DIPLOMARBEIT

Die Landungsbrücke von Swakopmund

ausgeführt zum Zwecke des akademischen Grades einer Diplom-Ingenieurin unter der Leitung

Ao. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr.-phil. Andrea Rieger-Jandl

E251-01

Institut für Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege Forschungsbereich Baugeschichte und Bauforschung

eingereicht an der Technischen Universität Wien Fakultät für Architektur und Raumplanung

von

Yoko Rödel

11710344

Wien, am 19. Mai 2021

Abstract

Die Diplomarbeit beschäftigt sich mit den deut- schichte der Landungsbrücke sowie über ihren schen Kolonialbauten und den Hafenanlagen, wel- zeit-, kultur- und bauhistorischen Stellenwert in- che während der Wilhelminischen Zeit in der Kolo- nerhalb der namibischen Baukultur aufzuklären. nie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, erbaut wurden. Der Schwerpunkt der Betrachtun- The diploma thesis deals with the colonial buildings gen liegt auf der Historie der eisernen Landungs- and the port structures that were built during the Wil- brücke von Swakopmund (folglich Landungsbrü- helminian Era in the protectorate of German South cke; Jetty). Da zu jenem Thema lediglich marginale West Africa, today’s Namibia. The focus of conside- Bezüge ausfindig gemacht werden konnten, reiste rations lies on the history of the iron landing bridge die Autorin im Jahr 2019 für einen Forschungsau- in Swakopmund (Jetty). Because of the fact, that, in fenthalt nach Namibia. Im Zuge dessen wurde es relation to that topic, only marginal references had möglich, bisher unbekanntes Quellenmaterial zu been found, the author went on a research trip to Na- sichten, welches im Rahmen der vorliegenden Ar- mibia in 2019. Therefore, it became possible to get beit erstmalig einer breiteren Öffentlichkeit zur Ver- former unknown source material, that can be made fügung gestellt werden kann. Der formale Rahmen available to a wide range of public for the first time. der Arbeit folgt den Methoden der erkenntnisorien- The formal frame follows the methods of knowled- tierten Grundlagenforschung. Jener Ansatz dient ge-oriented basic research – thus serves the purpo- nicht nur einer ganzheitlichen Betrachtung, son- se of generating elementary knowledge for further dern ebenfalls dem Zweck, ein Elementarwissen research fields. Based on chronological descrip- für weiterführende Forschungsfelder zu generie- tions the work explains the origin and development ren. Ziel der Arbeit ist es, anhand einer Chronolo- of Jetty as well as its temporal, cultural and histori- gie über die Entstehungs- und Entwicklungsge- cal relevance within the building culture of Namibia.

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass die vorliegende Di- als solche kenntlich gemacht. Des Weiteren ver- plomarbeit von mir selbstständig angefertigt wurde. sichere ich, dass das Thema dieser Arbeit bisher Alle verwendeten Hilfsmittel sind in dieser Arbeit mit weder im In- noch Ausland einer Beurteiler*in vor- exakten Verweisen gekennzeichnet. Ebenso sind gelegt wurde und die Publikation mit der von den die aus den Quellen wörtlich entnommenen Stellen Begutachter*innen beurteilten Arbeit übereinstimmt.

Wien, Mai 2021 Yoko Rödel

Die Landungsbrücke von Swakopmund Yoko Rödel

Diplomarbeit | SS 2021 Fakultät für Architektur & Raumplanung Technische Universität Wien

Deutsch-Südwestafrika im Jahr 1915 Schuckmannsburg

Portugiesisch-Angola Auguste Victoria Bucht Oshakati Ondangwa Kap Fria Opuwo Rundu

Tsuneb Terrace-Bucht

Otavi Grootfontein Tsumkwe Outjo Skelettküste

Khorixas Otjiwarongo

Ogdenhafen Kreuzkap Karibib Okahandja

Rock-Bucht Swakop-Fluss Gobabis SWAKOPMUND Windhuk

Walfischbucht Rehoboth Sandwichhafen Britisch-Betschuanaland

Mariental Maltahöhe

Spencer-Bucht

Hottentotten-Bucht Bethanien Lüderitzbucht Keetmanshoop

Karasburg

Oranjemund

Südafrikanische Union

Übersicht relevater Ortschaften und Landungsstellen sowie das Streckennetz der deutschen Reichskolonialbahn.

Landungsanlagen von Swakopmund (1915)

Bahnhof

Garnison-Str.

Mole (1900-1903) Bahnhofstraße

Poststraße

Breite Straße Moltkestraße

Kaiser-Wilhelm-Straße

Bismarck-Straße

Hölzerne Landungsbrücke (1904-1907) Brücken Straße

Strand-Straße

Eiserne Landungsbrücke Löschbrücke (1911-1914) Lazarett Straße (nicht realisiert)

Rhode-Allee

Swakop-Straße

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort 15

2. Abkürzungsverzeichnis 17

3. Gegenstand der Forschungen 17 3.1 Forschungsfragen 17 3.2 Methodologie 19 3.3 Quellenauswahl 20

4. Der deutsche Kolonialismus 22 4.1 Deutsch-Südwestafrika 26 4.1.1 Geographie und Klima 26 4.1.2 Bevölkerungsstruktur 26 4.1.3 Geschichte 27 4.1.3.1 Die Nominalherrschaft (1884-1893) 27 4.1.3.2 Die Gründungszeit (1894-1903) 29 4.1.3.3 Die Krisenjahre (1904-1907) 30 4.1.3.4 Die Blütezeit (1907-1914) 31

5. Die Terminologie der Häfen 36 5.1 Hafendämme 37 5.1.1 Der Wellenbrecher 38 5.1.2 Die Kaimauer 39 5.1.3 Résumé 40

5. 2 Landungsbrücken 43 5.2.1 Hölzerne Brücken 43 5.2.1.1 Die Jochbrücke 44 5.2.2 Eiserne Brücken 45 5.2.2.1 Die Balkenbrücke 46 5.2.3 Vergleich 48

6. Häfen in Südwestafrika 52 6.1 Häfen in Deutsch-Südwestafrika 54

7. Der Hafen von Swakopmund 58 7.1 Die Hafenmole 58 7.2 Die hölzerne Landungsbrücke 64 7.3 Die eiserne Landungsbrücke 74 7.3.1 Die Entwurfsplanung 74 7.3.2 Die Bauausführung 80 7.3.3 Umbau und Sanierungen 92 8. Relevanz der Landungsbrücke 103 8.1 Städtebaulicher Kontext 103 8.2 Konstruktiver Befund 106 8.3 Historische Einordnung 109

9. Schlussfolgerungen 112

10. Quellenverzeichnis 126 10.1 Primärquellen 126 10.2 Sekundärquellen 126 10.3 Digitale Verweise 128 11.4 Bildnachweise 129 1. Vorwort

Kolonialismus - ein vielschichtiger Begriff, bei wel- kanischer Herrschaft zur Promenade ausgebaut. chem wir ganz unwillkürlich an das imperiale Groß- Obwohl ihr innerhalb des kollektiven Gedächtnisses machtstreben bekannter Seefahrernationen wie ein besonderer Stellenwert zuteil wird, war bisher Spanien, Frankreich oder Großbritannien mit sei- wenig über ihre Vergangenheit bekannt. Das änder- nem „Big Empire“, dem Reich in dem die Sonne te sich mit einem denkwürdigen Fund, welcher dies- nie unterging, denken. Alles kalter Kaffee und ver- bezüglich einen ersten Wendepunkt markierte, da wischte Spuren im Sand - könnte man meinen. Tat- es hierdurch erstmals möglich wurde, die Historie sächlich ist bis heute nur wenigen geläufig, dass der „Jetty“ neu zu beleuchten: Vor einiger Zeit, wir auch das Deutsche Reich Überseegebiete von nicht schreiben das Jahr 2004, ereilte Dr. Andreas Vogt, unerheblicher Größe erwarb und seinerzeit sogar Historiker und gebürtiger Deutschnamibier, ein An- das drittgrößte Kolonialreich der Welt ausbildete; ruf: Darin berichtete ihm Ernie Rosemund, dass sein wovon vor allem in Namibia, dem ehemaligen Gasthaus, das Swakopmunder Hotel Schütze, ab- Deutsch-Südwestafrika, noch heute zahlreiche Spu- gerissen werden sollte. Bevor das Gebäude jedoch ren zeugen. Über hundert Jahre ist es nun her, dass dem Erdboden gleich gemacht wurde, inspizierte er die Deutschen 1919 vor der Übermacht der Südaf- den Dachstuhl und entdeckte dabei eine Reihe al- rikanischen Union kapitulierten und das Land wie- ter Dokumente in deutscher Schrift. Da er den In- der abgeben mussten. Dabei währte die deutsche halt derer nicht deuten konnte, bat er den Historiker, Kolonialzeit nur knapp dreißig Jahre. Währenddes- sich den Papieren einmal anzunehmen. Gesagt, ge- sen wurde in dem Gebiet, auch „Südwest“ genannt, tan. Als Vogt die Dokumente zu sehen bekam, zeig- nicht nur das Land neu vermessen und infrastruk- te sich, dass es sich hierbei um bisher unbekanntes turell erschlossen, sondern vor allem eines: Es wur- Quellenmaterial aus der deutschen Kolonialzeit han- de viel gebaut. Insbesondere in Swakopmund, das delte. „Der Fund dieser Unterlagen war eine echte einst das „Tor zur Kolonie“ war und bis heute als Sensation“, berichtet Vogt und meint weiter, dass die „deutscheste Stadt südlich des Äquators gilt“, das Konvolut rund siebzig Dokumente beinhalte- zeugen noch heute zahlreiche kulturelle sowie bau- te und ursprünglich von Mathäus Richter stammte. lichen Relikte von jener Epoche. Deutsch ist das „Richter war Ingenieur bei Grün & Bilfinger,ab 1913 Brot, das Bier, die Fassaden, die Architektur, der beim Bau der Swakopmunder Landungsbrücke Stuck und die Türmchen. Deutsche Wertarbeit, sagt und später beim Bau der Ambolandbahn beschäf- man sich dort, das bleibt, das vergeht nicht. In je- tigt.“, so Vogt und ergänzt, „Es ist anzunehmen, ner stoischen Manier scheint auch die „Jetty“, die dass er bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges Landungsbrücke von Swakopmund, seit jeher Wind im Hotel Schütze gastierte und die betreffenden und Wellen zu trotzen. Sie wurde gegen Ende der Unterlagen nach der Kapitulation im Jahr 1915 auf deutschen Kolonialzeit errichtet und unter südafri- dem Dachboden vor den Engländern versteckte.“

Abb. 1: Das Bild zeigt das Hotel Schütze, nachdem dessen Dachstuhl abgebrochen worden war. © Andreas Vogt

15 Abb. 2: Beeindruckende Kulisse: Seit mehr als hundert Jahren hält die „Jetty“ Wind und Wellen zum Trotz stand. © Y. Rödel

In dem Richter-Fundus fanden sich nicht nur zahl- Diplomarbeit. Die ihr zugrunde liegenden Quellen reiche Telegramme und etwaige Korrespondenzen, geben einerseits die Atmosphäre am Ende der deut- sondern ebenfalls der originale Vertrag, welcher für schen Kolonialepoche in Deutsch-Südwestafrika den Bau der Landungsbrücke zwischen dem Deut- authentisch wieder und ermöglichen andererseits schen Reich und den beiden Brückenbaufirmen einen Überblick über die dortige Architektursze- Flender und Grün & Bilfinger abgeschlossen wor- ne sowie die wechselhafte Vergangenheit der Lan- den war. „Die Dokumente beinhalteten eine Reihe dungsbrücke von Swakopmund. Es wird deutlich, brisanter Informationen.“, erläutert Vogt, „Darüber dass es sich bei dem analysierten Bauwerk um ein hinaus waren sie authentisch und nahezu makellos besonderes Relikt aus der deutschkolonialen Ära erhalten, ganz so, als wären sie in einer Zeitkapsel handelt und dieses vor konstruktiven Gesichts- konserviert worden.“ Nachdem der Historiker 2005 punkten gleichsam ein seltenes Beispiel der deut- einige Auszüge aus dem Fundus im Rahmen einer schen Ingenieurskunst darstellt, welches überdies Publikation verarbeiten konnte, gerieten die Do- nach einer kritischen Reflexion verlangt. kumente jedoch mehrere Jahre in Vergessenheit. Zwar hatten sich derer immer wieder verschiede- Erst langsam wächst das Bewusstsein für die Re- ne Historiker angenommen, sich dabei jedoch er- levanz jener Bauten – denn in der Geschichtswis- folglos um eine geschichtliche Aufarbeitung der senschaft finden bisher statt der baulichen Relikte Landungsbrücke bemüht. Dementsprechend kam vor allem die immateriellen Praktiken und Rituale Vogt zu dem Schluss, dass jene Inhalte nur von ei- Erwähnung. Beispielsweise wurde in der jüngeren ner Person verstanden werden könnten, welche Vergangenheit immer wieder über die Rückführung „neben historischer auch über ingenieurwissen- von namibischen Kulturgütern und anderen koloni- schaftlichen Kenntnisse verfügt.“ Als die Autorin im alen Relikten von Deutschland nach Namibia de- Zuge ihrer Forschungsarbeit zu den baulichen Re- battiert - ein Diskurs über den Umgang mit den likten der deutschen Kolonialzeit nach Namibia reis- deutschen Kolonialbauten fand, wenn überhaupt, te und sich infolgedessen an Vogt wandte, holte er nur vereinzelt statt. Dabei bietet vor allem die Aus- das Konvolut aus den Tiefen seiner Archivbestände einandersetzung mit der gebauten Umwelt wichtige und überreichte es ihr mit den Worten: „Sie machen Anhaltspunkte für eine nachhaltige Aufarbeitung der das jetzt!“ – Ein klarer Forschungsauftrag. Zurück in kolonialen Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund Wien machte sich Rödel ans Werk. In einer monate- bildet die vorliegende Arbeit in einer Art Petrischale langen Detailarbeit war es schlussendlich gelungen den Humus für weiterführende Forschungsarbeiten die Unterlagen zu katalogisieren, auszuwerten so- und kann darüber hinaus dem Zweck dienen, einen wie den Inhalt im Rahmen einer umfassenden Ana- gewinnbringenden Dialog zwischen den verschie- lyse zu verarbeiten. Das Ergebnis ist die vorliegende denen Ethnien in Namibia zu ermöglichen.

