Plenarprotokoll 14/36

Deutscher

Stenographischer Bericht

36. Sitzung

Bonn, Freitag, den 23. April 1999

I n h a l t :

Abweichung von den Richtlinien für die Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie heit Gila Altmann (BÜNDNIS 90/DIE der Vereinbarung über die Befragung der GRÜNEN) (Drucksache 14/798) ...... 2910 D Bundesregierung in der Sitzungswoche ab Dr. Guido Westerwelle F.D.P...... 2911 A 3. Mai 1999...... 2891 A Jürgen Koppelin F.D.P...... 2912 A Tagesordnungspunkt 11: Dr. Klaus Grehn PDS ...... 2912 C Zweite und dritte Beratung des von der Ilse Janz SPD...... 2912 D Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Dr. Guido Westerwelle F.D.P...... 2914 C eines Dritten Gesetzes zur Änderung Ilse Janz SPD...... 2914 D des Finanzausgleichsgesetzes (Druck- sachen 14/487, 14/812, 14/813) ...... 2891 B CDU/CSU ...... 2915 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 2916 C BMF...... 2891 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P...... 2917 C Peter Jacoby CDU/CSU...... 2893 A PDS ...... 2918 A Volker Kröning SPD...... 2894 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P...... 2918 C Dr. Barbara Hendricks SPD...... 2895 B Tagesordnungspunkt 12: Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 2896 B Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Michael Luther, , weiteren Dr. F.D.P...... 2899 A Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU Volker Kröning SPD...... 2899 D eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Forde- Dr. Uwe-Jens Rössel PDS...... 2901 C rungen der Bauhandwerker (Bauvertrags- Reinhard Klimmt, Ministerpräsident (Saar- gesetz) (Drucksache 14/673)...... 2919 A land)...... 2902 D in Verbindung mit Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU ...... 2905 D Horst Schild SPD...... 2908 D Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Jürgen Türk, Zusatztagesordnungspunkt 10: , weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Zahlungsverzug bekämpfen – Verfah- Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, weite- ren beschleunigen – Mittelstand stärken rer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. (Drucksache 14/567)...... 2919 A Entlassung der Parlamentarischen Staats- sekretärin im Bundesministerium für in Verbindung mit II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. , Freitag, den 23. April 1999

Zusatztagesordnungspunkt 11: PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Aufhebung des Altschuldenhilfe- Antrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Gesetzes (Altschuldenhilfe-Aufhebungs- Dr. , weiterer Abgeordneter gesetz) (Drucksache 14/568) ...... 2932 A und Fraktion PDS Zahlungsforderungen schneller durch- c) Antrag der Abgeordneten Christine setzen – Zahlungsunmoral bekämpfen Ostrowski, Dr. Ilja Seifert und der Frak- (Drucksache 14/799) ...... 2919 B tion PDS Novellierung des Eigenheimzulagenge- Jürgen Türk F.D.P...... 2919 B setzes (Drucksache 14/471) ...... 2932 A Alfred Hartenbach SPD ...... 2920 A Christine Ostrowski PDS...... 2932 B Sabine Kaspereit SPD...... 2920 D Dr. SPD ...... 2933 C Dr. Michael Luther CDU/CSU ...... 2921 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU...... 2935 C Jürgen Türk F.D.P...... 2922 A Christine Ostrowski PDS...... 2936 C Dr. Michael Luther CDU/CSU ...... 2922 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN...... 2937 C DIE GRÜNEN ...... 2924 C F.D.P...... 2938 C Rolf Kutzmutz PDS ...... 2925 D Nächste Sitzung ...... 2939 C Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD...... 2927 B Andrea Voßhoff CDU/CSU...... 2928 A Anlage 1 Rainer Funke F.D.P...... 2930 A Liste der entschuldigten Abgeordneten ...... 2941 A Dirk Manzewski SPD ...... 2930 C

Anlage 2 Tagesordnungspunkt 14: Zu Protokoll gegebene Rede zum Antrag der a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Abgeordneten Jürgen Türk, Cornelia Pieper, Christine Ostrowski, Gerhard Jüttemann weiterer Abgeordneter und der Fraktion und der Fraktion PDS eingebrachten Ent- F.D.P.: Zahlungsverzug bekämpfen – Ver- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des fahren beschleunigen – Mittelstand stärken Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (Tagesordnungspunkt 13) ...... 2941 D (Drucksache 14/461) ...... 2931 D b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anlage 3 Christine Ostrowski, Dr. Christa Luft, weiteren Abgeordneten und der Fraktion Amtliche Mitteilungen...... 2942 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2891

(A) (C)

36. Sitzung

Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Dr. : Guten Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe ist eröffnet. Kolleginnen und Kollegen! Es bleibt richtig, Herr Präsi- dent, daß ich natürlich der SPD-Fraktion angehöre. Aber Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung ver- ich spreche heute in meiner Eigenschaft als Parlamenta- einbart, daß in der Haushaltswoche vom 3. Mai keine rische Staatssekretärin. Regierungsbefragung, keine Fragestunden und keine Aktuellen Stunden stattfinden sollen. Sind Sie damit (Beifall bei der SPD) einverstanden? – Das ist der Fall. Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Mit dem heute zu verhandelnden Gesetzentwurf tra- gen wir einem grundsätzlichen Merkmal unseres föde- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: ralen Systems Rechnung: Solidarität bei aller Unter- schiedlichkeit der Länder in ihrer finanziellen Aus- Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- gangslage und Wirtschaftskraft. Diese Solidarität be- (B) regierung eingebrachten Entwurfs einesDritten weist sich gerade dann, wenn sich Glieder der bundes-(D) Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichs- staatlichen Gemeinschaft in einer unverschuldeten fi- gesetzes nanziellen Notlage befinden. Um eine solche Maßnahme – Drucksache 14/487 – zur solidarischen Unterstützung durch die Fortsetzung (Erste Beratung 27. Sitzung) der Sanierungshilfen für und das Saarland han- delt es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf. a) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanz- ausschusses (7. Ausschuß) Bremen und das Saarland befinden sich schon seit – Drucksache 14/812 – Mitte der 70er Jahre auf Grund der Strukturkrisen von Schiffbau-, Montan- und Stahlindustrie in einer schwie- Berichterstattung: rigen Haushaltslage. Die Zinsbelastungen waren weit Abgeordnete Horst Schild überdurchschnittlich. Die beiden Länder waren nicht Jochen-Konrad Fromme mehr in der Lage, ihre Nettokreditaufnahme verfas- b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus-sungskonform zu begrenzen. schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Das Bundesverfassungsgericht hat am 27. Mai 1992 – Drucksache 14/813 – die extreme Haushaltsnotlage Bremens und des Saarlan- Berichterstattung: des festgestellt und die Unterstützungspflicht der bun- Abgeordnete Peter Jacoby desstaatlichen Gemeinschaft hervorgehoben. Deswegen Hans Georg Wagner hat der Bund die beiden Länder in den Jahren 1994 bis Oswald Metzger 1998 jährlich mit Hilfen in Höhe von zusammen 3,4 Dr. Günter Rexrodt Milliarden DM unterstützt. Dr. Uwe-Jens Rössel Gleichzeitig hatten Bremen und das Saarland Aufla- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für gen zur Verwendung der Sanierungshilfen zu erfüllen. die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Auch Hierzu gehörten die Begrenzung des Ausgabenwachs- hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es tums, so die Nutzung der Zinsersparnisse für wirtschafts- beschlossen. kraftfördernde Investitionen oder zur weiteren Rückfüh- rung der Verschuldung. Diese Auflagen sind eingehalten Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hatworden, was im Finanzplanungsrat stets anerkannt wor- die Kollegin Barbara Hendricks von der SPD-Fraktion den ist. das Wort. – Nein, die Parlamentarische Staatssekretärin Hendricks, Entschuldigung. (Beifall des Abg. Volker Kröning [SPD]) 2892 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks (A) – Ja, ein Beifall für die Länder Bremen und Saarland Die Sanierungshilfen werden mit der zu erwartenden (C) schadet an dieser Stelle nicht. Annäherung an die Finanzsituation der anderen Länder schrittweise bis zum Jahre 2004 auf 700 Millionen DM (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ in Bremen und 500 Millionen DM im Saarland zurück- DIE GRÜNEN) geführt. Damit wird ein abrupter Strukturbruch verhin- Es ist erfreulich, wenn wir heute feststellen können, dert. Die Länder können sich auf das Auslaufen der Sa- daß die Sanierungshilfen in Bremen und dem Saarland nierungshilfen vorbereiten. Eine verläßliche Haushalts- erste Erfolge zeigen. Die Unterstützung ist nicht wir-wirtschaft ist möglich. kungslos verpufft. Der Abstand zur Finanzlage in den anderen Ländern ist spürbar geringer geworden, und Nach Auslaufen der Sanierungshilfen sollen Bremen auch beim Wirtschaftswachstum haben sie wieder An- und das Saarland einen verfassungsgemäßen Haushalt schluß an die anderen Länder gewonnen. Dies ist für die vorlegen können. Dabei muß beiden Ländern klar sein: längerfristige Gesundung der Finanzen in Bremen und Mit dem Jahr 2004 muß die Sanierungsaktion abge- dem Saarland von zentraler Bedeutung. schlossen sein; die Sanierungshilfen werden auslaufen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Genauso wichtig wie die Hilfe des Bundes ist ein DIE GRÜNEN) deutlicher Eigenbeitrag. Beide Länder sind hierzu be- reit. Dies ist erfreulich, aber zugleich auch eine Selbst- Gleichwohl ist das Sanierungsziel in Bremen undverständlichkeit, wenn man Hilfe von anderen erhält. dem Saarland noch nicht erreicht. Weiterhin ist die Zinsvorbelastung in beiden Ländern deutlich höher als Die Maßgaben der Sanierungshilfen sind dabei insge- im Durchschnitt der Länder. Ohne Sanierungshilfensamt strenger als in den Jahren 1994 bis 1998. Bremen könnten beide Länder immer noch keinen verfassungs- und das Saarland müssen ihre restriktive Haushaltspoli- gemäßen Haushalt aufstellen. Die Nettokreditaufnahme tik fortsetzen. Der Ausgabenzuwachs ist unter den Emp- wäre weit höher als die Investitionen. Dies liegt nichtfehlungen des Finanzplanungsrates zu halten. Die kon- zuletzt an den erheblichenSteuermindereinnahmen sumtiven Ausgaben müssen sogar spürbar geringer auf allen staatlichen Ebenen in den letzten Jahren, diewachsen. Bremen und das Saarland sollten versuchen, die finanzschwachen Länder mit entsprechenden Vor- diese Obergrenzen im eigenen Interesse klar zu unter- belastungen besonders hart getroffen haben. schreiten. Weitergehende Einsparungen können länger- fristig zusätzliche Freiräume für eine eigenständige Fi- Deshalb ist es unstrittig: Um die noch bestehendenanzpolitik Bremens und des Saarlandes schaffen. Haushaltsnotlage in Bremen und dem Saarland endgül- tig zu überwinden und die bisherigen Fortschritte in den Die Finanzierungsspielräume, die sich durch die beiden Ländern nicht in Frage zu stellen, ist die weitere Zinsersparnisse aus den Sanierungshilfen ergeben, sind (B) Gewährung von Sanierungshilfen notwendig. grundsätzlich zur Schuldentilgung zu verwenden. Das (D) Saarland kann aus den Zinsersparnissen außerdem wirt- Grundsätzlich ist die bundesstaatliche Gemeinschaft, schaftskraftfördernde Investitionen zur Abfederung des also Bund und Länder, verfassungsrechtlich zur HilfeAbbaus der Beschäftigung imKohlebergbau tätigen. verpflichtet. Es ist jedoch weder der alten noch der neu- Bremen und das Saarland werden jährlich Berichte über en Bundesregierung gelungen, die Länder für eine di-den Fortgang der Haushaltssanierung vorlegen. rekte Beteiligung an den Sanierungshilfen zu gewinnen. Der Bund kommt deshalb der Verpflichtung des Bun- Mit dem Gesetzentwurf liegt somit insgesamt ein desstaates mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nach,schlüssiges Konzept vor, die Haushaltsnotlagen in Bre- indem er die Lasten wiederum allein trägt. men und im Saarland in der Verbindung von Sanie- rungshilfen und deutlichem Eigenbeitrag zu überwinden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die Höhe der Sanierungshilfen wird gegenüber dem DIE GRÜNEN) Sanierungszeitraum von 1994 bis 1998 insgesamt spür- Ich möchte noch einen ergänzenden Hinweis geben: bar abgesenkt werden. Sie betragen im Zeitraum 1999 Dem Gesetzentwurf wurde im Finanzausschuß ein neuer bis 2004 für Bremen 7,7 Milliarden DM und für dasArt. 2 zur Änderung des Gemeindefinanzreformgeset- Saarland 5 Milliarden DM. Bremen erhält dabei höhere zes angefügt. Hierbei handelt es sich um Änderungen im Sanierungshilfen, da die Zinsvorbelastung je Einwohner Zusammenhang mit der Neuberechnung des Vertei- spürbar höher als im Saarland ist. lungsschlüssels für den Gemeindeanteil an der Umsatz- Im Jahre 1999 betragen die Sanierungshilfen für Bre- steuer, die unter Wahrung des Statistikgeheimnisses den men 1,8 Milliarden DM und für das Saarland 1,2 Milliar- Informationsfluß an die Gemeinden und ihre Verbände den DM. Die gleiche Größenordnung für 1999 hielt auch sicherstellen. der Finanzminister der alten Bundesregierung, Herr Wai- Herzlichen Dank. gel, zur Sanierung für notwendig und hatte dies den be- troffenen Ländern schriftlich mitgeteilt. Daß die alte Bun- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ desregierung hierfür jedoch im Haushalt keinerlei Vor- DIE GRÜNEN) sorge getroffen hatte, entlarvt ein weiteres Mal die unsoli- de Haushaltswirtschaft der Vorgängerregierung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE nächster Redner hat der Kollege Peter Jacoby von der GRÜNEN – [CDU/CSU]: Oh!) CDU/CSU-Fraktion das Wort. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2893

(A) Peter Jacoby (CDU/CSU): Herr Präsident! meine Hoffnungen, die 1993 mit den in den Folgejahren(C) Damen und Herren! Die heute zu beschließende Fortset- jährlich bereitgestellten Haushaltshilfen verbunden wa- zung der Sanierungshilfen für die Bundesländer Bremen ren, haben sich im Blick auf Bremen und das Saarland und das Saarland bedeutet in allererster Linie Kontinui- dennoch nicht erfüllt. Das kommt in der Regierungs- tät: Kontinuität in der Umsetzung des Urteils des Bun- vorlage zu dem heute zu verabschiedenden Gesetz zum desverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1992, Kontinui- Ausdruck; das belegen wichtige Indikatoren wie die Pro- tät im solidarischen Verhalten des Bundes gegenüberKopf-Verschuldung, die Zinsausgabenquote, die Zins- zweier Bundesländer, die auf Unterstützung angewiesen steuerquote, die Defizitquoten und etliches anderes sind, und im übrigen Kontinuität im Blick auf die einge- mehr. Das eine oder andere mag besser geworden sein setzten Instrumente, nämlich Sanierungshilfen in Form – darauf hat Frau Staatssekretärin Hendricks hingewie- von Sonderbundesergänzungshilfen bereitzustellen sen –; es gibt aber auch berechtigte Kritik, die ebenfalls und das Ganze mit entsprechenden Auflagen zu verse- angesprochen werden muß. hen. Daher bedeutet das Dritte Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes mit der auf sechs Jahre ange- Die Kritik ist zum Beispiel dergestalt, daß sich die Landespolitik zuweilen auf das Erschließen von Trans- legten Gewährung weiterer Sanierungshilfen in der Grö- ferleistungen reduziere, ohne daß der eigentlich ent- ßenordnung von insgesamt 12,7 Milliarden DM die scheidenden Frage, nämlich der Verbreiterung und Mo- Fortsetzung einer Politik, die mit dem Jahre 1994 be- dernisierung der wirtschaftlichen Struktur oder der Ver- gann und deshalb gerade den Stempel der Vorgänger- besserung der hausgemachten Standortfaktoren, dieselbe koalition aus CDU/CSU und F.D.P. trägt. Aufmerksamkeit zuteil wurde. Dabei gab es im Verlauf Selbstverständlich gelten auch heute noch die zentra- der Sanierung durchaus interessante Unterschiede in der len Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes vomGestaltung des Strukturwandels zwischen dem Bundes- Mai 1992 und die in dem Urteil angelegten Maßstäbe. land Bremen und dem Bundesland Saarland. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ich möchte daran erinnern, daß es Gutachter gegeben ordneten der SPD) hat, die vor Jahren von den Landesregierungen selbst Ich möchte daran erinnern, daß das Gericht damals aus- eingeschaltet worden sind und die expressis verbis auf führte, beide Bundesländer befänden sich in einer ex-Papier gebracht haben, daß der Zufluß an hohenBun- tremen Haushaltsnotlage, aus der sie sich aus eigenerdesergänzungszuweisungen alleine noch keine hinrei- Kraft nicht befreien könnten. Das normale dreistufigechende Erfolgsbedingung für eine definitive Überwin- Instrumentarium des bundesstaatlichen Finanzausgleichs dung einer Haushaltsnotlage eines Bundeslandes sei. – Steueraufteilung, horizontaler Finanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen im Rahmen des verti- Vielmehr – so diese Gutachter – würden die finanz- politischen Perspektiven eines Landes in erster Linie da- (B) kalen Finanzausgleichs – reiche zur Behebung der be- (D) stehenden Probleme nicht aus. Karlsruhe sah und sieht von abhängen, ob es gelänge, Bedingungen zu schaffen, in dieser Lage das bundesstaatliche Prinzip als solches die zukunftsorientierte Industrien, moderne Dienst- berührt. Es geht – so hat es das Gericht formuliert – „um leistungen anzögen; denn nur dann könne erwartet wer- das Einstehen füreinander als Ausdruck der im Bundes- den, daß in diesen Ländern die Wachstumsrate des So- staat bestehenden Solidargemeinschaft von“ – meinezialprodukts zunehme und dadurch die Last der öffent- Damen und Herren, jetzt kommt eine entscheidendelichen Verschuldung zumindest relativ gesenkt werden Passage – „Bund und Ländern“. könne. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es bleibt also auch in einer Debatte wie der des heu- tigen Tages zu sagen, daß es im Blick auf die Wahrneh- Das Urteil war nicht in den Wind gesprochen; es blieb auch keine Theorie. Vielmehr war es der Hintergrund, vor mung der landespolitischen Verantwortung nach wie vor dem im Jahre 1993 Bremen und dem Saarland anläßlich Entscheidendes zu tun gibt. Auch das, glaube ich, gehört der damals stattgefundenen Solidarpaktverhandlungendazu. Sanierungshilfen in Höhe von 1,8 Milliarden DM bzw. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 1,6 Milliarden DM, und zwar jährlich über fünf Jahre hinweg, bewilligt wurden – alles mit dem Ziel, es den Sei es, wie es sei. An einer Fortführung der Hilfen – beiden Ländern zu ermöglichen, finanzwirtschaftlich wie- so hat es auch die vom Finanzplanungsrat eingesetzte der Anschluß an die Gesamtheit der Bundesländer zu fin- Bund-Länder-Arbeitsgruppe schon im letzten Jahr, al- den, an denen es sich zu orientieren gilt. so vor dem Regierungswechsel, gesehen – führt kein Weg vorbei. Ich stelle fest: Auch in der zügigen Umsetzung des Karlsruher Urteils aus dem Jahre 1992 gab es gerade Frau Staatssekretärin Hendricks hat dankenswerter- auch im Blick auf die zurückliegenden Jahre nicht bloß weise darauf hingewiesen, daß dies auch die Sicht von ein wohlfeiles, den Föderalismus beschwörendes Lip- Bundesfinanzminister Waigel und der Vorgängerregie- penbekenntnis. Ganz im Gegenteil: Nicht zuletzt aufrung gewesen ist. In der Tat gibt es einen Briefwechsel dem Gebiet der öffentlichen Finanz- und Haushaltswirt- zwischen Waigel und dem bremischen Finanzsenator schaft erwies der Bund schon bisher – das soll auchPerschau, in dem die frühere Bundesregierung bekundet heute so sein; insofern stellen wir uns in diese Konti-hat, weitere Hilfen über 1998 hinaus zu gewähren. nuität – vor allem im Blick auf Bremen und das Saar- land seine handfeste Solidarität. Ferner heißt es im Entwurf zum Bundeshaushalt 1999, der noch vor dem Regierungswechsel eingebracht (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) worden ist, expressis verbis – Zitat –: 2894 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Peter Jacoby (A) Es ist beabsichtigt, die 1998 auslaufenden Sanie-Minister Waigel für die bisherige Zusammenarbeit ma- (C) rungshilfen für die Länder Bremen und das Saar- chen – so freundlich, dies dem Hause zu bestätigen. land auf der Grundlage der Entscheidung des Bun- desverfassungsgerichts als gemeinsame Finanzie- rung von Bund und Ländern fortzusetzen. Peter Jacoby (CDU/CSU): Herr Kollege Kröning, ich will Ihre Frage unter Bezugnahme auf Ihre frühere (Volker Kröning [SPD]: Aber mehr auch Tätigkeit als Finanzsenator des Bundeslandes Bremen nicht!) beantworten. Nach den Entscheidungen zum Bundes- Aus Bundessicht haushalt 1999 in der Verantwortung der Bundesregie- rung hat der bremische Senat aus SPD und CDU eine – so ist damals formuliert worden – Senatsvorlage gefertigt – ich habe sie zu dieser Debatte mitgebracht –, im folgenden steht: kommt dabei für 1999 eine Größenordnung von ca. 3 Milliarden DM insgesamt in Betracht. Erstens würden die imFinanzausgleichsgesetz bis 31.12.1998 befristeten Sanierungshilfen für Bremen und 3 Milliarden DM ist genau der Ansatz, der jetzt etati- das Saarland fortgesetzt. Das habe Bundesfinanzminister siert wird, zugegebenermaßen in der Verantwortung des Waigel gegenüber dem Land Bremen zum Ausdruck ge- Bundes. Aber dazu ist durchaus die eine oder andere bracht und es auch im Entwurf des Bundeshaushaltes Bemerkung zu machen; das will ich gern tun. mit Rechtsqualität versehen. Zweitens halte der Bund Ich möchte, was die rückwärtsgewandten Aspekte in für 1999 einen Betrag von insgesamt 3 Milliarden DM der Rede von Frau Hendricks anbelangt, doch darauffür beide Länder für angemessen. Drittens solle die Fi- hinweisen, daß auch die beiden Bundesländer Bremen nanzierung – zugegebenermaßen – je zur Hälfte von und das Saarland sehr wohl davon ausgegangen sind,Bund und Ländern erfolgen. Der Bundesfinanzminister daß es eine Fortsetzung der solidarischen Hilfe des Bun- erkläre auch ausdrücklich, daß die Fortsetzung der Sa- des und der Länder, und zwar in der genannten Größen- nierungshilfen auf der Grundlage der Entscheidung des ordnung von 3 Milliarden DM, geben wird; denn beide Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1992 erfolgen Länder haben vor dem Regierungswechsel bei ihrersolle. Etatplanung für 1999 in ihren Haushalten entsprechende Weil das so ist, Kollege Kröning, bin ich wirklich der Ansätze ausgebracht. Das heißt, man konnte davon aus- Auffassung, daß es überhaupt keinen Sinn macht, im gehen – die beiden Länder haben dies getan –, daß dem nachhinein – deshalb habe ich mich auf das bezogen, bündischen Prinzip weiterhin Rechnung getragen würde. was Staatssekretärin Hendricks vorgetragen hat – Zwei- Insofern hätte ich die herzliche Bitte, Frau Staatssekretä- fel an der Entschlossenheit des Bundes aufkommen zu rin, daß Sie nicht rückwärtsgewandt die falschen De- lassen, sich gemeinsam mit den Ländern voll in die Ver- (B) batten führen, sondern nach vorne schauen, und das (D) antwortung zu stellen, was die Fortsetzung der Sanie- dann mit Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion. rungshilfen zugunsten der Bundesländer Bremen und (Beifall bei der CDU/CSU) Saarland anbelangt. Wenn Sie dafür sind, keine rück- wärtsgewandten Debatten zu führen, dann unterlassen Sie es bitte. Das möchte ich zu Ihrer Zwischenfrage sa- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr gen. Kollege Jacoby, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kröning aus Bremen? (Beifall bei der CDU/CSU)

Peter Jacoby (CDU/CSU): Selbstverständlich. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Jacoby, erlauben Sie eine weitere Zwischenfra- ge des Kollegen Kröning? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön. Peter Jacoby (CDU/CSU): Ja.

Volker Kröning (SPD): Herr Kollege Jacoby, auch ich möchte die Einmütigkeit, die sich im Hause abzeich- Volker Kröning (SPD): Herr Kollege Jacoby, zum net, nicht in Gefahr bringen. Aber Sie tragen mindestens parlamentarischen Dialog gehört sicherlich, daß man in dem Maße wie Frau Staatssekretärin Hendricks zurverschiedener Auffassung ist, wie man sich einläßt. Sie Vergangenheitsbewältigung bei. Deshalb darf natürlich haben mit Ihrer Antwort, für die ich Ihnen sehr dankbar auch eine Bremer Stimme nicht fehlen. bin, eingeräumt, daß erst in dem Haushaltsentwurf von Minister Lafontaine Vorsorge getroffen war. Diese Vor- Können Sie dem Haus bestätigen, daß im Haus-sorge haben wir gestern im Haushaltsausschuß endgültig haltsentwurf von Finanzminister Waigel für 1999 nurbeschlossen. eine Absichtsbekundung stand, daß diese Absichtsbe- kundung nicht über das Jahr 1999 hinausreichte und daß Ich möchte aus wohlerwogenen Gründen, und zwar sie auch noch nicht mit einer rechtlichen Grundlage ver- nicht nur bezogen auf die Jahre 1998 und 1999, sondern sehen war, also mit einem einwandfreien, zwischenauch auf die Ursprungsjahre 1992 und 1993, an diese Bund und Ländern abgestimmten Finanzierungsvor-bremisch-saarländische Gemeinsamkeit erinnern; denn schlag? Seien Sie – trotz der Verbeugung, die wir vorauch dieser Minister hat es fertiggebracht, die Gesetzes- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2895

Volker Kröning (A) vorlage, die wir heute verabschieden wollen, ohne Ver- rer Beweis für die unverantwortliche Haushaltspolitik(C) zug einzubringen. Lassen Sie uns ab jetzt in die Zukunft der Bundesregierung gewesen, richtig war. gucken! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Peter Jacoby (CDU/CSU): Zu der Frage, die Sie, Kollege Kröning, mir gestellt haben, möchte ich noch einmal sagen: Wir stehen heute in der Kontinuität der Peter Jacoby (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, Sanierungshilfen, die über fünf Jahre hinweg geleistet daß es Ihnen selbst nicht gelingt, den Zusammenhang worden sind. Der Bundesfinanzminister war in Vor-zwischen der Verantwortung des Bundes und der der bereitung des Bundeshaushaltes 1999 schon vor demLänder völlig auszublenden, ergibt sich ja aus einer Regierungswechsel dabei, die vollen Beträge einzu-Formulierung, die Sie vor zwei Monaten bei einer De- stellen, batte im Bundesrat benutzt haben. Sie sagten: „Der Bund tritt einseitig in Vorleistung. Der Bund erwartet, (Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD]) daß die Länder dies in anderem Zusammenhang berück- und er hat entsprechende Erläuterungen im Haushaltsichtigen.“ Was heißt denn das anderes, als daß bei Ih- ausgebracht. nen durch die Hintertür und bei uns mit offenem Visier auf den Gesamtzusammenhang der Verantwortung von (Detlev von Larcher [SPD]: Er „war dabei“! Bund und Ländern hingewiesen wird. Er war stets bemüht!) (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Bevor nicht eine Verhandlung mit den Ländern statt- gefunden hat, kann er eine Zahl noch nicht etatisieren. Ein Zweites möchte ich in diesem Zusammenhang Das Bundesland Bremen hat aber in seiner Senatsvorla- auch noch sagen: Ich halte es für ein einigermaßen un- ge bestätigt, daß davon auszugehen sei. Deshalb verste- glaubwürdiges Vorgehen, daß ausgerechnet Sie, die Sie he ich nicht ganz, warum Sie mit Ihren Fragen diesensich in der Frage der Kindergelderhöhung oder in der aus meiner Sicht falschen Zungenschlag in diese Debatte Frage der Finanzierung der Steuerausfälle durch die Än- einbringen. derungen bei den 630-DM-Jobs bisher in einer Weise über Länderinteressen hinweggesetzt haben, wie es sei- nesgleichen sucht, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr (Widerspruch bei der SPD) Kollege Jacoby, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Barbara Hendricks? jetzt in dieser Debatte mit Blick auf die Länder den Ver- (B) such unternehmen, sich schadlos zu halten. Das wird Ih- (D) nen nicht gelingen. Das ist ein Widerspruch. Peter Jacoby (CDU/CSU): Bitte schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD] meldet Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte sich zu einer weiteren Zwischenfrage) schön, Frau Hendricks. – Ich lasse jetzt keine weiteren Zwischenfragen mehr zu. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Sie antworten Dr. Barbara Hendricks (SPD): Herr Kollege Jaco- auf Fragen, die ich nicht gestellt habe! Sie by. Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte mich in dieser unterstellen mir Dinge, die ich nie gesagt ha- Debatte rückwärtsgewandt ausgedrückt. Ich darf Sie be! – Gegenruf des Abg. Dr. freundlich darauf hinweisen, daß ich eine einzige Be- [CDU/CSU]: Das ist ein mieser Stil, den Sie merkung zur Vergangenheit gemacht habe. Ich habe hier betreiben!) nämlich gesagt, daß Bundesfinanzminister Waigel im Haushaltsentwurf 1999 keine Vorsorge für seine bekun- dete Absicht getroffen hatte. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Es ist zweifellos richtig – das haben Sie jetzt bestä- Kollegin Hendricks, Sie haben nicht das Wort. Herr Ja- tigt, und ich bin Ihnen dankbar dafür –, daß der Bundes- coby, setzen Sie bitte Ihre Rede fort. finanzminister die Absicht hatte, die Sanierungshilfen für das Saarland und für Bremen fortzusetzen; sonst hätte er dies seinem Kollegen Finanzsenator Perschau Peter Jacoby (CDU/CSU): Es ist schon etwas be- guten Gewissens nicht schreiben können. Es ist zwei-merkenswert, Frau Staatssekretärin, wenn Sie eine Re- fellos aber ebenso richtig – ich darf Sie bitten, dies vor dezeit von einer Viertelstunde ausschöpfen und zwei dem Hohen Hause zur Kenntnis zu nehmen –, daß weder Minuten später eine Zwischenfrage nach der anderen 3 Milliarden DM noch ein kleinerer Anteil des Bundes stellen. etatisiert war. Zumindest hätte ein Anteil des Bundes (Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] etatisiert werden müssen, wenn man von erfolgreichen [CDU/CSU]: Als Abgeordnete!) Verhandlungen mit den Ländern ausgeht. Ich denke, das ist nicht die übliche Umgangsform. Ich darf Sie abschließend darum bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß somit meine Aussage, dies sei ein weite- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 2896 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Peter Jacoby (A) Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Am heutigen Müller das Wort. Ich bitte, ihm auch die Gelegenheit da- (C) Tage geht es um Kontinuität, um die Fortsetzung einerzu zu geben. – Bitte schön, Herr Müller. Politik auf der Basis einer Entscheidung des Bundesver- fassungsgerichtes aus dem Jahre 1992. Es geht auch dar- um, daß das bündische Prinzip insbesondere durch das Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE Verhalten des Bundes erneut mit Leben erfüllt wird. GRÜNEN): Das Scharmützel ist ja sehr interessant. – Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und (Hans Georg Wagner [SPD]: Sie waren bei der Kollegen! Wir sind uns ja sicherlich alle einig darin, daß ersten Lesung dagegen!) es sich bei den neuen Ergänzungszuweisungen des Bun- des nicht um irgendwelche Wohltaten handelt, sondern Ich möchte in dieser Debatte noch einen letzten um einen Rechtsanspruch, den die Bundesregierung jetzt Aspekt ansprechen. Der Gesetzentwurf der Bundesregie- rung spricht nämlich mit Blick auf die erneut zu gewäh- auch einlöst. Diesen Rechtsanspruch hat das Bundesver- fassungsgericht in aller Deutlichkeit festgestellt. Für renden Sanierungshilfen von einer letztmaligen Hilfe, Bremen und das Saarland wurden in der Entscheidung die zudem degressiv ausgestaltet werden soll. Die Bot- schaft des Gesetzes, das heute zu beschließen ist, ist also im Mai 1992 auf Grund erheblicher Abweichungen we- sentlicher Kennziffern von denen der Ländergesamtheit eindeutig: Den Ländern Bremen und Saarland muß mit eine extreme Haushaltsnotlage festgestellt. Das Urteil den vorgesehenen Hilfen zur Haushaltssanierung jetzt auch die Bewältigung ihrer Haushaltsprobleme gelingen. besagt, daß bei solchen Haushaltsnotlagen einzelner Länder, und zwar unter der Voraussetzung, daß sie sich Die Chancen hierfür sind gegeben. Ansonsten droht eine nicht selbst helfen können, die Solidargemeinschaft von ganz andere Konsequenz. Bund und Ländern in die Pflicht eintritt, dem betroffe- Deshalb richtet sich unser Appell natürlich auch an nen Glied der bundesstaatlichen Gemeinschaft Hilfe zu die beiden Landesregierungen, nicht nur die Forderung leisten. nach der Selbständigkeit ihrer Bundesländer, für die auch ich bin, vor sich her zu tragen, sondern auch vor Bremen und das Saarland haben bereits in den Jahren 1994 bis 1998Bundesergänzungszuweisungen zur Ort durch eine tatkräftige PolitikEigenverantwortung Haushaltssanierung erhalten. In dieser Zeitspanne haben wahrzunehmen, weiterhin nachhaltige Eigenbeiträge zur Haushaltskonsolidierung zu leisten und im übrigensich die beiden Länder dazu verpflichtet, eigeneSanie- rungsleistungen zu erbringen. Wir haben bereits festge- auch an einer Reform des Föderalismus, durch die jeder stellt – Bund und Länder haben dies einvernehmlich be- Ebene eine klarere Verantwortung, als das heute der Fall ist, zugewiesen wird, mitzuwirken. stätigt –, daß sich beide Länder auch daran gehalten ha- ben. Das Ausgabenwachstum ist sowohl im Saarland als Einer erneuten Hilfe zur Selbsthilfe stimmt auch die in Bremen deutlich unter den Empfehlungen des (B) CDU/CSU-Bundestagsfraktion am heutigen Tage zu. Finanzplanungsrates für das allgemeine Ausgaben-(D) wachstum gehalten worden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der F.D.P. und des Abg. Volker Krö- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ning [SPD]) sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Finanzierungsspielräume aus den Sanierungshilfen sind für wirtschaftskraftfördernde Investitionen oder zur Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als weiteren Begrenzung der Neuverschuldung genutzt nächster Redner hat der Kollege Klaus Müller vomworden. Das begrüßen wir; das war sicherlich auch Sinn Bündnis 90/Die Grünen das Wort. und Zweck der Zuweisungen. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das Bun- Insgesamt hat sich der Abstand Bremens und des desfinanzministerium ist nicht vertreten! – Saarlandes zu den anderen Ländern hinsichtlich ihrer Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks Verschuldung und der daraus folgenden Zinsbelastung begibt sich zur Regierungsbank – Dr. Peter etwas verringert. Bremen und das Saarland sind gegen- Ramsauer [CDU/CSU]: Zwitterstellung! – über der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland Weitere Zurufe von der SPD und dernicht weiter zurückgefallen, sondern haben zum Ende CDU/CSU) des Sanierungszeitraums Anschluß an die allgemeine durchschnittliche Wachstumsentwicklung gefunden.

