VOM PREUSSISCHEN ERLASS ZUM KOMMUNALPOLITISCHEN ZUKUNFTSPROJEKT 150 JAHRE KREISE IN SCHLESWIG-HOLSTEIN FESTGABE ZUM JUBILÄUM AM 22. SEPTEMBER 2017

IM AUFTRAG DES SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDKREISTAGES HERAUSGEGEBEN VON OLIVER AUGE Dieses Buch wurde gedruckt mit freundlicher Unterstützung von

Titelbild: Kartenentwurf von Stefan Magnussen, Abteilung für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt Schleswig-Holstein an der CAU zu Kiel. Modifiziert durch Stamp Media GmbH.

Rückseite: „125 Jahre Kreise in Schleswig-Holstein“, Wachholtz Verlag, Seite 262

IMPRESSUM

ISBN: 978-3-88312-398-1

Herausgeber: Oliver Auge im Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages 2017

Gestaltung und Satz: Stamp Media GmbH · Agentur für Kommunikation & Design Medienhaus Kiel · Ringstraße 19 · 24114 Kiel www.stamp-media.de

Druck und Verarbeitung: Schmidt & Klaunig · Druckerei & Verlag seit 1869 Medienhaus Kiel · Ringstraße 19 · 24114 Kiel www.schmidt-klaunig.de

Alle Rechte vorbehalten. Schleswig-Holsteinischer Landkreistag, 2017. Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck oder die Übersetzung des Werkes als Ganzes oder seiner Teile sowie die Verarbeitung in elektronischen Daten- verarbeitungs- und Kommunikationswerken, seine Vervielfältigung oder Verarbeitung durch jedwedes Verfahren sind ohne Genehmigung des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages nicht gestattet. DER KREIS von Frederic Zangel

Der Kreis Segeberg liegt als Binnenkreis im Süden Schleswig-Holsteins im Dreieck zwischen den Städten Hamburg, Lübeck und Neumünster. Diese verkehrsgünstige Lage auf der Landbrücke zwischen Nord und Süd ist für den Kreis, der im Hamburger Umland urban, im Norden und Osten hingegen ländlich geprägt ist, von großer Bedeutung.

Das 1948 auf Beschluss des Kreistages eingeführte Kreiswappen greift zu- rück auf die Vorgeschichte des Kreisgebietes: Das aus vier roten Ziegeltürmen gebildete Kreuz verweist auf die Vicelinkirchen und den im 12.Jahrhundert im späteren Kreisgebiet tätigen Missionar; die vier Seerosenblätter sind dem Abbildung 1: Das Wappen des Wappen der adligen Familie von Segeberg entnommen. Das rote Wappen- Kreises Segeberg verweist auf die Vorgeschichte des Kreisgebiets. schild mit silbernem Nesselblatt ist ein Fingerzeig auf die mittelalterlichen Grafen von Holstein aus der Schauenburger-Dynastie. Seit der Mitte der 1990er Jahre wird im allgemeinen Schriftverkehr ein am Wappen orientiertes Logo genutzt, das Wappen selbst ist repräsentativen Anlässen vorbehalten.

Verwaltungssitz: Jahr 2014 1.344,4 Fläche (km2): 1867 1.157,2 2015 267.503 1990 221.160 1970 164.627 1965 105.363 1958 91.567 Einwohnerzahl: 1948 116.000 1939 53.671 1910 44.000 1900 39.724 1867 42.658 2016 199 Bevölkerungsdichte (Einwohner/km2): 1965 81

Gliederung: 2014 1970 1965 Städte: 5 4 2 Amtsfreie Gemeinden: 2 5 6 Ämter: 8 10 15 Amtsangehörige Gemeinden: 88 94 96

Abbildung 2: Der Kreis Segeberg auf einen Blick.

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POLITIK UND VERWALTUNG

Der Kreis wurde 1867 aus dem Amt Segeberg, Teilen der Ämter , Tremsbüttel und sowie der Herrschaft , des Klos- ters Itzehoe und fünfzehn im Osten des heutigen Kreisgebietes gelegenen Gutsbezirken gebildet. 1878 wurde die Gemeinde Quarnstedt an den Kreis abgegeben. Eine innere Umstrukturierung erfolgte 1928, als die Güter – ausgenommen den Forstgutsbezirk Buchholz (landläufig Segeber- ger Forst genannt) – entweder zu selbstständigen Gemeinden oder an solche angegliedert wurden. Teile des Kreises (, Großenaspe, Groß-Kummerfeld, Wittorf und Gadeland mit Wittorferfeld) wurden nach dessen Auflösung 1932 dem Segeberger Kreisgebiet zugeschlagen. Ein Teil der Gemeinde Gadeland sowie Wittorf wurden 1938 in die Stadt Neumüns- ter eingemeindet, 1970 folgte der bisher beim Kreis verbliebene Rest von Gadeland. Bereits 1951 wurde aus Teilen der Kreise und Segeberg die Gemeinde gegründet und zum Kreis Segeberg gelegt. 1970 kam die Stadt zum Kreis, die aus den Gemeinden Garstedt und Friedrichsgabe im Kreis Pinneberg sowie Harksheide und Glashütte im Kreis neu entstand. Dieser Gebietszuwachs ist wesentlich für die weitere Entwicklung des Kreises, der seitdem unmittelbar an die Stadt Hamburg und den dortigen Flughafen grenzt.

Der Wandel der Kreisgrenzen ging einher mit Veränderungen der Bevölkerungszah- len, die zudem durch Zu- und Abwande- rung bedingt waren. Für den Zuwachs von etwa 50.000 Einwohnern im Jahr 1939 auf aktuell über 260.000 ist der Zuzug von größerer Bedeutung als die Geburtenrate. Hier ist die Nachbarschaft zu Hamburg relevant, ist die Zunahme doch im unmit- telbaren Umfeld der Hansestadt besonders hoch, während im Ostteil des Kreises in einigen Gemeinden ein Rückgang der Be- völkerungszahl zu konstatieren ist. Diese Trends dürften anhalten, weshalb zwar im Ganzen bis 2030 eine konstante Bevölke- rungszahl prognostiziert ist, die Entwick- Abbildung 3: Die Frage der Kreiszugehörigkeit Norderstedts sorgte für lung im Kleinen aber zwischen deutlichen Konflikte zwischen den betroffenen Kreisen. Durch die Entscheidung des damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Helmut Lemke, Bevölkerungszuwächsen einerseits und in der Karikatur dargestellt als König Salomo, fiel die neu gegründete Bevölkerungsrückgängen von bis zu 15 Stadt dem Kreis Segeberg zu.