16 2. Abkürzungsverzeichnis a. a. O. Am angeführten Orte Erinnerungslandschaften, konkret mit den bauli- AWGS Archiv Wis. Ges. Swakopmund chen Relikten der Kolonie, beschäftigen. Die Über- AZ Allgemeine Zeitung sicht der Denkmäler soll im Kontext jener Arbeit DKG Deutsche Kolonialgesellschaft nicht zur Debatte stehen – vielmehr soll die Seman- DKGfSWA Dt. Kolonial Gesellschaft für Südwestafrika tik der kolonialen Bauwerke erörtert werden. Hierfür DSWA Deutsch-Südwestafrika soll auf die allgemeinen Methoden der Grundlagen- DSWAZ Deutsch-Südwestafrikanische Zeitung forschung zurückgegriffen werden, welche auch als Ebd. Ebenda erkenntnisorientierte Forschung, beziehungswei- 2 ECCW Environm. Compliance Consultancy Windhoek se „Basic Research“ bezeichnet wird. Jene Metho- EDEKA Einkaufsgenoss. der dt. Kolonialwarenhändler den werden dadurch charakterisiert, dass für offene NT Namibian Times Fragestellungen wissenschaftlich fundierte Thesen ausgebildet werden. Diese münden wiederum idea- NAW Nationalarchiv Windhuk lerweise in einen wechselseitigen Prozess zwischen OMEG Otavi Minen- und Eisenbahn-Gesellschaft Theorie und Praxis. Dahingehend werden zunächst o. A. Ohne Angabe allgemeine Inhalte der Geistes- und Ingenieurswis- o. J. Ohne Jahr senschaften abgebildet. Weiters wird zum Zwecke o. V. Ohne Verfasser der historischen Einordnung ein einleitender Über- PM Persönliche Mitteilung blick sowohl über die deutschen Kolonien, das ehe- RKA Reichskolonialamt malige Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika sowie NAW Nationalarchiv Winhduk über relevante Hafenanlagen gegeben - letztere In- SWA Südwestafrika halte werden zusätzlich durch eigene Definitions- SZ Swakopmunder Zeitung weisen und Analysen ergänzt. Jene einleitenden UAB Unternehmensarchiv Bilfinger Darstellungen bilden das wissenschaftliche Fun- UAKM Unternehmensarchiv Kraatz Marine dament für die Schwerpunktbetrachtung zur ei- u. a. unter anderem sernen Landungsbrücke von Swakopmund. Vorab Übers. Übersetzung wird aufgezeigt, welche Forschungsfragen, metho- Vgl. Vergleich dischen Grundlagen und Quellen der vorliegenden WA Windhuker Anzeiger Arbeit zugrunde lagen.

3. Gegenstand der Forschungen 3.1 Forschungsfragen

Den wissenschaftlichen Grundstein bildet die Se- Zunächst sollen sich die Darstellungen übergeord- minararbeit „Deutsche Erinnerungskulturen und neten Leitmotiven zuwenden und erörtern, welche Gedenkorte im postkolonialen Namibia“ welche Ursachen zur Erschließung der Weltmeere führten. von der Autorin im Zuge einer Wahlfachbelegung Zudem wird untersucht, worauf die Faktoren ex- am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien pansiver, beziehungsweise kolonialer Bestrebun- im Jahr 2018 verfasst wurde. Im Rahmen dessen gen, zurückzuführen sind und wie die Rolle des wurde ein eingehender Überblick über die bauli- Deutschen Reiches im imperialistischen Kontext chen Relikte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Süd- zu bewerten ist. Des Weiteren sollen sich die Dar- westafrika gegeben. Hierbei zeigte sich, dass es stellungen mit der Frage beschäftigen, weshalb das sich hinsichtlich der Bezeichnung eines Reliktes Deutsche Reich vergleichsweise spät Kolonien er- im Grunde um einen Sammelbegriff handelt, wel- warb. Zudem soll zur Debatte stehen, auf welchen cher sich nicht nur auf die bauliche Umwelt sondern Grundsätzen dabei die deutsche Außenpolitik be- gleichsam auf das kulturelle Erbe bezieht. Auf jener ruhte. Nach einem eingehenden Überblick über das Basis wurde eine Differenzierung zwischen Erinne- deutsche Kolonialreich werden sich die Betrachtun- rungskulturen (immaterielle Praktiken und Rituale) gen der Kolonie Deutsch-Südwestafrika zuwenden und Erinnerungslandschaften (Bauwerke und Denk- und erörtern, worauf ihre Sonderstellung als Sied- mäler) vorgenommen.1 Auch in dieser Arbeit sollen lungskolonie des Deutschen Reiches beruhte. Hier- jene begrifflichen Eingrenzungen Berücksichtigung für werden sämtliche Faktoren untersucht, anhand finden. Dabei sollen sich sämtliche Analysen einer derer ebenfalls aufgezeigt werden soll, welchen kritischen Reflexion der baulichen Relikte des so- Umständen die Siedlungsbewegung zugrunde lag. genannten Schutzgebietes Deutsch-Südwestafrika Darüber hinaus werden die wichtigsten Entwick- zuwenden. Auf jener Grundlage wird sich die Ar- lungen und Errungenschaften innerhalb der Archi- beit vor übergeordneten Gesichtspunkten mit den tekturszene von DSWA beleuchtet.

17 Die deutsche Marine erfreute sich insbesondere zu grundlage für die nachfolgende Bewertung der Ha- Kaiserzeiten größter Beliebtheit.3 Es soll daher un- fenstandorte in DSWA darstellen. In diesem Sinne tersucht werden, worauf die Begeisterung für die wird ebenfalls untersucht, wie die Häfen und etwai- Marine gründete und wie der diesbezügliche Kennt- gen Anlagen Deutsch-Südwestafrikas in Relation zu nisstand der deutschen Ingenieurswissenschaften denselben benachbarter Kolonien zu bewerten sind. in Relation zu anderen Industrienationen zu bewer- Nachfolgend soll auf die Rolle des Hafenstandor- ten ist. Des Weiteren wird analysiert, wie die dama- tes Swakopmund, der etwaigen Landungsanlagen lige Nomenklatur zu Häfen sowie Landungsanlagen und insbesondere auf die außergewöhnliche Ent- ausfällt. In Bezug auf jene Referenzen soll unter- stehungsgeschichte der eisernen Landungsbrücke, sucht werden, zwischen welchen Hafenarten allge- eingegangen werden. mein unterschieden wurde und welche wesentlichen Parameter denselben zugrunde lagen. Im Anschluss Zugunsten einer Hinführung auf das Schwerpunkt- hieran soll zwischen den unterschiedlichen Lan- thema sollen sich die Darstellungen zunächst der dungsanlagen differenziert werden. Diesbezüglich Frage widmen von welchen umweltbedingten Fak- werden jeweils die relevanten Ausführungen befes- toren die südwestafrikanische Küste beeinflusst tigter sowie unbefestigter Landungsanlagen darge- wurde. Des Weiteren wird untersucht, wie der Ein- legt – konkret sollen sich die Darstellungen mit dem fluss des Benguela-Stromes vor dem Hintergrund Hafendamm als befestigte und der Landungsbrücke der vorliegenden Forschungsarbeit zu bewerten ist. als unbefestigte Landungsanlage auseinanderset- Unter Berücksichtigung der hieraus resultierenden zen. Hierbei wird diskutiert, welches die relevanten Erkenntnisse sowie aus Gründen der Vergleichbar- Subkomponenten der jeweiligen Anlagen waren. keit sollen konkret die Häfen von Luanda und Kap- Anhand jener Differenzierungen wird weiterführend stadt zur Diskussion stehen. Darüber hinaus wird beleuchtet, welche geologischen sowie materiellen erörtert, ob sich jene Häfen im Vergleich zu densel- und konstruktiven Parameter denselben zugrunde ben Deutsch-Südwestafrikas als Referenz eignen. lagen. Dahingehend ist von zentralem Interesse, ob Nachfolgend wird zu ergründen sein, welches dem- die jeweiligen Anlagen auch bei losem Untergrund gegenüber die wichtigsten Hafenstandorte des ehe- von Vorteil waren. In Ableitung dessen soll das Ver- maligen Schutzgebietes Deutsch-Südwestafrikas sandungspotential der jeweiligen Anlage untersucht waren und weshalb sie zur Kolonialzeit regelmä- werden. Darüber hinaus wird unter Bezugnahme auf ßig mit dem Hafen in Deutsch-Togo verglichen wur- die damalige Fachliteratur erforscht, welche Metho- den. Außerdem wird dargelegt, welche Ursachen den, beziehungsweise Gerätschaften, zugunsten zur Gründung des Hafenstandortes Swakopmund einer nachträglichen Beseitigung von Sinkstoffen führten und ob sich dieser überhaupt als dauerhaf- empfohlen wurden. Abschließend soll erwähnt wer- te Landungsstelle empfahl. Darüber hinaus soll ein den, dass im Rahmen dessen eine Reihe wichtiger detaillierter Überblick über sämtliche Hafenanla- Hypothesen aufgestellt werden sollen, welche eine gen an dem betreffenden Küstenabschnitt gegeben wichtige Basis für die nachfolgenden Abhandlungen werden, wobei der Schwerpunkt auf der eisernen ausbilden. Landungsbrücke liegen wird. Weiterführend wird analysiert, auf welcher Basis die jeweiligen Anla- Wie einleitend erwähnt, dienen die allgemeinen Dar- gen entwickelt wurden und inwiefern diese kon- stellungen hinsichtlich zeitgeschichtlicher Bezüge struktiv von den ursprünglichen Planungsgrundla- (Deutscher Kolonialismus) und ingenieurswissen- gen abwichen. Begleitend soll ebenfalls Erwähnung schaftlicher Grundlagen (Terminologie der Häfen) finden, wie die jeweiligen Arbeitsbedingungen auf nicht nur der allgemeinen Hinführung auf das The- der Baustelle zu bewerten sind. Daneben soll, unter ma – sie bilden vielmehr eine wichtige Verständnis- Berücksichtigung vorausgegangener Annahmen, grundlage aus, auf deren Grundlage im Sinne von eine eingehende Analyse der materiellen sowie der dialektischen Betrachtungsweisen die Analysen der konstruktiven Qualität in Bezug auf die jeweilige An- Schwerpunktbetrachtungen vorgenommen wer- lage vorgenommen werden, anhand dessen sich den können. Ähnlich der vorausgegangenen Kapitel zeigen soll, ob sich die entsprechende Uferbefesti- werden sich die Abhandlungen zunächst den über- gung als dauerhafte Landungsanlage empfahl. geordneten Gesichtspunkten zuwenden. Zunächst soll der Fokus in einer Art Weitwinkel-Einstellung Abschließend soll nochmals reflektiertwerden, wel- auf der gesamten südwestafrikanischen Küste so- che Faktoren den Bau der eisernen Landungsbrü- wie auf relevanten Häfen benachbarter Koloni- cke begünstigten. Diesbezüglich sollen ebenfalls en liegen, wie beispielsweise derer Südafrikas und die globalen Auswirkungen des Unglücks der Tita- Angolas, da jene Bezüge eine wichtige Erkenntnis- nic untersucht werden, da sich jenes Ereignis pa-

18 rallel zur Grundsteinlegung der Brücke ereignete. schließend soll vor denkmalpflegerischen Aspekten Zusätzlich sollen ebenfalls übergeordnete Gesichts- der Wert der Landungsbrücke, unter Berücksichti- punkte in Bezug auf die Landesgeschichte von gung von zeit-, kultur- und bauhistorischen Kriteri- Deutsch-Südwestafrika Erwähnung finden. Nach- en, bewertet werden. Dahingehend wird ebenfalls folgend wird der Fokus wieder auf das Bauwerk untersucht, über welchen Stellenwert das Bauwerk selbst gelenkt. Dabei wird zunächst analysiert, in- innerhalb der deutschkolonialen Erinnerungsland- wiefern dessen realisierter Bau von ursprünglichen schaften verfügt und welche Faktoren dazu führten, Planungsgrundlagen abwich. Hinsichtlich konstruk- dass es sich zu einem Wahrzeichen Swakopmunds tiver Eigenschaften soll auf die Qualität des verwen- entwickeln konnte. Summa Summarum soll im Rah- deten Konstruktionsmaterials und des Tragwerks men einer Prognose untersucht werden, in welchem eingegangen werden. Gleichsam wird ergründet, Zustand die Brücke sich aktuell befindet und ob ob sich das Bauwerk in Relation zu vorhergehen- sich ein Erhalt des Bauwerks empfiehlt. In diesem den Landungsanlagen bewähren konnte. Nachfol- Zusammenhang soll ebenfalls unter Berücksichti- gend wird die Frage erörtert, welcher Nutzung sie gung der denkmalpflegerischen Praxis in Namibia nach dem Ende der deutschen Kolonialzeit unter- darauf eingegangen werden, ob und welche Reno- lag, welche baulichen Maßnahmen seitdem an ihr vierungen und etwaige Maßnahmen für einen Erhalt vorgenommen wurden und inwiefern sich diese des Bauwerks in Frage kommen und welche Nut- vor konstruktiven Gesichtspunkten empfahlen. Ab- zungserweiterungen hierfür denkbar sind.

