Vatikanischen Gendarmerie Vergebung ist immer eine Umarmung Gottes Predigt von Papst Franziskus am 26. September

Die Lesungen dieses Sonntags sprechen von Ihr Gendarmeriekorps…, das sind Angestellte, der Umkehr. Die Umkehr des Herzens; Umkehr, Beamte, die ihre Dienststunden absolvieren und was soviel heißt wie »sein Leben ändern«, also sich nicht weiter interessieren…« Nein, nein. dass das Herz, das keinen guten Weg eingeschla- Das ist nicht der Weg, um umzukehren und an- gen hat, einen guten Weg findet. dere zur Umkehr zu bewegen. Euer Weg ist der Aber es ist nicht nur unsere Umkehr: es ist des Dienens, wie der Vater, der zu seinem Sohn auch die Umkehr Gottes. »Wenn ein Schuldiger geht, wie der Bruder, der etwas sieht und sagt: von dem Unrecht umkehrt, das er begangen hat« »Nein, das geht nicht, das ist nicht in Ordnung«. – wir haben es in der ersten Lesung gehört –, Das ist der Weg, aber mit dem Herzen gesagt, mit »und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird Demut gesagt, mit Nähe gesagt. er sein Leben bewahren. Wenn er alle seine Ver- Es heißt in der Bibel, im Evangelium, dass Je- gehen, die er verübt hat, einsieht und umkehrt, sus immer mit den Sündern zusammen war, wird er bestimmt am Leben bleiben. Er wird auch mit den Übeltätern, aber sie fühlten sich Je- nicht sterben« (Ez 18,27-28). Der Böse kehrt um. sus nahe, sie fühlten sich nicht, als sei der Stab Sagen wir es einfacher: der Sünder kehrt um, und über sie gebrochen worden. Aber Jesus hat nie Gott kehrt auch seinerseits zum Sünder um. Die eine Lüge erzählt, eine Unwahrheit gesagt. Nein: Begegnung mit Gott, die Umkehr, findet auf bei- »Das ist die Wahrheit, das ist der Weg«. Doch er den Seiten statt; beide suchen die Begegnung mit- sagte es mit Freundlichkeit, er sagte es mit dem einander. Die Vergebung bedeutet nicht nur, dort- Herzen, er sagte es als Bruder. hin zu gehen, an die Tür zu klopfen und zu sagen: Danke für euren Dienst. Danke, denn ich »Vergib mir«, und aus der Sprechanlage wird dir sehe, dass euer Dienst in diese Richtung geht. geantwortet: »Ich vergebe dir. Gehe weg.« Die Manchmal kann jemand ein wenig ausrutschen, Vergebung ist immer eine Umarmung Gottes. Der Papst hat anlässlich des Patronatsfestes der Gendarmerie eine heilige Messe am Kathedra-Altar im aber wer rutscht im Leben nicht aus? Alle! Aber Aber Gott geht, wie auch wir gehen, damit wir Petersdom gefeiert. Dabei kam er auf den Zusammenhang zwischen Dienen und Autorität zu sprechen. wir stehen wieder auf: »Ich habe nicht gut daran einander begegnen. getan, jetzt aber …«. Immer diesen Weg für die ist die Umkehr, offen sein für die Begegnung mit Gutes. Und dafür möchte ich mich bedanken. Umkehr der Menschen und auch für die eigene Weg der Umkehr Gott –, was ist das Vorbild? Das Vorbild ist jenes Euer Dienst ist eine doppelte Umkehr: eure ei- Umkehr wieder einschlagen. Beim Dienen liegt des Evangeliums, des Reichen, des Armen, das gene Umkehr – wie die von Jesus Christus –, das man nie falsch, denn Dienen ist Liebe, es ist Das ist Gottes Vergebung, der Weg der Um- Vorbild ist Jesus Christus. Er ist hinausgegangen, Verlassen der Bequemlichkeiten, das Verlas- Nächstenliebe, es ist Nähe. Das Dienen ist der kehr. »Aber wie werde ich zu Gott gehen? Ich bin um uns zu begegnen. Wir haben die zweite Le- sen… »Ich gehe zum Dienst«; und die andere Weg, den Gott in Jesus Christus gewählt hat, um so ein so großer Sünder!« Das ist es, was Gott will: sung gehört: »Seid untereinander so gesinnt, wie Umkehr, jene des anderen, der sich im ersten Au- uns zu vergeben und uns umkehren zu lassen. dass du gehst, dass du zu ihm gehst. Was hat der es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war genblick nicht bestraft, sondern mit der Demut Ich danke euch für euren Dienst, und weiter Vater des verlorenen Sohnes getan? – jener, der Gott gleich« – Jesus war Gott –, »hielt aber nicht Jesu angehört und wieder auf Vordermann ge- so, immer mit dieser demütigen, aber starken mit dem Geld wegging und sein Vermögen für daran fest, Gott gleich zu sein« – das heißt dort zu bracht