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Abbildung 4: Bedienstete vor dem Kreishaus von 1890 auf einer etwa 1913 entstandenen Fotomontage: Die Bediensteten des gehobenen und des mittleren Dienstes sowie die Lehrlinge wurden getrennt voneinander fotografiert und anschließend in das Bild eingefügt.

Prozent andererseits changiert. Zudem ist eine Verschiebung der Alters- struktur zu erwarten, wobei der Anteil der über 65-Jährigen deutlich zu-, der der unter 18-Jährigen dagegen abnehmen wird.

Wie die Zahl der Einwohner stieg die Zahl der beim Kreis Beschäftigten – waren dies 1967 noch 433, so waren es 1991 bereits 452; aktuell sind es über 700. Das alte Amtshaus in der Hamburger Straße 25 in Bad Segeberg wurde zu klein, weshalb Ende der 1880er Jahre das Gebäude Hamburger Straße 30 gekauft wurde. Das Kreistagssitzungsgebäude wurde 1915 fertiggestellt, das Haus A 1957, das Haus B – also das Hochhaus – 1973. Im Haus C, dem ehemaligen Hausmeisterhaus, be- findet sich seit 2016 das öffentliche Archiv. Darüber hinaus gibt es weitere Ge- bäude wie etwa die KFZ-Zulassungsstellen oder die Jugendamtsaußenstellen.

An der Spitze der Kreisverwaltung steht der Landrat, dessen Arbeitsbereiche sich ebenso wandelten wie der Weg zu diesem Amt. Der erste Segeberger Landrat Cay Lorenz von Brockdorff führte zunächst den alten Titel eines Amt- mannes. Otto zu wechselte nach dem Preußenschlag 1932 als Poli- zeipräsident nach Kiel. Ebenso wie Rantzau sind der nur kurzzeitig kommis- sarisch amtierende Eggert Reeder, Waldemar von Mohl sowie Walter Alnor aufgrund ihrer Verstrickungen in der Zeit des Nationalsozialismus umstritten,

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Abbildung 5: Die Neubauten der Kreisverwaltung konnten 1958/59 bezogen werden.

Landräte/-in des Kreises Segeberg 1868–1870 Cay Lorenz von Brockdorff (seit 1866 bereits Amtmann) 1870–1877 Ernst Freiherr von Gayl 1877–1891 Peter Friedrich von Willemoes-Suhm 1892–1901 Karl Graf von Platen-Hallermund 1901 Hans von Boddien (kommissarisch) 1901–1928 Dr. Gustav Ludwig L. Otto Ilsemann 1928–1932 Otto zu Rantzau 1932 Eggert Reeder (kommissarisch) 1932–1945 Dr. Waldemar von Mohl 1945–1946 Christian Laurup Jensen 1946–1950 Dr. Dr. Paul Pagel (ehrenamtlich) 1950–1959 Dr. Walter Alnor 1959–1966 Joachim Dorenburg 1966–1990 Anton Graf Schwerin von Krosigk 1990–2008 Georg Gorrissen 2008 Claus-Peter Dieck (kommissarisch) 2008–2014 Jutta Hartwieg seit 2014 Jan Peter Schröder Kreispräsidenten des Kreises Segeberg 1950 Dr. Dr. Paul Pagel 1950–1957 Willy Rickers 1957-1959 Fritz von Postel 1959-1974 Gerd Hastedt 1974-1982 Werner Seismann 1982-1990 Günter Heinz Baum seit 1990 Winfried Zylka

Abbildung 6: Die Landräte/-in und Kreispräsidenten des Kreises Segeberg sind eine Kons- tante der Kreisgeschichte.

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zumal nach von Mohl eine Bad Segeberger Straße benannt ist; für Diskussio- nen über die Kreispolitik hinaus sorgten die Bilder der Ahnengalerie. Christian Laurup Jensen war kurzzeitig durch die britischen Besatzungsbehörden ein- gesetzt. Der ehrenamtlich amtierende Paul Pagel wurde später schleswig-hol- steinischer Kultus- und Innenminister. Bei Gustav Ludwig L. Otto Ilsemann, Anton Graf Schwerin von Krosigk und Georg Gorrissen ist die lange Dauer der Amtszeiten augenfällig. Jutta Hartwieg wurde 2008 per Direktwahl zur ersten Landrätin Schleswig-Holsteins gewählt. Die äußerst knapp entschie- dene Wahl (die von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) un- terstützte Hartwieg erlangte 48.656, der von der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) unterstützte Thomas Stritzl 48.539 Stimmen) war begleitet von Verdachtsvorwürfen hinsichtlich von Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung. Auf Empfehlung des Innenministeriums und durch Entscheidung des Kreiswahlausschusses fand letztlich keine Neuaus- zählung statt. Seit 2014 ist Jan Peter Schröder Landrat, der die Wahl durch den Kreistag gegen seine Vorgängerin für sich entschied.

Die Wahl des Landrates oder der Landrätin ist nach zwischenzeitlicher Di- rektwahl wieder eine der wichtigsten Aufgaben des Kreistags. Die Kreis- tagssitzungen werden durch den Kreispräsidenten – seit 1990 ist dies Win- fried Zylka – geleitet, der für die parlamentarischen Aufgaben zuständig ist. Die Zusammensetzung des jeweiligen Kreistags ist ein Spie- 1933 1959 gelbild der Zeit, in der er sich konstituiert(e). So kam es im Laufe der Jahrzehnte zu Veränderungen in der Parteienland- 16 17 9 schaft, die sich anhand des Segeberger Kreistags nachvollzie- 4 hen lassen. Nach der Kreistagswahl am 12. März 1933 stellte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 10 4 5 zwei Drittel der Kreistagsabgeordneten. Die Kampffront 1 Schwarz-Weiß-Rot, ein Wahlbündnis der Deutschnationa- 1990 2013 len Volkspartei (DNVP), des Stahlhelms sowie des Landbunds 4 2 3 3 stellte vier Abgeordnete. Bei der Wahl ist zu berücksichtigen, 8 dass es wie bei der am 5. März stattfindenden Reichstagswahl

