Das Monatsmagazin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion · Dezember 2016/Januar 2017

»Politik der aus­ gestreckten Hand« CDU/CSU-Bundestagsfraktion steckt Leitlinien im Umgang mit Russland ab Das Ende der Minutenpflege Pflegeversicherung umfassend reformiert – Erhalt der Selbstständigkeit im Mittelpunkt © Silvia Jansen/E+/Getty Images © Silvia Jansen/E+/Getty Inhalt 6 Die seit 20 Jahren bestehende Pflege­ versicherung ist in drei Stufen umfassend reformiert worden. Sie ist damit für die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft gewappnet. 12 Die Unionsfraktion hat neue Leitlinien für den Umgang mit Russland definiert. Dialogbereitschaft und Prinzipientreue gehören dabei zusammen. © Fred Froese/E+/Getty Images Froese/E+/Getty © Fred © Thomas Trutschel/Photothek/Getty Images © Thomas Trutschel/Photothek/Getty 18 Die Umgangsformen im Netz verrohen. Angesichts dessen dringt Unions­ fraktionschef auf eine stär­

kere Regulierung der sozialen Medien. Konkov Alliance/TASS/Sergei © Picture

3 16 22 Der Monat Das Gespräch Das Fest Volker Kauder Karl Schiewerling zur Rentendebatte Buchempfehlungen der Redaktion Matthias Zimmer über Randerscheinungen 4 18 der Politik Die Meinung Die Themen Soziale Medien stärker regulieren 26 5 19 Die Zahlen Die Fakten Die Bilder 27 Der Gast 6 20 Martin Dutzmann über Der Brennpunkt Die Fraktion 500 Jahre Reformation Das Ende der Minutenpflege Die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales im Porträt 27 12 Impressum Die Themen 21 »Politik der ausgestreckten Hand« Die Antworten 28 Fragen und Antworten zum Hilfspaket Das Zitat für die Landwirtschaft Der Monat 3

Liebe Leserinnen und Leser, in diesen Wochen werden die Weichen für das Wahljahr 2017 gestellt. tritt wieder als Kanzlerkandidatin an. Das ist für Deutschland eine gute Nachricht. Programmatisch hat die Union wie auch die anderen Parteien erste Pflöcke eingeschlagen. Wir stehen auf allen Politikfeldern für Maß und Mitte. Im Gegensatz zu den anderen sind CDU und CSU die Parteien des Ausgleichs und der Vernunft. Der näherrückende Wahlkampf wird in den nächsten Monaten auch die Debatten im immer stärker beherrschen. Dennoch ist die Legislatur- periode am 31. Dezember 2016 nicht zu Ende. Die große Koalition muss auch im ersten Halbjahr 2017 noch wichtige Projekte – etwa in der Rentenpolitik – verab- schieden. Auch bei der Inneren Sicherheit ist die Gesetzesarbeit noch nicht abge- schlossen – Stichwort: Kampf gegen die Einbruchskriminalität und Kampf gegen den Terrorismus. Zudem müssen wir uns in der Koalition noch einmal ernsthaft damit befassen, ob wir nicht endlich energischer gegen Hass und Desinformati- on im Internet und in den sozialen Medien vorgehen müssen. Über unsere Vorstellungen, das Recht auch in der digitalen Welt durchzu- setzen, berichtet dieses Heft. Dabei wissen wir, dass ein Teil der Hasskommenta- re gar nicht in Deutschland verfasst werden, sondern in Russland. Kein Zweifel: Russland ist mit einer vor Jahren noch unvorstellbaren Aggressionspolitik auf die Weltbühne zurückgekehrt und fordert nicht zuletzt die NATO heraus. Wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion heute Putins Reich betrachtet, wird in diesem Heft beschrieben. Vor allem aber widmet sich dieses Heft der Pflege. Die Versorgung der hilfsbedürftigen Älteren ist in vielen Familien ein großes Thema. Wir werden alle laut Statistik immer älter. Gleichzeitig wird auch die Zahl der Pflegebedürfti- gen weiter steigen. Viele Menschen machen sich Sorgen, ob sie auch im Fall von Gebrechlichkeit gut versorgt werden. Gerade in dieser Wahlperiode wurde in der Pflege eine Menge getan. Vieles hat sich für Pflegebedürftige und ihre Angehöri- gen verbessert. Was genau, erfahren Sie in dem Beitrag unserer Redaktion. Volker Kauder 2016 war, jeder hat es gespürt, kein leichtes Jahr. Viele der Herausforde- Vorsitzender der CDU/CSU- rungen der vergangenen Monate werden uns auch 2017 begleiten. Umso größer Bundestagsfraktion ist bei vielen Menschen nun die Hoffnung auf etwas Ruhe über die Festtage und über den Jahreswechsel. In diesem Sinne möchte ich Ihnen, liebe Leser von »Fraktion direkt«, schon heute gesegnete Weihnachten wünschen. Möge uns allen ein möglichst friedliches und glückliches 2017 beschieden sein. © Laurence Chaperon © Laurence

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 4 Die Meinung Eine eindrucksvolle Bilanz Die Menschen können sich auf CDU und CSU verlassen

as war das für ein Jahr! 2016 wird in Erinne- sicherheit gesorgt. Entscheidend war für CDU und CSU, dass es rung bleiben. Auch wenn man, wie ich, seit 30 zu keinen Steuererhöhungen kommt. Das konnten wir gegen Jahren im Bundestag sitzt und schon einiges die erklärte Absicht von SPD und Grünen durchsetzen. erlebt hat. Brexit, Militärputsch in der Türkei, Trotz nationaler und internationaler Herausforderungen: dieW schrecklichen Terroranschläge in Frankreich und Belgien, Wir haben in dieser Legislaturperiode weder neue Schulden auf- und ja auch hier in Deutschland haben is- genommen noch die Steuern erhöht. Mit lamistische Terroristen zugeschlagen. Im »Gemeinsam wollen dem Bundeshaushalt 2017 legen wir erneut November hat Donald Trump die Wahl in einen ausgeglichenen Haushalt vor. den USA gewonnen. Noch wissen wir wir Rot-Rot-Grün Gleichzeitig haben wir die Innere nicht, was er von seinen Wahlversprechen Sicherheit und die Bekämpfung der Flucht­ wie umsetzt. Ja, wir leben in bewegten verhindern.« ursachen finanziell gestärkt. Für CDU und und unsicheren Zeiten, aber die Men- CSU hat die Sicherheit der Bürgerinnen schen können sich auf uns, auf CDU und CSU verlassen. Das und Bürger oberste Priorität. So werden die Sicherheitsbehör- haben wir auch in diesem Jahr wieder eindrucksvoll bewiesen. den in den nächsten vier Jahren über 1,6 Milliarden Euro zusätz- Dank internationaler und nationaler Maßnahmen sind lich bekommen, die Bundespolizei wird bis 2020 über 7.000 die Flüchtlingszahlen stark zurückgegangen. So trägt das Asyl- neue Stellen erhalten. paket II mit schnelleren Verfahren, dem Aussetzen des Famili- Das kommende Jahr verspricht nicht weniger spannend ennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige und leichteren Ab- zu werden. Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus. Für schiebungen ganz klar die Handschrift der Union. Zur Wahrheit CDU und CSU heißt das: Nur gemeinsam sind wir stark. Nur gehört aber auch, dass wir schon weiter sein könnten – wenn gemeinsam können wir ein bereits öffentlichkeitswirksam zele- die SPD nicht mit Rücksicht auf die Grünen die Einstufung der briertes Bündnis von Rot-Rot-Grün verhindern. Denn Deutsch- Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer im Bundesrat land wäre sonst in der Sicherheitspolitik, in der Außenpolitik, in blockieren würde. der Wirtschafts- und Sozialpolitik ein anderes Land. Ebenso kann Die Koalition hat einen neuen gesetzlichen Rahmen für nur eine geeinte Union den Angriffen und Verunglimpfungen die Integration in Deutschland geschaffen. Erstmals werden der AfD etwas entgegensetzen – mit der Bundeskanzlerin an Integrationsleistungen auch eingefordert, Unterstützungsleis- der Spitze. Und das ist gut so. tungen können sogar gekürzt werden. Das entspricht dem Prin- zip des Forderns und Förderns. Integration ist nicht nur eine Bringschuld des Staates, sondern auch eine Verpflichtung für alle, die neu in unser Land kommen und hier leben wollen. Mit der Einigung zur Erbschaftssteuerreform sichern wir Arbeitsplätze und die von Familienunternehmen geprägte Wirt- schaftsstruktur in Deutschland. Wir haben damit für Rechts­

Gerda Hasselfeldt Erste Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzende der CSU-Landesgruppe © Henning Schacht Die Fakten 5

…Menschen mit Behinderungen Wussten Sie, dass… bessere Chancen erhalten?

