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Gesamtsynthese Handlungsempfehlungen zur Nutzung von Fliessgewässern unter veränderten klimatischen Bedingungen - Massnahmen in der Landwirtschaft, bei der Brauchwassernutzung und der Fischerei

Birs in Laufen (oben links), prognostizierte Abflüsse der (oben rechts), landwirtschaftliche Bewässerung (unten links), Vermessung einer Forelle (unten rechts)

Bericht 16 / 221 Reinach, November 2016

Scherrer AG, Hydrologie und Hochwasserschutz, Schönmattstrasse 8, CH-4153 Reinach, ++41 61 715 30 90 www.scherrer-hydrol.ch Impressum Impressum

Auftraggeber: Amt für Umweltschutz und Energie (AUE), Kanton -Landschaft, Rheinstrasse 29, 4410 Liestal

Begleitgruppe: Dr. Adrian Auckenthaler, Amt für Umweltschutz und Energie, Kanton BL, Ressort Wasser und Geologie Daniel Zopfi, Amt f. Wald beider Basel, Jagd- und Fischereiverwaltung Christoph Gysin, Landwirtschaftliches Zentrum Ebenrain, Ländliche Entwicklung und Ressourcen Andreas , Landwirtschaftliches Zentrum Ebenrain, Ländli- che Entwicklung und Ressourcen

Sachbearbeitung: Scherrer AG (Teilprojekt Wasserhaushalt und Gesamtsynthese) Dr. Peter Kienzler Dr. Simon Scherrer Dr. Daniel Näf Roger Frauchiger Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH (Teilprojekt Bewässerung) Jürg Fuhrer P. Smith Alexander Zorn Markus Lips Amt f. Wald beider Basel, Jagd- und Fischereiverwaltung, Amt für Umweltschutz Kanton Basel-Landschaft (Teilprojekt Fischfauna) Thomas Amiet Daniel Zopfi Dr. Marin Huser

- 1 - Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung...... 2 2 Verwendete Daten und Unterlagen...... 3 3 Grundlagenstudien...... 4 3.1 Einleitung...... 4 3.2 Wasserhaushalt und Wassertemperatur...... 4 3.3 Landwirtschaftliche Bewässerung...... 10 3.4 Fischfauna, Fischbewirtschaftung...... 13 4 Synthese...... 16 4.1 Gewässerbewirtschaftung, Wasserversorgung...... 16 4.2 Auswirkungen auf die Landwirtschaft...... 18 4.3 Auswirkungen auf die Fischfauna...... 20 5 Handlungsempfehlungen...... 22 5.1 Empfehlungen zum Wasserhaushalt in den Gewässern...... 22 5.2 Empfehlungen für die Landwirtschaft...... 22 5.3 Empfehlungen zur fischereilichen Bewirtschaftung...... 23 5.4 Empfehlungen zum Monitoring...... 23

- 1 - 1 Einleitung 1 Einleitung Durch den Klimawandel besteht im Kanton Basel – Landschaft die Gefahr von verringerten Niederschlägen, zunehmenden Lufttemperaturen und zunehmender Verdunstung im Sommer. Dadurch kann es zu einer verringerten Wasserführung in den Fliessgewässern und zu erhöhten Wassertemperaturen kommen. Gleichzeitig könnte der Wasserbedarf in der Landwirtschaft für Bewässerung und durch sonstige Brauchwassernutzungen zunehmen. Die veränderte Situati- on wirkt sich auch auf die Gewässerfauna, insbesondere die Fischfauna aus. Als Grundlage für konkrete Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmassnahmen in der Landwirtschaft und für die Bewilligungspraxis der Behörden zum Umgang mit dem veränderten Wasserdar- gebot wurden in Teilprojekten verschiedene Grundlagenstudien zum Wasserhaushalt, zur Be- wässerung und zur Fischfauna durchgeführt. In Scherrer AG (2016) wurde eine Wasserbilanz für den Ist-Zustand für die Baselbieter Ge- wässer erstellt und eine Einschätzung vorgenommen, welche Baselbieter Oberflächengewäs- ser im Ist- Zustand empfindlich, welche weniger empfindlich und welche robust bezüglich Trockenheit und Brauchwasserentnahmen sind. Mit einem Wasserhaushaltsmodell wurden die Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf den Wasserhaushalt und das zukünftige Wasserdargebot berechnet. Ausgehend von den Klimaänderungsszenarien wurden zukünftige Wassertemperaturen abgeschätzt. In Agroscope (2015 und 2016) wurde der Bewässerungsbedarf und die Wirtschaftlichkeit der Bewässerung verschiedener Kulturen im Kanton Basel-Landschaft abgeschätzt - unter Be- rücksichtigung verschiedener Klimaszenarien. Eine Übersicht über den Ist-Zustand der Fischfauna der Baselbieter Gewässer gibt AUE & VJFW BL (2015). Berli et al. (2014 und 2015) und Vonlanthen & Salzburg (2011) untersuch- ten die genetische Populationsstruktur der Bachforellen in der und der Ergolz. In WFN (2015) wurden die Grundlagen zur ökologischen und fischereibiologischen Situation der Fliessgewässer im Kanton Basel-Landschaft zusammengestellt und Grundsätze zur Bewirt- schaftung für die Periode 2016 – 2023 ausgearbeitet. In Zopfi (2016) werden Schlussfolge- rungen aus den Grundlagen-Studien für die zukünftige Fischbewirtschaftung gezogen. Die drei Themenbereiche Wasserhaushalt, Bewässerung und Fischfauna wurden zunächst ge- trennt betrachtet. Im Folgenden werden die Grundlagen-Studien zu den einzelnen Themenbe- reichen zusammengefasst (Kap. 3). In einer Gesamtsynthese werden die Themenbereiche zu- sammengeführt und die Konsequenzen der Ergebnisse aufgezeigt (Kap.4). Schliesslich wer- den konkrete Handlungsempfehlungen aufgelistet, die in einem Workshop mit den verant- wortlichen der Teilprojekte herausgearbeitet wurden (Kap. 5).

- 2 - 2 Daten und Unterlagen 2 Verwendete Daten und Unterlagen  Agroscope (2015): Grundlagen für die Abschätzung des Bewässerungsbedarfs im Kanton Basel- Landschaft. Autoren: Fuhrer, J.; Smith, P.  Agroscope (2016): Wirtschaftlichkeit der Bewässerung ausgewählter Kulturen im Kanton Basel- Landschaft. Autoren: Zorn, A.; Lips, M.  AUE & VJFW BL (2015): Übersicht über den Zustand der Fischfauna der Baselbieter Gewässer 2002-2007 und 2013/2014.  Berli, B.; Kläfiger, Y.; Salzburger, W. (2014): Genetische Populationsstruktur der Bachforellen (S. trutta) im oberen Teil der Birs zwischen dem Delsberger Becken (JU) und Aesch (BL). Universität Basel, Zoologisches Institut.  Berli, B.; Kläfiger, Y.; Salzburger, W. (2015): Genetische Zusatzanalyse anhand mitochondrieller Bachforellen-DNA im oberen Teil der Birs, zwischen Aesch und Delsberger Becken, sowie der Er- golz und ihren Zuflüssen. Universität Basel, Zoologisches Institut.  8C! ! )Tv††8yv€h‡r8uhtrTprh v‚†8C! ƒˆiyv†urqi’8!THHr‡r‚Tv†† @UCI88S8yv€h‡rhqPp88aˆ vpuTv‡“r yhq''ƒƒDT7I)(&'""""%$&  Huet, M. (1949): Aperçu des relations entre la pente et les populations piscicoles des eaux cou- rants. Schweizerische Zeitschrift für Hydrologie 11: 333–351.  Mosimann, T. (2015): Erd-reich. Eine Reise durch die Böden des Kantons Basel-Landschaft und seiner Nachbargebiete.  Scherrer AG (2016): Auswirkungen veränderter klimatischer Bedingungen auf Fliessgewässer im Kanton Basel – Landschaft. Bericht 14/194. Auftraggeber: Amt für Umweltschutz und Energie, Kanton Basel – Landschaft.  Wv‰v ‚yv9ahƒƒhHBˆ ‡“EhqXrvth ‡r S!(6v‡ ‚qˆp‡v‚‡‚‡uru’q ‚y‚tvphy €‚qryyvt†’†‡r€QS@W6Chqv‡†ƒ rhqƒ‚†‡ƒ ‚pr††vt‡‚‚y†@‰v ‚€r‡hyH‚qryyvt9 T‚s‡h r!# ) !( !!!  Vonlanthen, P.; Salzburger, W. (2011): Populationsgenetische Untersuchung der Äschen in der Birs. Bericht im Auftrag des kantonalen Fischereiverband Baselland (KFVBL).  Wahli, T.; Zopfi, D. (2016): Vergleich der Empfänglichkeit von Lachs (Salmo salar), Äsche (Thy- mallus thymallus) und Bachforelle (Salmo trutta fario) für Tetracapsuloides bryosalmonae, dem Erreger der Proliferativen Nierenkrankheit.  WFN (Wasser, Fisch, Natur AG) (2015): Fischereiliche Bewirtschaftung der Fliessgewässer im Kanton Basel-Landschaft. Einschätzung der Gewässer für die Pachtperiode 2016 – 2023.  WSL (2012): Schlussbericht CC-Hydro Natürlicher Wasserhaushalt der Schweiz und ihrer bedeu- tendsten Grossgebiete.  Zopfi, D. (2016): Bewertungsgrundlagen für die Einschätzung der Fischgewässer im Kanton Ba- sel- Landschaft ab 2016.