3.2 Methodologie

Der formale Rahmen der Arbeit beruht auf den all- westafrikas gegeben. Jene einleitenden Darstel- gemeinen Methoden der theoretischen Grundlagen- lungen dienen dem Zweck, sämtliche historisch forschung, welche das Ziel verfolgt ein möglichst relevante Bezüge adäquat wiederzugeben. Darüber großes Elementarwissen zu generieren. Dement- hinaus gibt das Kapitel über Deutsch-Südwestafri- sprechend werden sämtliche Abhandlungen auf ka ausführlich Auskünfte über die wichtigsten Eck- Basis des geschichts- sowie ingenieurwissen- daten der Siedlungsgeschichte. Jene vertiefende schaftlichen Diskurs erfolgen. Hierbei werden zum Betrachtung dient nicht etwa nur der allgemeinen Teil auch transdisziplinäre Forschungsfelder auf- Hinführung auf das Thema, sondern soll gleich- gezeigt, ohne diese jedoch zu vertiefen. Zugunsten sam vorab wichtige Wendepunkte der dortigen Ar- der erwähnten ganzheitlichen Betrachtungsweisen chitekturszene aufzeigen. Anschließend werden sollen sämtliche Inhalte nur so weit repliziert wer- sämtliche ingenieurswissenschaftliche Informatio- den, als dass diese hinsichtlich der Schwerpunkt- nen behandelt, welche sich mit den Funktionswei- betrachtung einen wissenschaftlichen Mehrwert sen von Hafenanlagen befassen. Hieraus resultiert bieten. Sowohl in Bezug auf die allgemeinen Ab- der Grundsatz, dass jene Analysen allesamt auf handlungen, als auch im Hinblick auf die Einzelstu- denselben Untersuchungsmethoden basieren. Vor- dien der Schwerpunktbetrachtung folgen sämtliche ab sollen die jeweiligen etymologischen sowie kon- Darstellungen einer dialektischen Argumentations- struktiv-funktionellen Definitionsweisen beleuchtet weise. Hierbei wird jeweils das Credo verfolgt, auf werden. Anschließend werden sich die Betrach- etwaige Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis tungen den konstruktiven Eigenschaften des je- zu verweisen. weiligen Bauwerks zuwenden und einen Überblick über die relevanten historischen Bezüge geben. Bei Einleitend soll der Blick auf die relevanten Gegen- den jeweiligen Werkanalysen werden für alle Anla- standsbereiche kultureller, gesellschaftlicher sowie gen dieselben statischen Annahmen angenommen. historischer Phänomene gelenkt werden. Im Zuge Anschließend wird ein Überblick über sämtliche dessen sollen sich die Betrachtungen zunächst dem entwurfsrelevante Rahmenbedingungen wie etwa vielschichtigen Begriff des Kolonialismus zuwenden umweltbedingte, konstruktiv-materielle sowie trag- und aufzeigen, welche Rolle das Deutsche Reich im werksbedingte Faktoren gegeben. In Bezug auf Ha- Imperialen Zeitalter einnahm. Anschließend soll eine fenanlagen wird einerseits zwischen natürlichen Abhandlung zeitgeschichtlicher Bezüge vorgenom- und künstlichen sowie zwischen offenen und ge- men werden. Im Rahmen dessen wird sowohl eine schlossenen Häfen unterschieden. Hinsichtlich der allgemeine Übersicht über sämtliche Überseegebie- Landungsanlagen soll wiederum zwischen befes- te des Deutschen Reiches sowie eine Darstellung tigten und unbefestigten Landungsanlagen diffe- der wichtigsten Entwicklungsphasen Deutsch-Süd- renziert werden. Weiterführend soll eine Darstellung

19 etwaiger Vor- und Nachteile erfolgen. Zudem wird das Schwerpunktthema der Arbeit darstellt, werden erörtert, unter welchen Umständen sich die jewei- jene Analysen in Form von Subkapiteln gegliedert. lige Landungsanlage empfahl. In einer vertiefen- Des Weiteren soll immer wieder diskutiert werden, den Analyse wird die separate Untersuchung eines ob und inwiefern sich die jeweilige Anlage von den Hafendammes, bzw. Mole (befestigte Landungs- allgemeinen Darstellungen der Hafen-Terminologie anlage), sowie der Landungsbrücke (unbefestig- abhebt. Abschließend wird für jede Anlage ein Ver- te Landungsanlage) erfolgen. Bei dem Hafendamm gleich mit dem jeweiligen Vorgängerbau vorgenom- wird zwischen den Subkomponenten der Kaimau- men, um zu analysieren, inwiefern sich das jeweilige er und dem Wellenbrecher unterschieden – bei der Bauwerk an dem dortigen Hafenstandort eignete. Landungsbrücke wird zwischen der Ausführungs- variante in Holz und in Eisen differenziert. Für beide Die hieran anschließenden Schlussbetrachtun- Analysen gilt, dass jeweils eine Untersuchung des gen dienen dem Zweck sämtliche Forschungsfra- Materials, des Tragwerks sowie der Verbindungs- gen adäquat zu beantworten. Nach der Darstellung mittel- und arten stattfindet. Auch die Analyse der von übergeordneten Gesichtspunkten wird der Fo- Fallstudien, wobei ein detaillierter Überblick über kus wieder auf der eisernen Landungsbrücke (Jetty) sämtliche relevanten Hafen- beziehungsweise Lan- liegen, wobei eingehend die Relevanz des Bau- dungsanlagen gegeben wird, soll in derselben Ma- werks sowie der denkmalpflegerische Wert vor nier erfolgen. zeit- , kultur- und bauhistorischen Gesichtspunkten untersucht werden soll. Hierbei wird hinsichtlich der Ähnlich der Darstellungen zum deutschen Koloni- Geisteswissenschaften auf das Kontinuum der Zeit alismus soll auch in Bezug auf die Schwerpunkt- und in Bezug auf die Ingenieurwissenschaften auf betrachtung zunächst ein globaler Überblick über die Metaebenen des Raums verwiesen. Im Rahmen südwestafrikanische Häfen gegeben werden, wobei dessen wird ebenfalls die Rolle der Jetty im städte- erstmals die vorab getroffenen Annahmen voraus- baulichen Kontext bewertet. Vor transzendentalen gegangener Kapitel auf ihre Gültigkeit untersucht Gesichtspunkten wird untersucht, welche visuel- werden. In Bezug auf den Swakopmunder Hafen len und räumlichen Faktoren für die besondere Stel- sollen die Analysen ähnlich der Ausführungen zu lung des Bauwerks verantwortlich sind. Weiters soll den Terminologien der Häfen ausfallen. Im Rah- außerdem auf den materiellen sowie konstruktiven men der Chronologie wird wiederum ein separater Wert der Brücke eingegangen werden. Abschlie- Überblick über die Mole sowie die hölzerne und die ßend werden innerhalb einer historischen Einord- eiserne Landungsbrücke gegeben. Dahingehend nung mögliche Restaurierungen und Nutzungen für wird das Ziel sein, Diskrepanzen zwischen der je- die Landungsbrücke aufskizziert. In einem abschlie- weiligen Phase der Entwurfs- und Ausführungspla- ßenden Fazit werden nochmals sämtliche Darstel- nung aufzuzeigen. Da die eiserne Landungsbrücke lungen resümiert und eingehend reflektiert.

3.3 Quellenauswahl

Jene Darstellungen beziehen sich auf sämtliche An- diesbezüglich auf europäischem Boden nur unzu- gaben, welche der Arbeit als Informationsquelle reichendes Quellenmaterial ausfindig gemacht wer- dienlich waren, wobei die jeweilige Quelle nur auf den konnte, handelt es sich bei dem überwiegenden die Herkunft der Information verweist und nicht der Teil der Inhalte um bis dato unveröffentlichtes Quel- Legitimation der Annahmen dient. Wie bereits er- lenmaterial, welches im Zuge einer Forschungsreise wähnt wurde, ist sowohl hinsichtlich der deutschen im Jahr 2019 in Namibia in Archiven, Museen so- Kolonial- und Architekturgeschichte als auch im wie privaten Hausbeständen gesichtet wurde. Im Hinblick auf die Terminologie von Häfen nur wenig Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde es wieder- Quellenmaterial vorhanden. Die marginalen Bezü- um möglich, sämtliche Darstellungen auf Basis von ge der deutschkolonialen Baugeschichte resultieren Primärquellen zu entwickeln. In Bezug auf die all- aus dem Umstand, dass eine Aufarbeitung dersel- gemeinen Grundsätze der Geschichtswissenschaft ben erst in der jüngeren Vergangenheit stattfand, gilt es sämtliche Texte, Gegenstände oder Tatsa- während die marginale Nomenklatur zu den Hafen- chen zu benennen, aus deren Kenntnis ein neuer anlagen des Deutschen Reiches auf historisch be- Forschungsansatz gewonnen werden kann. Hin- dingten Ursachen beruht. Darüber hinaus markieren sichtlich einer historischen Einordnung, wobei die die Bezüge der Landungsbrücke von Swakopmund Rolle des Deutschen Reiches innerhalb des kolonia- ein völlig unerschlossenes Forschungsgebiet. Da len Zeitalters von zentraler Bedeutung sein wird, soll

20 der Fokus im Schwerpunkt auf den Basiswerken liegenden Arbeit für nicht ausreichend befunden deutscher sowie namibischer Historiker zur deut- wurden. Um diesbezüglichen Themenüberschnei- schen Kolonialgeschichte liegen. Weiterführende dungen und ungenauen Angaben vorzubeugen, Inhalte beziehen sich auf den aktuellen Wissens- erschien es notwendig, auf Basis jener wissen- stand der deutschen Geschichtswissenschaften schaftlichen Grundlagen eigene Definitionsweisen sowie auf die Ergebnisse führender Bismarck-For- sowohl zu Häfen als auch zu Hafenanlagen sowie zu scher. Letzterem wird deswegen eine derart wich- relevanten Landungsanlagen aufzustellen. Die Quel- tige Rolle beigemessen, da sich die Haltung des len der konstruktiven Analysen fußen somit maß- Reichskanzlers unmittelbar auf die Kolonialpolitik geblich auf eigenen Theorien. Jene Basis erscheint des Deutschen Reiches auswirkte. In Bezug auf die vor dem Hintergrund der Didaktik der erkenntnis- Darstellungen der Siedlungsgeschichte von DSWA orientierten Forschung als wichtige Untersuchungs- sowie die Entwicklung der deutschkolonialen Ar- grundlage, um im Rahmen dessen weiterführende chitekturszene wird überwiegend auf die Promotio- Erkenntnisse erzielen zu können. Zugunsten einer nen „Die Wehrbauten der deutschen Schutztruppe umfassenden sowie systematischen Übersicht der [...]“ von Andreas Vogt sowie „Baukunst in Süd- zur Diskussion stehenden Anlagen der Swakop- westafrika“ von Walter Peters Bezug genommen. munder Mole, hölzernen sowie eisernen Landungs- Beide Autoren verfügen aufgrund ihrer Erfahrungs- brücke, gilt es die überwiegend marginalen Bezüge werte nicht nur in Bezug auf das dortige Bauerbe, um weiterführende Inhalte aus der ehemaligen Ko- sondern ebenfalls aufgrund deren ortspezifischer lonie Deutsch-Südwestafrika zu erweitern. Aus die- Kenntnisse über ein umfangreiches Wissen zur sem Grund beziehen sich jene Darstellungen primär dortigen Landeskunde, welches vor übergeordne- auf den Fundus, welchen die Autorin während ih- ten Gesichtspunkten und zugunsten des allgemei- rer Forschungsreise im Zuge der dortigen Recher- nen Verständnisses von besonderer Bedeutung ist. che im National Archive, in der Scientific Society of Swakopmund sowie in zahlreichen Museen und In Rücksichtnahme auf das Thema wird insbe- bei Privatpersonen sammelte. Bezeichnenderweise sondere im Hinblick auf konstruktive Bezüge Wert wurde es auf diesem Weg möglich zahlreiche Do- darauf gelegt, sich überwiegend auf Quellen aus kumente erstmalig einer breiten Öffentlichkeit zur der Zeit des Deutschen Reiches zu beziehen. Sie Verfügung zu stellen. Die mit Abstand wichtigste sollen den damaligen Stand der Technik authentisch Forschungsgrundlage bildet ein Konvolut aus über wiedergeben. Historisch bedingt verfügte Deutsch- siebzig Dokumenten, welches die Planung und Aus- land in Bezug auf die Ingenieurwissenschaften über führung der eisernen Landungsbrücke umfangreich relativ geringe Erfahrungswerte - das gilt insbeson- wiedergibt. Jene Dokumente beinhalten origina- dere für die Praxis. Wenngleich eine Reihe reprä- le Abschriften aus der Zeit des Deutschen Reiches. sentativer Ausgaben der damaligen Fachliteratur zu Darunter finden sich etwa der Vertrag zwischen Hafenanlagen ausfindig gemacht werden konnten, Landesfiskusund den beschäftigten Brückenbaufir- wurde nach Sichtung derselben festgestellt, dass men, Plan- und Detailzeichnungen, die Korrespon- sämtliche Inhalte über lediglich indifferente Anga- denzen der Bauleitung mit den deutschen Behörden ben verfügen, welche vor dem Hintergrund der vor- sowie mit der Baudirektion in Mannheim.