…deutsche Filme Menschen, die aufgrund einer wesent- lichen Behinderung nur eingeschränkt per Gesetz gefördert am Leben in der Gemeinschaft teilha- werden? ben können, sollen aus dem bisheri- gen »Fürsorgesystem« herausgeführt Die deutsche Regisseurin Maren Ade werden. Mehr Selbstständigkeit ist das ist mit ihrem Film »Toni Erdmann« Ziel des neuen Bundesteilhabegeset- auf dem Festival in Cannes vom Publi- zes, das der Bundestag in dieser Wo- kum gefeiert worden. Damit deutsche …der Klimaschutzplan che beschließen wollte. Vorgesehen Filme auch im Wettbewerb bessere ist unter anderem, dass die Freibeträge Chancen haben, hat die Koalition ein auf Druck der Unions- der Betroffenen beim Einkommen neues Filmförderungsgesetz verab- fraktion nachgebessert und Vermögen zum ersten Mal seit 15 schiedet. Die Novelle enthält eine Jahren spürbar erhöht werden. Reihe innovativer Instrumente, die wurde? Für die Union ist besonders zunächst für fünf Jahre gelten: So wichtig, dass die Einkommen der müssen die Produzenten bei der Film­ Deutschland steht zu seinem Ziel, den Lebenspartner nicht länger für die finanzierung künftig einen geringeren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 Finanzierung der Eingliederungshilfe Eigenanteil aufweisen, um Fördermit- um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem herangezogen werden. Damit wird tel zu erhalten. Zudem werden heraus- Niveau von 1990 zu senken. Der Mitte das faktische Heiratsverbot für viele ragende Drehbücher gefördert. November 2014 vom Bundeskabinett Menschen mit Behinderungen end- Die Förderkommissionen wer- beschlossene Klimaschutzplan 2050 lich aufgehoben. den künftig verschlankt und professi- sieht hierfür ein umfangreiches Maß- Menschen mit Behinderungen onalisiert, also mit Experten besetzt. nahmenpaket vor. und ihre Familien müssen wissen, Auch sollen künftig mindestens 30 Dem Beschluss ging ein langes welche Leistungen ihnen zustehen Prozent Frauen im Verwaltungsrat der Ringen voraus, an dem die Unionsfrak- und wie sie diese erhalten. Daher wird Filmförderungsanstalt sitzen. Die tion maßgeblich beteiligt war. Der Ein- der Bund künftig unabhängige Bera- Unionsfraktion sorgt darüber hinaus satz hat sich gelohnt. Die jetzt be- tungsstellen fördern und damit Be- für mehr Transparenz: Die Filmförde- schlossene Fassung erkennt an, dass troffene sowie deren Angehörige in rungsanstalt muss künftig veröffent- Klimaschutz Wettbewerbsfähigkeit ihren Rechten stärken. lichen, bei wie vielen Filmproduktio- und Wohlstand nicht gefährden darf. Zudem wird der Zugang zum nen die Beschäftigten nach Tarifver- Wer beim Klimaschutz erfolgreich sein ersten Arbeitsmarkt für Behinderte trag bezahlt werden. will, muss konsequent auf Technolo- deutlich verbessert. Zwar wird nie- Die Digitalisierung macht auch gieoffenheit und Innovation, auf An- mand dazu gedrängt, auf den ersten vor der Filmbranche nicht Halt. reize und auf Kosteneffizienz setzen. Arbeitsmarkt zu wechseln. Doch wer Gleichzeitig verändert sich das Zu- Abwegige Vorschläge des Bundesum- das möchte, kann künftig von dem schauerverhalten. Um flexibler zu weltministeriums wie eine staatlich neuen »Budget für Arbeit« profitieren. werden, experimentieren Kinos mit verordnete Halbierung des Fleisch- Aus diesem Budget erhalten Arbeitge- eigenen Video-on-Demand-Angebo- konsums oder das pauschale Aus für ber einen Lohnkostenzuschuss von ten (VoD). Die Filmförderung muss Öl- und Gasheizungen sowie Verbren- bis zu 75 Prozent des ortsüblichen damit Schritt halten. So werden nun nungsmotoren sind auf Druck der Lohnes, wenn sie einen schwerbehin- endlich – im Einklang mit Europa- Fraktion aus dem Entwurf gestrichen derten Arbeitnehmer einstellen. recht – VoD-Anbieter im Inland sowie worden. Klimaschutz, der auf Bevor- im europäischen Ausland zur Filmab- mundung und Verzicht setzt, findet Bundestagsdrucksache gabe herangezogen. Das heißt, sie keine Akzeptanz bei den Menschen. 18/9522 müssen einen gesetzlich festgelegten Gesetzgeberischen Maßnah- Anteil ihrer Erlöse an die Filmförde- men zur Umsetzung des Plans muss rungsanstalt abführen. der Bundestag zustimmen. Die Frakti- on wird im parlamentarischen Prozess Bundestagsdrucksache dafür sorgen, dass Deutschland beim 18/8592 Klimaschutz weiterhin ambitioniert, aber auch mit wirtschafts- und sozial- politischem Augenmaß vorgeht.

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 In Deutschland sind derzeit etwa 2,63 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. © Shestock/Blend Images/Getty Images © Shestock/Blend Images/Getty Das Ende der Minutenpflege Pflegeversicherung umfassend reformiert – Erhalt der Selbstständigkeit im Mittelpunkt – Demenzkranke gleichberechtigt einbezogen Der Brennpunkt 7

»Die Pflegeversicherung ist nun für die Heraus­ forderungen einer alternden Gesellschaft gewappnet.«

ie Menschen in Deutschland werden immer äl- sichts sinkender Geburtenzahlen und einer zunehmenden ter. Viele von ihnen erfreuen sich im Ruhestand Zahl von Pflegefällen nicht nur der Finanzbedarf. Auch guter Gesundheit. Mit dem Anstieg der Lebens- wurden Defizite in der Versorgung sichtbar. Daher musste erwartung nimmt jedoch auch die Zahl derjeni- die Koalition handeln. Sie verabschiedete im Laufe der Dgen zu, die im Alter auf Pflegeleistungen angewiesen sind. Wahlperiode drei sogenannte Pflegestärkungsgesetze, mit Laut Statistischem Bundesamt sind das derzeit 2,63 Millio- denen Neuerungen in verschiedenen Bereichen eingeführt nen Menschen. Bis 2030 wird ihre Zahl vermutlich auf 3,5 wurden. Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/ Millionen anwachsen. Damit Betroffene im Alter ein Leben CSU-Bundestagsfraktion, , kommt zu dem in Würde führen können, brauchen sie gute Pflege. Mit um- Fazit: »Das System der Pflegeversicherung ist nun für die fassenden Reformen hat die unionsgeführte Koalition in Herausforderungen einer alternden Gesellschaft finanziell dieser Wahlperiode die Weichen dafür gestellt, dass die gewappnet.« Pflegeversicherung diesem Anspruch auch in Zukunft ge- recht wird. Gleichzeitig wurde die Finanzierung auf eine Vorsorgefonds neu aufgelegt solide Grundlage gestellt. Auf Betreiben des damaligen Bundesarbeitsminis- Mit der ersten Stufe der Reform, die Anfang 2015 in Kraft ters Norbert Blüm (CDU) wurde 1995 die Pflegeversicherung trat, wurden die Pflegeleistungen verbessert. Viele Men- in Deutschland eingeführt – eine große Errungenschaft. In schen erhielten mehr Rechte, mehr Geld und flexiblere Leis- den mehr als 20 Jahren ihres Bestehens stieg aber ange- tungen. Die Vergütungen für fast alle Pflegeleistungen wur-

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 8 Der Brennpunkt

den erhöht, womit die Preissteigerungen der vergangenen Jahre ausgeglichen wurden. Zur Finanzierung der Kosten wurde der Beitragssatz zur Pflegeversiche- rung zunächst um 0,3 Prozentpunkte angehoben. Zum 1. Januar 2017 steigt er im Rahmen der zweiten Reformstufe nochmals um 0,2 Prozentpunkte. Somit stehen ab 2017 fünf Milliarden Euro jährlich für konkrete Verbesserungen zugunsten der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der Pflegekräfte zur Verfügung.

Die Demenzforschung vorantreiben Bundestag lässt Teilnahme von Erkrankten an Tests unter strengen Auflagen zu

n Deutschland leiden derzeit schätzungsweise 1,6 Millio- außerdem verpflichtet, sich zuvor von einem Arzt beraten zu nen Menschen an Demenz. Und die Zahlen gehen nach lassen. Ein Änderungsantrag zum Gesetzentwurf hatte vorgese- Ioben. Weil die Forschung eingeschränkt ist, gibt es bislang hen, dass der Betreffende auf diese Beratung verzichtet. Diese keine Möglichkeit, diese Erkrankungen ursächlich zu behan- Option lehnte die deutliche Mehrheit der Parlamentarier ab. Ein deln. Deshalb stimmte der Bundestag Mitte November nach weiterer Änderungsantrag wollte die Möglichkeit der gruppen- langen und kontroversen Debatten dafür, klinische Forschung nützigen Forschung unter Berufung auf die Würde des Men- an Demenzkranken zu erlauben, die nicht mehr bewusst schen und seiner körperlichen Unversehrtheit komplett verhin- zustimmen können und dern. Auch er kam nicht selbst nicht mehr von Die häugsten Formen von Demenz durch. Die Fraktionsdis­ dem Forschungsergebnis ziplin war bei dieser Anteile weltweit profitieren werden. Vor- Abstimmung wie bei aussetzungen sind:  allen ethischen Fragen Betroffene müssen vor Sonstige aufgehoben. ihrer Erkrankung in die  Mischformen Teilnahme an solchen von Demenz Einwilligung kann Studien eingewilligt und jederzeit widerrufen dies in einer Probanden- werden  verfügung schriftlich Vaskuläre festgehalten haben. Über Demenz Das Gesetz sieht auch Nutzen, Folgen und Risi- vor, dass die Einwilli- ken müssen sie zuvor von  gungserklärung jederzeit Alzheimer-Demenz einem Arzt aufgeklärt formlos widerrufen wer- worden sein. den kann. Um seinen Bei der »gruppen- Quelle: Statista; Stand:  Widerwillen auszudrü- nützigen Forschung« – so cken, reicht es bereits der Fachbegriff – geht es darum, Studien an Patienten auch aus, wenn der Proband beispielsweise das Medikament oder dann zuzulassen, wenn erst Generationen nach ihnen aus den das ärztliche Personal wegstößt. Forschungsergebnissen Nutzen ziehen. Vielen Menschen, bei Wenn die konkrete Entscheidung über die Teilnahme an denen Demenzerkrankungen – etwa Alzheimer – in der Familie einer klinischen Prüfung ansteht, muss auch der Betreuer liegen, wünschen sich solche Forschungsprojekte, um den zustimmen. Der Prüfungsteilnehmer darf darüber hinaus nur medizinischen Fortschritt voranzutreiben und ihre Kinder und einem minimalen Risiko oder einer minimalen Belastung aus- Enkel vor einer Erkrankung zu bewahren. gesetzt sein. Dabei handelt es sich beispielsweise um Speichel- proben oder Blutentnahmen. Jeder Antrag zu einer klinischen Ärztliche Beratung Pflicht Studie muss von einer öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommission begutachtet werden. Wenn nicht einwilligungsfähige Proban- Laut Gesetz muss jemand, der später an Projekten der Demenz- den beteiligt sind, muss auch die Bundesoberbehörde zusätz- forschung teilnehmen möchte, seine Einwilligung schriftlich lich zustimmen. niederlegen, so lange er dazu noch geistig in der Lage ist. Er ist Der Brennpunkt 9

Zur Entlastung der professionellen Pfleger werden zusätzlich Betreuungs- kräfte eingestellt, die sich um die menschliche Seite des Pflegealltags kümmern. © Jovana Milanko/Stocksy

Ein kleiner Teil der erhöhten Beitragseinnahmen – nämlich 0,1 Prozentpunkte – fließt auf Drängen der Unionsfraktion seit 2015 jährlich in einen neu aufgeleg- ten Vorsorgefonds. Dieser Topf soll mindestens über 20 Jahre angespart werden. Mit den Rücklagen wird dafür gesorgt, dass die Beiträge stabil bleiben – auch dann, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in das typische Pflegealter kommen, also ab 2035. »Was wir hier tun, kostet viel Geld«, resümiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Georg Nüßlein (CSU). »Aber es sind die unumstrittensten Beitragserhöhungen im Sozialversicherungsbereich, die wir jemals hatten.«