fühlt. So bittet euch Jesus, so zu sein wie Nähe, die Jesus Christus uns gelehrt hat. Danke. Lasterhaftes ausgab – was hat der Vater getan? bleiben –, »sondern er entäußerte sich und wurde er: stark, diszipliniert, aber demütig und Diener. Als er den Sohn kommen sah – denn der Sohn wie ein Sklave und den Menschen gleich. […] Er (Orig. ital. in O.R. 28/29.9.2020) hatte gespürt, dass er zu seinem Vater zurückge- erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, Weg des Dienens hen musste; er musste aus Not zurückkehren, bis zum Tod am Kreuz« (Phil 2,5-8). aber trotzdem hat der Sohn den Schritt getan –, Der Weg zur Umkehr besteht im Näherkom- Ich habe einmal einen alten Mann über sei- da kam der Vater, der auf der Terrasse war, sofort men, es ist die Nähe, aber eine Nähe, die ein Die- nen Sohn reden hören, der seine Kinder laut aus- herunter und ging zu seinem Sohn. Er hat nicht nen ist. Und dieses Wort veranlasst mich, mich an zuschimpfen pflegte, er sagte: »Mein Sohn hat mit erhobenem Finger an der Tür auf ihn gewar- euch zu wenden, liebe Brüder Gendarmen. Jedes nicht verstanden, dass er jedes Mal, wenn er tet, er hat ihn umarmt! Und als der Sohn um Ver- Mal, wenn ihr euch nähert, um zu dienen, ahmt seine Kinder ausschimpft, an Autorität verliert.« zeihung bat, schloss ihm die Umarmung seinen ihr Jesus Christus nach. Jedes Mal, wenn ihr ei- Eure Autorität liegt im Dienst: Grenzen setzen, Mund. Das ist Umkehr. Das ist die Liebe Gottes. nen Schritt tut, um Ordnung zu schaffen, dann Pflichten erfüllen, aber dienend, mit Nächsten- Es ist ein Weg der wechselseitigen Begegnung. denkt daran, dass ihr einen Dienst tut, ihr voll- liebe, mit Freundlichkeit. Und dies ist eine große Und dazu möchte ich betonen: ein Herz, das zieht eine Umkehr, die Dienen ist. Und durch die Berufung, die ihr habt. Für mich wäre es sehr immer offen ist für die Begegnung mit Gott – das Art und Weise, wie ihr es tut, tut ihr den anderen traurig, wenn jemand zu mir sagen würde: »Nein,

Audienz für die Carabinieri der Kompanie Rom-St. Peter Mit Geduld und Hingabe im Dienst an den Menschen

Ansprache von Papst Franziskus am 17. Oktober

Liebe Carabinieri! Erinnerung unserer Kultur. schaft und Pflichtbewusstsein. Ich er- Glaube, die Tradition der Treue und Es ist mir eine Freude, Sie zu emp- Das wird erleichtert durch mutige Sie, überall einen verantwortli- Großherzigkeit, deren Erben Sie sind, fangen und einen jeden von Ihnen eine Beziehung des Vertrau- chen Bürgersinn zu fördern, den Men- und die Ideale der Carabinieri Ihnen herzlich willkommen zu heißen. Ich ens und der Hingabe an das schen zu helfen, gute Bürger zu sein, helfen mögen, in Ihrem Dienst stets begrüße den Generalkommandanten Gemeinwohl, die sich ge- Hüter des Rechtes auf Leben zu sein, neuen Anlass zur Verwirklichung zu der »Arma dei Carabinieri«, dem ich für wöhnlich zwischen den Cara- durch den Einsatz für Sicherheit und finden. Möge jeder von Ihnen positive seine Worte danke, den Kommandan- binieri und der Bevölkerung Unversehrtheit der Personen. Bei der Erfahrungen für das eigene Berufsle- ten der Kompanie »Roma–San Pietro«, einstellt. Das ist interessant, es Ausübung Ihres Berufes möge Sie stets ben, für das persönliche und das fami- die anderen Kommandanten, die Be- ist wahr. Wenn jemand einem das Bewusstsein begleiten, dass jeder liäre Leben machen. amten und Sie alle, die Sie hier anwe- Carabiniere begegnet, ist ihm Mensch von Gott geliebt wird, sein Auf Sie und Ihre tägliche Arbeit send sind. bewusst, dass er auf seine Geschöpf ist und als solches Respekt rufe ich die Gaben des Heiligen Geistes Ich möchte Ihnen meine Dankbar- dige Verfügbarkeit für die Bedürfnisse Hilfe zählen kann. Und das ist umso verdient. Die Gnade des Herrn möge herab. Ich vertraue Sie dem mütterli- keit für den Dienst zum Ausdruck brin- der Menschen. Diese Geduld, die Sie verdienstvoller, wenn es im Verborge- tagtäglich den Geist prägen, mit dem chen Schutz der Jungfrau Maria an, die gen, den Sie in Zusammenarbeit mit mit all denen haben, die Ihnen Fragen nen geschieht, durch jene