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE Aber – das haben auch meine Vorrednerinnen und GRÜNEN): Wollen wir das noch fortsetzen? Vorredner bestätigt – trotz des bisher Erreichten ist die Haushaltssituation in Bremen und im Saarland noch (Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks immer weitaus schlechter als in anderen Ländern, was an Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU] ge- verschiedene Indikatoren – Pro-Kopf-Verschuldung, wandt: Jetzt stellen Sie sich nicht so an! – Ge- Zins-Ausgaben-Quote, Zins-Steuer-Quote usw. – im genruf des Abg. Dr. Peter RamsauerBund-Länder-Bericht eindeutig belegen. Das heißt – die [CDU/CSU]: Sie stellen sich an!) Konsequenz wird heute wohl konsensual vom Haus ge- tragen –, sie können sich aus ihrer Notlage nach wie vor nicht aus eigener Kraft befreien. Deshalb ist es, um die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Liebe erreichten Sanierungsfortschritte zu sichern und den Kolleginnen und Kollegen, jetzt hat der Kollege Klaus dauerhaften Anschluß an die Ländergesamtheit zu errei- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2897

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) chen, notwendig, weitere Sanierungshilfen zu gewähren. trifft nicht nur den Steuerverbund und dessen Regelun-(C) Dies wurde, wie gesagt, konsensual festgestellt. gen, die wir überprüfen wollen. Um dies zu erreichen, sind natürlich trotzdem auch Die Umverteilungen im Rahmen der Finanzverfas- eigene Anstrengungen der beiden Bundesländer not-sung sind durch eine Vielfalt von Regelungen gekenn- wendig. Für den Erfolg der Haushaltssanierung und ent- zeichnet, die die Transparenz und zugleich eine effizi- sprechend ihren verfassungsrechtlichen Kooperati-ente Mittelverwendung erschweren, aber auch die Ent- onspflichten sind weitere starke Anstrengungen Bre-stehung dieser Mittel unter Umständen negativ tangie- mens und des Saarlandes zwingend notwendig. Die un- ren. Finanzverantwortung ist kaum noch eindeutig zuzu- terschiedliche Höhe der Sanierungshilfen spiegelt dieordnen, und auch die Zuständigkeiten werden verwischt. Zinsvorbelastungen in Bremen und dem Saarland wider. Die horizontale Umverteilung zwischen den Ländern, Die Zinsbelastung des Bremer Haushalts ist spürbar hö- der eigentliche Finanzausgleich, ist nur ein kleiner Teil her und rechtfertigt deshalb entsprechend höhere Hilfen der umverteilenden Maßnahmen. Sie wird überlagert je Einwohner. und ergänzt durch eine Vielzahl von weiteren Umver- teilungsinstrumenten. Der Kernpunkt des Gesetzes – an der Stelle stimme ich meinem Vorredner, dem Kollegen Jacoby, aus-Ein weiteres Problem liegt aus unserer Sicht in der drücklich zu – liegt darin, daß die Sanierungshilfen nach geringen Finanzautonomie der Länder. Die Ausgaben sechs Jahren auslaufen und daß darüber hinaus keineder Länder und Gemeinden werden vielfach durch Bun- Sonderleistungen des Bundes mehr erfolgen werden.desgesetze festgelegt und fremdbestimmt. Einsparmög- Darauf verweisen auch die degressiv abnehmenden Be- lichkeiten sind deshalb begrenzt, und sie lohnen sich aus träge. Die beiden Länder müssen also in den nächsten Sicht der Länder vielfach nicht. So wird etwa bei der Jahren die Grundlage für solide Finanzen schaffen. Dar- Verteilung der Umsatzsteuer auch das Ausgabenzu- an führt kein Weg vorbei, es sei denn – das wird sicher wachsvolumen der Länder mit berücksichtigt. Dies niemand hier wollen –, Bremen und das Saarland wür- schafft natürlich Anreize, die Ausgaben auszuweiten. den im Jahre 2005 ihre Selbständigkeit aufgeben. Gleichzeitig werden dort Länderausgaben zusätzlich Die Regelungen – jetzt komme ich zu dem Teil, den angeregt, wo sie mit Bundeszuschüssen verknüpft sind. ich politisch etwas interessanter finde als die Scharmüt- Steuerquellen zu schaffen und auszuschöpfen lohnt sich zel des Kollegen Jacoby zuvor – des Föderalen Konso- für die Länder kaum, wenn den finanzschwachen Län- lidierungsprogramms mit den neuen Ländern, die in dern über den horizontalen Finanzausgleich ohnehin den Finanzausgleich einbezogen worden sind, laufen99,5 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft der 2004 aus. 2004 ist noch weit entfernt, aber ich glaube, Bundesländer zusteht und gleichzeitig den finanzstarken Ländern 60 bis 70 Prozent der den Durchschnitt über- (B) daß es für die Politik manchmal gut ist, rechtzeitig De- (D) batten anzustoßen, die in die Zukunft weisen. treffenden Finanzkraft abgenommen wird. (Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/ Auch das Konnexitätsprinzip blieb unbeachtet: Auf- CSU]: Über 2004 müssen Sie sich keine Ge- gaben wurden in der Vergangenheit – die Verantwor- danken machen!) tungsträger dafür sitzen rechts von mir – auf untere Ebe- nen verlagert, ohne daß für einen Kostenausgleich ge- Das bedeutet, daß wir eine Anschlußregelung findensorgt worden wäre. Ich erinnere nur an die Regelungen müssen, die die Aufbaumaßnahmen in den neuen Län- beim Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze sowie an dern auch weiterhin sicherstellt. Wir bekräftigen deshalb die Verpflichtungen aus dem Bundesnaturschutzgesetz. das im Gesetz zur Umsetzung des FKP für den Zeitraum bis zum Jahre 2004 festgelegte Finanzausgleichssystem. (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Oder das Kindergeld!) Die notwendige Neuordnung der Finanzverfassung muß jetzt aber zügig vorbereitet werden. Die Koalition – Das haben wir wunderbar gegenfinanziert. will deshalb laut Koalitionsvertrag ( [CDU/CSU]: Lauter Lö- cher!) eine Enquete-Kommission beauftragen, die not- wendige Neuordnung der Finanzverfassung ab dem Die Kommission von Bund und Ländern, die jetzt – Jahr 2005 vorzubereiten. Die Belange der finanz- entsprechend dem Beschluß der Länder und einer Ver- schwächeren Länder und insbesondere der ostdeut- einbarung zwischen dem Bundeskanzler und den Regie- schen Länder werden dabei ebenso besondere Be- rungschefs der Länder – eingesetzt wird, muß diese Pro- rücksichtigung finden wie das Ziel, zu einem Fi-bleme angehen. Diese Reform wird vom Bund und von nanzausgleichssystem zu kommen, das es für alle den Ländern in einem kooperativen Verfahren vorbe- Länder attraktiver macht, zusätzliche Einnahmen zu reitet werden, damit hier im Bundestag im kommenden erzielen. Jahr ein diesbezügliches parlamentarisches Verfahren möglich ist. Die Arbeitsgruppe – bestückt aus Experten (Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt der Bundesregierung und der Länderregierungen – wird [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ihre Tätigkeit Ende dieses Jahres abschließen. Über die Aus unserer Sicht ist in den Finanzbeziehungen zwi- Ergebnisse wollen die Regierungschefs der Länder An- schen Bund und Ländern tatsächlich ein erheblicherfang nächsten Jahres beraten. Die Regierungsarbeits- Korrekturbedarf vorhanden. Die föderale Umverteilung gruppe wird nach ihrer Konstituierung in diesem Früh- ist undurchschaubar und komplex geworden. Dies be- jahr die Arbeit aufnehmen und für uns bis zum Jahres- 2898 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) ende eine Vorlage schaffen. Ich glaube, daß wir danndaß der Bund dann die Ausgaben für Leistungen zu tra- (C) eine spannende Debatte erleben werden. gen hat, wenn die Länder und Kommunen Maßnahmen des Bundes ausführen, bei denen sie kein nennenswertes Aus unserer Sicht ist dabei das gesamte System der Ausführungsermessen haben, das Volumen der Ausga- Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverteilung zwi- ben also durch das Bundesgesetz vorgegeben ist. schen Bund, Ländern und Kommunen auf den Prüfstand zu stellen, damit nicht wiederum – wie schon beim FKP Auch im Verhältnis von Ländern zu Kommunen muß – Lösungen gefunden werden, die sich für wirtschaftli- das Konnexitätsprinzip in gleicher Weise zur Geltung che oder gesellschaftliche Entwicklungen als nachteilig kommen. In den Ländern, die eine entsprechende Rege- erweisen. lung bereits vorsehen, bedarf es ihrer strikten Anwen- dung. Ich möchte vier Punkte nennen, die nach unserer Sicht Bestandteil dieser Debatte sein sollten, damit man Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat dazu hier tatsächlich zu einer Neuregelung kommen kann: Vorgaben formuliert, die die Gesetzgeber in Niedersach- sen wie in anderen Ländern mit vergleichbarer Regelung Der erste Punkt ist dieVerbesserung des Verhält- künftig zu berücksichtigen haben. Die Länder sind da- nisses von Ausgaben und Aufgaben. Wir brauchen nach verpflichtet, für die den Kommunen übertragenen eine bessere Abgrenzung der Ausgaben der EU, desAufgaben eine detaillierte Aufgaben- und Kostenanalyse Bundes, der Länder und der Gemeinden im Hinblick auf vorzunehmen, um auf dieser Grundlage über die Ko- Zuständigkeiten und Vollzug. stenerstattung zu entscheiden. Der zweite Punkt ist dieNeujustierung der Steuer- Die von mir vorgetragenen Vorschläge sind sicherlich einnahmen und der Mittelzuteilung. Die eigenverant- sehr weitreichender Natur und dazu gedacht, eine leb- wortlichen Entscheidungsspielräume von Bund, Ländern hafte Debatte anzustoßen. Ich will auch nicht die Pro- und Gemeinden auf steuerlichem Gebiet sollten gestärkt bleme vernachlässigen, die bei einer Reform auftreten werden. Dabei sollen die Vorteile eines einheitlichenkönnten. Ein Ja zum Pluralismus und zu Anreizen ist Steuergebietes weitgehend gesichert, administrativekeine Befürwortung eines ungehemmten Wettbewerbs Verwerfungen verhindert und die Notwendigkeit vonzwischen den Bundesländern. Aber, um zu zitieren: Ausgleichsmechanismen zur Sicherung und Herstellung vergleichbarer Lebensverhältnisse nicht grundsätzlich in Der Konsens über die Notwendigkeit einer Reform Frage gestellt werden. Zu prüfen ist deshalb, inwieweit des Föderalismus ist sehr viel größer als gemeinhin die Länder – um deren Eigenverantwortung zu stärken – angenommen. ihre Steuereinnahmen mitgestalten können. Ich glaube, (Beifall der Abg. Margareta Wolf [Frankfurt] daß es für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Län- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (B) derparlamenten oft eine quälende Situation ist, die not- (D) wendigen Mittel für Aufgaben, die nötig sind, und für Dies hat gesagt, als er seine Ansprache als Projekte, die sie politisch befürworten, nicht selbständig Bundesratspräsident am 6. November 1998 gehalten hat. beschließen zu können. Ich stimme mit ihm absolut überein und möchte gern einen weiteren Passus aus seiner Rede zitieren. Zu den Der dritte Punkt ist: Derhorizontale Finanzaus- Aufgaben der bereits erwähnten Kommission zählte gleich sollte auf eine neue Grundlage gestellt werden. Hans Eichel damals Auch das System des horizontalen Finanzausgleichs be- sitzt Regelungen, die zu einer straffen Nivellierung und nicht nur die Erweiterung der Gesetzgebungskom- gleichzeitig zu ungünstigen Anreizen bei den Ländern petenzen der Länder, sondern auch die Finanzbe- führen. Zusätzliche Mehreinnahmen werden in hohem ziehungen zwischen Bund und Ländern. Ziel dieser Maße abgeschöpft. Ebenso werden die Bemühungen, Kommission sollte es sein, einen Vorschlag zu un- eigene Steuerquellen auszuschöpfen, im Finanzausgleich terbreiten, der die Eigenstaatlichkeit der Länder nicht honoriert. Umgekehrt gibt es keinen Sparanreiz für stärkt, Aufgaben- und Ausgabenverantwortung zu- die Nehmerländer. Notwendig sind Anreize, die Steuer- sammenführt und die Finanzbeziehungen zwischen basis zu pflegen und sie steuer- und wirtschaftspolitisch Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern in sinnvoll auszuschöpfen. Erforderlich ist im Rahmen des einer die verschiedenen Interessen soweit wie bundesstaatlichen Solidaritätsprinzips ein angemessener möglich berücksichtigenden … und gleichermaßen Ausgleich der Finanzkraft. Er sollte transparent und ein- vertretbaren Weise neu ordnet. fach sein. Auch dieser Aussage wie den meisten Ausführungen in Der vierte Punkt: Wir würden gern dieKommunal- seiner sehr bemerkenswerten Rede, die ich jedem zum finanzen einbeziehen. Bund und Ländern muß es ver- Nachlesen empfehlen möchte, möchte ich mich an- fassungsrechtlich untersagt sein, weiter öffentliche Auf- schließen. gaben auf die Kommunen zu verlagern, ohne daß diesen die dafür notwendigen Finanzmittel zur Verfügung ge- Ich hoffe, daß wir nach dieser Debatte heute das stellt werden. „Pflichtprogramm“ für Bremen und das Saarland und die erwähnten statistischen Änderungen beschließen Dieses erfordert zum einen eine Grundgesetzände-werden und daß wir in den kommenden Monaten eine rung und zum anderen die Anpassung der Länderverfas- spannende Debatte darüber erleben, welche Reform des sungen bzw. deren strikte Handhabung. In der Finanz- Föderalismus aus unserer Sicht notwendig ist. Ich bin verfassung des Grundgesetzes müßte geregelt werden, sicher, daß wir dazu viele Vorschläge aus Hans Eichels Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2899

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (A) Rede und aus Vorarbeiten aufnehmen werden. Ich bin Wir tragen mit diesem Gesetz also der extremen(C) auf die Debattenbeiträge in diesem Haus gespannt. Notlage der Länder Bremen und Saarland Rechnung. Allerdings muß man hinzufügen, daß wir mit diesem Vielen Dank. Gesetz natürlich auch der Notlage Rechnung tragen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müssen, die sich dadurch ergibt, daß die bundesstaatli- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der che Gemeinschaft durch das Bundesverfassungsgericht PDS) zur Hilfe verurteilt worden ist. Wir wollen, wie gesagt, die Zahlungen an sich nicht anzweifeln. Man könnte aber Anmerkungen zu der Höhe machen. Ist es wirklich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Liebe erforderlich, mehr zu zahlen, als die Länder beantragt Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie schon an die- haben? Wir halten es auch für falsch und angesichts der ser Stelle darauf hinweisen, daß der Antrag auf nament- Haushaltslage erst recht für bedenklich, daß der Bund liche Abstimmung beim nächsten Tagesordnungspunkt hier erneut alleine zur Kasse gebeten wird – eine Tradi- zurückgezogen worden ist. tion, die hier mittlerweile Platz gegriffen hat. Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Zum ersten. Es wundert schon sehr, daß der damalige Werner Hoyer, F.D.P. Finanzminister Lafontaine die Mittel nicht nur ein Jahr länger als geplant, sondern auch 2 Milliarden DM mehr, Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe als vom Saarland und von Bremen ursprünglich bean- Kolleginnen und Kollegen! Wenn die tragt, F.D.P.- bereitstellte. Bundestagsfraktion dem vorliegenden Gesetz heute zu- stimmt, dann tut sie das ganz sicherlich nicht ohneVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Bauchschmerzen. Sie tut das aus Solidarität mit den bei- Kollege Hoyer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des den Ländern und den Menschen in diesen beiden Län- Kollegen Kröning aus Bremen? dern, die sich in der Tat in einer schwierigen Notlage be- finden. Das erkennen wir ausdrücklich an, und deswe- gen stimmen wir nolens volens zu. Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Selbstverständlich. Bei allem Respekt vor Ihrer Rede, Herr Kollege Ja- coby, der ich in fast allen Passagen zustimme, habe ich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr bei einem Punkt Bedenken: bei dem BegriffKontinui- Kröning. tät. Wir sind als Bund sicherlich in der Kontinuität der Solidarität gegenüber den beteiligten Ländern. Aber (B) was nicht weitergehen darf – deswegen wehre ich mich Volker Kröning (SPD): Herr Präsident, ich danke(D) gegen den Begriff Kontinuität –, ist die Schlamperei in Ihnen. – Herr Kollege Hoyer, ist Ihnen bekannt, daß es den beteiligten Ländern, die dazu geführt hat, daß wirkeine Anträge der Länder gegeben hat, sondern daß die heute dieses Gesetz erneut beschließen müssen. Länder in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Rechenschaft abgelegt haben und daß die Zahlen, von denen heute die (Beifall bei der F.D.P.) Rede ist, an die Ergebnisse der Bund-Länder- Der Mangel an Solidarität seitens 14 anderer Bundes-Arbeitsgruppe angepaßt und aktualisiert worden sind? länder, der hier zum Ausdruck kommt, darf nicht wei- Sie sind wahrhaftig kein Geschenk. Ich habe die objek- tergehen. tiv ermittelten Zahlen gelesen und komme zu dem ent- gegengesetzten Schluß; aber das ist gesetzgeberisches Wir haben hier ein, wenn Sie so wollen, Reparaturge- Ermessen. Diese Zahlen entsprechen der Änderung von setz vor uns. 1997 zu 1998. Können Sie das bitte bestätigen? (Detlev von Larcher [SPD]: Wenn es nicht so lächerlich wäre!) Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Erstens. Nein, mir war Wir nehmen ein Kilo Lack in die Hand und übertünchen das nicht bewußt. Zweitens. Ich habe etwas dazugelernt. etwas. Drittens allerdings möchte ich ergänzen: Die beiden Länder sind in diese Verhandlungen in der Tat mit For- (Detlev von Larcher [SPD]: Die sind nicht in derungen hineingegangen. Die beliefen sich für Bremen einer Koalition, sonst wäre er ganz brav!) auf 6,7 Milliarden DM bis zum Jahr 2003, für das Saar- Wir werden schöne Farbe darüberstreichen und das Au- land auf 4 Milliarden DM ebenfalls bis zum Jahr 2003. tomobil im Glanz erscheinen lassen, Herr Kollege von Larcher. Fakt ist aber: Darunter rostet es weiter, wenn Volker Kröning (SPD): Auch das ist eine veraltete sich nicht nachhaltig etwas ändert. Kollege Müller hat Position. Ich nehme an, der saarländische Ministerpräsi- vollkommen recht: Es wird sich nachhaltig nichts än-dent wird darauf noch zu sprechen kommen. dern, wenn wir nicht an die Themen Finanzverfassung und Regelung der Finanzbeziehungen von Bund, Län- Danke. dern und Gemeinden herangehen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Herr Ministerpräsident, ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE ich begrüße es im übrigen außerordentlich, daß Sie heute GRÜNEN) hier sind. Die Tatsache, daß der Bremer Bürgermeister 2900 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Dr. Werner Hoyer (A) bzw. sein Finanzsenator es nicht für erforderlich gehal- mit weiterhin einsame Spitze bei der Pro-Kopf-(C) ten haben, hier heute zu erscheinen, stimmt mich etwas Verschuldung. traurig. Insofern können Sie gleich vielleicht ein paar (Volker Kröning [SPD]: Ein Stadtstaat!) Takte für Bremen mitsagen. Ich halte es insgesamt für einen schlechten Stil, sich hier mal eben 7,7 Milliarden Es ist geradezu eine Verhöhnung der Arbeitslosen in DM beim Bundesgesetzgeber abzuholen und nicht ein- Bremen und im Saarland, wenn in der Begründung zum mal auf der Bundesratsbank präsent zu sein. Gesetzentwurf darauf verwiesen wird, Bremen und das Saarland hätten Anschluß an die allgemeine Wachs- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- tumsdynamik gefunden. Die aktuelle Arbeitslosenquote ten der SPD und der CDU/CSU) im Saarland liegt bei 12,2, in Bremen bei 16,4 Prozent. Zum zweiten. Immer wieder, wenn Gelder des Bun- Solche Werte erreicht sonst nur Ostdeutschland, und das des verteilt werden sollen, findet sich die gleiche un-ist immerhin 40 Jahre lang von der SED-Planwirtschaft rühmliche Allianz im Bundesrat. Soviel Einigkeit imruntergewirtschaftet worden. Bundesrat macht einen automatisch mißtrauisch. Liest (Volker Kröning [SPD]: Das Wirtschafts- man das Protokoll aus dem Bundesrat, so erscheint wachstum ist überdurchschnittlich!) selbst der bayerische Löwe, normalerweise nicht gerade der größte Anhänger saarländischer und bremischer Herr Präsident, Meine Damen und Herren, die Ver- Finanzpolitik, plötzlich wie ein handzahmer Kuschelbär. längerung der Leistungen an das Saarland und an Bre- Da sagt selbst Herr Bocklet als Vertreter Bayerns, es sei men muß ein weiterer Anlaß sein, den jetzigenLänder- anzuerkennen, daß sich die beiden Länder so sehr umfinanzausgleich auf den Prüfstand zu stellen. Das im- Haushaltssanierung bemüht hätten. Der Grund ist klar: mer komplizierter werdende Durcheinander von öffent- Es geht um fremdes Geld; es geht nämlich allein umlichen Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben sowie der Bundesmittel. sich jedes Jahr im Vermittlungsausschuß wiederholende Streit ums Geld zeigen doch nur: Wir brauchen endlich Richtig ist natürlich, daß wir auf Grund des Urteilseine neue Finanzverfassung. Ich freue mich auf die des Bundesverfassungsgerichts und auf Grund unserer Enquete-Kommission, Herr Kollege Müller. Ich hoffe Solidaritätsverpflichtung gegenüber den Menschen innur, daß das nicht ein Begräbnis erster Klasse wird oder Bremen und im Saarland gefordert sind, zwei Länderder Versuch, das Thema ad kalendas Graecas zu verta- aufzupäppeln, die mit Vollgas und sehenden Auges ins gen. finanzielle Desaster geschlittert sind. Richtig ist auch, daß der Bund die Ergänzungszuweisungen bisher alleine Wir brauchen eine Finanzverfassung, die den Bund, geleistet hat. Richtig ist aber nicht, daß das so bleibenden Ländern, den Gemeinden jeweils eigene Steuerein- muß; nahmen zuweist, und zwar in einer Weise, die es ihnen (B) ermöglicht, die Höhe ihrer Steuereinnahmen und die(D) (Zuruf von der SPD: Muß nicht, aber kann!) Belastung ihrer Bürger im verfassungsrechtlich vorge- denn das Bundesverfassungsgericht spricht ausdrücklich gebenen Rahmen selbst zu bestimmen. Es muß wieder davon, daß die bundesstaatliche Gemeinschaft, also auch mehr Trennschärfe geben zwischen Aufgaben, Ausga- die Länder, in der Pflicht seien. ben und Einnahmen des Bundes einerseits und Aufga- ben, Ausgaben und Einnahmen der Länder andererseits. Wir, CDU/CSU und F.D.P., wollten auch die Länder Für das Verhältnis von Ländern und Kommunen könnte in die Pflicht nehmen. Dieses Vorhaben halte ich auch man ähnliches anführen. jetzt noch für richtig, nicht nur, um die Lasten auf mehr Schultern zu verteilen, sondern auch, weil der politische (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Druck auf diese Länder für mehr und vor allen Din- ten der CDU/CSU) gen für wirksame Reformen aufrechterhalten bleiben Das heißt dann auch, daß dasLeistungsprinzip auf muß. Dazu können auch die anderen Bundesländer bei- allen Ebenen wieder zur Geltung gebracht werden muß. tragen. Es kann nicht angehen, daß übermäßige Anstrengungen von Ländern insofern bestraft werden, als diese dann Meine Damen und Herren, man kommt nicht umhin, etwas zu der jahrelangenMißwirtschaft in den betei- übermäßige Schlamperei anderer Bundesländer ausglei- chen müssen. Wir erwarten von der neuen Finanzverfas- ligten Ländern zu sagen. Bei Bremen denke ich nur an sung mehr Wettbewerb zwischen den einzelnen Ge- die Vulkan-Werft und das damit verbundene Fiasko, das der Bremer Senat, damals noch unter roter Führung,bietskörperschaften. Ich betone noch einmal: Das betrifft nicht nur das Verhältnis von Bund und Ländern, sondern maßgeblich zu verantworten hatte. auch das Verhältnis der Länder untereinander und das Eine weitere Zahl mag das Bremer Desaster nochVerhältnis der Länder zu ihren Kommunen. einmal vor Augen führen: Für 1992, also ein Jahr bevor Es ist doch so: Der bisherige Finanzausgleich gibt das Bundesverfassungsgerichtsurteil erging, lag der kaum Anreize zur Ausschöpfung der eigenen Steuer- Schuldenstand pro Bremer Einwohner bei mehr als quellen. Der bisherige Finanzausgleich bestraft die wirt- 24 000 DM. Das ist fast zehnmal soviel wie zur gleichen schaftlich erfolgreichen Länder. Der bisherige Finanz- Zeit in Bayern und ein Vielfaches von den Zahlen ande- ausgleich fördert keinen Wettbewerb, er unterstützt rer Bundesländer. Es war und ist die Spitzenposition. Es vielmehr Bummelanten und finanzpolitische Irrdenker. sei hier nur am Rande vermerkt, daß der Schuldenstand pro Einwohner 1996 und 1997 sogar noch darüber lag, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- und das trotz laufender Finanztransfers. Bremen ist so- ten der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2901

Dr. Werner Hoyer (A) Die Liberalen wollen eine Reform des Finanzaus-nen Ländern ist und daß zum anderen die Länder zwar(C) gleichs, und zwar eine solche, die durchaus das Prinzip mehr Eigenständigkeit wollen, gleichzeitig aber nicht der Solidarität der wirtschaftlich starken mit den wirt- bereit sind, dafür den Preis zu zahlen. schaftlich schwachen Ländern erhält, aber mehr Anreize Herzlichen Dank. für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, für eine verant- wortliche Haushaltspolitik und für Ausgabendisziplin (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) der Länder setzt. Wir müssen endlich Schluß machen mit der Gleichmacherei und der Schönrederei. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als Klare Trennungen bei der Steuerhoheit sowie bei der nächster Redner hat der Kollege Uwe-Jens Rössel von Finanzierung staatlicher Aufgaben schaffen auchklare der PDS-Fraktion das Wort. politische Verantwortlichkeiten – Verantwortlichkei- ten, für die der Wähler die jeweiligen verantwortlichen Politiker dann auch zur Rechenschaft ziehen kann. Eine Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Herr Präsident! Liebe neue Finanzverfassung setzt so voraus, daß die Verant- Kolleginnen und Kollegen! Die Freie Hansestadt Bre- wortlichkeiten der verschiedenen Ebenen für die einzel- men und das Saarland befinden sich am Ende der 1998 nen politischen Aufgabenfelder deutlicher werden. Es ausgelaufenen gesetzlichen Sanierungsfrist noch immer kann nicht so bleiben, daß in vielen Fällen derjenige, der in einer extremen Haushaltsnotlage, aus der sie sich aus für eine politische Ausgabe die Verantwortung trägt,eigener Kraft nicht befreien können. Die Glieder der nicht gleichzeitig auch die Verantwortung für die dafür bundesstaatlichen Gemeinschaft haben nach dem Urteil erforderliche Einnahmeerzielung trägt. Und es kanndes Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1992 in nicht sein – was im Verhältnis zwischen Kommuneneinem solchen Fall die Pflicht, dem betroffenen Glied und Ländern häufig genug zu beobachten ist; Sie kennen der bundesstaatlichen Gemeinschaft Hilfe zu leisten. Es das aus Ihren Heimatgemeinden alle –, daß Maßnahmen ist daher selbstverständlich, daß die PDS derVerlänge- nicht deshalb vom Stadtrat beschlossen werden, weil sie rung der Sonder-Bundesergänzungszuweisungen für so überaus sinnvoll sind, sondern weil die Chance be-Bremen und das Saarland bis zum Jahre 2004zu- steht, hierfür Länderzuweisungen zu bekommen. stimmt. Wir verbinden mit dieser Zustimmung die Erwartung, daß die damit verbundenen Verpflichtungen (Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Das ist richtig!) erfüllt werden, daß aber zugleich Bremen und das Saar- Wir müssen schnellstmöglich dieRahmengesetzge- land auch die ihnen obliegenden sozialen, infrastruk- bung des Bundes nach Art. 75 des Grundgesetzes än- turellen und ökologischen Aufgaben erfüllen können. dern. Das Beamtenrechtsrahmengesetz und auch das (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Hochschulrahmengesetz verengen die Handlungsspiel- (B) (D) räume der Länder über Gebühr. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in Bremen und im Saarland ist gewiß eine außerordentliche Herausfor- (Volker Kröning [SPD]: Das könnte man jetzt derung. Der Ministerpräsident, der kurz nach mir spre- schon ändern!) chen wird, wird uns sicherlich erklären können, wie das Gleiches gilt für die Besoldung und Versorgung im Saarland mit diesen Problemen umgeht. Ich möchte aber öffentlichen Dienst. ausdrücklich darum bitten, daß die Sanierungsver- pflichtung auch mit der Verpflichtung einhergeht, die Wir müssen schleunigst an dieGemeinschaftsauf- das Saarland gegenüber seinen Kommunen hat. Der gaben nach Art. 91a des Grundgesetzes herangehen.kommunale Finanzausgleich muß gewährleistet wer- Insbesondere dann, wenn es sich um originäre Länder- den, und die dramatische Finanzsituation der Gemeinden aufgaben handelt, ist nicht einzusehen, warum der Bund darf nicht unter den Tisch gekehrt werden, auch nicht im Verantwortung in Planung und Finanzierung übernimmt, Saarland. obwohl die Zuordnung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen eindeutig möglich wäre. (Beifall bei der PDS) Der jetzt geltende bundesdeutsche Finanzausgleich ist Wir brauchen also mehr Subsidiarität und Dezentra- bekanntlich seit dem Jahr 1995 in Kraft. Darin sind auch lität in den Entscheidungsstrukturen. Wir brauchen mehr die ostdeutschen Länder einbezogen worden, die ja aus Bürgernähe, mehr Wettbewerb, mehr Transparenz – hinlänglich bekannten Gründen bis 1994 nicht in diesem mehr Transparenz übrigens auch in dem Sinne, daß sie Finanzausgleich verankert werden konnten. DieEinbe- Auskunft darüber geben kann, ob eine Politik erfolg- ziehung der ostdeutschen Länder in den bundesdeut- reich war oder auch nicht. Außerdem müssen wir den schen Finanzausgleich hat sich bewährt. Sie hat zu Ländern letztendlich mehr Eigenständigkeit und Eigen- einer deutlichen Verbesserung der Einnahmesituation verantwortung einräumen und so einen konstruktiven der ostdeutschen Bundesländer geführt. Allerdings Wettstreit der Ideen ermöglichen. Wir brauchen einen – auch das muß hier vermerkt werden – ist diese Ein- gesunden Wettbewerbsföderalismus. Wenn wir die nahmeverbesserung für die ostdeutschen Länder nicht in Autonomie der Länder stärken wollen, heißt dies auch, gleichem Maße für die Städte und Gemeinden wirksam daß die Länder bereit sein müssen, mehr Verantwortung geworden. Denn die ostdeutschen Länder haben die grö- zu übernehmen. ßeren Möglichkeiten, aber auch die größeren Freiheiten Das jetzt vorliegende Gesetz zeigt zweierlei: daß zum in der Verwendung der Mittel aus dem Länderfinanz- einen die Regierung der Bundesrepublik trotz einer de- ausgleich vor allem zur Sanierung ihrer Landeshaushalte solaten Haushaltslage sehr solidarisch mit in Not gerate- genutzt und die Mittel eben nicht in entsprechendem 2902 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Dr. Uwe-Jens Rössel (A) Maße zur Verbesserung derFinanzausstattung der an der Umsatzsteuer neu zu bestimmen. Das war not-(C) Gemeinden weitergeleitet. Beim Fonds „Deutsche Ein- wendig geworden, weil 1998 die Gewerbekapitalsteuer heit“ waren die Länder gesetzlich verpflichtet, 40 Pro- abgeschafft worden ist. In Ostdeutschland ist sie nie ein- zent dieser Mittel an die Gemeinden weiterzuleiten. Mit geführt worden. An dieser Stelle der Hinweis: Durch die der Einbeziehung in den Länderfinanzausgleich ist die Nichteinführung der Gewerbekapitalsteuer in Ost- Verpflichtung weggefallen. Das hat dazu geführt, daß in deutschland, die wir aus wirtschaftlichen Erwägungen allen ostdeutschen Bundesländern – wenn auch differen- für richtig gehalten haben, sind aber den ostdeutschen ziert – die Kommunen seit 1995 eine weitere Ver-Städten und Gemeinden im Zeitraum von 1990 bis 1997 schlechterung der Einnahmesituation erfahren haben,insgesamt 4,5 Milliarden DM Einnahmen vorenthalten womit wir nicht einverstanden sein können. worden, und zwar in einer extrem schwierigen Finanzla- ge der ostdeutschen Städte, Gemeinden und Landkreise, (Beifall bei Abgeordneten der PDS) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Dann be- Die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs und des kommt doch niemand mehr einen Arbeits- bundesdeutschen Finanzausgleichs allgemein ist erfor- platz! Dann hätten Sie zahlen sollen!) derlich. Man muß jetzt beginnen, die politische und fachliche Debatte zu führen. Eine Bund-Länder-für die sie nie einen Pfennig Ausgleich bekommen ha- Kommission unter ausdrücklicher Einbeziehung derben. – Herr Michelbach, wir haben darüber diskutiert, Kommunen sollte rasch eingesetzt werden, so wie esdaß es dazu Vorschläge gegeben hat. Bundeskanzler Schröder versprochen hat. Deshalb verlangen wir nicht nur eine punktuelle Ich möchte nur einige Anforderungen benennen. Eine technische Änderung des Gemeindefinanzreformgeset- erste Anforderung ist: Wir müssen unbedingt amSoli- zes, sondern die generelle Reform, die Strukturreform darprinzip festhalten. Das Solidarprinzip, das die Un- der Gemeindefinanzen, steht auf der Tagesordnung. terschiede in der Finanz- und Wirtschaftskraft der Län- (Beifall bei der PDS) der in bestimmter Weise ausgleichen soll, wird auf län- gere Zeit hin das föderale bundesdeutsche Finanzsystem Die Gemeindefinanzen müssen endlich vom Kopf auf bestimmen müssen. Ich möchte allerdings auch sagen, die Füße gestellt, und es müssen konkrete Vorschläge daß man natürlich auch Möglichkeiten der stärkeren Be- verwirklicht werden, als gemeinsame Aufgabe von rücksichtigung von Wettbewerbsgesichtspunkten imBund, Ländern und Kommunen. Dazu ist rasch dieEin- Rahmen dieser Kommission mit prüfen muß, wozu Herr setzung einer Enquete-Kommission des Deutschen Hoyer auch einige Anregungen gegeben hat. Bundestages, des Bundesrates, der kommunalen Spit- zenverbände unter Einbeziehung des Sachverstandes der Die zweite Anforderung, die wir sehen: Es mußWissenschaft notwendig. Die Kommunen brauchen sta- (B) (D) überlegt werden, ob die derzeitige Aufgabenverteilung bile eigene Steuereinnahmen. Sie brauchen die Ver- zwischen Europäischer Union, Bund, Ländern undwirklichung des Konnexitätsprinzips, und sie brauchen Kommunen den Anforderungen entspricht. Die Aufga- mehr Verantwortung auch der Länder im Rahmen des benverteilung, aus der viele Fehlentwicklungen resultie- kommunalen Finanzausgleichs. Denn nur das ist die ren, gehört auf den Prüfstand. Subsidiarität und Verstär- Voraussetzung, daß der Gemeinwohlauftrag der öffent- kung der Dezentralität müssen auch damit verbundenlichen Hand vollständig erfüllt werden kann. sein, daß dort, wo die Hauptaufgaben zu lösen sind, auch die Mittel hinfließen. Vielen Dank. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Drittens. Wir brauchen bei einer Neuregelung des bundesdeutschen Finanzausgleichs auch eine stärkere Berücksichtigung der Finanzkraftunterschiede der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Kommunen. Das BVG-Urteil aus dem Jahre 1992 hat Wort hat nun der Ministerpräsident des Saarlandes, ausdrücklich beanstandet, daß die Finanzkraftunter-Reinhard Klimmt. schiede der Kommunen im bundesdeutschen Finanzaus- gleich nur zu 50 Prozent berücksichtigt werden. Das kann auf Dauer nicht so bleiben. Denn wenn die ost- Reinhard Klimmt, Ministerpräsident (Saarland): deutschen Kommunen pro Kopf nur rund ein Drittel der Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fortset- Steuereinnahmen von Kommunen im Altbundesgebiet zung der Teilentschuldung bis zum Jahre 2004 ist so- haben, so liegt auf der Hand, daß diese Frage immerwohl für Bremen als auch für das Saarland von elemen- dringender wird. Bei einer Neuregelung des bundesdeut- tarer Bedeutung. Ich möchte all denen ganz herzlich schen Finanzausgleichs müssen die Finanzkraftunter-danken, die zu dieser für beide Länder so wichtigen Ent- schiede der Kommunen zu 100 Prozent berücksichtigt scheidung beigetragen haben, und tue das auch im Na- werden. men von Henning Scherf, der mich ausdrücklich aufge- fordert und ermutigt hat, diesen Dank hier auch für ihn (Beifall bei der PDS) auszusprechen. Damit bin ich schon beim Gesetzentwurf zur Ände- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rung des Gemeindefinanzreformgesetzes. Wir stimmen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der Veränderung der Datenbasis zu. Sie ist notwendig, um den Verteilungsschlüssel zum Anteil der Gemeinden Insofern ist er hier auch anwesend. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2903

