UNICUIQUE SUUM NON PRAEVALEBUNT

Redaktion: I-00120 Vatikanstadt Schwabenverlag AG Einzelpreis Wochenausgabe in deutscher Sprache 41. Jahrgang – Nummer 51/52 – 23. Dezember 2011 D-73745 Ostfildern Vatikan d 1,65

Ansprache von Papst Benedikt XVI. beim Angelusgebet am 4. Adventssonntag, 18. Dezember Die jungen Menschen zu Gerechtigkeit Zutiefst auf die Liebe Gottes vertrauen und Frieden erziehen Liebe Brüder und Schwestern! Am heutigen vierten und letzten Adventssonntag legt uns die Litur- gie in diesem Jahr den Bericht von der Verkündigung des Engels an Maria vor. Bei der Betrachtung des wundervollen Bildes der seligen Jungfrau in dem Augenblick, in dem sie die göttliche Botschaft empfängt und ihre Antwort gibt, werden wir innerlich vom Licht der Wahrheit er- Vatikanstadt. Papst Benedikt XVI. leuchtet, das stets von neuem aus hat in seiner Botschaft zum Weltfriedens- diesem Geheimnis hervorgeht. Ins- tag am 1. Januar 2012 die Jugendlichen besondere möchte ich kurz auf die auf der ganzen Welt aufgerufen, trotz der Bedeutung der Jungfräulichkeit Ma- Wirtschaftskrise mit einer »zuversicht- riens eingehen, das heißt auf die Tat- lichen Einstellung« auf das Jahr 2012 zu sache, daß sie Jesus empfangen hat blicken. Zugleich fordert er Eltern, Erzie- und dabei Jungfrau geblieben ist. her und Politiker auf, den Jugendlichen Im Hintergrund des Geschehens mehr Aufmerksamkeit zu schenken. von Nazaret steht die Prophezeiung Wortlaut der Botschaft auf den Jesajas. »Seht, die Jungfrau wird ein Seiten 12–13 Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben« (Jes 7,14). Diese alte Ver- Lichtblick in heißung hat sich in der Mensch- römischem Gefängnis werdung des Sohnes Gottes über- reich erfüllt. Denn die Jungfrau Rom/Vatikanstadt. Papst Benedikt XVI. Maria hat nicht nur empfangen, hat ein römisches Gefängnis besucht. Am ver- sondern dies geschah durch das gangenen 4. Adventssonntag traf der Heilige Va- Wirken des Heiligen Geistes, das ter mit rund 300 Insassen der Haftanstalt »Rebib- heißt durch das Wirken Gottes Pietro Perugino; Geburt Jesu; 1504; Akademie Carrara, Bergamo. bia« im Nordosten der Stadt zusammen. In der selbst. Der Mensch, dessen Leben Gefängniskirche beantwortete er Fragen der in ihrem Schoß seinen Anfang Aus diesem Grund ist jene ein- und Freiheit. Das »Ja« Mariens Anschließend sagte der Papst: Häftlinge. Er appellierte auch an die italienische nimmt, nimmt das Fleisch von Ma- zige Frage so wichtig, die Maria schließt Mutterschaft und Jungfräu- Liebe Brüder und Schwestern, Regierung, die Haftbedingungen in den Gefäng- ria an, doch sein Dasein kommt völ- »sehr erschrocken« an den Engel lichkeit ein und erfordert, daß gestern wurden in Madrid 22 Mis- nissen des Landes zu verbessern. Mit seinem Be- lig von Gott her. Er ist ganz Mensch, richtet: »Wie soll das geschehen, da alles in ihr zur Herrlichkeit Gottes sionare der Oblaten der Makellosen such wolle er ein Zeichen setzen und auf die aus Erde gemacht – um das bibli- ich keinen Mann erkenne?« (Lk gereiche und der Sohn, der Jungfrau und ein Laie seliggespro- großen Probleme im italienischen Strafvollzug sche Bild zu benutzen –, doch er 1,34). In ihrer Einfachheit ist Maria aus ihr geboren werden wird, chen, die 1936 in Spanien allein aus hinweisen, sagte der Papst. Zum Schluß der etwa kommt aus der Höhe, vom Himmel. äußerst weise: sie zweifelt nicht an ganz Geschenk der Gnade sein dem Grund getötet wurden, weil sie einstündigen Begegnung betete der Papst ge- Die Tatsache, daß Maria empfängt der Macht Gottes, sondern will sei- könne. eifrige Zeugen des Evangeliums wa- meinsam mit den Häftlingen das Vaterunser und und dabei Jungfrau bleibt, ist also nen Willen besser verstehen, um Liebe Freunde, die Jungfräulich- ren. Mit der Freude über ihre Selig - segnete einen Zypressenbaum, der zur Erinne- von wesentlicher Bedeutung für die sich diesem Willen völlig gleichzu- keit Mariens ist einzigartig und un- sprechung verbindet sich die Hoff- rung an seinen Besuch gepflanzt worden war. Erkenntnis Jesu und für unseren gestalten. wiederholbar; doch ihre geistliche nung, daß ihr Opfer noch viele Glauben, da sie bezeugt, daß Gott Das Geheimnis übersteigt Maria Bedeutung geht einen jeden Chri- Früchte der Umkehr und der Ver- Hinweis für die Leser die Initiative ergriffen hat, und vor unendlich, und dennoch nimmt sie sten an. Sie ist ihrem Wesen nach an söhnung bringe. allem offenbart sie, wer der Empfan- vollkommen den Platz ein, der ihr in den Glauben gebunden: Wer näm- Ich möchte der Bevölkerung im Wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeier- gene ist. Das Evangelium merkt dessen Mittelpunkt zugewiesen lich zutiefst auf die Liebe Gottes ver- Süden der Philippinen, die von ei- tage erscheint diese Ausgabe als Doppelnummer dazu an: »Deshalb wird auch das worden ist. Ihr Herz und ihr Sinn traut, nimmt Jesus, sein göttliches nem heftigen Tropensturm getrof- 51/52 mit erweitertem Umfang von 16 Seiten. Kind heilig und Sohn Gottes ge- sind ganz demütig, und gerade Leben, durch das Wirken des Heili- fen wurde, meine Nähe zusichern. Die nächste Ausgabe erscheint zu Jahresbeginn nannt werden« (Lk 1,35). In diesem aufgrund ihrer einzigartigen Demut gen Geistes in sich auf. Das ist das Ich bete für die Opfer, darunter sehr mit Datum vom 6. Januar. Sinn gewährleisten sich die Jung- erwartet Gott das »Ja« dieses Geheimnis von Weihnachten! Ich viele Kinder, für die obdachlos Ge- Redaktion und Verlag wünschen allen Lese- fräulichkeit Mariens und die Gött- Mädchens, um seinen Plan zu ver- wünsche euch allen, daß ihr es in wordenen und für die zahlreichen rinnen und Lesern ein gesegnetes Christfest und lichkeit Jesu gegenseitig. wirklichen. Er achtet ihre Würde inniger Freude leben könnt. Vermißten. alles Gute im neuen Jahr.

Der Christbaum – Symbol für ewiges Leben In eigener Sache In dieser Ausgabe Rundgang durch die größte Vatikanstadt. Der Christbaum steht zusam- Liebe Leserin, lieber Leser, Krippensammlung der Welt ...... 4–5 men mit der Krippe für eine von Religiosität und in gewohnt guter Qualität liefern wir Vertrautheit geprägte Stimmung, die ganz we- Neue Artikelreihe: auch im kommenden Jahr Ihren L`Osser- sentlich zur Weihnachtszeit dazugehört. Diese Die Kreuzgänge berühmter Basiliken, vatore Romano direkt zu Ihnen nach Stimmung müsse auch in einer Zeit erhalten blei- Klöster und Abteien – Wege, auf denen Hause. Der Jahrespreis bleibt trotz gestie- ben, in der Konsumdenken und das Streben nach man sich selbst finden kann (Teil 1 ...... 6) gener Energie-, Rohöl- und Papierpreise materiellen Gütern vorherrschend zu sein schei- Der Wallfahrtsort Maria Weißenstein unverändert. Um künftig Preisstabilität zu nen. Der Christbaum sei mit seinen immergrü- in Südtirol – Stimmungsvoller und gewährleisten erfolgt allerdings eine Ver- nen Nadeln ein Sinnbild für das ewige Leben, geschichtsträchtiger Ort des Glaubens änderung bei der Zustellung. Wir werden sagte der Heilige Vater vor der ökumenischen und der Umkehr ...... 7 ab der Ausgabe 1/2012 vom bisherigen Delegation aus der Ukraine, die zur offiziellen Schnelläufernetz der Deutschen Post auf Der Papst besuchte die römische Übergabe der 30 Meter hohen Tanne nach Rom das Normalläufernetz umstellen. Dies Pfarrei »Santa Maria delle Grazie« ...... 9 gekommen war. Die Illuminierung fand am spä- könnte dazu führen, daß sich Ihr Exemplar Eucharistiefeier für Lateinamerika teren Nachmittag statt (Bild links). fallweise nicht mehr am Freitag, im Petersdom ...... 11 Mitglieder der Delegation waren unter ande- sondern am Samstag in der Zustellung be- rem der griechisch-katholische Großerzbischof Predigt von Kurt Kardinal Koch im Campo findet. Redaktion und Verlag bitten für Swjatoslaw Schewtschuk und der römisch- Santo Teutonico am 8. Dezember ...... 15 diese notwendige Maßnahme um Ihr Ver- katholische Erzbischof von Lemberg, Mieczys- Der Altarraum in »Santa Maria dell’Anima« ständnis. law Mokrzycki. erstrahlt in neuem Glanz ...... 16 Seite 11 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 2 Aus dem Vatikan

Generalaudienz in der »Aula Paolo VI« am 14. Dezember Das segensreiche und heilende Wirken Gottes Liebe Brüder und Schwestern! vorausgeht und uns immer begleitet, ist eine der Grundhaltungen in unserem Gespräch mit ihm. Heute möchte ich mit euch über das Gebet Der Katechismus der Katholischen Kirche kom- Jesu nachdenken, das mit seinen wunderbaren mentiert das Gebet Jesu im Bericht der Aufer- Heilungen verbunden ist. In den Evangelien wer- weckung des Lazarus so: »Das Gebet Jesu, das den verschiedene Situationen aufgezeigt, in de- von Danksagung getragen ist, offenbart uns, wie nen Jesus angesichts des segensreichen und hei- wir bitten sollen: Schon bevor die Gabe lenden Wirkens Gottes, des Vaters, der durch ihn geschenkt wird, stimmt Jesus Gott zu, der gibt wirkt, betet. Dieses Gebet offenbart noch einmal und der sich selbst in seinen Gaben schenkt. Der die einzigartige Beziehung der Erkenntnis und Geber ist wertvoller als die gewährte Gabe. Er ist der Gemeinschaft mit dem Vater, während Jesus der Schatz, und bei ihm ist das Herz seines große menschliche Anteilnahme am Leiden sei- Sohnes. Die Gabe selbst wird dazugegeben (vgl. ner Freunde zeigt, zum Beispiel des Lazarus und Mt 6,21.33)« (2604). Das scheint mir sehr wich- seiner Familie oder der vielen Armen und Kran- tig: bevor die Gabe gewährt wird, dem zuzustim- ken, denen er konkret helfen will. men, der gibt; der Geber ist wertvoller als die Gabe. Über all das hinaus, was Gott uns gibt, Tiefe Fürsorge Jesu wenn wir ihn bitten, ist die größte Gabe, die er gegenüber den Kranken uns geben kann, seine Freundschaft, seine Ge- genwart, seine Liebe. Er ist der kostbare Schatz, Ein bedeutsamer Fall ist die Heilung des Taub- um den wir bitten und den wir stets bewahren stummen (vgl. Mk 7,32–37). Der Bericht des In seinem Grußwort in italienischer Sprache wies Papst Benedikt XVI. darauf hin, daß das monu- müssen. Evangelisten Markus – den wir soeben gehört mentale Bronzerelief des auferstandenen Christus in der »Aula Paolo VI« nach rund zweimonatiger haben – zeigt, daß das Heilungswirken Jesu mit Restaurierung wieder in neuem Glanz erstrahlt. Das Kunstwerk von Pericle Fazzini aus dem Jahr 1977 Völliges Vertrauen seiner tiefen Beziehung zum Nächsten, dem zeigt Christus, der – vorbei an von Unwettern gepeitschten Olivenbäumen – aus dem Grab aufersteht. auf den Willen Gottes Kranken, und auch zum Vater verbunden ist. Das Wunder wird eingehend beschrieben: »Er nahm Verlangen nach etwas Gutem anzeigt, das noch ebenso wie von den Juden (vgl. 11,3; 11,36); sie Das Gebet, das Jesus spricht, als der Stein vom ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die fehlt (vgl. Röm 8,23). Der ganze Bericht zeigt also, zeigt sich in der tiefen Erschütterung Jesu beim Eingang des Grabes des Lazarus weggenommen Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge daß das menschliche Mitgefühl mit dem Kranken Anblick des Schmerzes von Marta und Maria wird, nimmt außerdem eine einzigartige und un- des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Jesus zum Beten bringt. Wiederum wird seine und aller Freunde des Lazarus und mündet in das erwartete Wendung. Denn nachdem er Gott, Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taub- einzigartige Beziehung zum Vater deutlich, seine – zutiefst menschliche – Weinen bei der Annähe- dem Vater, gedankt hat, fügt er hinzu: »Ich stummen: Effata!, das heißt: Öffne dich!« (7,33– Identität als der einzige Sohn. In ihm, durch seine rung an das Grab: »Als Jesus sah, wie sie [Marta] wußte, daß du mich immer erhörst; aber wegen 34). Jesus will, daß die Heilung »beiseite, von der Person tritt das heilende und segensreiche Wir- weinte und wie auch die Juden weinten, die mit der Menge, die um mich herum steht, habe ich es Menge weg« stattfindet. Der Grund dafür scheint ken Gottes zutage. Es ist kein Zufall, daß das, was ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt gesagt; denn sie sollen glauben, daß du mich ge- nicht nur in der Tatsache zu liegen, daß das Wun- die Menschen abschließend über das Wunder sa- und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestat- sandt hast« (Joh 11,42). Mit seinem Gebet will Je- der vor den Menschen verborgen gehalten wer- gen, das Urteil über die Schöpfung am Anfang der tet? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh! sus zum Glauben führen, zum völligen Vertrauen den soll, um zu vermeiden, daß sich über die Per- Genesis in Erinnerung ruft: »Er hat alles gut ge- Da weinte Jesus« (Joh 11,33–35). auf Gott und auf seinen Willen, und will zeigen, son Jesu einschränkende oder verzerrte Urteile macht« (Mk 7,37). Zum Heilungswirken Jesu Dieses Freundschaftsband, die Anteilnahme daß dieser Gott, der den Menschen und die Welt bilden. Durch die Entscheidung, den Kranken gehört ganz klar das Gebet mit seinem Auf- und die Erschütterung Jesu angesichts des so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn beiseite zu nehmen, sind Jesus und der Taub- blicken zum Himmel. Die Kraft, die den Taub- Schmerzes der Verwandten und Bekannten des sandte (vgl. Joh 3,16), der Gott des Lebens ist, der stumme im Augenblick der Heilung allein, stehen stummen geheilt hat, wird gewiß vom Mitleid Lazarus sind im ganzen Bericht mit einer ständi- Gott, der Hoffnung bringt und in der Lage ist, in besonders naher Beziehung zueinander. Mit mit ihm hervorgerufen, kommt aber aus dem Ge- gen tiefen Beziehung zum Vater verknüpft. Von menschlich unmögliche Situationen umzukeh- einer Geste berührt der Herr die Ohren und die bet zum Vater. Es begegnen sich diese beiden Be- Anfang an setzt Jesus das Ereignis in Beziehung ren. Das vertrauensvolle Gebet eines Gläubigen Zunge des Kranken, also die besonderen Stellen ziehungen: die menschliche Beziehung des Mit- zu seiner eigenen Identität und Sendung sowie ist also ein lebendiges Zeugnis für die Gegenwart seiner Krankheit. Die tiefe Fürsorge Jesu zeigt leids mit dem Menschen, die in Beziehung zu zur Verherrlichung, die ihn erwartet. Denn als er Gottes in der Welt, seine Fürsorge für den Men- sich auch in den ungewöhnlichen Umständen Gott tritt und so zur Heilung wird. von der Krankheit des Lazarus erfährt, sagt er: schen, sein Wirken zur Umsetzung seines Heils- der Heilung: Er benutzt die eigenen Finger und Im johanneischen Bericht von der Aufer- »Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, son- plans. sogar den eigenen Speichel. Auch die Tatsache, weckung des Lazarus wird dieselbe Dynamik mit dern dient der Verherrlichung Gottes: Durch sie Die beiden soeben betrachteten Gebete Jesu, daß der Evangelist das ursprüngliche Wort wie- noch größerer Deutlichkeit bezeugt (vgl. Joh soll der Sohn Gottes verherrlicht werden« (Joh die die Heilung des Taubstummen und die Aufer- dergibt, das vom Herrn gesprochen wurde – »Ef- 11,1–44). Auch hier werden auf der einen Seite 11,4). Auch die Nachricht vom Tod des Freundes weckung des Lazarus begleiten, zeigen, daß die fata!, das heißt: Öffne dich!« –, hebt die Einzigar- die Verbindung Jesu mit einem Freund und mit wird von Jesus mit tiefem menschlichem tiefe Verbindung zwischen Gottesliebe und tigkeit der Szene hervor. seinem Leiden und auf der anderen Seite seine Schmerz aufgenommen, aber stets deutlich in Zu- Nächstenliebe auch in unser Gebet eintreten Aber der zentrale Punkt dieser Episode ist die Sohnesbeziehung zum Vater miteinander ver- sammenhang gestellt mit der Beziehung zu Gott muß. Die Fürsorge gegenüber dem anderen, be- Tatsache, daß Jesus in dem Augenblick, in dem er knüpft. Die menschliche Anteilnahme Jesu an und mit der Sendung, die er ihm anvertraut hat. sonders dann, wenn er arm und leidtragend ist, die Heilung vornimmt, die direkte Beziehung der Geschichte des Lazarus hat besondere Züge. Er sagt: »Lazarus ist gestorben. Und ich freue die Erschütterung angesichts des Schmerzes ei- zum Vater sucht. Denn im Bericht heißt es: Er Im ganzen Bericht wird wiederholt die Freund- mich für euch, daß ich nicht dort war; denn ich ner befreundeten Familie bringen Jesus dazu, »blickte … zum Himmel auf, seufzte« (v. 34). Die schaft mit ihm sowie mit seinen Schwestern will, daß ihr glaubt« (Joh 11,14–15). Der Augen- sich an den Vater zu wenden, in jener grundle- Aufmerksamkeit gegenüber dem Kranken, Jesu Marta und Maria in Erinnerung gerufen. Jesus blick, in dem Jesus vor dem Grab ausdrücklich genden Beziehung, die sein ganzes Leben leitet. Fürsorge für ihn, sind mit einer tiefen Gebetshal- selbst sagt: »Lazarus, unser Freund, schläft; aber zum Vater betet, ist das natürliche Ziel des Aber auch umgekehrt: Die Gemeinschaft mit tung gegenüber Gott verbunden. Und das Aus- ich gehe hin, um ihn aufzuwecken« (Joh 11,11). ganzen Ereignisses, das im zweifachen Span- dem Vater, das ständige Gespräch mit ihm, stoßen des Seufzers wird mit einem Verb um- Die aufrichtige Liebe zu dem Freund wird auch nungsfeld zwischen der Freundschaft mit La- spornen Jesus an, auf einzigartige Weise Sorge zu schrieben, das im Neuen Testament das von den Schwestern des Lazarus hervorgehoben, zarus und der Sohnesbeziehung zu Gott steht. tragen für die konkreten Situationen des Men- Auch hier gehören die beiden Formen der Bezie- schen, um dorthin den Trost und die Liebe Gottes hung zusammen. »Jesus aber erhob seine Augen zu bringen. Die Beziehung zum Menschen führt Mexikanische Weihnacht im Vatikan und sprach: Vater, ich danke dir, daß du mich er- uns zur Beziehung zu Gott, und die Beziehung zu hört hast« (Joh 11,41): Es ist eine Danksagung, Gott führt uns wieder zum Nächsten. eine Eucharistie. Der Satz zeigt, daß Jesus keinen Liebe Brüder und Schwestern, unser Gebet Augenblick lang nachgelassen hat, für das Leben öffnet die Tür für Gott, der uns lehrt, ständig aus des Lazarus zu beten. Dieses unablässige Gebet uns herauszukommen, um in der Lage zu sein, hat das Band mit dem Freund sogar noch gestärkt auf die anderen zuzugehen, besonders in Zeiten und gleichzeitig die Entscheidung Jesu bestätigt, der Prüfung, um ihnen Trost, Hoffnung und Licht in Gemeinschaft mit dem Willen des Vaters zu zu bringen. Der Herr schenke uns die Fähigkeit bleiben, mit seinem Liebesplan, in dem die zu einem immer tieferen Gebet, um unsere per- Krankheit und der Tod des Lazarus als ein Ort be- sönliche Beziehung zu Gott, dem Vater, zu stär- trachtet werden, an dem die Herrlichkeit Gottes ken, unser Herz zu öffnen gegenüber den Nöten offenbar wird. derer, die uns nahe sind, und die Schönheit zu Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir spüren, »Söhne im Sohn« zu sein, zusammen mit diese Erzählung lesen, ist jeder von uns aufgeru- vielen Brüdern. Danke. fen zu verstehen, daß wir beim Gebet zum Herrn (Orig. ital. in O.R.15.12.2011) nicht die unmittelbare Erfüllung dessen erwarten dürfen, worum wir bitten, sondern uns vielmehr dem Willen des Vaters anvertrauen und jedes Er- Pilgergruppen eignis im Hinblick auf seine Herrlichkeit, auf sei- nen Liebesplan verstehen müssen, der in unse- am 14. Dezember ren Augen oft geheimnisvoll ist. Daher müssen in Aus der Bundesrepublik Deutschland: unserem Gebet immer Bitte, Lob und Danksa- Pilgergruppen aus den Pfarrgemeinden Nach der Generalaudienz bewunderte der Heilige Vater die kunstvoll gestaltete Krippe und den Christ- gung in eins gehen, auch wenn Gott nicht auf un- St. Josef, Einbeck; Mariä Heimsuchung, baum, die in der Weihnachtszeit die vatikanische Audienzhalle zieren. Der Weihnachtsschmuck sere konkreten Erwartungen zu antworten Northeim. stammt in diesem Jahr aus dem mexikanischen Bundesstaat Puebla. scheint. Die Hingabe an die Liebe Gottes, die uns 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan und der Weltkirche 3

Grußworte von Papst Benedikt XVI. nach dem Angelus am 18. November Ein Geheimnis, das die Menschheit geprägt hat