kleinen, Sie sich Ihrer Arbeit widmen. Er möge Sie unter dem Titel Virgo fidelis vereh- den anderen italienischen und vatika- stellen, auch mit den Priestern. Danke aber bedeutsamen Gesten Ihres alltäg- Sie anspornen, sie mit einem Mehr an ren. Vertrauensvoll wenden Sie sich an nischen Einrichtungen für Sicherheit dafür. lichen Dienstes. Auch wenn Ihre Vor- Aufmerksamkeit und Hingabe zu tun. sie, insbesondere in ermüdenden und und öffentliche Ordnung dem Heiligen Die Professionalität und das Verant- gesetzten diese verborgenen Gesten Erneut danke ich Ihnen allen für die schwierigen Augenblicken, mit der Stuhl leisten. Ihre verdienstvolle Ar- wortungsbewusstsein, die Sie vor Ort nicht sehen, wissen Sie sehr wohl, wachsame und diskrete Präsenz beim Gewissheit, dass sie als zärtliche Mut- beit in der Nähe der Vatikanstadt er- bezeugen, spiegeln und stärken das So- dass Gott sie sieht und sie nicht ver- Vatikan. Der Herr vergelte es Ihnen! Je- ter Ihre Nöte und Erwartungen vor möglicht einen ungestörten Ablauf der lidaritätsbewusstsein innerhalb der gisst! den Morgen, wenn ich hier in meinem ihren Sohn Jesus zu bringen weiß. Sie Veranstaltungen, die im Lauf des Jah- Gesellschaft. Bei Ihrer Arbeit in der Ihre Mission kommt in der Hin- Arbeitszimmer in der Bibliothek an- ist Mutter, und wie alle Mütter kennt res Pilger und Touristen aus allen Tei- Nähe des Vatikans und in anderen gabe an den Nächsten zum Ausdruck komme, bete ich zur Muttergottes und sie die Art und Weise zu behüten, zu len der Welt anziehen. Es handelt sich Stadtgebieten sind Sie aufgerufen, den und sie verpflichtet Sie, Tag für Tag gehe dann zum Fenster, um auf den verbergen, zu helfen. Von Herzen um eine Tätigkeit, die einerseits die Schwachen und Notleidenden beson- dem Vertrauen und der Wertschätzung Platz zu blicken, auf die Stadt, und am segne ich Sie und Ihre Familien. Und Notwendigkeit erfordert, die Einhal- dere Aufmerksamkeit zu widmen, spe- zu entsprechen, die die Menschen in Ende des Platzes sehe ich Sie. Jeden ich bitte Sie, für mich zu beten. tung der festgelegten Regeln zu über- ziell den alten Menschen, die die Wur- Sie setzen. Das erfordert beständige Morgen grüße ich Sie mit dem Herzen Danke! wachen, und andererseits eine gedul- zel unserer Kultur sind, die lebendige Verfügbarkeit, Klugheit, Opferbereit- und danke Ihnen. Ich hoffe, dass Ihr (Orig. ital. in O.R. 17.10.2010) 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan 11

Audienz für Mitglieder der Stiftung »Banco Farmaceutico« Neue Wege der Heilung und Behandlung Ansprache von Papst Franziskus am 19. September

Liebe Brüder und Schwestern, Impfung nicht bekommen können, die in ande- guten Tag! ren Regionen verfügbar ist. Wir kennen die Ge- Ich heiße Sie willkommen! Mein Dank geht fahr der Globalisierung der Gleichgültigkeit. Die an den Präsidenten der Stiftung »Banco Farma- Globalisierung der Gleichgültigkeit. Ich schlage ceutico« [Arzneimittel-Bank] für seine herzlichen Ihnen hingegen vor, die Sorge für eine Behand- Worte. Wie er gesagt hat, können Sie in diesem lung zu globalisieren, das heißt die Möglichkeit Jahr den 20. Jahrestag der Arzneimittel-Bank be- des Zugangs zu jenen Medikamenten, die so viele gehen: Herzlichen Glückwunsch! Seit jener ers- Leben retten könnten, für alle Bevölkerungsgrup- ten Intuition ist ein weiter Weg zurückgelegt wor- pen. Und um dies zu tun, ist eine gemeinsame den. Sie sind nicht nur in Italien präsent, sondern Anstrengung notwendig, eine Konvergenz, die arbeiten auch in anderen Ländern. alle einschließt. Und Sie sind ein Beispiel für diese gemeinsame Anstrengung. Ethische Gesichtspunkte Ich hoffe, dass die wissenschaftliche For- gen eine gerechtere Welt zu errichten, in der die tum dieser oder jener Nation und nicht mehr für schung Fortschritte machen kann, um immer Armen nicht im Stich gelassen oder, noch schlim- alle da wäre. Er sollte universal sein, für alle. Wer in Armut lebt, ist arm an allem und kann neue Lösungen für alte und neue Probleme zu fin- mer, ausgesondert werden. Liebe Freunde, ich danke Ihnen aufrichtig für