Einstufung nach dem Grad der Fähigkeiten

Mit dem zweiten Reformgesetz werden die drei Pflegestufen zum 1. Januar 2017 in fünf Pflegegrade überführt. Die Hilfe kommt somit passgenauer dort an, wo sie gebraucht wird. Vorbei ist es mit der in Verruf geratenen »Minutenpflege« beim Waschen, Anziehen oder beim Essen. Künftig zählt nicht die Zeit, die für die Pflege aufgewendet wird, sondern der Grad der Selbstständigkeit eines Men- schen, der Pflege braucht. Dafür ausschlaggebend sind unter anderem seine Fä- higkeiten in den Bereichen Mobilität, geistige Auffassungsgabe und Kommuni- kation. Es wird auch darauf geschaut, ob der Betroffene sich selbst versorgen oder soziale Kontakte unterhalten kann, ob er psychische Probleme hat oder Schwierigkeiten bei der »Wir schließen eine Bewältigung von Therapien. große Gerechtigkeits­ Neu definiert wird außerdem der Begriff der Pflege- bedürftigkeit, der sich ursprünglich auf rein körperliche lücke.« Einschränkungen bezog. Nüßlein bezeichnet diese Neude- finition als »Herzstück« der Reform. Denn künftig erhalten auch Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen – unter anderem Demenzkranke – einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Schon 2015 wurde der Anspruch auf Leistungen der Kurzzeit- und Verhinde- rungspflege auf Demenzkranke ausgeweitet, was eine starke Entlastung für deren Angehörige bedeutet. »Hiermit schließen wir eine große Gerechtigkeits­ lücke«, sagt der Fachpolitiker Erwin Rüddel (CDU). Die zusätzlichen fünf Milliar- den Euro, die die Koalition in dieser Legislaturperiode in die bessere Versorgung von Demenzkranken gesteckt habe, »sind jeden Cent wert«.

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 10 Der Brennpunkt

»Bei der Umstellung ist wichtig, dass kein Pflegebedürftiger, der heute schon Leistungen erhält, schlechter gestellt wird«, unterstreicht Maria Michalk. Men- schen mit körperlichen Einschränkungen werden in den nächst höheren Pflege- grad übergeleitet, Menschen mit geistigen oder psychischen Einschränkungen, die eventuell auch körperlich beeinträchtigt sind, erhalten den übernächsten Pflege­grad. Damit kommen viele Menschen sogar in den Genuss von Verbesse- rungen. Mittelfristig könnten durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff 500.000 mehr Menschen Anspruch auf Leistungen haben als bisher.

Selbstbestimmtes Leben im Alter

Die meisten Menschen wünschen sich auch im Alter ein selbstbestimmtes Leben. Damit sie trotz Pflegebedürftigkeit in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben können, erhalten sie Geld für Umbaumaßnahmen. Der Einbau einer bar- rierefreien Dusche oder die Verbreiterung einer Tür wird mit bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme gefördert. Neben den Pflegeleistungen können Betroffene auch Betreuungsleistun- gen in Anspruch nehmen. Hierzu zählen insbesondere haushaltsnahe Dienst- leistungen wie Einkaufen oder Wäschewaschen, aber auch soziale Betreuung wie gemeinsame Spaziergänge oder Lesestunden. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden von Angehörigen betreut, von denen viele – wie Georg Nüßlein betont – an die Grenzen ihrer Belastbarkeit ge- hen. Daher habe man die Hilfe für die Pflege zu Hause »schon zu Anfang 2015 mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro verstärkt«, sagt er. Neben der höheren finanziel- len Unterstützung brauchen die Angehörigen vor allem mehr zeitliche Flexibili- tät. Mit dem Ausbau der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie der Tages- und Nachtpflege erhalten sie die Gelegenheit, sich eine Auszeit zu nehmen, etwa um anderen Verpflichtungen nachzugehen oder Urlaub zu nehmen.

»Keiner bekommt schlechtere Leistungen« Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Maria Michalk, zur Pflegereform

rau Michalk, welche Verbesserungen bringt die chen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen zu allen dreistufige Pflegereform für die Betroffenen? Pflegeleistungen. Wichtig ist uns, dass alle Pflegebedürftigen FMichalk: Das erste Pflegestärkungsgesetz bringt Leis- auch nach der Umstellung keine schlechteren Leistungen be- tungsverbesserungen für Betroffene und pflegende Angehöri- kommen als vorher. Und auch für die pflegenden Angehörigen ge. Zweidrittel aller Pflegebedürftigen werden von Angehöri- haben wir etwas getan, sie werden in der Renten- und Arbeits- gen gepflegt. Diese brauchen neben einer höheren finanziellen losenversicherung besser abgesichert. Unterstützung vor allem mehr zeitliche Flexibilität. Zu diesem Im dritten Pflegestärkungsgesetz sorgen wir für eine Zweck wurden Kurzzeit- und Verhinderungspflege genauso wie vernetzte Beratung vor Ort. Die Einbeziehung der Kommunen Tages- und Nachtpflege deutlich ausgebaut. Die Angehörigen ist mit Blick auf behinderte Menschen unverzichtbar. In 60 Mo- haben damit die Möglichkeit, eine Auszeit vom anstrengenden dellregionen kann erprobt werden, wie die Zusammenarbeit Pflegealltag zu nehmen. besser funktionieren kann. Das zweite Gesetz mit der Umstellung der drei Pflege- stufen auf fünf Pflegegrade ermöglicht ab dem 1. Januar 2017 Gibt es Pflegebedürftige, die künftig schlechter gestellt einen gleichberechtigten Zugang von Menschen mit körperli- werden? Der Brennpunkt 11

Auch diejenigen Pflegebedürftigen, die in Heimen untergebracht sind, werden besser betreut. Zur Entlastung der professionellen Pfleger sind dort seit 2015 bis zu 45.000 sogenannte Betreuungskräfte tätig. Die Betreuungskräfte haben Zeit für Gespräche oder einen Spaziergang, sie lesen vor und kümmern sich um die menschliche Seite im Pflegealltag. Ebenfalls der Entlastung der professionellen Pfleger dient der Bürokratieabbau. Jede Minute, die nicht auf Dokumentations- pflichten verwendet werden muss, lässt mehr Zeit für die fachgerechte Pflege.

Kommunen zuständig für Beratung

In einem dritten Reformschritt, den der Bundestag Anfang Dezember beschlie- ßen sollte, werden ab 2017 die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen ausge- weitet. Die Kommunen erhalten vor allem mehr Kompetenz bei der Beratung, da sie sich am besten mit den Angeboten vor Ort auskennen. Sie sollen sich auch um eine Verbesserung der Kooperation von Dienstleistern sowie die Koordinati- on und Steuerung von Hilfeleistungen kümmern. »Aufgabe der Kommune muss es sein, Versorgungslücken zu erkennen und zu schließen«, fordert Rüddel. Zu guter Letzt verschärft die Koalition den Kampf gegen Abrechnungsbe- trug in vielen Bereichen der Pflege. Vor allem Betrugsfälle bei mobilen Pflege- diensten haben gezeigt, dass es Regelungslücken gibt. Daher soll der Medizini- sche Dienst der Krankenkassen mehr Kontrollrechte bekommen und Abrech- nungen systematisch wie stichprobenartig überprüfen können. Damit wird auch der Ruf der korrekt arbeitenden Pflegedienste geschützt. Georg Nüßlein kündigte zudem an, dass die Union das Thema »Pflege-TÜV« in Angriff nehmen werde, damit die Verbraucher bei der Auswahl eines Heimes künftig eine echte Orien- tierung bekommen.

Bundestagsdrucksachen 1. PSG I: 18/1798; 2. PSG II: 18/5926; 3. PSG III: 18/9518

Maria Michalk Gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

und mithin höheren Pflegeaufwendungen die ent- sprechende Höherstufung zu ermöglichen. Bisher wurde die Höherstufung nämlich oft wegen der da- mit verbundenen höheren Zuzahlung gescheut, die zu Lasten der Pflegebedürftigen ging.

Wie wird sichergestellt, dass die Beiträge zur Pflegever­sicherung nicht explodieren, wenn die Generation der Babyboomer auf Pflegeleis- tungen angewiesen sein wird? Michalk: Erstmals haben wir einen Vorsorgefonds eingerichtet, der eine Beitragssatzexplosion verhin-

© Laurence Chaperon © Laurence dern soll. In ihn fließen seit 2015 jährlich 0,1 Pro- zentpunkte der Beitragseinnahmen. Im Übrigen Michalk: Niemand wird schlechter gestellt. Es gibt sogar Ver- möchte ich darauf hinweisen, dass die gesamte Beitragserhö- besserungen: So ist künftig der finanzielle Anteil, den der zu hung von 0,5 Prozentpunkten akzeptiert wird, weil sie weitest- Pflegende selbst tragen muss, für stationäre Pflegeeinrichtun- gehend der Verbesserung der Leistungen dient. Kein einziger gen in allen Pflegegraden gleich hoch. Das ist bewusst so ge- Protestbrief ist bei uns eingegangen. Die Menschen wissen, wählt, um bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustands dass gute Pflege etwas kostet.