1 Vgl. Rödel, Yoko: Deutsche Erinnerungskulturen und Ge- denkorte im postkolonialen Namibia. Universität Wien, Ins- titut für Zeitgeschichte, 2018, S. 1 ff

2 Vgl. Pielke Jr., Roger: In Retrospect - The Endless Fron- tier. In: Nature, 466, 922 - 923, 2010

3 Rohwer, Jürgen: Politik und Flottenbau (1889 - 1914). In: Elmar Potter / Chester Nimitz: Seemacht: Eine Seekriegsge- schichte von der Antike bis zur Gegenwart. Pawlak Verlag, Herrsching, 1982, S. 315 - 342

21 4. Der deutsche Kolonialismus

Der Begriff des Kolonialismus bezeichnet im Allge- geweckt, den Aufbau eines eigenen Kolonialreiches meinen die Expansion einer Gesellschaft über ihren voran zu treiben.11 Da Brandenburg zu jener Zeit bestehenden Siedlungsraum hinaus.4 Er wird auch jedoch nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung als Sammelbegriff für die historische Phase der so- stand, mussten die Gebiete bald an die Niederlän- genannten Kolonialzeit verwendet, welche im Allge- der abgegeben werden.12 meinen durch Christoph Kolumbus‘ Amerikareisen im 15. Jahrhundert ihren Anfang nahm.5 Des Weite- Nachdem sich 1871 unmittelbar nach dem Ende ren wurde jene Epoche in der Vergangenheit häufig des Deutsch-Französischen Krieges, mit der Grün- mit den expansiven Bestrebungen Spaniens, Por- dung des „Deutschen Reiches“, erstmals ein Na- tugals, Frankreichs und insbesondere Großbritanni- tionalstaat auf deutschem Boden formiert hatte ens, dem „Reich, in dem die Sonne nie untergeht“, und unter dem zum deutschen Kaiser proklamier- assoziiert.6 Wer demgegenüber in der Retrospekti- ten König Wilhelm I. von Preußen mit dem Berliner ve vom Deutschen Reich sprach, hatte meist den Reichstag die Geschicke des Landes fortan durch im Jahr 1871 in Europa gegründeten Nationalstaat eine zentrale Regierung gelenkt wurden, schienen vor Augen und weniger die sogenannten deutschen die Vorrausetzungen für die Gründung eines neu- Schutzgebiete in Afrika, Asien oder dem Südpazi- en Kolonialreiches ideal. Mit jener Reichsgründung fik. Dass Deutschland in Bezug auf den Imperialis- waren auf Basis der „kleindeutschen Lösung“ die mus meist eine triviale Rolle zuteilwurde, wird häufig Gebiete Posen, Westpreußen, Schleswig-Holstein durch den Umstand begründet, dass die deutsche und Elsass-Lothringen annektiert worden, wodurch Kolonialzeit, welche mit dem Landerwerb des Bre- sich einerseits der imperiale Charakter des Reiches mer Kaufmanns Lüderitz im Jahr 1883 an der Süd- auf nationaler Ebene manifestierte und weshalb westküste Afrikas begann und mit dem Ausbruch andererseits Bestrebungen beflügelt wurden, nun des 1. Weltkrieges 1914 ein jähes Ende fand, nur et- „ebenfalls eine aktive Kolonialpolitik in Übersee zu was mehr als dreißig Jahre dauerte.7 Dass es den betreiben.“13 Dennoch sollte es noch zwölf weitere Deutschen trotz jenes überschaubaren Zeitrah- Jahre dauern, ehe durch den einleitend erwähnten mens gelungen war, nach Frankreich und Großbri- Landerwerb im Südwesten Afrikas der Grundstein tannien das flächenmäßig drittgrößte Kolonialreich für ein deutsches Kolonialreich gelegt werden konn- auszubilden, zeigt, dass sie innerhalb jenes span- te. Ursächlich für den verzögerten Eintritt Deutsch- nungsreichen außenpolitischen Machtgefüges kei- lands in die Riege imperialer Großmächte war die neswegs eine Randerscheinung waren.8 anfänglich antikoloniale Haltung Otto von Bis- marcks. Sein Augenmerk lag maßgeblich auf dem Der Eintritt Deutschlands in die Riege der Kolonial- Gleichgewicht der Kräfte in Europa - für einen mächte geschah jedoch vergleichsweise spät – hat- „Platz an der Sonne“ konnte er sich zunächst nur ten doch Ende des 19. Jahrhunderts seine europäi- wenig erwärmen. Nach einem Gesinnungswandel schen Nachbarn bereits einen Großteil des Erdballs des Reichskanzlers wurde dem Erwerb von Über- unter sich aufgeteilt. Eine der zentralen Ursachen seegebieten Anfang der 1880er Jahre schlussend- für jenes verspätete Expansionsbestreben Deutsch- lich doch stattgegeben. lands war der politischen Ordnung vor der Grün- dung des dortigen Nationalstaates geschuldet, da Der Beginn der deutschen Kolonialpolitik wird im sich das Land zu jener Zeit aus einem Flickentep- Allgemeinen auf den 24. April 1884 datiert. An die- pich von rund 300 Herrschaftsgebieten zusammen- sem Tag wurde das von Lüderitz erworbene Ge- setzte und zudem über keine zentrale Exekutive biet rund um die südwestafrikanische Bucht von verfügte. Auch wenn sich die Grenzen des „Heili- Angra Pequena, nachdem dieses in den vorheri- gen Römischen Reiches“ im Laufe der Jahrhunder- gen Monaten um weitere Areale im Hinterland er- te erheblich verändert hatten, betraf dies stets nur gänzt worden war, auf Initiative Bismarcks unter das europäische Festland.9 Eine Ausnahme bildete den Schutz des Deutschen Reiches gestellt. Die jedoch die Gründung der Kolonie Groß Friedrichs- Gründung Deutsch-Südwestafrikas bereitete eben- burg, wobei es sich um ein von 1683 bis 1717 be- falls den Boden für weitere Gebietsansprüche deut- stehendes kurbrandenburgisches Überseegebiet an scher Firmen in Togo und Kamerun, welche im Juli der Elfenbeinküste handelte. Jene Kolonie umfass- desselben Jahres durch den vom Reich entsandten te mehrere Handelsstützpunkte entlang eines Küs- Afrikaforscher zum Kolonialbesitz tenstreifens von rund dreißig Kilometern Länge, auf erklärt wurden.14 Warum Bismarck als bekennender dessen Höhe sich heute die ghanaische Stadt Prin- Kolonialskeptiker den Erwerb von Überseegebieten ces Town befindet.10 Durch jenes imperiale Inter- nun doch zuließ, ist bis heute umstritten. Die Über- mezzo wurde in Deutschland erstmals das Interesse sicht der Bismarck-Forschung zeigt, dass hierbei ei-

22 ne Reihe verschiedener inner- und außerpolitischer, te dazu, dass sich die Interessensphären derselben, wirtschaftlicher sowie ideologischer Faktoren eine insbesondere in Bezug auf das Kongobecken, zu- Rolle spielten. Einerseits wollte Bismarck den auf- nehmend überlagerten. Aus diesem Grund lud Bis- grund des Gebietsverlustes von Elsass-Lothringen marck die Staatschefs Europas im Jahr 1884/85 auflodernden Revangegedanken Frankreichs ab- zur sogenannten Kongokonferenz nach Berlin ein, mildern, indem er die Franzosen bei Verhandlun- welche dem Zweck diente, die jeweiligen Gebiets- gen über koloniale Interessensphären begünstigte; ansprüche der Kolonialmächte in Afrika festzu- andererseits verfolgte er eine bewusste Konfronta- legen. Im Zuge dessen konnte Deutschland sein tion mit Großbritannien - er rechnete jeder Zeit mit Kolonialreich nochmals um die Schutzgebiete Ru- einem Ableben des Kaisers, wonach Friedrich Wil- anda-Burundi sowie Deutsch-Ostafrika erweitern.16 helm den Thron bestiegen hätte, welcher für seine Später sollte es nochmals zu Verhandlungen zwi- englandfreundlichen Positionen bekannt war. Letz- schen Deutschland und dem Vereinigten Königreich teres war dem konservativen Bismarck ein Dorn im in Bezug auf Gebiete im Osten Afrikas kommen, Auge. Er fürchtete nicht nur eine Liberalisierung des welche im Jahr 1890 unter Bismarcks Nachfolger Parlaments, sondern gleichzeitig um seinen Pos- Caprivi zum Abschluss des sogenannten Helgo- ten als Reichskanzler. Auf innerpolitischer Basis land-Sansibar-Vertrages führten. Jenes Abkommen sollte der Kolonialismus als Ablassventil der sozia- bewirkte, dass Deutschland seine Schutzgebiete len Frage herhalten. Einerseits war damit die Hoff- Deutsch-Witu (an der nördlichen Küste des heuti- nung verbunden, der wachsenden Anhängerschaft gen Kenias) sowie Lamus (eine Insel nahe Kenias) der Arbeiterbewegung vorzubeugen; andererseits an Großbritannien abtreten musste. Darüber hin- sollte der Kolonialenthusiasmus Bismarcks Stellung aus verzichtete man auf etwaige Gebietsansprüche im Reich festigen. Auf ökonomischer Ebene sollte in Zulu- und Pondoland (Südafrika), Kenia, Soma- der Export in die Kolonien sowie der Rohstoffimport lia und Sansibar. Im Gegenzug erhielt das Deutsche aus denselben der stagnierenden Wirtschaft auf die Reich die Nordseeinsel Helgoland und den „Capri- Sprünge helfen, neue Arbeitsplätze schaffen und vizipfel“ – eine Landanbindung Deutsch-Südwestaf- nebenbei das Nationalgefühl der Deutschen stär- rikas mit Sambesi. Jene Ausbuchtung im Nordosten ken. Die Kolonien waren für Bismarck also stets nur des Schutzgebietes sollte der Strategie dienen, ei- Mittel zum Zweck.15 ne territoriale Verbindung zwischen dem Südwes- ten und der Kolonie Deutsch-Ostafrika herzustellen Während die ersten Überseegebiete unter den - das Vorhaben wurde jedoch nie realisiert.17 Schutz des Deutschen Reiches gestellt wurden, war unter den europäischen Kolonialmächten der be- Wenngleich während der 1880er Jahre mehrheit- rüchtigte „Wettlauf um Afrika“ entbrannt. Dies führ- lich die Gebietsverhandlungen zu Afrika im Zentrum

Abb. 3: Im Februar 1878 lud Bismarck zur sogenannten Kongo-Konferenz nach Berlin ein. © Adalbert v. Rößler

23 der Debatten standen, darf nicht vergessen werden, dass das Deutsche Reich parallel ebenfalls Kolo- nien in der Südsee von nicht unerheblicher Größe erwarb: Dazu zählte beispielsweise Deutsch-Me- lanesien (Bismarck-Archipel, Kaiser-Wilhelms- land, Salomon-Inseln, Choiseul und Ysabel), Deutsch-Mikronesien (Karolinen, nördliche Maria- nen, Marshallinseln und Nauru), die Deutschen Sa- moainseln (Savai’i, Upolu, Apolima und Manono) sowie der Handelsstützpunkt Kiautschou in China.18 Jene Stützpunkte in der Südsee beschränkten sich stets nur auf die Küstengebiete – von einer Expedi- tion in das jeweilige Landesinnere wurde in der Re- gel abgesehen. Die Gebiete dienten hauptsächlich dem Handel und stellten gegenüber den anderen deutschen Kolonien eine eher untergeordnete Rolle dar.19 Aus diesem Grund sollen sich die Betrachtun- gen im Schwerpunkt den Überseegebieten in Afrika zuwenden, wobei an dieser Stelle die Gelegenheit genutzt wird, einen kurzen Überblick über dieselben zu geben.