22 25 zu Repressalien gekommen war. Der im März 1933 gewählte

20 Kreistag hat in dieser Zusammensetzung nie getagt. 16

2 Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte der Gesamtdeutsche Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/ CDU SPD Bündnis 90/Die Grünen FDP DIE LINKE Piratenpartei NSDAP BHE) mehrere Kreistagsabgeordnete. Derzeit gehören dem Kampffront Schwarz-Weiß-Rot KPD GB/BHE Kreistag sechs Fraktionen an. Abbildungld ihrer Zeit sind die Kreistage jedoch nicht allein im Hinblick auf die jeweils ver- Abbildung 7: Die Kreistage sind in ihrer Zusammen- setzung Spiegelbilder ihrer jeweiligen Zeit. tretenen Parteien und deren Fraktionsgröße, sondern etwa

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bezüglich des Frauenanteils: In den 1950er und 1960er Jahren lag dieser un- ter 2 Prozent und beträgt mittlerweile 36 Prozent.

Der Kreistag mit seinen verschiedenen Ausschüssen ist in Segeberg wie an- derswo das Hauptorgan des Kreises, er entscheidet etwa in Haushaltsfragen. Überregional registriert wurde 2014 die Mehrheitsentscheidung des Kreistages (41 zu 9 Stimmen), einer ehemals beim Kreis angestellten Veterinärmedizine- rin keine Entschädigung zu zahlen. 1994 hatte diese mehrere Fälle öffentlich gemacht, in denen Rinder mit Verdacht auf BSE zur Schlachtung freigegeben worden waren, und wurde durch den Landrat unter Hinweis auf die Verlet- zung ihrer Verschwiegenheitspflicht entlassen. Der Kreistag entschied im sel- ben Zuge, ihre Bemühungen um eine Aufklärung über BSE anzuerkennen.

Mit dem Veterinärwesen ist eine wichtige Aufgabe genannt. Die Aufgaben- bereiche der Verwaltung veränderten sich im Laufe der Zeit, vor allem ka- men neue hinzu – so etwa 1911 mit Inkrafttreten der Reichsversicherungs- ordnung, mit welcher der Kreis für soziale Belange zuständig wurde. Der Erste Weltkrieg mit der Betreuung von Kriegsversehrten und Hinterblie- benen bedingte einen weiteren Zuwachs. Mittlerweile sind für den sozia- len Bereich, also etwa für die Eingliederungs-, Arbeitslosen- und Altenhil- fe, für die allgemeinbildenden Schulen und Kindertagesstätten, rund vier Fünftel des Kreisbudgets veranschlagt.

Die Frage, auf welche Art und Weise die dem Kreis obliegenden Aufgaben – nicht zuletzt durch Beauftragung äußerer Akteure – am besten bewerkstel- ligt werden können, sorgte wiederholt für rege Diskussionen. Derzeit gilt dies etwa für die Entscheidung, die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz und dem Verein für Krankentransporte, Behinderten- und Al- tenhilfe beim Rettungsdienst im Kreis zu beenden. Der Rettungsdienst soll neu ausgerichtet und an die Rettungsdienst Kooperation in Schleswig-Hol- stein übertragen werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Feuerwehrwesen mit dem bereits 1892 gegründeten Kreisfeuerwehrverband. 1996 wurde die neue Kreisfeu- erwehrzentrale in Bad Segeberg fertiggestellt, deren Bau aufgrund der Lage nahe der Trave und wegen der anfallenden Kosten von über 10 Millionen Deutsche Mark jahrelang diskutiert wurde. Ursprünglich verfügte der Kreis nicht über eine eigene Kreisfeuerwehrzentrale, weshalb bei der Ausbildung die Atemschutzübungsstrecke des Kreises Stormarn in Nütschau mitge- nutzt wurde. Die 1996 errichtete Kreisfeuerwehrzentrale wurde 2001 um ABC-Halle und Schlauchturm erweitert.

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Bereits 1986 hatten Funde leicht radioaktiven Materials in mehreren Seen im Segeberger Kreisgebiet, die durch den ABC-Zug des Kreises sicherge- stellt wurden, bundesweite Aufmerksamkeit erregt. Bald zeigte sich, dass derlei Funde weite Teile Mittel- und Nordeuropas betrafen und in einem Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl standen. Das radioaktiv belastete Material wurde zunächst in 43 Fässern gesammelt und zwischengelagert. Dabei wurde eines der Fässer entwendet; das verbliebene Material wurde ins Sammellager Geesthacht verbracht.

Beim Blick in die jüngere Vergangenheit wird die Einbettung der Arbeit im Kreis in gesamtgesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen deutlich, nicht zuletzt im Hinblick auf die Gleichstellungsarbeit: 1986 wurde ein Sonderausschuss zur Gleichstellung von Frauen und Männern eingerichtet, 1990 trat die erste hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte des Kreises ihr Amt an. Diese ist Ansprechpartnerin nicht nur für die Verwaltung – etwa bei Personalentscheidungen –, sondern darüber hinaus für die Bürgerinnen und Bürger. Gleiches gilt für die 2013 geschaffene zentrale Stelle für Daten- schutz sowie für das 2016 eingerichtete Büro für Chancengleichheit und Vielfalt, dem die Koordinierung von Integration, Inklusion, Alter bezie- hungsweise Demografie, Bildungsgerechtigkeit, nachhaltiger Partizipation und Gleichstellung im Kreis obliegt.

Neben dieser Vernetzung innerhalb des Kreises ist jene mit Akteuren außer- halb der Kreisgrenzen von großer Bedeutung, wobei sowohl die Kreis- als auch die Länderebene wichtig sind: Seit 1960 ist Segeberg Teil der Arbeits- gemeinschaft der Hamburg-Randkreise, die sich aus den Kreisen Segeberg, , Pinneberg und Stormarn zusammensetzt; asso- ziiert sind und Steinburg. Die gemeinsame Landesplanung für Hamburg und Schleswig-Holstein wurde 1996 aufgelöst, nachdem sie bereits zuvor durch die Arbeiten am Regionalen Entwicklungskonzept für die Metropolregion Hamburg ersetzt worden war. 1995 wurde die – mitt- lerweile zwanzig Kreise und kreisfreie Städte in Schleswig-Holstein, Ham- burg, Mecklenburg-Vorpommern sowie Niedersachsen umfassende – Me- tropolregion Hamburg gegründet. Man kooperiert(e) etwa auf dem Gebiet der Abfallwirtschaftsplanung und der Verbesserung einer Anbindung des Umlands an den öffentlichen Hamburger Nahverkehr. So wurde der Kreis Segeberg 1996 ebenso wie die Kreise Pinneberg, Oldenburg und Herzog- tum Lauenburg Gesellschafter des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV).