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 12 Die Themen

Russland ist wieder zu einem unberechenbaren Akteur auf der internationalen Bühne geworden. Die Themen 13

»Politik der ausgestreckten Hand« CDU/CSU-Bundestagsfraktion steckt Leitlinien im Umgang mit Russland ab – Positionspapier verabschiedet

in Vierteljahrhundert nach dem Fall Der Machthunger Russlands manifestierte sich des Eisernen Vorhangs ist aus Russland erstmals in der Annexion der ukrainischen Halb- wieder ein unberechenbarer Akteur auf insel Krim im März 2014 – ein eindeutiger Völ- der internationalen Bühne geworden. kerrechtsbruch. Zugleich stellt Moskau damit DieE völkerrechtswidrige Annexion der Krim, die die europäische Sicherheitsordnung – festge- militärische Intervention in der Ostukraine, die schrieben in der Charta von Paris aus dem Jahre Unterstützung von Diktator Baschar al-Assad im 1990 – fundamental in Frage. Wesentliche Ele- syrischen Bürgerkrieg – mit all dem hat der rus- mente dieser Ordnung sind die Souveränität und sische Präsident Wladimir Putin das Vertrauen territoriale Integrität von Staaten. Mehr noch: des Westens auf eine harte Probe gestellt. In ei- Mit der Annexion der Krim verstieß Putin auch nem Positionspapier hat die CDU/CSU-Bundes- gegen das Memorandum von Budapest aus dem tagsfraktion nun Leitplanken im Umgang mit Jahre 1994, in dem sich die Ukraine zur Abgabe Russland abgesteckt. aller Atomwaffen verpflichtete und Russland im Die oberste Maxime der Fraktion lautet: Gegenzug die Unverletzlichkeit ihrer Grenze ga- »So viel Zusammenarbeit wie möglich, so viel rantierte. Verteidigungsfähigkeit wie nötig.« So kritisiert die Fraktion einerseits das fragwürdige Verhal- Fahrplan für die Umsetzung von Minsk ten Russlands, betont andererseits die Notwen- skeptisch bewertet digkeit einer engen Zusammenarbeit im Rah- men einer europäischen Sicherheitsordnung. Wie viel diese Zusicherung Wert ist, zeigt sich Trotz aller Schwierigkeiten heißt es in dem Pa- auch im Konflikt, den Russland seit mehr als pier, es bleibe bei der »Politik der ausgestreckten zwei Jahren im Osten der Ukraine schürt, indem Hand«. es die ukrainischen Separatisten im Donbass un- Dafür plädiert auch der Vorsitzende der verhohlen unterstützt. Trotz aller Bemühungen CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder: von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem »Wir müssen den Russen französischen Präsidenten deutlich machen, dass nie- »Kein Interesse an François Hollande um eine mand Interesse an einer neu- Lösung, droht aus der Aus­ en Eiszeit haben kann. Wir einer neuen Eiszeit« einandersetzung ein »frozen müssen aber zugleich dafür conflict« zu werden. Das im sorgen, dass der Westen einig und stark auftritt.« Februar 2015 von Merkel und Hollande ausge- Fraktionsvize brachte diese Hal- handelte Minsker Abkommen ist noch in kei- tung auf die Formel: »Dialogbereitschaft im Um- nem Punkt umgesetzt. Beim Besuch von Präsi- gang und Standfestigkeit in den Prinzipien.« dent Putin im Oktober in Berlin – der erste seit © Hauke Dressler/LOOK/Getty Images © Hauke Dressler/LOOK/Getty Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 14 Die Themen der Krim-Krise – wurde ein neuer Versuch unternommen auch, dass Putin neuerdings die Interessen seines Landes voranzukommen: Nun soll ein Fahrplan für die Umsetzung überall dort berührt sieht, wo russischstämmige Minder- von Minsk erarbeitet werden. heiten leben – beispielsweise im Baltikum. Franz Josef Jung zeigte sich anschließend zurück- Dass die NATO all das nicht tatenlos hinnehmen haltend, was die Umsetzung dieses Fahrplans angeht: »Der kann, ist für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion selbstver- größte Teil der bisher getroffenen Absprachen ist wegen ständlich. Irritiert reagierte sie deshalb auf Äußerungen des des mangelnden Willens der Konflikt­ Bundesaußenministers im Frühsom- parteien – vor allem der ukrainischen »Der größte Teil der mer, der der Allianz anlässlich eines Separatisten und Russlands – nicht lange geplanten Manövers »Säbelras- umgesetzt worden.« Gleichwohl bewer- Absprachen ist nicht seln und Kriegsgeheul« vorwarf. Der tete er die neue Vereinbarung als außenpolitische Sprecher der Unions- »Chance zur Vertrauensbildung und umgesetzt worden.« fraktion, Jürgen Hardt, findet es Stabilisierung«. Jung spricht sich auch »schlicht falsch«, die NATO für die Ver- dafür aus, im Zuge der Vertrauensbildung den NATO-Russ- schlechterung des Verhältnisses zu Russland verantwort- land-Rat künftig wieder regelmäßig – auch auf Minister­ lich zu machen. »Das wird der Sache keinesfalls gerecht«, ebene – tagen zu lassen. sagt er. Die Einstellung des NATO-Russland-Rates war eine der ersten Reaktionen der transatlantischen Allianz auf die Sanktionen wirken Annexion der Krim gewesen. Inzwischen hat das Bündnis seine Krisenreaktionskräfte verstärkt und die Weichen für Auch die Europäische Union hat auf Russlands Aggression die Erhöhung seiner Rüstungsausgaben gestellt. Zum unmittelbar reagiert – mit Verhängung von Sanktionen, da- Schutz der östlichen Mitgliedstaaten Lettland, Litauen, Est- runter Einreise- und Einfuhrverbote. Vor allem die Wirt- land und Polen hat es rund 9.000 Soldaten dorthin verlegt, schaftssanktionen zeigen inzwischen Wirkung, verstärkt von denen die Bundeswehr 1.000 stellt. Deutschland über- durch die niedrigen Rohölpreise und den schwachen Ru- nimmt auch die Führung eines Bataillons in Litauen. bel, unter denen Russland ebenfalls leidet. Auch die Unter- Mit diesen Maßnahmen reagiert die NATO auf Russ- stützung der Krim und die Finanzierung der Auseinander- lands Verletzungen des Luftraums im Baltikum, Aufrüs- setzung im Donbass-Gebiet kommt Russland teuer zu ste- tungsmaßnahmen und massive Truppenübungen an sei- hen, wie der CDU-Experte Karl-Georg Wellmann konstatiert. ner Westgrenze. Als bedrohlich empfindet es der Westen Zudem schlage das militärische Engagement an der Seite

Erstmals seit der Annexion der Krim besuchte Putin im Oktober Berlin. © Picture Alliance/Sputnik Pool/Michael Klimentyev Pool/Michael Alliance/Sputnik © Picture Die Themen 15 Hybride Kriegsführung – alte Strategie unter neuem Namen Russland versucht den Westen zu spalten

ybride Kriegsführung« ist inzwi- die Verunsicherung der Bevölkerung. tion hat sich daher dem Thema in einem schen ein Modebegriff.­ Darunter Mit dieser Strategie versucht Russland Informationsgespräch mit Experten »Hversteht man eine Mischung aus derzeit, einen Keil in den Westen zu trei- an­genommen. militärischem Druck und gezielten ben, Europa und die USA zu spalten, um Eingängiges Beispiel für gezielte Angriffen, Spezialkommandos und seinen Einfluss in Europa auszubauen. Je Desinformation war 2015 der »Fall Geheimdienstoperationen, Desinforma- schwächer der Westen, desto stärker Lisa«. Die 13-jährige Russlanddeutsche tionskampagnen und Cyberattacken, erscheint Russland – nach innen und war auf dem Schulweg verschwunden ökonomischem Zwang und ziviler nach außen. Politisch versucht es sich und erst am nächsten Tag wieder aufge- Revolte. Die Strategie dahinter ist in als Anker für Stablität und Verlässlich- taucht. Angeblich war sie von »arabi- Wirklichkeit so alt wie das trojanische keit zu präsentieren, moralisch als Hüter schen Flüchtlingen« entführt und verge- Pferd; neu hinzugekommen ist allenfalls der abendländischen Zivilisation. waltigt worden. Nichts davon erwies der Cyberraum. Schon immer haben sich als wahr, doch Russlanddeutsche Staaten zeitgleich unterschiedlichste Verschwörungstheorien und demonstrierten ihretwegen vor dem Mittel eingesetzt, um ihren Einfluss zu gezielte Desinformation Kanzleramt. Der russische Außenminis- mehren. Vor allem Russland setzt derzeit ter Sergej Lawrow schaltete sich ein und die hybride Kriegsführung ein, um sei- Einfachste Mittel sind zunächst Desin- bezichtigte deutsche Behörden der Ver- nen Einflussbereich auszudehnen. formation über staatlich gelenkte tuschung. Ein Gefühl der Verunsiche- Die Methoden, die Moskau nutzt, Medien wie dem russischen Fernseh­ rung machte sich breit. sind vielfältig. Sie reichen von gezielten sender Russia Today oder Luftraumverletzungen im Baltikum über Verschwörungstheorien, die die Petersburger Trolle, die den Mei- über Internetforen verbreitet nungsmarkt in den sozialen Medien werden. Auch vor Deutsch- beeinflussen, bis zu den »grünen Männ- land macht Russland dabei chen«, also russischen Soldaten ohne nicht halt. Die Unionsfrak- Uniform und ohne Hoheitsabzeichen, die unmittelbar vor der Annexion der Halbinsel Krim dort Straßensperren errichteten und öffentliche Gebäude besetzten. Ziel der hybriden Kriegsführung Staatlich gelenkte Medien wie der Fernsehsender ist die Destabilisierung anderer Länder, Russia Today verbreiten die Diskreditierung ihrer Regierungen, Verschwörungstheorien. Steinach Alliance/ZB/Sascha © Picture

von Machthaber Assad gegen die Islamisten in Syrien mit sche Interessen. Vielmehr will er unter Beweis stellen, dass hohen Kosten zu Buche. Anders als der Westen unterschei- Russland auf Augenhöhe mit den USA agiert. det Moskau nicht zwischen dem Terrornetzwerk IS sowie »Im Umgang mit Russland braucht der Westen ei- anderen islamistischen Kräften einerseits und der gemä- nen langen Atem«, heißt es daher in dem Positionspapier ßigten islamischen Opposition andererseits. der Fraktion. Vertrauensbildung werde nur dort gelingen, Trotz der hohen Kosten – was die Finanzen und die wo beide Seiten gemeinsame Interessen definieren können Reputation angeht – lässt Putin bisher keine Bereitschaft – zum Beispiel in der Bekämpfung des internationalen Ter- zum Einlenken erkennen. In den Verhandlungen mit den rorismus. Erst wenn die europäische Friedensordnung wie- USA über einen Waffenstillstand in Syrien mauert er, ob- derhergestellt sei, könne man zu langfristigen Zielen zu- wohl die Menschen in Städten wie Aleppo hungern und der rückkehren wie der Errichtung einer Freihandelszone von Bürgerkrieg mit militärischen Mitteln nicht beizulegen ist. Wladiwostok bis Lissabon – einem russischen Vorschlag, Was für den Kreml-Chef zählt sind nicht nur geostrategi- der bislang zu wenig vom Westen diskutiert worden sei.

