Rosenstolz „“ 2008, Universal Music

„Sag, wie weit ist vorbei wie hoch liegt das Land wie tief ist das Meer wie weiss ist der Sand warum war mir nicht klar wie gut wir doch war’n wär’ der Juli ein Tag und der Sommer ein Jahr wo ist mein Traum, der mich vergass ich hab’s überlebt egal wie du fehlst“

Philosophische Fragen stellen sich im Lied „Wie weit ist vorbei“. Erinnerungen kommen nach dem Ende einer Beziehung, Erinnerungen vom Anfang, dem dazwischen und dem Schluss. Solche Frage gehen durch alle Texte von Rosenstolz. Immer wieder geht es um Liebe, um Beziehungen, um deren Chancen und Krisen. „Die Suche geht weiter“, der Albumtitel ist Programm. Fragen werden gestellt, Antworten bleiben aus. Suchende Menschen sind offen für Neues, Unerwartetes. Ihr Blick ist nicht gesenkt sondern schweift interessiert in alle Richtungen. Nicht ängstlich, sondern bereit, das was kommt, willkommen zu heissen.

„Du fragst warum es so hell scheint, dort hinten so weit fragst warum es hier kalt ist und dunkel zugleich weit in der Ferne weit, ganz weit dort strahlt alles schöner heller und weich dort strahlt es viel heller und Zeit ist ganz gleich ich will dir nur sagen, ich will, dass du weißt die Suche geht weiter wenn wir kurz halten dann nur um zu sehn dass der Weg, den wir gehn schön und doch steil ist ein Stück nur vom Teil ist die Suche geht weiter die Suche geht weiter nach vorn“

Es sind Songs, die sich sofort im Herz festhängen und für den ein oder anderen Klos im Hals sorgen werden. Wie eine dicke Decke schmiegen sich die zwölf Songs an dich, halten dich und geben Trost – auch wenn man eigentlich gute Laune hat. Obwohl der Sound schon nach den ersten Sekunden ins Ohr geht, möchte „An einem Morgen im April“ am längsten im Hirne seine Runde drehen. Hier warten und AnNa R. mit einem ungewöhnlichen Lied auf. Völlig überraschend verstarb die Mutter Elke des langjährigen Lebenspartners von Peter Plates, dem Rosenstolz-Mitproduzenten Ulf Sommer. Mit unermüdlichem Einsatz unterstützte sie Rosenstolz seit Karriereanfangstagen und war somit eine enge Vertraute des Duos.

„An einem Morgen im April Kurz bevor die Nacht verschwand nahmst du Abschied hier ganz still etwas ging zu Ende und was Neues begann ich lag ganz tief in meinen Träumen und war wieder ganz ein Kind es hat sich alles so geändert in dem Moment als du gingst

Und ich seh’s noch so wie gestern hälst mich fest in deinem Arm blies den Rauch hoch in den Himmel sagst das wird schon irgendwann und du schaust zu mir ganz traurig ich kann nicht aufhören zu wein du versprichst mir mich zu halten und ich schlafe wieder ein

Und draußen ist Frühling dabei müsst es doch schnei’n überall hör ich lachen warum kann ich nicht weinen es geht einfach weiter als wär gar nichts gescheh’n als gäbs niemals ein Ende warum kann ich nicht weinen

Und ich fühl’s noch so wie damals deine Augen schön wie's Meer rufst mir liebevoll entgegen du ich brauch dich doch so sehr du bleibst für immer doch mein Engel ganz egal was du auch machst höre ich dich leise flüstern und ich seh’ noch wie du lachst“

Die Songs entstanden unter dem Einfluss, den Tod und Verlust auf die im Leben Verbliebenen ausüben. Laute oder gar schrille Töne sucht man vergebens - es handelt sich vielmehr um ein im Grundton zurückgenommenes , das trotz der dunklen Vorgabe nie in einem womöglich weinerlichen Credo stecken bleibt. Vielmehr lassen sich die Themen und Texte in einem oft doppelbödigen Sinn zum Bereich Liebe umdeuten, besonders was die schmerzhaften Erfahrungen angeht, nicht zuletzt die Liebe zu sich selbst:

„Ich bin das Wort das mich beschenkt, an das ich glaub bin wie der Fels der ewig bleibt und dem ich trau'

Ich bin mein Haus bin mein Licht ich bin der Traum der zu mir spricht ich bin der Weg auf dem ich geh' ich bin die Frage die ich nie versteh' ich bin die Frage die ich nie versteh'

"Die Suche Geht Weiter" nimmt einen Ausnahmestatus im bisherigen Output des Berliner Duos ein: Keine Zeit und Gelegenheit für ausschweifende, überschäumende Partys. Dafür Zurückgenommenheit und eine Aufforderung zu Besinnung und persönlicher Bestandsaufnahme darüber, was Leben eigentlich bedeutet. Besinnung führt zum Umdenken, zu einer neuen und überraschenden Deutung des Lebens, schlussendlich hinein in eine neue Offenheit um zu allen Momenten, welche das Schicksal bringt zu sagen: „Herzlich willkommen“. Auch wenn der kalte Winterwind durch alle Songs von Rosenstolz weht, sind da immer wieder Eisblumen zu entdecken. Auch Eisblumen können tröstlich leuchten und hin weisen auf eine Antwort auf dieser Suche, welche weiter geht.

Patrik Böhler

Die erwähnten Liedtexte sind zu finden unter: www.kathbern.ch/glaubenssichten