Der Rheinsteig – Von Wiesbaden Bis Ans „Deutsche Eck“ (1)
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SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen - Manuskriptdienst Der Rheinsteig – Von Wiesbaden bis ans „Deutsche Eck“ (1) Autor: Helmut Frei Redaktion: Udo Zindel Regie: Maria Ohmer SWR2 Wissen, Dienstag, 4. Juli 2011, 8.30 Uhr Erstsendung 21.09.2010 ___________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-6030 Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. 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Der Rhein ist der große Strom Westeuropas – und er war jahrhundertelang die Achse im Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland. Ansage: Der Rheinsteig – Folge 1: Von Wiesbaden bis ans „Deutsche Eck“. Eine Sendung von Helmut Frei. Sprecher: Seit 2005 gibt es den Rheinsteig. Kein neu angelegter Touristenpfad, sondern die geschickte Verknüpfung und Vermarktung bestehender Wege. Die große Linie folgt einer Trasse, auf der bereits hundert Jahre früher vornehme Herrschaften Natur und Landschaft genossen. Sie kurten in den Bädern Ems an der Lahn, Schlangenbad im Taunus und Wiesbaden. Gelegentliche Ausflüge gehörten zu ihrem Freizeitvergnügen. Ihren Spuren also folgen Wanderer unserer Tage. Mit 320 Kilometern ist der Rheinsteig etwa doppelt so lang wie die Straßenverbindung von Wiesbaden bis Bonn. Er beginnt im Park des am Rhein gelegenen Schlosses Biebrich und führt zunächst in den waldreichen Taunus zum Kurort Schlangenbad, um dann über das ehemalige Zisterzienserkloster Eberbach bei Eltville den Rhein zu erreichen. Dann führt der Rheinsteig durch die Hügelzüge des Weinanbaugebietes Rheingau. Dort gedeihen sogar Feigen und andere südliche Pflanzen. Ein Hauch von Mittelmeer, den man auch in Rüdesheim verspürt. ATMO: Vom Niederwalddenkmal aus mit Güterzug Erzähler: Oberhalb von Rüdesheim die gusseiserne Germania des Niederwalddenkmals. Errichtet nach dem Sieg Deutschlands im Krieg von 1870/71 gegen Frankreich. Er brachte Wilhelm I. die Kaiserkrone ein und beförderte Deutschland in den Rang einer europäischen Großmacht. Vor dem Niederwalddenkmal bietet sich Rheinsteigwanderern ein beeindruckendes Panorama, umrauscht vom Verkehrslärm des Rheintals. Stromauf bis vor die Tore Wiesbadens gleicht der Fluss einem langgestreckten See, der sich durch schlanke, teils parallele Inseln in mehrere Äste auffächert. Dann über das hessische Rüdesheim hinweg der Blick auf die rheinlandpfälzische Rheinseite mit Bingen. In nördlicher Richtung passiert der Fluss die schmale Pforte, wo der rechtsrheinische Taunus und der linksrheinische Hunsrück aneinanderstoßen, das sogenannte „Binger Loch“. Sprecher: Hinter dem „Binger Loch“ beginnt das enge, von Burgen gesäumte Tal des Rheins. Germania scheint den Eingang zu bewachen. Auf dem Sockel des Denkmals viel Heldenverehrung und einige Strophen der „Wacht am Rhein“, jenes schauerlichen Liedes, das zeitweise als deutsche Nationalhymne galt. 2 Zitator: Es braust ein Ruf wie Donnerhall, wie Schwertgeklirr und Wogenprall: Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein! Wer will des Stromes Hüter sein? ATMO Glockenspiel Sprecher: Wie ein Kontrastprogramm zur martialischen „Wacht am Rhein“ drunten in Rüdesheim die Drosselgasse. Dort mag sie zuhause sein, die rheinische Weinduselei, die um Vater Rhein und seine Töchter kreist, um Bachus und die Loreley. Ein Glockenspiel gießt das berühmte Lied über die Besucher aus: Sprecher: Der Text dieses Liedes stammt von Heinrich Heine. Weil er Jude war, schrieben die Nazis: „Dichter unbekannt“. Doch es wurde auch bei den Ausflugsfahrten ihrer Reiseorganisation „Kraft durch Freude“ angestimmt. Rüdesheim avancierte zum Inbegriff organisierter deutscher Gemütlichkeit. Und die Drosselgasse bekam ihr Image als „Ballermann im Rheingau“. Bis heute klebt es an Rüdesheim. Dabei treffe es nicht mehr zu, meint Rolf Wölfert, der örtliche Tourismuschef: OT Rolf Wölfert Rüdesheim und die Drosselgasse gehören traditionell zusammen, das ist ganz klar. Aber das Bild hat sich doch deutlich gewandelt auch in den letzten Jahren. Rüdesheim ist nicht nur die Drosselgasse, Rüdesheim