auch nicht über Arzneimittel verfügen. Daher den. Die Arbeit der vielen Wissenschaftler ist den Dienst, den Sie zugunsten der Schwächsten wird seine Gesundheit stärker angegriffen. Zu- wertvoll und sie ist ein wundervolles Beispiel Gerechte Verteilung von Impfstoffen tun. Danke für das, was Sie tun. Der Tag der Arz- weilen besteht das Risiko, sich nicht behandeln dafür, dass Studium und menschliche Intelligenz neimittelsammlung ist ein wichtiges Beispiel lassen zu können, sei es wegen mangelnden Gel- in der Lage sind, soweit das möglich ist, neue Die Pandemie, die wir erleben, hat nicht nur dafür, wie Großherzigkeit und Teilen der Güter des oder weil einige Bevölkerungsgruppen der Wege der Heilung und Behandlung zu gehen. einen großen Gesundheitsnotstand mit fast einer unsere Gesellschaft besser machen und jene den Welt keinen Zugang zu bestimmten Arzneimit- Wenn die Pharmakonzerne die Forschung un- Million Toten zur Folge gehabt, sondern sie ist da- Menschen nahe Liebe bezeugen kann, zu der teln haben. Es gibt auch eine »pharmazeutische terstützen und die Produktion lenken, können sie bei, sich auch in eine schwere ökonomische Krise uns das Evangelium auffordert (vgl. Joh 13,34). Randsituation«. Und das müssen wir deutlich sa- großherzig zu einer gerechteren Verteilung der zu verwandeln, die noch mehr Arme und Fami- Ich segne Sie alle, die Sie hier anwesend sind, Ihre gen. Dies schafft eine weitere Kluft zwischen Medikamente beitragen. lien hervorbringt, die nicht mehr weiter wissen. Familien. Ich segne sie und bitte Gott, Sie alle zu Nationen und Völkern. Wenn es die Möglichkeit Die Apotheker sind aufgerufen, ihren Dienst Wenn man karitative Hilfe bringt, dann geht es segnen, die Sie verschiedenen Religionen an- gibt, eine Krankheit durch ein Arzneimittel zu auszuführen, indem sie den Bedürftigsten nahe auch darum, diese Armut an Arzneimitteln zu gehören, wie der Präsident gesagt hat. Aber Gott heilen, dann sollte unter ethischem Gesichts- sind und sich nach bestem Wissen und Gewissen bekämpfen, insbesondere mit einer umfassenden ist der Vater aller und ich bitte Gott, er möge Sie punkt diese Arznei für alle verfügbar sein, für das ganzheitliche Wohl derer einsetzen, die zu Verteilung der neuen Impfstoffe in der Welt. Ich alle, Ihre Familien, Ihre Arbeit, Ihre Großherzig- andernfalls entsteht eine Ungerechtigkeit. Zu ihnen kommen. wiederhole, es wäre traurig, wenn man bei der keit segnen. Und da Priester immer um etwas bit- viele Menschen, zu viele Kinder sterben noch in Auch die Regierenden sind aufgerufen, durch Bereitstellung des Impfstoffs den Reicheren den ten, bitte ich Sie, für mich zu beten. Danke. dieser Welt, weil sie eine bestimmte Arznei oder gesetzgeberische und finanzielle Entscheidun- Vorzug geben würde oder dieser Impfstoff Eigen- (Orig. ital. in O.R. 20.9.2020)

Schreiben des Kardinalstaatssekretärs an den Präsidenten der Hochschule »Giuseppe Toniolo«, Erzbischof Mario Enrico Delpini, zum 96. »Tag der Katholischen Universität« Beitrag zu einer positiven Erneuerung der Gesellschaft

Aus dem Vatikan, kostbaren Beitrag leisten, dank der ho- Entwicklungskriterien notwendig. fördern; Projekte auf großer nationaler derherstellung des globalen Bildungs- am 11. September 2020 hen wissenschaftlichen Kompetenz Diese dürfen nicht länger Quell der und internationaler Ebene zu ent- pakts« durchführt. Er hofft von Herzen, und der großen professionellen Fähig- Diskriminierung und Ungleichheit im wickeln, die den Dialog, die Solidarität dass die Sendung der Universität der Exzellenz! keiten, gestützt von der ethischen Zugang zu den Gütern und in der Für- und das Miteinander-Teilen nähren italienischen Katholiken immer mehr Der traditionelle Tag, der der Katho- Verpflichtung im Dienst des Gemein- sorge, auch in der Gesundheitsfür- können. Viele dieser Aspekte werden in voller Übereinstimmung mit diesem lischen Universität »Sacro Cuore« ge- wohls und von der christlichen Welt- sorge, sein. Auch von der Philosophie heute mit der dritten Sendung der Uni- Projekt stattfinden möge, denn »noch widmet