Der Botschaft Gottes Raum geben Vatikanstadt. Bei der letzten General- audienz vor dem Weihnachtsfest sprach Papst Der Heilige Vater grüßte die Pilger und Besu- Benedikt XVI. über die Geburt Jesu. »Er ist einer cher, die sich auf dem Petersplatz versammelt von uns geworden und bleibt einer von uns«, hatten, in verschiedenen Sprachen. Er sagte auf heißt es in der Ansprache, die der Heilige Vater an französisch: die anwesenden Pilger und Besucher in deut- Liebe Brüder und Schwestern französischer scher Sprache richtete. Er sagte: Sprache, am heutigen letzten Adventssonntag lädt uns das Evangelium ein, die Jungfrau Maria Liebe Brüder und Schwestern! zu betrachten. Unmittelbar vor dem Weihnachts- fest fragen sich viele, wie der Sohn Gottes, der In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. kommt, um unter uns zu wohnen, würdig emp- Das Besondere dieses Festes besteht darin, daß es fangen werden kann. Wie Maria wollen wir das nicht nur ein Gedächtnis der Geburt Jesu vor Wort hören und empfangen, still werden und etwas mehr als zweitausend Jahren darstellt, son- Gott in uns leben lassen. Wir wollen uns furcht- dern ein Geheimnis feiert, das die Menschheit ge- los und vertrauensvoll in die Hände unseres prägt hat und noch prägt, ein Geheimnis, das Ge- Gottes begeben und mit Maria die Worte wieder- genwart in sich trägt: Wir feiern, daß Gott holen: »Mir geschehe, wie du es gesagt hast!« Der gekommen ist und nun da ist, um unter uns zu Lärm und die Hektik der Weihnachtsvorbereitun- wohnen (vgl. Joh 1,14). Er ist einer von uns ge- gen mögen uns nicht daran hindern, das Wesent- worden und bleibt einer von uns. Er hat nicht nur liche zu sehen und zu hören: Gott kommt, um durch Menschenworte gesprochen, er ist selbst sein Volk zu retten! Mit meinem Apostolischen Mensch geworden. Er macht es uns möglich, ihm Segen! heute zu begegnen. Er begibt sich auf Augen- … auf englisch: höhe, wie bei den Hirten von Betlehem, die ihn Ich grüße alle englischsprachigen Pilger und unserem Leben Raum geben, daß auch wir bereit zaret, in das Haus der Frau, die Gott erwählt und im kleinen Kind in der armseligen Krippe als Besucher, die zu diesem Angelusgebet gekom- sind, den Herrn aufzunehmen und neue Men- mit Gnaden erfüllt hat, auf daß sie seinen Sohn ihren Herrn erkannt haben. An Weihnachten tritt men sind. Das Evangelium der heutigen Liturgie schen zu werden. Von Herzen wünsche ich euch gebäre. Gott konkret in die Geschichte dieser Erde, dieser erzählt die Verkündigung des Erzengels Gabriel ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest. Wir wollen von Maria das vertrauensvolle Ge- Menschheit ein und wird Mensch, um den Men- an die Jungfrau Maria, daß sie einen Sohn emp- … auf spanisch: bet und die Hingabe lernen, um den Willen schen sozusagen hochzuheben, zu sich zurück- fangen und gebären wird, dem sie den Namen Je- Ich grüße voll Zuneigung die Pilger aus dem Gottes zu entdecken und bereit zu sein, ihn zu er- zuführen. So steht dieses Werk von Anfang an sus geben soll. Da die unbefleckte Jungfrau Gott spanischen Sprachraum. Die Liturgie dieses letz- füllen. Durch die Hände der jungfräulichen Mut- auch in der Perspektive von Kreuz und Auferste- zu uns brachte, wollen wir keine Furcht haben, ten Adventssonntags, an dem uns nur wenige ter komme über euch der reiche Segen des güti- hung. Die Erniedrigung in der Krippe ist ein An- uns von ihr zu Gott bringen zu lassen. In dieser Tage vom Weihnachtsfest trennen, lädt uns ein, gen Gottes. fang, ein schon Hingehen auf das Leiden und letzten Woche des Advents wollen wir uns noch unseren Blick auf die Jungfrau Maria zu richten. Dann sagte der Heilige Vater wieder auf italie- Sterben des Erlösers zu. Das will uns sagen: Gott intensiver darum bemühen, uns auf sein Kom- Sie helfe uns, unsere geistliche Vorbereitung zu nisch: wird Mensch, um Tod und Sünde zu besiegen, men vorzubereiten. Auf euch und eure Lieben intensivieren, um unser Herz für die Geburt des Abschließend richte ich einen herzlichen um uns zu erneuern. Der Tod, der als eine Last rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes Sohnes Gottes bereit zu machen. Mit diesen Gruß an die Pilger italienischer Sprache, beson- auf der menschlichen Natur liegt, wird durch die herab. Empfindungen möchte ich auch die Missionare ders an die Gruppen von Gläubigen aus den Bi- Gegenwart Gottes auf der Erde besiegt, auch … auf deutsch: der Oblaten der Makellosen Jungfrau in Erinne- stümern Catania und Caltanisetta, aus Tolentino wenn sein Schatten bleibt. Das Innerste ist ihm Gerne heiße ich alle deutschsprachigen Pilger rung rufen, die zusammen mit dem Laien Cán- und Avellino wie auch an die römische Gemein- genommen, weil die Tür zu Gott offensteht. Gott und Gäste willkommen. Am heutigen vierten dido Castán gestern in Madrid seliggesprochen schaft von »Comunione e Liberazione«: Ich er- beugt sich über unsere Unvollkommenheit und Advent hören wir das Evangelium der Verkündi- worden sind. Das Zeugnis des Glaubens und der mutige sie, voll Freude den Weg des Glaubens Schwäche, er füllt sie aus mit der Kraft seiner gung an Maria, das wir auch im Gebet des Ange- Liebe, das sie durch ihr Martyrium gegeben ha- fortzusetzen und gemäß dem Evangelium Sauer- Liebe, um uns in seiner Gegenwart zu vollenden. lus betrachten: »Der Engel brachte Maria die Bot- ben, diene uns als Ansporn und Beispiel, um un- teig in der Gesellschaft zu sein. Ich grüße auch Anschließend richtete der Papst die folgenden schaft«. Wenige Tage vor Weihnachten blicken ser Leben dem Dienst an Gott und an den Brü- das Jugendorchester der Akademie für Streichin- Grußworte an die Anwesenden: wir auf die Jungfrau Maria, die Gott dazu erwählt dern zu widmen. Ich wünsche euch einen strumente »Arrigoni« aus San Vito al Tagliamento, Ganz herzlich grüße ich alle Pilger und Besu- hat, die Mutter des Erlösers zu werden. Das Ja der gesegneten Sonntag. dessen jungen Mitgliedern ich alles Gute für ihre cher deutscher Sprache. Von den Hirten wollen demütigen Magd steht am Anfang der Mensch - … auf polnisch: künstlerische Ausbildung wünsche. Allen einen wir lernen, uns aufzumachen zu Gott und ihn in werdung. Maria möge uns in unserem Ja zu Gott Herzlich grüße ich nun die Polen. Die Liturgie gesegneten Sonntag und eine gute Vorbereitung unser Leben hereinzulassen. Eine Lebenszeit, die bestärken, daß auch wir der Botschaft Gottes in des letzten Adventssonntags führt uns nach Na- auf das heilige Weihnachtsfest. wir Gott widmen und von ihm her unseren Mit- menschen zuwenden, ist nie verlorene Zeit. Euch allen wünsche ich eine gnadenreiche und frohe Kardinal John Patrick Foley gestorben Weihnachtsbotschaft Weihnachtszeit. an Seeleute Philadelphia/Vatikanstadt. Der US-ame- rikanische Kardinal John Patrick Foley ist am Vatikanstadt. In einer Weihnachtsbotschaft Aufforderung 11. Dezember in Philadelphia im Alter von 76 Jah- an Seeleute in aller Welt hat der Vatikan zu einem zu mehr Umweltschutz ren gestorben. Der Kardinal litt an Leukämie. einvernehmlichen Zusammenleben der verschie- Der am 11. November 1935 in Darby im US- denen Kulturen und Religionen aufgerufen. An- Vatikanstadt. Papst Benedikt XVI. hat zu ei- Bundesstaat Pennsylvania geborene Foley hat gesichts wachsender Internationalisierung insbe- ner umweltschonenderen Nutzung von natürli- vor seiner Berufung als Medienfachmann nach sondere in der Seefahrt sei dies von zentraler chen Ressourcen und Energiequellen aufgerufen. Rom selbst umfangreiche journalistische Erfah- Bedeutung, heißt es in dem Schreiben vom Päpst- Die Regierungen müßten konkrete Anstrengun- rungen gesammelt: Von 1963 bis 1965 berichtete lichen Rat der Seelsorge für die Migranten und gen zum Schutz der Schöpfung unternehmen, er als Korrespondent aus Rom über das Zweite Menschen unterwegs. Die Kurienbehörde ist für sagte der Papst beim Antrittsbesuch mehrerer Vatikanische Konzil. Im Jahr 1970 übernahm er die Seelsorge für Seeleute zuständig. Der Präsi- Botschafter, die ihr Beglaubigungsschreiben die Leitung der Bistumszeitung der Diözese Phi- dent des Päpstlichen Rats, Erzbischof Antonio überreichten. Auch sei eine verstärkte Zusam- ladelphia. Maria Vegliò, versicherte, die Kirche werde sich menarbeit im Umweltschutz notwendig. »Ich er- Papst Johannes Paul II. berief ihn 1984 an die weiterhin gegen eine Ausbeutung und Kriminali- mutige die politischen Autoritäten ihrer Länder Leitung des Päpstlichen Rats für die sozialen sierung von Seeleuten einsetzen. nachdrücklich, sich in diesem Sinn zu öfnen«, so Kommunikationsmittel. Nach seinem Rücktritt die Worte des Papsten an die Diplomaten aus von seinem Amt an der Kurie ernannte Papst Be- erinnerte er in dem Schreiben an Foleys Unter- Afrika und Asien sowie der Schweiz und An- nedikt XVI. Foley im Juni 2007 zum Großmeister stützung für die christlichen Gemeinden im Hei- Promulgierung von Selig- und dorra. Zugleich müsse es »eine Mobilisierung der des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusa- ligen Land. Heiligsprechungsdekreten Intelligenz und Kreativität« im Kampf gegen Ar- lem. Im gleichen Jahr erhielt er die Kardinals- In einer ersten Reaktion auf die Nachricht vom mut geben. Die Botschafter vertreten ihre Länder würde. Als römische Titelkirche wurde ihm »San Tod des US-amerikanischen Kardinals sagte der Vatikanstadt. Die Kongregation für die Se- Schweiz, Trinidad und Tobago, Guinea Bissau, Bu- Sebastiano al Palatino« zugewiesen. Pressesprecher des Heiligen Stuhls, P. Federico lig- und Heiligsprechungsprozesse hat mehrere rundi, Thailand, Pakistan, Mosambik, Kirgisistan, Im August 2011 legte Foley das Amt des Lombardi SJ, Foley habe die »freundschaftliche, Dekrete promulgiert. Sie betreffen u.a. die Wun- Andorra, Sri Lanka und Burkina Faso. In allen Fäl- Großmeisters aus gesundheitlichen Gründen nie- offene und aufmerksame Beziehung der Kirche der auf Fürsprache der Lepra-Missionarin Bar- len residieren die Botschafter nicht in Rom. der. zur Welt der Medien« verkörpert. Der Verstor- bara Cope und der seligen Anna Schäffer sowie In dem Beileidsschreiben des Papstes an den bene habe sich stets als »Freund und Kollege« das Martyrium des Schweizers Nicolò Rusca. Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, aller gefühlt, die in den Medien arbeiteten. Auch Opfer des spanischen Bürgerkriegs wer- heißt es, das lebenslange Wirken Foleys für die P. Lombardi würdigte Kardinal Foley als Mensch, den im kommenden Jahr zur Ehre der Altäre er- Geistliches Wort Präsenz der Kirche in der Presse möge auch an- den aufgrund seiner Freundlichkeit und Spiritua- hoben. dere inspirieren, sich dieser Aufgabe zu widmen. lität »alle bewunderten und schätzten, die ihn Zudem wurden weitere zwölf Wunder aner- Vor der Krippe ist man Eine starke Medienpräsenz der Kirche sei für die kannten«. kannt. Bei den anerkannten Märtyrern handelt mit allen verbunden, Verkündigung der christlichen Botschaft sowie Die Zahl der Kardinäle beträgt nach Foleys Tod es sich um drei Gruppen von Ordensleuten, Prie- die in aller Welt verstreut sind. für eine Wiederbelebung des Glaubens in weit- 192. Von ihnen sind 109 unter 80 Jahren und stern und Laien, die während des spanischen gehend säkularisierten Ländern von entschei- wären somit zur Teilnahme an einer Papstwahl Bürgerkriegs aus Haß gegen den Glauben getötet hl. Edith Stein dender Bedeutung, so der Heilige Vater. Zugleich berechtigt. wurden. 23. Dezember / Nummer 51/52 L’OSSERVATO 4 Gedanken zur Vorbereitun

Ein Rundgang durch die größte Krippensammlung der W Kleine Welten und Szenen rund um Je

Das Bayerische Nationalmuseum in Krippensammlung dort gilt als die bedeutendste München besitzt die künstlerisch wertvoll- und umfangreichste weltweit. Sie lädt ein zu ste und umfangreichste Krippensammlung einer Reise, nicht nur durch verschiedene Kultu- der Welt. Gezeigt werden figurenreiche ren, lebendig und höchst unterschiedlich in der Weihnachtszenen, die im Alpenraum und in jeweils ganze eigenen Art, Krippen zu erschaffen, den Krippenzentren Italiens in der Zeit zwi- sondern auch durch die Kulturgeschichte, wider- schen 1700 und 1900 geschaffen wurden. gespiegelt in den vielen verschiedenen Miniatur- Regina Deckart aus München führt unsere welten, deren Thema doch immer das gleiche ist: Leser mit dem folgenden Artikel durch die das Wunder der Geburt Jesu. Sammlung und vermittelt damit weihnacht- liche Atmosphäre. Vom »Trösterlein« zum »Kindleinwiegen«

Maria, Josef und das Jesuskind, dazu Ochs Der Entstehung der Krippe leistete im späten und Esel, Hirten mit Schafen und ein oder gar Mittelalter eine kulturelle Entwicklung Vor- mehrere Engel: In dieser landläufigen Grundbe- schub: ein gesteigertes Interesse der Gläubigen setzung bevölkern Krippen – ob lebend oder als an der Kindheit Jesu und damit auch an seiner Fa- Figuren-Ensemble – zunehmend die Weih- milie. Etwa zeitgleich fand in der Kirchenkunst nachtsmärkte, Häuser und Kirchen, je näher ein Schritt statt, der Wegbereiter für die Grund- Weihnachten rückt. Die Krippe gehört heute ein- idee der Krippe war: das Herauslösen einzelner fach dazu zum Fest. Allzu alt aber ist diese Tradi- Figuren aus den bis dahin üblichen Reliefs. tion zumindest nördlich der Alpen noch nicht, die Zunächst war es nur das Jesuskind allein, das frühesten erhaltenen Krippen-Bestandteile stam- zu Weihnachten als plastische Figur in die kirch- men aus der Barockzeit. Erwähnungen lassen lichen Feiern eingebunden wurde, im heute nur zwar darauf schließen, dass es auch früher schon noch vereinzelt geübten Brauch des »Kindlein- ähnliches gab, zum verbreiteten Brauch aber ent- wiegens«. Eine Jesusfigur wurde dabei in einer wickelte sich die Darstellung der Heiligen Familie Wiegekrippe zum Gesang der Gemeinde ge- als Figurengruppe erst ab dem 17. Jahrhundert. wiegt. Diese Figuren wiederum stammten aus Der damit neu geschaffenen Kunst des Krip- dem klösterlichen Leben und trugen die Bezeich- penbaus widmet das Bayerische Nationalmu- nung »Trösterlein«. Junge Mädchen bekamen sie seum in München bereits seit dem frühen beim Eintritt ins Kloster. Sie halfen den oft sehr 20. Jahrhundert eine ständige Ausstellung. Die jungen Novizinnen über die Trennung von ihren Familien hinweg und begleiteten sie im klösterli- chen Alltag. Die »Trösterlein« und der Brauch des »Kind- leinwiegens«, der sich von den Kirchen aus auch in die Familien ausbreitete, sind der wahrschein- liche Ursprung der Krippe: Nicht nur Jesus allein sollte figürlich anwesend sein, sondern auch an- Heilige Familie; Terrakotta, farbig gefaßt, Italien, um 1730 dere Personen aus der Weihnachtsgeschichte. Wie weit der Kreis der Beteiligten dabei gehen händlern und Wirtshausgetümmel in der neapo- kunst Mitte des 18. Jahrhunderts noch durch die kann, zeigt eines der ältesten Exponate der Krip- litanischen Variante um eine Krippe handelt, ist Aufstellung der Krippen: Sie standen auf den pensammlung im Bayerischen Nationalmuseum, nicht ganz einfach. Mit viel Liebe zum Detail Flachdächern der Häuser. Der Golf von Neapel eine Krippe aus dem späten 17. Jahrhundert aus spielt sich eine ganze Dimension italienischen mit dem Vesuv bildete den ebenso natürlichen der Nähe von Landshut. Neben Engeln, Hirten Lebens auf der Krippenbühne ab, rotwangige wie spektakulären Hintergrund. und den Heiligen Drei Königen gehören auch Marktfrauen mit ihren lebendig wirkenden Glas- Die Blüte der neapolitanischen Krippenkunst Adam und Eva zum Ensemble. Eine auf den er- augen preisen ihre Waren an, es wird getrunken, ist ihrer Beliebtheit am dortigen Königshaus ge- sten Blick verwirrende Präsenz, die sich aber gegessen, getratscht. Und die Heilige Familie? schuldet. Vom Hofe aus breitete sie sich wie eine über den szenischen Aufbau der traditionellen Auch sie ist natürlich Teil des Ensembles, ebenso Mode insbesondere in Kreisen des Adels aus. Krippen erschließt: Die Szenerie der Krippe füllt wie stets eine höfische Kulisse als drittes Element Dementsprechend, aber wiederum für das Auge sich im Laufe der Weihnachtszeit entsprechend der neapolitanischen Krippe. des deutschen und alpenländischen Betrachters der Reihenfolge der biblischen Ereignisse. Aus- Die Darstellung des Alltagslebens aber, in das ungewohnt, ist ein Hang zum Prunk unüberseh- gangspunkt ist dabei in alten Krippenszenen die Weihnachtsgeschichte eingebettet wird, bar. nicht unbedingt Jesu Geburt am Weihnachtstag, spielt eine verhältnismäßig große Rolle, das En- So findet die Anbetung Jesu durch die Heili- sondern der Namenstag von Adam und Eva am semble mutet daher weniger fromm an als hier- gen Drei Könige in einem besonders beein- 24. Dezember. So spannt sich zwischen Heilig- zulande. Die Kulisse der Krippe ist dabei immer druckenden Exponat, dessen Einzelteile größten- abend und dem Weihnachtstag der Bogen zwi- neapolitanisch, die Weihnachtsgeschichte wird – teils aus dem Besitz des neapolitanischen Hofes Stehendes Christkind; Holzskulptur mit bewegli- schen Sündenfall und Erlösung durch Christi wie in vielen anderen Ländern und Regionen stammen sollen, in einer durch und durch höfi- chen Armen; farbige Fassung und textile Beklei- Geburt. auch – in Zeit und Raum in die jeweilige Realität schen Szenerie statt. Um die Anbetung des Je- dung, ursprünglich Spanien, um 1600 (oben); Das zeitliche Ende der Krippenszene bildet in übertragen. Verstärkt wurde diese Lokalisierung suskindes auf dem Schoße seiner alles andere als Anbetung der Hirten und des Volkes vor dem vielen Fällen das Eintreffen der Heiligen Drei Kö- in Neapel in der Hochzeit der dortigen Krippen- ärmlich gekleideten Mutter herum spielen sich Golf von Neapel; Teilansicht; Maria mit dem nige, die die Szenerie mit Prunk und Glanz ver- Jesuskind (unten). vollständigen. Dennoch gibt es auch für spätere Stationen im Leben Jesu Krippendarstellungen, bis hin zur Passionskrippe. Die Episoden um das Jesuskind gehen bis zur Flucht der Heiligen Fa- milie nach Ägypten. Krippenszenen, die den vor- angegangenen Betlehemitischen Kindermord so- wie die Flucht zeigen, erscheinen in ihrer Tragik und Brutalität verstörend für den Betrachter, der an die idyllischen Momentaufnahmen in weih- nachtlichem Frieden gewohnt ist.

Krippenkunst in Italien: mitten im Leben

Ebenso ungewöhnlich, vielleicht sogar irritie- rend, für den deutschen und alpenländischen Be- trachter mutet so manche Krippe aus anderen Ländern an. Auch diese Erfahrung bringt ein Rundgang durch die Krippenausstellung des Bayerischen Nationalmuseums. Insbesondere aus Neapel und Sizilien, Hochburgen des Krip- penbaus in Italien, sind hier umfangreiche Expo- nate zu bewundern. Rundkrippe mit Verkündigung an die Hirten, Anbetung und volkstümliche Szenen; Teilansicht: Anbe- Auf den ersten Blick zu erkennen, dass es sich tung des Kindes; Figuren von verschiedenen neapolitanischen Meistern; Köpfe aus Terrakotta, farbig bei den bunten Szenen mit Musikanten, Wein- gefaßt; Gliedmaßen aus Holz; textile Bekleidung, Neapel, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. ORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache ng auf das Weihnachtsfest 5

Welt Auszug aus dem Buch: »Benedikt XVI. Joseph Ratzinger »Der Segen der Weihnacht, Meditationen« esu Geburt »Das Licht leuchtet in der Finsternis«