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 16 Das Gespräch Moderne Rente aus einem Guss Interview mit Karl Schiewerling zur Rentendebatte

err Schiewerling, Sie sind als ar­ Schiewerling: Wichtig ist der Blick auf alle Stell- beitsmarkt- und sozialpolitischer schrauben. Das muss man sauber austarieren. Ein Sprecher der CDU/CSU-Bundes­ sinkendes Rentenniveau ist nicht gleichzusetzen tagsfraktion und Rentenexperte mit sinkenden Renten. Es ist aus meiner Sicht den- mittenH drin in der aktuellen Rentendebatte. noch wichtig, das Rentenniveau bis 2030 und darü- Was sind aus Ihrer Sicht die Knackpunkte? ber hinaus bei 45 Prozent zu stabilisieren. Eine Be- Schiewerling: In der Debatte um eine zukunftsfeste teiligung der Beitragszahler oder längeres Arbeiten Rente geht es um viele Teilaspekte, die sich sinnvoll ist für ein besseres Rentenniveau unentbehrlich. ergänzen müssen. Wenn wir das Vertrauen in die Aber die Jüngeren dürfen dadurch nicht überfordert drei Säulen des Rentensystems – gesetzliche Rente, werden, auch hier muss es eine Haltelinie geben. betriebliche Rente, private Vorsorge – dauerhaft erhalten wollen, dann brauchen wir eine klare Linie, Wie kann längeres und flexibleres Arbeiten eine Orientierung für die Menschen. möglich werden? Schiewerling: Mit der Flexi-Rente haben wir bereits Wie kann eine solche Linie aussehen? einen wichtigen Schritt in Richtung »zukunftsfeste Schiewerling: Ich habe unserer Arbeitsgruppe Rente« gemacht. Sie ermöglicht und belohnt länge- bereits im Frühjahr einen Zehn-Punkte-Plan vorge- res Arbeiten. Mit ihr lässt sich der Übergang vom stellt, der die wichtigsten Stellschrauben in den Blick Erwerbsleben in den Ruhestand individueller und nimmt. An diesem Plan halte ich nach wie vor fest, fließender gestalten. Sie ist damit ein wichtiger einiges davon hat der Koalitionsausschuss auch auf- Baustein für eine moderne Rente. Wir müssen mit gegriffen. Blick auf den Generationenvertrag aber das ganze System mit all seinen Stellschrauben sehen und dort Worum geht es dabei konkret? nachjustieren, wo es nötig ist. Schiewerling: Es geht darum, die gesetzliche Ren- tenversicherung als tragende Säule zu stärken, In den Medien wird vielfach von drohender zudem aber auch die Betriebsrenten und die Privat- Altersarmut gesprochen. Ist das ein Problem, vorsorge stärker in den Blick das auf uns zukommt? »Die betriebliche zu nehmen und auszubauen. Schiewerling: Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass Denn alle drei Säulen des von der Grundsicherung im Alter ganz überwiegend Altersvorsorge sollte Rentensystems sind wichtig. diejenigen Rentner betroffen sind, die wegen Wer vernünftig fürs Alter Erwerbsminderung aus dem Berufsleben ausge- zur Pflicht werden.« vorsorgen will, der muss in schieden sind. Deshalb sollten wir die Erwerbsmin- mindestens zwei der drei derungsrenten anheben. Es ist nun geplant, die Säulen einzahlen. So viel ist klar. Aus diesem Grund Zurechnungszeit stufenweise zu verlängern und so sollte über die aktuelle Beschlusslage hinaus die die Rentenansprüche zu erhöhen. betriebliche Altersvorsorge zur Pflicht werden. Zudem müssen, vor allem mit Blick auf kleine und Die Lebensleistungsrente als Signal gegen Al­ mittelständische Betriebe, Förderwege vereinfacht tersarmut ist ein schwieriges Projekt. Warum und zielgenau ausgebaut werden. Das geschieht ist das so? jetzt mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz. Schiewerling: Das Problem bei der Lebensleistungs- rente ist, dass zwei Systeme ineinandergreifen: die Vor allem die demografische Entwicklung Rente als Versicherungs- und die Sozialhilfe als Für- stellt das Rentensystem vor Herausforderun­ sorgesystem. Die Rentenversicherung kennt im gen. Welche Schritte sind notwendig, damit Unterschied zum Sozialamt natürlich keine Ver­ der Generationenvertrag nicht zu einem Ge­ mögensüberprüfung. Es kann aber nicht sein, dass nerationenkonflikt wird? diejenigen, die lange erwerbstätig waren, die Kinder Das Gespräch 17

erzogen oder alte Eltern gepflegt haben, im Alter auf zehnte hinaus hohe Kosten verursachen und zwi- die Grundsicherung angewiesen sind. Wir werden schen den Generationen neue Ungerechtigkeit prüfen, was man bei Geringverdienern tun kann. schaffen.

Viele Freiberufler sind nur unzureichend für Wie sieht es mit der Angleichung der Ost- das Alter abgesichert. Was kann die Politik West-Renten aus? hier tun? Schiewerling: Die Rentenangleichung kommt. Das Schiewerling: Damit Selbstständige später von ihrer ist jetzt beschlossene Sache. Es ist gut, dass unser Rente leben können, sollten sie generell verpflichtet Vorschlag aufgegriffen wurde, die Schritte etwas zu werden, für ihren Ruhestand so vorzusorgen, dass entzerren. sie im Alter nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind. Dies könnte dann nach dem Vorbild der Handwer- Warum ist eine einheitliche Vorsorgeinfor­ kerpflichtversicherung in der mation in Ihren Augen so wichtig? »Selbstständige gesetzlichen Rente oder aber Schiewerling: Das Thema wird jetzt nur ansatzweise mit einer Pflicht zur Privat- aufgegriffen, aber wir sollten es umfassender lösen: sollten für den Ruhe- vorsorge erfolgen. Denn ein zentrales Problem ist, dass viele Men- schen gar nicht wissen, was ihnen in der Summe stand vorsorgen.« Auch die Situation der aus den Systemen der gesetzlichen, betrieblichen Mütter ist ein Thema in und privaten Altersvorsorge zum Leben bleibt. Wir der aktuellen Rentendebatte. Was halten Sie brauchen daher eine einheitliche und für alle ver- von der Forderung, die Mütterrente für Frau­ ständliche Vorsorgeinformation. Dafür ist es aber en, die vor 1992 Kinder geboren haben, um notwendig, Rentenversicherung, Versorgungs- einen weiteren Punkt zu erhöhen? werke, Anbieter und Arbeitgeber bald an einen Schiewerling: Wir haben ja schon viel getan und das Tisch zu holen. war gut so. Die Mütterrenten nochmals um einen Punkt zu erhöhen, halte ich sowohl aus finanziellen Bundestagsdrucksache wie auch aus grundsätzlichen Erwägungen für prob- 18/97878 lematisch. Eine solche Maßnahme würde auf Jahr-

Karl Schiewerling Arbeitsmarkt- und sozial­ politischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion © Steven Rösler © Steven

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 18 Die Themen Soziale Medien stärker regulieren Betreiber müssen Hass-Kommentare entfernen – Fristen setzen und Beschwerdestellen einrichten

Plattformbetreiber oft zu nachlässig

Hetze, Verleumdung und Beleidigung sind Rechtsverstöße, die eigentlich geahndet werden müssen. Nicht nur die Verfasser hasserfüllter Kommentare müssten dafür zur Verantwortung gezogen werden, son- dern zu einem beträchtlichen Teil auch die Betreiber der Plattformen. Sie haben aber über Jahre ihre gesetzlichen Pflichten eklatant vernachlässigt. »Dabei wird von ihnen nicht einmal viel verlangt«, sagt Kauder. Laut Teleme- online/Ohde - diengesetz müssten sie lediglich die rechts- widrigen Inhalte auf ihren Seiten unverzüg- lich entfernen, sobald sie davon Kenntnis erlangen. Aber selbst diesen eingeschränk- ten Pflichten zur Löschung kommen sie

© Picture Alliance /Bildagentur © Picture kaum nach. Opfer von Verunglimpfungen beklagen, dass schon die Meldung von oziale Medien bieten der Politik einen direkten Rechtsverstößen schwierig sei. Reagierten die Betreiber Draht zur Gesellschaft. Ohne Umweg über Zeitun- dennoch, so seien ihre Antworten oft unbefriedigend. gen, Fernsehen oder Radio können Regierungen, Seit langer Zeit ist die Bundesregierung im Dialog Parteien und Verbände die Bürger heute schnell mit den Plattformbetreibern, um von ihnen die Einhaltung Sund zielgerichtet informieren. Bürger selbst wiederum des Rechts zu verlangen – was eigentlich eine Selbstver- können politische Diskussionen anstoßen, Anhänger für ständlichkeit sein sollte. Nun fordern Kauder und die ihre Sache gewinnen oder Protest organisieren. Facebook, rechtspoli­tische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Twitter, Youtube und Co. entwickeln sich aber immer mehr Winkel­meier-Becker, auch Rechtsverschärfungen. Im zu Plattformen, auf denen Unwahrheiten und Hass verbrei- Januar will die Fraktion zu dem Thema ein Fachgespräch tet, auf denen Menschen verunglimpft veranstalten. Die Ergebnisse sollen in und gemobbt werden. Daher setzt sich ein Positionspapier münden. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder »Einhaltung des Zu den Vorschlägen, die im Ge- mit Unterstützung vieler Fachpolitiker Rechts sollte selbst­ spräch sind, gehört unter anderem die in der Fraktion für eine stärkere Regulie- Benennung einer Frist, in der ein Betrei- rung ein. verständlich sein.« ber einen rechtswidrigen Kommentar Meist sind es Einzelne, die hinter entfernen muss. Zudem könnte den Be- den Diffamierungskampagnen stecken. Manchmal versu- treibern ab einer bestimmten Größe zur Auflage gemacht chen auch Regierungen und Organisationen, über diesen werden, eine Beschwerdestelle einzurichten, die Lö- Weg die politische Debatte zu beeinflussen. Bekanntestes schungsbegehren zügig bearbeiten kann. In einem jähr­ Beispiel ist Russland und seine Armee von Trollen. Mitun- lichen Bericht sollten die Betreiber darlegen, wie viele Ein- ter werden sogar Meinungsroboter, sogenannte social bots, träge nach welchen Kriterien gelöscht wurden. Können sie eingesetzt, um bestimmte Stimmungen zu verstärken. keine Beschwerdestelle oder keinen Transparenzbericht Das alles beeinflusst den politischen Diskurs, der vorweisen, sollte dies mit einem empfindlichen Bußgeld für eine Demokratie unerlässlich ist, auf negative Weise. geahndet werden. Auch das besondere Unrecht, das Men- Die Auseinandersetzungen in den sozialen Medien verro- schen erfahren, die im Netz beleidigt werden, soll sich im hen. In Online-Kommentaren und Bürgerzuschriften wird Strafrecht widerspiegeln. »Wir brauchen unbedingt höhere eine Sprache verwendet, die vulgär und abstoßend ist. Strafen für Cybermobbing«,­ erklärt Winkelmeier-Becker. KolumnentitelDie Bilder 19

