Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31 (1): 213- 218; 2014

Ein Vorkommen von Himantoglossum metlesicsianum im Norden Teneriffas

Jean Cl a e s s e n s

Keywords:

Orchidaceae; Himantoglossum metlesicsianum, Teneriffa, endemism.

Zusammenfassung/Summary:

Cl a e s s e n s ,J. (2014): Ein Vorkommen von Himantoglossum metlesicsianum im Norden Teneriffas. Ber. Arbeitskrs. Heim.Orchid. (1) 2014: 213 - 218. In fast allen Publikationen wird das Vorkommen von Himantoglossum met- lesicsianum auf den Süd-Westen Teneriffas beschränkt. Rezent wurde das Vorkommen auf bestätigt. In diesem Artikel wird über den Fund einiger Pflanzen dieser Orchideenart im Norden Teneriffas, auf dem Kata- ster der Gemeinde Icod de los Vinos berichtet. Literaturrecherchen zeigten, dass das Vorkommen der Art in dieser Lokalität in der spanischen Literatur erwähnt wird. H. metlesicsianum entwich aus der Kultur in einen Garten. Die kräftigen gesunden Pflanzen, die gefunden wurden, deuten darauf hin, dass der Bestand von H. metlesicsianum bei Icod de los Vinos unter guten Verhältnissen wächst, obwohl es mehr Beobachtungen braucht, um über dieses Vorkommen Schlussfolgerungen zu ziehen.

In almost all publications the presence of Himantoglossum metlesicsianum is restricted to the south-west of . Recently this was reported from La Palma. This article reports of the finding of some specimen of this orchid in the north of Tenerife on the territory of Icod de los Vinos. Literature survey showed that the presence of this taxon is confirmed in Spanish literature and that H. metlesicsianum escaped from cultivation in a garden. The tall, vigorous we found indicate that this population is growing in suitable conditions and probably healthy, although we need more observations before coming to conclusions about this occurrence.

Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31 (1): 2014 213 Einleitung

Himantoglossum metlesicsianum wird heute als gefährdet eingestuft ist eine der insgesamt sechs vor- (IUCN Red List Assessment 2011), kommenden Orchideenarten auf es wurden in 2004 noch 1639 Ex- Teneriffa (Ry s y 1992, Kr e t z s c hm a r emplare aufgelistet (Ba ñ a r e s et al. et al. 1993). Es ist eine stattliche 2004). Die Art ist gefährdet durch Pflanze, die sich durch mehrere Ausbreitung der Infrastruktur, Land- Merkmale von ihrer verwandten Art wirtschaftliche Nutzung sowie durch Himantoglossum robertianum unter- Ausgraben oder Abschneiden. Der scheidet: die Laubblätter sind nicht Ausbau des neuen Autobahnrings in einer Rosette angelegt, sondern könnte die Vorkommen bedrohen. gleichmäßig am Stängel verteilt, Nach gründlichen und mehrere wobei der Stängel länger ist als die Jahre dauernden Untersuchungen Infloreszenz. Die Blüten sind groß; schätzte St i e r l i (2004, 2011) die die Lippe ist flach ausgebreitet und Anzahl der Pflanzen auf mehr als rosa, ohne Grünton, in der Mitte 4000. Inwiefern die Auswirkungen etwas heller. H. metlesicsianum ist der verheerenden Brände von 2007, ein Endemit der Kanarischen Inseln die vor allem das Waldgebiet um (Br a mw e l l & Br a mw e l l 1990) und Santiago del Teide in Asche legten, hat nur wenige Fundorte, alle im in diesen Zahlen berücksichtigt sind, Südwesten von Teneriffa, zwischen ist unbekannt. den Gemeinden Santiago del Teide und Guia de Isora (Rü c k b r o d t & Ein Fund im Norden Teneriffas Rü c k b r o d t 1988, St i e r l i 2004, 2011). Vor kurzem wurden zwei Vor- Bei der Suche nach Fundorten von kommen auf La Palma gefunden. Die Habenaria tridactylites Anfang De- Zahl der Pflanzen schwankt an diesen zember 2013 oberhalb von Icod de beiden Stellen zwischen 10 und 27 los Vinos stießen wir ganz unerwartet Exemplaren (Ac e v e d o Ro d r i g u e z & auf ein kräftiges, in Vollblüte stehen- Me s a Co e l l o 2013). des Exemplar von Himantoglossum metlesicsianum, 878 m ü. M. Die H. metlesicsianum ist immer eine Pflanze stand am Rande eines Wald- seltene, gefährdete Orchidee gewe- weges unmittelbar neben einem ver- sen (Te s c h n e r 1982, Rü c k b r o d t & fallenen Gebäude. Die Blätter zeigten Rü c k b r o d t 1988, Ha l l e r b a c h ). Sie deutliche Spuren von Schneckenfraß.