Bevor auf die Kolonialgebiete im Einzelnen ein- gegangen werden kann, soll zunächst eine Un- terscheidung derselben nach geographischen Abb. 4: Die deutschen Kolonien in Afrika. ©i.pinimg.com Kriterien erfolgen, da auf Basis der umwelt- und witterungsbedingten Rahmenbedingungen den je- weiligen Gebieten andere Aufgaben zuteilwurden. en wirtschaftlich von Nutzen waren, wurde in der In Bezug auf deren Verortung zeigt sich, dass diese Vergangenheit häufig diskutiert und ist bis heute tendenziell entweder zu Zentralafrika, welches auf- umstritten. Erwiesenermaßen gab es einzelne Unter- grund des tropischen Einflusses über ein ganzjäh- nehmen, welche hierbei durchaus gewinnbringende rig feucht-heißes Klima verfügt, oder zur Subsahara Umsätze einstreichen konnten. Ein Beispiel hierfür gezählt werden können - wobei jenes Gebiet über- ist die Hamburger Reederei Woermann, welche kurz wiegend trocken und wenig fruchtbar ist. Zu letzte- nach der Gründung der ersten Schutzgebiete einen rem wird einzig die Kolonie Deutsch-Südwestafrika Schiffs-Linienbetrieb nach Afrika eröffnete und da- gezählt, welche an späterer Stelle ausführlich Er- raufhin ein Monopol in der Afrika-Schifffahrt ausbil- wähnung finden wird. Demgegenüber lassen sich dete, wodurch das Unternehmen zeitweilig sogar die ehemaligen Kolonien Deutsch-Togo, Kamerun, zur größten Privatreederei der Welt wurde.21 Ähn- Ruanda-Burundi und Deutsch-Ostafrika dem tropi- lich verhielt es sich mit anderen Unternehmen: Zu schen und fruchtbaren Zentralafrika zuordnen. Je- den bekanntesten Händlern für Kolonialwaren zähl- ne Länder waren hauptsächlich von ökonomischer te die EDEKA-Gruppe, ein Unternehmen, welches Bedeutung: Aufgrund des dortigen nährstoffreichen ursprünglich als „Einkaufsgenossenschaft der Kolo- Bodens, den konstant warmen Temperaturen und nialwarenhändler“ Ende des neunzehnten Jahrhun- der allgemein hohen Niederschlagsrate sollten sie derts gegründet worden war und durch den Handel als Rohstofflieferanten für Kaffee, Tabak, Zucker- mit Produkten aus den Überseegebieten einen Jah- rohr, Kautschuk oder Baumwolle dienen.20 resumsatz von bis zu zehn Millionen Mark erzielte; das entspricht umgerechnet einer Summe von etwa So günstig sich auch das dortige Klima für das 36 Millionen Euro.22 Wachstum von Nutzpflanzen erwies, umso be- schwerlicher dürfte es von den Menschen emp- Aus Sicht des Deutschen Reiches dürften die Kolo- funden worden sein, weshalb sich dort nur wenige nien zumindest in den Anfangsjahren ein Minusge- Siedler niederliesen. Zwar wurden auch in jenen schäft gewesen sein. Hierbei darf nicht vergessen Gebieten eine Reihe von Kolonialbauten und Denk- werden, dass die Deutschen hinsichtlich einer admi- mälern errichtet – das Maß aller Dinge blieb jedoch nistrativen Verwaltung von Kolonien über nicht nen- die Rohstoffproduktion. Ob jene Plantagenkoloni- nenswerte Erfahrungen verfügten und sie zudem in

24 der Regel unerschlossenes Land vorfanden, wes- viel Beachtung - sie galt als Meilenstein „für den Im- halb kostenintensive Infrastrukturarbeiten not- port sowie für den Export größerer Mengen von […] wendig wurden, welche wohl kaum durch die Rohstoffen“ und soll später noch zur Debatte ste- Steuereinnahmen der Ausfuhr von Kolonialwaren hen.24 Der wirtschaftliche Erfolg Togos führte dazu, ausgeglichen werden konnten. Eine Ausnahme bil- dass das Gebiet den Titel der „Musterkolonie“ führ- dete jedoch Deutsch-Togo. Das Gebiet an der Elfen- te und nicht nur in ökonomischer Hinsicht als Re- beinküste war die kleinste Kolonie des Reiches und ferenz für andere Kolonien herangezogen wurde.25 entsprach flächenmäßigetwa der Größe von Bayern Bis heute wird jenes Gebiet oft im selben Atemzug – es war jedoch gleichzeitig das einzige Übersee- mit der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafri- gebiet, welches für den Staat wirtschaftlich renta- ka genannt. Während sich Togos besondere Rolle bel war. Auch im Bereich der Infrastruktur wurden auf dessen wirtschaftlichen Erfolg bezog, waren für neue Maßstäbe gesetzt - beispielsweise verfügte die Sonderstellung von DSWA eine Reihe verschie- Togo nach 1903 über gleich drei Eisenbahnenlini- dener Faktoren ausschlaggebend, welche innerhalb en.23 Ebenso fand die Landungsbrücke von Lomé einer gesonderten Betrachtung dargestellt werden.

4 Vgl. Osterhammel, Jürgen; Jansen, Jan C.: Kolonialismus. 17 Fisch, Maria: Der Caprivizipfel während der deutschen Geschichte. Formen. Folgen. 7. Aufl., Beck-Verlag, Mün- Zeit. 1890-1914. Köln, Köppe, 1996, S. 12 chen, 1995, S. 8 18 Vgl. Schnee, Heinrich; Dt. Kolonialgesellschaft (Hrsg.): 5 Vgl. Bitterli, Urs: Die Entdeckung Amerikas. Von Kolum- Deutsches Kolonial-Lexikon. Bd. 1, Quelle & Meyer Verlag, bus bis Alexander von Humboldt. Beck-Verlag, 3. Aufl. Leipzig, 1920 S. 315 ff. München, 1999, S. 45 ff. 19 Grotewold, Christian: Unser Kolonialwesen und seine 6 Vgl. Jackson, Ashley; Rein, Ingrid (Übers.): Das britische wirtschaftliche Bedeutung. Ernst H. Moritz, Suttgart 1911, Empire. Reclam, Stuttgart, 2015, S. 1 ff. S. 208

7 Vgl. Lerp, Dörte: Imperiale Grenzräume. Bevölkerungs- 20 Vgl. Vogt, Andreas: Bismarcks Gesinnungswandel in politiken in Deutsch-Südwestafrika. Campus-Verlag, der Kolonialfrage. 1998, S. 5 Frankfurt am Main, 2016 S. 7 ff. 21 Vgl. Kludas, Arnulf: Die Schiffe der deutschen Afrika-Li- 8 Mitchell, James (Hrsg.): Große illustre Weltgeschichte. nien 1880 – 1945. Stalling, Oldenburg, 1975, S. 19 f. Von der französischen Revolution bis zur Gegenwart. Park- 22 Vgl. Edeka Stiftung & Co. KG: 100 Jahre Edeka. Ge- land, Stuttgart, 1990, S. 66 meinsam gewachsen. Hamburg Edeka-Verlag, 2007, S. 1 9 Vgl. ebd. ff.

10 Vgl. Gründer, Horst: Imperialismus und deutscher 23 Schnee, Heinrich; Dt. Kolonialgesellschaft (Hrsg.): Deut- Kolonialismus in Afrika. In: Larissa Förster u. a.: Nami- sches Kolonial-Lexikon. 1920, S. 529 ff. bia-Deutschland. Eine geteilte Geschichte. Edition Minerva 24 Vgl. Seebald, Peter: Togo 1884 – 1914. Eine Geschichte Hermann Farnung, Wolfratshausen, 2004, S. 26 der deutschen „Musterkolonie“ auf der Grundlage amtli- 11 Vgl. Gloger, Bruno: Friedrich Wilhelm – Kurfürst von cher Quellen. Akademie-Verlag, Berlin, 1988, S. 332 Brandenburg. 3. Aufl., Verlag Neues Leben, Ost-Berlin, 25 Vgl. Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DSWAZ, 1989, S. 329 Nr. 47-5, Windhuk, 24. April 1913 (AWGS) 12 Vgl. Gründer, Horst: Imperialismus und deutscher Kolo- nialismus in Afrika. In: Namibia Deutschland, eine geteilte Geschichte. 2004, S. 26

13 Vgl. Lerp, Dörte: Imperiale Grenzräume. Bevölkerungs- politiken in Deutsch-Südwestafrika. 2016, S. 42

14 Vgl. a.a.O. S. 45

15 Vgl. Vogt, Andreas: Bismarcks Gesinnungswandel in der Kolonialfrage. In: Journal der Wissenschaftlichen Ge- sellschaft Namibia, No. 46, Windhuk, 23. 05. 1998, S. 1 ff.

16 Vgl. Gründer, Horst: Der „Wettlauf“ um Afrika und die Berliner Westafrika-Konferenz 1884/85. In: Van der Hey- den, Ulrich; Zeller, Joachim: Kolonialmetropole Berlin, Eine Spurensuche, Berlin-Edition, Berlin, 2002, S. 19-23

25 4.1 Deutsch-Südwestafrika

Wie bereits einleitend erwähnt worden war, wurde Siedlungsgeschichte werden sich die Darstellungen den deutschen Kolonien entsprechend der örtlich im Schwerpunkt mit den Städten Lüderitz, Windhuk bedingten geologischen, geographischen sowie kli- und insbesondere mit Swakopmund befassen. Es matischen Rahmenbedingungen jeweils eine an- soll überdies aufgezeigt werden, ob sich innerhalb dere Rolle zuteil. Im Zuge dessen wurde erläutert, des deutschkolonialen Bauwesens ein eigener Ar- dass die größtenteils im Raum Zentralafrika gelege- chitekturstil etablierte. Wenngleich sich unter jenen nen Schutzgebiete Togo, Kamerun, Ruanda-Burun- baulichen Relikten ebenfalls zahlreiche Denkmäler di sowie Deutsch-Ostafrika dem Deutschen Reich befinden, kann hierauf in Rücksichtnahme auf das hauptsächlich als Rohstofflieferantendienten. Dem- vorliegende Schwerpunktthema nicht vertieft einge- gegenüber wurde festgestellt, dass sich das Gebiet gangen werden. Des Weiteren kann ebenso wenig um Deutsch-Südwestafrika im subtropisch konti- jedes einzelne Bauwerk aus der Kolonialzeit Erwäh- nentalen Klima befand.26 Im Vergleich zu den ande- nung finden - es soll vielmehr das Ziel verfolgt wer- ren „Schutzgebieten“ war das aride Südwestafrika den, einen zusammenfassenden Überblick über die landwirtschaftlich wenig ergiebig. Wie es dennoch wesentlichen stilistischen Tendenzen der Archi- dazu kommen konnte, dass jenes eher unrentab- tekturszene von Deutsch-Südwestafrika zu geben. le Gebiet zur Siedlungskolonie proklamiert wurde, Vorab soll sich der Blick den einleitenden Betrach- soll im Rahmen der nachfolgenden Betrachtungen tungen zu der Geographie, dem Klima sowie der erörtert werden. In Bezug auf die Abhandlung der Bevölkerungsstruktur zuwenden.