Angela Merkel ist »die Beste für unser Land«

Angela Merkel hat sich entschieden: Sie will auch nach 16 Jahren Parteivorsitz CDU- Chefin bleiben und zum vierten Mal Kanzlerin werden. Ihre Kandidatur für beide Ämter kündigte sie Ende November in den Führungsgremien ihrer Partei an. Der Vorsitzende der Unions- fraktion, Volker Kauder, begrüßte Merkels Kandi- datur mit den Worten: »Sie ist die Beste für unser Land«. Die CDU muss laut Merkel neue und konkrete Antworten auf die Sorgen der Bürger geben, etwa beim Thema Altersarmut. Mit einer Politik von Maß und Mitte will die Union Halt und Orientierung geben. © Tobias Koch Koch © Tobias

Alle Jahre wieder Der Deutsche Bundestag erstrahlt in der Weihnachtszeit: 20 Weihnachtsbäume ste- hen pünktlich zum ersten Advent in den © Steven Rösler © Steven verschiedenen Parlamentsbauten und er- freuen Abgeordnete wie Mitarbeiter mit Tannenduft und Lichter- glanz. Das Bild zeigt den violett geschmückten Weihnachtsbaum im Jakob-Kaiser-Haus.

Europa ist besser als sein Ruf

Der Geschäftsführende Vorstand der CDU/CSU- Bundestagsfraktion hat in Brüssel Mitglieder der EU-Kommission, des Europaparlaments und anderer Institutionen getroffen. Das Bild zeigt Unionsfraktionschef Volker Kauder im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Jun- cker. Fazit der Gespräche: Auf Europa kommen schwierige Zeiten zu. In der Auseinandersetzung © Ulrich Scharlack mit den Populisten in allen Ländern des Konti- nents muss nach Auffassung der Unionsfraktion die Idee des geeinten Europas im Interesse der Bürgerinnen und Bürger verteidigt werden. Trotz aller Unzulänglichkei- ten ist Europa aber besser als sein Ruf.

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 20 Die Fraktion Ein Spiegel des Lebens Die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales im Porträt

ahezu das ganze Leben spiegelt sich im Aufga- Hektischer Terminplan in der Sitzungswoche bengebiet der Arbeitsgruppe Arbeit und Sozia- les der CDU/CSU-Fraktion wider. Die Geburt ei- Am Montag in der Sitzungswoche finden meistens die An- nes Kindes bringt für eine Mutter zum Beispiel hörungen des Ausschusses sowie Berichterstattungen im durchN Erziehungszeiten eine Veränderung ihrer Rentenan- Fraktionsvorstand statt. Am Montagabend spielen die AG- sprüche mit sich. Das Thema Kinderrehabilitation spielt Themen oft in den Sitzungen der Landesgruppen eine Rol- für die Menschen nicht selten eine Rolle wie auch die Fra- le. Der Dienstag beginnt für Karl Schiewerling frühmorgens ge, wie schwer erreichbare Jugendliche auf den Berufsein- mit dem Koalitionsfrühstück, bei dem die Bundesministe- stieg vorbereitet werden können. Die AG beschäftigt sich rin ihre aktuellen Vorhaben erläutert und hierzu die Mei- mit den Rechtsbeziehungen im Arbeitsleben im Zusam- nung der AG-Vorsitzenden einholt. Ab 9 Uhr tagt dann die menspiel mit den Sozialpartnern, mit dem Mindestlohn Arbeitsgruppe. Dort werden aktuelle Vorhaben beraten, Be- sowie dem Schutz von Arbeitnehmern im Erwerbsleben schlüsse gefasst sowie der Ausschuss und das Plenum vor- und nicht zuletzt mit allen Fragen der Alterssicherung. bereitet. Mitunter werden auch externe Gäste geladen. In der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales treffen Nach der Sitzung haben der Vorsitzende und seine Mitar- wie in kaum einer anderen AG die verschiedenen Interes- beiter ein Zeitfenster für Termine, Schreibtischarbeit und sen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie von Jung Rücksprachen. und Alt aufeinander und müssen zu einem Ausgleich Um 12.45 Uhr beginnt die Besprechung des Frakti- gebracht werden: zum Beispiel im Generationenvertrag onsvorsitzenden mit den Arbeitsgruppenvorsitzenden, um bei der Rente oder in der Frage, wie die Tarifautonomie 14 Uhr die Sitzung der Arbeitnehmergruppe und um 15 Uhr funktionieren kann. die Fraktionssitzung. Der Mittwoch beginnt meist mit der Seit 2009 führt Karl Schiewerling aus Nottuln bei Obleute-Runde, in der die anschließende Sitzung des Bun- Coesfeld die AG. Das Hauptgewicht der Arbeit müssen die destags-Ausschusses für Arbeit und Soziales vorbereitet AG-Mitglieder in den Sitzungswochen des Bundestages wird. Obmann für die CDU/CSU ist (CSU). stemmen. Dem Vorsitzenden der AG steht dafür ein Team Das Gremium wird gelegentlich vom stellvertretenden Aus- von fünf Fraktionsmitarbeitern zur Seite. Die konkrete schussvorsitzenden Matthias Zimmer (CDU) geleitet, der Vorbereitung jeder Sitzungswoche beginnt spätestens am seit 2009 der Arbeitsgruppe angehört. Donnerstag der vorhergehenden Woche. Dann muss die Donnerstags und freitags finden die Debatten im Tagesordnung festgezurrt sein. Außerdem müssen Be- Plenum statt. Dabei ist es für die AG natürlich von großer richterstattergespräche und Termine vorbereitet sowie Bedeutung, dass die jeweils zuständigen Abgeordneten bei Kurzvermerke für den Parlamentarischen Geschäftsführer »ihren« Tagesordnungspunkten anwesend sind. Zwischen- erstellt werden. durch gibt es immer wieder Besprechungen, Termine, Tele- fonate und Rücksprachen. Am Frei- tagnachmittag endet die Sitzungswo- che und die Abgeordneten fahren in ihre Wahlkreise zurück. Doch Feier- abend haben sie noch lange nicht. Denn hier warten schon die nächsten Gespräche, Versammlungen und sonstigen Termine. So geht es weiter – bis zur nächsten Sitzungswoche wieder in Berlin.

Die Mitglieder der AG Arbeit und Soziales der CDU/CSU-

© Steven Rösler © Steven Bundestagsfraktion DieKolumnentitel Antworten 21

Knapp 600 Millionen Euro für deutsche Bauern Fragen und Antworten zum Hilfspaket für die Landwirtschaft

Viele Bauernfamilien in Deutschland Den Betrieben soll Liquidität verschafft Wie werden die Bauern weiter kämpfen aktuell um ihre Existenz. Die werden. Schon 2015 standen Deutsch­ entlastet? CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die land dafür 70 Millionen EU-Gelder zur Die Unionsfraktion hat sich für eine Bundesregierung helfen den Landwir­ Verfügung. Die Mittel aus dem zweiten Tarifglättung eingesetzt, die Anfang ten in dieser außerordentlichen Krise. EU-Hilfspaket verdoppelt die Bundesre­ Dezember beschlossen werden sollte. Gemeinsam mit der EU haben sie ein gierung sogar auf 116 Millionen Euro. Das bedeutet, die Durchschnittsbesteu­ Millionen-Hilfspaket geschnürt. Um zusätzlich Geld auf die Höfe zu erung wird von zwei auf drei Kalender­ bringen, hat sich die CDU/CSU-Bun­ jahre ausgedehnt – und zwar rückwir­ Warum geht es den Landwirten destagsfraktion für weitere Zuschüsse kend ab 2014. Diese Entlastung werden so schlecht? bei der Unfallversicherung der Land­ die Landwirte schnell spüren. Sie gibt Die Landwirte in der EU leiden unter wirte über 2016 hinaus eingesetzt. Mit ihnen Planungssicherheit und hilft bei den Preiseinbrüchen für Milch, Fleisch, Erfolg: Im Landwirtschaftsetat des Bun­ Kreditanfragen gegenüber Banken. Obst und Getreide. Denn die Nachfrage deshaushalts 2017 sind dafür erneut Außerdem wird das von CDU und CSU aus dem Ausland – aus Ländern wie 178 Millionen Euro veranschlagt. Diese geforderte Bürgschaftsprogramm ein­ China oder Russland – ist eingebro­ Ersparnis kommt bei den Betrieben gerichtet. Betriebe können bei der chen. Auf dem heimischen Markt allein unmittelbar an. Landwirtschaftlichen Rentenbank ein indes kann die große Menge an land­ Liquiditätshilfedarlehen von maximal wirtschaftlichen Produkten nicht abge­ Wie sollen die Preise stabilisiert 300.000 Euro je Betrieb beantragen. setzt werden. Hinzu kommt, dass werden? Der Bund übernimmt eine Ausfallbürg­ Erzeugerorganisationen und Genos­ Von den 500 Millionen Euro an EU- schaft von 50 Prozent. Die andere senschaften nicht an einem Strang zie­ Hilfsgeldern sind 150 Millionen an eine Hälfte übernehmen die Hausbanken. hen. Der Handel nutzt dies für eine Mengenreduktion gebunden. Damit Das Hilfspaket für die Landwirtschaft ist extreme Preispolitik zu Lasten der profitieren nur diejenigen Milcherzeu­ ein wichtiges Signal für die Höfe in Erzeuger. ger, die ihre Produktion drosseln. Kon­ Deutschland. Insgesamt wächst der kret heißt das: Die Bauern bekommen Landwirtschaftsetat des Bundes 2017 Wie hilft die Politik den Bauern für jeden Liter Milch, den sie im Ver­ im Vergleich zu 2015 um 640 Millionen und ihren Familien? gleich zum letzten Quartal 2015 weni­ Euro auf rund sechs Milliarden Euro. EU-Kommission, Bundesregierung und ger produzieren, 14 Cent Beihilfe. Auch CDU/CSU-Bundestagsfraktion springen die weiteren EU-Mittel, die Deutschland Bundestagsdrucksache den Bauern in dieser Krise bei. Sie auf 116 Millionen Euro aufstockt, sind 18/10237 haben ein Hilfspaket geschnürt, aus an eine Mengendisziplin gekoppelt. dem den deutschen Bauern bis Ende Dies soll dazu animieren, weniger Milch 2017 eine Gesamtsumme von 581 Mil­ auf den Markt zu bringen und die Preise lionen Euro zugutekommt. so zu stabilisieren.