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WIRTSCHAFT

Die Metropolregion Hamburg hat indes nicht nur eine politische Kompo- nente, ihr gehören neben staatlichen und kommunalen Akteuren über die „Initiative pro Metropolregion Hamburg“ auch Wirtschafts- und Sozial- partner als Träger an. Sie ist zudem bei weitem nicht die einzige Form der Kooperation zwischen Großstadt und Umland, so sind auch im HanseBelt Initiativkreis e. V. Wirtschafsbetriebe der Region um Hamburg organisiert. Eine Institution zur Vernetzung innerhalb des Kreises ist der Wirtschafts- beirat Segeberg in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lübeck, in dem neben Vertretern der Wirtschaft solche aus der Politik wie der Landrat und einige Bürgermeister vertreten sind.

Abbildung 8: Im HanseBelt Initiativkreis e. V. sind Wirtschafsbetriebe der Region um Hamburg organisiert.

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Wie diese kreisinterne Vernetzung ist die kreis- und länderübergreifende Zusammenarbeit äußerst sinnvoll, arbeiten doch drei Viertel der Beschäf- 13.781 12.071 tigten in den fünf Städten und Gemeinden Bad Segeberg, , = 33% = 29% , Henstedt-Ulzburg und Norderstedt, die außer der Kreis- stadt alle im unmittelbaren Hamburger Umland liegen. Viele wichtige Ar- beitgeber der Region sind in diesen fünf Gemeinden, insbesondere in Nor- 15.745 derstedt, zu finden. Bei der Ausschreibung von Gewerbeflächen besteht = 38% eine Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden des Hamburger Umlands sowohl untereinander als auch mit dem Kreis.

Landwirtschaft Ein Indikator für die Bedeutung der verschiedenen Wirtschaftszweige ist Gewerbe (Industrie die Beschäftigungszahl. In der historischen Perspektive zeigt sich ein ho- und warenprodu- hes Wachstum des zweiten und insbesondere des dritten Sektors, also der zierendes Handwerk) Industrie und des Dienstleistungsbereichs. Der Anteil des ersten Sektors, Tertiärer Sektor der Land- und der Forstwirtschaft, an der Beschäftigungszahl ist stark ge- Abbildung 9: Von den Erwerbs- sunken. So heißt es noch in der Kreisbeschreibung von 1960, die Land- personen arbeitete 1967 fast ein wirtschaft sei hinsichtlich der „Bevölkerung und der Wirtschaftskraft die Drittel in der Landwirtschaft. stärkste Gruppe“ und der Kreis als Ganzes „ein ländlicher, ja, ein von der Landwirtschaft geprägter Bereich.“ Hamburg, Lübeck und Neumünster wa- ren wichtige Absatzmärkte etwa für Milchprodukte.

Bis 1931 wurde am Segeberger Kalkberg Gips und in den 1870er Jahren kurz- zeitig Salz abgebaut. Auch der Torfabbau ist in historischer Hinsicht von Be-

Abbildung 10: Die Landwirtschaft war traditionell ein starker Wirtschaftszweig – das Foto stammt von der Verbandsschau 1949.

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deutung, der Kiesabbau – der Kreis verfügte in den 1920er und 1930er Jah- 1.001 ren zeitweise über eine eigene Kiesgrube in – hingegen bis heute. = 1% Davon abgesehen blieb der Kreis bis Ende der 1930er Jahre stark von der 23.161 Landwirtschaft, insbesondere von der Viehzucht, geprägt. Für die zuneh- 35.746 = 28% mende Bedeutung von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen gibt es = 42% verschiedene Gründe: Zum einen ist die Technisierung der Landwirtschaft zu nennen, die deren Arbeitskräftebedarf senkte und einherging mit einer 24.142 Vergrößerung der pro Betrieb bewirtschafteten Fläche. Zum anderen ver- = 29% lagerten während des Zweiten Weltkriegs Hamburger Unternehmer ihre Produktionsstätten ins Kreisgebiet; ebenso ist das Marinearsenal Fahren- krug- in diesem Kontext zu sehen. Nach dem Krieg brachten Land- und Forstwirtschaft Flüchtlinge ihr technisches Knowhow mit und bauten sich – wie etwa im Produzierendes Gewerbe Falle der Glasproduktion in – durch Unternehmensgrün- Handel und Verkehr dungen eine neue Existenz auf. Nicht zuletzt wurde eine solche Ansiedlung Sonstige Wirtschaftsbereiche neuer Firmen in Trappenkamp und Wahlstedt durch den Kreis gezielt ge- Abbildung 11: Der überwiegende Teil fördert. Der Strukturwandel lässt sich an der Entwicklung der Bruttowert- der versicherungspflichtig Beschäf- schöpfung – das meint in diesem Falle die im Kreisgebiet produzierten tigten war 2015 im Dienstleistungs- Werte abzüglich der dabei getätigten Ausgaben – der diversen Wirtschafts- bereich tätig. bereiche nachvollziehen. Der landwirtschaftliche Anteil an der Bruttowert- schöpfung betrug 1980 noch 5,1 Prozent und fiel bis 2014 auf 1 Prozent, wäh- rend der Anteil des Dienstleistungssektors im selben Zeitraum von 55 auf 71,9 Prozent stieg. Nach wie vor prägt die Landwirtschaft das Landschafts- bild im Kreis, wurden doch Ende 2015 bei abnehmender Tendenz knapp zwei Drittel der Bodenfläche im Kreis landwirtschaftlich genutzt.

100% = 1.804 100% = 6.812

100% 707 3.324 80%

60% 285 1.467 40% 712 1.952 20% 92 69 0% 1980 2014

Land- und Forstwirtschaft Produzierendes Gewerbe Handel und Verkehr übrige Dienstleistungen

Abbildung 12: Bei einem Vergleich der Bruttowertschöpfung der einzelnen Wirtschaftsbereiche in historischer Perspektive zeigt sich der Bedeutungszuwachs des Dienstleistungssektors.