Ministerpräsident Reinhard Klimmt (Saarland) (A) Sie werden sicher verstehen, wenn ich an dieserDieses Bewußtsein gründet sich auch auf die wech-(C) Stelle dem ehemaligen Bundesfinanzminister Oskar La- selvolle Geschichte unseres Landes: Das Saarland ist fontaine im Namen der Bürgerinnen und Bürger desdas erste Beitrittsland. Mit der Volksabstimmung von Saarlandes für seinen persönlichen Einsatz ganz beson- 1955 haben sich die Menschen unseres Landes eindeutig ders danke. Dieser Dank gebührt ihm aus unserer Sicht zum deutschen Kultur- und Sprachraum, zur Bundesre- wahrlich. publik, bekannt, gleichzeitig aber den Weg der Aussöh- nung zwischen Frankreich und Deutschland gewollt und (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des letztlich auch ermöglicht. Über das Schicksal der Saar Abg. Klaus Wolfgang Müller [Kiel] [BÜND- haben sich Deutschland und Frankreich gefunden. Aus NIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans Michelbach den einstigen Erbfeinden sind gute Freunde geworden, [CDU/CSU]: Ja, für 135 Tage im Amt! Sagen und darauf sind wir stolz. Sie mal, was er dafür kriegt!) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Mit der Entscheidung, die Teilentschuldung fortzu- Wolfgang Müller [Kiel] [BÜNDNIS 90/DIE setzen, hat die neue Bundesregierung gezeigt, daß sie GRÜNEN] und des Abg. Dr. Werner Hoyer zur föderalen Grundordnung, hier insbesondere zur [F.D.P.]) Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, in Deutschland steht. 1957 wurden wir das elfte Bundesland. 1959 erfolgte die Währungsumstellung; dies liegt nun schon oder erst Wir wissen, daß wir uns auch in Zukunft auf die neue – je nachdem, wie man es betrachtet – 40 Jahre zurück. Bundesregierung verlassen können, wenn es um die be- Neben den damaligen Umstellungsschwierigkeiten der rechtigten Interessen des Saarlandes und Bremens, aber saarländischen Wirtschaft, die im übrigen Parallelen zu auch um die der anderen finanzschwachen Länder geht. den neuen Bundesländern aufweisen, haben uns in den Gott sei Dank gibt es auch Länder, die nicht so große60er Jahren die Kohlekrise und in den 70er und 80er finanzielle Schwierigkeiten haben. Deswegen gilt unser Jahren die Stahlkrise getroffen. Das Ergebnis dieser Dank gleichermaßen all den Ländern, die bereit waren, Entwicklung ist Ihnen allen bekannt: Beschäftigungs- die uns gewährte Unterstützung mitzutragen. Es fälltrückgang, Verfall der Ertragskraft der Unternehmen und natürlich leicht, dies zu tun, wenn man selber finanziell damit auch der Finanzkraft unseres Landes bei gleich- nicht dazu beitragen muß. Ich bin aber dankbar dafür,zeitig zunehmender Beanspruchung des Landeshaus- daß der Neid, der in unserer Gesellschaft immer wieder halts. eine Rolle spielt, dadurch bezähmt wird. Diese Entwicklung in der Regierungszeit von CDU (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus und F.D.P. in unserem Land – das muß leider gesagt werden, Herr Hoyer – hat den Landeshaushalt geradezu (B) Wolfgang Müller [Kiel] [BÜNDNIS 90/DIE (D) GRÜNEN]) malträtiert und – das darf man wohl sagen – nahezu rui- niert. Ich wollte dies nur klarstellen, damit niemand Mit der heutigen Entscheidung des Bundestages wird sagt: Das haben die Sozis angestellt. Im Gegenteil, in die 1994 begonnene Teilentschuldung weitergeführt, de- dieser Zeit lag die Regierungsverantwortung bei der ren Grundlage die Anerkennung der extremen Haus-CDU, nachher bei CDU und F.D.P. haltsnotlage durch dasBundesverfassungsgericht am 27. Mai 1992 war. Dieses hat den Anspruch des Saar- Ich möchte das auch gar nicht den damals Verant- landes und auch Bremens von Verfassungs wegen be-wortlichen, zum Beispiel Herrn Klumpp von der F.D.P. stätigt. Ich möchte hier den wichtigsten Punkt des Ur- und Herrn Zeyer von der CDU, zum Vorwurf machen; teils herausstellen. Das Verfassungsgericht hat eindeutig denn bei den schwierigen Entscheidungen, die im Inter- klargestellt, daß die Selbständigkeit eines jeden Landes esse der saarländischen Stahlindustrie getroffen wurden, in Deutschland nicht nur auf dem Papier stehen darf. Je- haben wir als Opposition damals auch mitgestimmt. Wir des Glied der Solidargemeinschaft muß finanzwirt-haben also die Verantwortung für diese Entwicklung bei schaftlich in der Lage sein, die ihm von der Verfassung den Unterstützungsmaßnahmen mit übernommen. Aber zugewiesenen Aufgaben in eigener Verantwortlichkeit dennoch bleibt zu konstatieren, daß der entscheidende wahrzunehmen, um so seine politische Autonomie zuAufwuchs der Schulden bei uns im Land eben in der wahren und den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bür- Zeit zwischen 1980 und 1985 war. Das kann man un- ger gerecht werden zu können. Ist die Eigenständigkeit schwer an diesem Schaubild erkennen, das mir hier vor- und Eigenverantwortlichkeit nicht mehr gewährleistet, liegt. Die schwarzen und roten Balken zeigen das pro- weil sich das betreffende Land in einer extremen Haus- zentuale Wachstum der Schulden gegenüber dem Vor- haltsnotlage befindet, erwächst der Solidargemeinschaft jahr. Damit wird deutlich, daß man diese Entwicklung von Bund und Ländern auf Grund des bündischen Prin- wirklich nicht der jetzigen Landesregierung in die Schu- zips des Einstehens füreinander eine konkretehe schieben kann. Hilfspflicht zu. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Wolfgang Müller [Kiel] [BÜNDNIS 90/DIE Das Saarland hat daher keinen Anlaß, sich als Bitt- GRÜNEN] – Hans Michelbach [CDU/CSU]: steller zu fühlen. Natürlich sind wir dem Bund und den Der macht den Lafontaine zum Sparminister!] übrigen Ländern für die solidarische Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils sehr dankbar; das ist keine Zusätzliche Schwierigkeiten machen uns weitere Hy- Frage. Wir äußern unsere Dankbarkeit jedoch in dempotheken aus unserer Vergangenheit. Wir Saarländer Bewußtsein, daß hier dem Recht Genüge getan wird. haben nicht nur fünfmal in diesem Jahrhundert unsere 2904 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Ministerpräsident Reinhard Klimmt (Saarland) (A) Nationalität gewechselt; vielmehr werden und wurden bei den westdeutschen Flächenländern liegt dagegen bei (C) wir darüber hinaus als eine im Saar-Lor-Lux-Raum geo- 44 Prozent. Das war also eine wirklich fulminante An- graphisch zusammenhängende und auch nach unsererstrengung. Meinung zusammengehörende Region durch eineViel- zahl von Grenzen in unserer Entwicklung gehemmt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das Saarland ist eine wichtige Verbindungsstelle zwi- – Das ist einen Beifall wert. – Damit konnte die Perso- schen Frankreich und Deutschland. Lothringen, Luxem- nalausgabenquote von 39,4 Prozent auf 38,4 Prozent ge- burg und der südliche Teil Belgiens gehören ebenso wie senkt werden und ist nicht wie in anderen Bereichen ge- die angrenzenden Regionen von Trier und der Westpfalz stiegen. dazu. Deswegen sehen wir unsere Zukunft eng an den europäischen Einigungsprozeß gebunden und halten Das Ausgabenwachstum ist im Saarland – übrigens auch aus diesem Grund alle Parteien – Herr Jacoby hat genauso wie in Bremen – deutlich unterhalb der Emp- es gesagt; im Saarland tun das alle Parteien – an unserer fehlung des Finanzplanungsrates gehalten worden. Eigenständigkeit fest. Gleichzeitig – auch das ist von Herrn Hoyer angemahnt worden – haben wir Anschluß an die allgemeine Wirt- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus schafts- und Wachstumsdynamik gefunden. Die Be- Wolfgang Müller [Kiel] [BÜNDNIS 90/DIE gründung im Gesetzentwurf ist also nicht falsch; denn GRÜNEN]) mit einem realen Wachstum von 9,9 Prozent je Einwoh- ner seit 1993 konnten wir im Saarland unsere Wirt- Die Haushaltsnotlage ist bekanntlich deswegen ent- schaftskraft überdurchschnittlich stärken. standen, weil das Land auf der Ausgabenseite mit der Aufbringung von Lasten für denMontanbereich über- (Detlev von Larcher [SPD]: Hört! Hört!) fordert war. Die Eigenanstrengungen zur Strukturver- Wir haben den vorhandenen Handlungsspielraum in den besserung haben auch darunter gelitten. Uns wurde zu- vergangenen Jahren genutzt, um denStrukturwandel nehmend die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, um die im Saarland weiter voranzutreiben. uns von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben wahr- nehmen zu können. Vor diesem Hintergrund war die Früher fast ausschließlich durch die Montanindustrie Klage vor dem Bundesverfassungsgericht notwendiggeprägt, hat sich das Saarland zu einem Standort mit und im Ergebnis erforderlich. moderner Industrie- und Dienstleistungsstruktur entwik- kelt. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Be- Die Fortsetzung der Teilentschuldung des Saarlandes schäftigten im Dienstleistungsbereich hat sich von und Bremens ist Gott sei Dank unbestritten. Eine Bund- 45 Prozent im Jahre 1985 auf 56 Prozent im Jahre 1998 Länder-Arbeitsgruppe kam im Februar des vergangenen erhöht, während sich der Anteil der Beschäftigten im (B) Jahres zu dem Ergebnis, daß die Notwendigkeit derBergbau im gleichen Zeitraum von 7 Prozent auf 4 Pro- (D) Fortsetzung der Sanierungshilfen über das Jahr 1998 zent verringert hat. In absoluten Zahlen ausgedrückt: hinaus besteht. Das war also kein Antrag von uns, son- Wir haben im Saarland seit 1985 netto mehr als 40 000 dern die vereinbarte Überprüfung der Erfolge der vorge- Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich geschaffen; das sehenen Entschuldung. Dies ist auch durch den Be-ist eine stolze Zahl. schluß der Länderfinanzministerkonferenz am 13. März 1998 bestätigt worden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Wolfgang Müller [Kiel] [BÜNDNIS 90/DIE Um die bisher erreichten Sanierungsfortschritte zu si- GRÜNEN]) chern und einen dauerhaften Anschluß an die Haushalts- situation der anderen Länder zu erreichen, ist die Fort- Dem stehen mehr als 10 000 Arbeitsplätze gegen- setzung der Sanierungshilfen richtig und unerläßlich,über, die seit 1985 allein im Bergbau verlorengegangen nicht zuletzt deshalb, weil beide Länder die Sanierungs- sind. hilfen des Bundes durch eine konsequente Haushaltspo- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sagen Sie ein- litik in den vergangenen Jahren flankiert haben. Wir ha- mal etwas zu den Arbeitslosenzahlen!) ben also nicht geglaubt, mit Unterstützung des Bundes die Kuh bei uns im Land fliegen lassen zu können, imDieser Prozeß des Abbaus geht weiter; dieser Prozeß hat Gegenteil: Das Saarland hat frühzeitig begonnen, auf die uns in unseren Schwierigkeiten sehr stark getroffen. sich kontinuierlich verschlechternde Haushaltslage mit Vergessen Sie nicht, daß auf der Grundlage des Kohle- einer konsequenten Sparpolitik zu reagieren. Wir haben kompromisses bis zum Jahre 2005 die Belegschaft im zum Beispiel als erstes Land überhaupt schon 1986 die saarländischen Bergbau – mittlerweile ist die DSK das Ministerialzulage gestrichen. Die Zahl der Ministerien verantwortliche Unternehmen – erneut halbiert wird. Ich wurde von acht auf sechs reduziert. Damit haben wir die bitte Sie, diesen schwerwiegenden und für uns harten – wohlgemerkt zahlenmäßig – kleinste aller Landesre- Abbau von Arbeitsplätzen in diesem Sektor zu beachten, gierungen. wenn Sie zukünftig in diesem Hause über Energiepolitik reden. Wir haben damit sehr schwer zu kämpfen. Die Zusammenlegung von Behörden und Ämtern brachte neben einer Kostenreduzierung eine effizientere (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Brigitte Aufgabenerfüllung. Mit den Sparmaßnahmen konnte der Baumeister [CDU/CSU]: Das haben wir in Zuwachs bei den Personalausgaben deutlich begrenzt Baden-Württemberg bei der Textil- und der werden. Ihr Anstieg betrug im Zeitraum von 1988 bis Uhrenindustrie ohne staatliche Hilfen ge- 1998 im Saarland knapp 30 Prozent. Der Durchschnitt schafft!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2905

Ministerpräsident Reinhard Klimmt (Saarland) (A) Bei den Erwerbstätigen – ich möchte auch hier Ih- tionsquote unter den westdeutschen Flächenländern(C) rem Wunsch nach Aufklärung entsprechen – hat dasaufweisen. Saarland mit einem Anstieg von 0,9 Prozent im vergan- Ich darf zusammenfassend feststellen: Die Fortset- genen Jahr gegenüber 1997 den stärksten Zuwachs unter zung der Teilentschuldung verbessert dieZukunfts- allen Bundesländern zu verzeichnen. chancen des Saarlandes und auch Bremens. Beide Län- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie machen der wissen, daß weitere eigene Anstrengungen unab- aus nichts einen Popanz!) dingbar sind. Wir werden den strikten Haushaltskonsoli- dierungskurs weitergehen und versuchen, weiter kreativ Wir konnten den Abstand unseres Landes zur Arbeitslo- zu sparen und Investitionen und Wachstum zu fördern. senquote wohlgemerkt der westlichen BundesländerZu diesem Weg sehen auch wir keine Alternative. Unse- von 4,1 Prozentpunkten im Jahr1985 auf 2 Prozent- re Politik bleibt darauf ausgerichtet, den Strukturwandel punkte im Jahr 1998 halbieren. Das ist immer noch viel im Saarland weiter voranzutreiben, um die Wirtschafts- zu hoch – das ist völlig richtig –, aber für uns von großer und Finanzkraft unseres Landes zu stärken. Bedeutung. Vergessen Sie dabei aber bitte nicht, daß wir gern und bereitwillig für unsere Nachbarn in Lothringen Meine Damen und Herren, mir ging es darum, an die- und Rheinland-Pfalz Arbeitsplätze zur Verfügung stel- ser Stelle Dank zu sagen, aber auch um Verständnis für len. Wir haben einen Pendlerüberschuß von 20 000. Das unser Land zu werben, das im äußersten Südwesten ist in Relation zur Zahl unserer Arbeitsplätze der höch- Deutschlands an der Grenze zu Frankreich, aber auch im ste Anteil eines Bundeslandes überhaupt, was die Zur- Herzen Europas liegt. Wir waren oft genug Schlachtfeld, verfügungstellung von Arbeitsplätzen für Nachbarn im lange genug Vorposten. Jetzt wollen wir Brücke sein. Ja, In- und Ausland angeht. besser noch: Wir wollen Nahtstelle sein, wo Deutsch- land und Frankreich und damit Europa zusammenwach- Das alles zeigt, daß die Bemühungen des Landes, An- sen. schluß an das Niveau der anderen westdeutschen Länder zu finden, in den letzten Jahren nicht erfolglos waren. Ich danken Ihnen noch einmal herzlich. Glück auf! Ich sage aber auch: Die ungenügendeEinnahmenent- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wicklung in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) daß wir trotz strengster Ausgabendisziplin das Ziel, nach der letzten Teilentschuldungsrate den Anschluß an die finanzwirtschaftliche Entwicklung des nächstschwäche- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als ren Bundeslandes zu schaffen, nicht erreicht haben. Die nächster Redner hat der Kollege Jochen-Konrad From- Einnahmen sind seit 1993 hinter den damaligen Erwar- me von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (B) tungen zurückgeblieben. Die Gründe dafür sind bekannt: (D) Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung in (CDU/CSU): Herr Präsi- Deutschland, verbunden mit einer hohen Arbeitslosig- Jochen-Konrad Fromme dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überein- keit und einer Erosion der Steuereinnahmen. Die volks- stimmung im Ergebnis, daß wir diese Maßnahme fort- wirtschaftliche Steuerquote in Deutschland ging im Zeit- setzen wollen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß raum von 1993 bis 1998 von 24 Prozent auf 22 Prozent hier grundsätzliche Probleme auf der Tagesordnung ste- zurück. Die Differenz von 2 Prozentpunkten macht jah- hen. Daß die Sanierung im Saarland und in Bremen resbezogen für die Bundesrepublik Deutschland einen noch nicht vollendet ist, wird in dem vorliegenden Be- Betrag von 65 Milliarden DM aus. Das heißt, den öf- richt damit begründet, daß sich die Steuereinnahmen an- fentlichen Kassen in Deutschland fehlten 1998 gegen- ders entwickelt hätten, als man dies angenommen hatte. über den Finanzplanungen von 1993 rund 65 Milliarden Wenn man die Steuerschätzung zu hoch ansetzt und sie DM. Das bedeutete für uns, daß wir im Sanierungszeit- in der Hoffnung zugrunde legt, daß die Vorhersage ein- raum rund 3 Milliarden DM weniger eingenommen ha- tritt, dann braucht man sich über die anders verlaufende ben, als 1993, dem Jahr, in dem man die Teilentschul- Entwicklung nicht zu wundern. Von dieser Entwicklung dung festgelegt hatte, erwartet wurde. waren aber alle Länder und auch der Bund betroffen. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie nehmen Es ist heute nicht zu Unrecht schon mehrfach betont doch immer mehr ein!) worden, daß der Länderfinanzausgleich die Einnahmen- Uns ist trotzdem gelungen, den Schuldenstand seite um zu 99,5 Prozent anzeigt. Deswegen liegen die Pro- 2 Milliarden DM abzubauen. Der Abstand in der Pro-bleme weniger auf der Einnahmenseite als auf der Aus- Kopf-Verschuldung zum nächst finanzschwächerengabenseite. Ein Blick in die Statistik zeigt, daß das Land wurde von 4 937 DM Ende 1993 – ich nenne diese Saarland und Bremen bezüglich der Einnahmen pro Zahlen, damit Sie genau informiert sind – auf 1 195 DM Kopf im Vergleich zu den anderen Bundesländern gar Ende 1998 zurückgeführt. Auch diese Tatsachen müssen nicht schlecht dastehen. Ich sage noch einmal: Die Pro- registriert werden. bleme liegen eher auf der Ausgabenseite als auf der Ein- nahmenseite. An der Lösung dieser Probleme muß gear- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten beitet werden. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber es gibt Unterschiede zwischen dem Saarland Trotz des Sparkurses hat das Saarland seine Investiti- und Bremen, die ich einmal deutlich machen will. Wenn onsquote im Sanierungszeitraum gesteigert; mit dem Er- man sich die Zahl der öffentlich Beschäftigten für je gebnis, daß wir 1998 und 1999 die dritthöchste Investi- tausend Einwohner ansieht, dann erkennt man, daß 2906 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Jochen-Konrad Fromme (A) Bremen mit 48,8 deutlich unter dem Durchschnitt derZuge der Neuregelung 1996 dem Bund abgetrotzt. Jetzt, (C) Stadtstaaten mit 60,1 liegt. Das Saarland jedoch liegt mit meine Damen und Herren, wo erstmalig diese Regelung 25,7 öffentlich Beschäftigten je tausend Einwohnergreifen müßte, wollen Sie nichts mehr davon wissen. deutlich über dem Durchschnitt der westlichen Flä-Obwohl es eine Sonderregelung gibt, die nach ihrer Ent- chenländer, trotz der Tatsache, daß es ein relativ kleines stehungsgeschichte nichts anderes bedeuten kann, als Land ist, das eine mittlere Verwaltungsebene, die andere daß exakt die Frage des Familienlastenausgleichs her- Länder haben, gar nicht braucht. Selbst im Großstadt-ausgegriffen und im Verhältnis 76:24 Prozent gelöst vergleich weist Bremen immerhin noch die viertniedrig- werden soll, stellen Sie sich schlicht und einfach auf den ste Personalausstattung aller zwölf deutschen Großstädte Standpunkt, man müsse das im Paket sehen, könne das auf. nur insgesamt machen, und wenn die Länder und Ge- meinden insgesamt unter dem Strich – in welchen Bremen ist es gelungen, die Pro-Kopf-Ausgaben mit Klammern auch immer, die Sie künstlich ziehen – nicht 11 659 DM auf den Durchschnitt der Stadtstaaten zubelastet würden, dann sei das in Ordnung. Nicht einmal drücken. Läßt man die Zinsausgaben einmal weg, so lie- diesen formellen Standpunkt, zu dem ich ausdrücklich gen die Ausgaben sogar unter dem Durchschnitt. Ganz sage, daß er wegen der Entstehungsgeschichte falsch ist, anders sieht die Situation im Saarland aus. Dort liegthaben Sie eingehalten. Sie haben vergessen, daß Sie das man mit 5 823 DM um mehr als 10 Prozent über demKindergeld mit dem Vorläufer einst aus dem Gesamtpa- Durchschnitt der Flächenländer von 5 099 DM. Dieser ket herausgeklammert haben. Damit ist nicht einmal Unterschied bleibt auch dann bestehen, wenn man die mehr die formelle Voraussetzung dafür erfüllt, daß der Zinsausgaben wegläßt. Das ist um so unverständlicher, Lastenausgleich sozusagen in einem Paket stimmt. Ich wenn man bedenkt, daß die Kosten in einem kleinenhoffe, daß ein Bundesland sich aufrafft, seine Rechte Bundesland doch kleiner als in einem großen Bundes- und die Rechte seiner Kommunen wahrnimmt und Kla- land sein müßten. ge vor dem Bundesverfassungsgericht erhebt, um diesen Da es sich bei beiden Ländern um relativ kleine Län- Punkt anzugreifen. Denn Sie haben die Rechte der ande- der handelt, sind die Struktur und der Prozeß vergleich- ren mit den Füßen getreten. bar. Das heißt: Es muß unterschiedlich gearbeitet wor- (Beifall bei der CDU/CSU) den sein. Man könnte doch glatt auf die Idee kommen, daß das unterschiedliche Engagement der jeweiligen Wenn wir uns heute mit Sonder den - Bundes- Ministerpräsidenten ausschlaggebend ist. Denn einer der ergänzungszuweisungen befassen, dann macht schon beiden war mehr im Bund unterwegs als in seinem eige- allein der Ausdruck, allein die sprachliche Bezeichnung nen Land und hat sich nicht so sehr um die Angelegen- deutlich, daß es eigentlich nur um ein Kurieren am heiten des eigenen Landes gekümmert. Aber das hat sich Symptom geht, aber nicht darum, das Übel an der Wur- (B) nun geändert. Jetzt wird derjenige, der verantwortlichzel zu fassen. Ich bin froh, daß die Grundsatzdebatte(D) ist, zu 100 Prozent im Saarland tätig sein. schon soweit fortgeschritten ist und daß wir uns in den Grundsätzen – solange es noch nicht an die Realisierung (Beifall bei der CDU/CSU) geht – offenbar weitgehend einig sind. Ein Weg, um zu Meine Damen und Herren, auch wenn die entspre-einer Verbesserung zu kommen, ist es, die Eigenverant- chende Länderarbeitsgruppe einvernehmlich zu dem Er- wortung und die Gestaltungsmöglichkeiten für die gebnis gekommen ist, daß die SanierungsmaßnahmeHaushalte der Länder auf der Einnahmen- und auf der fortgesetzt werden muß, muß man doch weiter ein kriti- Ausgabenseite zu stärken. Dem steht unsere gegenwär- sches Auge darauf werfen. Die Tatsache, daß die Förde- tige föderale Ordnung entgegen. rung jetzt von Anfang an degressiv ausgestaltet ist, läßt Lieber Herr Müller, ich freue mich, daß Sie das Urteil hoffen, daß die Maßnahme damit beendet ist. Die Finan- des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes angesprochen zierung – das ist heute mehrfach angeklungen – ist ange- haben. Was nützt das beste Urteil, was nützt das beste sichts des Bundeshaushaltes natürlich sehr schwierig.Rechtssystem, wenn eine Regierung nicht bereit ist, sich Aber eins muß klar sein: Finanzminister Eichel hat an- daran zu halten? Immerhin mußte der niedersächsische gekündigt, die 12 Milliarden DM würden demnächst in Ministerpräsident und heutige Bundeskanzler sich drei- die Deckungsquotenberechnung einbezogen, also aufmal vom Staatsgerichtshof bescheinigen lassen, daß er Länder und Kommunen umgelegt. Das darf aber nicht die Verfassung gebrochen hat. Der vierte Streit bahnt dazu führen, daß solche Instrumente mißbraucht werden, sich an, weil das Land immer noch nicht bereit ist, die um Wahlgeschenke auf Kosten anderer zu finanzieren. Strukturen zu akzeptieren, die die Verfassung vorgibt. (Beifall bei der CDU/CSU) (Detlev von Larcher [SPD]: Was hat das mit dem Thema zu tun?) Das hat nichts damit zu tun, daß alle verantwortlich sind; das geht nur einvernehmlich. – Herr von Larcher, was das mit dem Thema zu tun hat, kann ich Ihnen ganz genau sagen. Selbst wenn es uns In diesem Zusammenhang erinnere ich an das Bei- gelänge, richtige Strukturen zu erarbeiten – daß sie ver- spiel des Kindergeldes . Herr Müller, wer im Glashaus ändert werden müssen, darüber sind wir uns einig –, sitzt, darf nicht mit Steinen werfen! Sie haben uns vor- käme es dann natürlich darauf an, daß sie auch einge- geworfen, wir hätten in der Vergangenheit Politik auf halten werden. Dafür stehen Personen, oder sie stehen Kosten anderer gemacht. Was haben Sie denn gemacht? eben nicht dafür. Im Grundgesetz findet sich eine Sonderlastenregelung für den Kindergeldbereich. Den haben die A-Länder im (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2907

Jochen-Konrad Fromme (A) Genau das haben wir an der Person, die ich erwähnt ha- 1955 haben wir – um es in Ihr Gedächtnis zurückzu- (C) be, gesehen. rufen – den kleinen Steuerverbund und in ersten Schrit- ten den Länderfinanzausgleich eingeführt, allerdings auf (Detlev von Larcher [SPD]: Billige Polemik!) wesentlich niedrigerer Basis. Hätten wir dieses System Ein wichtiger Bestandteil in diesem Kanon ist derbeibehalten, so würde das Saarland heute nur noch Zu- Länderfinanzausgleich. Gerade das Thema Sonder-weisungen im Rahmen des Finanzausgleichs erhalten. Bundesergänzungszuweisungen und die relativ guteDie Tatsache, daß heute so viele Länder Zuweisungen Einnahmesituation der Notständler zeigt, daß grundle- erhalten, ist doch nur darauf zurückzuführen, daß der gende Erneuerungen notwendig sind. Wir brauchenProzentsatz für die Sockelgarantie von ursprünglich 88 mehr Wettbewerbsföderalismus. Daß das funktionieren Prozent auf über 99 Prozent angehoben worden ist. Eine kann, haben wir in der Vergangenheit in Deutschlandsolche Gestaltung hat zur Folge, daß die Früchte einer selbst bewiesen. Als wir nämlich 1947 die erste Finanz- Strukturpolitik eben nicht im eigenen Land bleiben. Die verfassung gemacht haben und keinen Länderfinanzaus- Länder bleiben einerseits auf den Kosten sitzen, haben gleich hatten, waren die Länder viel stärker darauf an- andererseits aber nichts von den Erfolgen. Das jetzige gewiesen, selbst kreativ zu werden. System sorgt nicht dafür, daß die Länder sich wirklich anstrengen, auf der Ausgabenseite etwas zu tun. Das se- (Detlev von Larcher [SPD]: Wie alt waren Sie hen wir ja auch daran, wie es gelaufen ist. 1947?) (Beifall bei der CDU/CSU – Detlev von Lar- Schauen Sie doch einmal auf das BeispielBayern cher [SPD]: Der saarländische Ministerpräsi- und auf das BeispielSchleswig-Holstein! Schleswig- dent hat doch den Erfolgsweg gezeigt!) Holstein befand sich damals am Ende der Leistungsska- la. Es verfügte über ein Fünftel der Einnahmen des Spit- – Herr von Larcher, wenn Sie etwas sagen wollen, dann zenreiters Bayern und hat sich dann nach vorne gear-melden Sie sich doch zu Wort. beitet. Die Finanzreform von 1969 hat diesen Zustand noch Bei einem System aber – ein solches haben wir imin einem weiteren Punkt verstärkt. Wir haben nämlich Laufe der Jahre geschaffen –, bei dem es gar nicht dar- die Politikverflechtung perfektioniert. Auf der Einnah- auf ankommt – – menseite wurde der große Verbund geschaffen. Das heißt, alle steuerlichen Regelungen können nur noch im (Detlev von Larcher [SPD]: Aber Bayern war Einvernehmen zwischen Bund und Ländern geändert Empfängerland von Bremen!) werden und wirken für alle. Auf der Ausgabenseite wur- de dies durch die Gemeinschaftsaufgaben komplettiert. – Herr von Larcher, hören Sie doch einmal zu! (B) Außerdem haben wir viel stärker als in der Vergan-(D) (Zuruf von der SPD: Wir haben keine Lust genheit von der Rahmengesetzgebung Gebrauch ge- mehr zuzuhören!) macht, so daß im Grunde genommen alle jetzt in dem Bei einem System, durch das ein Land ohne Rück-gleichen Korsett stecken. Kein Land – wollte es auch sicht auf das eigene Verhalten über den Länderfinanz- noch so gern gegen den Strom schwimmen – kommt ausgleich praktisch zu 99,5 Prozent so gestellt wird wie heraus. Das ist der Strukturfehler, den wir im Augen- ein reiches oder armes Land, braucht man sich nicht zu blick haben. Deswegen brauchen wir grundlegende Ver- wundern, daß sich die einzelnen gar nicht anstrengen, zu änderungen über den Finanzausgleich hinaus. Verbesserungen zu kommen; denn es lohnt sich einfach Der Wissenschaftler Needhams hat die Behauptung nicht, und es kommt zu Ungerechtigkeiten. aufgestellt – dafür spricht einiges –, daß Europa im Nehmen Sie doch nur einmal das Beispiel Steuervoll- Mittelalter deshalb stärker geworden ist als das damals zug. Warum soll ein Bundesland etwa in eine technisch Be- viel weiter entwickelte China, weil in Europa, triebsprüfung Geld investieren, seine Betriebe durch das bedingt durch die Kleinstaaterei, die natürlich auch Anlegen harter Maßstäbe ärgern, um Steuern hereinzu- manchen Nachteil hatte, jeder für sich etwas tun konnte. holen, die dann auf alle umverteilt werden? Die Ausga- Jeder konnte eigene Experimente durchführen. Man ben bleiben, und die Erfolge gehen weg. Das kann doch konnte sehr schnell und sehr wirksam etwas ausprobie- kein Anreiz sein, und es führt zu deutlichen Ungerech- ren. Meine Damen und Herren, man muß auch neue tigkeiten. Das muß geändert werden. Dinge ausprobieren. Ich will nicht zur Kleinstaaterei zurück; vielmehr will (Beifall bei der CDU/CSU – Detlev von ich, daß ein Land eigene Verantwortung tragen kann. Larcher [SPD]: Da gibt es doch schon Vor- Aber das ist nur über die Einnahmenseite und über die schläge!) Ausgabenseite möglich. Wir haben heute selbst imKul- Dem steht auch nicht das Gebot nach Vereinheitli-turbereich, von dem wir immer meinen, er sei die Do- chung der Lebensverhältnisse entgegen. Die Finanzver- mäne der Länder, gar nicht mehr die Möglichkeit zum fassung kennt dies gerade nicht, sondern diese Klausel eigenen Handeln; denn kein Land kann über seine steht im Grundgesetz. Deswegen ist es auch nicht not- Hochschulen bestimmen. Das ist eine Gemeinschafts- wendig, daß das gemacht wird. Wir müssen das, was wir aufgabe geworden, da alle Länder gemeinsam darüber in zwei Schritten, nämlich 1955 und 1969, mit denbestimmen. Deshalb funktioniert an dieser Stelle die Finanzreformen gemacht haben, wieder rückgängigKulturhoheit der Länder nicht. Wir müssen hier zu er- machen. heblichen Verbesserungen kommen. 2908 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Jochen-Konrad Fromme (A) Das ist möglich. Wie gesagt, wir haben in den Auf- handelt worden sei, hat das Bundesfinanzministerium(C) baujahren, den starken 50er und den 60er Jahren, in de- geantwortet, es habe in diesem Punkt überhaupt keine nen wir dieses System so nicht hatten, große Erfolge er- Aufgabenzuständigkeit. Wer so handelt, der braucht sich zielt. Ich wiederhole es: Nicht umsonst konnten sichnicht zu wundern, wenn ihm der Wind ins Gesicht weht. Bayern und Schleswig-Holstein, beides Flächenländer, Auch das gehört zu strukturellen Veränderungen. Je- von den letzten Plätzen nach vorne arbeiten, eben weil der muß für sich handeln. Wenn das geschieht, kann je- sie die Möglichkeiten hatten, eigenverantwortlich zu ge- der für sich verantwortlich gemacht werden und keiner stalten und selbst zu bestimmen, ob sie ihre Finanzmittel wird dazu kommen, seine eigenen politischen Risiken in den konsumtiven oder in den investiven Bereich lei- durch Fehlpolitik auszugleichen. Dies ist beispielsweise ten. in Bremen geschehen, wo in der Werftenpolitik und ge- (Zuruf von der SPD) genüber der Automobilindustrie große Schäden ange- richtet worden sind. In einem System, wie wir es uns – Natürlich haben die Bayern am Anfang Geld bekom- vorstellen, würden die Schäden nicht auf den bremi- men. Das ist doch gar keine Frage. Aber sie haben etwas schen Schultern landen, sondern auf allen Schultern; daraus gemacht, und sie haben es geschafft. Darin be-deswegen brauchen wir ein Gesetz, das dies leistet. steht doch der Unterschied. Wenn es Eigenverantwortlichkeit gibt, dann werden (Beifall bei der CDU/CSU) sich die Zustände in diesem Bereich verbessern und dann werden wir uns in Zukunft nicht mehr über Repa- Wir müssen auf diesem Gebiet strukturellen zu raturen, sondern mehr über strukturelle Fragen unter- Veränderungen kommen. Dies muß möglich sein, und halten. Das wäre besser. Ich hoffe, daß die Diskussion, es ist auch möglich. Wie gesagt, das System hat deutlich die hierzu angefangen hat, dazu führt, daß wir uns dann, gemacht, daß man Fortschritte erzielen kann. wenn es an die Umsetzung im Detail geht, einig werden. Daß Sie von der rotgrünen Koalition sich davorDanke schön. fürchten, eigenverantwortlich handeln zu müssen, kann ich verstehen. Nach dem Desaster, das Sie mit Ihren (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Hauruckreformen erreicht haben, haben Sie im Augen- ordneten der F.D.P.) blick die Nase natürlich voll, was eigenverantwortliches Handeln angeht. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als (Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD]) nächster Redner hat der Kollege Horst Schild von der SPD-Fraktion das Wort. (B) Deswegen sprechen Sie sich dagegen aus. (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Horst Schild (SPD): Herr Präsident! Meine Damen ordneten der F.D.P.) und Herren! Der Kollege Hoyer beklagt die Schlamperei der beteiligten Länder, die sehenden Auges in das finan- Wir freuen uns über den neuen Finanzminister. Er hat zielle Desaster hineingeschlittert seien, und darüber hin- uns im Finanzausschuß deutlich gemacht, daß in Zu-aus die Mißwirtschaft in den beteiligten Ländern. Die kunft Genauigkeit vor Geschwindigkeit geht. Ich höre, Botschaft soll wohl lauten: Die F.D.P. war nicht dabei, allein mir fehlt der Glaube. War er es nicht und niemand sonst wäre das natürlich ganz anders gelaufen. anders, der als Ministerpräsident in seiner Person dieses Hauruckverfahren überhaupt möglich gemacht hat? (Dr. [F.D.P.]: Besser wäre es!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Kollege Fromme lobt Bremen und tadelt das Saar- Wir warten auf Beweise, daß sich in diesem Bereich et- land. Das zielt letztlich in die gleiche Richtung. was grundlegend verändert. Nun, so ganz vergeßlich wollen wir nicht sein. Im Sanierungsbericht des Saarlandes von 1977 wurde dar- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Er ist weder auf hingewiesen – der Ministerpräsident des Saarlandes genau noch schnell!) hat es ja auch hier schon angedeutet –, daß bereits seit Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen.1974 wesentliche Personalausgaben und sächliche Ver- Die Statistik im Gemeindefinanzreformgesetz hat sich waltungsausgaben durch Kreditaufnahme finanziert verändert. In dieser existentiell ganz wichtigen Frageworden sind. Das hat auch kein Ende gefunden, als die haben wir einen großen Fortschritt gemacht. Meine Fra- F.D.P. im Saarland in die Regierung kam. Dieser Pro- ge im Finanzausschuß, ob die kommunalen Spitzenver- zeß hat – daher will ich das Ganze ja gar nicht den be- bände am Verfahren beteiligt worden sind, wurde mit Ja teiligten politischen Parteien anlasten – ganz objektive beantwortet; das solle in Zukunft immer so sein. Gründe. Auch in Bremen liegt es nicht daran, daß seit 1995 eine andere Koalition als in den Jahren 1991 bis Ich hoffe, daß das in Zukunft nicht nur bei den un-1995, wo die F.D.P. an der Regierung beteiligt war, re- wichtigen Fragen der Statistik der Fall ist, sondern auch giert, sondern auch dort bestanden die gleichen objektiv bei den wichtigen Fragen. Ich komme auf dieKinder- feststellbaren Probleme. Ich will auch gar nicht bestrei- geldregelung zurück. Auf meine Frage, ob mit denten, daß sich die F.D.P. in der damaligen Koalition in kommunalen Spitzenverbänden darüber überhaupt ver- Bremen an Bemühungen zur Sanierung der Finanzen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2909