- 3 - 3 Grundlagenstudien 3 Grundlagenstudien 3.1 Einleitung Als Grundlage für konkrete Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmassnahmen in der Landwirtschaft und für die Bewilligungspraxis der Behörden zum Umgang mit den Verände- rungen durch den Klimawandel wurden Grundlagen - Studien zu drei verschiedenen Themen- bereichen durchgeführt: • Wasserhaushalt, Wassertemperatur • Bewässerung in der Landwirtschaft • Fischfauna, Fischbewirtschaftung Im Folgenden werden diese Grundlagenstudien zusammengefasst und die wichtigsten Ergeb- nisse aufgeführt. 3.2 Wasserhaushalt und Wassertemperatur In Scherrer AG (2016) wurde das Wasserdargebot der Baselbieter Oberflächengewässer für den Ist-Zustand analysiert und die künftig zu erwartenden Veränderungen des Wasser- und Temperaturhaushalts untersucht. Abbildung 3.1 zeigt einen Überblick über die 29 untersuch- ten Einzugsgebiete (EZG) und Pegelmessstationen. Die Gebietsmittel des Niederschlags (Periode 1984 –2013) liegen zwischen 1034 mm/a und 1224 mm/a. Die Werte der Evapotranspiration variierten zwischen 476 mm/a (2003) und 608 mm/a (2012). Die Auswertung der Abflüsse an 26 Pegelstationen ergaben Jahressummen zwischen 289 mm/a und 666 mm/a (Abb. 3.2). Die Abflussregimes zeigen in allen untersuch- ten EZG einen relativ ausgeglichenen Jahreslauf mit dem Maximum der monatlichen Abfluss- summen in den Wintermonaten und einem Minimum zwischen Juli und Oktober. Die Abfluss- regimes sind v.a. durch Regen geprägt und nur wenig durch Schneeschmelze beeinflusst und können daher nach der Einteilung von Pardé (1933) als „pluvial jurassien“ bezeichnet werden. Aus der Analyse von Niedrigwasserperioden zeigte sich, dass viele Baselbieter Flüsse und Bäche im heutigen Ist-Zustand empfindlich in Hinblick auf Trockenwetterphasen sind (Tab. 3.1). Einige wenige Gewässer wie z.B. Ergolz-Liestal sind aufgrund des grösseren Ein- zugsgebietes und der damit verbundenen erhöhten Wasserführung etwas weniger empfindlich. Als robust kann nur die Birs eingestuft werden. Viele Gewässer entwässern rasch bis sehr rasch und zeigen ein extremes Leerlaufverhalten bis hin zu sehr niedrigen Abflüssen und teil- weise sogar bis zum Trockenfallen. In Trockenperioden besteht teilweise ein Wasserdefizit in den Baselbieter Gewässern das über Wochen andauern kann. Ein Wasserdefizit bedeutet, dass die Dotierwassermenge unterschritten wird und keine Wasserentnahme möglich ist. Die Situation wird dadurch verschärft, dass die Überprüfung der Abflussmesstationen im Hin- blick auf ihre Messgenauigkeit ergeben hat, dass lediglich zwei BAFU-Stationen qualitativ gute Messungen im Niedrigwasserbereich aufweisen. Viele kantonale Stationen weisen im Niedrigwasserbereich ungenügende Genauigkeit auf und zeigen zu hohe Abflüsse. Dies auf- grund von Ablagerungen oder Auflandungen im Messprofil. Die Quellschüttungen haben einen starken Einfluss insbesondere auf den Abfluss der kleinen Oberflächengewässer, wie eine Quellschüttungsmesskampagne im Jahr 2015 zeigte. Wasser- entnahmen in Trockenperioden aus bisher ungefassten Quellen sind daher als problematisch einzustufen. In Trockenperioden sinken auch die Grundwasserstände deutlich und nachhaltig ab. Im Vergleich zur Aquifermächtigkeit fallen jedoch die Absenkungen relativ klein aus. Ob zusätzliche Grundwasserentnahmen möglich sind, muss dennoch sorgfältig geprüft werden, da viele Aquifere bereits heute sehr stark genutzt werden und das Speichervolumen in kleinen Aquiferen einmal pro Jahr umgesetzt wird. - 4 - 7# Dorfbach– 7# 7# –Binningen Violenbach–Augst 7# 7#Birs-Münchenstein Buuserbach–Maisprach Marchbach–Oberwil7# Birsig–Oberwil

7#7# Ergolz-Liestal Orisbach–Liestal Hemmikerbach–Ormalingen 7# Diegterbach–Sissach7# 7# 7# 7# #Ergolz–Itingen Ergolz–Ormalingen7#Dübach–Rothenfluh 7 Eibach–Gelterkinden7# Hintere Frenke–Bubendorf, Morgental 7# Vordere Frenke–Bubendorf, Talhaus Lützel-Kleinlützel 7# Eibach–Zeglingen 7# 7# 7# Lüssel–Breitenbach Hintere Frenke– Homburgerbach–Buckten7# 7# Diegterbach– Birse-Soyhières 7# Vordere Frenke–Waldenburg

LegendeMattenbach–Roggwil Brunnbach–Roggwil7#7#Bergbach–Roggwil, # Bergbach–Roggwil 7 Pegelmessstationen7#Langeten–Roggwil, Do ngeten–Roggwil,Birs Hintergasse- Einzugsgebiet Ergolz - Einzugsgebiet Rhein - Einzugsgebiet imenhusen 7# 0 Langeten–Lotzwil 6 12 ± Kilometer Abb. 3.1: Übersicht über die untersuchten Einzugsgebiete 7# 3 Grundlagenstudien

Abb. 3.2: Jahresabflusssummen der untersuchten Einzugsgebiete. Die boxplots zeigen die zeitliche Variation der Abfluss-Jahressummen in der Periode 1984 - 2013. Die Box entspricht dem Bereich, in dem die mittleren 50% der Daten liegen, sie wird also durch das obere Quartil (=0.75-Quantil) und das untere Quartil (=0.25-Quantil) begrenzt. Die Antennen (”Whiskers”) begrenzen den Bereich zwischen dem 0.9-Quantil und dem 0.1-Quantil, die Punkte zeigen das 0.95- bzw. das 0.05-Quantil. Der Median ist als schwarze Linie, das arithmetische Mittel als rot-gestrichelte Linie dargestellt. 3 Grundlagenstudien