Die Krippe zu Hause entwickelte sich daraufhin as erste Weihnachtslied der Geschichte, ausgebreitet, durch deren Datierungen er die Ge- zur Mode. Sie etablierte sich als Teil der fami- Dmit dem für alle Zeiten der innere Klang burt Jesu eben in das Chanukka-Fest, in die Nacht liären Weihnachtsbräuche, zu denen sie heute von Weihnachten festgelegt wurde, stammt nicht der Lichter hineinlegt, die so zum christlichen noch vielerorts gehört. von Menschen – der hl. Lukas überliefert es uns Weihnachtsfest geworden ist. Er will damit nur Ein besonderer Reiz, der die Krippe für Kinder als das Lied der Engel, die die Evangelisten der noch einmal auslegen, was der Gesang der Engel wie für Erwachsene so faszinierend macht, liegt heiligen Nacht gewesen sind: Ehre sei Gott in der bedeutet: Was Judas Makkabäus bloß unzuläng- dabei in der Gestaltungsfreiheit, die sie bietet. Höhe und Friede den Menschen auf Erden – den lich vermochte, hat Christus in seiner Geburt Viele der traditionellen Krippenfiguren sind Menschen seiner Huld, den Menschen, die guten wirklich getan. Er hat die Götzenbilder aus der durch eingebaute Gelenke in sich beweglich. Der Willens sind. Welt fortgenommen. Er hat den Tempel seines Krippenbauer – sei es nun der Künstler oder der Leibes aufgebaut. Er hat die Ehre Gottes wieder- private Krippenbesitzer – ist immer auch ein Re- Friede, der aus der hergestellt. gisseur, der die Geschichte der Geburt Jesu stets Ehre Gottes kommt All die Schrecklichkeiten der Weltgeschichte neu gestalten kann. scheinen ja eine einzige Anklage gegen Gott zu Doch auch die Krippenszenerie und die Krip- Dieses Lied setzt einen Maßstab; es hilft uns sein. Aber in dem Augenblick, in dem Gott als penfiguren selbst haben – wie jede Kunstform – zu verstehen, worum es an Weihnachten geht. Es Kind wehrlos mit der einzigen Macht seiner im Laufe ihrer Geschichte Wandlungen mitge- enthält ein Stichwort, das gerade in unserer Zeit Liebe vor uns hintritt, sind alle die furchtbaren macht. Beinahe zwangsläufig, denn die frühen die Menschen bewegt wie Gottesbilder als Götzenbilder Krippen bis hinein ins beginnende 19. Jahrhun- kaum ein anderes: Friede. widerlegt. Das Menschsein dert trugen stets ihr Zeitkostüm. Das heißt ihre Er- Das biblische Wort »Scha- des Sohnes ist die Ehre des schaffer betteten sie regional und zeitlich in ihre lom«, das wir so übersetzen, Vaters. In der Krippe und im eigene Lebensrealität ein. Damit einher ging ein besagt viel mehr als die Kreuz ist Gottes Ehre inmit- beständiger Wandel in den Krippen entspre- bloße Abwesenheit von ten dieser Welt aufgerichtet. chend den Moden ihrer Zeit. Die Hirten in alpen- Krieg; es besagt den rechten Wo immer Menschen diesem ländischer Tracht in verschneiter Berglandschaft, Zustand der menschlichen Gott folgen, beginnt auch der Stall aus Holz oder in Form einer antiken Dinge, das Heil – eine Welt, eine neue Menschlichkeit Ruine – je nachdem, wann und wo die Krippe er- in der Vertrauen und Brü- und es beginnt, wenn auch schaffen wurde, die Szenerie entsprach der ver- derlichkeit walten, in der es noch so bruchstückhaft, trauten Umgebung. Streng geschichtlich mag das nicht Angst noch Mangel Friede auf Erden. natürlich falsch sein, dennoch tragen diese Krip- noch Hinterlist und Verlo- Das Chanukka-Fest war pen eine schöne Botschaft in sich: Weihnachten genheit gibt. Friede auf Er- ein Tag der Kultreform und ist gleichermaßen für alle und überall auf der den – das ist das Ziel von von da ein Fest der Lichter. Welt. Weihnacht. Aber das Lied Die Geburt Jesu ist die wahre Im frühen 19. Jahrhundert entstand unter der Engel setzt dem ein Er- Kultreform, und all unser Re- dem Eindruck der christlich-romantischen Kunst stes voraus, ohne das auf Dauer Friede nicht sein formieren muß im Letzten darauf zielen, dieser der Nazarener insbesondere in München eine kann: die Ehre Gottes. Das ist die Friedenslehre Reform, diesem wahren Neubeginn zu entspre- Gegenbewegung zur Krippe im Zeitkostüm mit von Betlehem: Friede der Menschen kommt aus chen. Es muß unsere Sorge sein, daß Gott in un- dem Ziel, die biblischen Ereignisse möglichst ge- der Ehre Gottes. Wem es um die Menschen und serem Menschsein und daß er in unserem Land schichtlich richtig darzustellen. Dies war die um ihr Heil zu tun ist, der muß zu allererst um die in Ehren steht. Wie viel Greuel der Verwüstung 0/40. Geburtsstunde der orientalischen Krippe, die Ehre Gottes besorgt sein. Ehre Gottes ist nicht gibt es auch bei uns! In den Götzenbildern der Weihnachten zurück in den szenischen Original- eine Privatsache, mit der es jeder nach Belieben Pornographie, in der Schändung des Menschen Palastszenen mit dem Gefolge der Könige ab: Die- kontext bringt: Palmen ersetzen die alpenländi- halten kann, sondern eine öffentliche Angele- durch die Gewalt wird mit dem Menschen auch ner bändigen Pferde und führen Hunde aus, eine sche Vegetation, die Hirten tragen Sandalen, ihre genheit. Sie ist ein gemeinsames Gut, und wo Gott entehrt. Er wird entehrt in der Gottverges- Musikkapelle trifft ein, teure Geschenke werden Umhänge erinnern an die Antike. Gott unter den Menschen nicht in Ehren steht, da senheit, die die schlimmste Form der Gedanken- zur Heiligen Familie in den Palast gebracht. Jedes Auch von dieser Variante des Krippenbaus kann auch der Mensch nicht in Ehren bleiben. losigkeit ist. Element dieser Krippe besteht aus Originalmate- zeigt die Sammlung im Bayerischen Nationalmu- Weihnachten hat deshalb mit dem Frieden der rial: kein Schmuckstück, das nicht aus echtem seum in München Beispiele – wie von zahlrei- Menschen zu tun, weil Gottes Ehre darin unter Was sollen wir dir bringen? Gold wäre, kein Instrument, das nicht originalge- chen weiteren Sonderformen, wie etwa der Pa- den Menschen neu hergestellt wurde. treu und spielbar wäre. pierkrippe. Maria, Josef und das Jesuskind lassen Aber noch etwas gehört zum Bild von Weih- sich in den meisten Exponaten wiedererkennen Die neue Zeit der Freiheit nachten: das Schenken. Unsere Krippenspiele Der Krippenbauer und sind doch immer wieder neu erfunden – in malen es breit aus, wie die Hirten überlegen, als Regisseur einem Facettenreichtum, der begeistert. Wer Das ist übrigens von Anfang an schon durch was sie mitbringen können; sie schöpfen dabei die Ausstellung gesehen hat, wird die heimi- das Datum dieses Tages sichtbar geworden. Der mitten aus dem Alltag der Menschen unserer In Deutschland und dem alpenländischen schen Krippen, sei es zu Hause oder in der Kirche, 25. Dezember war und ist im jüdischen Kalender Heimat. Raum kamen die Krippen nicht über den Hof, sicher noch einmal mit anderen Augen betrach- das Chanukka-Fest, das Fest der Lichter. Es erin- Ein liturgischer Hymnus der Ostkirche wid- sondern direkt aus den Kirchen in die Häuser der ten. nert daran, daß an diesem Tag im Jahr 165 v. Chr. met sich demselben Thema, aber er gibt ihm eine Menschen. Ausschlaggebend dafür war die Sä- Die Ausstellung ist von Anfang November bis Judas Makkabäus aus dem Tempel zu Jerusalem größere Tiefe. Er sagt: »Was sollen wir dir bringen, kularisation, in deren Folge Anfang des 19. Jahr- Ende Januar für Besucher geöffnet, wird aber auf den Zeusaltar entfernte, den die Überlieferung als Christus, da du für uns als Mensch auf Erden ge- hunderts per Dekret verfügt wurde, dass in Kir- Anfrage auch in den Monaten dazwischen ge- »Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte« be- boren wirst? Jedes der Geschöpfe, die dein Werk chen keine Krippen mehr aufgestellt werden zeigt. Zeit sollten Besucher genügend mitbringen, zeichnete. Am selben Datum hatte der syrische sind, bringt dir in der Tat sein Zeugnis der Dank- durften. So fanden viele der Kirchenkrippen den selbst ein ganzer Tag reicht kaum, um alle Expo- König Antiochus, der sich als Zeus verehren ließ, barkeit: die Engel ihre Liebe; der Himmel den Weg in die privaten Haushalte von Gläubigen. nate in Ruhe zu besichtigen. das Götzenbild im Tempel aufgestellt; er hatte die- Stern, die Weisen ihre Gaben, die Hirten ihr Stau- sen Tag zu seinem Festtag machen lassen. Nun nen; die Erde ihre Höhle; die Wüste die Krippe. war es der Tag der Reinigung des Tempels gewor- Wir Menschen aber bringen dir eine Jungfrau den, der Tag, an dem Gottes zertretene Ehre wie- und Mutter«. derhergestellt und die rechte Verherrlichung Maria ist das Geschenk der Menschen an Gottes neu begonnen wurde. Von diesem Tag an Christus – das besagt aber zugleich: Vom Men- datierte Israel seine Wiedergeburt; es war wie- schen will der Herr nicht etwas, sondern ihn derhergestellt in dem Augenblick, in dem es sei- selbst. Gott will von uns nicht Prozente, sondern nem Gott wieder auf die ihm angemessene Weise unser Herz, unser Sein. dienen konnte. Er will unseren Glauben und aus dem Glau- Da die Woche vom 25. bis 31. Dezember zu- ben das Leben, sodann aus dem Leben jene Ga- gleich die Woche vor dem Neujahr war, erhielt ben, von denen im letzten Gericht die Rede sein die Wiederherstellung noch tiefere Bedeutung: wird: Nahrung und Kleidung für die Armen, das Sie war Darstellung für den Neubeginn der Mitleiden und Mitlieben, das tröstende Wort Schöpfung, für die nun erhoffte neue Zeit der Frei- und das tröstende Dabeisein für die Verfolgten, heit. Deshalb wurde schon um das Jahr 100 die Eingekerkerten, die Verlassenen und Verlore- v. Chr. die Geburt des Messiaskindes an diesem nen. Tag erwartet – denn vom Messias erhoffte man, Was sollen wir dir bringen, o Christus? Wir daß er die Menschen lehren werde, wie man bringen ihm sicher zu wenig, wenn wir nur un- Gott recht ehren könne, und daß er so die neue tereinander teure Geschenke austauschen, die Zeit der Freiheit heraufführe. Schon zur Zeit Jesu gar nicht mehr Ausdruck unseres Selbst und sei- beging man dieses Fest als Fest der Lichter gemäß ner sonst verschwiegenen Dankbarkeit sind. Ver- dem Wort des Propheten: »Das Volk, das im suchen wir, ihm den Glauben zu bringen, uns Finstern wandelt, schaut ein großes Licht« selbst und wenn es nur wäre in der Form: Ich (Jes 9,1). glaube, Herr, hilf meinem Unglauben! Und ver- Zug der Heiligen Drei Könige; Teilansicht: Mohrenkönig mit Diener; Drahtfiguren mit Wachsköpfen Lukas hat in seiner Kindheitsgeschichte eine gessen wir an diesem Tag nicht die vielen, in de- und textiler Bekleidung; Oberbayern, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Chronologie von tiefer symbolischer Bedeutung nen er auf Erden leidet. 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 6 Kultur

Die Kreuzgänge berühmter Basiliken, Klöster und Abteien – Wege, auf denen man sich selbst finden kann (1) Gemeinschaftsbildender Mittelpunkt des klösterlichen Lebens

Die Ewige Stadt ist nicht nur wegen ihrer ode gänzlich übersieht oder sie oftmals nur großartigen Ruinen aus der Kaiserzeit, der flüchtig wahrnimmt. prachtvollen Basiliken, der eindrucksvollen Und dennoch gehören sie mit zu den Renaissancepaläste, der Katakomben und schönsten architektonischen Zeugnissen: ihres bezaubernden Stadtbildes bekannt. die Kreuzgänge der berühmten Basiliken, Die Fülle der Kunstschätze ist im Vergleich Klöster und Abteien. Einige herausragende zu anderen Orten unermeßlich. So kann es Beispiele sollen in einer Artikelreihe vorge- vorkommen, daß man wunderbare Klein- stellt werden.

Die Kreuzgänge oder »chiostri«, wie sie auf ita- sche Schöpfung des Abendlands und geht auf die lienisch heißen, zählen nicht zu den ältesten Bau- anianische Reform von 820 zurück. Damals ge- werken der Urbs. Bedenkt man, daß die Obelis- lang es dem hl. Benedikt von Aniane (eigentl. ken Roms bis zu 3000 Jahre alt sind und daß das »Witiza«, geb. vor 750 in Villeneuve-les-Mague- Kolosseum deren beinahe 2000 aufweist, sind lone in Südfrankreich, † 821 in Kornelimünster die Kreuzgänge in einer uns verhältnismäßig bei Aachen) im Aachener Konzil von 816 bis 819 nahe stehenden Zeit entstan000den. Ihr Ur- das »Capitulare monasticum« (Benediktinerregel) sprung ist mit der mönchischen Kultur des als alleinverbindliche Mönchsregel im Fränki- Abendlandes eng verknüpft Wann die ersten schen Reich festzulegen. Die Weichen für eine Kreuzgänge gebaut wurden, wissen wir nicht. Vereinheitlichung der Klöster der Reichskirche Der hl. Augustinus überliefert, daß in Rom schon unter der Regula Benedicti waren gestellt. Diese im Jahr 387 Stadtklöster existierten. Bereits 589 Voraussetzungen waren die Basis für die zukünf- gab es im Lateranpalast ein Benediktinerkloster. tige Form und Bedeutung der großen westeu- Ob es allerdings schon einen Kreuzgang hatte, ropäischen Klöster, sowohl was die Spiritualität weiß man nicht. als auch die bauliche Gestalt der Gebäude samt ihren Kreuzgängen betraf. Der italienische Name Studium, Gebet und Arbeit im lichtdurchfluteten Kreuzgang von »San Lorenzo fuori le mura«: Der dä- Urform der überdachten Gänge »chiostro« für den Kreuzgang weist schon auf die nische Künstler Christoffer Vilhelm Eckersberg malte 1824 diese Szene. um einen Innenhof Bestimmung dieses Bauteiles im architektoni- schen Verband mit dem Kloster hin. Das Wort heizter Raum usw. An der Südseite des Kreuz- nen konzentrierten sie sich auf Gott und das Uni- Überhaupt ist der Ursprung der Kreuzgänge stammt vom Lateinischen »claustrum« – Ver- ganges waren meistens das Refektorium, die versum. Darauf weisen oft Darstellungen auf Ka- nicht klar. Auch weiß man nicht, wo der »erste« schluß, Riegel. Daher kommt auch unser Begriff Küche und die Waschräume. Oft wurde im Frei- pitellen in den Kreuzgängen hin. Die Kreuzgänge stand. In ihrer heutigen Form gehen viele Kreuz- für Kloster. raum des Hofes ein Gemüse- und Kräutergarten waren somit nicht nur Bauelemente im Zentrum gänge auf das Hochmittelalter zurück. Doch gab Der »chiostro« bezeichnet also die Klausur der angelegt. Meistens gab es hier auch einen Brun- der Klöster, von wo man das Gotteshaus und alle es in den frühen christlichen Klöstern des Abend- Ordensmänner und -frauen, im besonderen aber nen für die Wasserversorgung, ebenso wie eine anderen Teile erreichen konnte. Sie waren bis- landes und in denjenigen, die ab dem Ende des den Kreuzgang, der im Mittelpunkt der Anlage Zisterne für das Regenwasser. Da es den Mön- weilen Orte liturgischer Handlungen und waren 6. Jahrhunderts in Italien und dem übrigen Eu- stand. Im Grunde handelt es sich um einen Kor- chen verboten war, in den Schlafräumen – außer vor allem Orte der Stille, des Gebets, und der Me- ropa, wie Irland und Frankreich, entstanden, ridor, der einen rechteckigen oder quadratischen zum Schlafen – zu verweilen, verbrachten die ditation. Hier wurde das Wort Gottes gleichsam möglicherweise schon eine Urform. Vermutlich Hof oder Garten unter freiem Himmel umfaßt. Er Mönche viel Zeit in den Kreuzgängen. Hier wa- sichtbar. handelte es sich um einen freien Platz, eine Art bildet sozusagen das Herzstück des Klosters und ren manchmal »Scriptorien« untergebracht, fer- Daß der Kreuzgang immer geschützt und iso- »Pufferzone« zwischen dem Gotteshaus, dem Ka- öffnet den Zugang zur Kirche, zum Refektorium, ner der Stuhl des Abtes (meistens im Nordteil) liert von der Außenwelt lag, bildete eine ausge- pitelsaal, dem Refektorium und dem Dormito- dem Kapitelsaal, den Schreibstuben und zum und der des Priors der Novizen. Oft waren in den zeichnete Voraussetzung für die Kontemplation. rium. Die Notwendigkeit, Korridore am Rande Dormitorium oder den einzelnen Zellen der Mön- Kreuzgängen auch die Grabstätten der Äbte. Der Die Anlage als geschlossenes Viereck ermög- der Höfe abzudecken, um die Mönche vor Regen, che. Er ist der »Knotenpunkt« der Klausur und Kreuzgang war also das Zentrum des Konvents lichte es den Mönchen, den Kreuzgang betend Schnee und starker Sonne zu schützen, ließ über- kann flach gedeckt oder überwölbt sein. Vom und des mönchischen Lebens. Und das nicht nur zu durchschreiten. Sie konnten sich bei ihrer Su- dachte Gänge entstehen, die freie Höfe um- Hof, in dem sich oft ein Brunnen befindet, ist er in praktischem, sondern auch im philosophisch- che nach Gott auf den »Weg« machen und schlossen. durch Säulenstellungen, die vielfach von Bögen spirituellen Sinn. gleichsam einen liturgischen Pfad durch den Gemäß einer anderen These, der »Atriums- überspannt sind, getrennt. Der Kreuzgang war ab Tag, das Jahr und die Feste des Kirchenjahres theorie«, entwickelten sie sich im Laufe der Zeit dem Hochmittelalter ein wesentlicher Bestandteil Sinnbild bahnen und dabei auch zu sich selbst finden. vielleicht aus dem römischen Atriumhaus. Es jedes Klosters in Europa und war der gemein- für das Paradies Die Kreuzgänge erlebten hinsichtlich ihrer ar- war üblicherweise um ein »Atrium« (Hof) oder schaftsbildende Mittelpunkt des klösterlichen Le- chitektonischen, bildhauerischen und maleri- ein »Peristyl« (Säulenhof) angeordnet. Tatsächlich bens der Mönche. Von hier aus gelangte man di- Der mittelalterliche Mensch stellte sich die schen Ausstattung im Hoch- und Spätmittelalter scheint es, daß Atriumhäuser im Frühmittelalter rekt in alle Teile des Konvents. Die Kirche war Welt als viereckige Scheibe vor. Daher war das eine bemerkenswerte Blüte in ganz Europa. in Klöster umgewandelt wurden. Die »Villen- üblicherweise Ost-West gerichtet. An ihre Süd- Geviert des Kreuzganges der »Kosmos« der Mön- Damals entstanden in Rom die mosaik- theorie« besagt, daß abgelegene, manchmal auch flanke schloß der Kreuzgang an, der somit durch che. Er symbolisierte die vier Himmelsrichtun- geschmückten Arkaden von St. Johann im La- verlassene Landvillen und Kastelle in der römi- die Kirche vor Nord- und Winterwinden ge- gen, die vier Winde, die vier Paradiesflüsse, die teran und St. Paul vor den Mauern oder die stil- schen »Campagna« als Klöster weiterbenutzt schützt war. Der Kreuzgang hatte zwei Eingänge vier Tages- und Jahreszeiten (früher war der Tag len und beeindruckenden Wandelgänge von wurden. Der dort befindliche »patio« (zentraler in das Gotteshaus, einen im Nordosten, näher in vier Abschnitte geteilt) und nicht zuletzt die »SS. Quattro Coronati«, »Santa Sabina« oder der Freiraum) wurde dann zu einer Art Kreuzgang beim Chor und daher häufiger benutzt. Der an- vier Evangelisten, die mit ihren Evangelien den Abtei zu den drei Brunnen. Sie liegen verborgen umfunktioniert. Die Vertreter der »Orienttheorie« dere wurde für liturgische und Prozessions- Menschen die Botschaft vom Heil und der Erlö- in den Klausuren der jeweiligen Klöster und sind nehmen an, daß ein in syrischen Klöstern der zwecke verwendet und lag im Nordwesten, der sung verkündeten. daher oft schwer zu entdecken. Ihre Abgeschie- Spätantike herausgebildeter Hoftyp als Vorbild Kapitelsaal hingegen an der Ostseite des Kreuz- Vor allem war der »chiostro« für die Brüder denheit, bisweilen absolute Stille, Schönheit, für die Kreuzgänge diente. ganges, nächst dem Chor. aber auch ein Sinnbild für das Paradies, den Him- Spiritualität und Atmosphäre verzaubern und Anderen Auffassungen nach ist der Kreuz- Hier befanden sich auch die anderen Ver- mel und die Ewigkeit, die Ziele, nach denen sie belohnen den Suchenden. gang hingegen eine eigenständige architektoni- sammlungsräume, wie das »Locutorium«, ein ge- unentwegt strebten. Während ihrer Meditatio- Silvia Montanari

Im Mittelpunkt vieler Kreuzgänge befindet sich ein Brunnen: So auch im Kreuzgang von »San Pietro in Vincoli«, der heute zur Universität Sapienza gehört, hier befindet sich die Fakultät für Bauinge- nieurwesen (oben). Der aus dem 16. Jahrhundert stammende Kreuzgang bei »Sant Maria degli Angeli« ist dagegen heute Teil des Museums in den Diokletiansthermen (rechts). 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Kirche in der Welt 7

Maria Weißenstein in Südtirol – Stimmungsvoller und geschichtsträchtiger Ort des Glaubens und der Umkehr Wo alles mit einer kleinen Statue der Gottesmutter begann