Horst Schild (A) dieses Bundeslandes durchaus beteiligt hat. Nein, meine Das Verhalten und die Äußerungen der Bundesregie-(C) Kolleginnen und Kollegen, es gibt sicherlich ein paarrung, die in den Protokollen der Bund-Länder- objektive Gründe, die dazu geführt haben, daß sich diese Kommission nachzulesen sind, sind sehr restriktiv und beiden Länder in einer ganz extremen Haushaltslage be- zurückhaltend; das darf man heute mit aller Deutlichkeit finden. sagen, ohne daß wir den Blick nur in die Vergangenheit richten wollten. Heute geht es darum, ihnen weiterhin die Hand zu reichen und so die Chance zu eröffnen, diese extreme (Detlev von Larcher [SPD]: Sehr wahr!) Haushaltsnotsituation bis zum Jahre 2004 endgültig zu überwinden. Es ist ja heute schon gesagt worden, daß Mit der Zustimmung zu dem heutigen Gesetzentwurf das Bundesverfassungsgericht schon 1992 diese Notlage löst der Bundestag, letztlich wie schon der Bundesrat, konstatiert hat. Auf Grund objektiver Daten ist es trotz sein Versprechen auf Fortsetzung der Hilfe ein. Das ist aller Hoffnungen nicht möglich gewesen, im Zeitraum verfassungsrechtlich geboten. Die SPD-Bundestags- von 1994 bis 1998 diese extreme Haushaltssituation zu fraktion hält die Verlängerung dieser Hilfe auch für fi- überwinden. Aber die Daten, die uns zur Verfügung ste- nanzpolitisch vertretbar. Sie hat sie deshalb auch in den hen, zeigen eindeutig, daß die Trendwende da ist. Wir Bundeshaushalt eingestellt, im Gegensatz zu der alten können nur hoffen, daß es die allgemeinen Rahmenbe- Regierung, die diese Hilfe in dem Entwurf des Bundes- dingungen erlauben, daß diese beiden Länder bis zum haushaltes im letzten Jahr nicht vorgesehen hatte. Dieser Ablauf des Jahres 2004 das erreicht haben, wofür wirGesetzentwurf sieht vor – ich wiederhole das letztlich ihnen heute die Hand reichen. nur –, daß beide Länder zusammen im Jahre 1999 3 Milliarden DM erhalten und daß diese Ergänzungszu- (Beifall bei der SPD) weisungen bis auf 1,2 Milliarden DM im Jahre 2004 Unstrittig, meine Damen und Herren, ist doch, daß in stetig zurückgeführt werden. beiden Ländern in diesen Jahren nachweislich erhebli- Das ist noch nicht alles. Diese Zuweisungen sind mit che Anstrengungen unternommen worden sind. entsprechenden Maßgaben für Bremen und das Saarland (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schulden ma- verbunden. Das war auch in der Vergangenheit so, aber chen ist eine große Anstrengung!) diese Maßgaben sind noch präzisiert, man kann auch sa- gen: verschärft worden. Der Ausgabenzuwachs ist un- Über Parteigrenzen hinweg besteht doch Einigkeit dar- terhalb der Empfehlung des Finanzplanungsrats für den über, daß diese Anstrengungen wirklich unternommen allgemeinen Ausgabenzuwachs zu halten. Noch schärfer wurden. In dieser Einschätzung sind sich auch die Bun- sind die Restriktionen im Bereich der konsumtiven Aus- desregierung und der Bundesrat einig. gaben. Die Zuweisungen sind ferner unmittelbar zur (B) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Schuldentilgung zu verwenden. In Bremen, das bereits(D) seit 1994 ein ehrgeiziges Investitionssonderprogramm Das gilt – auch das ist gesagt worden – nicht erst seitdurchführt, sind die Zinsersparnisse zur Verminderung dem Regierungswechsel im letzten Herbst. Die Bund- der Verschuldung einzusetzen. Das Saarland soll in die Länder-Arbeitsgruppe zum Fortgang der Haushaltssa- Lage versetzt werden, stärker als bisher auch Investitio- nierung hat ja bereits 1997 einvernehmlich als Ergebnis nen zu tätigen, die die Wirtschaftskraft fördern. Schließ- festgestellt, daß beide Länder das Sanierungsziel bislich müssen die Länder, wie auch in der Vergangenheit, 1998 nicht erreichen werden, weil sie sich – ich zitiere jährlich über die Fortschritte bei der Haushaltssanierung aus dem Bericht – „weiter in einer extremen Haushalts- berichten. notlage befinden (werden), aus der sie sich aus eigener Kraft nicht befreien können, auch wenn sich der Ab- Diese Maßgaben und die abnehmende Höhe der stand zu den anderen Ländern verringert hat.“ Damit gilt jährlichen Zuweisungen sorgen dafür, daß sowohl Bre- weiterhin das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom men als auch das Saarland unter hohem Druck stehen, 27. Mai 1992, nach dem die bundesstaatliche Gemein- weitere Anstrengungen zur Sanierung ihrer Haushalte zu schaft verpflichtet ist, Einzelländern bei bestehendenunternehmen. Es gibt keinen Grund, an dem Willen und extremen Haushaltssituationen zu helfen. der Fähigkeit dieser Länder zur Haushaltssanierung zu zweifeln. Auch die Finanzministerkonferenz der Länder hat 1998 die Fortsetzung der Sanierungsprogramme unter- (Beifall bei der SPD) stützt. Der damalige Finanzminister hat ja exakt die Summe, die im heutigen Gesetz der Bundesregierung Kollege Fromme, Sie haben, wie ich, die Daten – steht, als notwendig angekündigt. Daß es dabei einigeZinslastquoten, Zinsausgaben usw. – vom BMF be- Differenzierungen gab, ist vorhin deutlich geworden.kommen. Wenn man sich einmal nicht nur die Daten des Wer sich einmal den Abschlußbericht der Sanierungs- Saarlandes und Bremens anschaut, sondern auch einen kommission von 1997 anschaut, kann beim Nachlesen Vergleich zu den anderen Bundesländern zieht – völlig eindeutig feststellen, welche Position die alte abge-unabhängig von den Mehrheiten in diesen Ländern –, wählte Bundesregierung in dieser Frage eingenommen könnte man zu dem Schluß kommen, das sei ein Weg, hat. Ich empfehle das denen, die heute den Eindruck er- den auch andere Bundesländer bisweilen einmal beden- weckt haben, als ginge es hier sozusagen nur noch um ken sollten. die Kontinuität in der Fortsetzung dessen, was Minister Trotz der eben angedeuteten positiven Tendenzen in Waigel in der letzten Wahlperiode versprochen hat. beiden Ländern befindet sich das Wirtschaftsniveau (Detlev von Larcher [SPD]: Sehr richtig!) noch immer deutlich unter dem bundesdeutschen Durch- 2910 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Horst Schild (A) schnitt; das ist nicht zu verhehlen. Das belegen wichtige versprochen – durch die Umsatzsteuerbeteiligung nicht (C) Indikatoren, die heute schon angedeutet worden sind.schlechtergestellt werden als zu Zeiten des Bestehens Diese Probleme können im System des allgemeinender Gewerbekapitalsteuer. Finanzausgleichs in der Tat nicht hinreichend berück- Auf Grund der Rechtslage ist es nicht möglich, daß sichtigt werden. das Statistische Bundesamt diese Zahlen weitergibt. Mit Es geht hier und heute jedoch nicht um die Neuord- dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir ermögli- nung der Finanzverfassung und um die Diskussion, wie chen, daß den kommunalen Spitzenverbänden und den diese eventuell umgestaltet werden sollte. Gemeinden die erforderlichen Daten zur Überprüfung des Verteilungsschlüssels zur Verfügung gestellt wer- (Volker Kröning [SPD]: So ist es!) den. Nur so können sie die Berechnung des Verteilungs- Das steht auf einem anderen Blatt. Diese Diskussionen schlüssels nachvollziehen und überprüfen. Ohne diese werden sicherlich in Kürze erst einmal Gegenstand der Gesetzesänderung wäre dies nicht möglich. Auch damit Bund-Länder-Regierungskommission sein, die im De- leisten wir einen Beitrag dafür, das Vertrauen der Kom- zember 1998 vom Bundeskanzler und den Ministerprä- munen in die Politik dieses Hauses zu stärken. sidenten der Länder einberufen worden ist. Aber wenn Ich danke Ihnen. dort die vorbereitenden Aufgaben diskutiert worden sind, wird sich sicherlich auch der Deutsche Bundestag (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mit diesem Problem befassen müssen. In diesem Zu- des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der sammenhang will ich – ohne auf das, was zum Thema PDS) Länderfinanzausgleich gesagt worden ist, einzugehen – noch sagen: Die Solidarität der Starken mit den Schwa- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich chen und insbesondere die Solidarität mit den neuenschließe die Aussprache. Ländern wird dabei einer der unverrückbaren Eckpunkte sein. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Än- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Uwe- derung des Finanzausgleichsgesetzes, Drucksachen Jens Rössel [PDS]) 14/487 und 14/812. Der Finanzausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit der neuen Hier geht es nur um die Sonderlasten finanzschwa-Überschrift „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- cher Länder, die vorübergehend zu einer extremenrung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung Haushaltsnotlage geführt haben. Insgesamt stimmen wir des Gemeindefinanzreformgesetzes“ anzunehmen. Ich der Einschätzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu,bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- (B) daß eine weitere Gewährung von Sanierungsbeihilfen – schußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. (D) zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – notwendig– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist ist, um den bisher erreichten Sanierungsfortschritt zu si- der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden. chern. Dritte Beratung Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf ist ein Beitrag der Solidarität des Bundes mit den Län- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem dern Bremen und Saarland geleistet worden. Nach Ab- Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer lauf der für weitere sechs Jahre gewährten Ergänzungs- stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der zuweisungen wird Bremen und dem Saarland der An-Gesetzentwurf auch in dritter Lesung einstimmig ange- schluß an die Haushaltssituation der anderen Länder er- nommen. möglicht. Damit wird auch ein Beitrag zur Stärkung des Föderalismus in dieser Republik geleistet. Ich rufe Zusatzpunkt 10 auf: (Beifall bei der SPD) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hilde- brecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Es ist eine einstimmige Zustimmung des Bundesrates er- Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der folgt. Auch der Finanzausschuß des Bundestages hat Fraktion der F.D.P. einstimmig zugestimmt. Ich denke, dies wird auch heute trotz aller unterschiedlichen und differenzierten Bewer- Entlassung der Parlamentarischen Staatssekre- tungen im Detail so sein. tärin im Bundesministerium für Umwelt, Na- turschutz und Reaktorsicherheit Gila Alt- Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zu dem mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zweiten Teil des vorliegenden Gesetzentwurfes machen, zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. In – Drucksache 14/798 – diesem Gesetz wurde 1997 die Beteiligung der Gemein- Ich weise darauf hin, daß das Verlangen nach einer den an der Umsatzsteuer als Ausgleich für den Fortfall namentlichen Abstimmung zurückgezogen wurde. Wir der Gewerbekapitalsteuer geregelt. Wir haben uns da- werden heute also keine namentliche Abstimmung mals verpflichtet, im Jahre 1999 den vorläufigen Schlüs- durchführen. sel für die Verteilung der Umsatzsteuer auf die einzel- nen Gemeinden an Hand von aktuellen Statistiken zu Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die überprüfen. Hiermit soll sichergestellt werden, daß die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre Gemeinden – wie den kommunalen Spitzenverbänden keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2911

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Begrün- Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem(C) dung des Antrags hat der Kollege Dr. Guido Wester-Aufruf werden die Mitglieder der Bundesregierung welle von der F.D.P.-Fraktion. aufgefordert, ihre Unterstützung für den NATO- Angriffskrieg zu beenden. Das heißt, es sitzt jemand in der Bundesregierung, der sich selber auffordert, einen Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Meine sehr ge- NATO-Angriffskrieg zu beenden. Treten Sie zurück, ehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Die Parla-Frau Altmann! Sie sind nicht in der Lage, dieses Land mentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für zu regieren! Sie fallen nicht nur Ihrer eigenen Bundesre- Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Frau Gila gierung. Sie fallen nicht nur der deutschen Außenpolitik, Altmann hat einen Aufruf vom 14. April 1999 unter- Sie fallen vor allen Dingen den deutschen Bundeswehr- schrieben, in dem die Kosovo-Politik der Bundesregie- soldaten in den Rücken. Das ist nicht erträglich, das rung mißbilligt wird. Das bleibt jedem Bürger unbe-sagen wir als Oppositionsfraktion. nommen, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Zuruf von der PDS: Nur sagen darf er es nicht!) Sie scheinen selbst so sehr an Ihrem Dienstsessel und an Ihrem Dienstwagen zu kleben, aber wenn jemand Mitglied der Bundesregierung ist und in einem solchen Aufruf der Bundesregierung vorwirft, (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- sie unterstütze einen Angriffskrieg, also ein Verbrechen NIS 90/DIE GRÜNEN) nach dem Grundgesetz und unserem Strafgesetzbuch,daß Ihnen der eigene Charakter verbietet zurückzutreten. dann kann er nicht Mitglied der Bundesregierung blei- Es gibt zwei Gründe, warum Frau Altmann nicht zu- ben. rücktritt. Der eine ist Verführung durch Nähe und der (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) andere sind Sie. Ich habe den in den Tageszeitungen veröffentlichten (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aufruf mitgebracht. Darin heißt es: Den NATO-Denn die Bundesregierung hat in Wahrheit in diesem Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort beenden. Hause für ihre Außenpolitik bei den eigenen Fraktionen (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten keine Mehrheit, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer behauptet, unsere deutschen Soldaten würden Doch!) sich an einem Angriffskrieg in Jugoslawien beteiligen, weil sich die Grünen in einer unbekannten Größe in (B) der fällt diesen Soldaten in den Rücken, der diskreditiert Wahrheit als Selbsterfahrungsgruppe der Außenpolitik(D) das Organ, dem er angehört, nämlich die Bundesregie- gerieren. Das ist der eigentliche Grund. rung, und der muß, wenn er nicht zurücktritt, wenigstens vom Bundeskanzler entlassen werden. Ein öffentlicher (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Eintrag ins Klassenbuch ohne Konsequenzen ist wohl Herr Schröder kann Frau Altmann nicht entlassen, weil kaum ausreichend. er sonst den grünen Koalitionspartner verliert und vor Es ist unerträglich, daß ein Mitglied der Bundesregie- dem Parteitag der Grünen am 13. Mai Sorge haben muß. rung sagt, wir betreiben einen Angriffskrieg, und imDas ist ein trauriger Zustand für die deutsche Außen- Amt bleiben kann. Das ist der Tiefpunkt der politischen politik. Kultur auch in diesem Hause. Es ist im übrigen interessant, Frau Altmann, daß Sie (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bei den Abgeordneten Platz genommen haben. Sie soll- ten in dieser Debatte auf der Regierungsbank sitzen; Es ist eine geradezu absurde Begründung, wenn die denn dort haben Sie sich zu verantworten, wenn Sie der- Behauptung aufgestellt wird, das sei von der Meinungs- artige Aufrufe unterschreiben. vielfalt gedeckt. Es geht nicht darum, daß jemand viel- leicht einen Vorbehalt hat, in einer Frage anderer Mei- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- nung ist; es geht darum, daß jemand der Bundesregie- ten der CDU/CSU) rung angehört und sagt, diese Bundesregierung unter- stützt einen nach dem Grundgesetz verbotenen An- griffskrieg. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Westerwelle, erlauben Sie eine Zwischenfrage Das ist nicht akzeptabel, nicht von Meinungsfreiheit des Kollegen Koppelin? gedeckt und erst recht nicht von der Geschäftsordnung der Bundesregierung, die die Verpflichtung beinhaltet, in den Grundfragen selbstverständlich eine geschlossene Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Sicher. Position zu vertreten und sich dementsprechend nicht öf- fentlich in dieser Art und Weise zu äußern. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte schön. ( [CDU/CSU]: So haben wir uns nie benommen! – Hans Michelbach (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- [CDU/CSU]: Das ist die Regierung der Belie- NEN]: O Gott! – Weitere Zurufe vom BÜND- bigkeit!) NIS 90/DIE GRÜNEN) 2912 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

(A) Jürgen Koppelin (F.D.P.): Ich kann die Aufregung Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr (C) verstehen. Kollege Westerwelle, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Grehn von der PDS? Herr Kollege Westerwelle, Sie haben das Strafge- setzbuch zitiert. Darf ich Sie danach fragen, ob Ihnen der Text bekannt ist? Halten Sie es für notwendig, daß Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Selbstverständ- wir dem Hause den Text, der im Strafgesetzbuch zumlich, klar. Thema Angriffskrieg steht, bekanntgeben sollten? In § 80 StGB heißt es: Dr. Klaus Grehn (PDS): Herr Kollege Westerwelle, sind Sie mit mir einer Meinung, daß man, bevor man das Wer einen Angriffskrieg ..., an dem die Bundesre- Strafgesetzbuch zitiert, zuerst die Bundesverfassung, publik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet also das Grundgesetz, zitieren müßte? und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bun- desrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit le- benslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Ja. nicht unter zehn Jahren bestraft. Lese ich die Anzeige richtig – vielleicht können Sie Dr. Klaus Grehn (PDS): Danke. mir dazu etwas sagen –, daß Frau Altmann, die gesagt (Lachen bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Bei- hat: „Das ist ein Angriffskrieg“, auf diesen § 80 hin- fall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.]) weist, wonach sich die Bundesregierung strafbar ge- macht hat? Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Zwischenfragen sind manchmal wirklich erhellend. Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Das sehe ich in Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolle- der Tat ganz genauso. ginnen und Kollegen, wenn der Bundeskanzler erklärt, (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- man dürfe einen solchen Fehler auch als Regierungsmit- glied einmal machen, dann wäre die Konsequenz zu- NEN]: Das überrascht mich aber!) mindest, daß Sie, Frau Altmann, wenn Sie selbst und Es kommt noch etwas hinzu: Sie spricht von einerwenn Ihre Kolleginnen und Kollegen das als Fehler ein- „abenteuerlichen NATO-Politik“. Das mag die Unter- sehen, Ihre Unterschrift unter diesen Appell zurückzie- stützung der PDS finden. Für ein Mitglied der Bundes- hen. Treten Sie zurück! Sie können nicht im Amt blei- regierung ist das ausgesprochen fraglich. Das, was Frau ben; denn Sie sind nicht einmal bereit, Ihre Unterschrift (B) Altmann unterschrieben hat, ist im Klartext der Vor-unter diesen Aufruf zurückzuziehen. Es ist unglaublich, (D) wurf: Bundeskanzler Schröder, Bundesaußenministerdaß sich ein Mitglied der Bundesregierung bei einer der Fischer sind Angriffskrieger, also Verbrecher. Dann in wichtigsten außenpolitischen Entscheidungen seit Grün- dieser Regierung zu bleiben ist ein Stück aus dem Toll- dung der Bundesrepublik Deutschland in eine offene haus! Opposition zur Bundesregierung begibt und glaubt, es könne Mitglied dieser Bundesregierung bleiben. Sie sind (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – nur deshalb noch im Amt, weil Sie in Wahrheit Rücken- Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch deckung von Herrn Trittin und Ihren Fundamentalisten ein Panoptikum!) haben und weil Herr Schröder fürchten muß, er hätte in Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Heye, diesem Hause sonst keine Mehrheit mehr bei den Regie- der Regierungssprecher, stellt sich am Montag hin und rungsfraktionen. Es ist ein trauriger Zustand, daß Sie so legt Frau Altmann den Rücktritt nah. Danach tritt diesehr an der Macht kleben, daß Sie nicht mehr die Kraft Koalitionsrunde zusammen. Dann darf Frau Altmannhaben, Ihre Charakterstärke durch einen Rücktritt zum mit einem öffentlichen Tadel davonkommen. Der Grund Ausdruck zu bringen! dafür ist doch ganz einfach: Den gleichen Vorbehalt, (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und der den Frau Altmann öffentlich ausgesprochen hat, haben CDU/CSU) auch große Teile der grünen Fraktion (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als NEN]: Große Teile?) nächste Rednerin hat die Kollegin Ilse Janz von der hier im Deutschen Bundestag, an der Spitze übrigensSPD-Fraktion das Wort. Das gibt mir die Gelegenheit, Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der von einemIhnen, Frau Janz, ganz herzlich zu Ihrem heutigen Ge- Fehler in der NATO-Politikspricht. Wenn das ein burtstag zu gratulieren. Fehler ist, dann kann man nicht Bundesminister in dieser (Beifall) Regierung bleiben. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- ten der CDU/CSU) Ilse Janz (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Es ist doch unglaublich, daß die Außenpolitik der Bun- Bundesrepublik durchlebt in diesen Tagen mit dem Kon- desregierung ohne die Opposition de facto gar nichtflikt im Kosovo eine ihrer schwierigsten Phasen. Daß stattfinden könnte, weil sie keine Mehrheit hätte. wir in diesem Parlament bis auf wenige Ausnahmen mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2913

Ilse Janz (A) breiter Unterstützung auch der Opposition diese Krise zu Wenn Sie als Opposition nicht mehr vorzubringen haben (C) meistern suchen, sehe ich als unbestreitbares Kennzei- als einen solchen Antrag, dann ist das, so finde ich, chen unserer gemeinsamen Verantwortung, wenn Sie so wirklich traurig. Sie sollten Ihre Oppositionsrolle wirk- wollen, als Beleg für die oft gescholtene, aber doch vor- lich noch einmal überdenken. handene politische Kultur in unserem Land an. (Beifall bei der SPD – Lachen bei der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Eines sollten Sie sich merken: Nicht Sie bestimmen, Um so mehr sind wir verwundert, daß ausgerechnet welches Personal in der Regierung arbeitet. Darüber jetzt, da uns der Konflikt um das Kosovo täglich große sind wir als SPD-Fraktion auch ziemlich froh. Sorgen bereitet, von der F.D.P.-Fraktion ein solcher (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wurde. von Klaeden [CDU/CSU]: Aber wir kontrol- (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und lieren die Regierung!) der F.D.P.) Angesichts der schwierigen Situation mit dem Finger Selbstverständlich ist das Ihr gutes Recht. Allerdingsauf eine Kollegin zu zeigen, die es sich mit ihrer Aussa- hilft uns die Debatte nicht weiter; sie ist unnütze Spie- ge sicherlich nicht leichtgemacht hat gelfechterei. (Lachen bei der F.D.P. – Zuruf von der CDU/ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten CSU: Leicht haben wir es alle nicht!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Ihr Lachen finde ich in dieser Frage wirklich unver- Spätestens aus den Medien hätten Sie erfahren kön- schämt –, nen, daß die Bundesregierung die Auffassung von Frau (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Staatssekretärin Altmann nicht teilt. halte ich angesichts der Lage im Kosovo für politisch zu ( [F.D.P.]: Deswegen soll sie ja zu- kurz gegriffen. Für den Konflikt dort ist niemand anders rücktreten!) verantwortlich als der jugoslawische Ministerpräsident – Schreien Sie doch nicht immer so. Daran merkt man Milosevic. nämlich, daß Sie mit diesem Antrag eigentlich etwas (Dirk Niebel [F.D.P.]: Bestreitet keiner!) ganz anderes wollen. Dieser hat Menschenrechtsverletzungen in einem un- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ glaublichen Ausmaß begangen. Dies muß zu einem Auf- DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: Ja, daß schrei aller demokratischen Menschen führen. sie zurücktritt!) (B) (Dirk Niebel [F.D.P.]: Dann ist sie also nicht (D) Der Bundeskanzler hat keinen Zweifel daran gelas- demokratisch?) sen, daß die Position der Bundesregierung zum Kosovo- Konflikt uneingeschränkt gilt. Das trifft für die jetzige – Nun hören Sie doch einmal auf zu schreien! Wenn Sie Beteiligung am NATO-Einsatz zu, aber auch für dieetwas sagen wollen, dann melden Sie sich zu Wort. Das gleichzeitigen wichtigen politischen Initiativen. Dieist ja unglaublich! Kollegin Altmann ist Mitglied der Regierung; sie war (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ am Entscheidungsprozeß beteiligt. Deshalb wäre es aus DIE GRÜNEN) Sicht der SPD-Bundestagsfraktion besser gewesen, den Aufruf nicht zu unterschreiben. Wie viele andere in diesem Haus habe auch ich mir meine persönliche Entscheidung nicht einfach machen (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der können. Mir bleiben Zweifel, ob die Entscheidung rich- F.D.P.) tig war. Politik heißt doch nicht nur, Kompromisse und Daß für Sie als F.D.P.-Fraktion die AngelegenheitEntscheidungen zu treffen; es gehört auch dazu, Ent- damit aber nicht erledigt ist, dachten wir uns schon.scheidungen ständig zu überprüfen und auch Selbstzwei- Denn Ihnen geht es ja nicht um die Kollegin Altmann – fel zuzulassen. wie wir eben auch bei Ihrer Rede gehört haben –, son- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dern darum, Unruhe im Kabinett zu schüren. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Dirk Niebel [F.D.P.]: Das schafft das Kabi- PDS) nett schon selbst!) Wir alle wissen ganz genau, wie sehr dieser Konflikt die Menschen bei uns und in vielen anderen Ländern be- Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ hof- schäftigt. Es ist richtig und gut, daß immer wieder dar- fen Sie darauf, daß es Krach im Kabinett gibt – am lieb- über diskutiert wird, was wie wann getan werden muß. sten wären Ihnen Rücktritte. Denn die Greueltaten des Herrn Milosevic dürfen nie- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) manden kaltlassen. Es ist mehr als offensichtlich, daß Ihr Antrag einShow- (V o r s i t z : Vizepräsidentin Dr. Antje Antrag ist. Vollmer) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Auch über den Friedensplan des Außenministers wird DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der viel diskutiert – nicht nur in unserer Bevölkerung, auch PDS) in anderen Ländern. Wenn wir aus den ersten zurück- 2914 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Ilse Janz (A) haltenden Äußerungen die Erkenntnis gewonnen hätten, Vizepräsidentin Dr. : Auch von mir (C) dieser politische Weg sei nicht durchsetzbar, und derder Kollegin einen herzlichen Glückwunsch. Plan zurückgezogen worden wäre, hätte die Bundesre- Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen gierung vielleicht eine falsche Entscheidung getroffen. Denn inzwischen halten immer mehr Menschen, immer Westerwelle das Wort. mehr Länder den in diesem Plan aufgezeigten Weg für eine richtige politische Lösung. Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Frau Kollegin, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) auch von mir herzlichen Glückwunsch, aber nur zu Ih- rem Geburtstag. Und das ist es doch, was wir alle wollen: eine friedliche, politische Lösung und humanitäre Hilfe für die betroffe- In der Auseinandersetzung Anfang der 90er Jahre gab nen Menschen. es, wie wir alle wissen, auch in diesem Hause unter- schiedliche Auffassungen darüber, wie weit überhaupt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten die Beteiligung deutscher Soldaten gehen darf. Das, was des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) damals gemacht worden ist – übrigens mit ausdrückli- Die öffentliche Diskussion zeigt uns, daß es wichtig ist, cher Billigung der seinerzeitigen Bundesregierung –, über alle Möglichkeiten zu reden, um dann einen ge-war, einen Feststellungsantrag beim Bundesverfas- meinsamen Weg – und zwar, wie die Bundesregierung sungsgericht einzureichen, um Aufklärung darüber zu immer wieder deutlich gemacht hat, zusammen mitbekommen, was das Grundgesetz zuläßt und was nicht. Rußland – zu suchen. Argumentieren Sie weiter poli-Das ist ein wesentlicher Unterschied. tisch, meine Damen und Herren von der F.D.P.! Ihr An- trag mit der Rücktrittsforderung ist meiner Ansicht nach Wir als F.D.P. kritisieren hier nicht, daß jemand in unter Niveau und geht an der Sache völlig vorbei. Ihren Reihen anderer Meinung ist. Das ist selbstver- ständlich von der Gewissensfreiheit gedeckt. Vielmehr (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten geht es darum, daß ein Mitglied der Bundesregierung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der eben dieser Bundesregierung einen NATO- PDS) Angriffskrieg vorwirft. Um nichts anderes geht es. Sie, Und noch eines: Gerade die F.D.P.-Fraktion hat aus Frau Janz, haben an der Sache vorbeigeredet. unserer Sicht am wenigsten das Recht, die Entlassung (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) einer Parlamentarischen Staatssekretärin zu fordern, die eine abweichende Auffassung zu den Beschlüssen der Bundesregierung geäußert hat. Ich will Ihnen auch gerne Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zur Erwide- sagen, warum: Gerade im Zusammenhang mit dem Kon- rung, Frau Kollegin Janz. (B) flikt im ehemaligen Jugoslawien hat die F.D.P. ein poli- (D) tisches Trauerspiel geboten, das in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist. Ilse Janz (SPD): Ich glaube, Herr Kollege Wester- welle, daß ich nicht an der Sache vorbeigeredet habe. (Beifall bei der SPD und der PDS) Vielmehr sind Sie es, der an der Sache vorbeigeredet Erinnern wir uns: Am 2. April 1992 stimmten hat. die Ihnen geht es eigentlich – das habe ich ja schon F.D.P.-Minister im Kabinett gegen die Beteiligung deut- deutlich gemacht – nicht um den Rücktritt. Wenn Sie scher Soldaten bezüglich des UN-Flugverbots über Bos- wirklich die große Sorge haben, die uns alle bewegt – nien-Herzegowina, also des sogenannten AWACS-das haben wir hier ja mehrfach diskutiert; ich nehme Ih- Einsatzes. Wer nun denkt, die F.D.P. forderte nen den ab, daß Sie sie haben –, dann sollten Sie bei der po- Rücktritt ihrer Minister, der irrt. litischen Grundlage bleiben; dann sollten wir versuchen, Lösungen zu finden, die den Menschen helfen. Sie soll- (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ten dann aber diese Schaukämpfe, die Sie jetzt hier be- NEN]: Das ist hochinteressant, Herr Frakti- treiben, einstellen. Sie wollen einen Spaltpilz in die Re- onsvorsitzender! Da muß man mal die Reden gierung hineintragen. Das ist doch Ihr Wunsch; das von Ihnen durchchecken!) möchten Sie am liebsten. Natürlich war von Rücktritt keine Rede, im Gegenteil: Die F.D.P.-Fraktion verklagte sogar die von ihr getrage- Herr Rexrodt, Sie brauchen gar nicht mit dem Finger ne Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht wegen auf Menschen zu zeigen. Ich finde es sehr ehrenwert, verfassungsrechtlicher Unzulässigkeit des Beschlusses. wenn sich eine Kollegin Gedanken über dieses Problem macht. Wenn einer von Ihnen heute behauptet, er wisse, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ was richtig ist und wie man am allerbesten helfen kann, DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der dann lügt er. Das kann niemand von uns. PDS) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Werte Kolleginnen und Kollegen der F.D.P., wer sich DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutzmutz in einer Regierung derart schizophren verhält, kann [PDS]) nicht erwarten, daß er, wenn er in der Opposition ist, von uns mit einem derartigen Antrag ernstgenommenWir müssen versuchen, darüber zu diskutieren, damit wird. Wir lehnen Ihren Antrag ab. wir den richtigen Weg finden. Das ist wichtig, und des- wegen halte ich das für richtig. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) (Dirk Niebel [F.D.P.]: Starker Tobak!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2915

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat das bezeichnen, was sie sind, nämlich rassistisch moti-(C) jetzt der Abgeordnete Eckart von Klaeden. vierter und geplanter Massenmord. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Präsidentin! In Ihrem Aufruf ist dagegen lediglich von „nationalisti- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht nicht, Frauschen Exzessen“ und von „Vertreibung“ die Rede; das Kollegin Janz, um die Frage, ob nicht uns alle der Koso- geplante Morden wird in dem Aufruf nicht erwähnt. Sie vo-Konflikt mit großer Sorge erfüllt. Es spricht für die sprechen lediglich von „serbischer Unterdrückungspoli- Regierungskoalition, daß die Äußerungen von Frautik gegen die Kosovo-Albaner“ und von „bewaffneter Altmann in Wirklichkeit von der Mehrheit in Ihren Rei- Auseinandersetzung“ – so schlimm das auch sein mag. hen – das gilt für SPD und Grüne – abgelehnt werden. Aber das ist allein angesichts der Verbrechen, die uns Das spricht ja für Sie. bekannt sind, Frau Altmann, euphemistisch. (Zuruf von der SPD: Das stimmt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Aber wenn Sie meinen, daß dieKontrollfunktion des Parlaments in dieser wichtigen Frage von der Oppositi- Wer in diesem Augenblick noch nicht einmal bereit on nicht wahrgenommen werden darf, ist, die uns bekannten Verbrechen im vollen Ausmaß beim Namen zu nennen, der leistet letztlich einen Ver- (Ilse Janz [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!) teidigungsdienst für Milosevic. daß die Kontrollfunktion quasi in dem Maße weniger Statt dessen wird in diesem Aufruf der unerträgliche ausgeübt werden darf, wie es um ein schwerwiegendes Vorwurf gegenüber NATO und Bundesregierung erho- Verhalten bzw. Fehlverhalten eines Regierungsmitglie- ben, sie führten gegen den „souveränen Staat … Bun- des geht, so muß ich sagen: Das ist für mich nicht nach- desrepublik Jugoslawien“ einen „Angriffskrieg“. Darauf vollziehbar. ist hier schon hingewiesen worden. Allein diese Aus- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) drucksweise stellt, gelinde gesagt, die Verhältnisse auf den Kopf. Auf Art. 26 des Grundgesetzes ist heute schon Es geht nicht um die Frage, welche Konsequenzenhingewiesen worden, auch auf die Tatsache, daß § 80 man daraus zieht, daß man Sorge hinsichtlich des Koso- des Strafgesetzbuches dieses Verhalten mit lebenslanger vo-Konflikts hat. Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jah- ren bedroht. (Ilse Janz [SPD]: Doch! Darum geht es!) Es geht auch nicht darum, die Prinzipien des politischen Frau Altmann, Sie gehören nach eigener Einschät- (B) Pazifismus zu diskreditieren. Ich will offen sagen: Ich zung einer Bundesregierung an, die diesen „Angriffs-(D) glaube, daß es heute schwieriger ist, sich zumPazifis- krieg“ nicht nur vorbereitet hat, sondern die ihn auch mus zu bekennen, als das Anfang der 80er Jahre der Fall führt. Wie Ihr eigenes Verhalten vor dieser Logik juri- war, als die Bundesrepublik Deutschland unter der Kä- stisch zu qualifizieren ist, will ich gar nicht weiter aus- seglocke einer beschränkten Souveränität existiert hatführen. Ich meine jedenfalls, daß Sie, wenn die Zweifel und man die öffentliche und veröffentlichte Meinungan Ihrem Verstand und Ihrem Charakter ausgeräumt ge- oder zumindest große Teile davon als Pazifist auf seiner hören, zurücktreten müssen. Seite gehabt hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich meine auch, daß die Idee des politischen Pazifis- Meine Damen und Herren, ich finde, daß der Fall mus, obwohl ich sie für mit der Idee der Staatsräson un- Altmann nicht alleinsteht. Er gehört vielmehr zu dem vereinbar halte, nach wie vor Respekt verdient. Aber es unerträglichen Fehlverhalten an der Spitze des Ministe- geht hier nicht um die Frage, ob jemand sich zum politi- riums, das sich eigentlich mit dem Schutz unserer natür- schen Pazifismus bekennen darf, sondern es geht um die lichen Lebensgrundlagen beschäftigen sollte.Bundes- Frage, ob hier nicht ein Fall von politischer Schizophre- minister Trittin hat in inakzeptabler Art und Weise die nie vorliegt, von Opportunismus und letztlich unerträgli- Politik der NATO und der Bundesregierung, die auch cher Apologie des Vorgehens von Herrn Milosevic. die ausdrückliche Zustimmung der demokratischen Op- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) position dieses Hauses findet, kritisiert und hinterher Mißverständnisse und Übersetzungsfehler geltend ge- Der Antrag, Frau Altmann, den Sie unterzeichnet ha- macht. Meine Bereitschaft, dieser fragwürdigen Dar- ben, leistet dem politischen Pazifismus einen Bären-stellung Glauben zu schenken, wird zusätzlich dadurch dienst. Er bestätigt nämlich den alten Vorwurf, daß die getrübt, daß wir das von Herrn Trittin nicht zum ersten- Wirksamkeit des politischen Pazifismus als Staatsräson mal erleben. von den Skrupeln der Gegenseite abhängt und deshalb schon in der Analyse dazu führt, die Brutalität und die 1993 ist er als damaliger niedersächsischer Minister Verbrechen von Diktatoren nicht ausreichend des zur Kabinetts Gerhard Schröder in London gewesen und Kenntnis zu nehmen. hat dort eine Rede gehalten, die von der „Nordwest- Zeitung“ unter der Überschrift „Schröder muß handeln“ Ich bin dagegen, daß man bei der Beschreibung von damals so beschrieben wurde: Milosevic den Eindruck erweckt, die nationalsozialisti- schen Verbrechen hätten ihre Einzigartigkeit eingebüßt. Der Auftritt des grünen Ministers Jürgen Trittin in Aber man muß die Verbrechen von Milosevic schon als London – soviel steht mittlerweile fest – dürfte zu 2916 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Eckart von Klaeden (A) den peinlichsten Entgleisungen eines deutschen Damals stand in der „Hannoverschen Allgemeinen(C) Politikers im Ausland überhaupt zählen. Zeitung“ unter der Überschrift „Nachspiel zu London – Trittin trickst“: (Zuruf von der F.D.P.: Nichts dazugelernt!) Doch wer Schröder kennt und weiß, wie gern er mit Was war geschehen? Trittin hatte Anfang 1993 im Trittin zusammenarbeitet, wieviel beiden am Erfolg Londoner Goethe-Institut eine Rede gehalten und dabei des rot-grünen Bündnisses gelegen ist, der darf si- gesagt, Deutschland sei ein – ich zitiere – „in allen Ge- cher sein, daß der Regierungschef alles versuchen sellschaftsschichten und Generationen rassistisch infi- wird, die Koalition zu stabilisieren. Politisch klug ziertes Land“; er hat CDU/CSU und Teilen der SPD vor- ist dies nicht. geworfen, sie würden eine rassistische Antwort auf die Flüchtlingsfrage geben, die zudem kein reales Problem (Dirk Niebel [F.D.P.]: Wie heute!) sei, sondern das Produkt ihrer politischen Kampagnen. Die Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsbewußt- Britische Zuhörer haben daraufhin den Saal verlas-sein, mit der die überwältigende Mehrheit der Bundes- sen, haben die Bundesrepublik Deutschland gegen einen regierung in der Kosovo-Krise handelt – das gilt für den niedersächsischen Minister in Schutz genommen. InBundeskanzler, für Außenminister Fischer und insbe- dem Bericht der deutschen Botschaft heißt es zu diesem sondere für Verteidigungsminister Scharping –, werden Vorfall wörtlich: von der demokratischen Opposition dieses Hauses voll unterstützt. Ich appelliere daher an den Bundeskanzler, Zu dem Beitrag von Minister Trittin ist folgendes aus dem Vorgang „Altmann“ Konsequenzen zu ziehen. festzuhalten: Sein Ausdrucksvermögen in der eng- Dieser Vorgang ist von anderer Qualität als selbst das, lischen Sprache entsprach nicht dem Schwierig-was uns Trittin damals als Landesminister geboten hat. keitsgrad des Themas Ausländerfeindlichkeit/ Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie auf: Handeln Ausländerpolitik, Sie! (Lachen bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) so daß seine Darstellung wegen mangelnder Diffe- renzierungsfähigkeit in der fremden Sprache in Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat Mitleidenschaft gezogen wurde. jetzt die Abgeordnete Kristin Heyne. Auch in diesem Fall hat er sich, obwohl die Teilneh- mer an dieser Veranstaltung die von mir zitierten Äuße- Kristin Heyne (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau rungen ausdrücklich bestätigt haben, auf Mißverständ- Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Appell grü- (B) nisse und Übersetzungsfehler zurückgezogen. ner Parteimitglieder, den Frau Altmann unterschrieben (D) Frau Altmann, Sie stehen wenigstens zu Ihren Äuße- hat, nennt sich „Grüne Anti-Kriegs-Initiative“. Er be- rungen und behaupten nicht, Sie seien mißverstandenzeichnet die NATO-Politik als abenteuerlich und fordert worden. grüne Regierungsmitglieder und Abgeordnete auf, ihren Einfluß zu nutzen, den, wie es dort heißt, „Angriffs- Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ schriebkrieg“ sofort zu beenden. damals – – Ich halte unsere Einflußmöglichkeit – „sofort“ lautet (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Forderung – für weit überschätzt. Vor allem aber ha- NEN]: Jetzt sind wir doch hier, nicht in Han- be ich große Zweifel, ob diese „Anti-Kriegs-Initiative“ nover!) wirklich zu Frieden im Kosovo und auf dem Balkan füh- ren würde. – Ja, wir sind hier, aber ich möchte einmal die Konti- nuität aufzeigen. Als das Verhalten der F.D.P. imUnsere Fraktion hat sich mit deutlicher Mehrheit für Zusammenhang mit den AWACS-Einsätzen hier eineden Einsatz militärischer Mittel zur Herstellung des Rolle spielte, wurde auf die politische Kontinuität ver- Friedens entschieden; das ist bekannt. Trotzdem kann wiesen. dieser Appell nicht als Initiative verantwortungsloser Gesinnungspazifisten oder unverbesserlicher Träumer (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das hat abgetan werden. Ich kenne viele der Unterzeichner seit System!) vielen Jahren; etliche von ihnen kenne ich persönlich Das, Herr Kollege Schlauch, muß nun auch für Bun-und schätze sie. Sie sind ein wichtiger und unverzichtba- desminister Trittin gelten. rer Teil der grünen Partei. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – SES 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- [CDU/CSU]: Das sind Verwirrungsakroba- NEN]: Seit wann verteidigen Sie die F.D.P.?) ten!) Es sind eben nicht einmalige Entgleisungen, Überset- Es ist wichtig und unverzichtbar, immer wieder zu zungsfehler, Mißverständnisse. Vielmehr bricht immer fragen, danach zu suchen und nachzubohren, welche wieder ein politisches Bewußtsein durch, das hinterher zivilen Mittel jenseits militärischer Logik möglich sind. nur mühsam kaschiert werden kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2917