Mit dem Wasserhaushaltsmodell PREVAH (Viviroli et al., 2009; WSL, 2012) wurden die wahrscheinlich zu erwartenden Auswirkungen von Klimaänderungen auf den Wasserhaushalt für die Ergolz und ihre Seitenbäche abgeschätzt. Dabei wurde auf die Zukunftszenarien des „Swiss Climate Change Report CH2011“ mit prognostizierten Temperatur- und Nieder- schlagsänderungen zurückgegriffen. Diese beruhen auf den drei verschiedenen Emissionssze- narien A2 (pessimistisches Szenario), A1B (mittleres Szenario) und RCP3PD (optimistisches Szenario). Es wurde der Zeithorizont 2085 (2070-2099) betrachtet. Grundlage war der Ge- bietsniederschlag (Ergolz-EZG) der Periode 1984-2013. Für die Modellrechnungen wurden jeweils 9 Szenarienkombinationen ausgewertet: für jedes Emissionsszenario jeweils ein kühl- trockenes, ein mittleres und ein extremes Szenario. Die Auswirkungen der verschiedenen Klimaänderungsszenarien auf den Wasserhaushalt sind sehr stark unterschiedlich. Z.B. nimmt der mittlere Abfluss in der Ergolz bei Liestal je nach Klimaänderungsszenario um 18% bis zu 64% ab. Schon bei gemässigten Klimaäanderungs- szenarien nehmen die Abflüsse in den Sommermonaten und die Niedrigwasserabflüsse (Q347) deutlich ab1. Die Dauer des Wasserdefizits, d.h. Tage an denen kein Wasser entnommen wer- den kann, nimmt dementsprechend stark zu (Tab 3.1, Abb. 3.2). Während bereits beim mittle- ren, langjährigen Abflussverhalten deutliche Auswirkungen der Klimaänderung prognostiziert werden, ist dies in einzelnen Trockenjahren besonders stark ausgeprägt. Die Teileinzugsgebiete der Ergolz sind ähnlich stark von den Folgen der Klimaänderung be- troffen wie die Ergolz in Liestal (Tab. 3.1). Die Ergebnisse der Berechnungen für die Ergolz können – eingeschränkt - auf Birs und Birsig übertragen werden. Auch dort muss mit einer zunehmenden Empfindlichkeit bezüglich Trockenwetter gerechnet werden. Der Grund für die starke Abnahme der Abflüsse ist neben verringerten Niederschlägen insbe- sondere die erhöhte Verdunstung. Insgesamt zeigten die Modellergebnisse der Klimaände- rungsszenarien, dass sich Niedrigwasser-Situationen im Kanton BL in Zukunft verschärfen werden und die Dauer des Wasserdefizits an vielen Gewässern stark zunehmen wird. Durch die Klimaänderung ist mit erhöhten Lufttemperaturen und verminderter Wasserführung zu rechnen. Dies hat Auswirkungen auf die Wassertemperatur der Fliessgewässer. Der Kanton Baselland misst an 19 Stellen die Wassertemperaturen seit 2009 / 2010. Von der Birs in Mün- chenstein liegt seit 1972 eine langjährige Messreihe der Wassertemperatur vor. Ausgehend von diesen Messungen der Wassertemperatur und von den Klimaänderungsszenarien wurden zukünftige Wassertemperaturen abgeschätzt. Für den Zeithorizont 2085 kann in der Birs im Sommer eine Temperaturzunahme erwartet werden von 0.9°C – 5.8°C (wahrscheinlichste Szenarien: 1.6°C – 4.5°C) und von 0.2°C – 2.2°C (0.6°C – 1.6°C) in den Wintermonaten. Die Ergebnisse von Birs – Münchenstein kön- nen mit Einschränkungen auf die anderen Gewässer übertragen werden. Bei den Gewässern, die im Vergleich zur Birs einen relativ ausgeglichenen Jahresgang der Wassertemperatur auf- weisen, kann angenommen werden, dass auch in Zukunft - auf einem höheren Temperaturni- veau - ein relativ ausgeglichener Jahresgang mit gedämpften sommerlichen Wassertempera- turspitzen bestehen bleibt.

1 Der sogenannte Q347 ist der Abfluss, der im Mittel an 347 Tagen im Jahr überschritten wird. Auf der Grundlage des Q347 werden nach dem Gewässerschutzgesetz Rest- bzw. Dotierwassermengen bestimmt. - 7 - 3 Grundlagenstudien

Tab. 3.1: Einschätzung der Gewässer im Kanton BL bezüglich der Empfindlichkeit auf Trockenheit, so-

wie Q347 und Dauer des Wasserdefizits im Ist-Zustand verglichen mit dem Bereich der pro- gnostizierten Werte verschiedener Klimaänderungsszenarien

Empfindlich- Q347 Q347 Dauer Dauer keit auf Ist-Zustand Prognose jährliches jährliches Einzugsgebiet / EZG-Fläche Trockenheit im Periode Periode Wasserdefizit Wasserdefizit Stationsname [km²] Ist – Zustand 1984 – 2013 2071 – 2099 Ist – Zustand [d] Prognose[d]

[l/s] [l/s] Mittelwert Maximum Mittelwert Maximum Ergolz EZG weniger Ergolz–Liestal 261 empfindlich 453 68 – 243 3 64 20 – 109 83 – 158 Ergolz–Ormalingen 30 empfindlich 57 4 – 15 21 158 82 – 202 164 – 255 weniger Ergolz–Itingen 141 empfindlich 212 30 – 102 11 95 36 – 139 108 – 206 Orisbach–Liestal 21 empfindlich 35 6 – 19 47 169 90 – 200 167 – 266 Vordere Frenke– Bubendorf, Talhaus 46 empfindlich 128 12 – 49 19 131 91 – 204 161 – 265 Vordere Frenke– Waldenburg 13 empfindlich 48 3 – 16 46 233 192 – 280 251 – 313 Hintere Frenke– Reigoldswil 15 empfindlich 72 5 – 21 27 208 171 – 266 224 – 301 Hintere Frenke– Bubendorf, Morgental 38 empfindlich 92 11 – 43 34 179 87 – 197 151 – 261 Diegterbach–Diegten 13 empfindlich 56 3 – 13 0 0 48 – 161 123 – 229 Diegterbach–Sissach 33 empfindlich 65 8 – 29 8 106 30 – 130 102 – 204 Homburgerbach– Buckten 10 empfindlich 29 2 – 8 42 228 171 – 267 239 – 296 Homburgerbach– Thürnen 30 empfindlich 30 5 – 17 26 166 59 – 175 132 – 230 Eibach–Zeglingen 13 empfindlich 56 2 – 7 14 159 159 – 265 227 – 292 Eibach–Gelterkinden 27 empfindlich 60 4 – 13 12 117 69 – 190 148 – 239 Hemmikerbach– Ormalingen 4.8 empfindlich 19 1 – 3 148 322 286 – 331 313 – 344 Rickenbächli 5.0 Arisdörferbach 9.4 Violenbach–Augst 17 empfindlich 49 20 158 Dübach–Rothenfluh 2.7 empfindlich 7 0.2 – 1 282 352 338 – 361 351 – 363

Rhein – EZG weniger Birsig–Oberwil 40 empfindlich 84 20 353 weniger Birsig–Binningen 75 empfindlich 209 4 32 Marchbach–Oberwil 27 robust 119 1 18 Dorfbach–Allschwil 11 empfindlich 43 39 212 Wintersingerbach 8.5 Buuserbach– weniger Maisprach 11 empfindlich 79 15 144

Birs - EZG Birse–Soyhières, Bois du Treuil 590 robust 2596 0 0 Birs–Münchenstein, Hofmatt 911 robust 4373 0 0 Lützel, Kleinlützel 67 419 Lüssel, Breitenbach 46 empfindlich 47 0 0