laubnis, bei der Kirche ein Kloster zu errichten. vom Servitenorden weiter betreut werden Viele Besucher kommen an Weihnachten in die Wallfahrtskirche Dies geschah in den Jahren 1719 bis 1722. Sie konnte, und darin bestand das Interesse aller Be- Maria Weißenstein, um dort die heilige Messe zu feiern. Es ist ein einzigartiger hatten auch andere Marienheiligtümer im teiligten«, schreibt der aus Aldein stammende Ort, an dem man die stimmungsvolle Atmosphäre des Festes der Geburt Lande zu betreuen. Anläßlich der Servitenpater Martin M. Lintner in einem Beitrag Christi spüren kann. Hofrat Dr. Heinz Wieser (Innsbruck) begleitet Sie im 200-Jahrfeier des Wallfahrtsortes für die Kulturzeitschrift »Schlern« (5, 2002). folgenden Artikel zu diesem Wallfahrtsort in den Südtiroler Bergen, 1753 wurde die Kirche gründlich dessen Geschichte sehr wechselvoll ist. restauriert und die Decke mit Fresken Berühmte Besucher vom bekannten Barockmaler Adam Der höchstgelegene Wallfahrtsort Südtirols in Siehe da, in der Erde fand Leonhard Mölckh geschmückt. Zum Dank für Durch diesen Verkauf wurde Weißenstein 1520m Seehöhe liegt fast an der Grenze zwi- eine kleine Statue der Schmerzhaften die Genesung des schwer er- auch in Oberitalien bekannt. Besonders aus Ve- schen den Provinzen Bozen und Trient. Maria Muttergottes, die ihren toten Sohn auf den krankten Sohnes Josef, des netien kamen viele Pilger. Albino Kardinal Lu- Weißenstein gehört zur Fraktion und Pfarre Pe- Armen hält. Diese Statue stellte er zur Ver- späteren Kaisers Josef II., ciani, Patriarch von Venedig und später Papst Jo- tersberg in der Gemeinde Deutschnofen. Der ehrung in die neu erbaute Kapelle. Soweit schenkte Maria Theresia hannes Paul I., hat seine Ferien mit Vorliebe auf Name läßt sich von einem Hof »Weizenstain« ab- die Legende. Die dem Heiligtum den Weißenstein verbracht. Er erzählte einmal, als er leiten, der im Jahre 1411 urkundlich genannt alten Chroniken prachtvollen Taber- noch Patriarch war, bei einem Besuch in Weißen- wird. Die Besitzer des Hofes wurden »Weizen- berichten, daß nakel aus Silber ih- stein von seiner ersten Wallfahrt. Mit den Eltern stainer« genannt. Der eindrucksvolle Bau des sich die Nach- rer Privatkapelle war er aus seinem Heimatdorf Forno di Canal hochgelegenen Barockklosters mit breiter richt über dieses in der Hofburg am Fuße der Marmolada aufgebrochen. Der Va- Freitreppe und charakteristischen Türmen vor Wunder von Weißen- von Innsbruck. ter trug im Rucksack Polentamehl und etwas der prächtigen Bergkulisse der Dolomiten steht stein »in Windeseile« Kaiser Josef II. Käse. Die Familie wanderte den ganzen Tag und frei auf einer weiten Wiesenfläche mit dichten verbreitete. Die Kapelle auf der aber ließ 1787 ruhte die Nacht in einem Bauernhof. Dann stie- Wäldern im Hintergrund. Der Wallfahrtsort Ma- Anhöhe zwischen Deutschnofen das Heiligtum gen sie den beschwerlichen Weg hinauf. ria Weißenstein wird von Servitenpatres betreut. und Aldein wurde innerhalb von schließen und Im Juli 1988 besuchte der verstorbene selige Der Orden, vor über 750 Jahren gegründet, hat wenigen Jahren zu einem der wich- die Serviten, Papst Johannes Paul II. diesen Wallfahrtsort. sich dem Dienst an Gott und den Nächsten nach tigsten Wallfahrtsorte ganz Tirols. zwölf Serviten- Es gehörte für viele Südtiroler zur Tradition, dem Vorbild Mariens verschrieben. Seit 1717 sind Leonhards kleine Kapelle im In- patres und drei wenigstens einmal im Leben Weißenstein zu be- die Serviten, mit kurzer Unterbrechung, »Her- nern der Wallfahrtskirche ist heute Laienbrüder, suchen. Viele Soldaten versprachen im Zweiten ren« auf Weißenstein. Pater Lino Pacchin OSM er- immer noch das Ziel von jährlich Tau- vertreiben. Kir- Weltkrieg, zu Fuß dorthin zu pilgern, wenn sie zählt: »Jeder der Besucher kommt aus einem per- senden Pilgern, die bei der Gnaden- che und Klo- gesund nach Hause kamen. Nicht wenige haben sönlichen Grund, um zu danken oder zu bitten, mutter von Weißenstein Hilfe und ster wurden diesen Vorsatz auch gehalten. Die Zahl der Wall- das herrliche Panorama zu genießen oder im Trost finden. Das Gnadenbild aus versteigert. fahrer pro Jahr wird auf 100.000 geschätzt. Be- Sommer die Kühle.« Der Ort begeistert, allein weißem Alabaster wird heute Beides er- sonders festlich begangen werden u. a. der durch seine Lage, durch die Weitläufigkeit der Ge- auf dem Hochaltar verehrt. Hun- warb Anton 26. Juli als Gedenktag der Auffindung des Gna- bäude, durch die Tatsache, daß sich hier in der derte von Votivgaben in den Klo- Gugler von Bo- denbildes und alle Muttergottesfeste. Höhe einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Südti- stergängen und zahlreiche Schrei- zen, der sich um Die 400-Jahrfeier im Jahre 1953 wurde mit Be- rols befindet. Der alte Heimatschriftsteller Hein- ben im Archiv belegen, daß wohl die Erhaltung der teiligung aus ganz Tirol begangen. In den letzten rich Noe (1835–1896) hat über Maria Weißen- niemand umsonst an diesen Ort der Gnade und Wallfahrt bemühte. Doch unter dem späteren Be- Jahren ließen die Patres die Kirche von Grund auf stein einmal gesagt, es sei »fürwahr eine der Kraft pilgert. Die Kapelle wurde noch 1553 sitzer verfiel Weißenstein immer mehr. Das Gna- restaurieren und die alten Deckengemälde von Wallfahrt in der Herrlichkeit der Berge, von der fertiggestellt und schon bald von vielen besucht. denbild wurde in die Kirche von Leifers übertra- Mölckh, die Ende des 19. Jahrhunderts übermalt sich niemand Dispens geben sollte«. Leonhard starb 1571 und wurde in Petersberg be- gen. Aus der Gnadenstätte entwickelte Weißenstein ist zwar nicht der älteste, aber graben. Ein schmiedeeisernes Kreuz an der west- sich ein mondäner Sommerfrischort Joseph Kardinal Ratzinger – heute Papst Bene- doch der größte Wallfahrtsort Südtirols. Der Ur- lichen Kirchenmauer erinnert heute noch an ihn. mit allerlei Volksbelustigungen. Einen dikt XVI. – verbrachte öfters gemeinsam mit seinen sprung der Wallfahrt nach Maria Weißenstein Die Inschrift am Kreuz lautet: »Hier liegt begra- Abbruch von Kirche und Kloster Geschwistern seinen Urlaub in Brixen. Dabei fällt wie bei so vielen anderen Wallfahrtsorten in ben der fromme Bauersmann Leonhard der wußte Fürstbischof Franz Xaver Lu- unternahm er Spaziergänge dem Eisack entlang eine Zeit materieller und geistiger Bedrängnis. Weißensteiner, welchem die seligste Jungfrau schin von Trient (1823–1834) zu ver- über Kranebitt und durch die Lauben, in Klöster Die religiöse Verwirrung des 16. Jahrhunderts, Maria zum öfteren erschienen ist und die Auf- hindern, denn die Gläubigen pilgerten und Kirchen von Brixen und Umgebung und so die Bauernkriege und Seuchen legten ihre Schat- stellung des Mirakelbildes von Weißenstein auf- auch weiterhin dort hinauf. Im Jahre auch in die Wallfahrtskirche Maria Weißenstein. ten über das Leben der Menschen jener Zeit. Ti- getragen hat. †1571.« 1835 erwarben die Serviten von Inns- rols große Gnadenstätte Maria Weißenstein kann In den Jahren 1638 bis 1654 baute man die bruck den Wallfahrtsort Weißenstein wieder worden waren, wieder freilegen. Seit eine be- auf mehr als 450 Jahre ihres Bestehens zurück- heutige Barockkirche, wobei man die alte, kleine zurück. Zur dritten Jahrhundertfeier 1853 hatten queme Straße nach Weißenstein führt, ist der Ort blicken. Vor 458 Jahren erbaute der Bauer Leon- Kapelle in den Bau mit einbezog. Das Gnadenbild sie Kloster und Kirche wiederum hergestellt. Am ein beliebtes Ausflugsziel geworden, wodurch die hard von Weißenstein eine Kapelle genau an der der Schmerzhaften wurde aber von der Kapelle Oktavtag von Maria Himmelfahrt 1884 krönte Wallfahrtsatmosphäre leider stark beeinträchtigt Stelle, die ihm die Himmelskönigin gezeigt hatte. auf den Hochaltar übertragen. Konsekriert wurde Fürstbischof Jakob della Bona von Trient das neue wird. »Wenn wir als Kinder mit den Eltern nach Dabei entdeckte der fromme Mann das heute die von Giovanni Battista Delai errichtete Kirche Gnadenbild. Das alte blieb weiterhin in Leifers. Weißenstein gepilgert sind, haben wir kaum ein- noch verehrte Gnadenbild. Diese Begebenheit erst 1673 von Fürstbischof Sigismund von Thun. Seitdem erlebte Weißenstein einen immer größe- mal den Wallfahrtsort verlassen, ohne die unzäh- gilt als »Geburtsstunde« des Gnadenortes, der Sie wurde von 1719 bis 1722 vom Innsbrucker ren Aufschwung. ligen Votivbilder zu bestaunen. Die volkstüm- eine wahrhaft »wundervolle Entdeckung« der Baumeister Johann Martin Gumpp und von Au- In der Zeit der faschistischen Unterdrückung lichen Gemälde stellen anschaulich dar, wofür die Tiroler Kirche darstellt. gustin Maria Abfalterer umgebaut. wurde die Tiroler Servitenprovinz gezwungen, Leute der Muttergottes danken«, sagte einmal der Die gräfliche Familie Khuen stiftete ein eige- das Kloster 1925 an die Ordensbrüder der lom- frühere Brixner Dompropst Peter Zelger, der zu Legende von der Entstehung nes Benefizium zur Betreuung der Wallfahrts- bardisch-venezianischen Ordensprovinz zu ver- Füßen des Wallfahrtsortes in Deutschnofen gebo- seelsorge. Infolge des immer größer werdenden kaufen, da die Patres alle Österreicher waren und ren wurde. Und weiter: »Die Votiv bilder an den Wie alle Legenden hat auch die Erzählung von Wallfahrerstromes konnte ein Priester die Aufga- die faschistische Regierung keine Serviten nicht Wallfahrtsorten sind wie ein tausendstimmiger der Entstehung des Wallfahrtsorts Maria Weißen- ben nicht mehr bewältigen. Deshalb wurden die italienischer Nationalität dort duldete. Dieser Ver- Chor, in dem gläubige Menschen der Mutter- stein einen geschichtlichen Kern, der in diesem Servitenpatres von Innsbruck mit der Seelsorge kauf »war unter der damaligen politischen Situa- gottes für Hilfe und Rettung danken. … Unge- Fall aber sogar sehr gut belegt ist. Diese Legende des Wallfahrtsortes betraut und erhielten die Er- tion die einzige Möglichkeit, daß Weißenstein zählte Pilger bekennen: Maria hat geholfen.« vom Anfang in Weißenstein berichtet: Um das Jahr 1550 lebte in Weißenstein ein Bauer mit Na- In der Basilika im men Leonhard. Der überaus fromme Mann ver- Barockstil, die im Jahr lor seinen Verstand und mußte drei Jahre lang als 1654 vollendet wurde, Geisteskranker eingesperrt und bewacht wer- befindet sich das Gna- den. Die Verwandten beteten inständig für ihn, denbild der Schmerz- und das Gebet wurde erhört. Die Muttergottes er- haften Muttergottes schien dem kranken Leonhard und tröstete ihn; mit dem toten Sohn sie versprach ihm Gesundheit, wenn er an einer auf ihrem Schoß. Zur von ihr bezeichneten Stelle eine Kapelle erbaute. Kirche gelangt man Eines Tages – so die Legende weiter – entwischte von einem Seitenauf- Leonhard seinen Bewachern, er lief in den Wald gang aus, in dem Hun- und stürzte in eine Schlucht. Wie durch ein Wun- derte von Votivtafeln der blieb er unverletzt, aber es folgten neun Tage aufbewahrt werden. und Nächte ohne Speise oder Trank. In dieser Not Die Basilika gliedert besuchte ihn die Gottesmutter, und sie verhieß sich in die Fassade des dem Bauern zum zweiten Mal Gesundheit und Klosters ein, das heute Rettung, wenn er die Kapelle erbaute. Schließlich Patres des Serviten - fanden die Verwandten den Totgeglaubten, der ordens betreuen. aber sein Versprechen bald wieder vergaß. Bald Sie ließen die Kirche in darauf wurde Leonhard wieder krank. Diesmal den letzten Jahren machte er sich auf den Weg, und er grub an der von Grund auf restau- von der Himmelskönigin bezeichneten Stelle. rieren. 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 8 Aus dem Vatikan

Diese Woche im Vatikan VATIKANISCHES BULLETIN kurz und bündig Das vorbildliche Leben dreier großer Päpste des letzten Jahrhunderts hat der 16. Dezember: Erzpriester von St. Peter, Kardinal Angelo Privataudienzen – den Erzbischof von Agaña (Guam), Anthony Bischofskollegium Comastri, bei der heiligen Messe für die Sablam Apuron, zu seinem »Ad-limina«- Der Papst empfing: Ernennungen Angestellten der Vatikanstadt herausge- Besuch; stellt. Auf Pius X., Johannes XXIII. und Jo- 12. Dezember: – den Erzbischof von Noumea (Neukaledonien), Der Papst ernannte: hannes Paul II. hat sich der Kardinal bezo- – den Erzbischof von Wellington (Neuseeland), Michel-Marie-Bernard Calvet, zu seinem 14. Dezember: gen, um das Geschehen in Betlehem John Atcherley Dew, zu seinem »Ad-limina«- »Ad-limina«-Besuch; besser zu verstehen und es tiefsinnig zu le- – zum Bischof der Diözese São Raimundo Nonato Besuch; – den Bischof von Caroline Islands (Föderierte ben. Mit Kardinal Comastri zelebrierten (Brasilien): João Santos Cardoso, bisher Koor- – den Bischof von Auckland (Neuseeland), Pa- Staaten von Mikronesien und Palau), Amando am Kathedra-Altar Erzbischof Oscar dinator der Pastoral und Pfarrer in der Erzdiözese trick James Dunn, zu seinem »Ad-limina«- Samo, zu seinem »Ad-limina«-Besuch; Rizzato, ehemaliger Almosenpfleger Sei- Vitória da Conquista; Besuch; – den Bischof von Port Vila (Vanuatu), Jean ner Heiligkeit, sowie die Bischöfe Giu- – den Bischof von Christchurch (Neuseeland), Bosco Baremes, zu seinem »Ad-limina«-Besuch; 16. Dezember: seppe Sciacca, Generalsekretär des Gover- Barry Philip Jones, zu seinem »Ad-limina«- – den Bischof von Wallis und Futuna, Ghislain – zum Bischof der Diözese Orense (Spanien): natorates, und Vittorio Lanzani, Delegat Besuch; de Rasilly, zu seinem »Ad-limina«-Besuch; José Leonardo Lemos Montanet vom Klerus der Dombauhütte von St. Peter. – den Bischof von Dunedin (Neuseeland), Co- – den Bischof-Koadjutor von Taiohae o Tefenuae- der Erzdiözese Santiago de Compostela. lind David Campbell, zu seinem »Ad-limina«- nata (Marquesas-Inseln/Französisch-Polyne- Rücktritte Besuch; sien), Pascal Chang-Soi, zu seinem »Ad- Römische Kurie – den Bischof von Hamilton in New Zealand limina«-Besuch; Der Papst nahm das Rücktrittsgesuch an: (Neuseeland), Denis George Browne, zu sei- – den Apostolischen Administrator von Chalan Der Papst ernannte: nem »Ad-limina«-Besuch; Kanoa (Nördliche Marianen-Inseln), P. Ryan 14. Dezember: – den Bischof von Palmerston North (Neusee- Jimenez, zu seinem »Ad-limina«-Besuch; – von Bischof John Martin Darko von der Lei- 17. Dezember: land), Peter James Cullinane, mit dem Bischof- – den Apostolischen Administrator von Papeete tung der Diözese Sekondi-Takoradi in Ghana – zum Untersekretär der Kongregation für die In- Koadjutor, Charles Edward Drennan, zu (Tahiti), P. Bruno Mai, zu seinem »Ad-limina«- gemäß Can. 401, § 2 des CIC; stitute geweihten Lebens und die Gesellschaften ihrem »Ad-limina«-Besuch; Besuch; – gleichzeitig ernannte der Papst Mathias Ko- apostolischen Lebens: Sr. Nicoletta Vittoria – den armenischen Präsidenten, Serzh Sarg- – den Apostolischen Präfekten der Marshall-In- bena Nketsia, Erzbischof von Cape Coast, zum Spezzati von den Anbetungsschwestern des syan, mit Gefolge; seln, P. Raymundo Sabio MSC, zu seinem »Ad- Apostolischen Administrator »sede vacante et ad Blutes Christi, bisher Beamtin des Dikasteriums; – den Chief Rabbi of the United Hebrew Congre- limina«-Besuch; nutum Sanctae Sedis« der Diözese Sekondi-Tako- – zu Mitgliedern des Päpstlichen Rats der Seel - gations of the Commonwealth, Lord Jona than – den Präfekten der Kongregation für die Glau- radi. sorge für die Migranten und Menschen unter- Sacks; benslehre, Kardinal William Joseph Levada; Todesfälle wegs: Wojciech Polak, Titularbischof von 15. Dezember: 17. Dezember: Am 14. Dezember ist der em. Erzbischof von Monte di Numidia und Weihbischof in Gnesen – den Erzbischof von Paris (Frankreich) und Prä- – den Präfekten der Kongregation für die Louisville (Vereinigte Staaten von Amerika), Tho- (Polen); Edward Janiak, Titularbischof von Sici- lio und Weihbischof in Breslau (Polen); sidenten der Französischen Bischofskonferenz, Bischöfe, Kardinal ; mas Cajetan Kelly, vom Predigerorden im Kardinal André Vingt-Trois, mit den Vizepräsi- – den Erzbischof von Suva (Fidschi-Inseln), Pe- Alter von 80 Jahren gestorben. – zum Konsultor des Päpstlichen Rats der Seel- denten Laurent Ulrich, Erzbischof von Lille, tero Mataca, zu seinem »Ad-limina«-Besuch; Am 17. Dezember ist der em. Bischof von Port sorge für die Migranten und Menschen unter- und Hippolyte Simon, Erzbischof von Cler- wegs: Msgr. Enrico Feroci, Direktor der Diöze- – den Bischof von Rarotonga (Cook-Inseln), Paul Elizabeth in Südafrika, Michael Gower Cole- mont, sowie dem Generalsekretär der Bischofs- man, im Alter von 72 Jahren gestorben. sancaritas von Rom; konferenz, Msgr. Antoine Hérouard; Donoghue, zu seinem »Ad-limina«-Besuch; – den Bischof von Tarawa und Nauru (Kiribati), – zum Mitglied des Päpstlichen Rats »Cor – den Apostolischen Nuntius in Peru, James Pa- Unum«: Msgr. Giovanni Battista Gandolfo trick Green, Titularerzbischof von Altino; Paul Eusebius Mea Kaiuea, zu seinem »Ad- Der Apostolische Stuhl limina«-Besuch; vom Klerus der Diözese Albenga-Imperia, Präsi- – den Delegationsleiter der Kommission der Eu- dent des »Komitees für die karitativen Tätigkeiten – den Bischof von Tonga (Tonga), Soane Patita ropäischen Gemeinschaft beim Heiligen Stuhl, Apostolische Nuntiaturen zugunsten der Dritten Welt« und Verantwortli- Paini Mafi, zu seinem »Ad-limina«-Besuch; Yves Gazzo, zu seinem Abschiedsbesuch; cher desselben Dienstes der Italienischen Bi- –P. Olivier P. Aro MSP, Oberer der Mission Der Papst ernannte: schofskonferenz; »sui iuris« von Tokelau (Südpazifik), zu seinem 15. Dezember: Heiliger Stuhl »Ad-limina«-Besuch; – zum Generalsekretär der Internationalen – zum Apostolischen Nuntius in den Niederlan- Theologenkommission: P. Serge Thomas Bo- 19. Dezember: Der Papst ernannte: den: André Dupuy, Titularerzbischof von Sel- nino OP, Dozent für Philosophie am »Institut – den Präfekten der Kongregation für die Selig- sea, bisher Apostolischer Nuntius bei der Eu- Catholique« und für Theologie beim »Studium 17. Dezember: und Heiligsprechungsprozesse, Kardinal Angelo ropäischen Union und im Fürstentum Monaco; Dominicanum« in Toulouse (Frankreich). – zum Büroleiter des Päpstlichen Rats für Amato; die Laien: Msgr. Antonio Grappone vom – zum Apostolischen Nuntius in Armenien: Ma- – den Botschafter von Paraguay, Esteban Kris- Klerus der Diözese Rom, bisher Beamter rek Solczynski, ernannter Titularerzbischof kovich, zur Überreichung des Beglaubigungs- des Dikasteriums. von Cesarea di Mauritania, Apostolischer Nun- schreibens. tius in Georgien.

Die neuen Glaubenszeugen unter Papst Benedikt XVI.

L’OSSERVATORE ROMANO ie das Wasser sich mit dem Wein zum Schauspiel. Und doch regte sich in ihm im- Wochenausgabe in deutscher Sprache »Wverbindet zum heiligen Zeichen, so mer stärker das Verlangen, »Gott allein« (»¡Sólo 41. Jahrgang lasse uns dieser Kelch teilhaben an der Gottheit Dios!«; häufiger Ausdruck in seinen geistlichen Herausgeber: Apostolischer Stuhl Verantwortlicher Direktor: Giovanni Maria Vian Christi, der unsere Menschennatur angenom- Notizen) zu dienen. Abrupt beendete er sein Vizedirektor: Carlo Di Cicco men hat.« Wenn der Priester bei der Bereitung Studium und trat am 16. Januar 1934 den »Zi- Chefredakteurin der deutschsprachigen der Gaben für das eucharistische Opfer dem sterziensern der strengeren Observanz« im Wochenausgabe: Astrid Haas Wein ein Tröpfchen Wasser hinzufügt, so soll Kloster S. Isidro de Dueñas (»La Trapa«) bei Pa- Redaktion und Dokumentation: Matthias Hoch, den Gläubigen die mystische Berufung ihrer lencia bei. Bald schon brach bei dem vorbild- Johanna Weißenberger Seele symbolhaft vor Augen geführt werden. lichen Mönch eine schwere, äußerst schmerz- Sekretariat und Verwaltung: Berthild Schafgan Der spanische Trappist und Kreuzesmystiker hafte Form von »Diabetes mellitus« aus, Redaktion: I-00120 Vatikanstadt; Tel.: 00 39/06 69 89 94 30; Fax: 00 39/06 68 89 02 73; Raphael (Rafael) Arnáiz gab Welt und Karriere weshalb er mehrmals nach Hause zurückkeh- Internet: http://www.vatican.va; auf, um gleich dem Wassertropfen, dem seine ren mußte. In Folge mußte er immer wieder E-Mail: [email protected] Person und sein Leben so ähneln, eins mit Chri- das Kloster verlassen, bis er am 26. April 1938 Bilder: Foto-Service und Archiv O.R. Tel.: 00 39/06 69 88 47 97; E-Mail: [email protected] stus zu werden. Der aus Burgos (Kastilien) in der Abtei mit 27 Jahren verstarb. In seinem stammende Sohn wohlhabender Eltern wurde kurzen monastischen Dasein, in der sich seine Verlag: Schwabenverlag AG; Vorstand: Ulrich Peters am 9. April 1911 geboren und besuchte das dor- Seele erhob »zu den Gipfeln des geistlichen Le- Anzeigen: Annika Wedde – Vertrieb: Stefan Schweizer; Postfach 42 80; D-73745 Ostfildern; tige Jesuitenkolleg. Eine fiebrige Infektions- bens« (Benedikt XVI., Predigt, 11.10.2009), Tel.: (07 11) 44 06-0; Fax: (07 11) 44 06 138; krankheit zwang ihn zur Unterbrechung der lernte er durch seine Krankheit, das Kreuz zu Internet: http://www.schwabenverlag.de; Schule, die er nach seiner der Muttergottes zu- umfassen, des Herrn Willen mit dem seinen zu E-Mail: [email protected] Druck: Allgäuer Zeitungsverlag GmbH geschriebenen Heilung wieder aufnehmen vereinen. Heisinger Str. 14, D-87437 Kempten; konnte. Nach Beendigung seiner humanisti- Johannes Paul II., der ihn 1992 seligsprach, Jahresabonnement: Deutschland e 62,90; Österreich Hl. Raphael Arnáiz Barón OCSO e 79,90; Schweiz sFr. 125,–; restl. Europa e 70,50; (1911 – 1938) schen Bildung begann er 1929 in Madrid das stellte ihn 1989 beim IV. Weltjugendtag in San- Übersee e 98,50. Architekturstudium. Vorbildlich brachte er sei- tiago de Compostela der modernen Jugend als ISSN 0179-7387 Ordensmann Konto: Liga-Bank Regensburg (BLZ 750 903 00) Nr. 64 86 142 nem Tagesplan »Alles für Jesus« gemäß seine Beispiel vor Augen. Alle aber lädt Rafael Abonnementgebühren sind erst nach Rechnungserhalt zahl- Pflichten als Student mit seiner durch die Ver- Arnáiz, der den Schöpfergott zum Architekten bar. Abbestellungen können nur schriftlich mit einer Frist Heiligsprechung: von 6 Wochen zum Bezugsjahresende entgegengenommen 11. Oktober 2009 in Rom, Italien ehrung der heiligen Eucharistie geprägten seiner Seele ernannte, ein, eines seiner letzten werden. Bei Anschriftenänderung unserer Leser ist die Post Frömmigkeit in Einklang. Der angehende Ar- Gebete zu verinnerlichen: »Nimm mich mir berechtigt, diese an den Verlag weiterzuleiten. Zur Zeit ist die Anzeigenpreis liste Nr. 21 vom 1. Januar 2011 gültig. Für Liturgischer Gedenktag: chitekt zeichnete sich aus durch brillante Intel- weg und schenke Du Dich der Welt.« unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine 26. April ligenz, Begabung zum Zeichnen sowie Liebe Stefan Wirth Gewähr übernommen. 41. Jahrgang – Nr. 51/52 DOKUMENTATION 23. Dezember 2011

Pastoralbesuch des Papstes in der Pfarrei »Santa Maria delle Grazie« im römischen Stadtteil Casal Boccone am 3. Adventssonntag Seid Zeugen des Lichts und tragt es in unsere Zeit hinein Predigt von Papst Benedikt XVI. am 11. Dezember