Kristin Heyne (A) Die ausnahmslose Ablehnung militärischer Mittel, die in ihrem Amt als Parlamentarische Staatssekretärin“ –(C) ein bedeutsamer Teil unserer Mitglieder vertritt, ist ein gemeint ist Frau Altmann – ist „undenkbar“. Die Unter- wichtiger Ansporn, zivile Lösungen zu finden. Deshalb schrift unter einem Appell ist ja in ihrer Wirkung wohl haben die Pazifisten einen festen Platz in unserer Partei. kaum mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsge- richt zu vergleichen. Die Kollegin Janz hat darauf be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- reits hingewiesen. NEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Zwit- terpartei!) Kollege Westerwelle, ich möchte noch einmal dar- stellen, worum es in dieser Klage ging. Ihre Klage bezog Allerdings nehme ich für die Mehrheit meiner Frakti- sich auf die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes deut- on und für unsere Regierungsmitglieder, insbesondere scher Soldaten. Es ging darum, festzustellen, ob der für , in Anspruch, daß sie mit größtem Beschluß der Bundesregierung, Soldaten in den Ernst, mit aller Kraft und, wie ich finde, mit beträchtli- AWACS- und anderen Frühwarnsystemen sowie in Ein- chem Erfolg versuchen, politische Lösungen in Gang zu satzführungssystemen Dienst tun zu lassen, verfas- setzen. sungsgemäß war. Auch Sie haben also die Verfas- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sungsmäßigkeit des Dienstes der Soldaten in Frage ge- und bei der SPD) stellt. Der Appell fordert nun grüne Regierungs- und Frak- tionsmitglieder auf, die Unterstützung der, wie es dort Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie heißt, „abenteuerlichen NATO-Politik“ zu beenden.eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle? Damit wird der Versuch der Bundesregierung und der NATO, den Krieg, der im Kosovo gegen die eigene Be- völkerung geführt wird, zu beenden, vollständig abge- Kristin Heyne (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): lehnt. Das mag aus pazifistischer Sicht folgerichtig sein Selbstverständlich gestatte ich sie. und ist somit eine legitime Forderung in unserer Partei. Wenn aber ein Mitglied der Bundesregierung diese Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Ist Ihnen bekannt, Forderung unterstützt, erhebt sich die Frage: Wie weit daß erst durch die Klage der F.D.P.-Fraktion das Bun- kann und darf ein Regierungsmitglied in der Kritik andesverfassungsgericht entschieden hat, daß wir Parla- der Entscheidung der eigenen Bundesregierung gehen? mentarier solchen Einsätzen zustimmen müssen, bevor sie durchgeführt werden? Die Tatsache, daß das Parla- (Dirk Niebel [F.D.P.]: So weit nicht!) ment bei derartigen Einsätzen erst gefragt werden muß, geht also auf die Entscheidung des Bundesverfassungs- (B) Die Geschäftsordnung der Bundesregierung gestattet es (D) den Bundesministern und entsprechend auch den Staats- gerichts zurück, die die F.D.P. zur Rechtsklarheit her- sekretären nicht, gegen die Politik der eigenen Regie-beigeführt hat. Das stimmt. rung zu wirken. (Beifall bei der F.D.P.) (Dirk Niebel [F.D.P.]: Also!) Diese Vorschrift soll ein effizientes Wirken der Regie- Kristin Heyne (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das rung sicherstellen. ist mir bekannt. Das halte ich auch für notwendig. Den- Im Spannungsverhältnis dazu – das wissen Sie allenoch hat es hier einen viel größeren Gegensatz gegeben. auch ganz genau – steht Art. 38 des Grundgesetzes, die Die Regierungsmitglieder haben nicht zugestimmt. Die Freiheit des Mandats. Der Widerspruch zwischen der Fraktion hat sogar geklagt. Aber wenn es einen so gro- Ausübung des freien Mandats und der Gebundenheit im ßen Gegensatz zwischen Fraktion und Regierung sowie Regierungshandeln ist jeweils politisch zu klären. innerhalb der Koalitionsregierung gibt, dann kann man eine solche Frage durch eine Klage nicht lösen. Dabei mag Ihnen ein Blick über die Grenzen helfen. Der französische Innenminister Chevènement hat sich Es ist offenkundig, mit welchem Ziel Sie hier diese öffentlich gegen die NATO-Luftschläge ausgesprochen Debatte führen. Ich finde es bedauerlich, daß jetzt auch und ist weiterhin Mitglied der Regierung. Er ist aller-parteipolitische Argumente in die Debatte über dieses dings 1990 auf Grund seiner ablehnenden Haltung ge- schwierige Problem eingebracht werden. Ich weiß, daß genüber dem Golf-Krieg aus der Regierung ausgetreten. die Mitglieder der Bundesregierung sowie der Fraktionen und der Parteien von Bündnisgrünen und Sozialdemo- (Beifall bei der F.D.P.) kraten – jede und jeder auf seine Weise – mit der inneren Zerrissenheit bezüglich der Frage von Frieden und Krieg Der Widerspruch zwischen der Freiheit des Abgeord- fertig werden müssen. Ich denke, das ist auch das einzig neten und der Einbindung in Regierungshandeln istAngemessene angesichts dieses schwerwiegenden Pro- politisch zu entscheiden. Das hat die Regierung in die- blems. Ein klares Ja oder Nein kann es hier nicht geben. sem Fall getan. Das haben der Bundeskanzler, der Mini- ster und die Staatssekretärin getan. Sie haben es alle mit Meine Damen und Herren von der F.D.P., gerade von demselben Ergebnis getan. Ihnen brauchen wir keine Belehrung über die Bedeutung der Zusammenarbeit innerhalb einer Koalition. Meine Damen und Herren von der F.D.P., man muß sich schon über Ihren vorliegenden Antrag wundern, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wenn dort vollmundig festgestellt wird, „ein Verbleiben und bei der SPD) 2918 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat gierung angehören, dann werden daran die Politik insge- (C) jetzt der Abgeordnete Roland Claus. samt und die Demokratie Schaden nehmen. Die F.D.P.- Fraktion hat es noch in der Hand, diesen Schaden abzu- Roland Claus (PDS): Frau Präsidentin! Meine sehr wenden. Meine Damen und Herren, ziehen Sie Ihren verehrten Damen und Herren! Innerhalb der demokrati- Antrag zurück! Dann könnten wir über Chancen zum schen Opposition des Deutschen Bundestages gibt esFrieden reden, anstatt Kriegskritikerinnen mundtot zu einen Dissens, Herr Kollege von Klaeden: Die PDS-machen. Lassen Sie uns über den Hoffnungsschimmer Fraktion lehnt den Antrag zur Entlassung von Frau Alt- von gestern reden. Dem Frieden gehört das Wort gere- mann selbstverständlich ab. det, der Antrag gehört abgelehnt. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten Vielen Dank. der SPD) (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten Größere Sympathie will ich Frau Altmann nicht bekun- der SPD) den, sonst gibt es womöglich die zweite Kanzlerverwar- nung. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurz- Mehr noch als der kritisierte Gegenstand von Frauintervention der Kollege Westerwelle. Altmanns Handeln bewegt mich allerdings der parla- (Peter Dreßen [SPD]: Der Genosse General- mentarische Vorgang. sekretär!) Frau Janz hat gesagt, den Antragstellern gehe es um eine Show. Das kann ich nur zum Teil nachvollziehen; Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Herr Kollege denn in der Regel gehe ich zu einer Show, um mich zu Claus, ich empfinde, offen gestanden, Ihre Bemerkun- amüsieren. Ich denke, daß hier eher der Begriff vomgen und Ihre Anrede in meine Richtung, vor allem, da Tiefpunkt der politischen Kultur zutrifft, den der Kol-sie von Ihnen als dem früheren ersten FDJ-Bezirks- lege Westerwelle in einem anderen Zusammenhang ge- sekretär kommt, als eine üble Verunglimpfung der braucht hat. Wahrnehmung meiner demokratischen Rechte in diesem (Beifall bei der PDS – Dirk Niebel [F.D.P.]: Parlament. Von der PDS müssen wir uns das nicht sagen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) lassen!) Ich rede hier als ein Abgeordneter des frei gewählten Tiefpunkt der politischen Kultur ist für mich Ihr Antrag, Deutschen Bundestages. in dem sie fordern, daß ein Mitglied der Bundesregie- (Zurufe von der PDS: Wir sind auch frei ge- (B) rung entlassen werden soll, weil es eine eigene Meinung (D) öffentlich vertreten hat, für die auch noch das Völker- wählt!) recht und das Grundgesetz die Argumente liefern. Ich rede hier als ein Oppositionsabgeordneter, der die (Beifall bei der PDS) Politik der Bundesregierung in dieser Angelegenheit unterstützt. Es ist eine Unverschämtheit, daß Sie mich in Ich habe zunächst nicht glauben wollen, daß dieser einen Zusammenhang mit der Diktatur stellen, die es in Antrag von der liberalen Fraktion stammt. Ich verhehle Ostdeutschland bis zur deutschen Einheit gegeben hat. gar nicht, daß es mich durchaus beeindruckt hat, wenn in Das ist eine echte, dreckige Sauerei. der F.D.P. persönliche Meinungen geachtet wurden. Ich fand es immer bemerkenswert, wenn auch unter dem (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Druck eines überwältigend großen Koalitionspartners in Zurufe von der SPD und der PDS: Oh! – Hans der F.D.P. eigene Meinungen öffentlich vorgetragen Michelbach [CDU/CSU]: Das ist das Niveau wurden; das Wort vom „schwarzen Joch“ soll ja von Ih- der PDS! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/ nen selbst stammen. Nun aber dieser Antrag einer libe- DIE GRÜNEN]: Eine Sauerei ist von Haus ralen Fraktion! In Erinnerung an frühere Zeiten habe ich aus dreckig!) mir gesagt, daß so etwas nur ein Generalsekretär vortra- gen kann, so daß ich jetzt beinahe sagen würde: Nicht Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe wahr, Genosse Generalsekretär Westerwelle? die Aussprache. (Heiterkeit und Beifall bei der PDS) (Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: „Sauerei“ ist Ihr politischer Zweck liegt auf der Hand: die Desta- kein parlamentarischer Begriff!) bilisierung der Bundesregierung und der Regierungs- – Es liegt in der Natur solcher Themen, daß es zu Emo- koalition. Aber ich frage, ob dieser Zweck jedes Mittel tionen kommt. Natürlich sind alle Mitglieder des Hauses heiligt, auch um den Preis, eigene Ideale vollends über gehalten, sich auch in ihrer Sprache zu mäßigen. Aber Bord zu werfen. Wollen Sie denn jenen unsäglichen wir wissen, daß das nicht immer gelingt. Vorgang fortgesetzt wissen, mit dem die F.D.P.- Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger seinerzeit zum (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Ich muß Rücktritt genötigt wurde? Ist das denn alles vergessen? mich nicht in einen SED-Zusammenhang (Beifall bei der PDS) stellen lassen, Frau Präsidentin! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Treten Wenn es im Lande Schule macht, daß Politiker keine Sie als Generalsekretär zurück, dann nehmen eigene Meinung mehr sagen dürfen, sobald sie der Re- wir das auch zurück!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2919

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun Auf Initiative der F.D.P. beschäftigen wir uns heute(C) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion derim Deutschen Bundestag noch einmal innerhalb eines F.D.P. auf Entlassung der Parlamentarischen Staatsse- Jahres – wenn auch in zwei verschiedenen Legislaturpe- kretärin Gila Altmann. Wer stimmt für diesen Antrag? – rioden – mit der dahinschwindenden Zahlungsmoral in Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – DerDeutschland. Dies ist richtig so, da dieses Thema immer Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenmehr an Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Wirt- und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU undschaft, gerade für die Zukunftsfähigkeit des Mittel- F.D.P. abgelehnt. stands, gewinnt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die Botschaft der F.D.P. ist eindeutig: Wir müssen DIE GRÜNEN) endlich Zahlungsverzug und Zahlungsverweigerung be- kämpfen, die Verfahren beschleunigen und denen zu ih- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 und 13 sowie rem Recht und Geld verhelfen, die Arbeitsplätze sichern den Zusatzpunkt 11 auf: und schaffen. 12. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. (Beifall bei der F.D.P.) Michael Luther, Norbert Geis, , weiteren Abgeordneten und der Fraktion derDas sind vor allem die kleinen und mittleren Unterneh- CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Geset- men, die Handwerker, Händler und Freiberufler. Ist ihre zes zur Verbesserung der Durchsetzung von For- Existenz bedroht, ist eine noch höhere Arbeitslosigkeit derungen der Bauhandwerker(Bauvertragsge- vorprogrammiert. setz – BauVertrG) Ich erspare mir, den dringenden Handlungsbedarf in – Drucksache 14/673 – aller Breite zu begründen. Ich will aber darauf hinwei- Überweisungsvorschlag: sen, daß inzwischen bis zu zwei Drittel der Konkurse in Rechtsausschuß (federführend) Ostdeutschland mit schlechter Zahlungsmoral zusam- Ausschuß für Wirtschaft und Technologie menhängen und daß sich dieser Sittenverfall auch in Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Westdeutschland immer mehr ausbreitet. Bewußtes Ver- Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder schleppen der Zahlung ist kein Kavaliersdelikt. Nein, 13. Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgenwer das Bezahlen erbrachter Leistungen verweigert, be- Türk, Cornelia Pieper, Rainer Brüderle, weiterer geht eine kriminelle Handlung. Der Rechtsstaat muß Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. dem Einhalt gebieten bzw. dem Leistungserbringer um- gehend zu seinem Recht verhelfen. Dem Zweifel am Zahlungsverzug bekämpfen – Verfahren be- Rechtsstaat, am Leistungsprinzip und an der sozialen (B) schleunigen – Mittelstand stärken Marktwirtschaft darf kein Vorschub geleistet werden. (D) – Drucksache 14/567 – (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Überweisungsvorschlag: ten der CDU/CSU) Rechtsausschuß (federführend) Finanzausschuß Hier ist – wie so oft in der letzten Zeit – kein weiteres Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen unüberlegtes, sondern zügiges Handeln erforderlich. Sie Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder wissen, daß wir in der letzten Legislaturperiode einige Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, wie zum Bei- ZP11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolfspiel die Novellierung des Zwangsvollstreckungsrechts. Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Dr. Evelyn Kenzler, Nur müssen die Länder endlich handeln und die Maß- weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS nahmen umsetzen. Das gleiche gilt für die Neuregelung Zahlungsforderungen schneller durchsetzen – des Schiedsverfahrensrechts. Ich fordere Verbände und Zahlungsunmoral bekämpfen Kammern auf, sich zusammenzutun und in gemein- samen Pilotprojekten, vielleicht in Form regionaler – Drucksache 14/799 – Schiedsgerichte, diese Möglichkeit zu nutzen. Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß (federführend) Alles in allem haben uns jetzt Mittelständler vom Finanzausschuß „Ostdeutschen Selbsthilfeverein zum Schutz vor Insol- Ausschuß für Wirtschaft und Technologie venzen“ in einer F.D.P.-internen Anhörung klargemacht, Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder daß weiterhin – trotz der eingeleiteten Maßnahmen – Handlungsbedarf besteht. Welche Maßnahmen müssen Nach einer interfraktionellen Beratung ist für dienun unverzüglich eingeleitet werden? Neben der Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen außergerichtlichen Streitschlichtung brauchen wir in Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Deutschland schnellstens vereinfachte Verfahren für Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat jetzt derSchuldbeträge unter 30 000 Euro. Über diesen Betrag Abgeordnete Jürgen Türk. kann man noch reden.

Jürgen Türk (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Präsiden- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben demgestatten Sie eine Zwischenfrage? schlimmen Problem Kosovo gibt es noch andere Pro- bleme. Über eines möchte ich jetzt reden. Jürgen Türk (F.D.P.): Ja. 2920 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte. öffentlichen Hand eingehalten werden. 100 Tage bis zur (C) endgültigen Zahlung – das wird jetzt immer häufiger registriert –, das darf so nicht weitergehen. In solchen Alfred Hartenbach (SPD): Verehrter Herr Kollege Fällen muß die Kommunalaufsicht der Länder ein- Türk, ist es nicht so, daß Ihre wirtschaftsorientierte Par- schreiten, um den Ruin der Handwerker und Mittel- tei in der vergangenen Legislaturperiode die außerge-ständler zu verhindern. richtliche Streitschlichtung dadurch verhindert hat, daß sie unsinnigerweise – ich wiederhole: unsinnigerweise – Seit 1994 fordern wir die Länder auf, endlich zentrale die Ausgliederung der Handelsregister aus dem ordent- Mahngerichte einzurichten, um die Bearbeitungszeiten lichen Gerichtsbetrieb und eine Zuordnung zu den Indu- über das automatisierte Mahnverfahren drastisch zu ver- strie- und Handelskammern durchsetzen wollte? Wissen kürzen. So betrug zum Beispiel 1997 die durchschnitt- Sie, daß wir das, was Sie fordern, längst hätten habenliche gerichtliche Verfahrensdauer in Sachsen-Anhalt, können, wenn Sie nicht so wirtschaftsorientiert gewesen dem Schlußlicht in der Statistik, fast sieben Monate. In wären? Auch Sie waren in der 13. Legislaturperiode be- Brandenburg wurde das in Berlin vorhandene Mahnge- reits dabei. richt bis heute nicht genutzt. Brandenburg liegt doch um Berlin herum; das wäre also schon gegangen, denn Ber- lin ist dazu bereit. Jürgen Türk (F.D.P.): Lieber Kollege, wirtschafts- Die F.D.P. ist überzeugt, daß alle angesprochenen orientiert zu sein ist immer gut, weil das Arbeitsplätze Maßnahmen – sowohl einzeln als auch den Bund betref- schafft. Fakt bleibt, daß wir die Novelle zur außerge-fend – im Paket vorgelegt und beschlossen werden kön- richtlichen Streitschlichtung verabschiedet haben. Jetzt nen. Auf keinen Fall darf die jetzt angedachte Paket- muß sie nur noch genutzt werden. lösung zu einem weiteren Zeitverzug führen. (Beifall bei der F.D.P.) (Beifall des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.]) Der Werkvertrag muß dahin geändert werden, daßJedenfalls ist die F.D.P. nicht nur bereit, wieder die In- nicht weiterhin Minimalmängel und konstruierte Mängel itiative zu ergreifen, sondern auch bereit, an der schnel- – so weit geht das schon – zu maximalen Vergütungs- len Wiederherstellung der Zahlungsmoral mitzuwirken. kürzungen bzw. Zahlungsverweigerungen führen. Ich glaube, wir haben in diesem Hause eine gute Weiter muß auf jeden Fall der gesetzlicheVerzugs- Grundlage dafür. Die Grundlage wird an den nachge- zins von jetzt 4 Prozent bzw. 5 Prozent auf einenschobenen Anträgen der CDU/CSU und der PDS deut- marktüblichen Zins bei einem Kontokorrentkredit ange- lich, hoben werden, damit der Zahlungsverzug nicht mehr als (B) günstiger Kredit mißbraucht werden kann. Genau das er- (Norbert Geis [CDU/CSU]: Die CDU/CSU hat (D) reichen wir, wenn wir den Zins erhöhen; das ist kein ihre Vorschläge schon viel eher gemacht!) Strafzins. Übrigens haben die Skandinavier das mit Er- und man kann Zeitungsberichten entnehmen, daß auch folg gemacht: Dort ist der Zahlungsverzug drastisch zu- das Bundesjustizministerium mit dieser Problematik be- rückgegangen. schäftigt ist. Wir müssen schnellstens die Voraussetzungen dafür (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir bekommen schaffen, daß Schuldner eine Zwangsvollstreckung nicht die Unterlagen nicht, Herr Türk!) durch Vermögensverschiebungen – das passiert immer öfter – behindern können. Das Tricksen muß endlichIch glaube, daß wir auf dieser Grundlage eine gemein- aufhören. same Lösung hinbekommen müßten. Im Interesse von unternehmerischen Existenzen und im Interesse von Ar- (Beifall bei der F.D.P.) beitsplätzen gibt es also viel zu tun. Wir als F.D.P. sind Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß der Deutschedazu bereit. Packen wir es endlich gemeinsam an! Verdingungssauschuß die Verdingungsordnung Bau und Vielen Dank. die Verdingungsordnung Leistungen unverzüglich auf den Prüfstand stellen muß. Es kann zum Beispiel nicht (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- sein, daß erst nach 30 Tagen festgestellt wird, ob eine ten der CDU/CSU) Rechnung überhaupt prüfbar ist oder nicht. Das kann man in sehr viel kürzerer Zeit machen, beim heutigen Stand der Technik zum Beispiel in sechs Tagen. Die Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat Zahlungsfristen müssen verkürzt werden. jetzt die Abgeordnete Sabine Kaspereit. Es muß immer wieder eingefordert werden, daß die Kommunalaufsicht der Länder verbessert wird. Dabei Sabine Kaspereit (SPD): Frau Präsidentin! Liebe sind zwei Punkte herauszustellen. Erstens muß sich et- Kolleginnen und Kollegen! Werte Kollegen von der was an den Ausschreibungsmodalitäten ändern. Denn in F.D.P., mit Ihrem Antrag haben Sie uns eine Analyse ei- den meisten Fällen hat nur der billigste Anbieter einenes aus Ihrer Politik entstandenen Mißstandes geliefert, Chance, obwohl die VO das wirtschaftlichste Angebot wie wir sie besser gar nicht hätten machen können. Sie vorschreibt. Doch was billig ist, muß nicht immer wirt- bescheinigen sich auch noch selbst, daß all das, was Sie schaftlich sein und umgekehrt. Zweitens muß die Auf- in der letzten Legislaturperiode gemacht haben – ich zi- sicht dafür sorgen, daß die Zahlungsfristen bei dertiere aus Ihrem Antrag –, „noch zu wenig“ ist, „um das Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2921

Sabine Kaspereit (A) drängende Problem des Zahlungsverzugs wirksam zu Daß die neue Regierung – wie Sie in Ihrer Begrün-(C) bekämpfen“. dung schreiben – noch nichts unternommen hat, ist schlichtweg falsch. Das gilt im übrigen auch für den (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das wird auch in Bundesrat. Die Bekämpfung des Zahlungsverzuges ist zehn Jahren noch so sein!) ein klares Ziel der rotgrünen Regierungskoalition. Wir Sie haben recht. Das haben wir Ihnen allerdings schon in werden dieses Versprechen halten. den vergangenen Jahren gesagt. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann hätten Sie doch einen Gesetzentwurf vorlegen können! (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben nie ei- Wo ist der Gesetzentwurf?) nen Gesetzentwurf vorgelegt! Sie hätten einen Gesetzentwurf vorlegen können!) Nun, Herr Türk, hören Sie mir gut zu! DerJustizmi- nisterkonferenz lag bereits 1997 ein Vorschlag Sach- Sie hätten nur unseren Anträgen zustimmen müssen,sen-Anhalts zu dieser Problematik vor. Dieser Vorschlag dann hätten Sie eine konkrete Grundlage zur Bekämp- wurde von den anderen Ländern, darunter auch Sachsen, fung des Zahlungsverzuges gehabt. Das aber haben Sie mit der Begründung abgelehnt, es bestünde kein Rege- nicht getan. lungsbedarf. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Weil er völlig in- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Kollegin, diskutabel war!) gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Türk? Im Herbst 1998 änderte Sachsen dann plötzlich seine Meinung. Hatten die cleveren Sachsen inzwischen viel- leicht bemerkt, daß noch cleverere Leute – ich sage da- Sabine Kaspereit (SPD): Bitte. zu: in Ost und West – zunehmend auf den Trick mit den billigen Lieferanten – und Justizkrediten gekommen sind? Das unsolidarische Verhalten Sachsens mündete in Jürgen Türk (F.D.P.): Frau Kollegin Kaspereit, sind den vorliegenden Entwurf der CDU/CSU zum Bauver- Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß auch die Mehr- tragsgesetz, der in einem engen Zusammenhang mit dem heit der SPD im Bundesrat dort Initiativen hätte einlei- F.D.P.-Antrag zu sehen ist. Dieser Vorgang ist partei- ten können? politisch höchst interessant. (Margot von Renesse [SPD]: Hat sie auch!) Wir werden in Kürze einen an den Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichteten Gesetzentwurf vorlegen, der im Kern folgende Eckpunkte vorsieht. (B) Sabine Kaspereit (SPD): Das hat sie auch getan. (D) Darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Türk. Hören Frau Kollegin, Sie noch ein Stückchen zu. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: der Kollege Luther möchte ebenfalls eine Zwischenfrage (Margot von Renesse [SPD]: Das ist doch stellen. wohl das letzte!) Nun kommen Sie mit einem neuen Antrag daher, der Sabine Kaspereit (SPD): Ja. diesen Wirrwarr der Vergangenheit fortsetzt und mit den vorgeschlagenen Maßnahmen auch noch am Kern des Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Liebe Frau Kolle- Problems vorbeizielt. Hierzu nenne ich Ihnen nur eingin Kaspereit, können Sie mir vielleicht erläutern, was Beispiel. Sie schlagen vor, daß derFälligkeitstermin am Verhalten Sachsens undemokratisch ist? Sie haben geschuldeter Zahlungen eine bestimmte Anzahl von gesagt, das Verhalten sei undemokratisch gewesen. Kalendertagen nicht überschreiten darf. Vordergründig erscheint dieser Vorschlag plausibel. Ich gebe zu, wir Sabine Kaspereit (SPD): Ich habe „unsolidarisch“ hatten diesen Gedanken auch. Der Vorschlag setzt aber gesagt. voraus, daß der Besteller einer Leistung auch recht- stechnisch in Verzug gerät. Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Entschuldigung, In Wirklichkeit ist die Praxis doch so: Viele Auftrag- ich habe „undemokratisch“ verstanden. Ich darf die Fra- geber verweigern die Abnahme von Leistungen schon ge daher anders formulieren. wegen geringfügiger Mängel. Dabei spekulieren die Be- steller unter Zuhilfenahme rechtlicher Möglichkeiten Es gab in den neuen Bundesländern eine Länderar- darauf, die Zahlung so lange hinauszuzögern, bis derbeitsgruppe, an der Sachsen-Anhalt genauso beteiligt Auftragnehmer den Eingang der Zahlung nicht mehrwar wie Sachsen. Dort hat man gemeinsam Eckpunkte überbrücken kann. Für das betroffene Unternehmenerarbeitet. Im Wahlkampf hat Sachsen-Anhalt dann die- bleibt dann nur noch die Möglichkeit, sich auf verlust- sen gemeinsamen Boden verlassen und das als sein Pro- bringende Abzüge einzulassen. dukt verkauft. Letztendlich hätte Sachsen-Anhalt diesel- be Chance gehabt wie Sachsen und hätte einen Gesetz- Die Überschreitung von Fälligkeitsterminen ist doch entwurf vorlegen können. Ein solcher liegt heute vor. nur das vordergründige Symptom, das von mir eben ge- Ich meine, das ist nicht unsolidarisch, sondern das ge- schilderte spekulative Verhalten aber die tiefer liegende schieht im Interesse der Handwerker und ist damit soli- Ursache. Dieser Ursache wollen wir entgegentreten. darisch. Gehen Sie darin mit mir konform? 2922 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

(A) Sabine Kaspereit (SPD): Nein, darin gehe ich mit Fünftens. Es müssen Möglichkeiten gefunden wer-(C) Ihnen überhaupt nicht konform, weil der Sachverhalt ein den, daß geringfügige Mängel nicht Anlaß dafür sind, anderer ist. Es gab dazu eine Bund-Länder-den Eintritt der Fälligkeit insgesamt zu verhindern. Arbeitsgruppe, in der das Justizministerium gemeinsam Sechstens. Es müssen auch Möglichkeiten dafür ge- mit den Vertretern der Länder einen Entwurf erarbeitet funden werden, daß die Fälligkeit des Werklohns hat. Justament kurz vor der gemeinsamen Initiative von schneller und effizienter herbeigeführt werden kann. Der Bund und Ländern hat Sachsen diesen Vorschlag als Besteller muß von vornherein wissen, daß er mit Beru- seinen eigenen in Form eines Antrages formuliert und fung auf nicht vorhandene Mängel ein hohes Risiko ein- damit den Ball an den Bundestag zurückgespielt. Dar- geht. über bin ich nicht ganz traurig. Wie gesagt, von „unde- mokratisch“ habe ich nicht gesprochen. Für mich han- Siebtens. Schließlich sollte die Wirksamkeit der Si- delt es sich schon ein Stück weit um ein eigenartigescherungsbürgschaft nach § 648a BGB erhöht werden. Verhalten. Bei der Insolvenz eines Bauträgers muß der Anspruch des Unternehmens auf Schadenersatz deutlich verbessert werden. So könnte man beispielsweise die Sicherungs- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Noch jemand möchte eine Zwischenfrage stellen. Ich möchte diebürgschaft auch auf Nebenforderungen wie Verzugszin- Kollegen ermahnen: Drei Zwischenfragen bei einer kur- sen und Prozeßkosten erweitern. zen Rede sind genug. Würden Sie die Zwischenfrage des Diese sieben Eckpunkte bilden die Richtschnur, an Kollegen Türk zulassen? der wir die Bekämpfung des Zahlungsverzugs ausrichten werden, weil es nicht darum geht, einfach nur Verfahren Sabine Kaspereit (SPD): Ja. zu beschleunigen. Unsere Maßnahmen setzen an den Ursachen an und stärken die Position des Gläubigers.

Jürgen Türk (F.D.P.): Ich möchte ganz kurz fragen, Wir leisten damit einen entscheidenden Beitrag, die ob es nicht unwürdig ist und diesem Hause nicht gut zu Zahl der durch Zahlungsverzug bedingten Insolvenzen Gesicht steht, daß wir in die Vergangenheit zurückkeh- zu senken. Damit leisten wir nicht zuletzt auch einen ren und Scharmützel machen, anstatt endlich einmalBeitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen gerade bei nach vorn zu sehen. kleinen und mittleren Unternehmen.

Sabine Kaspereit (SPD): Herr Türk, die Frage kann Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat ich ganz kurz beantworten. Das hat damit überhauptjetzt der Abgeordnete Dr. Michael Luther. (B) nichts zu tun. Sie haben damit angefangen. Wir werden (D) unseren Gesetzentwurf vorlegen. Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau (Jürgen Türk [F.D.P.]: Ich habe Ihnen unsere Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer immer in Mitarbeit angeboten!) den neuen Bundesländern mit Unternehmern, speziell mit denen des Baugewerbes, ins Gespräch kommt, der Ich möchte zum Thema zurückkehren. In dem Ge- muß feststellen, daß die Gespräche immer bei dem setzentwurf, den wir in Kürze vorlegen werden, sind folgende Eckpunkte vorgesehen: Thema „schlechte Zahlungsmoral“ enden. (Sabine Kaspereit [SPD]: Aber schon lange, Erstens. Der Verzug soll künftig auch durch eine Herr Luther!) Rechnung mit angegebenem Zahlungsziel begründet werden können, ohne noch zusätzlich eine Mahnung an Ich will die Situation kurz beschreiben. Es hat sich in den Schuldner richten zu müssen; denn das bisherigeder Vergangenheit herausgestellt, daß es einige wenige Verfahren ist überflüssig, weil der Schuldner bereits an schwarze Schafe gibt, die bewußt darauf spekulieren, Hand der Rechnung sieht, was er bezahlen soll. Zahlungen zu verzögern oder Preisabschläge zu be- kommen. Sie bringen die Unternehmen damit letztend- Zweitens. Der derzeit geltende Verzugszins soll an- lich in Schwierigkeiten. Da andere Firmen dann wegen gehoben werden. Der Schuldner muß mit finanziellen Folgen zu rechnen haben. Der Kredit auf Kosten desdes schlechten Zahlungseingangs ebenfalls in Liquidi- tätsschwierigkeiten kommen, entsteht ein Teufelskreis. Gläubigers gegenüber banküblichen Kreditzinsen darf Dieser Teufelskreis muß durchbrochen werden. sich nicht mehr lohnen. Drittens. Im Falle des Verkaufs von Forderungen des Lassen Sie mich einige wenige Zahlen nennen. Nach Untersuchungen im sächsischen Bau- und Ausbauge- Gläubigers, dem sogenannten Factoring, soll der werbe mußten 1997 und 1998 sachsenweit rund 2 bis Schuldner in angemessenem Umfang an den Kosten be- teiligt werden, wenn dem Gläubiger bei dieser Form der 3 Prozent aller Forderungen für Bauleistungen abge- schrieben werden. 1995 und 1996 waren das nur etwa 1 Liquiditätsbeschaffung Kosten entstehen. bis 1,5 Prozent. Das sind 600 Millionen DM aus Baulei- Viertens. Es ist bei BGB-Werkverträgen eine Rege- stungen, die jedes Jahr verlorengehen. 4 Milliarden DM lung vorgesehen, die die Besteller von Werkleistungen wurden erst nach Mahnungen und unter Zeitverzug von verpflichtet, für abgeschlossene Teilleistungen und be- sechs Monaten ausgeglichen. 20 Prozent aller Forderun- schafftes Material Abschlagszahlungen oder Vorschüsse gen wurden für strittig erklärt. Das ist nicht nur in Sach- zu leisten. Ich denke, auch das entspricht der Zeit. sen, sondern überall in den neuen Bundesländern so. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2923