4.1.1 Geographie und Klima

Die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika be- ge Vegetation. Das Hochland wird im Osten durch findet sich im Südwesten Afrikas zwischen den die rötliche Kalahariwüste und im Norden durch ein drei Grenzflüssen Kunene und Okavango im Nor- flaches Feuchtgebiet eingerahmt. Letzteres verfügt den sowie dem Oranje im Süden. Das Land ist etwa über einen äußerst fruchtbaren Boden, eine reich- 850.000 km² groß, wird im Norden von der ehemali- haltige Flora und Fauna sowie üppige Wasservor- gen portugiesischen Kolonie Angola, im Osten vom kommen. An jenes Gebiet schließt westlich ein dicht Betschuanaland (dem heutigen Botswana), im Sü- bewachsenes Gebirge an, welches in den tropisch den durch die Grenze der ehemaligen Kap-Kolonie geprägten Caprivizipfel übergeht. Das Klima ist heiß und im Westen durch den atlantischen Ozean be- und trocken, wobei an der Küste, bedingt durch den grenzt. Die niederschlagsarme Namibwüste, nimmt Benguela-Strom, ganzjährig milde 25 Grad vorherr- im Norden Südafrikas ihren Anfang und erstreckt schen und der Norden tropisch geprägt ist. Da das sich entlang der Westküste bis nach Angola. Sie Land schon damals zu den trockendsten Gegen- wird im Osten durch die Randstufe begrenzt, wel- den der Erde zählte, kam eine bodenwirtschaftliche che die Küste vom Binnenhochland trennt. Letzteres Nutzung generell nicht in Frage. Hier und da wurde nimmt im ebenfalls trockenen und felsigen Süden Viehzucht mit Rindern und anderen Nutztieren be- seinen Ursprung, geht nach Norden in ein Hoch- trieben, ansonsten galt das Gebiet ökonomisch als plateau über und verfügt über eine savannenarti- wenig rentabel.27

4.1.2 Bevölkerungsstruktur

Jene deutsche Kolonie verfügte über eine vielfälti- tu-Stämmen besiedelt.28 Weiter südlich, im Zentrum ge Bevölkerungsstruktur, welche sich aus mehre- und Westen, lebten die Bergdama - sie betrieben ren, verschiedenartigen und zum Teil rivalisierenden Jagd und wurden zu Kolonialzeiten von den Herero ethnischen Gruppen zusammensetzte: Die größte als Sklaven gehalten.29 Die Herero waren wieder- Gruppe stellte damals wie heute das Volk der Ambo um vornehmlich im Raum Okahandja ansässig und dar, eine Ethnie, welche sich zwischen dem Kaoko- gliederten sich im Osten in die Subgruppe Mbade- land im Westen und dem Großraum von Okavango ru und im Nordwesten in die Himba und Tjimba. Sie ansiedelte. Die Ambo waren sowohl mit den Bantu betrieben Viehzucht und lebten als Nomaden.30 Zu als auch mit dem östlich benachbarten Volk der Ka- den ältesten Stämmen des Landes zählte die Grup- vango sowie mit den Herero verwandt und betrieben pe der San. Sie lebten überwiegend im Raum der Hackbau. Auch der nordöstlichste Bereich der Ko- Kalahari und waren Jäger. Weiter im Osten schlos- lonie, der Caprivizipfel, war von verschiedenen Ban- sen die Tswana an, welche wie die nördlicheren

26 Stämme ebenfalls zu den Bantu zählten und ihren und wurden daher häufig zusammenfassend als Stammsitz im Gebiet des späteren Botswana hat- „Hottentotten“ bezeichnet.32 Eine besondere Bevöl- ten.31 Der Süden des Landes wurde von den Nama kerungsgruppe stellte das Volk der Baster dar. Je- dominiert. Jener Stamm gliederte sich wiederum ner Stamm war aus einer Gruppe von Buren und in die Gruppe der Namaqua und Oorlam. Während Nama heraus entstanden, siedelte sich ab dem Jahr die Namaqua Viehzucht betrieben, lebten die Oor- 1876 im Großraum Rehobot an und orientierte sich lam, welche aus einer Gruppe von Buren und Na- stark am europäischen Lebensstil.33 Aufgrund des ma entstanden waren, von Raubzügen, wobei sie es ariden Klimas waren vor der deutschen Kolonialzeit häufig auf den Viehbestand der Herero abgesehen in jenem Gebiet, mit Ausnahme von ein paar Händ- hatten. Im Laufe der Jahre verwischten die ethnolo- lern und Missionaren, keine nennenswerte Anzahl gischen Grenzen zwischen den Nama und Oorlam an europäischen Siedlern ansässig.34

4.1.3 Geschichte

Die klimatisch ungünstigen Verhältnisse waren der teilte ihm Bismarck zunächst noch eine Absage. Als Hauptgrund, weshalb sich etablierte Kolonialmäch- jedoch im Jahr 1884 ein Verlust der Ländereien an te lange nur wenig für den Südwesten Afrikas inte- die Kap-Kolonie drohte, gab der Kanzler schlus- ressierten. Zwar siedelten sich im 15. Jahrhundert sendlich doch nach und stellte jenes Gebiet im Ap- vorübergehend portugiesische Seefahrer an der ril 1884 offiziell unter den Schutz des Deutschen Küste der Namib an, aufgrund der unwirtlichen Ver- Reiches.37 Nach jenem Erfolg erwarb Lüderitz wei- hältnisse zogen sie jedoch bald wieder ab.35 Erst tere Gebiete im Hinterland.38 Des Weiteren unter- durch die Initiative des Franz Adolf Eduard von Lü- nahm er zahlreiche Expeditionen, welche der Suche deritz erwachte die Region aus einem langen Dorn- nach Bodenschätzen dienten. Da keine der Unter- röschenschlaf: Nachdem Lüderitz bereits erste nehmungen den gewünschten Erfolg brachten und Erfahrungen mit einem Handelsposten an der Elfen- Lüderitz daraufhin zunehmend in finanzielleSchwie- beinküste gesammelt hatte, fasste er gemeinsam rigkeiten geriet, verkaufte er seine Besitzungen am mit dem Kaufmann Heinrich Vogelsang den Ent- 3. April 1885 an die Deutsche Kolonialgesellschaft schluss einen weiteren Stützpunkt im Südwesten für Südwestafrika. Er verblieb auch nach dem Ver- Afrikas zu gründen.36 Nachdem der erste Lander- kauf in der Kolonie und kam wenig später bei einer werb Lüderitz‘ rund um die Bucht Angra Pequena Expedition am Oranje-Fluss ums Leben. Daraufhin erfolgt war und er daraufhin die deutsche Regierung wurde ihm zu Ehren der Ort Angra Pequena in Lü- um offiziellen Schutz für seine Besitzungen bat, er- deritzbucht umbenannt.39

4.1.3.1 Die Nominalherrschaft (1884-1893)

Nachdem Bismarck Reichskomissar Heinrich Gö- ßend zu den ersten Siedlungsgründungen, wie etwa ring, kein geringerer als der Vater des späteren durch die Missionare des Vereins der Rheinischen Nationalsozialisten Hermann Göring, in das neue Mission kam.40 Da bis dato noch immer keine Bo- Protektorat entsandt hatte, konnte auf seine Initia- denschätze entdeckt worden waren und die finan- tive die Kolonie erstmals um größere Gebiete er- ziellen Mittel knapp waren, wurde nun intensiv nach weitert werden. Zu diesem Zweck richtete Göring, Rohstoffen gesucht. Die Suche blieb weiterhin er- welcher das Schutzgebiet anfänglich noch von Lü- gebnislos und die Kolonie drohte in der Bedeu- deritzbucht aus verwaltet hatte, eine Missionsge- tungslosigkeit zu versinken. Bald jedoch erfolgte im sellschaft in Otjimbingwe ein, von wo aus fortan Deutschen Reich eine erste politische Wende, wel- ebenfalls die Regierungsgeschäfte geführt wurden. che DSWA zu einem ungeahnten Aufschwung ver- Der zentrale Verwaltungssitz wurde deswegen ge- helfen sollte.41 wählt, da von dort aus das Einflussgebiet der Deut- schen weiter in das Hinterland ausgedehnt werden Die Rede ist vom sogenannten Dreikaiserjahr: Nach sollte. Infolgedessen steuerten die deutschen Schif- dem Tod von Kaiser Wilhelm I. Anfang des Jahres fe statt Lüderitzbucht zunehmend den zentraleren 1888, war Kronprinz Friedrich bereits so schwer an Hafen der britischen Enklave Walfischbucht (Walvis Kehlkopfkrebs erkrankt, sodass dieser nach einer Bay) an. In den nachfolgenden Monaten unternahm nur dreimonatigen Regentschaft ebenfalls starb. Göring Reisen in das Umland, wonach es anschlie- Daraufhin folgte ihm sein 29-jähriger Sohn Wilhelm

27 II. auf den Thron.42 Seine Regentschaft wird auch war damit auf seine endgültige Größe angewach- oft unter dem Begriff des Wilhelminischen Zeitalters sen.46 Nach jener letzten Gebietserweiterung wurde zusammengefasst, da dieses maßgeblich von dem Curt von François, welcher nach Görings Abreise „persönlichen Regiment“ des jungen Kaisers be- die Geschäfte bereits provisorisch geführt hatte, stimmt wurde. Unter ihm war der Thron nicht länger zum Landeshauptmann befördert.47 François‘ erste nur der „Sitz der Autorität, auf die die Regierungs- Amtshandlung galt der Verlegung des Verwaltungs- gewalt sich stützte, sondern eine eigenständige po- sitzes nach Windhuk im Jahr 1890. Noch im selben litische Kraft.“43 Bald stellte sich heraus, dass der Jahr veranlasste er dort den Bau einer Festung, heu- junge Kaiser und Reichskanzler Bismarck sehr un- te bekannt unter dem Namen „Alte Feste“, und an- terschiedliche politische Ansichten vertraten, so- deren administrativen Bauten. Windhuk hatte somit dass es häufig zu Meinungsverschiedenheiten zunächst einen überwiegend militärischen Charak- zwischen den beiden Männern kam. Aufgrund von ter angenommen.48 Später ließen sich entlang der unüberwindbaren Differenzen entließ Kaiser Wil- Kaiserstraße (heute Independence Avenue) zahlrei- helm ll. Bismarck 1890 und setzte Leo von Caprivi che Händler und Siedler nieder. Des Weiteren wur- als dessen Nachfolger ein.44 Mit dem neuen Reichs- de die „Besiedelung des Klein-Windhuker Tals und kanzler fand ein erster Kurswechsel in Richtung ei- des Landes östlich von Windhuk“ vorangetrieben.49 ner expansiveren Außenpolitik statt, wenngleich Caprivi ursprünglich ein bekennender Skeptiker des Parallel spitzte sich die innenpolitische Lage im Kolonialismus war. Dennoch betonte er, dass inzwi- Deutschen Reich immer weiter zu: Nachdem die schen ein Stadium erreicht sei „wo es ohne Verlust sozialdemokratische Arbeiterpartei bereits unter an Ehre und Geld kein Zurück gäbe, nur ein Vor- Bismarck einen regen Zulauf zu verzeichnen hat- wärtsschreiten.“ Infolgedessen erklärte er die Ko- te, war diese im Jahr 1890 zur stärksten Kraft des lonialpolitik zur Chefsache und ließ eine eigene Reichstags angewachsen. Paradoxerweise nahmen Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt einrichten.45 gleichzeitig die Gegensätze zwischen dem Pro- letariat und dem Staat immer extremere Züge an, Im sogenannten „Scramble for Africa“ hatten die sodass eine Lösung jener gesellschaftspolitischen europäischen Mächte die Grenzen ihrer Interes- Differenzen auf parlamentarischer Ebene nicht mehr sensphären in Afrika gezogen. Auf diese Weise war möglich erschien. Um den sozialen Missständen ebenfalls der Caprivizipfel entstanden, welcher mit der deutschen Arbeiterschaft entgegen zu wirken, Unterzeichnung des Helgoland-Sansibar-Vertrages wurde nun bewusst auf einen aktiven Kolonialis- am 01. Juli 1890 in den kolonialen Besitz des Deut- mus gesetzt. Dass infolgedessen Deutsch-Süd- schen Reiches überging. Deutsch-Südwestafrika westafrika zur Siedlungskolonie auserkoren wurde

Abb 5 + 6: Früh entwickelte sich in DSWA ein eigenständiger Architekturstil mit umlaufenden Veranden. © W. Peters

28 und nicht etwa näher gelegenere Überseegebiete Da sich François trotz militärischen Beistandes ver- wie Togo oder Kamerun hatte klimatische Gründe geblich darum bemüht hatte, den Konflikt beizule- und ist überdies auf eine Unternehmung der Deut- gen, wurde er 1894 von als sein schen Kolonialgesellschaft zurückzuführen, welche Nachfolger abgelöst. Diesem gelang es wiederum im Rahmen einer Expedition die Möglichkeiten einer noch im selben Jahr einen Schutzvertrag mit dem dauerhaften Besiedelung der Kolonie ausloten lies. Nama-Häuptling Witbooi abzuschließen, welcher Das Ergebnis der Reise war, dass DSWA als Sied- sowohl von den Herero als auch von allen übrigen lungsstandort überaus geeignet sei. Somit wurden Stämmen anerkannt wurde. Mit jenem Friedens- fortan, mit finanziellerUnterstützung des Deutschen schluss wurde nicht nur das Einflussgebietder Deut- Reiches, „kapitalkräftige und auf Viehzucht spezia- schen nachhaltig legitimiert, er bereitete zudem den lisierte Farmer“ und andere Auswanderungswillige Boden für eine großflächige Besiedelung des Lan- für Siedlungsgründungen in DSWA angeworben.50 des.52 Um die Schutzherrschaft weiter ausbauen zu können, veranlasste Leutwein den Bau von mehre- Jene ersten Siedlungsversuche wurden jedoch ren Militärstationen. Darüber hinaus wurde ebenfalls häufig durch die subversiven Anwandlungen der die Suche nach einem zentralen und unabhängigen indigenen Bevölkerung unterbrochen, da insbe- Hafen eröffnet. Da entlang der gesamten südwest- sondere die Stämme der Nama und Herero die afrikanischen Küste selbst nach eingehender Un- deutsche Herrschaft ablehnten. In Reaktion auf tersuchung keine andere geeignete Landungsstelle die Unruhen gründete die Deutsche Kolonialgesell- gefunden werden konnte, fielhierbei schlussendlich schaft die sogenannte Schutztruppe, eine militäri- die Wahl auf Swakopmund, wonach sich die Stadt sche Einheit, welche der öffentlichen Ordnung und in den nachfolgenden Jahren zu einem florierenden Sicherheit in den Überseegebieten dienen sollte.51 Hafenstandort entwickeln sollte.53