Liebe Brüder und Schwestern der Pfarrei auch deshalb, weil hier so viele Kinder und Ju- »Santa Maria delle Grazie«! gendliche wohnen, Gott sei Dank! Ich wünsche inständig, daß sich durch den Beitrag fachkundi- Wir haben eben die Prophezeiung des Jesaja ger und großzügiger Personen auch euer Einsatz gehört: »Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf für die Erziehung immer besser entwickelt und mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich daß eure Pfarrei, auch mit Hilfe des Vikariats von gesandt, damit ich den Armen eine frohe Bot- Rom, möglichst bald mit einem gut eingerichte- schaft bringe und alle heile, deren Herz zerbro- ten Oratorium, mit Räumlichkeiten für Spiel und chen ist…, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn Begegnung, ausgestattet werden kann, um so für ausrufe« (Jes 61,1–2). Diese vor vielen Jahrhun- die jungen Generationen das Bedürfnis nach derten verkündeten Worte klingen auch für uns Wachstum im Glauben und nach einer gesunden heute äußerst aktuell, während wir mitten im Ad- gemeinschaftlichen Atmosphäre zu erfüllen. Ich vent und bereits mit Ausblick auf das hohe Fest freue mich über alles, was ihr in der Vorbereitung der Weihnacht stehen. Es sind Worte, die von der Kinder und Jugendlichen auf die Sakramente neuem unsere Hoffnung beleben, uns darauf vor- tut. Die Herausforderung, der wir uns gegenüber bereiten, das Heil des Herrn zu empfangen, und sehen, besteht darin, daß ein richtiggehender die Eröffnung einer Zeit der Gnade und der Be- Plan für die Glaubensbildung entworfen und vor- freiung ankündigen. gelegt werden muß, der alle einbeziehen soll, die die Einführung in den christlichen Glauben er- Stimme in der Wüste halten; es gilt, ihnen dabei zu helfen, daß sie die Bis auf den letzten Platz gefüllt war die römische Pfarrkirche »Santa Maria delle Grazie« beim Besuch Sakramente nicht nur empfangen, sondern sie Der Advent ist die Zeit der Erwartung, der des Heiligen Vaters. auch leben, um wahre Christen zu sein. Dieses Hoffnung und der Vorbereitung auf den Besuch Ziel, das »Empfangen« muß in konkretes »Leben« des Herrn. Zu diesem Bestreben lädt uns auch die dazu berufen sind, Zeugen des Lichts zu sein. Das schaften: die »Sorelle Apostole della Consolata«, umgesetzt werden, wie wir es in der ersten Le- Gestalt und die Verkündigung Johannes des Täu- ist der Auftrag der Adventszeit: Zeugen des Lichts die »Maestre Pie Venerini« und die »Guanelliani«: sung gehört haben: Die Gerechtigkeit muß kei- fers ein, die wir soeben in der Lesung aus dem zu sein, und das können wir nur dann sein, wenn Ihre Anwesenheit in eurer Pfarrei ist wertvoll men, wie der Same in der Erde keimt. Die Sakra- Evangelium gehört haben (vgl. Joh 1,6–8. 19–28). wir in uns das Licht tragen, wenn wir nicht nur und ein großer geistlicher und pastoraler Reich- mente leben – so keimt die Gerechtigkeit und Johannes hat sich in die Wüste zurückgezogen, sicher sind, daß es das Licht gibt, sondern daß wir tum für das Leben der Gemeinde, sie sind Zeugen ebenso auch das Recht und die Liebe. um ein sehr strenges Leben zu führen und durch etwas davon gesehen haben. In der Kirche, im des Lichts! Des weiteren grüße ich alle, die in der sein Leben auch die Menschen zur Umkehr auf- Wort Gottes, in der Feier der Sakramente, im Pfarrei tätig sind: die Katecheten – ihnen danke Wertvolle Initiativen zurufen; er nimmt eine Taufe mit Wasser vor, ein Beichtsakrament mit der Vergebung, die wir ich für ihre Arbeit; ich grüße die Mitglieder der einzigartiger Bußritus, der sich von den vielfälti- empfangen, in der Feier der heiligen Eucharistie, Gebetsgruppe, die sich an der Erneuerung im In diesem Zusammenhang ist die in der Di - gen äußerlichen Reinigungsriten der damals ver- wo sich der Herr in unsere Hände und Herzen Heiligen Geist inspiriert, die jungen Leute der Ju- özese gerade angelaufene Überprüfung der Pa- breiteten Sekten unterscheidet. Wer ist also die- gibt, berühren wir das Licht und erhalten diesen gendbewegung »Gioventù Ardente Mariana«. storal, die die christliche Initiation betrifft, eine ser Mann, wer ist Johannes der Täufer? Seine Auftrag: heute Zeugen dafür zu sein, daß es das Und sodann möchte ich mein Gedenken auf alle günstige Gelegenheit, um die Sakramente, die Antwort überrascht durch ihre Demut. Er ist Licht gibt, und es in unsere Zeit hineinzutragen. Bewohner des Viertels ausweiten, besonders auf wir empfangen haben, wie die Taufe und die Fir- nicht der Messias, er ist nicht das Licht. Er ist we- Liebe Brüder und Schwestern! Ich freue mich die alten und kranken, und auf alle Personen, die mung, und jene, die wir empfangen, um den der der auf die Erde zurückgekehrte Elija noch der sehr, hier bei euch zu sein an diesem schönen einsam sind und sich in einer schwierigen Situa- Glaubensweg zu fördern, wie das Bußsakrament erwartete große Prophet. Er ist der Wegbereiter, Sonntag »Gaudete«, Sonntag der Freude, der uns tion befinden; nicht zu vergessen die zahlen- und die Eucharistie, zu vertiefen und zu leben. ein einfacher Zeuge, völlig dem untergeordnet, sagt: »Auch inmitten so vieler Zweifel und mäßig große philippinische Gemeinde, die gut Dazu bedarf es zuallererst der Aufmerksamkeit den er ankündigt; eine Stimme in der Wüste, so Schwierigkeiten gibt es die Freude, weil es Gott eingebunden ist und an den wichtigsten Ereig- für die Beziehung mit Gott durch das Hören sei- wie auch wir heute, in der Wüste der von der Ab- gibt und er bei uns ist.« Ich begrüße herzlich den nissen des Gemeindelebens aktiv teilnimmt. nes Wortes, durch die Antwort auf das Wort im wesenheit Gottes gezeichneten Großstädte die- Kardinalvikar, den Weihbischof des Bezirks, eu- Eure Pfarrei, die in einem der typischen Vor- Gebet und durch das Geschenk der Eucharistie. ser Welt, Stimmen brauchen, die uns einfach ver- ren Pfarrer, Don Domenico Monteforte, dem ich stadtviertel Roms entstanden und 1985 unter Ich weiß, daß es in eurer Pfarrei Gebetstreffen, künden: »Gott ist da, er ist immer nahe, auch nicht nur für die freundlichen Worte danke, die er dem schönen Titel »Santa Maria delle Grazie« ka- die »Lectio divina« und die eucharistische Anbe- wenn er abwesend scheint.« Er ist eine Stimme in in euer aller Namen an mich gerichtet hat, son- nonisch errichtet worden ist, hat ihre ersten tung gibt: Das sind wertvolle Initiativen für das der Wüste, und er ist ein Zeuge des Lichts; und dern auch für das schöne Geschenk, die Ge- Schritte in den sechziger Jahren getan, als auf In- geistliche Wachstum auf persönlicher und auf Ge- das berührt uns tief, weil wir in dieser Welt, die schichte eurer Pfarrei. Ich grüße den Vikar der itiative einer Gruppe von Dominikanern unter meindeebene. Ich fordere euch herzlich auf, euch so voller Finsternis und großer Dunkelheit ist, alle Pfarrei. Und ich grüße auch die Ordensgemein- Führung des unvergeßlichen P. Gerard Reed in immer zahlreicher daran zu beteiligen. In beson- der Wohnung einer Familie eine kleine Kapelle derer Weise möchte ich euch auf die Bedeutung eingerichtet wurde, welche in der Folge in eine und die zentrale Stellung der Eucharistie hinwei- größere Räumlichkeit verlegt wurde, die bis sen. Die heilige Messe soll den Mittelpunkt eures Gruß des Papstes an die Kinder 2010, also bis vor einem Jahr, die Funktion einer Sonntags bilden, der wieder neu entdeckt und als Pfarrkirche hatte. In jenem Jahr, genau am 1. Mai, Tag des Herrn und der Gemeinde gelebt werden Bei seinem Pastoralbesuch traf der Heilige ist nämlich, wie ihr wißt, der neue Bau einge- soll, der Tag, an dem wir Ihn loben und preisen, Vater zunächst mit den Kindern der Pfarrei weiht worden, in dem wir jetzt die Eucharistie der für uns geboren ist, der für unsere Rettung ge- zusammen. Dabei richtete er folgendes feiern. Diese neue Kirche ist ein vorzüglicher storben und auferstanden ist und der uns bittet, Grußwort an sie: Raum, um in der Kenntnis und Liebe dessen zu in der Freude miteinander zu leben und eine Ge- wachsen, den wir in wenigen Tagen voller meinde zu bilden, die offen und bereit ist, jeden Liebe Kinder! Freude über seine Geburt empfangen werden. aufzunehmen, der einsam oder in Schwierigkei- Ich wünsche allen einen schönen Sonn- Beim Anblick dieser Kirche und der Gebäude der ten ist. Verliert nicht den Sinn des Sonntags, und tag. Wir wissen, daß Weihnachten nahe ist: Pfarrei sehe ich die Frucht von Geduld, Hingabe haltet treu fest an der eucharistischen Versamm- Bereiten wir uns nicht nur mit Geschenken, und Liebe und möchte euch durch meine Anwe- lung. Die ersten Christen sind bereit gewesen, sondern mit unserem Herzen darauf vor. Wir senheit dazu ermutigen, jene Kirche aus lebendi- dafür ihr Leben hinzugeben. Sie haben gewußt, denken daran, daß Christus, der Herr, uns gen Steinen, die ihr selbst seid, immer besser zu daß die Eucharistie das Leben ist und uns leben nahe ist, daß er in unser Leben eintritt und verwirklichen; jeder von euch soll sich als ein läßt. uns Licht und Freude schenkt. Der hl. Paulus Baustein dieses lebendigen Gebäudes fühlen; die Während ich unter euch weile, kann ich frei- sagt im Brief an die Thessalonicher: »Betet Gemeinde wird durch den Beitrag, den jeder ein- lich nicht die Tatsache übergehen, daß auf dem ohne Unterlaß!« Das bedeutet natürlich nicht, zelne leistet, durch den Einsatz aller aufgebaut; Gebiet eurer Pfarrei eine große Herausforderung daß wir ständig Gebetsworte sprechen sollen, und dabei denke ich besonders an den Bereich durch religiöse Gruppen entstanden ist, die sich sondern es heißt, daß wir in unserem Herzen der Katechese, der Liturgie und der tätigen Näch- als Hüter der Wahrheit des Evangeliums ausge- den Kontakt mit Gott nicht verlieren dürfen. stenliebe – das sind die Tragpfeiler des christli- ben. In diesem Zusammenhang ist es meine Wenn es diesen Kontakt gibt, ist das Anlaß zur chen Lebens. Pflicht, euch zu empfehlen, wachsam zu sein und Freude. Ich wünsche euch eine tiefe Freude in unserem Herzen. Gute Wünsche! Einen Eure Gemeinde ist jung; das habe ich gese- die Gründe für den Glauben und die christliche über Weihnachten und eine tiefe Freude über guten Sonntag und schon heute frohe Weih- hen, als ich vorhin eure Kinder begrüßte. Sie ist Botschaft zu vertiefen, so wie sie die jahrtau- die Anwesenheit des Jesuskindes, das Gott ist, nachten! jung, weil sie – vor allem, was die Neuansiedlun- gen betrifft – aus jungen Familien besteht und Fortsetzung auf Seite 10 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 10 Dokumentation

Audienz für die Delegationen des Bundes der italienischen Genossenschaften und des italienischen Verbandes der Kreditgenossenschaftsbanken Ein Hoffnungsschimmer auch in dunklen Situationen Ansprache von Papst Benedikt XVI. am 10. Dezember

Liebe Brüder und Schwestern! reitschaft achten. Besonders wichtig ist es auch, Ich freue mich, euch zu empfangen und be- sich vor Augen zu halten, was die katholischen grüße einen jeden von euch, die ihr euch in Ver- Genossenschaften auszeichnet: die christliche In- tretung des Bundes der italienischen Genossen- spiration, die ihnen stets Orientierung schenken schaften sowie des italienischen Verbandes der muß. Bleibt also dem Evangelium und der Lehre Kreditgenossenschaftsbanken hier versammelt der Kirche treu: Das ist Teil eurer Identität. Behal- habt. Ich begrüße die jeweiligen Präsidenten, Lu- tet die verschiedenen experimentellen Initiati- igi Marino und Alessandro Azzi, und danke für ven, die aus den Inhalten der Soziallehre der Kir- die Worte, die sie im Namen aller an mich ge- che schöpfen, im Auge und fördert sie, wie im richtet haben. Ebenso begrüße ich euren kirchli- Fall der Entwicklungsgenossenschaften, der Ge- chen Assistenten, Msgr. Adriano Vincenzi, die währung von Mikrokrediten und einer Wirt- Vorstandsmitglieder sowie alle Anwesenden. schaft, die von der Logik der Gemeinschaft und Die große Bedeutung der katholischen Ge- der Brüderlichkeit beseelt ist. nossenschaften in Italien ist bekannt. Sie sind in- Im Evangelium ist der Aufruf zur Nächsten- folge der Enzyklika Rerum novarum von Papst liebe eng verbunden mit dem Gebot, Gott zu lie- Leo XIII. entstanden, deren 120. Jahrestag der ben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und Veröffentlichung wir in diesem Jahr feiern. Sie ha- mit aller Kraft (vgl. Mk 12,29–31). Für den Chri- ben die fruchtbare Anwesenheit der Katholiken sten ist die Nächstenliebe also nicht nur Philan- in der italienischen Gesellschaft gefördert durch thropie, sondern Ausdruck der Liebe Gottes; sie die Unterstützung von Genossenschaften und muß auf einer wahren Liebe zu Gott gründen. Versicherungsgesellschaften, die Entwicklung Die Begegnung in der »Sala Clementina« fand in herzlicher Atmosphäre statt. Nur so kann er jene, denen er begegnet, die für- des sozialen Unternehmertums und vieler ande- sorgliche Liebe des himmlischen Vaters erfahren rer öffentlicher Einrichtungen, die von Beteili- ethischer Ebene durch ein ausgeprägtes solidari- Beitrag zur ganzen Gemeinschaft zu leisten, so- lassen und einen Hoffnungsschimmer auch in gung und Selbstverwaltung bestimmt sind. Diese sches Bewußtsein aus, wenngleich unter Ach- wohl unter sozialem Gesichtspunkt als auch im dunkle Situationen bringen. Auch in der Wirt- Arbeit war stets auf die materielle Unterstützung tung der rechtmäßigen Autonomie des einzel- Bereich der Evangelisierung. In einer Zeit großer schafts- und Arbeitswelt ist es notwendig, um der Bevölkerung und die ständige Fürsorge für nen. Dieses Bewußtsein ist wichtig, weil es den Veränderungen, anhaltender wirtschaftlicher In- Liebe und Solidarität zu bringen, aus der göttli- die Familie ausgerichtet und am Lehramt der Kir- Stellenwert der Beziehungen zwischen den ge- stabilität und Schwierigkeiten in der Arbeitswelt chen Quelle zu schöpfen durch eine tiefe Bezie- che orientiert. nossenschaftlichen Wirklichkeiten und dem spürt die Kirche, daß sie die Botschaft Christi mit hung zu Gott, das ständige Hören auf sein Wort, Nicht nur Erfordernisse wirtschaftlicher Na- Wirtschaftsraum fördert, für einen Aufschwung neuem Nachdruck verkündigen muß, mit der ein von der Eucharistie genährtes Leben. Vergeßt tur haben die Mitglieder dazu gebracht, sich in der Realwirtschaft, deren Triebkraft die wahre Kraft der Humanisierung und der starken Hoff- nicht, daß es wichtig ist, die geistliche Dimension Verbänden genossenschaftlicher Art zu organi- Entwicklung der menschlichen Person ist und die nung für die Zukunft, die sie enthält. Und ihr, wachsen zu lassen in eurem Bemühen, den heu- sieren – oft mit einem entscheidenden Beitrag positive Ergebnisse mit einem ethisch stets kor- liebe Freunde, sollt euch bewußt sein, daß die ka- tigen sozialen Herausforderungen und Nöten zu von seiten der Priester –, sondern auch der rekten Handeln zu verbinden versteht. Denn wir tholischen Genossenschaften in diesem Bereich begegnen, um auch weiterhin in der Logik der Wunsch, eine Erfahrung der Einheit und der Soli- dürfen nicht vergessen, wie ich in der Enzyklika eine wichtige Rolle spielen. Wirtschaft der Unentgeltlichkeit, der Verantwort- darität zu leben, die zur Überwindung wirt- Caritas in veritate gesagt habe, daß auch im Be- Ich möchte ganz kurz einige Elemente in Er- lichkeit zu handeln und einen verantwortungs- schaftlicher Unterschiede und sozialer Konflikte reich der Wirtschaft und der Finanz gilt: »Redli- innerung rufen, in denen eure Arbeit wertvoll ist. vollen und maßvollen Konsum zu fördern (vgl. zwischen den verschiedenen Gruppen führen che Absicht, Transparenz und die Suche nach Zunächst seid ihr berufen, mit besonderer Pro- Caritas in veritate, 66). sollte. Gerade im Bemühen um eine harmonische guten Ergebnissen sind miteinander vereinbar fessionalität und ausdauerndem Bemühen dazu Liebe Freunde, ich habe nur einige Gedanken Zusammensetzung der individuellen und der ge- und dürfen nie voneinander gelöst werden. beizutragen, daß die Wirtschaft und der Markt dargelegt, aber vor allem möchte ich eure so wert- meinschaftlichen Dimension liegt der Schwer- Wenn die Liebe klug ist, kann sie auch die Mittel nie von der Solidarität getrennt werden. Außer- volle und wichtige Arbeit ermutigen. Die Jung- punkt der genossenschaftlichen Erfahrung. Sie ist finden, um gemäß einer weitblickenden und ge- dem seid ihr berufen, die Kultur des Lebens und frau Maria schütze euch und stehe euch bei. Den ein konkreter Ausdruck der Komplementarität rechten Wirtschaftlichkeit zu handeln, wie viele der Familie zu unterstützen und die Bildung Anwesenden und allen Mitgliedern des Bundes und der Subsidiarität, die die Soziallehre der Kir- Erfahrungen auf dem Gebiet der Kreditgenossen- neuer Familien zu fördern, die auf eine men- der italienischen Genossenschaften und des Ver- che schon immer zwischen der Person und dem schaften deutlich unterstreichen« (Nr. 65). schenwürdige Arbeit zählen können, die die bandes der Kreditgenossenschaftsbanken wün- Staat gefördert hat; sie ist das Gleichgewicht zwi- Eure verdienstvollen Einrichtungen gehören Schöpfung achtet, die Gott unserer verantwortli- sche ich, den Einsatz im sozialen Bereich zuver- schen dem Schutz der Rechte des einzelnen und seit langer Zeit zum italienischen Sozialgefüge. chen Fürsorge anvertraut hat. Ihr sollt stets den sichtlich und erfolgreich fortzusetzen. Ich der Förderung des Gemeinwohls, im Bemühen Sie sind noch immer vollkommen zeitgemäß; sie ganzen Menschen wertschätzen, über jegliche versichere euch meines Gebetsgedenkens und um die Entwicklung einer lokalen Wirtschaft, die tragen Ideale in sich, die dem Evangelium ent- Unterschiede in Hautfarbe, Sprache oder Religi- segne euch und eure Angehörigen von Herzen. den kollektiven Ansprüchen immer besser ge- sprechen, und eine Lebenskraft, die sie in die onszugehörigkeit hinaus, und auf seine wirkli- Danke. recht wird. Ebenso zeichnet sie sich auch auf Lage versetzt, auch heute noch einen wertvollen chen Bedürfnisse, aber auch auf seine Initiativbe- (Orig. ital. in O.R. 11.12.2011)

Pfarreibesuch des Heiligen Vaters am 3. Adventssonntag Buchtipp Fortsetzung von Seite 9 welche die tiefsten Bedürfnisse und Bestrebun- Geschichte, die Gegenwart und Zukunft des gen des menschlichen Geistes ausnutzen, indem Glaubens sind in besonderer Weise euch, den sie einfache, aber illusorische Aussichten auf Be- neuen Generationen, anvertraut. Die Kirche er- sendealte Überlieferung der Kirche mit Gewähr friedigung anbieten. Der Glaube ist ein Geschenk wartet sich viel von eurem Enthusiasmus, von In der Ortschaft Brenden im Süd- der Authentizität an uns weitergibt. Setzt die Gottes, das aber unsere Antwort einfordert, den eurer Fähigkeit, nach vorn zu blicken, von Idea- schwarzwald steht eine moderne Plastik Evangelisierungsarbeit mit der Katechese und der Entschluß, Christus nicht nur zu folgen, wenn er len beseelt zu sein, und von eurem Wunsch nach mit dem Titel »Sein und Raum«. Der Gra- korrekten Information darüber fort, was die ka- heilt und aufrichtet, sondern auch dann, wenn er radikalen Lebensentscheidungen. Die Pfarrei be- fenhausener Künstler Ralf Rosa schuf die tholische Kirche glaubt und verkündet; legt die von Liebe bis zur Selbsthingabe spricht. gleitet euch, und ich möchte, daß ihr auch meine Skulptur und versuchte, mit dem Granit, Wahrheiten des christlichen Glaubens mit aller Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen will, Ermutigung hört. einem Findling aus dem Albtal, und Stahl- Klarheit vor; seid, wie der hl. Petrus sagt, »stets ist das Zeugnis der Liebe, das euer Leben als Ge- »Freut euch, Brüder, zu jeder Zeit« (1 Thess stäben ein Raumgebilde zu schaffen, das je bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der meinde kennzeichnen soll. Ihr habt in diesen Jah- 5,16). Diese Einladung zur Freude, die der hl. Pau- nach Standort immer wieder andere Ein- ren ein starkes Anwachsen lus damals an die Christen in Thessalonich ge- blicke gewährt. Richard van de Sandt, seit Der Glaube ist ein Geschenk Gottes, der Zahl ihrer Mitglieder er- richtet hat, prägt auch den heutigen Sonntag, der zwei Jahren Bürger der Berggemeinde, hat lebt, aber auch gesehen, daß allgemein »Gaudete« genannt wird. Das klingt das aber unsere Antwort einfordert, sich in dem neu erschienenen Buch »Die viele Personen in Schwierig- bereits in den ersten Worten der Eröffnungsanti- den Entschluß, Christus nicht nur zu folgen, Skulptur. Sein und Raum in Brenden im keiten und in Not und Ent- phon an: »Freut euch am Herrn zu jeder Zeit; Südschwarzwald« philosophische Gedan- wenn er heilt und aufrichtet, sondern auch dann, behrung gerieten; diese noch einmal sage ich: Freut euch! Der Herr ist ken gemacht und versucht, die Skulptur wenn er von Liebe bis zur Selbsthingabe spricht. Menschen brauchen euch, nahe«; das schreibt der hl. Paulus im Kerker an begreiflich zu machen. Beobachtungen in sie haben eure materielle die Christen von Philippi (vgl. Phil 4,4–5), und der Ewigen Stadt erweitern die Perspekti- nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt« (1 Petr Hilfe, aber auch und vor allem euren Glauben das sagt er auch uns. Ja, wir freuen uns, weil der ven. Seine visionäre Botschaft zum »My- 3,15); lebt die allen verständliche Sprache der und euer Zeugnis als Gläubige nötig. Sorgt dafür, Herr nahe ist, und in wenigen Tagen, werden wir stischen Raum« ist von weittragender Be- Liebe und Brüderlichkeit, aber ohne die Ver- daß das Gesicht eurer Gemeinde immer konkret in der Weihnachtsnacht das Geheimnis seiner deutung für alle, die sich mit den letzten pflichtung zu vergessen, den eigenen Glauben die Liebe des barmherzigen Gottes zum Aus- Geburt feiern. Maria, die als Erste vom Engel die Dingen des In-der-Welt-Seins beschäfti- angesichts der Gefahren und Verlockungen, die druck bringen kann und dazu einlädt, sich voll Einladung gehört hat: »Sei gegrüßt, du Begnadete! gen. ihn in diesen Zeiten bedrohen können, zu läutern Vertrauen an Ihn zu wenden. Der Herr ist mit dir!« (Lk 1,28), weist uns den Richard van de Sandt, Die Skulptur. Sein und zu festigen. Überwindet die Grenzen des In- Ein besonderes Wort der Liebe und Freund- Weg, um zur wahren Freude, zu der Freude, die und Raum in Brenden im Südschwarzwald, dividualismus, des Sich-Verschließens in euch schaft will ich an euch, liebe Kinder – Jungen und von Gott stammt, zu gelangen. Mutter der Gna- 2. erw. Aufl. IKUBI – Pro Kulturnetz 2011, selbst, die Faszination des Relativismus, wonach Mädchen – und Jugendliche, die ihr mich hier den, Mutter der göttlichen Liebe, bitte für uns ISBN 3-036138-09-5, 21,50 Euro. man jedes Verhalten für erlaubt hält, die Anzie- hört, sowie an eure Altersgenossen richten, die in alle! Amen! hung, die Formen religiösen Gefühls ausüben, dieser Pfarrei leben. Das Heute und Morgen der (Orig. ital. in O.R. 12./13.12.2011) 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Dokumentation 11

Eucharistiefeier für Lateinamerika im Petersdom am Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe Zu neuer Hoffnung berufen Predigt von Papst Benedikt XVI. am 12. Dezember

Liebe Brüder und Schwestern!