Dr. Michael Luther (A) Wir sollten weiterhin festhalten: Die Bauhandwerker daß man den Mut hatte, diese Fragen aufzuschreiben, zu (C) in den neuen Bundesländern haben in den letzten Jahren durchleuchten und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. sehr wohl gelernt, mit dem rechtlichen Instrumentarium (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) umzugehen. Sie sind nicht zu dumm, Rechnungen zu stellen oder einzutreiben. Offensichtlich reicht das gel- Während eines Wahlkampfes geht es so wie immer: tende Recht nicht aus. Deshalb muß an dieser Stelle et- Sachsen-Anhalt ergriff die Initiative und hat sich in der was geschehen. Öffentlichkeit als Urheber präsentiert. Ich glaube, diese Fragen sind nebensächlich an dieser Stelle. Viel wichti- (Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Kaspereit ger ist, daß wir angesichts des Problems, das wir alle er- [SPD]: Machen wir!) kannt haben und im Deutschen Bundestag lösen wollen, Es handelt sich dabei aber nicht nur um ein Phäno- nun endlich zielführend zu einem Ergebnis kommen. men aus den neuen Bundesländern. Auch in den alten (Sabine Kaspereit [SPD]: Machen wir ja!) Bundesländern kommen solche Situationen immer häu- figer vor. Ich persönlich beschäftige mich schon seit Dieses Ziel verbinden wir von der CDU/CSU- längerer Zeit mit dieser Thematik und habe in der letzten Bundestagsfraktion damit, daß wir das fertig formulierte Legislaturperiode als Mitglied des RechtsausschussesGesetz, das in sich stimmig ist und von Sachsen in den versucht, erst einmal die rechtstatsächliche Problematik Bundesrat eingebracht wurde, in den Bundestag einbrin- zusammen mit meinem damaligen Kollegen Gerhardgen, weil es als Bundesgesetz letztendlich hierhin gehört Schulz aus dem Finanzausschuß auszuloten. Wir haben und vom Bundestag beschlossen und behandelt werden bei diesen Aktivitäten erlebt, daß dies nicht nur ein Pro- muß. Damit haben wir einen Gesetzentwurf und auch blem der neuen Bundesländer ist; auch Bauverbände aus die Möglichkeit, jetzt im Bundestag mit der aktiven den alten Bundesländern sind auf uns zugekommen und parlamentarischen Beratung zu beginnen und natürlich haben gesagt: Hier muß etwas passieren; auch bei unsalle einzubinden, die Anfragen an oder Bedenken gegen geht der Trend dahin, die Zahlungsmoral verschlechtert das Gesetz haben. sich. Noch ein Wort zu Ihnen, Herr Türk, und zu der Als Ergebnis kam dabei – das will ich hier festhalten F.D.P. – ich sage das jetzt einmal ein wenig überspitzt –: – am Ende der letzten Legislaturperiode ein Koalitions- Wir haben schon vor einem Jahr einen Antrag einge- antrag heraus, den wir gemeinsam mit der F.D.P. in den bracht; Sie bringen nun wieder nur einen Antrag ein; das Deutschen Bundestag eingebracht haben. Auch die SPD ist mir zuwenig. Es stellt sich mir die Frage, was Sie das hat die Notwendigkeit erkannt und schnell noch einenletzte Jahr gemacht haben. Sie haben honorige Leute in Antrag entwickelt. Ihren Reihen: Ich sehe den ehemaligen Parlamentari- schen Staatssekretär Funke aus dem Justizministerium – (B) (Sabine Kaspereit [SPD]: Nicht schnell!) (D) wir kennen uns ja gut, auch was diese Sache angeht – Wir haben unseren Antrag im Bundestag verabschiedet. und will auch den ehemaligen Bundesminister der Justiz Er beinhaltete den Auftrag an die Bundesregierung, in Schmidt-Jortzig nennen. Anträge einzubringen, um zu diesem Bereich zu handeln. einer Lösung zu kommen, ist gut. Das hilft aber nicht den Handwerkern. Wichtig ist, daß man eine Lösung (Sabine Kaspereit [SPD]: Ihr habt unseren ab- vorschlägt. Eine Lösung kann ich in den Vorschlägen gelehnt! Er war besser! – Norbert GeisIhres Antrages nicht erkennen. [CDU/CSU]: Die Bundesregierung hat noch nichts getan!) Ich denke, es kommt jetzt darauf an, daß wir die par- lamentarische Beratung der erkannten Probleme im Vielleicht darf ich dazu noch sagen – weil ErfolgeParlament durchführen. Ich habe in den letzten Wochen zum Schluß viele Väter haben –, daß es sich so weiter- sehr aufmerksam die Medien verfolgt und gelesen, wer entwickelt hat, daß sich auf Initiative von Sachsen, aber was dazu sagt. Ich habe auch sehr aufmerksam gelesen, auch von Sachsen-Anhalt – denn das Problem bestand was Frau Däubler-Gmelin dazu gesagt hat. Ich war zeit- insgesamt in den neuen Bundesländern – eine Länderar- weise der Meinung, daß sie vielleicht beleidigt darüber beitsgruppe gebildet hat, die sich damit befaßte, Anhö- ist, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den entspre- rungen durchführte und Handwerker einband. Aus Sach- chenden Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag ein- sen weiß ich, daß sich sächsische Handwerker, Richter bringt. Dann hatte ich den Eindruck, daß sie das Haar in und Rechtsanwälte beteiligt haben, um zu einer Lösung der Suppe sucht, danach sucht, was an dem Gesetzent- des Problems zu kommen. wurf falsch sein und was man besser machen könnte. Nun kann man eine Vielzahl von Fragen aufschrei-Mir ist letztendlich gleichgültig, welche Variante zu- ben, bei denen man versuchen könnte, eine Lösung zu trifft. Entweder bringt sie hier im Bundestag einen bes- finden. Die faktische Unwirksamkeit von § 648a BGB seren Gesetzesvorschlag ein – aber bald –, wirft zum Beispiel die Frage auf, wie man dieses Pro- (Margot von Renesse [SPD]: Sie hatten blem löst. Zu jedem Lösungsvorschlag, den ich zu for- 16 Jahre, wir noch keine sechs Monate! – Ge- mulieren versuche, könnte ich direkt sagen, welche Be- genruf des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU]: denken trotzdem noch vorgetragen werden könnten. 16 Jahre ist doch das Problem noch gar nicht Darin liegt die Schwierigkeit des Problems. Ich danke an da!) dieser Stelle den Initiatoren und denjenigen, die sich darum gekümmert haben, insbesondere in den neuenoder wir arbeiten mit unserem Gesetzentwurf, den Sie Bundesländern und speziell natürlich in Sachsen, dafür, als Basis für die Arbeit in der Bund-Länder-Arbeits- 2924 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Dr. Michael Luther (A) gruppe bewerten, und verändern ihn so, wie es mög- Ich bin in den Gesetzentwurf nicht verliebt, so daß(C) licherweise notwendig ist. Aber ein Ziel muß verfolgtich sagen würde: nur diesen und sonst keinen. Mir liegt werden: daß wir dieses Gesetz noch in diesem Jahr, nach daran, daß wir das Problem lösen. Ich bitte alle Mitglie- der Sommerpause auf den Weg bringen. der dieses Hauses daran mitzuarbeiten. Wir wollen als CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Rechtsausschuß sehr (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) schnell in die praktische parlamentarische Beratung ein- Ich will noch drei Punkte nennen, die mir sehr wich- treten. Wir werden eine Anhörung beantragen, so daß tig sind und die unbedingt aufgegriffen werden müssen. wir sehr schnell den externen Sachverstand nutzen kön- Das eine ist die bessereAnwendbarkeit des § 648 a nen. Ich denke, das Verfahren wird sich dadurch insge- BGB, in dem es um die Sicherung von Leistungen geht. samt beschleunigen. Ich bin optimistisch, daß wir alle Es hat sich herausgestellt, daß dieses Instrument, dasgemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen werden. erst nach siebenjähriger Diskussion im Deutschen Bun- Schönen Dank. destag Gesetz geworden ist, unzureichend ist. Es wird nicht angewandt – nicht etwa, weil die Handwerker es (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nicht kennen würden, sondern aus zwei Gründen: Der eine ist, daß man, wenn man diesen Paragraphen an- wendet, befürchten muß, daß man später keinen Auftrag Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat mehr bekommt. Aber das ist nicht das Hauptproblem.jetzt der Abgeordnete Helmut Wilhelm. Viel schlimmer ist etwas anderes: Wer das Gesetz an- wendet, bekommt den Auftrag gekündigt und steht dann selbst in der Pflicht, nachzuweisen, wie hoch der ihm Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE entgangene Gewinn durch den Verlust des Auftrages ist. GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Das ist sehr schwierig. Der Lösungsvorschlag des Ge- ren! Das Bauhandwerk in Deutschland ist notleidend. setzes dazu, eine pauschalierte Sicherungsleistung inDas ist allgemein bekannt. Alle Anstrengungen der Höhe von 5 Prozent einzuführen, ist eine maßvolle Ant- Bundesregierung müssen selbstverständlich darauf ge- wort auf die Probleme, die § 648 a BGB mit sich bringt. richtet sein, diese Not zu lindern und am Ende zu besei- Ein zweites wichtiges, immer wieder vorgetragenes tigen. Allein schon das Argument der bedrohten Ar- Problem ist, daß dieAbnahme eines Werkes häufig beitsplätze gebietet dies. wegen geringfügiger Mängel verweigert wird. Dadurch Eine Ursache dieser Not sind die vielfach ver- kann der Auftraggeber auch bei einer überwiegend män- schleppten Werklohnzahlungen der Besteller. Auch die- gelfreien Werkleistung die Zahlung des gesamten Werk- ser Tatsache muß ins Auge gesehen werden, weil die lohnes verzögern. Das wird aktiv betrieben; es wird so- (B) hohe Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe, insbesonde- (D) gar einkalkuliert, weil man sich damit praktisch einenre die der kleineren Unternehmen im Osten der Repu- zinslosen Kredit verschafft, den man nicht besichernblik, wesentlich auf die verzögerte Begleichung von muß, oder Preisvorteile, weil man letztendlich denHandwerkerrechnungen zurückzuführen ist. Es stellt Handwerker, der das Geld braucht, unter Druck setzt, so sich die Frage, wie ein vertragstreues Verhalten der daß er sagt: Dann nehme ich halt 80 Prozent, dann habe Besteller hinsichtlich ihrer Zahlungsverpflichtungen er- ich wenigstens Geld. Dabei sind natürlich nicht 80 Pro- zwungen werden kann und ob es überhaupt erzwungen zent vom Gewinn, sondern 80 Prozent von der Gesamt- werden kann. bauleistung gemeint, die unterhalb der Höhe des Ge- winns liegt. Das führt zu den Problemen im Bauhand- An dieser Stelle ist hervorzuheben, daß die privaten werk. und gewerblichen Besteller von Bauwerken – und leider oft auch die öffentlichen – das praktizieren, was gerade Für sehr wesentlich halte ich auch die Modernisie-bei Versicherungen, aber auch bei Banken an der Tages- rung eines Gesetzes, das ein Stück in Vergessenheit ge- ordnung ist und offensichtlich zum erfolgreichen Wirt- raten ist, nämlich des Gesetzes über die Sicherung von schaften dazuzugehören scheint: in allererster Linie an Bauforderungen, das 1909 in einer ähnlichen Situation seine Möglichkeiten der Gewinnoptimierung zu denken, geschaffen worden ist. Es nützt alles nichts, wenn wirdie Interessen des Vertragspartners aber hintanzustellen. nicht den Böswilligen bestrafen können. Das ist dieDazu gehört selbstverständlich auch, alle Möglichkeiten Schwierigkeit. Wenn Sie sich mit Wirtschaftsstrafsena- der Zahlungsverzögerung auszuschöpfen, die sich bie- ten unterhalten, werden Sie feststellen, daß es sehrten. Natürlich ist selbst der Zug durch die Instanzen oft schwierig ist, in Bergen von Unterlagen nachzuweisen, einkalkuliert. wo sich Wirtschaftskriminalität verbirgt. Aus diesem Grunde müssen wir zur Beweiserleichterung eineDo- Diese Auffassung – machen wir uns doch bitte nichts kumentationspflicht einführen. Diese stellt das Gesetz vor – trifft nicht nur auf die Besteller von Bauwerken zu. über die Sicherung von Bauforderungen dar. Ich glaube Sie scheint mittlerweile leider zur vorherrschenden Ein- nicht, daß damit soviel Mehraufwendungen für das se- stellung im Umgang mit Vertragspartnern geworden zu riöse Unternehmen verbunden sind. Denn mit den Mit- sein, zumindest in all den Sparten, in denen es um viel teln von heute, die es 1909 noch nicht gab – elektroni- Geld geht. Damit ist das Problem der fehlenden Zah- sche Datenverarbeitung –, kann vieles leichter gestaltet lungsmoral ein Problem unserer Gesellschaft geworden, werden. Das heißt, der Willige kann diese Dokumente das bei Teilen der Bauwirtschaft zu den schon mehrfach leicht zur Verfügung stellen, und dem Böswilligen kann beschriebenen existenzbedrohenden und existenzver- der Staatsanwalt leichter auf die Schliche kommen. nichtenden Folgen führt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2925

Helmut Wilhelm (Amberg) (A) Die Zahlungsmoral läßt sich aber leider nicht per De- schlossene Teilleistungen und für vom Unternehmer be- (C) kret herstellen oder verbessern. Wenn man sich die vor- schafftes Material Abschlagszahlungen bzw. Vorschüsse liegenden Vorschläge der Opposition anschaut, ist fest- zu zahlen. zustellen, daß ihr zugute gehalten werden kann, diesen Die Abnahmepflicht nach § 640 BGB kann dahin Umstand erkannt zu haben. Demnach besteht Hand- gehend erweitert werden, daß ein geringfügiger, die Ge- lungsbedarf. Denn Anreize für vertragswidriges Ver- brauchsfähigkeit nicht hindernder Mangel eines Bau- halten sind nach der derzeitigen Gesetzeslage durchaus werks nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigt, vorhanden. Die Forderungen, die von der Opposition sondern nur zu einem Zurückbehalt eines Betrages etwa aufgestellt werden, sind aber entweder nicht zielführend, in mehrfacher Höhe der voraussichtlichen und üblichen prozeßrechtlich zweifelhaft, verstoßen gegen Grundsätze Mängelbeseitigungskosten. Dies wird auf jeden Fall er- des Schadensersatzrechts oder sind schlichtweg nur heblich prozeßverkürzend wirken und das Prozeßrisiko noch populistisch. des Bestellers so erhöhen, daß auch die Zahl der will- Eines sollten wir in dieser Debatte nicht vergessen:kürlich und nur zur Zahlungsverweigerung angestreng- Wer die Forderung erhebt, gesetzliche Vorschriften zu ten Prozesse abnehmen wird. erlassen, die das ohnehin schon große finanzielle Risiko Der Unionsentwurf schlägt vor, das Gesetz über die zum Beispiel der privaten Häuslebauer ins Unüber- Sicherung der Bauforderungen in das BGB zu integrie- schaubare treiben, muß sich nicht wundern, wenn bei ren. Ich fürchte, das wird zu nichts führen. Das Gesetz diesen emotional eine Schwelle überschritten wird und besteht seit langem und findet weitgehend keine Beach- sie von einem gefaßten Bauentschluß Abstand nehmen. tung. Es führt außerdem nicht zu einer beschleunigten Dies kann nicht im Sinne der Bauwirtschaft sein. Zahlung, da es lediglich dazu verpflichtet, eingehende Ich selbst hatte als Richter vielfach das Vergnügen, in Baugelder und ihre Verwendung in Baubüchern festzu- Bauprozessen urteilen zu dürfen. Mir ist nicht gerade oft halten. Es sagt aber nichts darüber, ob und aus welchen ein mangelfreies Bauwerk untergekommen. Wir befin- Gründen Baugelder zurückbehalten werden können. Das den uns also auf einer Gratwanderung, die nicht zu einer aber ist das eigentliche Problem. schädlichen Übersicherung der Bauindustrie führen darf. Die PDS konterkariert ihren eigenen Antrag. So for- Die notwendigen Schritte, die in Angriff genommen dert sie einerseits, wie erwähnt, rechtsstaatlich unbe- werden, müssen also folgenden Kriterien – hier, aberdenkliche Schritte, verlangt aber andererseits, bei auch nur insoweit, teile ich die Auffassung der PDS –Mahnverfahren, die in streitige Verfahren übergeleitet genügen: Sie müssen ein ausgewogenes Verhältnis von wurden, innerhalb von 120 Tagen ab Anhängigkeit ein Gläubiger- und Schuldnerschutz gewähren. Denn im Urteil zu verkünden. Wie dies bei Bauprozessen, die ge- Wirtschaftsleben wechselt in der Tat die Schuldner- und rade bei Mängelrügen die Einschaltung von Sachver- (B) Gläubigerposition mehrfach. Sie müssen rechtsstaatlich ständigen erfordern, möglich sein soll, bleibt das Ge-(D) unbedenklich sein. Daher halte ich den Vorschlag einer heimnis der PDS. richterlichen Vorabverfügung für nicht vertretbar und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines sorgfältig und unparteilich handelnden Richters für und bei der SPD sowie des Abg. Rainer Funke unwürdig. [F.D.P.]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ohnedies scheint der Antrag der PDS von einem gren- bei der SPD und der PDS) zenlosen Mißtrauen in die Justiz beseelt zu sein, da in Die Rechtsgrundlagen müssen transparent sowie ver- dem Antrag pausenlos von Schadensersatzpflichten der ständlich sein und ohne bürokratischen Aufwand voll- Justizkasse die Rede ist und weniger von solchen der zogen werden können. Die Forderung nach Anderkonten Bauvertragspartner. entspricht letzterem Erfordernis in keiner Weise. Die Bemerkung, daß eine solide personelle Ausstat- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tung der Gerichte durch die Bundesländer – an Stelle der F.D.P.) der derzeit teilweise üblichen Stellenstreichungen – ei- ner Prozeßbeschleunigung und damit einem schnelleren Aus unserer Sicht sollen die rechtlichen Vorausset- Geldfluß an die Bauunternehmer durchaus dienlich sein zungen für die Begründung des Verzugs vereinfachtkann, mag mir als Richter außer Dienst erlaubt sein. werden. Hierfür könnte zukünftig eine Rechnung genü- gen, in der das Zahlungsziel angegeben ist. Das Gesetz (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte zukünftig deutlich machen, daß der Zahlungsver- und bei der SPD sowie des Abg. Rainer Funke zug für den Schuldner folgenreich ist. Die pauschalen [F.D.P.]) Verzugszinsen von derzeit 4 Prozent – bzw. von 5 Pro- zent im HGB – sollten auf mindestens 5 Prozentpunkte über dem Basissatz angehoben werden, und zwar nicht Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat nur für Bauvorhaben. – Eine Sonderregelung im Bau-jetzt der Abgeordnete Rolf Kutzmutz. recht wäre meines Erachtens verfassungsrechtlich be- denklich. – Dies würde auch dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission entsprechen. Rolf Kutzmutz (PDS): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast war ich geneigt Ich bin ebenfalls der Meinung, daß Besteller vonzu glauben, es fehlt der Hinweis auf die PDS. Ich war Werkleistungen verpflichtet werden sollten, für abge-schon traurig, es mußte dann aber doch noch eine Zen- 2926 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Rolf Kutzmutz (A) sur erteilt werden. Alles andere wäre aus Ihrer Richtung entwurf vorlegen und dabei Nägel mit Köpfen machen. (C) unsinnig gewesen. Alle anderen Fragen, vom Bauvertrags- bis zum Mahn- recht, sind diffiziler. Die müssen wir weiterhin ganz in- (Beifall bei der PDS) tensiv diskutieren. Insolvenz wegen großer Außenstände ist unbestritten Lösungen – Herr Kollege Wilhelm hat Zustimmung ein maßgeblicher Grund für den Gang zum Konkurs-signalisiert – müssen erstens rechtsstaatlich unbedenk- richter. Es ist und bleibt indiskutabel, daß ein Viertel bis lich sein. Ich hätte beispielsweise bei „unabhängigen ein Fünftel aller mittelständischen Firmen spürbare Teile Stellen“, die Mängelfreiheit testieren sollen, schon so seiner Umsätze abschreiben muß. Ich halte auch nichts meine Zweifel, sofern es sich nicht um gerichtliche Prü- davon, ständig Vorwürfe zu Vergangenheit und Gegen- fungen handelt. Die aber sollen – glaubt man den Zei- wart zu machen; denn eines ist Fakt: In der Vergangen- tungen – durch das Justizministerium vorgeschlagen heit haben Bonner Justizbeamte darauf hingewiesen, daß werden. alle erforderlichen Regelungen vorhanden seien, das Handwerk müsse sie nur besser anwenden. Lösungen müssen zweitens ein ausgewogenesVer- hältnis des Schutzes von Gläubigern und Schuldnern In einer Umfrage der Potsdamer Kammerorganisation wahren. Bei jeder Diskussion zu diesem Thema – auch kommt zum Ausdruck, daß zum Beispiel 65 Prozent der darauf hat der Kollege Wilhelm hingewiesen – haben Befragten ihre Rechte gut kennen, aber nur 20 Prozent wir gesagt: Passen Sie auf bei den Regelungen, die Sie sie anwenden. Wenn man nach dem Warum fragt, wird von uns fordern. Sie sind mal in dieser und mal in jener klar: Aus Furcht, Folgeaufträge nicht zu bekommen und Situation. Der, der die Schulden eintreiben will, sieht auf schwarzen Listen zu landen, handelt man wider bes- das nicht immer so. Deshalb muß man darauf aufmerk- seres Wissen. Durch Wettbewerbsdruck lassen sich Be- sam machen. triebe auf ein „Terrain ohne Notseile“ drängen. Das wollte ich hier doch ansprechen. Drittens müssen die Lösungen transparent und ver- ständlich sein. Sie dürfen nicht zu vermeidbarem büro- Ich glaube, in der Beschreibung der Situation sind wir kratischem Mehraufwand bei allen Beteiligten führen. uns einig. Es bringt überhaupt nichts, wenn wir herum- Ich möchte Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kolle- kritteln und sagen: Dieser Vorschlag geht nicht, jener ist gen, für die weitere Beratung insbesondere unsere Vor- etwas besser. Diejenigen, die auf eine Lösung warten, schläge für ein einstufiges Vorgehen imautomatisier- haben von dieser Diskussion überhaupt nichts. ten Mahnverfahren ans Herz legen. Wer ein Mahnver- (Beifall bei der PDS – Zuruf von der SPD) fahren einleitet, der dokumentiert damit seine Absicht, zu Geld kommen zu wollen. Warum soll er diese Ab- – Nun seien Sie doch nicht so aufgeregt! Das waren sie (B) sicht durch gesonderten Antrag auf Vollstreckungsbe-(D) in der Opposition doch auch nicht. Zeigen Sie als Regie- scheid eigentlich noch einmal bekunden müssen? Um- rung einmal Größe! – Ich jedenfalls bin bereit, zu sagen: gekehrt hätte der vermeintliche Schuldner durch eine Wenn ein vernünftiger, durchsetzbarer Vorschlag ge-längere Widerspruchsfrist bessere Möglichkeiten als macht wird, stimme ich zu. bisher, sich unberechtigter Forderungen zu erwehren. Die Folgen für Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Sozial- Die von uns vorgeschlagenen Strafzinsen würden zu- abgaben und für Lebensplanungen vieler Menschengleich „Prozeßfans“ abschrecken. brauche ich hier nicht zu beschreiben; da herrscht Kon- Mindestens ebenso wichtig erscheint mir unser Vor- sens. Auch über die Notwendigkeit, auf gesetzgeberi-schlag hinsichtlich einerzentralen Mahnverfah- schem Wege die grassierende Zahlungsunmoral einzu- rensauskunftstelle, auch wenn das hier in Zweifel ge- dämmen, besteht Konsens. Schnelles Handeln ist nach zogen wird. Wir können in den Ausschüssen noch dar- meiner Auffassung erforderlich. Wir dürfen die Lösung über diskutieren. Diese Auskunftstelle ist, wie ich nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. meine, datenschutzrechtlich unbedenklich konzipiert Änderungsbedarf zum Beispiel beim gesetzlichenund würde erstmals ermöglichen, sich vergleichsweise Verzugszins ist unstrittig. Entsprechende Änderungen objektiv über das Zahlungsverhalten möglicher Ver- ließen sich gesetzestechnisch problemlos und schnelltragspartner zu informieren. umsetzen. Dennoch finden sich Vorschläge dazu nach Richtig ist auch: Aus der Eigenverantwortung für seine wie vor erst in unverbindlichen „Eckpunkten“ der Bund- Geschäfte kann und darf niemand entlassen werden. Aber Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmo- jede und jeder muß überhaupt erst die Chance bekommen, ral“ – es kann sein, daß Sie mehr Kenntnisse darüberdie dazu erforderlichen Prüfungen tatsächlich vornehmen haben, uns diese aber nicht weitergeben –, wie zu am lassen. Diese Möglichkeit wäre mit der neuen Aus- Montag der „Berliner Zeitung“ zu entnehmen war. kunftstelle gegeben. Ich bin der Auffassung, daß die dort erhältlichen Informationen den Interessierten das Geld Da der Verzugszins von 4 auf 5 Prozent erhöht wer- wert wären, das sie dafür aufbringen müßten. den soll, muß ich fragen: Meinen Sie tatsächlich, daß sich jemand, der böswillig nicht zahlt, von diesem einen Lassen Sie mich abschließend zwei Grundsätze betonen, Prozentpunkt abschrecken läßt? Ich kann darin einfach über die wir uns meines Erachtens einigen sollten: Erstens. keine Lösung sehen. Jedenfalls würden Sie diese unmo- Es gibt nicht das eine Instrument zur Bekämpfung von ralische, ja kriminelle Art der „Kreditlinie“ für Auftrag- Zahlungsunmoral. Wir werden vielmehr ein ganzesMaß- geber damit nicht verstopfen. Man kann diese Frage aus nahmenbündel benötigen, um den unterschiedlichen dem Gesamtpaket herausnehmen, zügig einen Gesetz- Aspekten dieses Problems gerecht zu werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2927

Rolf Kutzmutz (A) Zweitens – das erscheint mir fast noch wichtiger, Die Redezeit erlaubt mir leider nicht, ausführlich auf (C) auch wenn es hier, was den Umfang der Maßnahmendie Auswirkungen mangelnder Zahlungsmoral beson- betrifft, kritisiert worden ist –: Wir sollten nicht darauf ders auf kleine und mittlere Unternehmen einzugehen. hoffen, daß der praktische Vollzug dessen, was wirNur ein paar Zahlen: Immer mehr private, aber auch öf- möglichst bald beschließen, die Lösung des Problemsfentliche Auftraggeber lassen sich immer mehr Zeit da- ist. Uns geht es darum, daß sich derjenige, der mit dem mit, ihre Rechnungen zu bezahlen. Innerhalb von 30 Ta- Gedanken spielt, nicht zu zahlen, angesichts der Maß- gen haben nur 46 Prozent der westdeutschen und ledig- nahmen, die ihm drohen, darüber klar sein muß, daß ihm lich 39 Prozent der ostdeutschen Kunden bezahlt. Die das zum Schaden gereicht. Es geht nicht darum, daßForderungsverluste betragen nicht selten mehr als 1 Pro- man immer jeden einzelnen Schritt durchführt. Es geht zent des Umsatzes. Der Mittelstand hat meist nicht viel vielmehr darum, daß sich der, der nicht zahlen will, über Eigenkapital und kommt dadurch leicht in Liquiditäts- die Konsequenz klar sein muß. schwierigkeiten. Die Unternehmen müssen hochverzin- ste Kredite aufnehmen. Am Ende ist die Existenz des (Beifall bei der PDS) Betriebes bedroht. Es geht schließlich nicht darum, mehr Richter und Ge- Das kann so nicht bleiben; wir sind uns einig, daß das richtsvollzieher schneller zu beschäftigen, sondern dar- rasch geändert werden muß. Bleibt die Frage: Wie? Ihre um, seine Leistung pünktlich und gerecht entgolten zu Vorstellungen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Op- bekommen. Das – und nur das – ist letztlich die Lösung position, reichen meiner Meinung nach leider nicht aus. dieses gesellschaftlichen Problems. Dazu benötigt man eine Gesamtkonzeption, die ich in In diesem Sinne freue ich mich auf eine produktive Ihren Vorlagen vermisse. Um das Problem Zahlungsmo- Debatte in den Ausschüssen. ral in den Griff zu bekommen, muß man das gesamte Problem anpacken und mit Ruhe und Augenmaß versu- Danke schön. chen, daraus eine runde Sache zu machen. Die Schwie- (Beifall bei der PDS) rigkeiten in der Baubranche mögen gravierender sein als woanders, aber es gibt diese Probleme auch in anderen Branchen. Ein Gesetzentwurf darf deshalb nicht aus- schließlich auf diese eine Branche zugeschnitten sein, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat was zum Beispiel beim CDU/CSU-Entwurf der Fall ist. jetzt die Abgeordnete Jelena Hoffmann. Neben der Gesamtkonzeption haben Sie offensicht- lich auch die Einzelaspekte Ihres Entwurfs nicht zu En- Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Sehr geehrte de gedacht. Mir fehlt unter anderem die Aussage über (B) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir die Problematik der Subunternehmer, die nur über den(D) sprechen heute über das Problem der schlechten Zah-Generalauftragnehmer an ihr Geld kommen. lungsmoral – oder sollte ich besser sagen: Zahlungsun- Ein weiterer Punkt: Sie möchten das Gesetz über die moral? Die Opposition hat offenbar das Bedürfnis, öf- Sicherung der Bauforderungen wiederbeleben. Es fentlich gelobt zu werden. Liebe Kolleginnen und Kol- wird jedoch nicht zu einer schnelleren Durchsetzung und legen von der Opposition, mit Ihren Anträgen haben Sie Begleichung von Forderungen beitragen. Ich kann mir in der Tat bewiesen, daß Sie das Problem erkannt haben. überhaupt nicht vorstellen, daß das Gesetz nicht ange- Wir haben darüber ja auch schon in der vergangenenwendet wird, weil – wie Sie meinen – es nicht genug Legislaturperiode gesprochen. Doch ein Problem löstbekannt ist. Engagierte Juristen hatten schließlich eine man nicht, indem man ein paar Vorschläge zusammen- ganze Weile Zeit – wenn ich mich nicht irre, seit 1909 –, zimmert. Das ist politischer Pfusch am Bau, liebe Kolle- das Gesetz aufzuspüren und anzuwenden. An Stelle Ih- ginnen und Kollegen. res Vorschlages müssen wir vielmehr über eine qualita- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tive Änderung der geltenden Gesetze nachdenken. Nur DIE GRÜNEN) so können wir dem Prinzip „Geld für Leistung aller Pro- duktarten“ zu seinem Recht verhelfen. Dieses Prinzip Eigentlich verstehe ich den Eifer, mit dem Sie jetzt muß auf der Baustelle genauso gelten wie im Kaufhaus. Ihre Anträge im Plenum einbringen, nicht. Wie Sie alle wissen, hat im Herbst eineBund-Länder-Kommission Ein richtiger Denkansatz ist auf jeden Fall – da stim- ihre Arbeit aufgenommen. Sie beschäftigt sich intensiv me Ihnen zu –, diegerichtliche Geltendmachung von mit den Ursachen von Zahlungsverzug. Die erstenForderungen zu beschleunigen und zu vereinfachen. Arbeitsergebnisse liegen uns bereits vor. Unter anderem Als Geschäftsführerin eines kleinen Unternehmens habe hat auch das Land Sachsen gewollt, daß diese Kommis- ich früher auf diesem Gebiet einige Erfahrungen machen sion eingerichtet wird. Nun kommen Sie mit einemmüssen. Besonders pfiffige Geschäftsleute konnte keine eigenen Gesetzentwurf, welcher übrigens bis zum letz- Mahnung, auch kein gerichtliches Mahnverfahren be- ten Komma mit dem Antrag Sachsens übereinstimmteindrucken. Sie hatten ihr Ziel, entweder Zeit zu gewin- und der noch in diesem Monat im Bundesrat eingebracht nen oder mich mit sofortigen Zahlungen, die aber Teil- werden sollte. zahlungen waren, abzuspeisen, fast immer erreichen können. Ich allerdings mußte immer pünktlich und in (Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Ist das ver- voller Höhe Löhne und Gehälter zahlen. Doch ob eine boten?) richterliche Vorabverfügung der richtige Weg ist, – Nein. schneller an das Geld zu kommen, das bezweifle ich. 2928 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Jelena Hoffmann (Chemnitz) (A) Neben der Gestaltung derVerzugszinsen müssen rungen eingebracht haben, legen wir einen vollständigen (C) Fragen des Eigentumsvorbehaltes und der Factoring- Gesetzesentwurf vor. Möglichkeiten noch geprüft werden. Warum sind auch wir von der CDU/CSU-Fraktion Das Problem ist also bekannt, und die Marschrich-der Auffassung, daß der Gesetzgeber Maßnahmen zur tung ist nicht zuletzt durch die Arbeit der Bund-Länder- Bekämpfung der schlechten Zahlungsmoral treffen Arbeitsgruppe festgelegt. Wir wollen und werden einmuß? Meine Herren, meine Damen, Politik, so heißt es, Gesetz erarbeiten, das die Probleme nachhaltig löst und beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit, und die sicherstellt, daß die Kräfte langfristig wieder ins Gleich- sieht nach Angaben des Zentralverbandes des Deut- gewicht gebracht werden. Bei aller Notwendigkeit, den schen Baugewerbes so aus, daß nahezu jedes zweite Gläubiger zu schützen, darf dieses Gesetz nicht einseitig Unternehmen von überobligationsmäßigen Zahlungsver- werden und die Rechte des Bestellers aufweichen. Das zögerungen nachhaltig betroffen ist. Über 50 Prozent der Wichtigste an einer neuen Gesetzesregelung muß sein, Unternehmen warten nach Fertigstellung, Abnahme und daß das Gesetz praktikabel ist, den Bedürfnissen derSchlußrechnung mindestens drei Monate, ein weiteres Wirtschaft entspricht und vom Handwerker genauso wie knappes Drittel wartet bis zu acht Monaten, und 6 Pro- vom Häuslebauer angewendet werden kann. zent warten noch länger auf die ihnen zustehenden Zahlungen. Die Höhe der Außenstände liegt bei den Vielen Dank. Unternehmen mittlerweile im Schnitt bei 15 bis 16 Pro- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE zent der Jahresgesamtleistung. Für diejenigen, die im- GRÜNEN und der PDS) mer vermuten, das sei nur ein Spezifikum der neuen Länder, darf ich einmal Zahlen aus den alten Ländern nennen. Nach Angaben des ZDB beklagt sich dort fast Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jeder fünfte Handwerksbetrieb über stark verspätete oder jetzt die Abgeordnete Andrea Voßhoff. gar nicht eingegangene Zahlungen, und nach einer Un- tersuchung der Vereine Creditreform aus dem Frühjahr 1996 mußten 26,2 Prozent der westdeutschen Hand- Andrea Voßhoff (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Herren! Meine Damen! Wie die Debatte bisher werksbetriebe Forderungsverluste von mehr als 1 Pro- gezeigt hat, ist das Thema Zahlungsmoral, insbesondere zent ihres Umsatzes hinnehmen; in den neuen Ländern im Baubereich, ein mittelstandspolitischer Dauerbren- waren es sogar 42 Prozent der Befragten. Daß sich hier- ner. Alle bisherigen Redner sind sich offenbar in einem aus nicht nur Liquiditätsprobleme ergeben, sondern oft- Punkt einig: Gesetzgeberische Lösungen zur Ent-mals auch Insolvenz die Folge ist, muß wohl kaum mehr schärfung der Situation sind gefordert. Was aber auf im einzelnen dargelegt werden. Das ist heute ja auch von allen betont worden. (B) der einen Seite der Dauerbrenner ist, ist auf der anderen (D) Seite gleichermaßen ein heißes Eisen. Wie soll, wie Die Gründe für verspätete Zahlung bzw. Nichtzah- kann für das erkannte Problem seitens des Gesetzgebers lung, so der Zentralverband, liegen interessanterweise Abhilfe geschaffen werden, ohne die Vertragsparteien nicht in der mangelnden Liquidität oder mangelnden unnütz zu reglementieren, ohne den Interessenausgleich Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Vielmehr ist fest- zu gefährden, ohne die Grundsätze der Ordnungspolitik stellbar, daß Schuldner ohne jegliche Liquiditätsproble- zu verlassen, gleichwohl aber einen Handlungsauftrag me im Kreis der Nichtzahler häufiger vertreten sind als zur Verbesserung der Situation zu erfüllen? andere. Sowohl Ordnungspolitiker als auch Juristen melden Die Ursachenforschung dazu ist vielschichtig. Aber in der Diskussion dieses Themas immer wieder Beden- wird dieses Verhalten nicht gerade auch durch das be- ken an, hinterfragen die Ursachen der sogenanntenstehende BGB-Werkvertragsrecht begünstigt? Dieses schlechten Zahlungsmoral und stellen die Frage, ob die geht grundsätzlich von einer Vorleistungspflicht des vorhandenen rechtlichen Mechanismen bei entsprechen- Werkunternehmers aus und begründet die Fälligkeit des der Anwendung nicht vielleicht ausreichend seien. Die Werklohns erst mit der Abnahme des Werkes. Nach der rechtlichen und wirtschaftspolitischen Bedenken, dieVOB kommt noch die prüffähige Schlußrechnung als sich bei vielen dazu einstellen, sind ja teilweise auchFälligkeitsvoraussetzung hinzu. nachvollziehbar. Aber dies darf uns nicht davon abhal- ten, im Interesse der mittelständischen Bauwirtschaft Dies, gekoppelt mit der rechtlichen Folge, daß die konsequent nach Lösungsansätzen zur Verbesserung der verbauten Materialien kraft Gesetzes in das Eigentum Situation zu suchen. des Grundstückseigentümers übergehen, führt insgesamt zu einer Belastung des Unternehmers mit dem vol- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) len Risiko der Liquidität und Insolvenz seines Auftrag- gebers sowie insbesondere von dessen Zahlungsverhal- Die existentiellen Nöte vieler mittelständischer Bau- ten. betriebe, die – von der schwierigen Marktlage einmal abgesehen – durch Forderungsaußenstände und Forde- Es zeigt sich immer mehr, daß – wie übrigens auch in rungsausfälle in die Insolvenz geraten – wodurch nicht der juristischen Fachliteratur unbestritten – das BGB- nur der Betrieb, sondern auch die von ihm geschaffenen Werkvertragsrecht in keiner Weise auf die spezifischen Arbeitsplätze verlorengehen –, sind nicht länger hinzu- Bedürfnisse und Besonderheiten des Baugeschehens zu- nehmen. Während von der rotgrünen Bundesregierung geschnitten ist. Dies ist ja auch mit ein Grund dafür, daß dazu noch gar nichts auf den Weg gebracht wurde,es überhaupt die Verdingungsordnung für das Bauwesen F.D.P. und PDS lediglich Anträge mit diversen Forde- gibt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2929