4.1.3.2 Die Gründungszeit (1894-1903)

Nach Abschluss des Vertrages, setzte in DSWA eine Während jener Friedensperiode waren auf Basis der längere Friedensphase ein. Jene Periode fiel in die ersten baulichen Erfahrungen die ersten massiven Amtszeit des Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Kolonialbauten entstanden. Jene Gebäude waren welcher Leo von Caprivi 1894 in das Amt des Reichs- anfänglich recht funktional und wenig repräsenta- kanzlers gefolgt war. Der Fürst setzte im Großen tiv; verfügten jedoch schon damals über eine um- und Ganzen die politische Linie Caprivis fort.54 Unter laufende Veranda, welche sich folglich zu einem ihm wurden der Aufbau weiterer Siedlungen sowie der gestaltprägendsten Elemente der deutschen die Gründungen von Militärdistrikten an strategisch Kolonialarchitektur entwickelte. Jene überdach- günstigen Punkten gefördert. Parallel wuchs die Be- ten Veranden spendeten nicht nur Schatten son- völkerung kontinuierlich an und die Suche nach ei- dern dienten gleichzeitig als Erschließungsfläche nem zentralen Hafen hatte noch zu François‘ Zeiten für innenliegende Räume (Vgl. Abb. 5 & 6). Anders zur Gründung Swakopmunds geführt.55 Gleichzeitig als bei den Veranden der Briten, bei welchen Holz wurde das Schutzgebiet auf Verwaltungsebene neu oder gusseiserne Säulen Verwendung fanden, setz- gegliedert, wodurch unter anderem das sogenann- ten die Deutschen hierbei auf Stützen aus Backstein te Referat für Bauwesen entstanden war. Jenes Amt und begründeten auf diese Weise eine völlig eigen- war sowohl für den Städtebau als auch für die Ver- ständige Verandenarchitektur.57 Dabei fanden auch gabe konkreter Bauvorhaben zuständig. Es wurden traditionelle Baumaterialien wie Lehm oder Bruch- städtebauliche Modelle für Windhuk, Otjimbingwe, stein Verwendung.58 Wenngleich die Jahresberichte Okahandja, Omaruru, Gibeon, Keetmanshoop, Lü- aus jener Epoche insgesamt auf eine rege Bautätig- deritzbucht und Swakopmund angefertigt. Swa- keit hinweisen, ließ das Management der Bauver- kopmund wurde hierbei als zukünftiges Tor zur waltung jedoch zu wünschen übrig. Den Beamten Kolonie eine besondere Rolle zuteil. Entsprechend fehlte es dabei nicht an Struktur – ganz im Gegen- des Bebauungsplanes war für jenen Ort ein lockeres teil. Tatsächlich wurden die Bauarbeiten gerade Schachbrettmuster angedacht worden. Bezeich- deswegen massiv behindert, da sich Bauprojekte nenderweise fanden dabei bereits die zukünftige aufgrund von perfektionistischen Arbeitsweisen und Landungsstelle sowie die Gleisanlagen der Hafen- fehlgeleiteten Prioritätensetzungen unnötig in die bahn Berücksichtigung. Eine weitsichtige Entschei- Länge zogen. So wurde etwa besonders viel Wert dung, wie sich noch in den darauffolgenden Jahren auf eine dekorative Ausgestaltung der Gebäude ge- zeigen sollte.56 legt. Jene Liebe zum Detail entsprach jedoch durch-

29 aus dem wilhelminischen Zeitgeist und ist überdies bild des Küstenortes nachhaltig veränderte. Folglich ein wesentlicher Faktor für den besonderen Mythos wichen die Holzbaracken nach und nach massiven der deutschen Kolonialarchitektur.59 Gebäuden im Stil des romantischen Historismus.61

Während jener Zeit wurden vor allem in Windhuk Nachdem unter Caprivi und Fürst zu Hohenlo- zahlreiche Bauten realisiert - demgegenüber blie- he-Schillingsfürst erste, verhaltene Tendenzen einer ben Swakopmund und Lüderitz in ihrer Entwicklung expansiven Außenpolitik erkennbar geworden wa- zunächst zurück. Während Lüderitz‘ Bauwesen auf- ren, wurde mit dem Amtsantritt von Reichskanzler grund fehlender Geldmittel stagnierte, galt Swakop- von Bülow im Jahr 1900 eine deutlich offensivere Au- mund bis dato als politisch unsicher.60 Da an der ßen- und Kolonialpolitik eingeläutet.62 Jene Periode sandigen Küste kein Lehm vorhanden war, muss- fiel,nach den durch François initiierten Siedlungsgs- ten die Gebäude dort in Form von hölzernen Bara- erweiterungen sowie nach Leutweins Vertragsab- cken errichtet werden. Wenngleich sich unter jenen schluss von 1894, in eine längere Friedensphase. schlichten Bauten auch schmucke Cottage-Häuser Während jener Zeit kam es erneut zu großflächi- fanden, boten sie aufgrund der besonderen Witte- gen Siedlungsgründungen und es setzte erstmalig rungen keinen ausreichenden Schutz. Die bauliche eine rege Bautätigkeit ein. Bei den Gebäudearten Wende folgte mit der Rinderpest von 1897: Da auf- unterschied man grundsätzlich zwischen Wohn- grund der Seuche die Anzahl der für den Transport- bauten, repräsentativen Bauten und Regierungs- verkehr zur Verfügung stehenden Nutztiere rapide bauten. Letztere verfügten oftmals über deutlich sank, wurde der Bau einer Bahntrasse von Swakop- höhere Zimmerdecken und aufwändigere Dach- mund nach Windhuk beschlossen. Hierdurch wur- formen.63 Während die Straßenzüge in Deutsch- de gleichzeitig auch der Status Swakopmunds als Südwestafrika immer konkretere Formen annahmen zentraler Hafenstandort besiegelt und der Bau ei- und innerhalb der dortigen Architekturszene eine ner Hafenmole veranlasst. Der Bahn- und Molenbau allmähliche Hinwendung vom Historismus zum verhalfen Swakopmund zu einem ersten wirtschaft- Jugendstil und Landhaustypus stattfand, geriet die lichen Aufschwung, wonach sich auch das Stadt- Siedlungsbewegung bald wieder ins Stocken.

4.1.3.3 Die Krisenjahre (1904-1907)

Nach einem Jahrzehnt des Friedens war es ab 1904 waren von einem deutlich repräsentativeren Cha- erneut zu Aufständen durch die Herero und Nama rakter.65 Nachdem sich die Auseinandersetzungen gekommen. Jene Unruhen sollten bis 1907 andau- in den Süden verlagert hatten, kam es auch in Lüde- ern und sich entscheidend auf die weitere Entwick- ritz zu einem wirtschaftlichen Aufschwung.66 Später lung der Kolonie auswirken. Es war eine Zeit voller wurde Leutwein im August 1905 durch Lothar von Gegensätze: Auf der einen Seite kam die Farmwirt- Trotha abgelöst. Nachdem unter seiner Führung schaft beinahe vollständig zum Erliegen, auf der die Aufständischen in der Schlacht am Waterberg anderen Seite setzte in den Küstenstädten eine un- geschlagen wurden, bat dieser um seine Abberu- geahnte Hochkonjunktur ein, sodass der Schiffslan- fung, woraufhin ihm ins deplatz in Swakopmund immer mehr an Bedeutung Amt folgte. Während in der Kolonie allmählich wie- gewann. Da sich dort ebenfalls der Umschlagplatz der Normalität einkehrte, setzte unter Lindequist ei- der Otavi Minen- und Eisenbahngesellschaft be- ne nochmals konsequentere Siedlungspolitik ein.67 fand, erschien die Errichtung einer ordentlichen Durch seine Initiative wurde nun auch in Windhuk Hafenanlage als unabdingbar - der Bau der Mo- wieder mehr gebaut. Dabei waren auch eine Reihe le wurde somit mit großem Interesse verfolgt. Als von Kolonialvillen entstanden, wovon noch heute die diese kurz nach ihrer Eröffnung im Jahr 1903 ver- Bauten auf der Boysenschanze zeugen. Jene Villen sandete, zögerte die koloniale Führung nicht lange unterschieden sich nicht nur typologisch, sondern und beschloss den Bau einer hölzernen Landungs- auch in stilistischer Hinsicht bedeutend von der üb- brücke.64 Währenddessen blühte die Wirtschaft in lichen deutschen Kolonialarchitektur. Ihre Fassaden Swakopmund weiter auf und auch die Bevölkerung zeugten vom Duktus des Wilhelminismus, waren wuchs exponentiell an, wodurch ebenfalls eine be- überaus schmuckhaft gestaltet und dementspre- achtliche Anzahl an kolonialen Neubauten entstan- chend mit Türmchen, Giebel, vorgelagerten Erkern, den war. Die Fassaden der dortigen Bauten zeugten Ornamentik und Stuck ausgestattet. Auch generell jetzt auch von einem deutlich dekorativerem Antlitz, fand eine zunehmende Hinwendung zur sogenann- verfügten über schmuckhafte Stuckelemente und ten Putzarchitektur statt.68

30 4.1.3.4 Die Blütezeit (1907-1914)

Mit der Beendigung der Aufstände und nachdem Aufgrund der neu entfachten Begeisterung für die die Reichstagswahl im Januar 1907 zugunsten Kolonien folgten nochmals zahlreiche Siedler dem der Kolonialisten ausgefallen war, folgten die lan- Ruf nach Afrika. Dank des Kupferabbaus im Raum gersehnten Jahre der Blütezeit. Dazu hatte nicht Tsuneb und dem glücklichen Umstand, dass im nur Reichskanzler Bülows expansive Kolonialpo- Jahr 1908 zufällig im Hinterland von Lüderitz gro- litik beigetragen, sondern ebenfalls der von Dern- ße Vorkommen an Diamanten gefunden worden burg angeregte Reformkurs.69 Nachdem er im Mai waren, warf die Kolonie erstmals bedeutende Ge- 1907 zum ersten Staatsekretär des neu gegründe- winne ab. Als Dernburg jedoch im Alleingang ver- ten Reichskolonialamtes ernannt worden war, wur- fügt hatte, dass der Abbau der Bodenschätze de unter ihm die „verstärkte Ansiedlung der Weißen, ausschließlich der Diamantengesellschaft vorbe- das Eisenbahnnetz ausgedehnt, die Selbstverwal- halten sein sollte, geriet er derart in Misskredit so- tung eingeführt, Kolonialbeamte ausgebildet und dass er im Juni 1910 sein Amt niederlegen musste.74 das Reichskolonialbeamtengesetzt gebildet.“70 Für Sein Nachfolger wurde von Lindequist, welcher zu- ihn waren die deutschen Überseegebiete keines- vor Gouverneur von DSWA gewesen war und das wegs ein Politikum. Vielmehr boten sie aus seiner Land bestens kannte. Im abgeschiedenen Lüderitz, Sicht die Möglichkeit, zusätzliche Absatzmärkte für das außer barackenartigen Hütten, umherliegenden die Wirtschaft des Deutschen Reiches zu generie- Schutt, Schmutz und zerbrochenem Glas bis da- ren. Des Weiteren war er der erste leitende Beamte, to nur wenig zu bieten hatte, setzte währenddes- welcher sich auf einer ausgedehnten Afrikareise ein sen ein großes Diamantenfieberein, woraufhin es zu persönliches Bild vom Zustand der Kolonien mach- neuen Siedlungsgründungen wie etwa Kolmanns- te, sodass seine Politik maßgeblich von jenen Rei- kuppe oder Elisabethbucht kam. In Lüderitz selbst seerfahrungen bestimmt wurde.71 Durch ihn wurden wurden nun endlich auch die ersten Gebäude in die Schutzgebiete noch einmal attraktiv, wodurch massiver Bauart errichtet. Die Massivbauweise er- auch der weitere Ausbau Deutsch-Südwestafrikas schien vor allem aus gesundheitlichen Gründen not- von einem neuen „Geist der Entschlossenheit“ ge- wendig, da dort Seuchengefahr herrschte.75 tragen wurde.72 Jene Zeit fielin die Amtsperiode des Gouverneurs Bruno von Schuckmann, welcher Lin- Demgegenüber wirkten die Pionierbauten aus den dequist im Mai 1907 beerbt hatte.73 Anfangsjahren nicht nur formell wie aus der Zeit ge- fallen. Sie waren überdies von einer deutlich geringe- ren Qualität und bereits nach wenigen Jahren derart baufällig geworden, sodass viele der Bauten nicht dauerhaft erhalten werden konnten. Abseits dessen gab es in Bezug auf die Realisierung von Neubauten ebenfalls Defizite: Die baulichen Abläufe waren bis dato relativ unkoordiniert, weshalb für viele Bauvor- haben oftmals zusätzliche Gelder bewilligt werden mussten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Christus- kirche in Windhuk, welche aus der Feder Gottlieb Redeckers stammte und einen Steinwurf von der al- ten Feste entfernt Ende 1907 errichtet wurde (Vgl. Abb. 7). Aus Gründen der Stabilität sollte der Bau ausschließlich aus festem Quarzitsandstein beste- hen. Da dieser nicht aus Windhuk bezogen werden konnte, musste sämtliches Baumaterial aufwändig mit der Feldbahn angeschafft werden. Zwar ver- fügte die Kirche Dank des qualitativ hochwertigen Sandsteines und formstabilen Eisens im Bereich des Dachstuhls über konstruktiv hervorragende Ei- genschaften, jedoch hatte der Bau am Ende mehr als das Doppelte der ursprünglich geplanten Bau- kosten verschlungen.76