»Das Land gab seinen Ertrag« (Ps 67,7). In die- sem Bild des Psalms, den wir soeben gehört ha- ben, in dem alle Völker und Nationen aufgefor- dert werden, freudig den Herrn zu preisen, der uns rettet, konnten die Kirchenväter die Jungfrau Maria und Christus, ihren Sohn, erkennen: »Die Erde ist die allerseligste Maria, die von unserer Erde, aus unserem Geschlecht, aus der Tonerde, aus diesem Lehm, von Adam stammt […]. Das Land hat seinen Ertrag: zuerst brachte es eine Blüte hervor […], sodann wurde diese Blüte zur Frucht, so daß wir sie essen können, so daß wir ihr Fleisch essen. Willst du wissen, was für eine Frucht das ist? Es ist die Frucht, die aus der Jung- frau hervorgeht; der Herr, der aus der Magd hervorgeht; Gott aus dem Menschen; der Sohn aus der Mutter; die Frucht aus der Erde« Das Bild der Gottesmutter von Guadalupe (oben); (Hl. Hieronymus, Breviarium in Psalm. 66: PL der feierliche Gottesdienst im Petersdom (links). 26,1010–1011). Auch wir sagen heute, während wir über die Frucht dieser Erde jubeln »Die Völ- gehen doch die Verheißungen in Erfüllung, die außerdem müssen sie die Familie in ihrem natür- und Völker tiefer Wurzel fasse« (V. Generalver- ker sollen dir danken, o Gott. Danken sollen dir ›Abraham und seinen Nachkommen auf ewig‹ lichen Wesen und ihrer Sendung schützen, in- sammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der die Völker alle« (Ps 67,4.6). Wir verkünden das gegeben worden sind« (Katechismus der Katholi- dem sie zugleich eine umfassende und intensive Karibik, Schlußdokument, 13). Auf diese Weise von Christus vollbrachte Geschenk der Erlösung, schen Kirche, 2619). In einer Geste der Dankbar- Erziehungsarbeit entfalten, welche die Men- wird die Zahl der echten Jünger und Missionare und in Christus erkennen wir seine Macht und keit gegenüber ihrem Herrn und der Demut sei- schen in richtiger Weise vorbereitet und ihnen des Herrn zunehmen und sich die Berufung La- göttliche Majestät. ner Dienerin richtet die Jungfrau Maria an Gott ihre eigenen Fähigkeiten bewußt macht, so daß teinamerikas und der Karibik zur Hoffnung er- den Lobpreis für alles, was er für sein Volk Israel sie auf würdige und verantwortungsvolle Weise neuern. Möge also das Licht Gottes immer heller Geschenk des Glaubens getan hat. Es ist Gott, dem alle Ehre und aller ihre Bestimmung selbst in die Hand nehmen kön- auf dem Antlitz jedes Sohnes und jeder Tochter Ruhm gebühren, der Allmächtige, der durch nen. dieses geliebten Erdteils erstrahlen und seine er- Von diesen Gefühlen beseelt, grüße ich mit seine treue Dienerin Wunder vollbringt und der Sie sind auch dazu aufgerufen, zunehmend lösende Gnade ihre Entscheidungen lenken, da- brüderlicher Liebe die Herren Kardinäle und auch heute noch auf wunderbare Weise seine entsprechende Initiativen und konkrete Pro- mit sie, ohne den Mut zu verlieren, weiter voran- Bischöfe, die uns begleiten, die verschiedenen di- Liebe zu allen Menschen, besonders zu jenen, gramme zu fördern, welche die Versöhnung und kommen beim Aufbau einer Gesellschaft, die auf plomatischen Delegationen, die Priester, die die harten Prüfungen ausgesetzt sind, offenbart. Brüderlichkeit, wachsende Solidarität und den die Entfaltung des Guten, den Triumph der Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen sowie die Danach sagte der Papst wieder auf spanisch: Umweltschutz voranbringen, die Anstrengungen und die Verbreitung der Gerechtigkeit gegründet Gruppen der Gläubigen, die sich hier in der Pe- »Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht verstärken, um das Elend, den Analphabetismus ist. Mit diesen hohen Vorsätzen und unterstützt tersbasilika versammelt haben, um mit Freude und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel« und die Korruption zu überwinden und jede vom Beistand der göttlichen Vorsehung beab- das Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe, (Sach 9,9), haben wir in der ersten Lesung Form von Ungerechtigkeit, Gewalt, Kriminalität sichtige ich, vor dem heiligen Osterfest eine Apo- Mutter und Stern der Evangelisierung in Ame- gehört. Von der Fleischwerdung des Wortes her Unsicherheit im Zivilleben, Drogenhandel und stolische Reise nach Mexiko und Kuba zu unter- rika, zu feiern. Ich habe auch all jene vor Augen, offenbart sich das göttliche Geheimnis in dem Er- Erpressung auszumerzen. nehmen, um dort das Wort Christi zu verkünden die sich uns im Geist anschließen und mit uns zu eignis Jesus Christus, das für jeden Menschen je- und die Überzeugung zu stärken, daß dies eine Gott für die verschiedenen Länder Lateinameri- derzeit und an jedem Ort gleichzeitig stattfindet Mission auf dem Kontinent wertvolle Zeit ist, um mit starkem Glauben, le- kas und der Karibik beten, von denen derzeit durch die Kirche, deren Mutter und Vorbild Ma- bendiger Hoffnung und brennender Liebe die viele ihrer vor 200 Jahren erlangten Unabhängig- ria ist. Deswegen können wir heute weiterhin Während sich die Kirche auf das 500-Jahr- Evangelisierung zu fördern. keit gedenken, aber über die historischen, gesell- Gott für die Wunder preisen, die er im Leben der Jubiläum der Einpflanzung des Kreuzes Christi in Alle diese Vorhaben vertraue ich ebenso wie schaftlichen und politischen Ereignisse hinaus lateinamerikanischen Völker und der ganzen die gute Erde des amerikanischen Kontinents vor- das gegenwärtige Schicksal der Nationen La- Gott ihre Dankbarkeit für das große Geschenk Welt durch sein Gegenwärtigsein im Sohn und in bereitete, verkündete auf seinem Boden der se- teinamerikas und der Karibik auf ihrem Weg des empfangenen Glaubens erneuern, einen der Ausgießung seines Geistes als Erneuerung lige Johannes Paul II. zum ersten Mal das Pro- in eine bessere Zukunft der Muttergottes von Glauben, der das Erlösungsmysterium vom Tod des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens gramm einer Neuevangelisierung – »neu in ihrer Guadalupe, unserer himmlischen Mutter, an. und der Auferstehung Jesu Christi verkündet, da- vollbracht hat, Gott hat all das »den Weisen und Leidenschaftlichkeit, in ihren Methoden, in ihrer Darüber hinaus rufe ich auf sie die Fürsprache der mit alle Völker der Erde in ihm das Leben haben. Klugen verborgen« und es den Unmündigen, den Ausdrucksweise« (vgl. Ansprache an die Ver- vielen Heiligen und Seligen herab, die der Heilige Der Nachfolger Petri konnte dieses Ereignis nicht Demütigen und den im Herzen Einfältigen offen- sammlung des CELAM, 9. März 1983, III; AAS Geist im Laufe der ganzen Geschichte dieses Kon- vorbeigehen lassen, ohne der Freude der Kirche bart (vgl. Mt 11,5). 75, 1983, 778). Aus meiner Verantwortung her- tinents erweckt hat: ein Angebot an heroischen über die reichlichen Gaben Rechnung zu tragen, Durch ihr »Ja« zum Ruf Gottes offenbart die aus, den Glauben zu stärken, möchte auch ich zu Vorbildern christlicher Tugenden in der Vielfalt mit denen Gott in seiner unendlichen Güte diese Jungfrau Maria die göttliche Liebe unter den dem apostolischen Eifer ermutigen, der zur Zeit persönlicher Lebensbedingungen und sozialer geliebten Nationen beschenkt hat, die aus tief- Menschen. In diesem Sinn fährt sie fort, mit Ein- »die Mission auf dem Kontinent« beseelt und be- Verhältnisse, damit ihr Beispiel zunehmend eine stem Herzen die allerseligste Jungfrau Maria an- fachheit und mütterlichem Herzen auf das ein- flügelt, die in Aparecida angestoßen worden war, Neuevangelisierung unter dem Blick Christi, Ret- rufen. zige Licht und die einzige Wahrheit hinzuweisen: damit »der christliche Glaube als fundamentales ter des Menschen und Kraft seines Lebens, för- Das in den Umhang des hl. Juan Diego, eines auf ihren Sohn Jesus Christus, der »die endgültige Ereignis und lebendige Begegnung mit Christus dern möge. Amen. Indio, eingeprägte Gnadenbild der »Morenita del Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens im Herzen der lateinamerikanischen Menschen (Orig. span., portugies. in O.R. 14.12.2011) Tepeyac« mit ihrem lieblichen und freudvollen und auf die grundlegenden offenen Fragen ist, die Antlitz, stellt sich als »die immer jungfräuliche auch heutzutage so viele Menschen des amerika- Maria, Mutter des wahren Gottes, durch den wir nischen Kontinents beschäftigen« (Nachsynoda- Audienz für eine Delegation aus der Ukraine leben« dar (Aus De la lectura del Oficio. Nicán les Apostol. Schreiben Ecclesia in America, 10). In Monohua, 12. Aufl., Mexikostadt, DF, 1971, 3– derselben Weise »dauert diese vielfältige Fürspra- 19). Das Gnadenbild erinnert an »die Frau, mit der che Marias durch ihre vielfältige Zustimmung, Zeichen der Geburt Christi Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren die sie bei der Verkündigung gläubig gab […], Ansprache von Papst Benedikt XVI. am 16. Dezember Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwir- ihrem Haupt. Sie war schwanger« (Offb 12,1–2), ken. In ihrer mütterlichen Liebe trägt sie Sorge und es weist die indigene Bevölkerung und die für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pil- Liebe Brüder und Schwestern! vertretenden Ministerpräsidenten, Herrn Koles- Mestizen auf die Gegenwart des Erlösers hin. Sie gerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnis- nikov Borys. Ich danke für die an mich gerichte- führt uns immer zu ihrem göttlichen Sohn hin, sen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen« Ich freue mich, Sie zu empfangen und einen ten freundlichen Worte sowie für den großen der sich als Urgrund der Würde aller Menschen (Lumen gentium, 62). jeden herzlich zu begrüßen. Weihnachtsbaum, der den Petersplatz schmückt, offenbart, als eine Liebe, die stärker als die Kräfte Während derzeit an verschiedenen Orten La- Nach diesen Worten auf ukrainisch sagte der und auch für die Ikone. Einen besonderen Ge- des Bösen und des Todes und Quelle der Freude, teinamerikas des 200. Jahrestages der Unabhän- Heilige Vater auf italienisch: danken richte ich an die verehrten Vertreter der kindlichen Vertrauens, des Trostes und der Hoff- gigkeit gedacht wird, schreitet der Weg der Inte- Ich begrüße den Großerzbischof von Kiew- orthodoxen Kirche mit dem Erzbischof von Pol- nung ist. gration auf diesem geliebten Kontinent weiter Halycˇ, Swjatoslaw Schewtschuk, den Erzbischof tava und Myrhorod und bringe meine aufrichtige Nach diesen Worten auf spanisch fuhr der voran, während man gleichzeitig auf Weltebene von Leopoli der Lateiner, Mieczyslaw Mokr- Wertschätzung für die Bedeutung ihrer Anwe- Papst auf portugiesisch fort: seinen neuauflebenden Protagonismus wahr- zycki, und den Eparchen von Mukacevo, Milan senheit zum Ausdruck. Schließlich grüße ich alle Das Magnifikat, das wir im Evangelium ver- nimmt. Unter diesen Umständen ist es wichtig, Sˇasˇik, gemeinsam mit den anderen Mitbrüdern Ukrainer – die in der Heimat sowie die, die in alle künden, ist »zugleich das Loblied der Gottesmut- daß die verschiedenen Völker Lateinamerikas im Bischofs- und im Priesteramt der griechisch- Welt zerstreut und auch hier in Rom anwesend ter und der Kirche, der Lobgesang der Tochter ihren reichen Glaubensschatz und ihre histo- katholischen Kirche und der lateinischen Kirche; sind. Zion und des neuen Gottesvolkes. Es ist ein risch-kulturelle Dynamik dadurch bewahren, ich schließe in mein herzliches Gedenken alle Dieser Baum wird neben der Krippe, die ge- Danklied für die Fülle der Gnaden, die in der daß sie sich immer als Verteidiger des Lebens von Gläubigen der Ukraine ein, die Sie hier repräsen- rade aufgebaut wird, bis zum Ende der Weih- Heils ökonomie gespendet werden, ein Lied der seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen tieren. Mein hochachtungsvoller Gruß gilt auch ›Armen‹, deren Hoffnung überreich erfüllt wird, Ende und als Förderer des Friedens erweisen; den zivilen Autoritäten, insbesondere dem stell- Fortsetzung auf Seite 14 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATO 12 Dokume

Botschaft Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. z Die jungen Menschen zur Gerech

1. Der Anfang eines neuen Jahres, das ein Ge- Hauptaufgabe der ganzen Gesellschaft für den Werte, die ein konstruktives und friedliches Zu- schenk Gottes an die Menschheit ist, regt mich Aufbau einer Zukunft in Gerechtigkeit und Frie- sammenleben gestatten. In der Familie lernt man an, von Herzen und mit großer Zuversicht an alle den. die Solidarität zwischen den Generationen, die einen besonderen Glückwunsch zu richten für Es geht darum, den jungen Menschen die Achtung der Regeln, die Vergebung und die An- diese Zeit, die vor uns liegt, daß sie konkret von Wertschätzung für die positive Bedeutung des nahme des anderen«.1 Sie ist die erste Schule, in Gerechtigkeit und Frieden geprägt sei. Lebens zu vermitteln, indem man in ihnen den der man zur Gerechtigkeit und zum Frieden er- Mit welcher Einstellung soll man auf das neue Wunsch weckt, es für den Dienst am Guten ein- zogen wird. Jahr schauen? In Psalm 130 finden wir ein sehr zusetzen. Das ist eine Aufgabe, in der wir alle per- Wir leben in einer Welt, in der die Familie und schönes Bild. Der Psalmist sagt, daß der gläubige sönlich gefordert sind. auch das Leben selbst ständig bedroht und nicht Mensch auf den Herrn wartet, »mehr als die Die in letzter Zeit von vielen Jugendlichen in selten zerbrochen bzw. aufgesplittert ist. Arbeits- Wächter auf den Morgen« (V. 6); er erwartet ihn verschiedenen Regionen der Welt geäußerten bedingungen, die oft kaum mit der familiären Ver- mit fester Hoffnung, denn er weiß, daß er Licht, Sorgen drücken den Wunsch aus, mit begründe- antwortung in Übereinstimmung gebracht wer- Barmherzigkeit, Heil bringen wird. Diese Erwar- ter Hoffnung in die Zukunft schauen zu können. den können, Sorgen um die Zukunft, frenetische tung geht aus der Erfahrung des auserwählten Im gegenwärtigen Augenblick gibt es viele Lebensrhythmen, Migrationen auf der Suche Volkes hervor, das erkennt, von Gott dazu erzo- Aspekte, die sie mit Besorgnis erfüllen: der nach einem angemessenen Unterhalt, wenn gen zu sein, die Welt in ihrer Wahrheit zu sehen Wunsch, eine Ausbildung zu erhalten, die sie nicht nach dem bloßen Überleben erschweren und sich von den Nöten nicht niederschlagen zu gründlicher darauf vorbereitet, sich der Wirklich- schließlich die Möglichkeit, den Kindern eines lassen. Ich lade euch ein, mit dieser zuversichtli- keit zu stellen; die Schwierigkeit, eine Familie zu der kostbarsten Güter zu sichern: die Anwesen- chen Einstellung auf das Jahr 2012 zu schauen. Es bilden und einen sicheren Arbeitsplatz zu finden; heit der Eltern – eine Anwesenheit, die ein im- stimmt, daß im zu Ende gehenden Jahr das Ge- die effektive Fähigkeit, einen Beitrag zur Welt der mer tieferes Miteinander auf dem Weg erlaubt, fühl der Frustration zugenommen hat durch die Politik, der Kultur und der Wirtschaft zu leisten um jene Erfahrung und jene im Laufe der Jahre Krise, welche die Gesellschaft, die Arbeitswelt für die Bildung einer Gesellschaft, deren Gesicht gewonnenen Sicherheiten weitergeben zu kön- und die Wirtschaft bedrängt – eine Krise, deren menschlicher und solidarischer ist. nen, die man nur mit der gemeinsam verbrachten Wurzeln vor allem kultureller und anthropologi- Es ist wichtig, daß diese Fermente und der ide- Zeit vermitteln kann. Den Eltern möchte ich na- scher Art sind. Es scheint beinahe, als habe ein alistische Antrieb, den sie enthalten, in allen Tei- helegen, nicht den Mut zu verlieren! Mit dem dichter Schleier unsere Zeit in Dunkelheit gehüllt len der Gesellschaft die gebührende Aufmerk- Beispiel ihres Lebens sollen sie ihre Kinder er- und erlaube nicht, das Tageslicht deutlich zu er- samkeit finden. Die Kirche sieht voller Hoffnung muntern, die Hoffnung vor allem auf Gott zu set- kennen. auf die Jugendlichen, sie vertraut ihnen und er- zen, von dem allein echte Gerechtigkeit und ech- In dieser Dunkelheit hört jedoch das Herz des mutigt sie, nach der Wahrheit zu suchen, das Ge- ter Friede ausgehen. Menschen nicht auf, das Morgenrot zu erwarten, meinwohl zu verteidigen, weltoffene Perspekti- Ich möchte mich auch an die Verantwortli- Auch die Jugendlichen müssen den Mut ha- von dem der Psalmist spricht. Diese Erwartung ist ven zu haben und Augen, die fähig sind, »Neues« chen der Einrichtungen wenden, die Erziehungs- ben, zuallererst selber das zu leben, was sie von bei den jungen Menschen besonders lebendig zu sehen (Jes 42,9; 48,6)! aufgaben haben: Sie mögen mit großem Verant- ihrer Umgebung fordern. Es ist eine große Ver- und augenscheinlich, und deshalb wenden sich wortungsgefühl darüber wachen, daß die Würde antwortung, die sie betrifft: Sie sollen die Kraft ha- meine Gedanken an sie, in Anbetracht des Bei- Die für die Erziehung jeder Person unter allen Umständen geachtet und ben, ihre Freiheit in guter und verantwortungs- trags, den sie für die Gesellschaft leisten können Verantwortlichen zur Geltung gebracht wird. Durch eine Beglei- voller Weise zu gebrauchen. Auch sie sind und müssen. So möchte ich die Botschaft zum tung, welche die Gaben fruchtbar werden läßt, verantwortlich für ihre Erziehung und Bildung 45. Weltfriedenstag unter dem Aspekt der Erzie- 2. Die Erziehung ist das faszinierendste und die der Herr einem jeden gewährt hat, mögen sie zur Gerechtigkeit und zum Frieden! hung vorstellen: »Die jungen Menschen zur Ge- schwierigste Abenteuer des Lebens. Erziehen – dafür Sorge tragen, daß jeder junge Mensch seine rechtigkeit und zum Frieden erziehen«, in der lateinisch »educere« – bedeutet, einen Menschen persönliche Berufung entdecken kann. Sie sollen Zur Wahrheit Überzeugung, daß sie mit ihrer Begeisterung und über sich selbst hinauszuführen, um ihn in die den Familien die Sicherheit geben, daß ihren Kin- und zur Freiheit erziehen ihrem idealistischen Ansporn der Welt eine neue Wirklichkeit einzuführen, in eine Fülle, die ihn dern ein Bildungsweg geboten wird, der nicht im Hoffnung geben können. wachsen läßt. Dieser Prozeß wird gespeist durch Gegensatz zu ihrem Gewissen und ihren religiö- 3. Der hl. Augustinus hat sich gefragt: »Quid die Begegnung zweier Freiheiten, sen Prinzipien steht. enim fortius desiderat anima quam veritatem? – der des Erwachsenen und der des Möge jeder Bereich pädagogischer Arbeit ein Was ersehnt der Mensch stärker als die Wahr- Es geht darum, den jungen Menschen die Jugendlichen. Er verlangt die Ver- Ort der Offenheit gegenüber dem Transzenden- heit?«2 Das menschliche Gesicht einer Gesell- Wertschätzung für die positive Bedeutung des antwortung des Schülers, der offen ten und gegenüber den anderen sein; ein Ort des schaft hängt sehr vom Beitrag der Erziehung ab, Lebens zu vermitteln, indem man in ihnen den sein muß, sich zur Erkenntnis der Dialogs, des Zusammenhalts und des Hörens, in diese nicht zu unterdrückende Frage lebendig zu Wunsch weckt, es für den Dienst am Guten Wirklichkeit führen zu lassen, und dem der Jugendliche spürt, daß seine persönli- erhalten. Denn die Erziehung betrifft die ganz- einzusetzen. Das ist eine Aufgabe, die des Erziehers, der bereit sein chen Möglichkeiten und inneren Werte zur Gel- heitliche Bildung des Menschen, einschließlich in der wir alle persönlich gefordert sind. Die in muß, sich selbst zu verschenken. tung gebracht werden, und lernt, seine Mitmen- der moralischen und spirituellen Dimension des letzter Zeit von vielen Jugendlichen in verschiedenen Daher sind vor allem authentische schen zu schätzen. Mögen sie dazu anleiten, die Seins, im Hinblick auf sein letztes Ziel und auf das Regionen der Welt geäußerten Sorgen drücken Zeugen notwendig und nicht bloße Freude zu empfinden, die daraus entspringt, daß Wohl der Gesellschaft, deren Glied er ist. Darum den Wunsch aus, mit begründeter Hoffnung in die Austeiler von Regeln und Informa- man Tag für Tag Liebe und Mitgefühl gegenüber muß man, um zur Wahrheit zu erziehen, Zukunft schauen zu können. tionen; Zeugen, die weiter zu dem Nächsten praktiziert und sich aktiv am Auf- zunächst einmal wissen, was der Mensch ist, Meine Botschaft richtet sich auch an die El- blicken vermögen als die anderen, weil ihr Leben bau einer menschlicheren und brüderlicheren muß man seine Natur kennen. Bei der Betrach- tern, die Familien, an alle, die mit der Erziehung weitere Räume umfaßt. Zeuge ist derjenige, der Gesellschaft beteiligt. tung dessen, was ihn umgibt, überlegt der Psal- und der Ausbildung betraut sind, sowie an die den Weg, den er vorschlägt, zuerst einmal vor- Sodann wende ich mich an die Verantwortli- mist: »Seh ich den Himmel, das Werk deiner Fin- Verantwortlichen in den verschiedenen Berei- lebt. chen in der Politik und fordere sie auf, den Fami- ger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist chen des religiösen, gesellschaftlichen, politi- Welches sind die Orte, an denen eine wirkli- lien und den Erziehungseinrichtungen konkret der Mensch, daß du an ihn denkst, des Men- schen, wirtschaftlichen, kulturellen Lebens und che Erziehung zum Frieden und zur Gerechtig- zu helfen, ihr Recht der Erziehung, das zugleich schen Kind, daß du dich seiner annimmst?« (Ps in dem Bereich der Kommunikation. Aufmerk- keit reift? Vor allem die Familie, denn die Eltern eine Pflicht ist, wahrzunehmen. Niemals darf es 8,4–5). Das ist die grundlegende Frage, die man sam auf die Welt der Jugend sein und es verste- sind die ersten Erzieher. Die Familie ist die Keim- an einer angemessenen Unterstützung der Mut- sich stellen muß: »Was ist der Mensch?« Der hen, sie anzuhören und zur Geltung zu bringen, zelle der Gesellschaft. »In der Familie erlernen ter- und Vaterschaft fehlen. Die Politiker mögen Mensch ist ein Wesen, das einen Durst nach Un- ist nicht nur zweckmäßig, sondern es ist eine die Kinder die menschlichen und christlichen dafür sorgen, daß niemandem der Zugang zur endlichkeit im Herzen trägt, einen Durst nach Ausbildung verweigert wird und daß die Fami- Wahrheit – nicht nach einer Teilwahrheit, son- lien frei die Erziehungseinrichtungen wählen dern nach der Wahrheit, die den Sinn des Lebens können, die sie für das Wohl ihrer Kinder als am zu erklären vermag –, denn er ist als Gottes Ab- besten geeignet ansehen. Sie mögen sich dafür bild und ihm ähnlich erschaffen worden. Dank- einsetzen, die Zusammenführung jener Familien bar das Leben als unschätzbares Geschenk zu er- zu fördern, die aufgrund der Notwendigkeit, kennen führt also zur Entdeckung der eigenen ihren Unterhalt zu bestreiten, getrennt sind. Den inneren Würde und der Unantastbarkeit jedes jungen Menschen sollen sie ein lauteres Bild der Politik als eines wahren Dienstes für das Wohl al- Anmerk ler bieten. Außerdem kann ich nicht umhin, an die Welt 1 Benedikt XVI., Ansprache an die Verwaltungsmit- der Medien zu appellieren, ihren erzieherischen arbeiter der Region Latium, der Stadt und der Provinz Beitrag zu leisten. In der heutigen Gesellschaft Rom (14. Januar 2011): L’Osservatore Romano (dt.), kommt den Massenkommunikationsmitteln eine Jg. 41, Nr. 4 (28. Januar 2011), S. 7. besondere Rolle zu: Sie informieren nicht nur den 2 Kommentar zum Johannesevangelium, 26,5. Geist ihrer Adressaten, sondern sie formen ihn 3 Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate auch und können folglich beträchtlich zur Erzie- (29. Juni 2009), 11: AAS 101 (2009), 648; vgl. Paul VI., hung der Jugendlichen beitragen. Es ist wichtig, Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), 14: sich vor Augen zu halten, daß die Verbindung AAS 59 (1967), 264. zwischen Erziehung und Kommunikation 4 Benedikt XVI., Ansprache bei der Eröffnung der äußerst eng ist: Die Erziehung ereignet sich ja Pastoraltagung der Diözese Rom zum Thema Familie durch Kommunikation, welche die Bildung des (Lateranbasilika, 6. Juni 2005): AAS 97 (2005) 816; Menschen positiv oder negativ beeinflußt. L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 35, Nr. 24, S. 8. ORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache entation 13 zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2012 htigkeit und zum Frieden erziehen