Andrea Voßhoff (A) Auch wollte der Gesetzgeber bereits im Jahre 1909 und damit vom Steuerzahler zu zahlen ist. Das sind(C) mit dem Gesetz zur Sicherung der Bauforderungen vielleicht Vorschläge aus Zeiten der Planwirtschaft, aber zusätzliche Mechanismen zur Sicherung von Bauforde- die ist vorbei. rungen schaffen, die dann aber nicht vollständig umge- Des weiteren will auch die PDS unter anderem den setzt wurden, weil die zur grundbuchlichen Sicherung Anspruch auf Sicherheitsleistung bei Baumaßnahmen erforderlichen Durchführungsverordnungen nicht erlas- nach § 648 a auf private Häuslebauer ausdehnen. Hier sen wurden. Das GSB wird heute als „vergessene An- wird der Gedanke des Verbraucherschutzes nicht gerade spruchsgrundlage“ bezeichnet, macht aber deutlich, daß gepflegt, denn indirekt werden damit die Baukosten für schon damals Schwächen des bestehenden Rechts zur das Eigenheim verteuert. Zudem wird verkannt, daß der Sicherung von Bauforderungen erkannt wurden. typische Bauauftrag für ein Familieneigenheim in der Immer wieder hat sich die CDU/CSU-Fraktion mitRegel bankfinanziert und damit so gesichert ist, daß dort diesem Thema befaßt und unter anderem mit der Schaf- kein Regelungsbedarf besteht. fung des § 648a BGB, der Zwangsvollstreckungsnovel- (Beifall bei der CDU/CSU) le, der Vergaberechtsänderung und anderem mehr die Problematik mit positiven Ansätzen, wie ich sie soeben Wenn man sich nun mit dem Antrag der F.D.P. be- nannte, entschärft. Gleichwohl höre und lese ich tagtäg- schäftigt, wird man feststellen, daß er in vielen Punkten lich nach wie vor Klagen der betroffenen Unternehmen, ähnliche Ziele verfolgt wie unser Gesetzentwurf. Im üb- die auf Grund der Zahlungsverschleppungen und Zah- rigen wiederholen sich darin aber auch Forderungen, die lungsausfälle in ernste Liquiditätskrisen kommen. in einem gemeinsamen Antrag mit der CDU/CSU- Fraktion im vergangenen Jahr bereits beschlossen wur- Wieder ein Zeitungsartikel, der noch keine drei Wo- den. chen alt ist und der berichtet, daß die Handwerkskam- mer Potsdam wieder einmal beklagt: Zahlungsverzöge- Die Forderung der F.D.P., darüber hinaus unter ande- rungen sind an der Tagesordnung, die laxe Zahlungs-rem für Schuldbeträge unter 30 000 Euro einverein- weise ist zur Normalität geworden, moralische Skrupel fachtes Gerichtsverfahren durchzuführen, das bei un- hat keiner mehr. strittiger Forderung innerhalb von 60 Tagen zu einem unanfechtbaren Vollstreckungstitel führt, entspricht ja Daß die Bekämpfung des Zahlungsverzuges im übri- den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Be- gen auch europaweit als notwendig angesehen wird,kämpfung des Zahlungsverzuges. Da haben Sie dann zeigt der entsprechende Vorschlag der Europäischenschon ein bißchen nachgesehen. Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Ra- tes zur Bekämpfung der Zahlungsmoral im Handelsver- Für das problemlos durchlaufende Mahnverfahren ist kehr. das sicherlich eine interessante und wünschenswerte Re- (B) (D) gelung. Was aber ist mit strittigen Forderungen? Nach Ih- Angesichts des nach wie vor bestehenden Hand-ren Vorgaben sollen diese Verfahren in 90 Tagen erledigt lungsbedarfs haben wir speziell für den als besonderswerden; Sie setzen also eine Frist von 90 Tagen. regelungsbedürftig erkannten Bereich des Bauvertrags- rechts eine konkrete Lösungsmöglichkeit mit dem Ihnen Ich frage mich zum einen, welche Konsequenzen vorliegenden Gesetzentwurf aufgezeigt, der für die wei- denn nach Ihrer Ansicht gezogen werden müssen, wenn teren Beratungen, wie ich meine, eine gute Diskussions- die Frist überschritten wird. Handelt es sich dann um ei- grundlage ist. nen Staatshaftungsfall, oder wie ist dies zu regeln? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie dieses verein- Aber auch die anderen heute zur Diskussion anste-fachte Verfahren bei strittigen Forderungen aussehen henden Anträge von F.D.P. und PDS zeigen zumindest, soll? Soll zur Einhaltung der Frist auf die Beweisauf- wie sehr offenbar auch andere Parlamentarier in anderen nahme verzichtet oder der Anwaltszwang beseitigt wer- Parteien von den Mittelständlern auf die bestehendenden? Auch dazu schweigen Sie. Ich hielte beides für be- Probleme aufmerksam gemacht worden sind. denklich und kontraproduktiv. Allerdings fällt beim Antrag der PDS schon auf: Dies Gerade in einem streitigen Bauprozeß ist es doch lei- ist mehr eine wilde Mixtur, die eine Unzahl verschiede- der oftmals notwendig, daß es zu einer Beweisaufnahme ner Fristen für Erkenntnis-, Mahn- und Vollstreckungs- und zur Einschaltung von Sachverständigen kommt. Die verfahren enthält. Bemerkenswert ist, daß nach Ansicht Verfahrensdauer ist in diesen Fällen aber meist nicht der PDS die Finanzämter und Sozialkassen zuInkasso- mehr vorhersehbar. Wie kann dann eine Frist von stellen der Unternehmen werden sollen, da nach dem90 Tagen eingehalten werden? Was ist die Folge, wenn Willen der PDS die Unternehmen fällige Steuer- oderdie Frist nicht eingehalten wird? Sozialabgabenzahlungen dadurch erfüllen können, daß sie vollstreckbare Titel gegen Dritte an das Finanzamt Das Ziel einer Verfahrensbeschleunigung ist klar; abtreten. Dagegen ist ja primär nicht unbedingt etwasdies ist auch sinnvoll. Wir dürfen aber die Judikative einzuwenden, aber Sie wollen das offenbar mit der Fol- nicht so beschneiden, daß keine ordentlichen Urteile ge, daß das Ausfallrisiko für diese Forderungen vommehr zu erwarten sind. Dies nämlich hätte den gegentei- Staat und damit vom Steuerzahler getragen wird. Eines ligen Effekt. dürfte doch auch Ihnen klar sein: Wir wollen praktikable (Abg. Rainer Funke [F.D.P.] meldet sich zu und sinnvolle Regelungen zur Verbesserung der Zah- einer Zwischenfrage) lungsmoral. Das kann aber nicht dazu führen, daß der wirtschaftliche Forderungsausfall letztendlich vom Staat – Es wird eine Zwischenfrage gewünscht? 2930 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

(A) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte. Dirk Manzewski (SPD): Frau Präsidentin! Sehr ge- (C) ehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem hier zu disku- tierenden Gesetzentwurf der CDU/CSU – auf diesen Rainer Funke (F.D.P.): Frau Kollegin, teilen Sie mit möchte ich besonders eingehen – geht es um die Verbes- mir die Auffassung, daß es zweckmäßig wäre, die Justiz serung der Durchsetzung von Forderungen der Bau- personell und sachlich so auszustatten, daß sie in derhandwerker. Das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Lage ist, Bauprozesse zügig durchzuführen? Problem ist bekannt und hat insbesondere in den neuen Bundesländern – darauf hat der Kollege Luther zu Recht hingewiesen – zum Teil zu dramatischen Entwicklungen Andrea Voßhoff (CDU/CSU): Selbstverständlich, in der Bauwirtschaft geführt. Insoweit wird die Intention das ist auch unser Wunsch. Wie aber können Sie trotzdes Gesetzentwurfs vom Grundsatz her völlig geteilt. guter Ausstattung der Justiz sicherstellen, daß binnen Nicht nur, daß Handwerkern und mittelständischen einer bestimmten Frist das Verfahren komplett, ein-Bauunternehmern in den letzten Jahren mehrere Milliar- schließlich Beweisaufnahme und Sachverständigengut- den Mark durch uneinbringliche Forderungen verloren- achten, abgeschlossen werden kann? Diese Frage bleibt. gingen. Auch die Zeiträume, innerhalb derer heutzutage (Rainer Funke [F.D.P.]: Ich wollte nur darauf fällige Forderungen üblicherweise beglichen werden, hinweisen, daß die Justiz zur Zeit nicht ord- werden zunehmend länger. Gerade kleinere und mittlere nungsgemäß ausgestattet ist!) Unternehmen kommen hierdurch oft in erhebliche Be- drängnis, weil sie eben nicht über eine hinreichende Ka- – Auch ich kann das feststellen, gar keine Frage. Das ist pitaldecke verfügen. Es besteht also eindeutig Rege- aber hier nicht das alleinige Problem. lungsbedarf. Ich persönlich sehe in den Entwürfen von Der gegenteilige Effekt wäre: Die Zahl der Berufun- CDU/CSU und F.D.P. viele richtige Ansätze. gen oder Revisionen würde sprunghaft ansteigen. Die Unabhängig davon, daß wir bei allem stets die Aus- Gerichte würden stärker denn je belastet. Zudem hätte gewogenheit der Rechte von Bestellern und Unterneh- dies für die Verfahrensbeteiligten das Risiko höherermern im Auge behalten müssen, halte ich den Gesetz- Anwalts- und Prozeßkosten zur Folge. entwurf der CDU/CSU zur Regelung der Problematik Folgte man dem F.D.P.-Antrag in einem weiterenfür nicht umfassend genug und in Teilbereichen für Punkt und würde man zur Verbesserung der Position des nicht effektiv. Bauunternehmers in dem Verfahren auch noch eine Der Kollege Luther – leider ist er nicht mehr da – hat erleichterte Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitslei- vorhin bemängelt, daß wir nicht konkreter werden. Ich stung „zum Schutz der Gläubigerrechte“ Vorschriftenmöchte das an dieser Stelle machen und einige Beden- (B) (D) fordern, stellte sich natürlich die Frage, ob dieser Inter- ken äußern. essenausgleich nicht zu sehr zu Lasten der Schuldner geht. Es ist heute schon einmal gesagt worden: DerEs ist für mich nicht ersichtlich – die Kollegin Hoff- Gläubiger auf der einen Seite ist oftmals der Schuldner mann hat bereits darauf hingewiesen –, warum Sie mit auf der anderen Seite. Ihrem Gesetzentwurf allein die Stellung der Bauhand- werker verbessern wollen und sich Ihr Antrag nicht auf Ich komme zum Schluß: In Anbetracht der Fülle von das gesamte Werkvertragsrecht erstreckt, da sich das Ideen und Vorschlägen, die heute geäußert wurden, den- Problem der mangelnden Zahlungsmoral nicht nur im ke ich, daß wir in den beteiligten Ausschüssen eine rege Baubereich wiederfinden läßt. Diskussion führen werden. Diese wird uns dann hof- fentlich zu dem Ziel führen, endlich etwas für die mittel- Soweit die Integration desGesetzes zur Sicherung ständische Bauwirtschaft zu tun. von Bauforderungen, kurz GSB genannt, in das BGB beabsichtigt ist, glaube ich kaum, daß dies zur schnelle- (Jürgen Türk [F.D.P.]: Aber nicht nur für die ren Begleichung und Durchsetzung von Forderungen Bauwirtschaft!) nennenswert beitragen kann. Nach meiner Auffassung Sie braucht schnelle und vor allen Dingen praktikablehat das GSB nur deshalb eine geringe Bedeutung er- Lösungen. Wir bieten mit diesem Gesetzentwurf einelangt, weil es eben nicht zu einer beschleunigten Zah- gute Grundlage dafür an. Ich hoffe, verehrte Kollegin- lung des Werklohns führt. Das GSB verpflichtet nämlich nen und Kollegen von der Regierungskoalition, daß Sie lediglich dazu, eingehende Baugelder und ihre Verwen- die diesmal gemeinsam mit uns erarbeiten und daß esdung in Baubüchern festzuhalten. Aber in ihm wird nicht ein ähnliches Fiasko gibt wie bei den 630-Mark- überhaupt nichts darüber ausgesagt – dies ist doch der Jobs und den Regelungen zur Scheinselbständigkeit. Auf entscheidende Punkt, über den wir heute diskutieren –, weitere Geschenke dieser Art können die Betriebe und ob und aus welchen Gründen Baugelder zurückgehalten Firmen nämlich verzichten. werden können. Vielen Dank. Das gleiche gilt für die begehrte richterliche Vorab- verfügung. Dieses Instrument würde nur dann zu einer (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) beschleunigten Zahlung beitragen können, wenn die Ge- richte von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen würden. Dies ist jedoch mehr als zweifelhaft, insbeson- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat dere deshalb, weil der Vorschlag überhaupt keine Krite- jetzt der Abgeordnete Dirk Manzewski. rien dafür enthält, wann diese Verfügung erlassen wer- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2931

Dirk Manzewski (A) den soll. Es ist deshalb zu erwarten, daß die Gerichteträge ist der Unternehmer zur Zeit verpflichtet, die von (C) von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen wer- ihm zu erbringende Werkleistung vollständig vorzufi- den, um sich nicht dem Vorwurf der Willkür auszuset- nanzieren. Seine Vergütung wird erst dann fällig, wenn zen und um nicht den eigentlichen Bauprozeß zu er-er seinerseits vollständig geleistet hat. Dies ist unter den schweren. Ich als Richter am Landgericht a.D. hätte je- heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten kaum mehr denfalls in der Praxis damit erhebliche Probleme. zumutbar. Der Besteller von Werkleistungen könnte da- her verpflichtet werden, für abgeschlossene Teile der Ich stimme mit Ihnen aber darin überein, daß einLeistung Abschläge zu zahlen. In der Praxis wird dies in wesentliches Problem sicherlich darin zu sehen ist, daß vielen Fällen ohnehin schon individuell vereinbart. fällige Zahlungen oft unter Berufung auf angeblicheKollege Funke, mir geht es nur darum, dies vielleicht Mängel zurückgehalten werden, die dann erst in einer auch gesetzlich zu verankern. umfangreichen Beweisaufnahme aufgeklärt werden müssen. Auch wenn die Abnahme nur wegengering- Da Kritik allein einen bekanntlich nicht weiterbringt, fügiger Mängel verweigert wird, hat dies nach derwerden die Koalitionsfraktionen unverzüglich einen bisherigen Rechtslage zur Folge, daß der gesamteeigenen Gesetzentwurf einbringen, über den noch vor Werklohn nicht fällig wird und auch die Verzugsfolgen der Sommerpause eine erste Lesung stattfinden sollte. nicht eintreten. (Jürgen Türk [F.D.P.]: Damit wäre unser Ziel Es stellt sich daher durchaus die Frage, ob solche erreicht!) Mängel zum Anlaß genommen werden dürfen, gleich– Dann sind wir uns ja einig. – Die Diskussion sollte den Eintritt der Fälligkeit der Vergütung insgesamt zu dann zwingend im Zusammenhang mit einer Anhörung verhindern, oder aber, ob der Besteller die Abnahme er- im Rechtsausschuß erfolgen, da nach meiner Auffassung brachter Werkleistungen dann nicht mehr verweigernnoch eine Reihe von Fragen bezüglich dieser Thematik darf, wenn nur noch geringfügige oder die Gebrauchs- zu klären sind. Ich hoffe, daß Sie uns auf diesem Weg tauglichkeit nicht beeinträchtigende Mängel vorliegen. konstruktiv begleiten werden. Wichtiger wäre aber nach meiner Auffassung die Prü- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. fung, ob dem Unternehmer nicht die Möglichkeit eröff- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten net werden kann, die Fälligkeit des Werklohns schneller der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS) und effizienter herbeizuführen und hierbei die bereits bestehenden Verfahren zur beschleunigten Durchset- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Der Abgeord- zung von Forderungen zu nutzen. nete Peter Friedrich von der SPD hat darum gebeten, aus Krankheitsgründen seine Rede zu Protokoll geben zu Hier möchte ich Ihnen eine Idee vortragen, über die (B) dürfen.*) Wir entsprechen seiner Bitte und wünschen(D) wir in der Zukunft diskutieren können. Eines der Kern- ihm gute Besserung. probleme des Werkvertrags besteht doch in dem Phä- nomen des sogenannten Justizkredits, das heißt, in dem Ich schließe damit die Aussprache. Verhalten des Bestellers, unter Berufung auf angebliche Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- Mängel die Abnahme und die Werklohnzahlung zu ver- wurfs auf Drucksache 14/673 an die in der Tagesord- weigern und es auf ein langwieriges Gerichtsverfahren nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es ankommen zu lassen, um so die Zahlung unter Zuhilfe- dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. nahme der prozessualen Möglichkeiten so lange hinaus- Dann ist die Überweisung so beschlossen. zuzögern, bis sich das Unternehmen auf zum Teil ver- lustbringende Abzüge einläßt, weil es den Zeitraum bis Wir kommen zu den Anträgen der Fraktion der F.D.P. zum Eingang der Zahlung nicht mehr überbrücken kann. auf Drucksache 14/567 sowie der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/799. Interfraktionell wird Überweisung an Es wäre in solchen Fällen daran zu denken – das istdie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- meine Idee –, die Vergütung für erbrachte mängelfreieschlagen. Die Federführung soll beim Rechtsausschuß lie- Werkleistungen bereits dann fällig werden zu lassen,gen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann wenn dem Unternehmer unter Vorlage eines schriftlichen sind die Überweisungen so beschlossen. Vertrages von einer unabhängigen Stelle bescheinigt wer- den würde, die versprochene Werkleistung oder in sich Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14a bis 14c auf: abgeschlossene Teile hiervon mangelfrei erbracht bzw. a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Chri- nach ihrer Überprüfung etwa vorhandene Mängel besei- stine Ostrowski, Gerhard Jüttemann, Dr. Evelyn tigt zu haben. Die Bescheinigung könnte sodann im Rah- Kenzler, Dr. und der Fraktion der men des zügigeren Urkundenprozesses eingebracht und PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur über den Anspruch dementsprechend durch sogenanntes Änderung des Gesetzes zur Regelung der Vorbehaltsurteil schneller entschieden werden. Der Be- Miethöhe steller wäre dabei nicht schlechtergestellt, da er seine – Drucksache 14/461 – Rechte im Nachverfahren wahrnehmen könnte und dann von vornherein wüßte, daß er mit der Berufung auf nicht Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß (federführend) vorhandene Mängel ein hohes Risiko eingehen würde. Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ich würde es auch für wirkungsvoll halten, eine § 16 Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Abs. 1 VOB/B entsprechende Regelung in das BGB ein- ______zuführen. Nach geltendem Recht derBGB-Werkver- *) Anlage 2 2932 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer (A) b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Chri- Das Gesetz hat aber in der Praxis nie funktioniert.(C) stine Ostrowski, Dr. Christa Luft, Gerhard Jüt-Nur ein Fünftel der Unternehmen erfüllte die Privatisie- temann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion rungsauflage, nur 30 Prozent der Wohnungen gingen an der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Mieter. Die alte Regierung gestand das nie ein. Um zur Aufhebung des Altschuldenhilfe-Gesetzeshandlungsfähig zu bleiben, hat sie am Gesetz nichts ver- (Altschuldenhilfe-Aufhebungsgesetz) ändert, aber zigmal herumgedoktert. – Drucksache 14/568 – Aus Mieterprivatisierung wurde Verkauf an Zwi- Überweisungsvorschlag: schenerwerber, also an Kapitalgesellschaften, deren Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen primärer Zweck in der Mitnahme lukrativer Steuerver- (federführend) Finanzausschuß günstigungen bestand. Aus 15 Prozent Mieterverkauf – Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder das ist das Problematische – wurde eine Umwegprivati- Haushaltsausschuß sierung von 5 Prozent; denn 30 Prozent der von Zwi- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christi- schenerwerbern an Mieter zu privatisierenden Bestände ne Ostrowski, Dr. Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf sind eben mathematisch nur ein Drittel der von ihnen und der Fraktion der PDS gekauften 15 Prozent. Die Abführungsquote wurde ab- geflacht, das Nicht-vertreten-Müssen eingeführt usw. Novellierung des Eigenheimzulagengesetzes – Drucksache 14/471 – Dieser Vorgang ist so weit fortgeschritten, daß sich auch Rotgrün daran gewöhnt zu haben scheint, nur noch Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß (federführend) die kleine Lösung für politisch durchsetzbar zu halten, Rechtsausschuß wie die letzten Beschlüsse des Lenkungsausschusses Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zeigen. Nichts gegen diese Besserungen, aber es stellt Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder sich die Frage, ob sich die neue Koalition den Fehlern Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ihrer Vorgänger verpflichtet fühlen muß und so lange Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Die PDS soll nachbessern will, bis sich das Gesetz in Luft aufgelöst in der Aussprache sieben Minuten Redezeit erhalten. – hat. Widerspruch gibt es nicht. Dann ist es so beschlossen. Es ist Zeit für einen Schlußstrich. Wir wollen das Ge- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächstsetz aufheben und folgen mit der Aufhebung seiner in- die Abgeordnete Christine Ostrowski. neren Logik: (Beifall bei der PDS) Erstens. Schuldanerkenntnisse und Kreditverträge sind (B) Christine Ostrowski (PDS): Frau Präsidentin! Mei- (D) ne Damen und Herren! Das Altschuldenhilfe-Gesetz ist unwirksam. Zweitens. Weitere Kredittilgung und weder alt, noch kann von richtiger Schuld und Hilfe die Zinszahlung entfallen. Drittens. Privatisierungsauflagen Rede sein. entfallen. Viertens. Unternehmen, die Erlöse abgeführt haben, werden die Erlöse zurückerstattet. Diese werden (Beifall bei der PDS) für die Sanierung des Wohnungsbestandes eingesetzt. Seine innere Logik ist erstens Schuldanerkenntnis und Das ist sinnvoll, dringend erforderlich und gerecht. Es Abschluß eines Kreditvertrages, zweitens, daß eineist auch finanziell möglich. Die Relation zeigt nämlich, Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung daß die Erlösabführungen von 180 Millionen DM im ausgeschlossen ist, und drittens setzt erst dann Teilentla- Jahr 1999 ganze 0,3 Prozent der Einnahmen des Erbla- stung mit gleichzeitiger Privatisierung ein. stentilgungsfonds ausmachen. Aber im Ost-Wohnungs- bestand eingesetzt, würden diese Einnahmen Haushalts- Die PDS hielt die Altschuldenkonstruktion immer für reduzierungen ausgleichen. Ich nenne zur Erinnerung: juristisch fragwürdig und wirtschaftlich falsch und lehnte minus 36 Millionen DM für die Städtebauförderung und sie einschließlich der Folgeregelungen in der Logik des minus 67 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau. Gesetzes konsequent ab. Das alles hatte nichts mit geord- Investitionsfähigkeit und Kreditwürdigkeit der Unter- neter Umwandlung der DDR-Subventionswirtschaft in nehmen würden sich erhöhen. Positive Auswirkungen materielle Schulden im Sinne der Rechtsordnung derauf Bauwirtschaft und Arbeitsmarkt wären zu erwarten. Bundesrepublik zu tun. Das ist hinreichend bekannt und Aber diese und andere Details können wir ausgiebig im darüber hinaus Geschichte. Aber auf folgendes weise ich Ausschuß diskutieren. Jedenfalls ist nur die Aufhebung mit Nachdruck hin: Die Teilentlastung von fiktivenwirkliche Hilfe, alles andere ist Bastelei. Schulden ist nur ein fiktiver Gewinn. Erst mit der Aner- kennung dieser Fiktion durch alle Betroffenen entstanden Sollten Ihnen unsere Anträge nicht gelegen kommen tatsächliche materielle Folgen. und sollten wir Ihr Wohlwollen nicht erlangen, werden wir selbstverständlich mit vielen Anträgen unseren Bei- Ferner hielt die PDS speziell bei der Wohnungswirt- trag zu den bereits erwähnten kleinen Lösungen leisten. schaft den aberwitzigen Glauben an die Wunderkraft von Markt und Privatisierung immer für illusionär. Je- Zum Eigenheimzulagengesetz. Wir wollen gesetz- der, der sich nüchtern mit den Fakten beschäftigte,lich regeln, daß die Höhe der Forderung der Höhe der konnte, ja mußte wissen, daß die Voraussetzungen für Neubauförderung dann gleichgestellt wird, wenn der eine breite Privatisierung an Mieter nicht gegeben waren Sanierungsaufwand der erworbenen Wohnung den Wert und für überschaubare Zeit nicht gegeben sein werden. der Altbausubstanz übersteigt. Menschen, die die ohne- Trotzdem wurde das Gesetz in gesetzt. hin nervenaufreibende Bereitschaft aufbringen, ihren Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2933

Christine Ostrowski (A) Wunsch nach eigenen vier Wänden im Althausbestand Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat (C) zu erfüllen, würden damit in der Zulage denjenigenjetzt die Abgeordnete Dr. Christine Lucyga. gleichgestellt, die den viel leichteren Weg wählen, neu zu bauen. Neben anderen nötigen Maßnahmen wäre dies ein Schritt zur Stabilisierung der Wohnquartiere inDr. Christine Lucyga (SPD): Frau Präsidentin! Kernstädten, der neue Zielgruppen erschließt und Ab- Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Wohnungs- und wanderung begegnet. Meiner Stadt Dresden kehrtenMietenpolitik ist in den letzten Jahren in der politischen Tausende den Rücken, weil sie sich ihren Wunsch nach Diskussion trotz des wachsenden Problemdrucks mehr Wohneigentum aus Kostengründen nicht erfüllen konn- und mehr ins Hintertreffen geraten. Was wir jetzt zu lei- ten. Die jetzige Eigenheimzulage mit ihren Einkom-sten haben, ist sehr komplex, denn wir werden uns einer mensgrenzen von 240 000 DM bei Verheirateten undReform der gesamten Wohnungspolitik stellen müssen, 120 000 DM bei Ledigen fördert die Abwanderung auch um zu wohnungspolitisch und haushaltspolitisch sinn- jener, die sich Wohneigentum aus eigener Kraft leisten vollen Lösungen zu kommen. können. Ungeachtet dessen, daß uns mit dem Eigenheimzula- Die von uns gewollte Reduzierung der Einkommens- gengesetz ein gutes Gesetz gelungen ist, stehen wichti- grenzen auf 80 000 bzw. 160 000 DM war und ist auch ge, von der alten Bundesregierung viel zu lange ver- in der Koalition in der Diskussion. Die von dieser Redu- schleppte Reformen nach wie vor auf der Tagesordnung: zierung Betroffenen bilden eine relativ kleine Gruppe, die Vereinfachung des Mietrechts, die Verbesserung des die nicht existentiell auf Förderung angewiesen ist. Das Wohngeldes und die Reform des sozialen Wohnungs- übergeordnete Interesse der Innenstadtentwicklungbaus. Unter den Reformvorhaben dieser Legislaturperi- sollte uns etwaigen Ärger mit ihnen allemal in Kaufode findet sich die notwendigeWohngeldreform zum nehmen lassen. 1. Januar 2000. Wer einen früheren Zeitpunkt will, über- sieht, daß die alte Bundesregierung die Novelle jahre- Die Einsparung aus dieser Kürzung dient der erhöh- lang verschleppt hat. ten Förderung der Sanierung des Althausbestandes. Be- denkt man darüber hinaus, daß die Lego-Siedlungen im (Widerspruch bei der CDU/CSU) Umland durch Zersiedelung, Versiegelung, Verkehrs- Wir werden uns bei der Förderung des Mietwoh- aufkommen und Straßenbau zu erhöhten direkten undnungsbaus mit neuen Ansätzen auseinanderzusetzen ha- indirekten Kosten für die Allgemeinheit führen, dürfte ben und dabei auch strukturelle Überlegungen innerhalb die Erhöhung der Zulage auch aus gesellschaftlicherunseres Etats anstellen müssen. Denn vor dem Hinter- Sicht wünschenswert sein. grund eines Haushaltsdefizits von 20 Milliarden DM Mietspiegel in den neuen Ländern – es gibt übrigens und angesichts von Mehrausgaben in Milliardenhöhe für (B) nur 41 – gelten nur noch bis zum 30. Juni dieses Jahres. den Familienlastenausgleich in Übereinstimmung mit (D) Wir wollen, daß sie weiter gelten. dem jüngsten Verfassungsgerichtsurteil, dessen Umset- zung für uns hohe Priorität hat, werden wir zwar keine (Beifall bei der PDS) Wunder vollbringen können, wohl aber Machbares lei- Die Einbeziehung der Bestandsmieten hat sich nämlich sten. dämpfend auf die Vergleichsmiete ausgewirkt. Aber Zwischen Utopie und Wirklichkeit stehen wir dage- auch die ehemaligen Bestandsmieten sind durch allge- gen bei den drei jetzt vorliegenden Anträgen und Ge- meine Erhöhungen und Modernisierung gestiegen. Die setzentwürfen der PDS, die Problembereiche anspre- Umlagen für die Modernisierung von bis zu 5 DM pro chen, in denen wir bereits zum Teil Handlungsbedarf si- Quadratmeter und damit Mieten um 10, 11 DM – fastgnalisiert haben und – wie zum Beispiel bei den im wie im frei finanzierten Wohnungsbau – sind normalLenkungsausschuß jetzt gerade beschlossenen Erleichte- geworden. Aber zum Beispiel kann ein Drittel rungen der bei der Umsetzung Altschuldenhilfe- des Dresdner Haushalte Mieten über 9 DM nicht tragen und Gesetzes – auch erste Schritte gegangen sind. Diese Re- muß daher in noch unsanierte, billige Wohnungen aus- gelungen schaffen für eine ganze Reihe von Wohnungs- weichen, die aber auch bald saniert werden. unternehmen klare Verhältnisse. Über 700 von ihnen Bleibt die Frist, wirkt das mietpreiserhöhend; wird sie werden damit bei Vorliegen bestimmter Voraussetzun- gestrichen, wirkt das mietpreisdämpfend. Ersteres wol- gen, wie hohe Leerstände in strukturschwachen Gebie- len wir verhindern. Das Einkommen der ostdeutschenten, bereits aus der Privatisierungspflicht entlassen. Bevölkerung und mangelnde Kaufkraft sprechen dafür. Durch die Erweiterung der Ausnahmeregelung zur vor- Den Vermietern ist diese Entwicklung zuzumuten; die zeitigen Befreiung von der Privatisierungspflicht wird Kommunen sparen Kosten. Nicht zuletzt lohnt sich auch eine größere Anzahl von Wohnungsunternehmen – wir im Hinblick auf die Erarbeitung eines neuen Mietrechts schätzen, ungefähr 100 – ebenfalls sofort entlastet wer- die Prüfung der Wirkung der Einbeziehung von ehema- den. Mit dem Wegfall der jährlichen Berichtspflicht ligen Bestandsmieten in die Mietspiegel. über Privatisierungen und Investitionen werden die Wohnungsunternehmen von bürokratischem Aufwand Meine Damen und Herren, wir haben drei Anträgebefreit und können die dafür verwendeten Kräfte sinn- vorgelegt. Prüfen Sie sie unvoreingenommen, undvoll anders zum Tragen bringen. stimmen Sie ihnen zu! Sie wissen ja: Aller guten Dinge sind drei. Diese unterhalb der Gesetzesebene geschaffenen Er- leichterungen sind für uns ein erster Schritt zur Umset- (Beifall bei der PDS) zung unserer erklärten Absicht, Fehler des Altschulden- 2934 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Dr. Christine Lucyga (A) hilfe-Gesetzes zu korrigieren. Wir wissen, daß weiterhin Tabu ist. Angesichts der schwierigen Haushaltslage(C) Probleme bestehen und werden weitere Korrekturen mit werden wir jedoch Umschichtungen im Bauetat nur mit der Wohnungswirtschaft und den neuen Bundesländern eindeutigen Prioritätensetzungen vornehmen. Dabei abstimmen. steht die Wohngeldnovelle nun einmal an erster Stelle. So werden wir den ostdeutschen Wohnungsunter- (Beifall bei der SPD – Abg. Christine nehmen helfen, sich Schritt für Schritt und mit vertretba- Ostrowski [PDS] meldet sich zu einer Zwi- rem Aufwand von den Verpflichtungen des Altschul- schenfrage) denhilfe-Gesetzes zu befreien. Dabei geht es – das beto- ne ich nochmals – um Lösungen mit Augenmaß und nicht darum, das Kind mit dem Bade auszuschütten, was Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Kollegin mit dem Gesetzentwurf der PDS geradezu angelegt ist. Ostrowski, ich hatte die Rednerin eben so verstanden, (Christine Ostrowski [PDS]: Inwiefern?) daß überhaupt keine Zwischenfragen mehr zugelassen werden. Oder sind Sie jetzt anderer Meinung, Frau – Regen Sie sich nicht auf, Frau Ostrowski, es ist so. Lucyga? Erklärte Zielstellung dieses Entwurfes ist es, das Alt- schuldenhilfe-Gesetz nicht nur abzuschließen, sondern es komplett rückgängig zu machen. Wie das nach sieben Dr. Christine Lucyga (SPD): Ich möchte keine Jahren allerdings gehen soll, ohne neue Ungerechtig-Zwischenfragen zulassen. keiten in die Welt zu setzen, bleibt wohl das Geheimnis (Zuruf von der PDS: Gar keine?) der Antragsteller, die als Patentlösung eine Änderung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidie- Zu hinterfragen wäre auch, inwieweit eine verstärkte rungsprogramms vorschlagen, und zwar dergestalt, daß Bestandsförderung in der von der PDS vorgeschlagenen Privatisierungserlöse, die bereits gezahlt wurden, ausForm zu stark zu Lasten des Neubaus gehen würde. dem Erblastentilgungsfonds zurückgezahlt werden Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Auch wir sollen. Ich möchte an dieser Stelle ganz nachdrücklich geben der Bestandserneuerung einen hohen Stellen- davor warnen, den Erblastentilgungsfonds als Spar-wert; so ist es auch im Koalitionsvertrag niedergelegt. schwein für ungedeckte Schecks aller Art anzusehen.Aber wir werden andere Wege gehen, zum Beispiel den, Denn auf Grund eng bemessener finanzieller Spielräume das Zusammenwirken der Förderinstrumente effizienter – vom Verwaltungsaufwand sollte gar nicht erst gespro- zu gestalten und bestimmte Fördernotwendigkeiten neu chen werden – können weder der Bund noch die am Erb- zu definieren. lastentilgungsfonds beteiligten Länder dieses Paket noch Bei der weiteren Behandlung des Antrages unter Fe- (B) aufschnüren. derführung des Finanzauschusses wird alles Notwendige (D) dazu gesagt werden. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Frau Kollegin, Schließlich steht ein Antrag der PDS zur Regelung gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ostrows- der Miethöhe auf der Tagesordnung, in dem verlangt ki? wird, die in § 12 Abs. 7 des Miethöhegesetzes vorgese- hene Befristung für die Mietspiegel Ost bis zum 30. Juni Dr. Christine Lucyga (SPD): Nein, ich habe Frau 1999 aufzuheben. Diese Befristung war eine Über- Ostrowski schon lange genug zugehört und möchte jetzt gangsvorschrift, die für die Aufstellung der ersten ost- keine Zwischenfrage mehr zulassen. deutschen Mietspiegel zur Überleitung der Mieten in den neuen Bundesländern ins Vergleichsmietensystem (Christine Ostrowski [PDS]: Sehr freundlich!) geschaffen wurde. Damit wurde der Anteil des aus dem Mietenüberleitungsgesetz stammenden preisgebundenen Daß die Antragsteller selbst eine punktuelle Novellie- Wohnungsbestandes berücksichtigt, der laut Miethöhe- rung einiger Bestimmungen des Altschuldenhilfe- gesetz ansonsten nicht in den Mietspiegel gehört hätte. Gesetzes als Alternative nennen, spricht für den von Bundesminister Müntefering eingeschlagenen Weg. Inzwischen hat sich die Mietensituation in den neuen Bundesländern aber deutlich verändert. Wir alle wissen, Was den Antrag auf Novellierung desEigenheim- eines der gravierendsten Probleme ist mittlerweile für zulagengesetzes angeht, so stimmen wir mit Ihnen darin zahlreiche Wohnungsunternehmen der hohe Leerstand. überein, daß eine höhere Förderung des Bestandser- Diese Leerstände werden zum Problem. Das alles hat werbs aus wohnungspolitischer Sicht Sinn macht. Kei- dazu geführt, daß es im Mietenniveau keine nennens- nen oder wenig Sinn macht allerdings – wie im Antrag werten Bewegungen mehr gibt. der PDS vorgeschlagen – eine Förderung in Höhe der Neubauförderung bei entsprechenden Investitionen, de- (V o r s i t z : Vizepräsidentin Petra Bläss) nen auch Eigenarbeit zugerechnet werden könnte. Nicht zuletzt wäre damit wohl jedes Finanzamt überfordert. Nach Angabe der großen kommunalen Wohnungs- unternehmen ist seit dem 1. Januar 1998 in den neuen (Lachen bei der PDS) Bundesländern von Mieterhöhungen kaum Gebrauch gemacht worden, Als Gegenfinanzierung für eine erhöhte Förderung des Bestandserwerbs wird eine Absenkung der Ein- (Christine Ostrowski [PDS]: Was reden Sie kommensgrenzen vorgeschlagen, die auch für uns kein denn für einen Unsinn?) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2935

Dr. Christine Lucyga (A) da Leerstände von 3 bis 5 Prozent die Wohnungsunter- Das wollte ich hier noch einmal deutlich gesagt haben. (C) nehmen geradezu zwingen, die Wohnungen günstiger (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ anzubieten. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Christine Ostrowski [PDS]: Wird bei Ihnen in CDU/CSU und der F.D.P.) Rostock nicht modernisiert, oder was? Meine Güte!) Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die Fraktion der – Lesen Sie einmal die Statistiken nach! CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Diet- (Christine Ostrowski [PDS]: Ich kenne mar Kansy. mich aus!)