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 22 Das Fest

Die Redaktion wünscht Ihnen frohe und gesegnete Weihnachten­ und ein gutes neues Jahr! Jenseits der Politik Weihnachten ist ein Fest der Besinn­ lichkeit. Wir lassen die Hektik des Alltags hinter uns, um uns auf das zu besinnen, was uns wichtig ist. Was könnte dabei mehr helfen als ein gutes Buch? Im Folgenden haben die Mit­ arbeiter der Redaktion eine kleine Aus- wahl an Büchern – Sach­büchern wie Romanen – zusammen­gestellt, die sie Ihnen als Weihnachtslektüre ans Herz legen. Die Bücher können Ihnen zu neuen Einsichten ver­helfen, zur Aus­ einandersetzung mit dem Leben beflügeln oder einfach nur ein paar vergnügliche Stunden bereiten. © sot/DigitalVision/Getty Images © sot/DigitalVision/Getty Das Fest 23

Rückbesinnung auf die Wurzeln

Vishal Mangalwadi Das Buch der Mitte: Wie wir wurden, was wir sind: Die Bibel als Herzstück Vom Glück und der der westlichen Kultur Trauer der Lebens Basel: Fontis – Brunnen, 2014 Benedict Wells Im politischen Diskurs gewinnt die Dis- Vom Ende der Einsamkeit kussion um die Verteidigung westlicher Zürich: Diogenes, 2016 Werte zunehmend an Bedeutung. Aber woher kommen diese Werte? Warum ist Es gibt sie immer wieder: Romane, die zum Beispiel die Würde des man in einem Zug, fast berauscht durch- Menschen für westliche De- liest. Es kommt dann für mich meist vie- mokratien unantastbar? Gibt les zusammen: Das Thema empfinde ich es überhaupt universelle als berührend, die Sprache und den Ton Werte in einer Welt, in der al- als angenehm, die Konstruktion und die les im Strom der Beliebigkeit Figuren als glaubwürdig. Ein solches verschwimmt? Buch ist für mich »Vom Ende der Ein- Der indische Philo- samkeit« von Benedict Wells. Es ist mein soph, Sozialreformer und Buch des Jahres. Christ Mangalwadi ist faszi- Der 355 Seiten starke Band be- © Fontis niert von der Entstehungsge- schreibt das Schicksal von drei Ge- schichte der westlichen Gesellschaft und schwistern, die in früher Jugend ihre El- fragt nach der treibenden Kraft dieses tern durch einen Unfall verlieren. Im Erfolgs. In einer beeindruckenden Ana- Mittelpunkt steht Ich-Erzähler Jules. Be- lyse, wie sie wohl nur mit dem Hinter- lastet vom traumatischen Verlust von grund eines anderen Kulturkreises mög- Mutter und Vater versucht lich ist, weist er nach, dass alle Errun- er, seinen Platz im Leben zu genschaften der Moderne wie Demo­ finden. Die Liebe zu einer kratie, technischer Fortschritt, aber auch Mitschülerin spielt dabei Bildung und Menschenrechte letztlich eine große Rolle. das Ergebnis einer christlichen Weltsicht Dieser Roman spie- sind und auf die Bibel als Herzstück zu- gelt – das zeichnet eine rückgehen. gute Erzählung aus – das Nur in einer Gesellschaft, die an Leben in seiner ganzen absolute Wahrheitserkenntnis glaubt, so Bandbreite wider: Höhen

seine Schlussfolgerung, hat das Denken und Tiefen, Glück und Trau- © Diogenes echte Autorität und wird nicht bloß von er. Das Buch dokumentiert willkürlichen, mitunter gefährlichen Mo- den Inbegriff des Lebens. Benedict Wells detrends bestimmt. Mangalwadi ermu- lässt Jules zurückgenommen, fast redu- tigt den Westen, sich wieder stärker auf ziert die Ereignisse schildern. Seine seine Wurzeln zu besinnen und die trei- Sprache ist uneitel und präzise. Benedict bende Kraft seiner so erfolgreichen Ent- Wells will kein Sprachakrobat sein und wicklung auch für die Gestaltung der Zu- dient deshalb umso mehr der Sprache. kunft zu nutzen. Ich selbst bin immer etwas skep- tisch, wenn man mir von Büchern so Sven-Olaf Heckel vorschwärmt, wie ich es hier versuche. Darum als kleine Absicherung meines Lobes dieser Hinweis: Ich habe das Buch sehr oft weiterempfohlen und immer haben die, die es gelesen haben, meine Ansicht geteilt, dass es sich um einen wirklich guten Roman handelt.

Ulrich Scharlack

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 24 Das Fest

Als die Queen die Literatur entdeckte Ein grandioses Alan Bennett Wohltuende Die souveräne Leserin Wildwest-Epos Sachlichkeit Berlin: Wagenbach, 2008 John Williams Butcherʼs Crossing

Georg Cremer © Wagenbach Sie glauben, liebe Leser, München: dtv, 2015 Armut in Deutschland. der Brexit sei das Folgen- Wer ist arm? Was läuft schief? reichste, was den Briten passieren kann? Sehr oft sind die Anpreisungen auf den Wie können wir handeln? Weit gefehlt. Folgenreicher noch wäre Rückseiten von Büchern übertrieben. Im München: Beck, 2016 eine Monarchin, die ihre Pflichten ver- Fall von John Williams »Butcher’s Cros- nachlässigt, weil sie der Belletristik ver- sing« sind sie aber zutreffend. Dort heißt »Die Armen werden immer ärmer und fällt und die am Schluss… Nein, das es: »Eine Geschichte, die einem den die Reichen immer reicher.« Plattitüden möchte ich nicht vorwegnehmen. Atem raubt, Bilder die sich tief eingra- wie diese sind häufig in Debatten über Der englische Schriftsteller und ben, eine überwältigende Parabel über Armut in Deutschland zu hören. Der Drehbuchautor Alan Bennett malt in der Hoffnung und Wahn, Leben und Tod«. langjährige Generalsekretär der Caritas, Novelle »Die souveräne Leserin« (»The »Butcher’s Crossing« ist ein Wes- Georg Cremer, hat jetzt ein Buch veröf- Uncommon Reader«) aus, wie es wäre, tern. Man kann dieses Genre mögen fentlicht, in dem er das Thema wohltu- wenn Queen Elizabeth II. – per Zufall – oder auch nicht, aber die Beschreibung end sachlich behandelt. Detailgenau be- die schöngeistige Literatur entdeckte dieser Bison-Jagd ist einfach ein starkes leuchtet er Aspekte wie die Alterssiche- und fortan jede freie Minute darauf ver- Stück Literatur. Ein junger Mann von der rung und den demografischen Wandel, wendete, die Nase in ein Buch zu ste- Ostküste ist um 1870 auf der Suche nach die Entwicklung der Mittelschicht und cken. Dabei hält er minutiös fest, wie einem Urerlebnis. Er sucht den Kampf natürlich auch Hartz IV. Plausibel stellt sich nicht nur das Verhalten der Queen mit der Natur und lässt eine kleine Grup- er dar, wie problematisch der Begriff der und ihre Wahrnehmung ändern, son- pe von Männern zusammenstellen, die »Armutsgefährdung« ist, der 2001 von dern auch die Reaktionen ihres Umfelds sich auf nach Westen machen. Aus- der EU-Kommission festgelegt wurde. darauf. gangspunkt ist der kleine Ort »Butcher‘s Danach gilt jeder, der weniger als 60 Grandios ist nicht nur die Idee, Crossing«. Prozent des Durchschnittseinkommens die Bennett bis zu Ende spinnt, grandios Williams entwickelt ein grandio- zur Verfügung hat, als »armutsgefähr- ist auch der Stil und der Sprachwitz, die ses Epos. Er beschreibt die Landschaft, det«. Selbst wenn jeder in Deutschland Spitzen und Spitzfindigkeiten. Eine per- die Naturgewalten, das Leiden von auf einen Schlag 1.000 Euro mehr im fekte Kostprobe englischen Humors und Mensch und Tier plastisch. Man hört Monat erhielte, würde sich nach dieser ein unvergleichliches Lesevergnügen förmlich beim Lesen das Zerren der Och- Definition an der vermeintlichen »Ar- unter dem Weihnachtsbaum. sen am Leder ihres Geschirrs, wenn be- mutsgefährdung« kaum etwas ändern. schrieben wird, wie diese den schwer Cremer ist weit davon entfernt, Claudia Kemmer beladenen Karren den Berg heraufzie- Probleme zu verharmlosen. So nennt er hen. Die Gesichter der Männer stehen als Hauptrisikogruppen Arbeitslose, Al- dem Leser vor Augen, wenn Williams sie leinerziehende und Menschen mit Mig- am Lagerfeuer sitzend, er- rationshintergrund. Eine Politik, die auf schöpft von der Jagd be- Bildung und ein intelligentes Anreizsys- schreibt. tem setzt, ist nach seiner Überzeugung Das Buch ist auch der beste Weg, um Armut dauerhaft zu ein Roman über eine Epo- bekämpfen. Cremers Buch ist eine anre- chenwende. Die Truppe gende Lektüre, die auch muss lange suchen, bis sie dann Argumentationshilfen überhaupt noch Bisons fin- liefert, wenn man nicht mit det, die einst die Prärie be-

jeder seiner Forderungen © dtv herrscht haben. Williams übereinstimmt. findet am Schluss seines Romans eindringliche Bilder, um den Joachim Riecker Wechsel der Zeiten deutlich zu machen. Bestes Hollywood wird geboten, aber in Buchstaben!