hung gar nicht möglich: Denn ohne das Licht der Friede auf Erden herrscht nur dann, wenn die allem stand (vgl. 1 Kor 13,1–13). Wahrheit sieht sich früher oder später jeder persönlichen Güter gesichert sind, die Menschen Liebe junge Freunde, ihr seid ein kostbares Mensch dazu verurteilt, an der Qualität seines ei- frei miteinander verkehren können, die Würde Geschenk für die Gesellschaft. Laßt euch ange- genen Lebens und der Beziehungen, aus denen der Personen und der Völker geachtet und die sichts der Schwierigkeiten nicht von der Entmu- es sich zusammensetzt, ebenso zu zweifeln wie Brüderlichkeit unter den Menschen gepflegt tigung überwältigen, und gebt euch nicht an der Wirksamkeit seines Einsatzes dafür, ge- wird.«8 Der Friede ist die Frucht der Gerechtig- falschen Lösungen hin, die sich oft als der ein- meinsam mit anderen etwas aufzubauen«.4 keit und die Wirkung der Liebe. Er ist vor allem fachste Weg zur Überwindung der Probleme prä- Um seine Freiheit auszuüben, muß der ein Geschenk Gottes. Wir Christen glauben, daß sentieren. Scheut euch nicht, euch einzusetzen, Mensch also den relativistischen Horizont über- Christus unser wahrer Friede ist: In ihm, in sei- Mühen und Opfer auf euch zu nehmen, die Wege winden und die Wahrheit über sich selbst und die nem Kreuz, hat Gott die Welt mit sich versöhnt zu wählen, die Treue und Beständigkeit, Demut Wahrheit über Gut und Böse erkennen. Im In- und die Schranken zerstört, die uns voneinander und Hingabe verlangen. Lebt eure Jugend und die nern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein trennten (vgl. Eph 2,14–18); in ihm gibt es eine tiefe Sehnsucht nach Glück, Wahrheit, Schönheit Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem einzige, in der Liebe versöhnte Familie. und echter Liebe, die ihr verspürt, mit Zuversicht! er gehorchen muß und dessen Stimme ihn zur Doch der Friede ist nicht nur ein Geschenk, Lebt dieses Lebensalter, das so reich und voller Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlas- das man empfängt, sondern auch ein Werk, das Begeisterung ist, ganz intensiv. sung des Bösen aufruft und dazu, die Verantwor- man aufbauen muß. Um wirklich Friedensstifter Seid euch bewußt, daß ihr selbst den Erwach- tung für das vollbrachte Gute und das getane zu sein, müssen wir uns zum Mitgefühl, zur Soli- senen Vorbild und Ansporn seid, und das um so Böse zu übernehmen.5 Deswegen ist die Aus - darität, zur Zusammenarbeit und zur Brüderlich- mehr, je mehr ihr euch anstrengt, Ungerechtig- übung der Freiheit zuinnerst an das natürliche keit erziehen, in der Gemeinschaft aktiv sein und keiten und Korruption zu überwinden, je mehr Sittengesetz gebunden, das universaler Art ist, die wachsam, die Gewissen aufzurütteln für die na- ihr eine bessere Zukunft ersehnt und euch ein- Würde eines jeden Menschen ausdrückt, die Ba- tionalen und internationalen Fragen und für die setzt, um sie aufzubauen. Seid euch eurer Mög- sis seiner fundamentalen Rechte und Pflichten Wichtigkeit, geeignete Bestimmungen zur Um- lichkeiten bewußt und verschließt euch nie in und also letztlich des gerechten und friedlichen verteilung der Güter, zur Förderung des Wachs- euch selbst, sondern versteht, für eine Zukunft zu Zusammenlebens der Menschen bildet. tums, zur Zusammenarbeit an der Der rechte Gebrauch der Freiheit steht also im Entwicklung und zur Lösung von Der Friede ist die Frucht der Gerechtigkeit Mittelpunkt der Förderung von Gerechtigkeit Konflikten zu suchen. »Selig, die Frie- und die Wirkung der Liebe. Er ist vor allem und Frieden, welche die Achtung vor sich selbst den stiften; denn sie werden Söhne ein Geschenk Gottes. Wir Christen glauben, und gegenüber dem anderen verlangen, auch Gottes genannt werden«, sagt Jesus in daß Christus unser wahrer Friede ist: wenn dieser weit von der eigenen Seins- und Le- der Bergpredigt (Mt 5,9). In ihm, in seinem Kreuz, Menschen. Darum besteht die erste Erziehung bensweise abweicht. Aus dieser Haltung ent- Der Friede für alle entspringt aus hat Gott die Welt mit sich versöhnt darin zu lernen, im Menschen das Bild des Schöp- springen die Elemente, ohne die Frieden und Ge- der Gerechtigkeit eines jeden, und und die Schranken zerstört, fers zu erkennen, folglich eine hohe Achtung für rechtigkeit Worte ohne Inhalt bleiben: das niemand kann sich dieser wesentli- die uns voneinander trennten. jedes menschliche Wesen zu hegen und den an- gegenseitige Vertrauen, die Fähigkeit, einen kon- chen Verpflichtung entziehen, die deren zu helfen, ein dieser höchsten Würde ent- struktiven Dialog zu führen, die Möglichkeit der Gerechtigkeit gemäß den eigenen Zuständigkei- arbeiten, die für alle heller ist. Ihr seid nie allein. sprechendes Leben zu verwirklichen. Man darf Vergebung, die man so viele Male erhalten ten und Verantwortlichkeiten zu fördern. Beson- Die Kirche vertraut euch, sie begleitet euch, er- niemals vergessen, daß »die echte Entwicklung möchte, sich jedoch schwer tut, sie zu gewähren, ders die jungen Menschen, in denen das Streben mutigt euch und möchte euch das wertvollste an- des Menschen einheitlich die Gesamtheit der Per- die wechselseitige Liebe, das Mitgefühl gegen - nach den Idealen immer lebendig ist, bitte ich, die bieten, was sie hat: die Möglichkeit, die Augen zu son in all ihren Dimensionen betrifft«,3 ein- über den Schwächsten wie auch die Opferbereit- Geduld und die Hartnäckigkeit zu haben, die Ge- Gott zu erheben, Jesus Christus zu begegnen, schließlich der transzendenten, und daß man schaft. rechtigkeit und den Frieden zu suchen, den Ge- dem, der die Gerechtigkeit und der Friede selber nicht den Menschen opfern darf, um ein speziel- schmack am Gerechten und Wahren zu pflegen, ist. les Gut – sei es wirtschaftlicher oder sozialer, in- Zur Gerechtigkeit erziehen auch wenn das möglicherweise mit Opfern ver- An euch alle, Männer und Frauen, denen die dividueller oder gemeinschaftlicher Art – zu er- bunden ist und verlangt, gegen den Strom zu Sache des Friedens am Herzen liegt: Der Friede langen. 4. In unserer Welt, in der die Bedeutung der schwimmen. ist nicht ein schon erreichtes Gut, sondern ein Allein in der Beziehung zu Gott begreift der Person, ihrer Würde und ihrer Rechte jenseits der Ziel, das wir alle und jeder einzelne anstreben Mensch auch die Bedeutung der eigenen Frei- Absichtserklärungen ernstlich bedroht ist durch Die Augen zu Gott erheben müssen. Blicken wir mit größerer Hoffnung auf heit. Und es ist Aufgabe der Erziehung, zu echter die verbreitete Tendenz, ausschließlich auf Krite- die Zukunft, ermutigen wir uns gegenseitig auf Freiheit heranzubilden. Diese besteht nicht im rien der Nützlichkeit, des Profits und des Besitzes 6. Angesichts der schwierigen Herausforde- unserem Weg, arbeiten wir, um unserer Welt ein Fehlen von Bindungen oder in der Herrschaft der zurückzugreifen, ist es wichtig, den Begriff der rung, die Wege der Gerechtigkeit und des Frie- menschlicheres und brüderlicheres Gesicht zu Willkür, sie ist nicht der Absolutismus des Ich. Gerechtigkeit nicht von seinen transzendenten dens zu gehen, können wir versucht sein, uns geben, und fühlen wir uns vereint in der Verant- Der Mensch, der sich selbst absolut setzt, der Wurzeln zu trennen. Die Gerechtigkeit ist ja nicht wie der Psalmist zu fragen: »Ich hebe meine Au- wortung für die gegenwärtigen und die kom- meint, von nichts und niemandem abhängig zu eine bloße menschliche Vereinbarung, denn was gen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe?« menden jungen Generationen, besonders indem sein und alles tun zu können, was er will, wider- gerecht ist, wird nicht ursprünglich vom positi- (Ps 121,1). Zu allen, besonders zu den jungen wir sie dazu erziehen, friedliebend und Friedens- spricht letztlich der Wahrheit seines eigenen ven Gesetz bestimmt, sondern von der tiefen Menschen möchte ich mit Nachdruck sagen: stifter zu sein. In diesem Bewußtsein sende ich Seins und verliert seine Freiheit. Der Mensch ist Identität des Menschen. Es ist die ganzheitliche »Nicht die Ideologien retten die Welt, sondern al- euch diese Überlegungen und richte meinen Ap- vielmehr ein relationales Wesen, das in Bezie- Anschauung des Menschen, die es erlaubt, nicht lein die Hinwendung zum lebendigen Gott, der pell an euch: Vereinen wir unsere geistigen, mo- hung zu den anderen und vor allem zu Gott lebt. in eine vom Vertragsdenken beeinflußte Auffas- unser Schöpfer, der Garant unserer Freiheit, der ralischen und materiellen Kräfte, um »die jungen Die echte Freiheit kann niemals erreicht werden, sung der Gerechtigkeit zu verfallen, sondern Garant des wirklich Guten und Wahren ist … die Menschen zur Gerechtigkeit und zum Frieden zu indem man sich von Gott entfernt. auch ihr den Horizont der Solidarität und der radikale Hinwendung zu Gott, der das Maß des erziehen«. Die Freiheit ist ein kostbarer, aber heikler Liebe zu öffnen.6 Wir können nicht übersehen, Gerechten und zugleich die ewige Liebe ist. Und Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2011 Wert; sie kann mißverstanden und mißbraucht daß manche Strömungen der modernen Kultur, was könnte uns denn retten wenn nicht die werden. »Ein besonders tückisches Hindernis für gestützt auf rationalistische und individualisti- Liebe?«9 Die Liebe freut sich an der Wahrheit, sie die Erziehungsarbeit stellt heute in unserer Ge- sche Wirtschaftsprinzipien, den Begriff der Ge- ist die Kraft, die befähigt, sich für die Wahrheit, sellschaft und Kultur das massive Auftreten jenes rechtigkeit durch dessen Trennung von der Liebe die Gerechtigkeit, und den Frieden einzusetzen, Relativismus dar, der nichts als definitiv aner- und der Solidarität seiner transzendenten Wur- denn sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält kennt und als letzten Maßstab nur das eigene Ich zeln beraubt haben: »Die ›Stadt des Menschen‹ mit seinen Gelüsten gelten läßt und unter dem wird nicht nur durch Beziehungen auf der Anschein der Freiheit für jeden zu einem Ge- Grundlage von Rechten und Pflichten gefördert, fängnis wird, weil er den einen vom anderen sondern noch mehr und zuerst durch Verbindun- trennt und jeden dazu erniedrigt, sich ins eigene gen, die durch Unentgeltlichkeit, Barmherzigkeit ›Ich‹ zu verschließen. Innerhalb eines solchen re- und Gemeinsamkeit gekennzeichnet sind. Die lativistischen Horizonts ist daher wahre Erzie- Nächstenliebe offenbart auch in den menschli- chen Beziehungen immer die Liebe Gottes; diese kungen verleiht jedem Einsatz für Gerechtigkeit in der Welt einen theologalen und heilbringenden 5 Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Wert.« 7 Gaudium et spes, 16. »Selig, die hungern und dürsten nach der 6 Vgl. Benedikt XVI., Ansprache an den Bundes- Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden« tag (Berlin, 22. September 2011): L’Osservatore (Mt 5,6). Sie werden satt werden, weil sie hun- Romano (dt.) Jg. 41 (2011), Nr. 39 (30. September 2011), gern und dürsten nach rechten Beziehungen zu S. 4–5. Gott, zu sich selbst, zu ihren Mitmenschen und 7 Ders., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), zur gesamten Schöpfung. 6: AAS 101 (2009), 644–645. 8 Katechismus der Katholischen Kirche, 2304. Zum Frieden erziehen 9 Vgl. Benedikt XVI., Vigil mit den Jugend- lichen (Köln, 20. August 2005): AAS 97 (2005), 5. »Friede besteht nicht einfach darin, daß 885–886; L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 35, Nr. 34, kein Krieg ist; er läßt sich nicht bloß durch das S. 14. Gleichgewicht der feindlichen Kräfte sichern. 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 14 Dokumentation

Audienz für die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission Der Theologe ist dazu gerufen, ein Mensch des Advents zu sein Ansprache von Papst Benedikt XVI. am 2. Dezember

Herr Kardinal, Wir müssen immer wieder neu die Erfahrung verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, der ersten Jünger leben, die »an der Lehre der sehr geehrte Professoren Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen und Professorinnen, des Brotes und an den Gebeten festhielten« (Apg liebe Mitarbeiter! 2,42). In dieser Hinsicht hat die Kommission die Prinzipien und Kriterien studiert, nach denen Es ist mir eine große Freude, euch zum Ab- eine Theologie katholisch sein kann, und auch schluß der Jahresvollversammlung der Interna- über den aktuellen Beitrag der Theologie nachge- tionalen Theologenkommission empfangen zu dacht. Es ist wichtig, daran zu erinnern, daß die können. Ich möchte zuerst meinen herzlichen katholische Theologie, die immer auf die Verbin- Dank für die Worte aussprechen, die Herr Kardi- dung zwischen Glaube und Vernunft geachtet nal William Levada als Präsident der Internatio- hat, eine historische Rolle bei der Entstehung der nalen Theologenkommission im Namen von Universität gespielt hat. euch allen an mich gerichtet hat. Eine wahrhaft katholische Theologie mit Die Arbeiten der diesjährigen Versammlung ihren zwei Schritten – »intellectus quaerens fi- sind mit der ersten Adventswoche zusammenge- dem et fides quaerens intellectum« (die Vernunft, fallen. Bei dieser Gelegenheit erinnern wir uns die den Glauben sucht, und der Glaube, der das daran, daß jeder Theologe dazu gerufen ist, ein Verstehen sucht) – ist heute notwendiger denn je, Mensch des Advents zu sein, Zeuge der wachsa- um ein Zusammenspiel der Wissenschaften zu men Erwartung, die die Wege der Erkenntnis des Der Heilige Vater bei seiner Ansprache vor den Mitgliedern der Theologenkommission. ermöglichen und das heftige Abdriften einer Reli- fleischgewordenen Wortes erleuchtet. Wir kön- giosität, die sich der Vernunft widersetzt, und ei- nen sagen, daß die Kenntnis des wahren Gottes auf ihre Perspektiven, Prinzipien und Kriterien. im Namen Jesu Christi die Wahrheit Gottes, des ner Vernunft, die sich der Religion widersetzt, zu auf jene »Stunde«, in der der Herr wiederkom- Hinter dem Bekenntnis des christlichen Glau- Vaters, erkennen, auf welche der Heilige Geist al- vermeiden. men wird und die wir nicht kennen, ausgerichtet bens an den einen Gott steht das tägliche Glau- les Seufzen der Kreatur hinlenkt (vgl. Röm 8). Die Die Theologenkommission untersucht so- ist und sich ständig von ihr nährt. Wachsam zu bensbekenntnis des Volkes Israel: »Höre, Israel! Theologie kann im fruchtbaren Dialog mit der dann den Zusammenhang zwischen der Sozial- bleiben und die Erwartungshoffnung immer wie- Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig« (Dtn 6,4). Philosophie den Gläubigen helfen, sich bewußt lehre der Kirche und der gesamten christlichen der zu beleben, ist daher für ein korrektes theo- Die unglaubliche Erfüllung der freien Verfüg- zu machen und davon Zeugnis zu geben, daß der Lehre. Das soziale Engagement der Kirche ist we- logisches Denken, das seine Begründung in der barkeit der Liebe Gottes zu allen Menschen hat trinitarische Monotheismus uns das wahre Ant- der eine lediglich humane Angelegenheit noch Person dessen findet, der uns entgegenkommt sich in der Menschwerdung des Sohnes in Jesus litz Gottes zeigt, und dieser Monotheismus ist erschöpft sie sich in einer Gesellschaftstheorie. und unsere Kenntnis des Heils erleuchtet, keine Christus tatsächlich ereignet. In dieser Offenba- keine Quelle der Gewalt, sondern Kraft des per- Die von den Christen im Laufe der Jahrhunderte nebensächliche Aufgabe. rung des innersten Wesen Gottes und der Tiefe sönlichen und universalen Friedens. bewirkte Umgestaltung der Gesellschaft ist eine Heute möchte ich mit euch kurz über drei seines Liebesbundes mit dem Menschen wird Ausgangspunkt jeder christlichen Theologie Antwort auf das Kommen des Gottessohnes in Themen nachdenken, welche die Internationale der Monotheismus des einen Gottes von einem ist die persönliche Annahme dieser göttlichen die Welt: Der Glanz dieser Wahrheit und Liebe er- Theologenkommission seit einigen Jahren unter- völlig neuen Licht erleuchtet: vom Licht der Drei- Offenbarung: die persönliche Annahme des leuchtet jede Kultur und Gesellschaft. Der hl. Jo- sucht. Das erste Thema betrifft, wie gesagt faltigkeit. Und im Geheimnis der Dreifaltigkeit menschgewordenen Wortes, das Hören des Wor- hannes sagt: »Daran haben wir die Liebe erkannt, wurde, die für jedes theologische Nachdenken leuchtet auch die Brüderlichkeit zwischen den tes Gottes in der Schrift. Auf dieser Ausgangsba- daß Er sein Leben für uns hingegeben hat. So fundamentale Frage: die Gottesfrage und insbe- Menschen auf. sis hilft die Theologie beim gläubigen Verständnis müssen auch wir das Leben für die Brüder hin- sondere das Verständnis des Monotheismus. Die christliche Theologie muß zusammen mit des Glaubens und seiner Weitergabe. Die ganze geben« (1 Joh 3,16). Ausgehend von diesem umfassenden wissen- dem Leben der Gläubigen die glückliche und Geschichte der Kirche zeigt jedoch, daß die Aner- Die Jünger Christi, des Erlösers, wissen, daß schaftlichen Horizont habt ihr auch ein Thema klare Anschaulichkeit für die Wirkung der Offen- kennung des Ausgangspunktes nicht ausreicht, ohne wache Aufmerksamkeit für den anderen, kirchlichen Charakters vertieft: die Bedeutung barung der Trinität auf unsere Gemeinschaft wie- um zur Einheit im Glauben zu gelangen. Jedes Le- ohne Vergebung, ohne Liebe auch gegenüber den der kirchlichen Soziallehre, wobei ihr dann einer derherstellen. Auch wenn die ethnischen und re- sen der Bibel erfolgt notwendigerweise in einem Feinden keine menschliche Gemeinschaft in Thematik, die heute für das theologische Nach- ligiösen Konflikte in der Welt es schwieriger gegebenen Kontext der Lesung, und der einzige Frieden leben kann; und das beginnt in der er- denken über Gott große Aktualität besitzt, be- machen, die Einzigartigkeit des christlichen Den- Kontext, in dem der Glaubende sich in voller Ge- sten und fundamentalen Gemeinschaft: der Fa- sondere Aufmerksamkeit gewidmet habt: Die kens von Gott und des von ihm inspirierten Hu- meinschaft mit Christus fühlen kann, ist die Kir- milie. In der notwendigen Zusammenarbeit für Frage des status der Theologie heute, im Hinblick manismus anzunehmen, können die Menschen che und ihre lebendige Tradition. das Gemeinwohl auch mit denjenigen, die nicht unseren Glauben teilen, müssen wir auch die wahren und tiefen religiösen Beweggründe un- Offizielle Übergabe des Christbaums seres sozialen Engagements darlegen; ebenso er- warten wir von den anderen, daß sie uns ihre Fortsetzung von Seite 11 heimnis Gottes einzufinden, der in unserem Her- Motivationen darlegen, damit die Zusammenar- zen wohnt! beit in Klarheit erfolgt. Wer die Grundlagen des nachtszeit stehen bleiben, um von den Bewoh- Liebe Freunde, der Baum und die Krippe sind christlichen sozialen Handelns verstanden hat, nern Roms und den Pilgern bewundert zu wer- charakteristische Elemente der Weihnachtsat- wird darin auch einen Ansporn dazu finden, den den, die aus allen Teilen der Welt hierher kom- mosphäre, die zum geistlichen Erbe unserer Ge- Glauben an Christus Jesus auch für sich in Be- men. Der Tannenbaum ist ein bedeutungsvolles meinschaften gehören; einer von Frömmigkeit tracht zu ziehen. Zeichen der Geburt Christi, denn mit seinen im- und familiärer Vertrautheit erfüllten Atmosphäre, Liebe Freunde, unsere Begegnung bestätigt mergrünen Zweigen erinnert er an das Fortbeste- die wir auch in den heutigen Gesellschaften be- auf eindrucksvolle Weise, wie sehr die Kirche des hen des Lebens, und er ist auch ein Zeichen für wahren müssen, wo zuweilen der Konsumismus sachkundigen und gläubigen Nachdenkens der die Volksfrömmigkeit Ihrer Heimat und die christ- und das Streben nach materiellen Gütern zu do- Theologen über das Geheimnis des Gottes Jesu lichen Wurzeln Ihrer Kultur. Ich wünsche, daß minieren scheinen. Weihnachten ist ein christli- Christi und seiner Kirche bedarf. Ohne ein ge- diese Wurzeln die nationale Einheit Ihres Landes ches Fest, und seine Symbole stellen wichtige sundes und gewichtiges theologisches Nachden- immer mehr stärken mögen, indem sie die ech- Bezüge zum großen Geheimnis der Menschwer- ken liefe die Kirche Gefahr, die Harmonie zwi- ten, allen gemeinsamen Werte fördern. Im Lauf dung und der Geburt Jesu her, auf das die Liturgie schen Glaube und Vernunft nicht voll zum der Jahrhunderte war Ihr Land ein Kreuzungs- beständig verweist. Der Schöpfer der Welt ist ein Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig würde es der punkt verschiedener Kulturen, Ort der Begeg- Kind geworden und zu uns gekommen, um un- Theologie ohne die gläubig gelebte Gemeinschaft nung zwischen den geistlichen Reichtümern des seren Weg zu teilen; er hat sich klein gemacht, mit der Kirche und das Festhalten an ihrem Lehr- Ostens und des Westens. Möge es in der ausdau- um in das Herz des Menschen zu kommen und amt als Lebensraum der eigenen Existenz nicht ernden Treue zu den Werten des Glaubens wei- ihn so mit seiner Liebe zu erneuern. Bereiten wir gelingen, eine angemessene Begründung des Ge- ter auf diese besondere Berufung antworten kön- uns darauf vor, ihn gläubig zu empfangen. schenks des Glaubens zu geben. nen. Abschließend sagte der Heilige Vater wieder Während ich durch euch an alle Brüder und Sie haben dieser mächtigen Rottanne weitere auf ukrainisch: Schwestern, die als Theologen in den verschiede- kleinere Bäume für den Apostolischen Palast und dem wir unseren geistlichen Weg und die Bezie- Erneut bringe ich Ihnen allen, Ihren in der nen kirchlichen Bereichen tätig sind, gute Wün- andere Vatikangebäude hinzufügen wollen. hung zu Christus vertiefen. Unsere Zeit braucht Heimat verbliebenen Mitarbeitern und allen, die sche und Ermutigung richte, rufe ich auf euch die Diese Bäume werden zusammen mit den tradi- heilige Christen, die sich für ihren Glauben be- sich beim Transport des Baumes engagiert haben, Fürsprache Mariens, Frau des Advent und Mut- tionellen Trachten, der stimmungsvollen Musik geistern! Die Jungfrau Maria ist uns dabei Vorbild meinen tiefen Dank zum Ausdruck. Danke für ter des Mensch gewordenen Wortes herab, die und den lokalen Produkten typische Elemente Ih- und Führerin: Um den Willen Gottes für ihr Le- den Beitrag, den jeder von Ihnen so großherzig dadurch, wie sie das Wort in ihrem Herzen be- rer Heimat in Rom bekannt machen. Möge diese ben und die Bedeutung der Ereignisse zu verste- geleistet hat. Und ich nütze diese Gelegenheit, wahrte, für uns Vorbild des richtigen Umgangs Ihre Wallfahrt in der ganzen ukrainischen Ge- hen, die den Sohn Gottes betreffen, zeigt sie sei- um Ihnen meine herzlichen Wünsche zu den be- mit Theologie, das erhabene Vorbild der wahren meinschaft den Wunsch erneuern, den Glauben nen einzigartigen kontemplativen Blick: sie hört, vorstehenden Weihnachtsfeierlichkeiten zu Erkenntnis des Gottessohnes ist. Sie, der Stern freudig zu leben und zu bekennen sowie die beobachtet, bewahrt, meditiert, betet. Wie wich- übermitteln. Ich versichere Sie meines Gebetsge- der Hoffnung, möge die wertvolle Arbeit, die ihr Werte des Lebens, der Solidarität und des Frie- tig ist es, den Geschmack am Gebet wiederzufin- denkens für Sie, Ihre Familien, die Ukraine sowie für die Kirche und im Namen der Kirche leistet, dens zu fördern, die uns die Geburt Christi jedes den! Wie sehr müssen wir aufpassen, uns nicht für alle Ukrainer und erteile Ihnen von Herzen lenken und schützen. Mit diesen Gefühlen der Jahr vor Augen stellt. vom überstürzenden Tempo des Lebens über- den Apostolischen Segen. Ein gesegnetes Weih- Dankbarkeit erteile ich euch meinen Apostoli- In dieser Adventszeit lädt uns die Kirche ein, wältigen zu lassen, das uns daran hindert, in uns nachtsfest! schen Segen. Danke. uns auf die Geburt des Erlösers vorzubereiten, in- zu gehen und uns vor dem wunderbaren Ge- (Orig. ukrainisch, ital. in O.R. 17.12.2011) (Orig. ital. in O.R. 3.12.2011) 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan 15