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Einen weiteren Einblick in die wirtschaftliche Entwicklung des Kreises Segeberg bieten die genannten Zahlen, stellt man ihnen die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen gegenüber. Natürlich wirkten sich generelle Ent- wicklungen wie die Inflation 1923 oder die Weltwirtschaftskrise ab Ende der 1920er Jahre im Kreis aus. Der steigenden Arbeitslosigkeit versuchte man bereits vor 1933 durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vor allem im Straßenbau entgegenzuwirken; bekanntestes Beispiel ist jedoch sicherlich die Errichtung des Stadions am Kalkberg durch den Reichsarbeitsdienst ab 1934. In den um 1950 entstandenen Statistiken, die noch keine nach Kreisen aufgegliederte Arbeitslosenquote bieten, werden die Spezifika der Arbeitsmarktentwicklung in diesem Zeitraum deutlich. So betrug der Anteil der Flüchtlinge an der Arbeitslosenzahl im Arbeitsamtsbezirk Neu- münster, zu dem der Kreis Segeberg zählte, am 31. Mai 1949 – also kurz nach Verabschiedung des Grundgesetzes – 59,1 Prozent (8.116 von 13.743). Um 1970 gestaltete sich eher die Besetzung offener Stellen schwierig, wo- hingegen die Arbeitslosenquote 1986 bei 11,8 Prozent lag. Derzeit (Januar 2017) beträgt sie 5,1 Prozent und ist damit im schleswig-holsteinischen Vergleich sehr niedrig.

Die Entwicklung der Wirtschaft im Kreis Segeberg ist wie die der Arbeits- losigkeit eingebettet in allgemeine Konjunkturen. Nichtsdestoweniger ver- fügt der Kreis über Möglichkeiten, die Ansiedlung von Wirtschaftsbetrie- ben gezielt zu fördern. Er arbeitet(e) dabei zeitweise mit anderen Kreisen zusammen, zunächst im Rahmen einer zwischen 1969 und 1979 bestehen- den gemeinsamen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit dem Kreis Her- zogtum Lauenburg. Ab 1980 war ein eigenes Amt für Wirtschaftsförderung und Fremdenverkehr beim Kreis Segeberg angesiedelt, seit 1993 parallel dazu die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Kreis Segeberg mbh (WFS). Bei der WFS waren neben dem Kreis die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lübeck, die Kreishandwerkerschaft Segeberg sowie die Volks- und Raiffeisenbanken im Kreis Segeberg Gesellschafter. Während das Amt für Wirtschaftsförderung und Fremdenverkehr 2000 aufgelöst wurde, wurde die WFS mit in die gemeinsame Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft der Kreise Pinneberg und Segeberg (WEP) eingebracht. Nach dem Ende dieser Kooperation 2013 besteht seit 2014 wiederum eine eigene Wirtschaftsent- wicklungsgesellschaft (WKS).

Der Kreis Segeberg ist gemeinsam mit dem Kreis Pinneberg sowie den Städ- ten Neumünster und Uetersen einer der Träger im Zweckverband der Spar- kasse Südholstein. Diese entstand durch die Zusammenlegung der Kreis- sparkassen Segeberg und Pinneberg 2003 und den Beitritt der Stadtsparkasse

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Neumünster 2005. Sie ist die viertgrößte im Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein. Die ursprüngliche Kreissparkasse Segeberg wurde 1938 durch den Zusammenschluss mehrerer kommunaler Spar- und Leih- kassen gebildet, deren Geschichte etwa im Falle der Spar- und Leihkasse der Stadt Bad Segeberg bis weit ins 19. Jahrhunderts zurückreicht.

Die Bedeutung der Metropole Hamburg für die wirtschaftliche Entwick- lung gerade des Südwestens des Kreises kann kaum überbetont werden. Dies zeigt sich nicht zuletzt in Bezug auf die Infrastruktur: Als einziger Kreis neben Stormarn verfügt Segeberg (in Norderstedt) über einen vom Kreis mitfinanzierten Anschluss an das Hamburger U-Bahn-Netz. Seit 2002 ist das Kreisgebiet Teil des HVV. Der Kreis Segeberg ist eingebunden

Beteiligungsportfolio Kreis Segeberg

Abbildung 13: Der Kreis Segeberg ist an zahlreichen Gesellschaften und Genossenschaften in unterschiedlichem Umfang beteiligt.

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in große infrastrukturelle Projekte, die eine überregionale Vernetzung ge- währleisten – etwa in die Planung der A 20 und A 21. Daneben steht er in der Verantwortung für die Verbindungen innerhalb des Kreisgebiets; so fallen für die Instandhaltung von 420 Kilometer Kreisstraßen derzeit jähr- lich Kosten von ungefähr 5 Millionen Euro an. In historischer Perspektive wurden die Grundlagen des Kreiswegenetzes während der Amtszeit von Landrat Ilsemann geschaffen, als ein umfänglicher Ausbau erfolgte. Von großer Bedeutung für das Wegenetz ist zudem der 1954 gegründete Wege- zweckverband des Kreises Segeberg, der seit 1967 für die Abfallentsorgung und in jüngster Zeit auch für den Breitbandausbau im Kreis zuständig ist. In Norderstedt fällt der Bereich der Abfallentsorgung in die Zuständigkeit des städtischen Betriebsamtes. Als wichtige Infrastrukturmaßnahme kann die Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Bad Segeberg und Neumünster angeführt werden. Ein nicht umgesetztes Infrastrukturprojekt ist dagegen der Flughafen Kaltenkirchen. Bereits in den 1950er Jahren gab es erste Pla- nungen, Hamburg-Fuhlsbüttel durch einen neuen Flughafen nördlich der Hansestadt zu ersetzen. In der Folge kaufte Hamburg im Dreieck zwischen Kaltenkirchen, Lentföhrden und Barmstedt in großem Umfang Baugrund an, was von vielen Anwohnern aufgrund zu befürchtender Umwelt- und Lärmbelastung kritisch gesehen wurde. An der entsprechenden Planungs- gemeinschaft waren die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg sowie der Bund beteiligt – nicht jedoch der Kreis Segeberg, der aber seine Zustimmung zu den Planungen gab. Diese wurden indes in den 1980er Jah- ren aufgegeben; der Flughafen war im Regionalplan von 1987 nicht mehr ausgewiesen. In den 2000er Jahren wurde er von Hamburger Seite noch- mals ins Gespräch gebracht, ist jedoch 2013 mit dem Norddeutschen Luft- verkehrskonzept endgültig obsolet geworden.