© Beck Ulrich Scharlack © sot/DigitalVision/Getty Images © sot/DigitalVision/Getty Das Fest 25 »Politik ist das Bohren dicker Bretter« Matthias Zimmer über die Geduld als Tugend und den Zweifel als Mittel der Erkenntnis

er Abgeordnete Matthias Zimmer ist ein vielseitiger Politik ist das Bohren dicker Bretter und da kann Geduld schon Mensch. Der promovierte und habilitierte Politikwis- eine Tugend sein. Tröstlich dabei ist, dass die sprichwörtlichen Dsenschaftler, der seit 2009 für die CDU im Bundestag Mühlen Gottes noch langsamer mahlen als die parlamentari- sitzt, spielt in seiner Freizeit Klavier und schreibt Bücher. Darin schen. beschäftigt er sich unter anderem mit der Zukunft der Arbeit und mit Nachhaltigkeit als Grundprinzip einer Politik aus christ- Zweifeln Sie gelegentlich an Sinn und Funktions­ licher Verantwortung. In seinem jüngsten Werk »Am Rande der fähigkeit der parlamentarischen Demokratie? Politik« trägt er Beobachtungen aus dem parlamentarischen Zimmer: Ich halte es da mit Aristoteles: Wer recht erkennen Alltag zusammen und nimmt sie – will, muss zuvor in richtiger Weise augenzwinkernd – zum Anlass, gezweifelt haben. über Veränderungen in der Gesell- schaft nachzudenken. Sie schreiben in Ihrem Vor­ wort, Ihr Buch sei keine Wer­ Herr Zimmer, welche Skurrili­ beschrift für die CDU. Zehn tät des politischen Alltags hat Monate vor der Bundestags­ Sie am meisten verblüfft? wahl 2017: Wird das Ihr nächs­ Zimmer: Die Schirmherrschaft: Ein tes Projekt? liebenswertes Relikt aus vordemo- Zimmer: An dieser Werbeschrift kratischer Zeit, in dem durch die arbeite ich mit den Kolleginnen beschirmende Geste eines demo- und Kollegen der Fraktion schon kratisch gewählten Politikers eine seit Beginn der Wahlperiode 2013. Veranstaltung oder ein »event« Es gilt nämlich: An ihren Früchten geadelt wird. Das Skurrile ist dabei sollt ihr sie erkennen. Die beste nicht nur die Tatsache als solche, Verpackung nützt nichts, wenn der sondern die Praxis: Eine Schirm- Inhalt nicht taugt. person muss weder etwas über die Veranstaltung wissen, die sie Sie zitieren gerne Aristoteles freundlich beschirmt, noch daran mit dem Satz »Der tugendhaf­ teilnehmen. te Mensch wählt die Mitte und entfernt sich von den beiden Für welche Politiker-Marotten Extremen, dem Zuviel und haben Sie Verständnis? dem Zuwenig.« Denken Sie da­

Zimmer: Das eigene Argument in Chaperon © Laurence bei an Ihre Partei? Reden oder Interviews mit Zitaten Zimmer: An welche Partei sollte zu veredeln, denn »Tiefe liegt nicht in dem, was man sagt, son- ich sonst denken bei der Erwähnung tugendhafter Men- dern im Niveau, von dem aus es gesagt wird« (Nicolás Gómez schen? Dávila). Was würden Sie Abgeordneten mit auf den Weg geben, Die parlamentarischen Mühlen mahlen langsam. Reißt die 2017 erstmals in den Bundestag einziehen? Ihnen manchmal der Geduldsfaden? Zimmer: Das Staunen nicht verlernen, Verständnis für mensch- Zimmer: Ungeduld ist ja eine der entschuldbaren Schwächen, liche Schwächen haben und dem Gebrauch des eigenen Ver- zu der sich ein Politiker immer bekennen kann, offenbart sie standes vertrauen. Vor allem aber: Gute Mitarbeiter/innen doch Tatkraft, Gestaltungswillen und den Mut zu zielgerichte- anheuern, die mitdenken, offen und kritisch sind und das Weih- tem und unmittelbarem Handeln. Andererseits gilt aber auch: rauchfässchen sparsam verwenden.

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 26 Die Zahlen Das Interesse der Menschen an Bildung ist unge­ brochen. Das zeigt der Bildungsbericht 2016, der Mitte November im Bundestag debattiert wurde. Danach erhöhten sich die Ausgaben für Bildung, Forschung und Wissenschaft im Jahr 2014 um 8 Milliarden auf 265,5 Milliarden Euro – was 9,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht. Die Ausgaben je Schüler stiegen von 4.900 Euro (2005) auf 6.500 Euro (2013). Ins­besondere die Bildungssituation von jungen Menschen mit Migrationshintergrund hat sich verbessert. Im Vergleich zu 2009 gehen doppelt so viele Kinder unter 3 Jahren mit Mig­ rationshintergrund in Kitas, nämlich 22 Pro­ zent. In den Kindergarten gehen sogar 90 Prozent der Kinder aus Einwandererfamilien. 2013 studierten 15 Prozent der 20- bis 30-Jährigen mit Migrationshintergrund, 2015 waren es 9 Prozent. Der Gast 27 500 Jahre Reformation – Anlass zum Feiern und Gedenken Von Martin Dutzmann, dem Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union

en jungen Augustinermönch Martin Luther quäl- führte in vielen Ländern dazu, dass eine Schriftsprache ent- te am Beginn des 16. Jahrhunderts die Frage: »Wie stand, Dichtung und Literatur erhielten Auftrieb. In protes- bekomme ich einen gnädigen Gott?« Die Antwort tantischen Regionen wurde die allgemeine Schulpflicht fand er nach langem und intensivem Studium in eingeführt. Bildung wurde zur politischen Aufgabe, die der derD Heiligen Schrift: Gott ist dem Staat zu erfüllen hat. Heute ist dies in allen Menschen längst gnädig. Er sieht ihn modernen Verfassungen verankert. mit liebenden Augen an, und dabei Nicht verschwiegen werden darf, dass spielt keine Rolle, ob dieser Mensch die Reformation auch äußerst problemati- im Kloster lebt oder ein weltliches sche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben führt, leistungsfähig ist oder Miteinander hatte. Hier sei insbesondere an schwach, erfolgreich oder geschei- Luthers Schrift »Von den Juden und ihren Lü- tert, arm oder reich, jung oder alt. Der gen« aus dem Jahr 1543 erinnert. Die aggressi- so angesehene Mensch muss nichts ven antijudaistischen Äußerungen des Refor- tun als sich Gottes liebenden Blick mators lieferten bis in das 20. Jahrhundert gefallen zu lassen. hinein dem Antijudaismus und dem Antise- Diese Entdeckung, der Kern mitismus eine theologische Legitimation. der Reformation, hatte erhebliche Nicht erst der Mord an sechs Millionen Jüdin- Konsequenzen. nen und Juden während der nationalsozialis- Folgen hatte Luthers Entde- tischen Diktatur verpflichtet uns, die dunklen ckung zunächst für den einzelnen Seiten der Reformation nicht auszublenden.

Menschen. Luther schreibt davon Schoelzel © Andreas Dennoch! Die religiösen Grundent- 1520 in seiner Schrift »Von der Frei- scheidungen der Reformation bleiben wich- heit eines Christenmenschen«: »Ein Christenmensch ist tig und deren politische und gesellschaftliche Auswirkun- ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan.« Die- gen bis heute spürbar. Das ist Grund, der Reformation zu se Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Sie rief wei- gedenken und die Reformation zu feiern. Alle Bundeslän- tere Prediger auf den Plan, die sie weiterdachten und wei- der haben der Bitte der EKD, den 31. Oktober im Jahr 2017 tererzählten, und stärkte Kräfte, die eine Reform von Kirche einmalig zum gesetzlichen Feiertag zu erklären, entspro- und Gesellschaft wünschten. chen. Allerdings kann es an diesem Tag und im übrigen Impressum Der von Gott befreite Mensch übernimmt Jubiläumsjahr nicht um Verantwortung ein Erinnern um des Erin- Herausgeber Michael Grosse-Brömer MdB nerns willen gehen. Es ist MdB In Luthers Freiheitsschrift folgt auf die Proklamation der vielmehr zu fragen, welche CDU/CSU-Bundestagsfraktion Freiheit eines Christenmenschen eine weitere, ähnlich kirchlichen, gesellschaftli- Platz der Republik 1 11011 Berlin klingende Feststellung: »Ein Christenmensch ist ein chen und politischen Im- dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.« pulse die Reformation in V.i.S.d.P.: Ulrich Scharlack Redaktion: Claudia Kemmer Der von Gott befreite Mensch übernimmt Verantwortung – einer Zeit zu geben vermag, (verantw.) die von einem ähnlich tief- in Familie und Kirche, Gesellschaft und Staat. Hier deuten T 030. 227-5 30 15 sich die gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen greifenden Wandel geprägt F 030. 227-5 66 60 der Reformation an. zu sein scheint, wie ihn die [email protected] Als ein Beispiel von vielen sei die Wirkung der Re- Menschen vor 500 Jahren formation im Bereich von Sprache und Bildung genannt: erlebten. Diese Veröffentlichung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Da der Mensch von den Reformatoren unmittelbar zu Gott dient ausschließlich der Infor­ gedacht ist, kann er sich nicht auf die religiöse Bildung an- mation. Sie darf während eines derer verlassen, sondern muss selbst entsprechend gebil- Wahlkampfes nicht zum Zweck der Wahlwerbung verwendet det sein. Deshalb wurde die Bibel in die Volkssprache über- werden. setzt, auch der Predigt kam eine neue Bedeutung zu. Beides

Fraktion direkt – Das Monatsmagazin – Dezember 2016/Januar 2017 28 Kolumnentitel Das Zitat

»Der Ausgang der US-Wahl ist auch ein Weckruf an Europa, besonders in der Außen- und Sicher­ heitspolitik effektiver zu werden.«

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, zum Sieg von Donald Trump bei der Präsident­ schaftswahl in den USA © Katja - Julia Fischer

Die Fraktion im Internet und den sozialen Medien »Fraktion direkt« bestellen Termine Die Webseite der Fraktion: www.facebook.com/ »Fraktion direkt – Das Monatsmagazin« 12. Dezember 2016 www.cducsu.de cducsubundestagsfraktion erscheint jeweils am Ende eines Monats. Kongress Bestellen können Sie das Heft unter »Arbeit der Zukunft – Der Blog der Fraktion: www.youtube.com/ cducsu [email protected] gesund, sozial, gesichert« blogfraktion.de Über die aktuellen Entwicklungen infor­ 14. Dezember 2016 Frakion direkt: twitter.com/cducsu miert Sie wöchentlich »Fraktion direkt – Kongress www.cducsu.de/fd Der Newsletter«. Den elektronischen »Einzelhandel 4.0 – Newsletter können Sie abonnieren unter (R)evolution einer Branche« Bundestagsdrucksachen: www.instagram.com/ www.cducsu.de/newsletter-abo. Sie www.bundestag.de cducsubt erhalten dazu auch die PDF-Ausgabe von »Fraktion direkt – Das Monatsmagazin«.