214 Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31(1): 2014 Abbildung 1: Himantoglossum metlesicsianum, Icod de los Vinos, 9-12-2013.

Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31 (1): 2014 215 In der Umgebung wuchsen folgende der unteren offenen Blüten. Sie such- Pflanzen:Pinus canariensis, Laurus te kurz nach Nektar, der in dieser Or- spec., Cistus spec., Habenaria tri- chidee nicht vorhanden ist; es ist eine dactylites, Davallia canariensis und Nektar-Täuschblume. Dann kroch Erica arborea sowie einige Pflanzen, die Hummel zu einer zweiten Blüte die wir auf Grund der Saison nicht und flog nach erfolgloser Suche wie- determinieren konnten. Weil uns der davon. In der nahen Umgebung überhaupt kein Vorkommen von H. standen einige gelbe Ziersträucher metlesicsianum bekannt war, dachten (Albizia lophantha) die reichlich von wir zuerst an eine mutmaßliche oder Megabombus hortorum, Bombus ungewollte Umpflanzung, vor allem, canariensis, Apis mellifera sowie weil Abfälle in der Gegend lagen. einigen anderen Bienenarten ange- Beim Betrachten der umgebenden flogen wurden. Pflanzen kam eine Hummel, wahr- scheinlich Megabombus hortorum, Bei einer Suche in der Gegend fan- angeflogen, ging direkt auf H. met- den wir noch ein weiteres, stattliches lesicsianum zu und landete auf einer Exemplar von fast einem Meter Höhe

Abbildung 2: Megabombus hortorum auf Himan- Abbildung 3: Himantoglossum metlesicsianum, toglossum metlesicsianum, Icod de los Vinos, Icod de los Vinos, 9-12-2013. 9-12-2013.

216 Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31(1): 2014 am Rande einer brachliegenden Ter- wird auch über ein Vorkommen bei rasse. Die Pflanze war ungefähr ein Aguamansa, im Orotavatal berichtet. Drittel aufgeblüht. Als Begleitflora Um wie viele Exemplare es sich hier fanden wir: Davallia canariensis, handelt, ist nicht bekannt. Habenaria tridactylites, Sonchus congestis, Oxalis pes-caprae, Tri- Die Größe und Vitalität der gefun- folium spec., Centhranthus ruber, denen Exemplare von H. metlesic- Polypodium vulgare, Rumex lunaria sianum deuten darauf hin, dass die und Chamaecytisus proliferus. Standortbedingungen für sie gut sind. Bedingt durch die Nordlage und den Bei Durchsicht aller relevanten Einfluss des Passats gibt es genügend Literatur fanden wir keine Hinweise Feuchtigkeit. Es scheint, dass hier ein auf dieses Vorkommen. Rü c k b r o d t passendes Sekundärbiotop für diese & Rü c k b r o d t (1988) geben an, dass so seltene und bedrohte Orchidee ein Vorkommen um Erjos herum vorhanden ist. (Luftlinie nur 8 Km vom Fundort bei Icod de los Vinos entfernt) gut mög- Danksagung lich sei. In der spanischen Literatur aber wird ein Vorkommen von un- Ganz herzlichen Dank an Angelika gefähr 70 Exemplaren oberhalb Icod und Heinz Ba u m für die Durchsicht erwähnt (Me s a Co e l l o 1998, 2006, des Manuskripts und an Felix Ba e t e n Ba ñ a r e s et al. 2004, Ac e v e d o Ro d - und Liliane De d r o o g für ihre Bemüh- r i g u e z & Me s a Co e l l o 2013). Nach ungen bei der Suche. Ba ñ a r e s et al. ist H. metlesicsianum aus der Kultivierung entwichen Literatur und hat sich jetzt auf 70 Exemplare stabilisiert. Dieses Vorkommen ist Acevedo Rodriguez & Mesa Coello (2013): Adiciones corologicas de Himantoglossum metlesicsianum also von 1998 an bekannt, aber von (W. Teschner) P. Delforge (): primera den europäischen Orchideensuchern cita para la isla de la Palma (Islas canarias).

übersehen worden. Im Januar 2014 Bañares, á., g. Blanca, j. Güemes, j.c. Moreno & suchten Felix Ba e t e n und Liliane De- s. Ortiz, eds. (2004): Atlas y Libro Rojo de la d r o o g in der Umgebung vergebens Flora Vascular Amenazada de España. Dirección General para la Biodiversidad, Publicaciones del nach mehr Exemparen. In Ac e v e d o O.A.P.N. Madrid, 1.069 pp.. Ro d r i g u e z & Me s a Co e l l o (2013) Hallerbach, J.: Die Tenerife-Barlia in Not Internet: http://bibliofil.de/ca-archiv/uploads/Die%20 Teneriffa-Barlia%20in%20Not%20(3).pdf..

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