- 8 - 3 Grundlagenstudien

Abb. 3.3: Mittlere monatliche Abflüsse an der Messstelle Ergolz-Liestal: Messwerte, Modellwerte und Klimaänderungsszenarien A2 und Zeithorizont 2085. NE = Region Nordost, W = Region West, T = Temperatur, N = Niederschlag, low = niedrige Werte, med = mittlere Werte, up = hohe Werte 3 Grundlagenstudien 3.3 Landwirtschaftliche Bewässerung Zur Sicherung von Ertrag und Qualität landwirtschaftlicher Kulturen ist in vielen Fällen eine Bewässerung unumgänglich. Die dafür nutzbare Wassermenge ist aber oft begrenzt. Beson- ders während längerer Trockenperioden kann es zu Wasserknappheit kommen. Mit dem Kli- mawandel könnten solche kritischen Situationen künftig häufiger werden. Deshalb untersuch- te Agroscope (2015) den Bewässerungsbedarf für verschiedene landwirtschaftliche Kulturen im Kanton Basel-Landschaft. Folgende Kulturen wurden untersucht: Erdbeeren, Randen, Zwiebeln, Kartoffel, Zuckerrüben, Kirschen, Zwetschgen, Äpfel, Reben, Mais, Weizen, Grün- land. Dabei wurde sowohl der Ist-Zustand als auch drei verschiedene Klimaänderungsszenarien be- rücksichtigt. Die Klimaszenarien beruhen auf der Wetterstation Basel-Binningen. Als Refe- renz bzw. Ist-Zustand wurde der Mittelwert der Jahre 1981-2010 verwendet. Aus CH2011 wurden zwei Klimaszenarien für den Zeithorizont 2060 (2045-2074) ausgewählt: Ein mildes Szenario (CCmin) und ein starkes Szenario (CCmax). Zusätzlich wurde ein extremes Szenario aus der Kombination der Jahre 2003 (warm-trockener Sommer) und 2011 (trockenes Früh- jahr) verwendet (Extrem). Dazu wurde jeweils der Monat mit der tiefsten Niederschlagssum- me gewählt (sog. „4041“-Szenario).1 Zusätzlich zu den Klimaszenarien wurden drei verschie- dene Bodentypen berücksichtigt: Tiefgründige Braunerde (> 100 cm tief), tiefgründige Parab- raunerde (> 100 cm tief) und mässig tiefgründige Kalkbraunerde (< 60 cm tief). Abbildung 3.4 zeigt die Ergebnisse exemplarisch für die Zuckerrübe. Es wird deutlich, dass schon im heutigen Ist-Zustand (Ref) ein substantieller Bewässerungsbedarf in den Sommer- monaten besteht, der beim milden Szenario CCmin nur wenig, aber bei den Szenarien CCmax und Extrem stark zunimmt. Beim Extrem-Szenario beginnt zudem der Bewässerungsbedarf schon früher im Jahr. Abbildung 3.4 zeigt auch den starken Einfluss des Bodentyps auf den Bewässerungsbedarf.

Abb. 3.4: Bewässerungsbedarf von Zuckerrüben bei verschiedenen Klimaszenarien auf verschiedenen Böden (Boden 1: Braunerde > 100 cm tief, Boden 2: Parabraunerde > 100 cm tief, Boden 3: Kalkbraunerde < 60 cm tief)

1 Die Klimaszenarien in Agroscope (2015) weichen stark ab von denen, die für die Untersuchungen zum Wasserhaushalt und zu den Wassertemperaturen verwendet wurden (Scherrer AG 2016) (siehe Kap. 3.2 und Anhang 1). Die Referenz aus Agros- cope (2015) (Basel-Binningen 1981-2010) weicht hinsichtlich des Niederschlags deutlich ab von der Referenz aus Scherrer AG (2016) (Gebietsniederschlag Ergolz-Einzugsgebiet 1984-2013, im Mittel ca. 30% mehr Niederschlag als Station Basel- B.). Die Szenarien CCmin und CCmax aus Agroscope (2015) beziehen sich auf den Zeithorizont 2060 und auf das mittlere Emmissionsszenario A1B, während die Szenarien in Scherrer AG (2016) sich auf den Zeithorizont 2085 beziehen und die drei Emmissionsszenarien RCP3PD (gemässigt), A1B (mittel) und A2 (extrem) berücksichtigen. Das extreme Szenario „4041“ aus Agroscope (2015) ist eine Kombination der beiden Trockenjahre 2003 und 2011, in Scherrer AG (2016) wurden diese beiden Jahre getrennt betrachtet und auf den Zeithorizont 2085 mit entsprechenden Änderungen der Temperatur und des Niederschlags projiziert. - 10 - 3 Grundlagenstudien

Tabelle 3.2 zeigt die Bandbreite des Bewässerungsbedarfs im Überblick für die verschiedenen Kulturen und Szenarien. Die Bandbreite ergibt sich durch verschiedene Bodentypen und ver- schiedene Durchwurzelungstiefen. Besonders grossen Bewässerungsbedarf haben demnach z.B. Zwiebeln, Kartoffel, Zuckerrüben, Winterweizen und Grünland - kleinen Bewässerungs- bedarf haben z.B. Kirsche und Rebe. Tab. 3.2: Bewässerungsbedarf verschiedener Kulturen im Ist-zustand und bei verschiedenen Klima- szenarien. Die Bandbreite zwischen minimalem und maximalem Wert ergibt sich durch ver- schiedene Bodentypen, Durchwurzelungstiefen und Klimaszenarien (Daten aus Agroscope, 2015).

Istzustand Klimaszenarien Kultur Min. [mm] Max. [mm] Min. [mm] Max. [mm] Erdbeeren 65 140 75 270 Zwiebel 80 155 85 365 Randen frisch 5 55 10 170 Randen Lager 5 65 10 165 Apfel 15 85 20 295 Zwetschge 5 70 10 250 Kirsche 0 10 0 100 Reben 0 5 0 25 Zuckerrübe 55 145 70 325 Kartoffel 110 145 125 315 Körnermais 15 95 20 200 Winterweizen 15 85 20 320 Grünland gemäht 20 115 35 405 Grünland beweidet 5 80 15 350 Neben dem Bewässerungsbedarf wurden verschiedene Bewässerungsverfahren untersucht. Es zeigte sich, dass die Wassereffizienz wie auch der Energieaufwand der verschiedenen Verfah- ren sehr stark unterschiedlich ist (Tab. 3.3). Im Kanton BL wird v.a. mobile Beregnung ver- wendet, die eine Wassereffizienz von ca. 60% aufweist. Tab. 3.3: Wassereffizienz und Energiebedarf verschiedener Bewässerungsverfahren (Agroscope, 2015)

Oberflächen- Rohr- Stationäre Mobile Mikro- Verfahren bewässerung beregnung Beregnung Beregnung bewässerung Wassereffizienz [%] 20 - 40 60 - 70 70 - 80 60 90 Energiebedarf [kWh/(ha*a)] 0 810 609 1000 160 Agroscope (2016) untersuchte die Wirtschaftlichkeit der Bewässerung verschiedener land- wirtschaftlicher Kulturen. Dabei wurden die gleichen Szenarien und Grundlagen wie in Agroscope (2015) verwendet. Untersucht wurden Winterweizen, Körnermais, Kunstwiese, Kartoffeln, Kirschen und Erdbeeren. Die Kosten für die Bewässerung wurden den Ertragsaus- fällen bei Verzicht auf Bewässerung bei den verschiedenen Klimaszenarien gegenübergestellt. Obwohl die Ertragseinbussen bei den Szenarien „CCmax“ und „Extrem“ hoch sind, ist eine Bewässerung bei den Kulturen Winterweizen, Körnermais und Kunstwiese nicht wirtschaft- lich. Bei den anderen untersuchten Kulturen, Kartoffeln, Kirschen und Erdbeeren, ist Bewäs- serung auch unter verändertem Klima noch wirtschaftlich (Agroscope 2016) (Tab. 3.4).

- 11 - 3 Grundlagenstudien

Tab. 3.4: Ertragsabweichungen in verschiedenen Klimaszenarien falls nicht bewässert wird, im Vergleich zu den zusätzlichen Bewässerungskosten, die aufgebracht werden müssten, um Ertragsabweichungen zu vermeiden. Die Kulturen Erdbeere und Kirsche sind schon in der Referenz, d.h. unter heutigen klimatischen Bedingungen ohne Bewässerung nicht wirtschaftlich. Beeren- und Kirschenanlagen werden deshalb bereits heute mit einem Bewässerungssystem ausgestattet, um wirtschaftlich betrieben werden zu können.