Die gute Erreichbarkeit ist für die Wirtschaft als Ganzes ein wichtiger Stand- ortfaktor, nicht zuletzt für den Tourismus, der seit den 1950ern zunehmend an Bedeutung gewann und durch die Nähe zur Großstadt begünstigt wurde. Dabei ist zwischen Übernachtungstourismus und Tagestourismus zu un- terscheiden. Im ersten Falle kann die Quantität anhand der Übernachtungs- zahl erschlossen werden, die zuletzt zwischen 2012 (690.690) und 2015 (737.408) nicht unerheblich gestiegen ist. Die Tagestouristen können an- hand einzelner touristischer Anziehungspunkte wie den Wildpark Eekholt (2016: 242.132 Gäste), den Erlebnispark Trappenkamp (153.450), die Hols- tentherme in Kaltenkirchen (475.694), das ARRIBA-Erlebnisbad in Nor- derstedt (774.310) sowie die Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg (366.369) erschlossen werden. Zudem zeigt sich beim Tourismus, in welchem Aus- maß kulturelle Veranstaltungen ein Wirtschaftsfaktor sein können.

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KULTUR, BILDUNG UND SOZIALES

Abbildung 14: Das Freilichttheater in Bad Segeberg ist auch dank der Karl-May-Festspiele weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannt.

Die seit 1952 alljährlich im Freilichttheater am Kalkberg in Bad Segeberg stattfindenden Karl-May-Festspiele haben hohe Bekanntheit erlangt und sind mit namhaften Schauspielern besetzt – in der Vergangenheit etwa ­Pierre Briece und Gojko Mitić. 2016 konnte mit 366.369 Zuschauern ein neuer Be- sucherrekord verzeichnet werden. Das Freilichttheater war ursprünglich in den 1930ern durch den Reichsarbeitsdienst für Propagandaveranstaltungen errichtet worden und erlangte mit den Festspielen eine neue Bestimmung. Zudem befinden sich im Kreisgebiet – etwa in der Marienkirche Bad Sege- berg oder auf Gut – Spielorte des Schleswig-Holstein-Musikfes- tivals.

Wichtigster Träger im Kulturbereich ist seit 1997 der Verein für Jugend- und Kulturarbeit im Kreis Segeberg e. V. (VJKA), in dessen Gremien der Kreis vertreten ist. Neben der JugendAkademie Segeberg, dem JugendZeltplatz und der KulturAkademie kommt dabei der KreisMusikschule Segeberg besondere Bedeutung zu: Der Kreis Segeberg wurde 1970 als ers- ter schleswig-holsteinischer Kreis Träger einer Musikschule, Norderstedt

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folgte 1971 mit einer eigenen Einrichtung. Im Jahr 2016 wurden 2.280 Schü- lerinnen und Schüler unterrichtet; von zunehmender Bedeutung ist der internationale Austausch mit den Partnerregion Drawsko/Pomorskei (Po- len), Põlva (Estland) und South Dublin (Irland) mit regelmäßigen Chorfes- tivals. Darüber hinaus vergibt der Kreis seit 1981 einen eigenen Kunst- und Kultur-Preis, seit 2015 zusätzlich einen Jugend-Kunst- und Kultur-Preis.

Der Kreis beheimatet zahlreiche Museen und bedeutende historische Stät- ten. So gibt etwa die Ausstellung im 1541 errichteten Alt-Segeberger Bür- gerhaus einen guten Einblick in die Geschichte der heute verschwundenen Burg auf dem Segeberger Kalkberg, der heutigen Kreisstadt und ihres Um- landes. Zeugen der Vergangenheit sind zudem Kirchen wie die Marienkir- che in Bad Segeberg und die Vicelinkirche St. Jacobi in Bornhöved oder Her- renhäuser etwa in Kaden, Traventhal oder in Seedorf (mit dem Torhaus). In Norderstedt befinden sich unter anderem das Feuerwehrmuseum und die Stadtgeschichtliche Sammlung. 2011 war die Stadt Gastgeber der Landes- gartenschau, deren Gelände nun als Parkanlage zugänglich ist.

Eines der Aufgabenfelder des Kreises umfasst den Bereich der Bildung und Ausbildung. 1879 wurde in Bad Segeberg die erste berufliche Schule gegründet, welche vom Gewerbeverein getragen wurde. Da jener den Schulbetrieb infolge der Inflation 1923 nicht mehr finanzieren konnte, erfolgte zwei Jahre später die Schaffung einer städtischen Pflichtbe- rufsschule, welche 1930 circa 250 Schüler hatte. 1938 ging diese in die Trägerschaft des Kreises über; nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1946/47 auf Basis eines neuen Berufsschulgesetzes die Berufs- schule des Kreises Segeberg neu gegrün- det. Die folgenden Jahrzehnte waren ne- ben räumlichen – 1954 wurden die ersten Gebäude an der Theodor-Storm-Straße bezogen, die seitdem erheblich erwei- tert und umgebaut wurden – geprägt von strukturellen Veränderungen. So wurde

Abbildung 15: Das im 16. Jahrhundert errichtete Torhaus in Seedorf ist 1999 die bis dahin eigenständige land- steingewordenes Zeugnis der Geschichte im Segeberger Kreisgebiet. wirtschaftliche Fachschule eingeglie-

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dert. Bereits mit Gründung der Stadt Norderstedt entstand dort 1970 eine Außenstelle der Berufsschule Bad Segeberg, die 1979 zur eigenständigen Schule wurde. Beide Berufsschulen wurden 2012 in Berufsbildungszent- ren (BBZ) umgewandelt; das BBZ in Bad Segeberg hatte im Schuljahr rund 2.700 Schüler, jenes in Norderstedt etwa 3.300. Beide BBZ werden vom Kreis Segeberg in großem Umfang finanziell gefördert. Gleiches gilt für die Förderzentren für geistige Entwicklung, die seit den 1970er Jahren an drei Standorten – in Bad Segeberg, Kaltenkirchen und Norderstedt – bestehen. Daneben gibt es im Kreisgebiet zahlreiche Schulen an mehreren Standor- ten, wobei Schwerpunkte in Norderstedt und Bad Segeberg auszumachen sind. Die Mehrzahl der allgemeinbildenden Schulen liegt in gemeindlicher Trägerschaft.