ist, findet in diesem Jahr in ei- anschauung, die darauf ausgerichtet bis zu den Sprachen, von den Erzie- versitäten gleichgesetzt, die immer nie zuvor war es so notwendig, die nem sehr besonderen Kontext statt, ist, eine ganzheitliche Entwicklung des hungswissenschaften bis zur Psycho- mehr zum qualifizierenden und grund- Bemühungen in einem breiten Bil- der gezeichnet ist von einer Pandemie, Menschen zu fördern. logie ist es dringend notwendig, die legenden Element werden muss – und dungsbündnis zu vereinen, um reife die das Leben der ganzen Menschheit Zur Bestätigung dieser Perspektive Zentralität des Menschen zurückzuer- nicht nur zu einem Anhang der beiden Menschen zu formen, die in der Lage beeinflusst. Die Auswirkungen der können wir mit Dankbarkeit die aka- langen und seine Verantwortung in ei- traditionellen Stützpfeiler der Didaktik sind, Spaltungen und Gegensätze zu Infizierung auf das gesellschaftliche demischen Mitarbeiter und das klini- ner sich rasch wandelnden Gesell- und der Forschung. überwinden und das Gefüge der Bezie- Leben hat, aus gesundheitlichen Grün- sche Personal des Universitätspoly - schaft neu zu definieren. Enorme Außerdem müssen wir daran den- hungen für eine geschwisterlichere den, eine Neuorganisierung des Bil- klinikums »A. Gemelli« in Erinnerung Herausforderungen, die mit Umwelt, ken – auch im Rahmen der Hundert- Menschheit wiederherzustellen« (Bot- dungssystems in all seinen Ordnun- rufen, die mit Großherzigkeit und Bildung und Migration verbunden jahrfeier –, dass die Geschichte der Ka- schaft zum Start des Bildungspakts, gen und Graden notwendig gemacht. Fachkenntnis dafür gesorgt haben, sind, verlangen innovative Analysen tholischen Universität »Sacro Cuore« 12. September 2019). Auch die universitäre Welt war ge- Tausende von Menschen, die von und Lösungen, die am ganzheitlichen sich von Anfang an durch die Sendung Um zur Unterstützung verdienst- zwungen, die Durchführung ihrer aka- Covid-19 betroffen waren, aufzuneh- Wohl des Menschen, an der Gerechtig- ausgezeichnet hat, katholische Persön- voller Studenten mit geringeren Mög- demischen Tätigkeiten tiefgreifend zu men und zu behandeln. Die konsoli- keit, an der Geschwisterlichkeit und lichkeiten heranzubilden, die fähig lichkeiten beizutragen, möchte Seine verändern und vom traditionellen Be- dierte Fähigkeit, modernste wissen- am friedlichen Zusammenleben der sind, die Geschichte des Landes zu be- Heiligkeit auch bei dieser Gelegenheit such der Hochschulen vor Ort zu elek- schaftliche Forschung, leistungsstarke Völker inspiriert sind. Auch die techni- einflussen und zur Sendung der Kirche und in dieser für die jungen Studenten tronischen und digitalen Hilfsmitteln Organisation im Gesundheitswesen scheren Bereiche wie Physik und Ma- beizutragen. Dieses Ziel, für das P. Ge- sehr schwierigen Zeit seinen Beitrag überzugehen, die den Fernunterricht und ethische Strenge miteinander zu thematik oder die Agrarwissenschaft melli und die Protagonisten der ersten zu dieser verdienstvollen Hochschule gestatten. verbinden, machen diese hervorra- werden immer zentraler beim Aufbau Stunde große Leidenschaft hegten, ist nicht fehlen lassen. Papst Franziskus Angesichts eines solchen Szenari- gende Hochschule der italienischen eines gemeinsamen Hauses, das wirk- gewiss nicht geringer geworden. Ja, sichert ihnen seine Nähe und seine vä- ums nimmt das gewählte Thema Katholiken zu einem paradigmati- lich das Haus aller ist, und in dem alle aus vielen Gründen bedarf es heute so- terlichen Unterstützung zu und bittet »Verbündete für die Zukunft« neue Be- schen Ausdruck des Bildungsauftrags auf menschenwürdige Weise leben gar einer noch größeren Zahl an Per- darum, im Gebet an ihn zu denken. Ih- deutungen an und bringt besondere einer katholischen Universität. können. sönlichkeiten, die mit weisem Herzen, nen, Exzellenz, dem Rektor, dem Verantwortungen mit sich. Denn die Nicht weniger wichtig sind jedoch An diesen Perspektiven muss ge- hellem Verstand, tatkräftigen Händen Kirchlichen Generalassistenten, den universitäre Welt ist nicht nur