Ertrag, Leistungen / Kosten [CHF/ha] Klimaszenario Winterweizen Körnermais Kunstwiese Kartoffel Erdbeere Kirsche Ertrag / Leistung 4'915 5'573 4'641 14'134 74'200 58'918 Referenz Kosten 4'295 4'354 3'882 14'020 82'928 61'579 Ertragsabweichung 0 0 -187 -713 -4'050 -3'201 ohne Bewässerung CC min zusätzliche 0 0 1'149 - 2'250 2'057 - 2'476 1'904 - 2'141 3'500 Bewässerungskosten Ertragsabweichung -542 -1'709 -935 -2'139 -16'200 -12'804 ohne Bewässerung CC max zusätzliche 790 - 1'672 1'229 - 2'112 1'458 - 2'552 -2'342 - 2'762 2'138 - 2'378 4'396 Bewässerungskosten Ertragsabweichung -1'446 -2'136 -1'496 -5'704 -48'600 -38'412 ohne Bewässerung Extrem zusätzliche 2'984 - 3'862 1'670 - 2'546 3'862 - 4'949 3'643 - 3'859 3'779- -4'007 6'054 Bewässerungskosten

- 12 - 3 Grundlagenstudien

3.4 Fischfauna, Fischbewirtschaftung Eine Übersicht über den Ist-Zustand der Fischfauna der Baselbieter Gewässer geben AUE & VJFW BL (2015) und WFN (2015). Dafür wurden in den Jahren 2002 bis 2007, sowie 2013/14 der Zustand der Fischfauna der wichtigsten Gewässer im Kanton Basel-Landschaft an jeweils mehreren Stellen untersucht. Die Gewässerstrecken wurden elektrisch abgefischt. Die Fische wurden bestimmt, vermessen, optisch auf Fehlbildungen untersucht und gewogen. Berli et al. (2014 und 2015) und Vonlathen & Salzburger (2011) untersuchten die populations- genetische Struktur der Bachforellen und der Äschen in der Birs und der Ergolz. Wahli & Zopfi (2016) untersuchten die Empfänglichkeit verschiedener Fischarten auf die sogenannte Proliferative Nierenkrankheit (PKD). Die Bestimmung der Fischregionen nach Huet (1949) ergab, dass fast alle untersuchten Stre- cken zur Bachforellenregion gehören (84% der Gewässerlänge). Nur Birs, Birsig, Marchbach in Oberwil und Ergolz in Augst sind der Äschenregion zuzuordnen (12%). Eingestaute Berei- che der Birs und der Rhein können der Barbenregion zugeordnet werden (4%). Das Artenspektrum der untersuchten Bäche war an vielen Stellen eingeschränkt. In den Bä- chen der Forellenregion fehlten v.a. die Begleitarten (Groppe, Schmerle und Elritze). In den Bächen der Äschenregion war die Leitart Äsche selbst sehr schlecht vertreten. Zudem waren auch nicht alle Begleitarten (Strömer, Schneider und Alet) vertreten. Der Populationsaufbau war teilweise nicht vollständig und die Fischdichte wies grosse Unterschiede an den verschie- denen Standorten auf. Abbildung 3.5 zeigt die Dichte der Fischbestände an den untersuchten Gewässerabschnitten.

Abb. 3.5: Aus den Abfischungen 2014/14 hochgerechnete Individuenzahlen pro ha Wasserfläche der Fischbestände in den Probestrecken (Amiet, 2014 in WFN, 2015). Indikatorarten sind intole- rant gegenüber anthropogenen Gewässereingriffen und können daher als Indikator für den Ge- samtzustand eines Gewässers dienen.

- 13 - 3 Grundlagenstudien

Neben der reinen Individuendichte wurde auch die Populationsstruktur der Bachforelle unter- sucht, d.h. die anteilsmässige Verteilung verschiedener Altersklassen. Diese gibt Aufschluss über den Erfolg der natürlichen Fortpflanzung (Naturverlaichung). In ca. 40% der untersuch- ten Gewässerstrecken zeigte sich eine erfolgreiche natürliche Fortpflanzung der Bachforelle, die ausreicht, um eine langfristig überlebensfähige Population zu erhalten – auch ohne anthro- pogenen Besatz. Über die Hälfte der untersuchten Strecken wiesen jedoch eine eingeschränkte bis fehlende natürliche Fortpflanzung auf. Eine ökomorphologische Beurteilung der Gewässerstrecken (WFN, 2015) erlaubte eine flä- chendeckende und standardisierte Bewertung der Lebensraumbedingungen, die somit Rück- schlüsse auf die Lebensraumqualität für die Fischfauna erlaubt. Beinahe 2/3 der im Kanton Basel-Landschaft verlaufenden Fliesstrecken wurden ökomorphologisch als naturnah (24%) oder wenig beeinträchtigt (37%) klassiert. Etwas mehr als 1/3 ist stark beeinträchtigt (26%) oder naturfremd (9%) und rund 5% der Fliesstrecken sind eingedolt. Die Gesamtbewertung der Untersuchungen in 2013 – 2014 zeigt auf, dass der ökologische Zustand bezüglich der Fischfauna bei etwas mehr als der Hälfte der untersuchten Gewässer- stellen als 'gut' bis 'sehr gut' eingestuft werden kann. Die anderen Stellen wurden als 'mässig' beurteilt, eine Stelle war 'unbefriedigend'. Insgesamt fiel 2013/2014 die Bewertung leicht po- sitiver aus als in der vorangegangenen Untersuchungskampagne 2002-2007. Tabelle 3.5 zeigt die Ergebnisse ausführlich für alle untersuchten Gewässerstrecken. Wahli & Zopfi (2016) untersuchten die Empfänglichkeit verschiedener Fischarten auf die so- genannte Proliferative Nierenkrankheit (PKD). Sie stellten fest, dass die PKD für die in Ge- wässern des Schweizer Rheineinzugsgebietes eingesetzten Lachse keine Bedrohung darstellt. Demgegenüber erwiesen sich Äschen für die PKD empfänglich, aber in einem deutlich gerin- geren Mass als Bachforellen. Die Wassertemperatur spielt eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf und die Mortalität. Bei Regenbogenforellen kommt es ab einer Temperatur- schwelle von 15°C zu vermehrten Abgängen, bei 18°C können bis zu 85% der Tiere an der In- fektion sterben. Tiefere Temperaturen verhindern zwar nicht die Infektion, aber der Krank- heitsverlauf ist deutlich verlangsamt, was höhere Überlebenschancen erlaubt.

Tab. 3.5: Zusammenfassung des fischökologischen Zustands in den untersuchten Gewässerstrecken und Vergleich des Zustands 2002-07 und 2013-14 (AUE & VJFW BL (2015)

Bach Untersuchungsstrecke Gesamtbeurteilung Gesamtbeurteilung 2002 - 2007 2013 - 2014 Arisdörferbach oberh. Giebenach sehr gut gut Birs in mässig mässig Münchenstein mässig mässig Dugingen mässig mässig Nenzlingen mässig mässig Zwingen mässig mässig in Laufen mässig gut oberh. Laufen, Aegerten mässig gut oberh. ARA Liesberg mässig mässig Oberrüti mässig mässig Birsig in Binningen unbefriedigend mässig oberh. Biel-Benken mässig unbefriedigend

- 14 - 3 Grundlagenstudien

Tab. 3.5 (Forts.): Zusammenfassung des fischökologischen Zustands in den untersuchten Gewässerstrecken und Vergleich des Zustands 2002-07 und 2013-14 (AUE & VJFW BL (2015)

Bach Untersuchungsstrecke Gesamtbeurteilung Gesamtbeurteilung 2002 - 2007 2013 - 2014 Buuserbach unterh. Maisprach sehr gut gut in Buus gut gut Diegterbach in Sissach mässig gut oberh. Zunzgen mässig gut in Diegten gut gut unterh. gut gut Ergolz in Augst mässig mässig unterh. ARA E2 mässig mässig Liestal, Heidenloch mässig mässig Itingen, unterh. ARA E1 gut mässig unterh. Böckten mässig mässig Gelterkinden Postgarage mässig gut oberh. Sagi Rothenfluh gut gut Vordere Frenke Station mässig mässig unterh. ARA Frenke 2 mässig gut Oberdorf gut sehr gut oberh. Waldenburg unbefriedigend gut Hintere Frenke Bubendorf Beuggen gut mässig Ziefen mässig sehr gut unterh. Reigoldswil mässig mässig unterh. Wasserfallen gut sehr gut Lüssel unterh. Brislach gut gut Lützel oberh. Laufen gut gut bei Röschenz mässig gut Marchbach in Oberwil mässig gut oberh. gut mässig Orisbach Liestal, Firma Lüdin mässig mässig unterh. Orismühle gut gut Violenbach Augst mässig gut oberh. Giebenach gut mässig Wintersingerbach unterh. Wintersingen sehr gut gut