Eucharistiefeier am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria in der Kirche Campo Santo Teutonico im Vatikan Gottes entgiftetes Neukonzept vom Menschen Homilie von Kurt Kardinal Koch am 8. Dezember

Christlicher Advent und schen wach. Daß diese Sehnsucht, die zutiefst warum die kirchliche Liturgie Maria als »tota weltlicher Gegenadvent den christlichen Advent ausmacht, nicht ins pulchra«, als ganz Schöne preist, die vom Leere geht, sondern ihre Antwort findet, dafür Gifttropfen der Erbsünde von allem Anfang an steht im christlichen Glauben Maria gut. Mit ihr befreit ist. Das Fest der ohne Erbsünde empfan- Der Advent ist die Zeit der hoffnungsvollen Er- wird uns jener neue Mensch vor Augen geführt, genen Jungfrau und Gottesmutter gehört deshalb wartung. In dieser Zeit stellen die biblischen Le- der von der Erbsünde entgiftet worden ist und in den Zenit des christlichen Advents. Denn die sungen in der Liturgie Erstaunliches und Erfreuli- dessen Beziehungen geheilt sind. In Maria zeigt ganze Schöpfung blickt voll Hoffnung auf Maria ches in Aussicht: Es wird verheißen, daß uns Gott das Konzept des neuen Menschen, das und bittet sie sehnsüchtig um ihr zustimmendes Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Win- er bereits bei der Konzeption, bei der Empfängnis Ja-Wort. In Maria fließt der ganze Advent der zermessern werden, weil die Menschen nicht Mariens im Schoß der Mutter Anna, verwirklicht Menschheit zusammen, wie dies Bernhard von mehr für den Krieg üben, sondern sich für den sehen wollte. Clairvaux mit eindringlichen Worten herausge- Ernstfall des Friedens einsetzen. Und es wird ver- stellt hat: »Der Engel erwartet deine Antwort, heißen, daß Wolf und Lamm beieinander woh- Jungfräulichkeit denn es ist Zeit, zu dem zurückzukehren, der ihn nen und daß der Säugling am Schlupfloch der als Zeichen des Advents gesandt hat…O Herrin, antworte das Wort, das Natter spielen kann, weil der Friede auch in die die Erde, das die Hölle, ja, das die Himmel erwar- ganze Schöpfung eingekehrt ist. Blickt man frei- Diesen neuen Menschen vermag freilich der ten. Wie der König und Herr aller nach deiner lich in die heutige Welt hinein, ist von diesen Ver- Mensch nicht selbst hervorzubringen. Er ist viel- Schönheit verlangte, so sehr ersehnt er deine zu- heißungen nicht viel zu spüren; unsere Welt ist mehr die unableitbare Initiative Gottes, wie stimmende Antwort« (Bernhard von Clairvaux, vielmehr von einem harten Gegenadvent ge- sie bereits das Volk Israel in seiner Geschichte er- In laudibus Virginis Matris = Hom IV. 8). zeichnet, in dem die Sprache der Waffen keines- fahren mußte, als es nach dem Desaster des ba- wegs schweigt und in dem auch die Schöpfung bylonischen Exils und den daraus folgenden Das Geheimnis Maria-Kirche leidet. zwiespältigen Erfahrungen mit verschiedenen Der christliche Advent mit seinen lichtvollen Königen aus dem Stammbaum Davids die Lehre Maria ist die adventliche Gestalt schlechthin, Erwartungen stellt diesen weltlichen Gegenad- aus seiner Geschichte ziehen mußte, indem es Der Schweizer Kardinal an der am deutlichsten sichtbar wird, was christ- vent keineswegs in Frage und verdrängt ihn auch sich wiederum Gott zugewandt hat, dessen Heil licher Advent ist. Der Evangelist Lukas bringt dies nicht. Er stellt ihn vielmehr realistisch fest, und auf dem Weg einer Jungfrau in die Welt kommen ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du ge- in einer besonders schönen Weise dadurch zum zwar gerade mit dem heutigen Hochfest der ohne wird. Denn hinter der Verheißung beim Prophe- bären: dem sollst du den Namen Jesus geben.« Im Ausdruck, daß er Maria als die zweifach Advent- Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmut- ten Jesaja, daß eine junge Frau ein Kind empfan- Licht der biblischen Botschaft wird evident, was liche zeichnet, nämlich zunächst am Beginn ter Maria. Indem dieses Fest es nämlich wagt, Ma- gen und einen Sohn gebären wird, dem sie den Unfruchtbarkeit und Jungfrauengeburt uns auch seines Evangeliums, wo Maria die Geburt ihres ria als jene Frau zu bezeichnen und zu feiern, die Namen Immanuel geben wird, steht die Glau- heute sagen wollen: Gottes Heil kommt über- Sohnes erwartet, und am Beginn der Apostelge- »ohne Erbsünde empfangen« worden ist, bestätigt bensüberzeugung, die in Israel immer mehr ge- haupt nicht von uns Menschen und aus unserer schichte, wo Maria die Geburt der Kirche an es gerade die Herrschaft der Erbsünde in der Welt. reift ist, daß der messianische König, der sein Volk eigenen Macht, sondern einzig und allein von Pfingsten erwartet. Es gibt eine offensichtliche Deren Unwesen erblickt die christliche Tradition endgültig in die Freiheit, auch und gerade in die Gott und seiner Gnade her. Die Jungfrauengeburt Entsprechung zwischen der Inkarnation des darin, daß aus Bösem immer wieder Böses ent- Freiheit von Sünde und Tod, führen werde, nicht ist das Zeichen radikaler Hoffnung auf Gott, näm- Gottessohnes in Maria in der Kraft des Heiligen steht und Sünde immer wieder Sünde hervor- einfach der Samenkraft eines menschlichen lich das Symbol der reinen Gnade Gottes, die Geistes und der Geburt der Kirche an Pfingsten bringt und somit alle Sünden in der Geschichte Mannes verdankt sein kann, sondern Gott allein. selbst dort noch neues Leben hervorbringt, wo ebenfalls in der Kraft des Heiligen Geistes. miteinander zusammenhängen. Papst Bene- Vor diesem alttestamentlichen Hintergrund menschliche Unfruchtbarkeit nichts mehr in die Es gibt diese Entsprechung vor allem deshalb, dikt XVI. vergleicht deshalb die Erbsünde mit leuchtet auch der tiefere Sinn dessen auf, daß der Welt zu bringen vermag. Maria verheißt, daß weil Maria das Urbild der Kirche ist und weil die Recht mit einem »Gifttropfen« in uns Menschen, Gottessohn von einer Jungfrau geboren werden Gottes Gnade unendlich viel stärker ist als die Kirche umgekehrt ihr personales Zentrum und und er spricht von einem schmutzigen Fluß, der wollte. An sich wäre es durchaus möglich gewe- menschliche Schwachheit und daß sie diese die volle Verwirklichung ihrer Bestimmung in die Gestaltung der menschlichen und mensch- sen, daß Jesus in einer ganz normalen Ehe gebo- nochmals überwinden kann. Maria findet. Da Ja-Wort Mariens erhält von da- heitlichen Geschichte vergiftet hat und weiterhin ren worden wäre. Daß es aber beim Geheimnis her für die Kirche als ganze wie für den einzelnen vergiftet (vgl. Benedikt XVI., Predigt am Hochfest der Jungfrauengeburt in keiner Weise um eine Begnadete Freiheit Christen eine prototypische Bedeutung. Die Kir- der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Abwertung der ehelichen Gemeinschaft geht, che ist berufen, in Maria ihr Spiegelbild zu sehen Gottesmutter Maria am 8. Dezember 2005, in: dies zeigt sich freilich erst, wenn wir wiederum Von daher wird auch verständlich, warum der und in der marianischen Grundhaltung zu leben, O.R. dt., Nr. 50 vom 16.12.2005, S. 7f.). ins Alte Testament zurückblicken und in diesem Erzengel Gabriel im heutigen Evangelium Maria in der sie wie Maria ganz auf Gott hin ausge- Die Heilige Schrift führt uns dabei vor Augen, erahnen, wie sehr sich das Geheimnis Mariens als »Begnadete« anspricht. Denn das griechische streckt ist und sich von ihm entgiften läßt. daß sich der Gifttropfen der Erbsünde vor allem bereits in ihm vorbereitet hat: Wort für Gnade (»charis«) leitet sich vom gleichen Dieses Geheimnis einer marianisch geprägten in die Beziehung des Menschen mit Gott mischt, Dieses Geheimnis ist vorgebildet in Sara, die Wortstamm her wie das Wort für Freude und lebenden Kirche kommt sehr schön bei un- so daß er Gott als seinen Konkurrenten erschei- unfruchtbar gewesen ist und erst im hohen Grei- (»chara«). Nach biblischer Überzeugung ist die seren Weihnachtskrippen zum Ausdruck. Sie nen läßt, dem der Mensch nicht trauen kann, von senalter, als ihre Lebenskräfte dahingeschwun- Gnade die Quelle aller Freude und kommt die sind ja nicht einfach volkstümliche Darstellungen dem er sich vielmehr befreien zu müssen glaubt. den waren, zur Mutter Isaaks und damit zur Mut- Freude aus der Gnade. In seiner wahren Tiefe von Glaubenswahrheiten, sondern führen viel- Darin besteht die Grundversuchung des Men- ter des erwählten Volkes geworden ist, und zwar freuen kann sich nur, wer in der Gnade steht. Da- mehr in deren Kernmitte hinein. In ihnen hat schen, die bereits im Paradies von der Schlange allein durch die Kraft Gottes. Dieses Geheimnis bei gilt es zu bedenken, daß Gnade nicht einfach man sehr bald das Geheimnis der Kirche selbst an den Menschen herangetragen worden ist und wird wiederum sichtbar in Anna, der Mutter Sa- ein von Gott kommendes Etwas ist, sondern Gott wahrgenommen, und zwar vor allem in der Ge- die sich durch die Vergiftung der Gottesbezie- muels, die ebenfalls als Unfruchtbare schließlich selbst, der auf den Menschen zukommt. Gnade stalt Marias. Denn die Weihnachtskrippen zei- hung auch auf die anderen menschlichen Bezie- neues Leben geboren hat, und wiederum bei Eli - ist im tiefsten ein Beziehungswort, weshalb der gen, daß die Kirche in erster Linie marianisch und hungen ausgewirkt hat, wie dies in den ersten sabeth, der Mutter des Johannes des Täufers, auf Zuspruch des Engels an Maria »Freue Dich, Du erst in zweiter Linie apostolisch ist: In der Tradi- Kapiteln der Genesis eindrücklich geschildert die sich der Erzengel Gabriel bei der Verkündi- Begnadete« zugleich das Geschenk einschließt, tion hat man den Bischof als Repräsentanten des wird: angefangen von der Vertreibung des Men- gung explizit bezieht: »Auch Elisabeth, deine Ver- daß Gottes Gnade den Menschen gerade nicht apostolischen Prinzips in Josef vorgebildet gese- schen aus dem Paradies über die Störung der wandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn emp- passiv macht, sondern ihn zu seiner erlösten Frei- hen. Der blühende Stab, den er auf vielen Bildern Mann-Frau-Beziehung über den Brudermord bis fangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie heit erweckt. trägt, wurde dahingehend gedeutet, daß in Josef zur Sintflut. Wer mit offenen Augen in die heutige jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist Diese erlöste Freiheit findet ihren schönsten der Urtyp des christlichen Bischofs aufscheint. Welt hineinblickt, für den ist die Erbsünde nicht nichts unmöglich.« Ausdruck in dem großartigen wie großzügigen Ja- Denn wie Josef ist auch der Bischof als Sachwal- nur als empirische Realität mit Händen zu grei- In dieser Reihe steht Maria, die als Jungfrau Je- Wort, das Maria im heutigen Evangelium auf die ter des Geheimnisses Gottes und als Hüter des fen, sondern in dem wird auch immer wieder die sus das Leben schenken wird, wie der Evangelist Verkündigung durch den Erzengel Gabriel Heiligtums bestellt. Es ist aber Maria, auf die der Sehnsucht nach Erlösung der vergifteten Bezie- Lukas die Geburt Jesu kommentiert und in ihr die spricht. Dieses Ja-Wort Mariens spiegelt das Wort Heilige Geist herabkommt und sie zum neuen hungen und der vergifteten Herzen der Men- prophetische Verheißung erfüllt sieht: »Du wirst der Liebe Gottes ungetrübt, eben in »unbefleckter Tempel, zur Kirche macht. Empfängnis« wieder. In dieser personifizierten Je mehr die Kirche dieses marianische Ge- Entsprechung zwischen dem göttlichen Wort heimnis lebt und Gottes entgiftetes Neukonzept Prominente neue Mitglieder in der Erzbruderschaft und der geschöpflich-menschlichen Antwort ist des Menschen, das er in Maria begonnen hat, Maria die personale Darstellung der zur Antwort verwirklicht, desto mehr kann Advent werden Rom/Vatikanstadt. Traditionsgemäß niel Anrig, mit dessen Frau in die Gemein- gerufenen Freiheit des Geschöpfs, die sich in der und desto deutlicher kann die Sendung der Kir- werden jedes Jahr am 8. Dezember neue Mit- schaft aufnehmen. Die Mitgliedschaft von Liebe vollendet: »Indem sich Maria… in ihrer to- che in unserer Welt sichtbar werden, nämlich glieder in die Erzbruderschaft zur Schmerz- Oberst Anrig soll auch ein Ausdruck der hi- talen Abhängigkeit zeigt, bringt sie in Wirklich- nicht im schmutzigen Fluß zu schwimmen, der haften Muttergottes beim Campo Santo Teu- storischen Verbundenheit zwischen dem keit eine Haltung völliger Freiheit zum Ausdruck, die Gestaltung der menschlichen Geschichte ver- tonico aufgenommen. In diesem Jahr freute Campo Santo und der Schweizergarde sein. die darin gründet, daß sie ihre wahre Würde ganz giftet hat, sondern im entgifteten Fluß der Gnade sich Rektor Dr. Hans-Peter Fischer ganz be- Kardinal Brandmüller konnte am 8. De- erkennt«(Benedikt XVI., Predigt bei der Feier des zu schwimmen und dieses reine Wasser zu den sonders, konnte er doch neben weiteren Mit- zember nicht anwesend sein, deshalb erfolgt 150. Jahrestages der Erscheinungen in Lourdes Menschen zu bringen, so daß der Gegenadvent gliedern zwei Kardinäle – den deutschen Ku- die offizielle Aufnahme am Sonntag, 8. Januar am 14. September 2008; in: O.R. dt., Nr. 38 vom in der heutigen Welt durch den wahrhaft christli- rienkardinal Walter Brandmüller und den 2012 im Rahmen einer feierlichen heiligen 19.9.2008, S. 16). chen Advent überwunden werden und die Kir- Schweizer Kardinal Kurt Koch – und den Kom- Messe, der der Kardinal als Hauptzelebrant In Maria, dem vornehmsten Geschöpf, steht che als adventliche Hoffnungsgemeinschaft mandanten der Schweizergarde, Oberst Da- vorstehen wird. der Beginn jener neuen Menschheit vor uns, die glaubwürdig in Erscheinung treten kann. Denn in erlöster Freiheit lebt und in der das Gegengift die Kirche ist per definitionem eine Gemeinschaft der Liebe wirksam ist. Hier liegt der tiefste Grund, der Hoffnung und deshalb des Advents. 23. Dezember 2011 / Nummer 51/52 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 16 Kirche in der Welt

Dankgottesdienst mit Kardinal Josef Paul Cordes in der deutschen Nationalkirche »Santa Maria dell’Anima« zum Abschluß der Restaurierungsarbeiten »Was uns im Alter trägt« Licht und Glanz kehrten in den Altarraum ein Neues Jahrbuch 2012 der Diözese Gurk Rom. Mit einer Festmesse hat stammt. Der Kardi- die deutschsprachige Gemeinde nal bedankte sich »Santa Maria dell’Anima« am ver- für die Ehrung und gangenen Sonntag dem deutschen berichtete über Kurienkardinal für Etappen seiner seine Arbeit und Verbundenheit ge- 28jährigen Arbeit dankt. Von 1980 bis zu seiner Pen- im Vatikan, insbe- sionierung vor einem Jahr habe der sondere über seine Kardinal Papst und Vatikan an wich- Reisen an Krisen- tigen Positionen vertreten, betonte und Katastrophen- »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben der Rektor von »Santa Maria orte der Welt. Im an« – Der Refrain des bekannten Schlagers dell’Anima«, Msgr. Franz Xaver Auftrag des Pap- des mittlerweile selbst 77jährigen Udo Jür- Brandmayr. Mit dem Gottesdienst stes habe er den gens ist programmatisch für die Sehnsucht wurde zugleich der erste Teil der Re- Menschen etwa unserer Gesellschaft nach immerwähren- staurierungsarbeiten der Kirche ab- nach dem Tsunami der Aktivität, Attraktivität und Vitalität. Alt geschlossen, die wieder in hellem 2004 oder in Bür- werden wollen alle, alt sein jedoch die we- Glanz erstrahlt. gerkriegsgebieten nigsten. Mit Kardinal Cordes zelebrierten die Verbundenheit Das neu erschienene Jahrbuch 2012 dessen Nachfolger als Präsident des der Kirche bekun- der Diözese Gurk versucht, das Thema »Al- Päpstlichen Rats »Cor Unum«, Kar- det und Hilfsmaß- ter« aus der gesellschaftlichen Tabuzone dinal , und der Pader- nahmen besprochen. den »Grundwasserspiegel des Glau- burt Mariens und auf welcher ihr herauszuholen. Ziel ist eine breite Darstel- borner Erzbischof Hans-Josef Immer wieder habe er bei seinen bens« zu heben. Weiter berichtete Tod dargestellt sei, so Msgr. Brand- lung des Alters und des Alterns, und zwar Becker, aus dessen Di özese Cordes Missionen auch den Regierungs- der Kardinal über seine Mitarbeit an mayr. Das wohl berühmteste Kunst- fernab von beschönigendem Alterslob oberhäuptern ins Gewissen geredet der Enzyklika von Papst Bene- werk im restaurierten Altarraum ist oder pessimistischer Altersklage. 14 pro- und die Achtung von Menschen- dikt XVI. »Caritas in veritate«. das Grabmal von Hadrian VI., des minente Autorinnen und Autoren be- rechten angemahnt, führte Kardinal Der Gottesdienst fand zum Ab- letzten deutschen Papstes. schreiben in ihren Beiträgen die Chancen Cordes aus. Zudem habe er deutlich schluß der Restaurierungsarbeiten Nach der Fertigstellung des und Potenziale, aber auch die Grenzen die- gemacht, daß kirchliche Hilfsarbeit im Altarraum der Kirche statt. Nach Altarraums gehen die Arbeiten in ses Lebensabschnittes. Die Beiträge span- aus christlichen Wurzeln und aus der Restaurierung dominieren im »Santa Maria dell’Anima« weiter. nen thematisch einen großen Bogen, vom Glaubensmotivation geleistet wer- Altarraum nun wieder die Farben Bis Mitte 2014 soll Stück für Stück Umgang mit Altersdepression in der An- den müsse. Er habe sich dafür ein- Gold und Weiß und die Farben- die gesamte ab dem Jahr 1500 er- tike über die vorbildhafte Rolle der Alten in gesetzt, in der karitativen Tätigkeit pracht der Fresken und Altarbilder. richtete Kirche gesäubert, erneuert der afrikanischen Kultur, das Thema »Alter Eine Überraschung im Verlauf der und dadurch heller werden. Rektor in der Heiligen Schrift« bis hin zu den Le- Hell und prachtvoll erscheint nun Arbeiten war etwa die Qualität der Brandmayr hofft, bis dahin einen bensweisheiten einer fast 100 Jahre alt ge- der Altarraum der Kirche »Santa beiden großen Marienfresken von modernen Künstler für die Gestal- wordenen Kärntnerin. Maria dell’Anima« (Bilder links und Lodovico Stern (1709–1777) rechts tung des hintersten Teils des Got- Die Publikation, die unter der redaktio- oben). und links oberhalb des Altarbildes. teshauses zu finden. nellen Gesamtverantwortung von Presse- Die Termine in der Kirche am Heili- Diese seien so schmutzig gewesen, Pfarre und Priesterkolleg haben sprecher Matthias Kapeller erstellt wurde, gen Abend sind: 16.30 Uhr Krip- daß er sogar in den Kirchenführern eine wichtige Brückenfunktion zwi- kann ab sofort bestellt werden unter: penfeier für Kinder und Familien; habe nachschauen müssen, um zu schen der Weltkirche und der Kir- www.kath-kirche-kaernten.at zum Preis 22 Uhr Christmette. wissen, auf welcher Seite die Ge- che im deutschsprachigen Raum. von o 9,00 (exkl. Porto).

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