wie die auch alle anderen Bereiche der Hoch- arbeitet werden, wenn wir wirklich und solidem Glauben in der Lage sind, Mitgliedern des »Istituto Toniolo«, den anderen Bereiche des gesellschaftli- schulausbildung an einer großen Uni- »Verbündete für die Zukunft« sein und die Menschheit in eine nachhaltige Professoren, den verwaltungstechni- chen Lebens von den Auswirkungen versität, die nicht weniger als zwölf dem Weg der Menschheit eine bedeut- und bessere Zukunft zu begleiten. schen Mitarbeitern sowie allen Stu- der Pandemie betroffen, sondern sie Fakultäten in sich vereint. Jeder Wis- same Wende geben wollen. In den Der Heilige Vater bringt der Katho- denten erteilt er von Herzen einen be- stellt sich auch als privilegierter Raum sensbereich ist aufgerufen, einen Bei- Bildungsprozessen, insbesondere im lischen Universität »Sacro Cuore« von sonderen Segen. dar, um wirkkräftige Antworten zu er- trag zu leisten, damit diese Situation, Kontext einer katholischen Universität, Herzen seine tiefempfundene Nähe Gerne nehme ich die Gelegenheit arbeiten und den Folgen dessen, was – die viele Probleme entstehen lässt, bedarf es einiger besonderer Haltun- und aufrichtige Ermutigung zum Aus- wahr, Sie meiner hochachtungsvollen in einem für das Land sehr kritischem auch Wirkungen hervorrufen kann, gen, um »Verbündete« zu sein: Man druck, vor allem in diesem akademi- Grüße zu versichern! Augenblick – durch die Infizierung ge- die zur positiven Erneuerung der muss es verstehen, fruchtbare Verbin- schen Jahr, in dem ihre Hundertjahr- Ihr im Herrn ergebener schehen ist, entgegenzuwirken. Insbe- Gesellschaft beitragen. Von der Wirt- dungen mit dem Sozial- und Kirchenge- feier stattfindet, und er ist dankbar für Pietro Parolin sondere die von P. Agostino Gemelli schaft bis zur Finanz, von der Rechts- füge zu knüpfen; die Gaben aller wert- die wertvolle Arbeit, die sie in Überein- Staatssekretär und seinen Mitarbeitern gegründete wissenschaft bis zu den Sozialwissen- zuschätzen und Synergien zu schaffen, stimmung mit dem großen Bemühen Hochschule kann einen ureigenen und schaften ist ein Überdenken der die eine wirklich ganzheitliche Bildung der ganzen Universalkirche zur »Wie- (Orig. ital. in O.R. 21./22.9.2020) 30. Oktober 2020 / Nummer 44 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 12 Aus dem Vatikan

Audienz für eine Delegation der Erzdiözese Ravenna-Cervia aus Anlass des Dante-Jahres Mit Dante die »dunklen Wälder« unserer Erde durchqueren Ansprache von Papst Franziskus am 10. Oktober

Liebe Brüder und Schwestern! die Deutung seines eigenen Lebens wurde, son- dern auch der »Reise« jedes Mannes und jeder Ich begrüße euch und danke euch, dass ihr ge- Frau in der Geschichte und über die Geschichte kommen seid, um mich an der Freude und dem hinaus. Engagement bei der Eröffnung der Feierlichkei- Der Tod Dantes in Ravenna erfolgte – wie Boc- ten aus Anlass des 700. Todestages von Dante caccio schreibt – »am Tag, an dem die Kirche das Alighieri teilhaben zu lassen. Insbesondere Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes feiert«2. möchte ich Erzbischof Ghizzoni für seine ein- Die Gedanken richten sich spontan auf jenes führenden Worte danken. Goldkreuz, das der Dichter sicherlich in der klei- Ravenna ist für Dante die Stadt der »letzten nen, nachtblauen, von neunhundert Sternen ge- Zuflucht«1 – der erste Zufluchtsort war Verona–, sprenkelten Kuppel des Mausoleums von Galla denn in eurer Stadt hat der Dichter seine letzten Placidia gesehen hat, oder jenes andere mit Edel- Lebensjahre verbracht und sein Werk vollendet: steinen verzierte Kreuz, an dem Christi Gestalt der Überlieferung nach wurden hier die letzten »aufflackerte« – um ein Bild aus dem Paradies zu Gesänge des »Paradieses« geschrieben. gebrauchen (vgl. XIV,14) –, aus der Apsiskalotte So beendete er in Ravenna seinen irdischen von Sant’Apollinare in Classe. Lebensweg und damit auch jenes Exil, das sein Im Jahr 1965 schenkte der heilige Paul VI. der Leben stark geprägt und sein Schreiben beein- Stadt Ravenna aus Anlass des 700. Geburtstags flusst