Das gesamte Kreisgebiet betrifft die Sportförderung, die 2007 mit dem Ver- trag über die Übertragung der Sportförderung einen neuen institutionel- len Rahmen erhielt. Vertragspartner war dabei der 1946 gegründete Kreis- sportverband Kreis Segeberg, dem 204 Vereine (1946: 24) mit 64.287 (1946: 3.600) Mitgliedern angehören. Die Förderungen etwa für laufende Sanie- rung und Modernisierung von Sportanlagen beliefen sich 2016 auf insge- samt 713.000 Euro, wobei der Kinder- und Jugendbereich mit 420.000 Euro die umfänglichste Unterstützung erhält.

Auch darüber hinaus ist der Kreis mit vielfältigen Aufgaben im Kultur- und Bil- dungsbereich, im Sozial- und Gesundheitswesen befasst – Aufgabenbereiche, auf die hier nur punktuell eingegangen werden kann. Zu nennen sind unter an- derem die Jugendhilfe, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung oder die psychiatrische Versorgung mit dem Psychiatrischen Zentrum Rick- ling und dem Sozialpsychiatrischen Dienst. Ebenso ist der Kreis im Bereich der Gesundheitsplanung, -förderung und Prävention aktiv und trat beispielsweise 2002 dem „Gesunde Städte Netzwerk Deutschland“ bei; ein eigenes Kreiskran- kenhaus besteht seit Anfang der 2000er Jahre jedoch nicht mehr.

Im Kontext des Gesundheitswesens ist die Gründung des überregional bekannten Tuberkuloseforschungszentrums auf Gut Borstel 1947 zu sehen, an deren Gründung neben den Ländern Hamburg, Bremen und Schles- wig-Holstein und den Landesversicherungsanstalten Hamburg und Schles- wig-Holstein der Kreis Segeberg beteiligt war. Großen Anteil daran hatte der damalige Landrat Paul Pagel. Aus der Gründung von 1947 hat sich mitt- lerweile das Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften entwi- ckelt, das durch den Bund, das Bundesland Schleswig-Holstein sowie die Ländergemeinschaft finanziert wird.

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NATUR UND UMWELT

Bereits kurz nach Gründung des Kreises 1867 wurde die Wiederaufforstung der Segeberger Heide zu einem zusammenhängenden Wald ­vorangetrieben, der heute etwa 6.000 Hektar Fläche umfasst. Der Segeberger Forst mit dem Forstgutsbezirk Buchholz ist somit nach dem Sachsenwald im Kreis Her- zogtum Lauenburg Schleswig-Holsteins zweitgrößtes Waldgebiet. Wie der Sachsenwald ist der Forstgutsbezirk Buchholz gemeindefreies Gebiet. Standen zunächst wirtschaftliche Aspekte wie die Verwendung der Bäume als Nutzholz im Fokus, so hat mittlerweile die Renaturalisierung an Bedeu- tung gewonnen, die beispielsweise im Übergang von reinem Nadelwald zum ­Mischwald sichtbar wird. Derzeit ist Segeberg mit 17,5 Prozent der Gesamt- fläche der flächenanteilsmäßig zweitwaldreichste Kreis Schleswig-Holsteins.

An einem Schutz der Natur und einzelner bedrohter Tierarten bestand be- reits seit dem 19. Jahrhundert ein zunehmend gesteigertes Interesse. Eine Kreisstelle für Naturschutz wurde auf Grundlage des 1935 verabschiedeten Reichsnaturschutzgesetzes 1936 eingerichtet. Schwerpunkte der Arbeit wa- ren und blieben die Bewahrung der charakteristischen Knicklandschaft mit ihren über 7.000 Tierarten sowie der Gewässerschutz. Die Gründung eines Umweltamtes erfolgte im Kreis Segeberg 1981, 2001 kam es zu einer Verei-

Abbildung 16: Der Segeberger Forst entwickelt sich vom reinen Nadelforst zum Mischwald.

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nigung von Kreisbauamt und Kreisumweltamt zum Fachbereich IV „Um- welt-Bauen-Planen“. Wichtige Aufgabenbereiche sind unter anderem der Grundwasserschutz und die damit verbundene Untersuchung und Beseiti- gung von Altlasten, etwa hinsichtlich der ursprünglich von den Gemeinden betriebenen Deponien. Auch wurden über 10.000 Gewerbegrundstücke aufgenommen und im Bedarfsfall saniert. Ein zentraler Aspekt ist ange- sichts von 1.310 Kilometer Fließgewässern und 400 Kilometer Rohrleitun- gen die Gewässerentwicklung, die durch die Gewässerpflegeverbände ge- währleistet wird. Gesetzliche Aufgabe ist seit den 1980er Jahren über eine Gewährleistung des Abflusses hinaus eine naturnahe Gewässerunterhal- tung. Die Gewässer sowie ihr Uferbereich werden naturnah umgestaltet; an den für diese Vorhaben benötigten Ausgaben beteiligt sich der Kreis.

Besonderes Augenmerk galt zudem dem kreiseigenen , einem ehemaligen Torfabbaugebiet, das bereits seit Mitte der 1970er Jahre rena- turisiert werden konnte. Mittlerweile bietet es auf 275 ha eine Heimstatt für Pflanzen wie Pfeifengras, Wollgras und Torfmoos sowie für Tiere wie Schlingnattern, Ringelnattern, Kreuzottern, Kormorane, Fischadler, Kra- niche, Fischotter und Graureiher. Seit 2007 ist das Moor als FFH-Gebiet ausgewiesen – es entspricht also der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, einer Naturschutzrichtlinie der Europäischen Union. Gleiches gilt seit 2008 für

Abbildung 17: Das Hasenmoor, ein ehemaliges Torfanbaugebiet, ist seit 2007 als FFH-Gebiet ausgewiesen.