ist eben Wandern, Radfahren und Schifffahrt, ist einen sehr guten Wein zu genießen und dann gehört auch die Drosselgasse wieder dazu mit ihren schönen Weinlokalen mit der Livemusik. ATMO Livemusik Erzähler: Es ist Nachmittag und in der berühmten Drosselgasse geht es noch entspannt zu. In einem der Gasthausgärten Stimmungsmusik live. Sie kommt bei den Gästen an. Es wird getanzt, gegessen und getrunken, Bier genauso wie Wein. Kein unflätiges Grölen. Ein Hauch von immerwährendem Volksfest. Nur wenige Schritte weiter: kleinstädtische Ruhe. Der Weg passiert ein Jagdschloss, das längst zum Hotel umgebaut ist, kommt an einem Aussichtsturm vorbei und führt steil hinab in das bekannte Weindorf Assmannshausen. Es ist eine Station des Ausflugschiffes „Goethe“, eines ehemaligen Schaufelraddampfers, dessen Schaufelräder inzwischen von einem Dieselmotor angetrieben werden. ATMO „Goethe“ wird beladen Sprecher: Ihre Jungfernfahrt absolvierte die „Goethe“ 1913. Sie gehört einer Gesellschaft, die unter dem Namen Köln-Düsseldorfer bekannt ist, aber bereits 1826 als „Preußisch- Rheinische Dampfschifffahrtsgesellschaft“ gegründet wurde. Ein Jahr später begann sie mit der Personenschifffahrt zwischen Köln und Mainz und beflügelte so den beginnenden Rheintourismus. 3 Erzähler: Ein glattes, in der Sonne glänzendes Band. Eingefasst von grünen Wülsten der Berge und vorspringenden Felsen an den Ufern, die teilweise mit Burgen besetzt sind. So präsentiert sich Rheinsteigwandern der wild romantische Abschnitt des Mittelrheins. Immer wieder finden sich Aussichtspunkte. Die maßvolle Geschwindigkeit, mit der die Schiffe auf dem Rhein unterwegs sind, gaukelt einem aus der Vogelperspektive eine glückliche Symbiose zwischen Natur und Technik vor. In manchen Biegungen des Flusses tauchen Städtchen wie Bacharach auf, die man sich beim ersten Augenschein nur als eine Ballung von Weinlauben vorstellen mag. Eine hübsche Fassade, die sich vor die Wirklichkeit schiebt. Sprecher: Bacharach zehrt zwar von seinem Ruf als bedeutende Weinbaugemeinde, aber auch dort ist die Zahl der hauptberuflichen Weinbauern und die bewirtschaftete Rebfläche zurückgegangen. Begonnen hat diese Entwicklung in den Jahren des Ersten Weltkriegs, unter anderem mit dem Auftreten der Reblaus. Gegen diesen Schädling waren die Winzer ursprünglich machtlos. Bevor die Reblaus-Plage einsetzte, sei die Anbaufläche für Reben am Mittelrhein viermal so groß gewesen wie heute, sagt Winzer Peter Jost. Seinem Familienbetrieb geht es gut, und er macht alles in eigener Regie, einschließlich der Etikettierung der Flaschen. OT Peter Jost Im Augenblick haben wir einen Auftrag abzuwickeln mit kleinen Fläschchen, das sind 250 Milliliter-Fläschchen, womit wir in der Gastronomie und in der Hotelerie vor allem Minibars bestücken. Aktuell ist das ein Auftrag, der zur Insel Sylt geht. Wir hoffen, wieder an die Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg anknüpfen zu können. In dieser Zeit war der Rheinwein, speziell der Riesling, weltweit der bekannteste und auch der teuerste Weißwein, den wir kannten. Sprecher: Das Kapital der alteingesessenen Bacharacher Winzerfamilie ist eine berühmte Weinberglage – der Bacharacher Hahn. Erzählerin: Mit Tochter Cecilia Jost in einem Weinberg über Bacharach. „Da drüber muss der Rheinsteig sein“, sagt die junge Weinbauingenieurin und zeigt auf die andere Seite des Flusses. Viel Wald. An manchen Stellen reicht er fast bis auf das Niveau des Flusses herab. Der Blick fällt auch auf verödete Weinberge. So weit soll es auf Bacharacher Seite nicht kommen, sagt Cecilia und geizt dabei, ganz nebenbei, einige Reben in dem Weinberg ihrer Familie aus. Sie zupft Blätter und Triebe ab, die den Pflanzen nur Kraft entziehen würden. Der Boden ist in diesen Sommertagen glühend heiß, er speichert die Wärme für die Nacht. OT Cecilia Jost Das kommt zum einen von der Sonne und zum anderen von dem Boden. Wir haben hier eine Steillage – etwa 70 Prozent Steigung, wir haben den Boden bedeckt Devonschiefer, das ist ein sehr leicht spaltbarer Schiefer von einer tiefblauen Farbe, der noch einmal die Lichtstrahlen in die Trauben reflektiert.