- 15 - 4 Synthese 4 Synthese Die klimatisch bedingten Veränderungen im Wasserhaushalt haben direkte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Bewässerung und die Fischfauna. In diesem Kapitel wird die Interakti- on der drei Themenbereiche gesamthaft betrachtet. 4.1 Gewässerbewirtschaftung, Wasserversorgung Viele Gewässer sind bereits heute empfindlich bezüglich Trockenheit und weisen im Sommer teilweise über längere Zeitabschnitte sehr niedrige Abflüsse auf. Diese Situation wird sich voraussichtlich mit dem Klimawandel verschärfen. In trockenen Jahren wie z.B. 2003 oder 2011 sind an vielen kleineren Gewässern Wasserüberschüsse nur in den Wintermonaten, bzw. in den Sommermonaten nur kurzzeitig während Hochwasser zu erwarten (Abb. 4.1). Ganzjäh- rige Wasserüberschüsse sind nur an den wenigen Gewässern zu erwarten, die robuster bezüg- lich Trockenheit sind, d.h. v.a. die Unterläufe der grösseren Gewässer Ergolz und Birs (Kap. 3.1). Gewässerbewirtschaftung und Wasserversorgung sollten deshalb darauf ausgelegt sein, mit Niedrigwassersituationen umgehen zu können und diese nicht noch zu verschärfen.

Abb. 4.1: Monatssummen der Abflussvolumen an Ergolz und Hemmikerbach, gemittelt über die Periode 1984-2013 (dunkelblau) und für das Trockenjahr 2011 (hellviolett). Zusätzlich ist Monatssum- me der Dotierwassermenge dargestellt (rote Linie).

- 16 - 4 Synthese

In den Fliessgewässern sollte soviel Wasser wie möglich verbleiben. Lokal genutztes Quell- und Grundwasser sollte deshalb möglichst lokal gereinigt und in die Fliessgewässer zurückge- leitet werden. Eine Zentralisierung der Abwasserreinigung in den Unterläufen der Täler führt zu einer Ableitung von lokalem Grundwasser, das in der Folge in der Wasserführung der klei- neren Fliessgewässer fehlt. Bereits heute beträgt der Abwasseranteil im Unterlauf der Ergolz bei Trockenwetter mehr als 40%. Der grösste Teil dieses Abwassers wird erst im unteren Teil der Ergolz eingeleitet. Eine Zentralisierung von Kläranlagen hat somit direkte Folgen für die Niedrigwasserführung. Ebenso sollte die dezentrale Versickerung von Oberflächenwasser gefördert werden, z.B. im Siedlungsbereich. Entwässertes Wasser z.B. an Hanglagen sollte wiederversickert werden. Wo dies nicht möglich ist, sollte Fremdwasser konsequent in Oberflächengewässer geleitet und Trennwassersysteme forciert werden. Allerdings können stossartige Einleitungen von ver- schmutztem oder überhitztem Wasser, z.B. von Autobahnentwässerungen problematisch für Fische und die Gewässerfauna sein. Werden grössere Wassermengen mit erhöhten Temperatu- ren von Plätzen oder Strassen in die Oberflächengewässer geleitet, sind daher zusätzliche Massnahmen wie Strassenabwasserreinigungsanlagen (SABO) zu installieren, die als Puffer für den Temperaturausgleich und für die Reinigung des einzuleitenden Wassers dienen. Wasserentnahmen in Trockenperioden aus bisher ungefassten Quellen sind als problematisch einzustufen, da den kleinen Fliessgewässern ein erheblicher Anteil an Wasser entzogen wer- den könnte. Auch die lokalen Lockergesteinsgrundwasserleiter sind heute bereits stark ge- nutzt. Um diese Vorkommen in Trockenzeiten zu schonen, sollten die Wasserversorgungen mit Verbindungsleitungen zu Fassungen in regionalen Grundwasserleitern vernetzt werden. Zur kurzfristigen Grundwasseranreicherung bei sommerlichen Hochwässern könnten Infiltra- tionsflächen für Oberflächengewässer geschaffen werden. So sollten bei Revitalisierungen Ruderalflächen und Retentionsflächen installiert werden. Für das Monitoring der Niedrigwasserabflüsse, braucht es entsprechende Messstellen an den Oberflächengewässern mit einer genügenden Messgenauigkeit und entsprechendem Unter- halt. Geschiebeablagerungen müssen regelmässig entfernt und hydrometrische Kalibrations- messungen durchgeführt werden.

Grundlage für die Berechnung des Restwassers bzw. der Dotierwassermenge ist der Q347, der Abfluss, der im Mittel an 347 Tagen im Jahr überschritten wird. Da zu erwarten ist, dass der Q347 durch die zunehmende Trockenheit stetig kleiner wird, sollte eine Alternative für die Be- stimmung der Dotierwassermenge herangezogen werden, wie z.B. gewässerökologische Grundlagen.

- 17 - 4 Synthese 4.2 Auswirkungen auf die Landwirtschaft Grundsätzlich sind höhere Temperaturen für die landwirtschaftliche Produktion nicht schlecht. Bei höheren Temperaturen steigt das Pflanzenwachstum. Jedoch braucht es dazu genügend Wasser. Wie im vorherigen Kapitel gezeigt wurde, steht in Zukunft in den Sommermonaten nur wenig bis kein Wasser aus Fliessgewässern oder dem Grundwasser für die landwirtschftli- che Bewässerung zur Verfügung. Im Winter hingegen gibt es Wasserüberschüsse. Sommerliche Hochwässer sind durch den späten Zeitpunkt, das sporadische Auftreten und nicht zuletzt durch das stark getrübte Wasser ungeeignet für eine Entnahme für Bewässerung. Da die Brauchwasser-Entnahme aus Bächen schon heute oft nicht möglich ist, gibt es nur sehr wenige Nutzer, die überhaupt Oberflächenwasser entnehmen. Momentan sind es im Kanton BL lediglich sechs Landwirte, die eine Bewilligung zur Entnahme von Oberflächenwasser be- antragt haben. Ein völliger Verzicht auf Wasserentnahmen im Sommer hätte deshalb keine gravierenden Auswirkungen. Darüber hinaus sind die Wasserüberschüsse bietenden Fluss-Unterläufe räumlich getrennt vom Wasserbedarf. Abbildung 4.2 zeigt die Bodennutzung im Kanton BL. Es wird deutlich, dass ein Grossteil der zu bewässernden Flächen räumlich weit entfernt ist von möglichen Brauchwasser-Entnahmestellen. Die grossen räumlichen Distanzen sprechen neben dem enorm hohen technischen und finanzi- ellen Aufwand auch gegen eine Speicherung von im Winter anfallendem Wasserüberschuss in zentralen grossen Speicherbecken. Einige landwirtschaftliche Betriebe haben deshalb dezen- trale, kleinere Speicherbecken mit einem Volumen von ca. 1000 m³ angelegt, die sich in der Nähe der zu bewässernden Flächen befinden und die im Winter mit Oberflächenwasser, Drai- nagewasser oder von kleineren Quellen befüllt werden. Im Einzelfall könnten auch stillgeleg- te Güllegruben als Speicherbecken dienen. Allerdings ist dabei das Speichervolumen von ty- pischerweise 100 – 300 m³ in den meisten Fällen zu klein. Der Bewässerungsbedarf im Obst- bau beträgt beispielsweise ca. 400 – 500 m³/ha im Jahr. Die durchgeführten Grundlagenstudien zur Bewässerung in der Landwirtschaft haben gezeigt, dass eine Bewässerung nur bei Kulturen mit hoher Wertschöpfung wie z.B. Gemüse, Obst und Beeren wirtschaftlich ist (Kap. 3.2). Für die meisten anderen Kulturen resultiert die Bewässe- rung durch den zusätzlichen Aufwand in einem Verlust. Wenn bewässert wird, gibt es ver- schieden effiziente Methoden, die auch mit einem sehr unterschiedlichen Energieaufwand verbunden sind (siehe Tab. 3.3). Mittels Monitoring der Bodenfeuchte kann der Wasserbedarf der Kulturen ermittelt und die Bewässerung gezielt eingesetzt werden. Mit dem Klimawandel rücken aufgrund des grossen Aufwandes und der kaum gegebenen Wirtschaftlichkeit der Bewässerung wassersparende Anbaumethoden in den Fokus, wie z.B. die Verwendung von bodendeckender Untersaat oder das Mulchen oder die Verwendung von Sorten, die einen geringeren Wasserbedarf aufweisen. Hier gibt es in der Pflanzenzüchtung die Bestrebung, trockenheitsresistentere Sorten zu züchten.