hat. Der Dichter Mario Luzi hat die Bedeu- ein Goldkreuz für das Grab, das – wie er sagte – tung der Erschütterung und der höheren Einsicht bisher »ohne ein solches Zeichen der Religion und herausgearbeitet, die für Dante mit der Erfahrung der Hoffnung geblieben war« (Ansprache an die Bei der Audienz segnete Papst Franziskus das Kreuz, das Paul VI. für das Mausoleum Dantes gestiftet des Exils verbunden war. Das lässt uns unmittel- Römische Kurie, 23. Dezember 1965). Eben jenes hatte. Nach der Restaurierung kehrt es nun an das Grab des Dichters zurück. bar an die Bibel denken, an das Exil des Volkes Is- Kreuz wird aus Anlass des diesjährigen Jubiläums rael in Babylon, das sozusagen eines der »Mus - am Ort, der die sterbliche Hülle des Dichters be- Männern und Frauen der säkularisierten Postmo- Pilgerfahrt durch die Geschichte glücklich zu voll- ter« biblischer Offenbarung bildet. In ähnlicher wahrt, neu erstrahlen. Möge es eine Einladung derne, und ihm, dem herausragenden Vertreter enden, damit wir an das von allen Menschen er- Weise war das Exil für Dante von so großer Be- zur Hoffnung sein, zu jener Hoffnung, deren Pro- eines goldenen Zeitalters der europäischen Zivili- sehnte und erhoffte Ziel gelangen: zur »Liebesge- deutung, dass es nicht nur zu einem Schlüssel für phet Dante ist (vgl. Botschaft aus Anlass des 750. sation. Und doch sagt uns etwas, das dem nicht walt, die still und einig im Kreis die Sonne führt Jahrestags der Geburt von Dante Alighieri, 4. Mai so ist. Wenn zum Beispiel Jugendliche – auch die und alle Sterne« (Par. XXXIII, 145; vgl. Botschaft 2015). Jugendlichen von heute – die Möglichkeit haben, aus Anlass des 750. Jahrestags der Geburt von So hoffe ich, dass die Feierlichkeiten aus An- sich auf eine für sie verständliche Weise mit Dan- Dante Alighieri, 4. Mai 2015). lass des 700. Todestages des »Dichterfürsten« tes Dichtung zu beschäftigen, dann nehmen sie Nochmals danke ich für diesen Besuch und eine Anregung sein mögen, seine Göttliche einerseits unweigerlich wahr, wie weit entfernt wünsche für die Feierlichkeiten des Jahrestages Komödie neu zu lesen, und dass wir uns im Be- der Autor und seine Welt sind. Aber andererseits alles Gute. Mit Gottes Hilfe nehme ich mir für das wusstsein unserer Situation des Exils zu einem spüren sie in sich ein überraschendes Echo, vor kommende Jahr vor, dazu eine umfassendere Re- Weg der Umkehr herausfordern lassen: »von der allem dort, wo das Symbol an die Stelle der Alle- flexion vorzulegen. Von Herzen segne ich einen Unordnung zur Weisheit, von der Sünde zur Hei- gorie tritt, wo das Menschliche klarer und unver- jeden von euch, eure Mitarbeiter und die gesamte ligkeit, vom Unglück zum Glück, von der ent- hüllter durchscheint, wo die Leidenschaft für so- ravenatische Gemeinschaft. Und bitte vergesst setzlichen Vision der Hölle zur beseligenden ziale Werte intensiver wird, wo die Faszination nicht, für mich zu beten. Schau des Paradieses« (Hl. Paul VI., Motu proprio für das Wahre, das Schöne und das Gute und da- Altissimi cantus, 7. Dezember 1965). Denn Dante mit letztlich das Fasziniert-Sein von Gott eine Fußnoten fordert uns erneut auf, den verlorenen oder ver- starke Anziehungskraft ausüben. dunkelten Sinn unseres menschlichen Weges So können auch wir dieses Echo nützen, das 1 Vgl. C. Ricci, L’ultimo rifugio di Dante Aligh - wiederzufinden. die Kluft der Jahrhunderte überwindet, und uns, ieri, Hoepli, Mailand 1891. Zuweilen mag es den Anschein haben, dass wozu bereits Paul VI. aufforderte, Dantes Erfah- 2 Trattatello in laude di Dante, Garzanti 1995, diese sieben Jahrhunderte eine unüberbrückbare rung zu eigen machen, um die vielen dunklen S. XIV. Kreuz im Mausoleum der Galla Placidia. Distanz geschaffen haben zwischen uns, den Wälder unserer Erde zu durchqueren und unsere (Orig. ital. in O.R. 10.10.2020)