– Vergleichen Sie einmal die Mietspiegel und sehen Sie Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Frau Präsi- sich bitte einmal an, was dazu auf kommunaler Ebene dentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen gesagt wird. Ich denke, das schafft für uns Handlungs- und Kollegen, wie auch die bisherige Debatte gezeigt bedarf an ganz anderer Stelle. hat, gibt es außerhalb der PDS erfreulicherweise nie- (Christine Ostrowski [PDS]: Nein, nein, Sie manden – weder bei den hier vertretenen Fraktionen irren sich da!) noch in der Wohnungswirtschaft –, der den positiven und unverzichtbaren Beitrag des AHG vom Juni 1993 Wenn also die PDS in ihrem Gesetzentwurf von einer für die marktwirtschaftliche und sozialgerechte Umge- Verlängerung der Geltungsfrist für die ersten ostdeut-staltung des Wohnungswesens in den neuen Bundeslän- schen Mietspiegel eine mietpreisdämpfende Wirkungdern in Zweifel gezogen hat. erwartet, dann widerspricht das der gegenwärtigen Si- tuation. Nach Ihrer Logik müßten Sie jetzt eigentlich (Zuruf von der PDS: Fragen Sie einmal die einen neuen Mietspiegel fordern, um die günstige Wohnungsunternehmen!) Marktlage zu nutzen. – Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich es Die Arbeit an den zweiten Mietspiegeln in mehreren Ihnen ersparen, Ihr begrenztes Erinnerungsvermögen ostdeutschen Kommunen, die wiederum unter Beteili- auszugleichen und Sie daran zu erinnern, wie diese gung von Mieter- und Vermieterverbänden erstellt wer- Städte und Dörfer – mit Ausnahme von Wandlitz – noch den, deutet darauf hin, daß aufgrund der Marktverhält- vor zehn Jahren ausgesehen haben. Ihr Auftreten hier ist nisse keine Korrekturen nach oben zu befürchten sind. schlicht arrogant. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (B) (Christine Ostrowski [PDS]: Quatsch!) (D) Das Gesetz hat den Weg freigemacht zur Bewälti- Deshalb könnte eine Aktualisierung des Mietspiegels gung einer großen Modernisierungsaufgabe und zur wohl nicht schaden. Stärkung der privaten Wohnungseigentumsbildung. Zu- Mit einer Verlängerung der zeitlichen Befristung der gegebenermaßen ist man damals davon ausgegangen, ersten ostdeutschen Mietspiegel über den 30. Juni 1999 daß die Mieter in wesentlich stärkerem Umfang, als es hinaus wäre außer einer kurzen zeitlichen Verschiebung nachher tatsächlich geschehen ist, Wohneigentum bilden nichts gewonnen; würden. (Christine Ostrowski [PDS]: Zwei Jahre!) Bereits die alte Bundesregierung hat 1996 mit einer deutlichen Abflachung der Erlösabführungsquote die denn eine unbegrenzte Geltungsdauer für MietspiegelVoraussetzungen dafür geschaffen, daß die Privatisie- sieht das Miethöhegesetz, und zwar aus gutem Grund, rungsziele bis zum Jahre 2003 erfüllt werden können. nicht vor. Herr Kollege Grossmann, heute Staatssekretär, wie in Anstatt weiterhin an Sonderregelungen für die neuen vielen Bereichen der Wohnungsbaupolitik scheint heute Länder festzuhalten, die im Kern nicht mehr ihrenaus dem rotgrünen Lager keine wesentliche Änderung Zweck erfüllen, sollten wir daran arbeiten, daß dasdieser Politik mehr ersichtlich zu sein. Ich erinnere mich Thema Miethöhe und Mietspiegel in dem noch in die-noch an Forderungen wie die nach Linearisierung der sem Jahr aus dem Bundesjustizministerium zu erwarten- Erlösabführung, nach genereller Befreiung der Woh- den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Mietrechts in nungsgenossenschaften, nach Streckung des Gesetzes sachgerechter Form vorkommt und daß darin eine Lö- um drei Jahre und vieles andere. Ich mache Ihnen das sung der Probleme gefunden wird. nicht zum Vorwurf. Nur, wenn hier gesagt wird, Sie hätten noch vor wenigen Monaten anders als heute gere- Abschließend möchte ich Ihnen, Frau Ostrowski, fol- det, dann ist das leider wahr. gendes sagen: Ich weiß, daß im Mai in Rostock- Warnemünde der Deutsche Mietertag stattfindet und daß Die Umsetzung des PDS-Antrags würde saldiert milliardenschwere Folgen für die öffentlichen Kassen solche Anträge natürlich immer einen guten Eindruck bedeuten. Zu diesen Problemen kämen noch Probleme machen. Nur, Ihr Antrag liegt in der Sache völlig dane- ben. bei einigen Kreditinstituten hinzu. Aber wir wissen aus entsprechenden Anträgen der letzten Wochen und Mo- (Christine Ostrowski [PDS]: Schade, daß Sie nate, daß das für die PDS wohl keine wesentliche Rolle keine Zwischenfragen zugelassen haben!) spielt. 2936 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (A) Ich möchte noch eine Anmerkung zum aktuellen Christine Ostrowski (PDS): Es ist charmant, Herr (C) Konzept der Bundesregierung, soweit erkennbar – ich Dr. Kansy, und ich bedanke mich, daß Sie mir die Frage denke an die Beschlüsse des Lenkungsausschusses von gestatten. Ende März –, machen. Im Grundsatz finde ich es begrü- Sie sagten richtigerweise, daß die Mieten im Durch- ßenswert, daß die Linie, die die alte Koalition einge-schnitt – wir wissen, was Durchschnitt hier bedeutet – um schlagen hatte, im wesentlichen fortgeführt wird. Der1,4 Prozent gestiegen sind. Geben Sie mir recht, daß diese Grundsatz ist richtig, jenseits von ständigen gesetzlichen Steigerung von 1,4 Prozent über dem Anstieg der Lebens- Änderungen einen Weg zu suchen – sei es über diehaltungskosten liegt? Geben Sie mir auch recht, daß die KfW, den Lenkungsausschuß usw. –, den Vollzug dieses durchschnittlichen Einkommen in Ostdeutschland noch Gesetzes an die erforderlichen Änderungen, die sich aus deutlich unter den westdeutschen Einkommen liegen? der Verwaltungspraxis ergeben, anzupassen.

In der jetzt vorliegenden Antwort der Bundesregie- Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Zunächst einmal rung auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion zu densteigen auch die Lebenshaltungskosten zur Zeit etwa um Beschlüssen von April 1998 sehe ich Ansatzpunkte, in 1,4 Prozent. Wir können feststellen, daß die Steigerungsrate der bewährten Art und Weise fortzufahren. Wir bieten für Mieten in den letzten fünf Jahren Jahr für Jahr von jedenfalls auch aus der Opposition heraus unsere Mitar- ehemals 5 Prozent – das betrifft jetzt nicht nur die neuen beit an. Bundesländer – auf rund 1,0 Prozent – das ist die derzeitige Wir möchten aber eines klar sagen: Wir erteilen wei- Mietsteigerungsrate – zurückgegangen ist und daß das nicht terhin allen Bestrebungen eine Absage, das AHG in sei- auf den Erfolg irgendeiner bürokratischen Regelung, son- nen Kernpunkten auszuhebeln, nach dem Motto: Diedern auf eine angebotsorientierte, sozial flankierte Woh- Ehrlichen, also die Unternehmen, die die Privatisie-nungspolitik zurückzuführen ist. rungsauflagen bereits umgesetzt haben, sind die Dum- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) men. Das kann nicht das Ergebnis sein. Es gilt nach wie vor: Der beste Mieterschutz ist dann (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gegeben, wenn die Rahmenbedingungen dafür sorgen, daß Wohnungen gebaut werden. Davon lebt im Grunde Auch der PDS-Vorschlag, mit einer Änderung desgenommen auch die derzeitige Regierung. Miethöhegesetzes ostdeutsche Sonderrechte bei der Auf- stellung von Mietspiegeln auf Dauer beizubehalten, hat Die restlichen Fragen besprechen wir nachher, damit wohl weniger – die Kollegin Lucyga sagte es schon –die Kollegen nicht warten müssen. mit der Mietenentwicklung in den neuen Ländern zu tun Ich wollte eben auf die dritte Initiative zu sprechen als mit einer alten, verfehlten und übrigens gescheiterten kommen. Der Finanzierungsansatz hat doch Ähnlich- (B) Vorstellung von Wohnungspolitik. keiten mit dem Vorschlag, der zur Zeit aus dem grünen (D) und auch aus dem sozialdemokratischen Lager zu hören Worum geht es? Nach dem Miethöhegesetz bleiben ist, nämlich Einkommensgrenzen als Voraussetzung für bei der Aufstellung von Mietspiegeln Mieten, die auf die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage abzusenken. Grund gesetzlicher Bestimmungen an HöchstbeträgeDie 1995 übrigens auch mit den Stimmen der Sozial- gebunden sind, außer Betracht. Diese Bestimmung galt demokraten, wie zu Recht gesagt wurde, vom Bundestag und gilt nicht für die neuen Länder, um deren Über- beschlossenen Einkommensgrenzen lagen damals bei gang in das Vergleichsmietensystem abzufedern. Miet- 120 000 DM für Ledige bzw. 240 000 DM für Verhei- spiegel, die erst nach dem 30. Juni dieses Jahres in Kraft ratete und liegen auch heute trotz der zwischenzeitlich treten, sollten dann dieser Sonderregelung nicht mehr eingetretenen Preis- und Mietentwicklung noch auf die- bedürfen. sem Niveau. Die PDS will jetzt eine Absenkung auf Obwohl seit dem 1. Januar 1998 die Vergleichsmiete 80 000 bzw. 160 000 DM. Aber wenn ich Ihre Äuße- bekanntlich auch in den neuen Ländern gilt, sind dierung, Frau Eichstädt-Bohlig, gleich mitbewerten darf, Mieten in den neuen Bundesländern 1998 im Schnitt nur tendieren Sie ebenfalls dazu, diese Einkommensgrenzen um 1,4 Prozent gestiegen, und zwar sowohl bei Alt- wie um ein Drittel abzusenken. Wenn ich die Kollegin auch bei Neubauwohnungen. Jegliche Befürchtung von Dr. Lucyga eben richtig verstanden habe, hat sie sich damals, diesen Schritt der Angleichung und der markt- geistig auch schon damit angefreundet, obwohl wir da- wirtschaftlichen Normalisierung zu gehen, hat sich als mals über die Parteigrenzen hinweg das Eigenheimzula- Panikmache erwiesen. Auch deswegen ist der PDS-gengesetz, das Sie zu Recht als eines der besten Gesetze Antrag im Grunde Schnee von gestern. bewertet haben, das wir in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, beschlossen haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sollten nicht anfangen, durch eine Änderung der Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Kansy, Konditionen eines der besten Gesetze – wenn auch von gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ostrowski? der damaligen Koalition, aber immerhin mit Ihrer Zu- stimmung beschlossen –, (Zuruf von der SPD: Sonst hätten wir auch Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Das tue ich nicht zugestimmt!) gern, auch wenn wir damit die Debatte unnötig verlän- das in nie gekannter Weise den Eigenheimbau in diesem gern. Bitte schön, Frau Kollegin. Lande beflügelt hat, der heute beim Abbröckeln der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2937

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (A) Baukonjunktur in anderen Bereichen die letzte Hoffnung letztendlich auch zwischen Ihrer Politik, die mit der(C) mit Zuwachsraten von 15 Prozent ist, die Baukonjunktur Ökosteuerreform zum Preistreiber bei den Mietneben- und die Eigentumsbildung in den neuen Ländern zu ge- kosten wird, fährden. Das gilt auch für den Bestandserwerb. Der (Beifall bei der CDU/CSU) Wegfall des Vorkostenabzugs, der im Rahmen des so- genannten Steuerentlastungsgesetzes beschlossen wurde, und den Ankündigungen der Mieterbundpräsidentin, ist ein weiterer Schritt zur Demontage dieses damalsman müsse endlich etwas gegen die Zweitmietenexplo- einvernehmlich beschlossenen Gesetzes. sion tun. Dies alles wird zu besprechen sein. Ich hatte schon darauf verwiesen, daß es bei Einfa- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. milienhäusern eine Zuwachsrate von über 15 Prozent gab, während der Bau von Zweifamilienhäusern und von (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Mehrgeschoßwohnungen deutlich zurückging. Ich warne nur davor, diesen Weg zu gehen. Ein Bürger, eine Bür- Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die Fraktion gerin oder eine Familie, die Eigentum bilden will, Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt unsere Kollegin (Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ Franziska Eichstädt-Bohlig. DIE GRÜNEN]: Mit 240 000 DM Jahresein- kommen, Herr Kansy!) (BÜNDNIS 90/DIE betrachten die Angebote des Gesetzgebers als ein Paket. Franziska Eichstädt-Bohlig GRÜNEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen Es hat sich gezeigt, daß wir mit den Rahmenbedingun- gen dieses Gesetzes genau das Richtige getroffen haben und Kollegen! Zunächst ein Kompliment für unsere Kollegin Ostrowski und ihre wohnungspolitische Em- und daß es mit großen Schritten vorangeht. sigkeit. Ich denke, ein bißchen Antreiben schadet nichts. (Zuruf von der SPD: Der Durchschnittsverdie- ner hat ja nicht 240 000 Mark!) (Zuruf von der SPD: Aber nicht Freitagnach- mittag!) Ich warne wirklich davor, auch im Zusammenhang mit noch so begründeten Finanzierungslöchern an diesesDamit müssen wir uns auseinandersetzen. Gesetz heranzugehen. (Beifall bei der PDS) Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hätte heute gerne mit Ihnen auch schon über Wohngeld diskutiert. Zum ersten zum Antrag auf Verlängerung der Gültig- Aber nachdem Sie sich bisher erfolgreich, notfalls mit keit der Mietspiegel Ost: Im Prinzip ist das Ziel unter- Geschäftsordnungsanträgen, verweigern, über unserestützenswert. Es ist nur so, daß die Regierung der Mei- (B) Anträge abzustimmen, werden wir vielleicht im Juni da- nung ist, daß die Panikmache nicht angebracht ist. Ich(D) zu Gelegenheit bekommen, so hoffen wir. Wir werden kann das selbst noch nicht überprüfen, aber das Justiz- Sie – auch unsere Kollegin und Vizepräsidentin Ankeministerium sieht es so, daß die Mietspiegel bis zum Fuchs, die ja gleichzeitig Präsidentin des DeutschenAblauf der Zweijahresfrist, also bis 2000, durchaus ihre Mieterbundes ist – spätestens zu diesem Zeitpunkt fra- Gültigkeit behalten. Von daher schlage ich einfach vor, gen müssen, wie Sie diesen Spagat zwischen ursprüngli- daß das im Rahmen der Beratungen in den Ausschüssen chen Ankündigungen von Ihnen und dem, was Sie ma- geprüft wird und daß wir dann gemeinsam sehen, ob da chen, den Sie, Frau Eichstädt-Bohlig und die Koalition Handlungsbedarf besteht oder nicht. Ich denke, wir in den letzten Monaten hier vollführt haben, aushalten sollten nicht jetzt große Auseinandersetzungen darüber wollen: den Spagat zwischen einer rotgrünen Politik, die führen, ob der Antrag berechtigt ist oder nicht. mit dem Steuerentlastungsgesetz den Mietwohnungsbau Zum zweiten zu Ihrem Antrag zum Eigenheimzu- gefährden wird, und den Warnungen des Mieterbundes lagengesetz: Richtig ist, daß wir als Grüne ganz beson- vor einer neuen Wohnungsnot; zwischen einer rotgrünen ders die Erneuerung von Bestandswohnungen, auch im Politik, die den sozialen Wohnungsbau stärken wollte, Eigentumsbereich, für unterstützenswert halten und daß aber bereits heute um fast 20 Prozent gekürzt hat – und das Gesetz bestimmte Zweifelsfälle, in denen der Er- wenn das richtig ist, was jetzt über die Agenturenneuerungsbedarf sehr groß ist, nicht eindeutig regelt. kommt, ist gestern in der Beratung des Haushaltsaus-Wir sollten im Ausschuß beraten, ob und wieweit es schusses eine weitere Kürzung um 10 Prozent beschlos- notwendig ist, im Gesetz eine Präzisierung vorzunehmen sen worden –, und Ihren Warnungen vor einem Ende der bzw. wieweit das Problem im Gesetzesrahmen zu lösen sozialen Wohnungsbaupolitik; zwischen Ihren Zusagen ist. Dabei spielt natürlich auch die Kostenfrage eine noch wenige Tage vor der Wahl, unter Rotgrün werde es Rolle. keinen Verkauf der Eisenbahnerwohnungen geben, und dem, was Sie heute machen; zwischen der Ankündi- Mich hat an Ihrem Antrag, Frau Kollegin Ostrowski, gung, sofort und als Chefsache das Wohngeld spätestens stutzig gemacht, daß Sie jetzt einen Finanzierungsvor- zum 1. Juli 1999 zu erhöhen, und dem bisherigen Nicht- schlag mit einem Geldvolumen machen, das Sie damit, handeln in dieser Frage; nachdem Sie sich in der letzten Legislaturperiode unse- rem Anliegen angeschlossen hatten, zum zweitenmal (Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ verbraten. Das finde ich nicht ganz korrekt. DIE GRÜNEN]: Stellen Sie doch einmal einen Antrag zu den Eisenbahnerwohnungen! Den Richtig ist, Herr Kollege Kansy – wir haben das Antrag von der CDU/CSU möchte ich einmal schon mehrfach gesagt, zumindest wir Grünen haben sehen!) das hier immer wieder gefordert –, daß nicht das Eigen- 2938 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

Franziska Eichstädt-Bohlig (A) heimzulagengesetz als solches in Frage gestellt wird, Weitere Probleme betreffen Aspekte, über die wir in (C) sehr wohl aber die luxuriöse Forderung von 240 000-der letzten Legislaturperiode zu wenig diskutiert haben. DM-Haushalten. Das bedeutet, daß Abgeordnete oderDas sind zum einen die inzwischen zunehmenden Pro- Staatssekretäre im Laufe von acht Jahren eine Eigen-bleme mit Negativrestitutionen, das heißt mit der Ver- heimzulage von 68 000 DM bekommen. Da sollte sich pflichtung zur Übernahme von sehr problematischen die öffentliche Hand einmal überlegen, wo die politi-Gebäuden und Grundstücken, und zum anderen die Pro- schen Prioritäten liegen. Ich fände es auch gut, wenn die bleme mit dem strukturellen Leerstand. Hier werden und CDU/CSU einmal anfangen würde, darüber nachzuden- müssen wir uns gemeinsam mit den Ländern und den ken, Kommunen um Lösungen bemühen. Das wird wegen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Kosten- und Finanzprobleme sicherlich wieder zu bei der SPD und der PDS) einer sehr schwierigen Gratwanderung führen. insbesondere wenn auch Sie nicht wissen, wie man das Ich wünsche mir, daß wir darüber hier im Hause und Wohngeld sonst finanzieren soll. Von daher sagen wir im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Ländern sach- ganz klar, daß das Geld nicht weiter in der Eigenheim- lich und ideologiefrei diskutieren, damit wir für die zulage belassen, sondern für die Stärkung des Wohngel- Wohnungsbaugesellschaften und die vielen betroffenen des umgenutzt werden soll, was wir für dringend erfor- Mieterinnen und Mieter vernünftige Lösungen finden. derlich halten. – Ich möchte jetzt nicht weiter darauf Danke schön. eingehen, weil ich hoffe, daß wir bald Gelegenheit ha- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ben werden, über diesen Aspekt in einem anderen Zu- und bei der SPD) sammenhang hier ausführlich zu beraten.

Lassen Sie mich auf einen weiteren vorliegenden Ge- Vizepräsidentin Petra Bläss: Letzter Redner in setzentwurf eingehen, auf die Novellierung des Alt-dieser Debatte ist unser Kollege Rainer Funke, F.D.P.- schuldenhilfe-Gesetzes. Als erstes muß ich feststellen: Fraktion. Herr Kansy, was Sie gesagt haben, ist nicht ganz richtig. Unsere Fraktion hat einerseits immer sehr deutlich ge- sagt, daß sie das Altschuldenhilfe-Gesetz in seiner Ent- Rainer Funke (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine stehung und in seiner Begründung für falsch halte. Wir Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Änderung haben andererseits in der letzten Legislaturperiode keine des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe ist – dies ist, da Möglichkeit zu einer Rückabwicklung gesehen – dieer ein Vorschlag der PDS ist, nicht überraschend – sehen wir auch jetzt nicht –, wie sie die PDS gernemarktwirtschaftsfeindlich. möchte. (Zuruf von der PDS: Feindlich?) (B) (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Ich Denn die Beibehaltung des § 12 Abs. 7 des Miethöhege- (D) habe doch nichts anderes gesagt!) setzes führt dazu, daß die Verhältnisse in den neuen Von daher haben wir nie entsprechende Anträge gestellt Bundesländern so festgeschrieben werden, wie sie bisher und halten dies sowohl aus finanziellen Gründen alssind, und daß vor allem keine Rechtsangleichung an die auch aus Gründen der Gerechtigkeit in bezug auf diewestlichen Bundesländer erfolgt. verschiedenen Unternehmen, die in den letzten Jahren Wir glauben, daß die allgemeine Regelung des § 2 damit umgehen mußten, für falsch. des Miethöhegesetzes auf Grund der dort vorgesehenen Die Koalition hat sich ja dahin gehend verständigt,Vergleichsmieten durchaus angemessen ist. Für eine daß das Altschuldenhilfe-Gesetz novelliert werden soll. Regelung dieses Problems bedarf es nicht immer eines Wir werden dazu bald einen Entwurf vorlegen. Vorran- Mietspiegels, der ja im Einzelfall, wie zum Beispiel in giges Ziel ist, daß die Unternehmen, die ihre Privatisie- meiner Heimatstadt Hamburg, nicht zu sehr gerechten rungsbemühungen objektiv nicht weiterführen können – Vergleichsmieten führt. Es stehen ja neben dem Miet- das betrifft inzwischen eine ganze Reihe; wir alle ken- spiegel auch Sachverständigengutachten und andere nen die strukturellen Probleme wie zum Beispiel hohe Hilfsmittel zur Verfügung. Diese können in Gerichtsver- Arbeitslosigkeit, hohen Leerstand und Bevölkerungs-fahren mit eingeführt werden. Insoweit wäre es richtig, rückgang; wir haben darüber schon in der letzten Legis- wenn wir Mieter und Vermieter mehr als bisher veran- laturperiode ausführlich diskutiert –, schnell Klarheitlassen könnten, sich in den jeweiligen Kommunen zu- hinsichtlich ihres Geschäftsverhaltens bekommen und sammenzufinden und dort einen gemeinsamen Miet- schnell entlastet werden können. Insofern ist es unserspiegel zu erarbeiten. Dazu bedarf es dann nicht der öf- Ziel, das Recht auf baldigen Abschluß des Verfahrens fentlichen Hand, und die hohen Kosten, die dabei ent- zeitlich vor den Stichtag im Jahre 2003 vorzuziehen, so stehen, würden vermieden werden. Es führt vor allem wie es jetzt im Gesetz vorgesehen ist. dazu, daß die Vergleichsmieten, die in diesem Mietspie- gel verankert sind, gerechter und nicht so prozeßanfällig Darüber hinaus werden wir sicher noch einmal prüfen sind wie die staatlichen Mietspiegel. müssen, ob hinsichtlich der Kriterien, die in der letzten Legislaturperiode während Ihrer Regierung vom Len- Meine Damen und Herren, zum Eigenheimzulagen- kungsausschuß festgelegt wurden, Handlungsbedarf im gesetz hat Herr Dr. Kansy alles gesagt. Ich brauche die gesetzgeberischen Bereich besteht oder ob das Beste-Debatte deswegen nicht zu verlängern. hende so ausreicht. Das sollte man ganz pragmatisch Das Altschuldenhilfe-Gesetz, das ebenfalls von der entscheiden und daraus keine ideologische Debatte ma- PDS zur Debatte gestellt wird, hat sich im Ergebnis be- chen. währt und führt durchaus zu Privatisierung von Woh- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2939

Rainer Funke (A) nungsbeständen. Es führt zu mehr marktwirtschaftlichen Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich schließe die(C) Verhältnissen am Wohnungsmarkt. Soweit einzelne Ge- Ausssprache. Interfraktionell wird die Überweisung der nossenschaften und Vermieter Schwierigkeiten bei der Vorlagen auf den Drucksachen 14/461, 14/568 und Privatisierung haben, muß mit den Betroffenen gespro- 14/471 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- chen werden. Vor allem muß über die Verpflichtung zur schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Kredittilgung und Zinszahlung gesprochen werden. Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos- sen. Sie, Frau Kollegin Lucyga, haben zu Recht darauf hingewiesen, daß hier auch unterhalb der Gesetzes- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am schwelle schon viel Vernünftiges getan worden ist. Das Schluß unserer Tagesordnung. Ich möchte mich aus- muß fortgesetzt werden. drücklich bei all den Kolleginnen und Kollegen bedan- Eine schlichte Aufhebung des Altschuldenhilfe-ken, die bis zum Schluß ausgeharrt haben. Ich bedanke Gesetzes, wie die PDS sie vorsieht, ist in diesem Zu-mich selbstverständlich auch bei den vielen interessier- sammenhang wenig hilfreich. Soweit tatsächlich punk- ten Zuschauerinnen und Zuschauern. tuell Schwierigkeiten bestehen, wird unterhalb der Ge- setzesschwelle geholfen. Wenn das nicht ausreichen (Beifall) sollte, stehen wir nach gründlicher Vorbereitung natür- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- lich für Diskussionen zur Verfügung. destages auf Dienstag, den 4. Mai 1999, 11 Uhr ein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Die Sitzung ist geschlossen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU so- wie bei Abgeordneten der PDS) (Schluß: 13.27 Uhr)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2941

(A) Anlagen zum Stenographischen Bericht (C)

Anlage 1 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Pieper, Cornelia F.D.P. 23.4.99 entschuldigt bis Polenz, Ruprecht CDU/CSU 23.4.99 Abgeordnete(r) einschließlich Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.4.99 Dr. Bartsch, Dietmar PDS 23.4.99 Raidel, Hans CDU/CSU 23.4.99 Bindig (Heidelberg), SPD 23.4.99 Rühe, Volker CDU/CSU 23.4.99 Lothar Dr. Schäfer, Hansjörg SDP 23.4.99 Böttcher, Maritta PDS 23.4.99 Scharping, Rudolf SPD 23.4.99 Bohl, Friedrich CDU/CSU 23.4.99 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 23.4.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.4.99 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 23.4.99 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 23.4.99 Hans Peter Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 23.4.99 Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 23.4.99 Dreßler, Rudolf SPD 23.4.99 Andreas Ehlert, Heidemarie PDS 23.4.99 Schönfeld, Karsten SPD 23.4.99 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 23.4.99 Schröder, Gerhard SPD 23.4.99 Joseph DIE GRÜNEN Schüßler, Gerhard F.D.P. 23.4.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 23.4.99 Schuhmann (Delitzsch), SPD 23.4.99 Graf (Friesoythe), SPD 23.4.99 Richard Günther Spanger, Carl-Dieter CDU/CSU 23.4.99 Dr. Gysi, Gregor PDS 23.4.99 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 23.4.99 Haschke CDU/CSU 23.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 23.4.99 (Großhennersdorf), Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 23.4.99 (B) Gottfried DIE GRÜNEN (D) Hasenfratz, Klaus SPD 23.4.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.4.99 Hirche, Walter F.D.P. 23.4.99 Weis (Stendal), Reinhard SPD 23.4.99 Hofbauer, Klaus CDU/CSU 23.4.99 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 23.4.99 Ibrügger, Lothar SPD 23.4.99 Gert Kahrs, Johannes SPD 23.4.99 Wiezorek (Duisburg), SPD 23.4.99 Kemper, Hans-Peter SPD 23.4.99 Helmut Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 23.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.4.99 Kolbow, Walter SPD 23.4.99 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 23.4.99 Dr. Küster, Uwe SPD 23.4.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.4.99 Kumpf, Ute SPD 23.4.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 23.4.99 Lange, Brigitte SPD 23.4.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 23.4.99 Leutheusser- F.D.P. 23.4.99 Zierer, Benno CDU/CSU 23.4.99 Schnarrenberger, Sabine Anlage 2 Lippmann, Heidi PDS 23.4.99 Lötzer, Ursula PDS 23.4.99 Zu Protokoll gegebene Rede Louven, Julius CDU/CSU 23.4.99 zum Antrag der Abgeordneten Jürgen Türk, Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 23.4.99 Cornelie Pieper, weiterer Abgeordneter und der Moosbauer, Christoph SPD 23.4.99 Fraktion F.D.P.: Zahlungsverzug bekämpfen – Verfahren beschleunigen – Mittelstand stärken Müller (Berlin), PDS 23.4.99 (Tagesordnungspunkt 13) Manfred Peter Friedrich (Altenburg) (SPD): Ein Grundpfeiler Müntefering, Franz SPD 23.4.99 der sozialen Marktwirtschaft ist die Vertragstreue und Pau, Petra PDS 23.4.99 dazu gehört, daß der Schuldner nach der erbrachten Lei- 2942 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

(A) stung des Gläubigers seiner Pflicht, wenn er sie nicht be- schale Verzugszins von 4 Prozent empfindlich angeho- (C) rechtigt verweigert, der Zahlung, nachkommt. Das Zu- ben werden, gegebenenfalls in Anlehnung an § 11 Abs. rückhalten von Zahlungen hat sich virulent ausgebreitet 1 des Verbrauchskreditgesetzes auf 5 Prozentpunkte und stellt zur Zeit ein großes gesellschaftliches Problem über dem Basiszinssatz. Damit könnte für den Gläubiger dar. Ich denke es ist unbestritten, daß wir mit Hilfeein höherer Betrag ohne Nachweisführung im Sinne § rechtlicher Instrumentarien das Erforderliche tun müs- 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 1 gesichert werden. sen, jedoch wird nach meiner Überzeugung – und das speziell in den neuen Bundesländern, wo dieses Problem Der Gläubiger, der seine Forderung verkauft, um Li- verschärft auftritt –, nur die wirtschaftliche Konsolidie- quidität zu erhalten, ein Prozeß der sich ausweitet, sollte rung auf der Grundlage grundlegender Reformen zurdurch den Schuldner angemessen entschädigt werden. Verbesserung der Rahmenbedingungen der Volkswirt- Ich denke, dieser Grundsatz ist ebenfalls unstrittig wie schaft diese Fragen grundsätzlich lösen können. auch, daß auf abgeschlossene Teile der Leistung bei Werkleistungen, Abschlagszahlungen bzw. Vorschüsse Die Dimensionen der Zahlungsverweigerung wird durch gezahlt werden und daß die Abnahme erbrachter Lei- die IHKs, die Handwerkskammer und andere Institutionen stungen nicht verweigert werden kann, wenn nur noch mit Zahlen belegt, und es ist deutlich, daß insbesondere der geringfügige oder die Gebrauchstauglichkeit nicht be- Mittelstand in dem circa zwei Drittel der Beschäftigten ar- einträchtigende Mängel vorliegen. beiten, mit teilweise katastrophalen Folgen betroffen ist. Die vorgeschlagene Einrichtung von zentralen Mahn- Da Leistungserbringung und Leistungshonorierung in gerichten, wie sie in den alten Bundesländern existieren, ihrer vielfältigen Form ein wesentliches Element einer ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand in den neuen Volkswirtschaft ist, ist eine Verschiebung der Balance Bundesländern auf Grund der geringen Anzahl von An- zugunsten oder zu ungunsten einer Seite nicht hinnehm- trägen nicht geboten. bar und konterkariert viele andere Maßnahmen. Erkenn- Ich halte es auch für nicht zweckdienlich, wenn wie bar ist, daß bestehende rechtliche Regelungen bewußtin Ziffer 4 des Antrages für die öffentliche Hand Son- ausgenutzt werden, um sich der Zahlung zu verweigern. derwege vorgeschrieben werden. Gegebenenfalls wäre Allerdings müssen wir beachten, daß bei allen Maßnah- hier an eine europäische Lösung hinsichtlich der öffent- men, die notwendigerweise eingeleitet werden müssen, lichen Aufträge zu denken. das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten nicht aus der Waage kommen darf. Ziffer 5 des Antrages geht nach meiner Auffassung am Bedarf vorbei, da in der Regel die Schlußzahlung Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionenstrittig ist. messen der Bekämpfung des Zahlungsverzuges große (B) Priorität bei. Deshalb wurde im Rahmen einer Arbeits- Ziffer 7 des Antrages ist aus einer EU-Richtlinie „Zur (D) gruppe der Justizministerien von Bund und Ländern ge- Bekämpfung des Verzuges im Zahlungsverkehr“ ent- prüft, welche Ursachen für die Zahlungsverzögerungen nommen. Dort ist aber der Antragspassus wieder her- vorliegen und ob diese durch das geltende Recht begün- ausgenommen worden. stigt werden. Folgendes wurde festgestellt: Hinsichtlich Ziffer 8 halte ich den Wegfall der Si- Erstens. Die gesetzlichen Verzugszinsen liegen unter cherheitsleistung für den auch gebotenen Schutz des den Refinanzierungskosten. Schuldners für mehr als bedenklich. Zweitens. Die Herbeiführung des Verzuges ist für Hinsichtlich des Anliegens zu Ziffer 9 sind nach mei- kleinere Unternehmen zu kompliziert. ner Auffassung die kürzlich verabschiedete zweite Zwangsverordnungsnovelle sowie das neu gefaßte In- Drittens. Die uneingeschränkte Vorleistungspflichtsolvenzrecht als auch das Anfechtungsrecht ein gutes des Werkunternehmers nimmt diesem die Liquidität, die rechtliches Instrumentarium, um den Intentionen des er anderweitig einsetzen könnte. Antragspunktes zu entsprechen. Viertens. Abnahmeverweigerung durch behauptete Viele Detailfragen werden zu diesem komplexen The- Mängel und damit Fälligkeitsverschiebungsmöglichkeit. ma zu klären sein. Das haben wir auch bei der Behand- lung des Antrages der CDU/CSU gesehen. Ich hoffe, daß Fünftens. Die Bauhandwerkersicherungsbürgschaft es im Rahmen der Behandlung in den Ausschüssen ge- kann nicht durchgesetzt werden, da oftmals die Drohung meinsam mit dem zu erwartendem Gesetz zu einer prakti- der Schadensersatzhaftung nicht greift. kablen und zufriedenstellenden Lösung kommen wird. Der Antrag der F.D.P.-Fraktion Drucksache 14/567 geht von dem richtigen Ansatz aus, ist aber in seiner Gänze nicht ausreichend zielführend. Anlage 3

Gedanklich, wenn auch nicht expressis verbis gibt es Amtliche Mitteilungen Übereinstimmung im folgendem: Die Herstellung für den Verzug muß vereinfacht werden, zum Beispiel, in- Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben dem auf eine Mahnung der erteilten Rechnung verzichtet mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 wird. Der Schuldner darf keinerlei Vorteile aus seinem der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der schädigenden Handeln ziehen. Deshalb sollte der pau- nachstehenden Vorlage absieht: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 2943

(A) Innenausschuß Flächendeckend wirksamer Grundwasserschutz (C) Ein Schritt zur dauerhaft umweltgerechten Entwick- – Vierter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Zu- lung kunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ – Drucksachen 13/10196, 14/272 Nr. 161 –

zum Thema – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sicherheit und Schutz im Netz Das niederländische „Program for Intensifying of – Drucksachen 13/11002, 14/272 Nr. 209 – Nuclear Competence“ (PINK) und seine Bedeutung für Deutschland – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht für den Deutschen Bundestag Bericht der Unabhängigen Kommission zur Über- – Drucksachen 13/10702, 14/272 Nr. 162 – prüfung des Vermögens der Parteien und Massenorga- nisationen der DDR über das Vermögen der Sozialisti- – Unterrichtung durch die Bundesregierung schen Einheitspartei Deutschlands (SED) Umweltbericht 1998 jetzt: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) Bericht über die Umweltpolitik der 13. Legislatur- des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) periode der sonstigen politischen Organisationen – Drucksachen 13/10735, 14/272 Nr. 164 – und Stellungnahme der Bundesregierung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- – Drucksachen 13/11353, 14/69 Nr. 1.13 – geteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Ausschuß für Gesundheit Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat.

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Innenausschuß Drucksache 14/431 Nr. 2.18 Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Bericht „Empfehlungen der Expertenkommission der Bundes- Drucksache 14/431 Nr. 2.19 regierung zur Reform der Versorgung im psychia- Drucksache 14/488 Nr. 2.42 trischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Bereich“ – auf der Grundlage des Modellprogramms Finanzausschuß „Psychiatrie“ der Bundesregierung Drucksache 14/272 Nr. 59 – Drucksachen 11/8494, 14/272 Nr. 116 – Drucksache 14/272 Nr. 62 Drucksache 14/272 Nr. 66 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 14/272 Nr. 67 Zweiter Bericht des Bundesministeriums für Gesund- Drucksache 14/272 Nr. 69 heit zur Entwicklung der Beitragssätze in der gesetz- Drucksache 14/272 Nr. 70 lichen Krankenversicherung und zur Umsetzung der Drucksache 14/309 Nr. 2.66 Empfehlungen und Vorschläge der Konzertierten (B) Aktion zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit, Wirk- Drucksache 14/309 Nr. 2.70 (D) samkeit und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Drucksache 14/342 Nr. 2.3 (Zweiter Bericht nach § 141 Abs. 4 SGB V) Drucksache 14/342 Nr. 2.18 – Drucksachen 12/8570, 14/272 Nr. 118 – Drucksache 14/342 Nr. 2.20 Drucksache 14/342 Nr. 2.34 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/342 Nr. 2.36 Drucksache 14/431 Nr. 2.9 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 14/431 Nr. 2.22 Bericht über Maßnahmen zur Verbesserung der Luft- Drucksache 14/431 Nr. 2.23 verkehrs-Sicherheit Drucksache 14/488 Nr. 2.16 – Drucksachen 13/10411, 14/272 Nr. 142 – Haushaltsausschuß Drucksache 14/155 Nr. 2.2 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/272 Nr. 80 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Entwurf der ECE-Konvention über den Zugang zu Drucksache 14/74 Nr. 2.35 Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Ent- Drucksache 14/272 Nr. 83 scheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Drucksache 14/272 Nr. 88 Umweltangelegenheiten (Arhus-Konvention) Drucksache 14/272 Nr. 89 – Drucksachen 13/11120, 14/69 Nr. 1.1 – Drucksache 14/272 Nr. 91 Drucksache 14/272 Nr. 93 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 14/272 Nr. 95 Übereinkommen über nukleare Sicherheit Drucksache 14/272 Nr. 96 Bericht der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- Drucksache 14/309 Nr. 1.14 land für die Erste Überprüfungstagung im April 1999 Drucksache 14/309 Nr. 2.14 – Drucksachen 13/11350, 14/69 Nr. 1.12 – Drucksache 14/342 Nr. 2.6 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr Drucksache 14/309 Nr. 1.15 1997 Drucksache 14/309 Nr. 2.17 Drucksache 14/309 Nr. 2.65 – Drucksachen 13/11462, 14/69 Nr. 1.18 – Ausschuß für Gesundheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 13/11409 Nr. 2.63 Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Drucksache 14/272 Nr. 120 Umweltfragen Drucksache 14/272 Nr. 128 2944 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999

(A) Ausschuß für Verkehr, Drucksache 14/309 Nr. 2.57 (C) Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/431 Nr. 1.3 Drucksache 14/272 Nr. 142 Drucksache 14/309 Nr. 2.7 Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/342 Nr. 2.17 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz Drucksache 14/488 Nr. 2.8 und Reaktorsicherheit Ausschuß für die Angelegenheiten Drucksache 14/74 Nr. 2.2 der Europäischen Union Drucksache 14/74 Nr. 2.3 Drucksache 14/272 Nr. 206 Drucksache 14/74 Nr. 2.9 Drucksache 14/309 Nr. 1.5

(B) (D)

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(A) (C)

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