- 18 - 4 Synthese

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Abb. 4.2: Bodennutzung im Kanton BL (Mosimann, 2015).

- 19 - 4 Synthese 4.3 Auswirkungen auf die Fischfauna Ausgehend von der langjährigen Temperatur-Messreihe an der Birs kann für den Zeithorizont 2085 eine Zunahme der Wassertemperatur erwartet werden von 0.9°C – 5.8°C (wahrscheinlichste Szena- rien: 1.6°C – 4.5°C) im Sommer und 0.2°C – 2.2°C (0.6°C – 1.6°C) in den Wintermonaten. Die Er- gebnisse können mit Einschränkungen auf die anderen Gewässer übertragen werden. Diese Tempe- raturerhöhungen können für die Fischfauna problematisch werden. Der optimale Temperaturbereich für Forellen und Äschen liegt zwischen 5°C und 19°C, Wassertemperaturen über 24°C sind letal für Forellen (Äschen 26° - 27°C). Erhöhte Temperaturen spielen auch eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf bei der sog. Proliferativen Nierenkrankheit (PKD). Tiefere Temperaturen ver- langsamen den Krankheitsverlauf, was den Fischen eine höhere Überlebenschance erlaubt. Abbildung 4.3 zeigt Wassertemperaturmessungen von 2014 von Baselbieter Fliessgewässern im Vergleich mit dem für Forellen optimalen Temperaturbereich. Tabelle 4.1 listet die in der Periode 2009 - 2014 erreichten Maximaltemperaturen der untersuchten Baselbieter Gewässer auf. Es zeigt sich, dass bereits in der Periode 2009 - 2014 – die keinen extremen Hitzesommer enthält – verbrei- tet Wassertemperaturen über dem für Forellen optimalen Bereich erreicht wurden. Problematische Wassertemperaturen   T               B  "#      "" % &  # "% &'T  "("&Z        

Abb. 4.3: Tagesmittel der Wassertemperatur von 2014 an vier ausgewählten Baselbieter Fliessgewässern, sowie die Temperaturmaxima und -minima der Periode 2009-2014 im Vergleich mit dem optimalen Tempe- raturbereich für Bachforellen (BF) und Äschen (Ä) (WFN, 2015). Tab. 4.1: Übersicht der in der Periode 2009 – 2014 aufgetretenen Maximaltemperaturen

Vordere Hintere Birs-Mün- Birs- Lützel- Lüssel- Ergolz- Ergolz- Orisbach- EZG Frenke- Frenke- chenstein Laufen Röschenz Brislach Augst Bückten Liestal Bubendorf Bubendorf

Tmax [°C] 21.2 20.0 17.3 18.8 21.3 20.5 20.1 21.2 17.5

Wintersin- Diegter- Hombur- Eibach- Violen- March- Buuser- Birsig- gerbach- Rhein- EZG bach- gerbach- Gelterkin- bach- bach- bach- Binningen Wintersin- Pratteln Zunzgen Thürnen den Augst Oberwil Maisprach gen

Tmax [°C] 19.4 21.5 18.5 20.0 22.4 21.6 18.4 16.8 24.6

- 20 - 4 Synthese Eine Kompensation der durch den Klimawandel bedingten Temperaturzunahmen kann - zumindest teilweise - durch ökomorphologische Aufbesserungen in den Gewässern erreicht werden. Verbesse- rungen des fischökologischen Gewässerzustands zeigten sich in den Erhebungen v.a. dort, wo Massnahmen zur Verbesserung der Ökomorphologie durchgeführt wurden, wie z.B. die bessere Ver- netzung der Fliessgewässer und die Aufwertung der Bachsohle mit mehr Tiefenvariabilität. In die Gewässersohle eingetiefte und durch Vegetation beschattete „Pools“ mit grösserer Wassertiefe und geringen Fliessgeschwindigkeiten bieten Zonen mit kühlerem Wasser. Solche „Pools“ könnten auch anthropogen angelegt werden. Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist das Vorhandensein in aus- reichender Dichte, bzw. die Erreichbarkeit ohne Wanderhindernisse für Fische. Die Pools sollten vorzugsweise in Grundwasserexfiltrationszonen angelegt werden, wo kühleres Wasser zuströmt. Die Vernetzung der Fliessgewässer, d.h. die Entfernung von Wanderhindernissen ist auch deshalb sehr wichtig, damit Fische aus trockenfallenden Gewässerabschnitten fliehen können. Aufgrund von Wassermangel mussten im Kanton BL bereits diverse Gewässer in regelmässigen Abständen ausge- fischt und die Fische umgesiedelt werden. In der Vergangenheit trockengefallene Bachabschnitte werden aus der Fischbewirtschaftung ausgeschieden und nicht mehr verpachtet. Die bereits unter 4.2 diskutierten Massnahmen zur Abminderung von Niedrigwassersituationen sind deshalb für die Fischfauna sehr wichtig. Einen wesentlichen Anteil bei Niedrigwasserabflüssen können die ARA Einleitungen ausmachen. Hinsichtlich der Wasserqualität sind diese für die Fischfauna offensicht- lich wenig problematisch – selbst in Niedrigwassersituationen, wenn das gereinigte Abwasser einen hohen Anteil des Gesamtabflusses ausmacht. Problematisch sind hingegen stossartige Einleitungen von verschmutztem oder v.a. überhitztem Wasser, z.B. von Autobahnen. Die Fischbestandeserhebungen zeigten in ca. 40% der untersuchten Gewässerstrecken eine erfolg- reiche natürliche Fortpflanzung der Bachforelle, die ausreicht, um eine langfristig überlebensfähige Population zu erhalten (Abb. 4.4). Aufgrund der guten Naturverlaichung kann in diesen Gewässern also auf Besatz verzichtet werden. Im Einzelnen handelt sich hierbei um folgende Gewässer: Aris- dörferbach, Buuserbach, Diegterbach, Ergolz Gelterkinden, Hintere Frenke, Vordere Frenke, Marchbach, Orisbach und Wintersingerbach. Wo Besatz notwendig ist, sollte dieser unter Berück- sichtigung der Fischregionen, der lokal vorkommenden Fischarten auf der Roten Liste und der loka- len Genetik des jeweiligen Einzugsgebiet zu erfolgen (Zopfi, 2016). Zusätzlich sollte möglichst auf robuste, krankheitsresistente Arten gesetzt werden.

sdgwg

gE

Abb. 4.4: Sömmerlingsdichten (Ind./ha) der Bachforelle zur Beurteilung der Naturverlaichung und Vergleich zwischen den beiden Erhebungen 2002 - 2007 und 2013/14 (WFN, 2015). Die Grundlagenstudien zur Fischgenetik zeigten, dass innerhalb weniger Jahre lokale genetische Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen möglich sind. Im Hinblick auf die Klimaänderung können diese lokalen Anpassungen von entscheidender Bedeutung sein für das Überleben der Fischbestände. Um die genetische Vielfalt zu erhalten und zu fördern, sollte das Besatzmaterial aus Elterntieren aus dem zu besetzenden Gewässer gewonnen werden. Die lokalen, genetisch angepass- ten Fischpopulationen sollen zusätzlich gefördert werden durch den Verzicht auf das regelmässige Abfischen der Nebengewässer sowie durch die Schaffung von Fischschongebieten (Zopfi, 2016).