Vor 500 Jahren wurde Karl V. in Aachen zum Kaiser gekrönt In einem »dunklen Walde« Es war in unseres Lebensweges Mitte, Friedenswahrer und Beschützer der Christenheit Als ich mich fand in einem dunklen Walde; Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege, Aachen. Sein Einzug in Aachen über- und als Beschützer der Christenheit vor den Wohl fällt mir schwer, zu schildern diesen Wald, bot an Pracht alles, was das Heilige Römi- Türken. Als Beschützer der Kirche besiegte Der wildverwachsen war und voller Grauen sche Reich bis dahin erlebt hatte. Burgundi- er 1547 im Schmalkaldischen Krieg die deut- Und in Erinn’rung schon die Furcht erneut: sche und spanische Granden, Ritter vom schen Protestanten. So schwer, dass Tod zu leiden wenig schlimmer. Goldenen Vlies, Kurfürsten und Fürsten be- Politisch sieht der Historiker Karl als ge- Doch um das Heil, das ich dort fand, zu künden, gleiteten den erst 20-jährigen Karl V. (1500- scheitert an. Statt neuer Friedensordnung in Will, was ich sonst gesehen, ich berichten. - 1558), der zu seiner Kaiserkrönung in die Europa standen sich die europäischen Wie ich bin hingelangt, kann ich nicht sagen, Stadt Karls des Großen einritt. Herolde war- Mächte zum Ende seiner Herrschaft unver- So schlafbenommen war ich um die Zeit fen Münzen mit Wappen und Porträt des söhnlicher gegenüber denn je. Die Machtin- Als ich zuerst den wahren Weg verlassen. Monarchen in die Menge. Am 23. Oktober teressen der Fürsten und Staaten standen Doch als ich eines Hügels Fuß erreichte, 1520, vor 500 Jahren, erhielt der Habsbur- immer stärker im Vordergrund. Das galt An welchem jenes Tal zu Ende ging, ger Ring, Szepter, Reichsapfel und das auch für die Christenheit, die in zwei funda- Das mir das Herz mit solcher Furcht befangen, Schwert des großen Vorgängers Karl. Die mental verfeindete Konfessionen zerfiel. Blickt’ ich empor und sah des Hügels Schultern Reichskrone setzten ihm die drei geistlichen Verhandlungen und einen Ausgleich mit Bekleidet schon mit des Planeten Strahlen, Kurfürsten gemeinsam auf das Haupt. den Protestanten überließ er lieber seinem Der uns den rechten Weg zeigt allerwege. »Karl war Haupt der ehrwürdigsten und Bruder Ferdinand. Auch ein siegreicher (Göttliche Komödie, Die Hölle, Erster Gesang) mächtigsten Dynastie Europas«, betont der Kreuzzug gegen den Islam scheiterte; Karl Berliner Historiker Heinz Schilling in seiner Der 20-jährige Kaiser auf einem Ge- musste mit zahlreichen Landverlusten und im Frühjahr erschienenen Biografie. In Gent mälde von Bernard van Orley. einer instabilen Waffenruhe gegenüber den geboren, wurde Karl bereits mit 16 Jahren Türken leben. König von Spanien und mit 19 Jahren zum nahezu vier Jahrzehnte. Und scheiterte Das alles belastete den Monarchen auch römisch-deutschen König und Kaiser ge- daran, die Einheit von Reich und Religion zu in seinem Gewissen, weil er aus seiner Sicht wählt. Zuvor hatte sich Karl mit dem franzö- bewahren. 1521 begegneten sich Kaiser und den von Gott gestellten Auftrag nicht erfül- sischen König Franz einen erbitterten Kampf Reformator Luther beim Wormser Reichstag. len konnte. »Karl musste vor den Fliehkräf- um die Kaiserwürde geliefert. Schilling zeichnet Karl als ebenso tief reli- ten seiner Zeit kapitulieren und sich einge- Am Ende entschied die Korruption: Der giösen Menschen wie Luther: Beide verfolg- stehen, dass seine Welt zerbrochen war«, Augsburger Bankier Fugger lieh Karl eine ten ein eigenes Reformkonzept für die Kir- schreibt Schilling. Als einziger römisch-deut- halbe Million Gulden, die in die Bestechung che. Karl verfolgte – angesichts des scher Kaiser legte er deshalb 1556 resigniert der Kurfürsten floss. Karl war der Herrscher, Niedergangs der sakralen mittelalterlichen sein Amt nieder und zog sich ins Kloster in dessen Reich die Sonne nicht untergeht. Kaiser-Idee – das Konzept einer Universal- zurück. Christoph Arens Und er war der Kaiser, »dem die Welt zer- monarchie, das dem Kaiser den Vorrang vor Schilling, Heinz: Karl V. Der Kaiser, dem die Welt Das Mausoleum von Dante in Ravenna. brach«. In der Umbruchzeit zwischen Mit- allen christlichen Herrschern sicherte. Er zerbrach. Verlag C.H.Beck, München 2020, telalter und früher Neuzeit regierte Karl V. verstand sich als Friedenswahrer in Europa ISBN 978-3-406-74899-8, 29,95 EUR