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das Tarbeker Moor, das seit den 1990ern mit Hilfe des Grunderwerbs über die Flurbereinigung durch den Kreis erworben und behutsam renaturisiert werden konnte. Hier leben auf 131 ha Kraniche, Waldeidechsen, zahlreiche Libellenarten und nicht zuletzt Fischotter. Beide Moore sind wichtige Sta- tionen des Vogelzugs. Insgesamt bestehen im Kreisgebiet 16 Natur- (ins- gesamt 2.869 ha), 17 Landschaftsschutz- (11.450 ha) sowie 28 FFH-Gebiete (7.868 ha) – eine deutliche Zunahme im Vergleich mit 1960, als im Kreisge- biet 4 Naturschutz- und 18 Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen waren.

Zugleich bietet der Kreis 54 Naturdenkmäler, das heißt vor allem Bäume und nicht zuletzt den Segeberger Kalkberg. Der Kreis ist einer der Förderer des dortigen Fledermauszentrums Noctalis. Die 1913 entdeckte Kalkberghöhle ist Winterquartier für etwa 27.000 Fledermäuse acht verschiedener Arten und deshalb nur im Sommer zugänglich, wenn eine deutlich geringere Zahl von Tieren anzutreffen ist. Zudem ist sie Heimat des Segeberger Höhlenkäfers, der lediglich dort vorkommt. Die Kalkberghöhle mit dem Fledermauszent- rum ist nur eines der Beispiele dafür, dass Umwelt und insbesondere das Erle- ben von Umwelt im Tourismus ein bedeutender Standortfaktor sein können. Priorität hat freilich der Schutz des Naturraums und der in ihm beheimateten Pflanzen und Tiere. Dies gilt für den Segeberger Forst ebenso wie für das Kie- bitzholmer Moor oder das Travetal, für die Hitzehusener Störche und die Bad Segeberger Fledermäuse ebenso wie für die Adler am , die Fischotter in der Osterau oder die Haselmaus, Wildtier des Jahres 2017.

Große Bedeutung kommt dabei der Umweltbildung zu, die im Kreisge- biet etwa in der Imkerschule Schleswig-Holstein und in der Lehranstalt für Forstwirtschaft (1958-1981 Waldarbeitsschule) in Bad Segeberg vermittelt wird. Darüber hinaus sind der Naturerlebnisparks Eekholt sowie der Erleb- niswald in Trappenkamp zu nennen, die sich in den letzten Jahrzehnten zu vielbesuchten Ausflugszielen entwickelt haben.

Bei einer Betrachtung der Geschichte des Kreises über die eineinhalb Jahr- hunderte seines Bestehens wird deutlich, wie seine Entwicklung in größere gesellschaftliche, wirtschaftliche und auch ökologische Prozesse eingebettet ist. Dies gilt für die ländlichen Gebiete, in noch größerem Maße aber für die immer stärker urbanisierte Umgebung Hamburgs. Diese strukturelle Un- gleichheit hat freilich zwei Seiten: Einerseits ist etwa die demographische Entwicklung im ländlichen Raum eine große Herausforderung für die Zu- kunft. Andererseits ist neben der guten wirtschaftlichen Entwicklung die Nähe zur Natur hervorzuheben, die den Kreis vor den Toren Hamburgs zu einem beliebten Wohn- wie auch Urlaubsort macht.

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LITERATURHINWEISE

Bernstein, Axel: Die Gebietsreform in Schleswig-Holstein Gebietsreform. Die Neugliederung der Kreise in den 1960er und 1970er Jahren (IZRG-Schriftenreihe, 14). Bielefeld 2010. Der Kreis Segeberg. Landschaft, Geschichte, Wirtschaft. Hrsg. in Gemeinschafts- arbeit mit der Kreisverwaltung. Oldenburg in Oldenburg 1960. Kreis Segeberg. Landschaft und Natur – Freizeit und Kultur – Wirtschaft, Sozia- les und Gesundheit (Deutsche Landkreise im Portrait). Hrsg. in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Kreises Segeberg mbH. 4., völlig neue Ausgabe. Oldenburg in Oldenburg 2016. Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 1-62 (1955-2016). Knull, Robert/Unverhau, Dagmar: Findbuch des Bestandes Abt. 320 Segeberg. Kreis Segeberg. (Veröffentlichungen des Schleswig-Holsteinischen Landesar- chivs, 14). Schleswig 1985. Mit Lust & Laune. Kreis Segeberg. (Deutsche Landkreise im Portrait) 2., völlig neue Aus- gabe. Hrsg. in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung. Oldenburg in Oldenburg 2013.

BILDNACHWEISE

Abbildung 1: t1p.de/xzp0. Abbildung 3: Bernstein: Die Gebietsreform, S. 126. Abbildung 4: Kreisarchiv Segeberg. Abbildungen 7, 9, 11, 12: Frederic Zangel. Abbildungen 5, 10: Der Kreis Segeberg. Landschaft, Geschichte, Wirtschaft. Hrsg. in Gemeinschaftsarbeit mit der Kreisverwaltung. Oldenburg in Oldenburg 1960, S. 87. Abbildung 8: Kreis Segeberg. Landschaft und Natur – Freizeit und Kultur – Wirtschaft, Soziales und Gesundheit. Hrsg. in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsentwick- lungsgesellschaft des Kreises Segeberg mbH. 4., völlig neue Ausgabe. Oldenburg in Oldenburg 2016 (Deutsche Landkreise im Portrait), S. 47. Abbildung 13: Kreisverwaltung Segeberg. Abbildung 14: Mit Lust & Laune. Kreis Segeberg. 2., völlig neue Ausgabe. Hrsg. in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung. Oldenburg in Oldenburg 2013 (Deut- sche Landkreise im Portrait), S. 55. Abbildung 15: Yoshihiko Hayashi. Abbildung 16: SH Landesforsten. Abbildungen 17, 20, 21: Georg Hoffmann. Abbildungen 18, 19, 22: egno.de.

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DER KREIS HEUTE

Abbildung 18: Die Regentrude vor dem Abbildung 20: Silber- und Graureiher im Travetal nördlich von Bad Segeberg. Eingang des Norderstedter Rathauses – eines der Wahrzeichen der 1970 hinzugekommenen größten Stadt des Kreises.

Abbildung 19: Nordport mit Blick auf Hamburg.

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Abbildung 21: Ein Damwildrudel in der renaturierten Kiesgrube bei Damsdorf.

Abbildung 22: Das Herold Center in Norderstedt.

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