- 21 - 5 Handlungsempfehlungen 5 Handlungsempfehlungen Mit dem Klimawandel ergeben sich in Zukunft durch den veränderten Wasserhaushalt und die hö- heren Temperaturen veränderte Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und die Fischerei. Die- se Veränderungen können nur mit einer gewissen Unsicherheit prognostiziert werden. Dennoch las- sen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten, die hier zusammenfassend aufgelistet sind. 5.1 Empfehlungen zum Wasserhaushalt in den Gewässern  Bei dezentraler Wasserversorgung sollte auch die Abwasserreinigung dezentral betrieben werden. Andernfalls wird durch die Wasserversorgung mit Quellen in den Oberläufen den Einzugsgebieten massgeblich Wasser entzogen, das erst wieder in den Unterläufen der Flüs- se als gereinigtes Abwasser eingeleitet wird. Der Abwasseranteil kann bei Niedrigwassersi- tuationen einen wesentlichen Anteil des Gesamtabflusses ausmachen.  Niederschlagswasser sollte im Siedlungsbereich dezentral versickert werden. Ebenso sollte Entwässerungswasser z.B. an Hanglagen wieder versickert werden.  Fremdwasser sollte konsequent in Oberflächengewässer eingeleitet werden, wenn keine Ver- sickerung möglich ist.  Trennwassersysteme sollten weiter ausgebaut werden. Dabei sind aber Ausnahmen zu be- achten und problematische direkte Einleitungen zu vermeiden (z.B. stossartige Einleitungen von überhitztem Wasser von Autobahnen).  Kleinere Wasserversorgungen oder Wasserversorgungsregionen mit geringen Grundwasser- vorkommen, sollten nur den mittleren Bedarf selbst abdecken müssen. Der Spitzenbedarf soll durch Wasser aus regional bedeutenden Grundwasserleitern resp. Fassungen stammen, die auch in Trockenzeiten genügend Wasser liefern können. Für die regionale Vernetzung der Wasserversorgungen sind entsprechende Verbindungsleitungen zu bauen.  Die lokale Anreicherung von Grundwasser soll gefördert werden z.B. im Zuge von Gewäs- serrevitalisierungen mit extensiv bewirtschafteten Retentionsflächen oder Gewässeraufwei- tungen, damit bei Hochwassersituationen Versickerung stattfindet.  Dotierwassermengen sind aufgrund von gewässerökologischen Grundlagen festzulegen und nicht auf Basis von Messungen des Trockenwetterabflusses Q347, da der Abfluss klimabe- dingt immer geringer wird. 5.2 Empfehlungen für die Landwirtschaft  Längerfristig sind im Sommer aus den meisten Oberflächengewässern keine Wasserentnah- men möglich, da die Dotierwassermengen unterschritten sind. Wasserentnahmen sind nur für die grossen Fliessgewässer zu bewilligen wenn eine ausreichende Wasserführung vor- handen ist. Aus mittleren und kleineren Fliessgewässern kann nur im Winter und bei Hoch- wassersituationen Wasser entnommen werden.  Eine Wasserspeicherung von Oberflächenwasser, Drainagenwasser und Dachentwässerung soll in kleinen, dezentralen Becken (ca. 1000 m3) in räumlicher Nähe zu den Wasserbedarfs- flächen erfolgen. Auf eine flächendeckende Bewässerung muss verzichtet werden.  Wenn bewässert wird, soll dies mit effizienten Bewässerungsmethoden erfolgen und ein Monitoring der Bodenfeuchte zur Ermittlung des tatsächlichen Wasserbedarfs soll durchge- führt werden.

- 22 - 5 Handlungsempfehlungen

 Ein weiterer Schritt zur Reduktion des Wasserverbrauches ist der Einsatz wassersparender Anbaumethoden wie z.B. die Verwendung von bodendeckender Untersaat. Die Wasserspei- cherfähigkeit der Böden sollte durch den Eintrag von organischer Substanz und eine entspre- chende sorgfältige Bodenbearbeitung verbessert werden.  Von grosser Bedeutung sind längerfristig die Züchtung und Verwendung von Arten und Sor- ten, die trockenheitsresistent sind oder geringeren Wasserbedarf aufweisen. 5.3 Empfehlungen zur fischereilichen Bewirtschaftung  Zur Minderung der Auswirkungen der geringeren Wasserführung und der erhöhten Wasser- temperaturen auf die Fischpopulationen sind ökomorphologische Aufbesserungen der Ge- wässer, v.a. der Seitenbäche notwendig. Dies betrifft einerseits die Vernetzung der Fliessge- wässer und die Entfernung von Wanderhindernissen und andererseits die Aufwertung der Sohlenstruktur und Förderung der Tiefenvariabilität, z.B. mit der Anlage von „Pools“.  Weiter sollte die Beschattung der Flüsse durch eine Ufervegetation gefördet werden.  In Gewässern mit guter Naturverlaichung ist auf den Besatz mit Fischen zu verzichten. Bei ungenügender Naturverlaichung kann ein Besatz gemacht werden. Dieser ist dann allerdings unter Berücksichtigung der Fischregionen, der lokal vorkommenden Fischarten auf der Ro- ten Liste und der lokalen Genetik des jeweiligen Einzugsgebiets durchzuführen. Es sollte möglichst auf robuste, krankheitsresistente Arten gesetzt werden. Wo nötig, soll die stand- ortstypische Forelle gefördert werden.  Zur Förderung der lokalen, genetisch angepassten Fischpopulationen ist auf das regelmässi- ge Abfischen der Nebengewässer zu verzichten. Zudem sind ökomorphologisch wertvolle Schongebiete für Fische zu schaffen.  Zudem sollen die gefährdeten Arten Nase, Strömer, Bachneunauge, Schneider, Äsche, Doh- lenkrebs und Lachs gefördert und deren Entwicklung und Verbreitung überwacht werden. 5.4 Empfehlungen zum Monitoring  Die Abflussmessungen sind heute vor allem auf den Hochwasserabfluss ausgelegt. Um kli- matisch bedingte Trockenwettersituationen richtig zu erfassen, müssen insbesondere die Niedrigwasserabflüsse korrekt gemessen werden können. Dazu sind bei den Pegelstationen Niedrigwasserrinnen einzurichten und diese regelmässig zu warten, damit sich in den Rin- nen keine Ablagerungen festsetzen können. Zudem sind von Zeit zu Zeit hydrometrische Eichmessungen durchzuführen.  Zur Erfassung der Entwicklung der Wassertemperaturen sind kontinuierliche Messungen an möglichst vielen Oberflächengewässern durchzuführen. Langjährige Messreihen der Was- sertemperaturen sind unabdingbar, um eine bessere Einschätzung der zukünftigen Entwick- lung vornehmen zu können.  Zur Ermittlung des Wasserbedarfs in der Landwirtschaft sind Bodenfeuchtemessungen an verschiedenen Standorten mit unterschiedlichen Bodentypen durchzuführen. Zur Erfassung der Entwicklung des Bewässerungsbedarfs sind auch hier Langzeitmessungen unabdingbar.  Durch die regelmässige Erhebungen des Fisch- und Nährtierbestandes (ca. alle 3 - 5 Jahre) können die Auswirkungen einzelner Massnahmen und die längerfristige Entwicklung im Ge- wässer abgeschätzt werden.

- 23 - 5 Handlungsempfehlungen

Scherrer AG Hydrologie und Hochwasserschutz

Dr. Simon Scherrer Dr. Peter Kienzler

Reinach, November 2016

Sachbearbeiter: Dr. Simon Scherrer, Dipl. Geograph Uni Basel Dr. Peter Kienzler, Dipl. Hydrologe Universität Freiburg i.Brg.

- 24 - Anhang

Anhang 1: Oben: Emissionsszenarien von anthropogenen Treibhausgasen, zusammen mit der berechneten mittle- ren Erwärmung für die Schweiz in 2085 (aus CH2011, 2011). Unten: Vergangene und zukünftige Änderungen der saisonalen Temperatur (°C) und des Nieder- schlags (%) in der Nordostschweiz. Die Änderungen beziehen sich auf den Referenzzeitraum 1980– 2009 (aus CH2011, 2011).

- 25 -