Spätestens nach der Vollendung der Christuskirche war klar: So konnte es nicht weiter gehen. Demzu- folge setzte innerhalb der Bauverwaltung ein wich- Abb. 7: Christuskirche von Gottlieb Redecker. © Y. Rödel

31 Abb. 8 + 9: Die Kirche in Berseba damals und heute. © Andreas Vogt/Yoko Rödel tiger Paradigmenwechsel ein, wonach man sich im für den Raum um Keetmanshoop geworben wurde, dortigen Bauwesen fortan nicht nur um eine beson- um zukünftige Siedlungsströme dorthin zu lenken.81 ders stabilere Bauweise sämtlicher Bauvorhaben Dadurch wurde nun auch die bauliche Entwicklung bemühte, sondern überdies Sorge dafür trug, dass der südlichen Region gefördert. Mit Ausnahme von alle Abläufe, von der Herstellung der Baumateriali- Lüderitz, wo Bauten im Stil des romantischen Histo- en über den Transport bis hin zur Bauausführung, rismus mit Jugendstileinflüssen und Elementen aus exakt aufeinander abgestimmt wurden. Die Ver- der englischen Gotik vertreten waren (Vgl. Abb. 10), gabe der Bauarbeiten erfolgte fortan systematisch galten die Kolonialbauten des Südens allgemein als nach Gewerken, statt minderwertigen Bruchsteinen deutlich schlichter als die reich verzierten Bauten durften nur mehr Zementsandsteine oder Ziegel Swakopmunds (Vgl. Abb 11). Walter Peters sah in verwendet werden - die bewährte Putzarchitek- jener Anwandlung Einflüssevon Peter Behrens oder tur wurde beibehalten.77 Interessanterweise fällt Adolf Loos.82 Eine berechtigte Annahme, weisen in diese Zeit ebenfalls der Bau der eisernen Lan- doch viele der Bauten in ihrer klaren Linienführung dungsbrücke von Swakopmund - auch bei diesem auf modernistische Stilmittel hin. Somit zog vor- Bauwerk wurde nichts dem Zufall überlassen. Trotz nehmlich im Süden ein moderner Zeitgeist ein: Ein der Einführung neuer, einheitlicher Standards, wur- gelungenes Beispiel für jene „neue Sachlichkeit“ ist den weiterhin je nach Region unterschiedliche Kon- die Kirche in Berseba, welche 1910 erbaut wurde struktionswerkstoffe und entsprechende Bauarten (Vgl. Abb. 8 & 9). Die strengen Formen des Gebäu- angewandt. Wenn es etwa nicht möglich war, vor des wirken im Vergleich zu den schmucken wilhel- Ort gebrannte Ziegel herzustellen, griff man weiter- minischen Kolonialbauten ausgesprochen schlicht. hin auf die örtlich verfügbaren Materialien wie dem „Es sind sachliche Bauten“, konstatiert der Bauhis- Bruchstein oder dem Lehm zurück.78 toriker Walter Peters, „zu sachlich für die damali- ge Zeit“.83 Nachdem Schuckmann im Jahr 1910 sein Amt nie- dergelegt hatte, folgte ihm ins Amt.79 Im selben Jahr erfuhr die Kolonie die erste große Re- Unter ihm setzte in den letzten Jahren der deut- zession. Einerseits weil die Konjunktur ins Stocken schen Herrschaft noch einmal ein reger Bauboom geriet, andererseits, weil die günstigen Absatzmärk- ein, wonach nicht nur eine Reihe neuer Wohnbau- te für Diamanten schwanden. Jener Einbruch wirkte ten entstanden waren, sondern zunehmend auch sich insbesondere auf die Ökonomie der Küstenre- repräsentative Gebäude, Kirchen und Denkmäler.80 gion aus, während Windhuks Wirtschaft weiterhin Tendenziell wuchs die Population im Norden des florierte.Parallel wurde die neu erworbene Sachlich- Landes deutlich stärker an, als jene im ariden Sü- keit innerhalb der Architektur weiter verfeinert, wo- den, weshalb nach 1910 im Deutschen Reich explizit raus sich eine blockhafte Baugattung manifestierte.

32 Während die Qualität der Gebäude auf formaler 1919 musste das Deutsche Reich alle Überseege- Ebene weiter zunahm, ließ dabei interessanterwei- biete abtreten, sodass die Kolonie als Mandatsge- se deren konstruktive Beschaffenheit nach, da die biet in den Besitz Südafrikas überging. In weiterer Kunstsandsteine zunehmend über eine unzurei- Folge wichen die deutschen Behörden den südafri- chende Güte verfügten. Um dennoch für die Stand- kanischen Mandatsverwaltern, Englisch sowie Hol- festigkeit der Bauten garantieren zu können, kamen ländisch wurden als Amtssprachen eingeführt. Viele neben Ziegel zunehmend auch Beton- und Eisen- der deutschen Siedler wurden daraufhin des Lan- werkstoffe zur Anwendung.84 Bei den letztgenann- des verwiesen und eine Besiedelung durch die Bu- ten Materialien handelte es sich damals um relativ ren setzte ein. Jener politische Wechsel bedeutete neue und unerforschte Bauwerkstoffe. Bezeichnen- nicht nur eine gesellschaftliche Zäsur, sondern be- derweise kamen sie in Swakopmund im Zuge der siegelte gleichsam das Ende des deutschen Bau- Errichtung der eisernen Landungsbrücke erstma- wesens in Südwestafrika.86 Danach befand sich das lig in nennenswertem Umfang zur Anwendung.85 Es Gebiet viele Jahrzehnte unter der Herrschaft Süd- kann davon ausgegangen werden, dass die hierbei afrikas. Erst in den 1980er Jahren regten sich erst- gesammelten Erfahrungswerte maßgeblich dazu malig subversive Kräfte, welche die Unabhängigkeit beitrugen, dass jene Werkstoffe auch bei anderen von Südafrika erwirkten. Nachdem unter der Füh- kolonialen Bauvorhaben Verwendung fanden. Als rung der SWAPO im Jahr 1990 auf dortigem Boden ein Jahr später DSWA mit dem Ausbruch des ers- erstmals eine parlamentarische Demokratie ent- ten Weltkrieges im August 1914 durch die Südafri- standen war, wurde das Land in Anlehnung an die kaner und Briten besetzt wurde, kamen sämtliche Namib-Wüste, in Namibia umbenannt.87 Bauarbeiten zum Erliegen. Die Deutschen versuch- ten zunächst noch Widerstand zu leisten, sie wa- Obwohl sich die deutsche Herrschaft in ren dem kapländischen und britischen Heer jedoch Deutsch-Südwestafrika über einen Zeitraum von zahlenmäßig deutlich unterlegen, sodass bereits lediglich dreißig Jahren erstreckte und die dortige am 9. Juli 1915 die Kapitulation erfolgte. Nachdem Siedlungsbewegung aufgrund von inneren Unru- Gouverneur Seitz das Regiment an die Besatzer ab- hen und fehlender Investitionsmittel mehrmals sta- gegeben hatte, folgten mehrere Jahre des innen- gnierte, war es den Deutschen dennoch gelungen politischen „Schwebezustandes.“ Währenddessen eine beträchtliche Anzahl an kolonialen Bauwerken wurden im Deutschen Reich zugunsten der Rüs- und Denkmälern zu realisieren. All jene Relikte ein- tungsproduktion sämtliche Zuschüsse für die Kolo- te die Eigenschaft, dass deren Fassaden stets den nien gestrichen, wodurch auch die Wirtschaft und wilhelminischen Zeitgeist erkennen ließen. Hierbei folglich das Baugewerbe in DSWA in sich zusam- zeichnete sich die Tendenz ab, dass sich sämtliche menbrach. Nach dem Ende des Krieges im Jahr Architekturstile immer erst im Deutschen Reich eta-

Abb 10: Die Felsenkirche und das Goerke-Haus in Lüderitz zeugen vom Jugendstil gothischen Elementen. ©Y. Rödel

33 Abb. 11: Das Hohenzollernhaus im Stil des Neobarock ist heute ein Baudenkmal von Swakopmund. © Yoko Rödel

blierten, bevor sie ihren Weg in die Überseegebiete Stils festhielt, kamen hier erstmals die Einflüsse fanden. Mit Ausnahme von Swakopmund, wo oft- der neuen Industriebaukultur und des Werkbun- mals eine exakte Übertragung deutscher Bauwei- des zum Tragen. Jene vormoderne Architektur stellt sen auf afrikanischem Boden stattfand, wurden die womöglich das außergewöhnlichste Merkmal der deutschen Stilmittel stets unter Berücksichtigung Entwicklungen in DSWA dar. Der Wert jener bau- lokal bedingter Faktoren rezipiert. Die große Vielfalt lichen Relikte gründet dabei nicht nur auf der Tat- an Bautypen, welche sich hierdurch herausbildete, sache, dass sie aufgrund modernistischer Stilmittel reichte dabei von einfachen Baracken über Etagen- der reichsdeutschen Architektur weit voraus waren. wohnungen und Reihenhäusern bis hin zu reprä- Wegen ihrer großen typologischen Bandbreite und sentativen Villen oder Schlössern. Es wird somit ihrem charakteristischen Antlitz prägen sie das Land festgestellt, dass es der kolonialen Bauverwaltung bis zum heutigen Tag. Es kann somit vorab ange- gelungen war, innerhalb weniger Jahre eine eigen- nommen werden, dass jene Bauten keineswegs al- ständige Baukultur für DSWA zu entwickeln. Dies lein im Kontext des Kolonialismus zu bewerten sind, galt insbesondere für die Bauwerke, welche wäh- sondern überdies nach einer interdisziplinären Un- rend der letzten Jahre der Herrschaft entstanden tersuchung vor zeit-, kultur-, und bauhistorischen sind, da diese zunehmend modernistische Ansät- Kriterien verlangen. Auf Basis jener Erkenntnisse ze erkennen ließen. Jene sachliche Formensprache ist also davon auszugehen, dass das bauliche Erbe ist ein äußerst bezeichnender Aspekt der deutschen aus der deutschen Kolonialzeit auch in Zukunft ei- Kolonialarchitektur. Während man im Deutschen nen wesentlichen Schwerpunkt innerhalb der nami- Reich noch lange am Pomp des wilhelminischen bischen Baukultur ausbilden wird.

26 Vgl. Grünewald, Günter: Länder und Klima. Af- 30 Vgl. a.a.O. S. 26 rika. Brockhaus, Wiesbaden, 1983, S. 34 31 Vgl. Grünewald, Günter: der und Kli- 27 Vgl. a. a. O. S. 33 - 34 ma. Afrika. 1983, S. 34 32 Vgl. Vogt, Andreas: Die Wehrbauten der deut- 28 Vgl. a. a. O. S. 35 schen Schutztruppe. 2002, S. 26 – S. 27

29 Vgl. Vogt, Andreas: Von Tsaobis bis Namuto- 33 Vgl. a.a.O. S. 27 ni. Die Wehrbauten der deutschen Schutztrup- 34 Vgl. a.a.O. S. 28 pe in Deutsch-Südwestafrika von 1884-1915. Klaus Hess Verlag, Göttingen, 2002, S. 27 35 Vgl. Kaulich, Udo: Die Geschichte der ehemaligen Ko-

34 lonie Deutsch-Südwestafrika 1884-1914. Europäischer 61 Vgl. a.a.O. S. 197 ff. Verlag der Wissenschaften, Wien, 2001, S.38 – S. 39 62 Vgl. Vogt, Andreas: Bismarcks Gesinnungswandel in 36 Vgl. Riel, Axel: Der „Tanz um den Äquator“: Bis- der Kolonialfrage.1997, S. 11 marcks antienglische Kolonialpolitik und die Erwar- tung des Thronwechsels in Deutschland 1883 bis 1885. 63 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika, 1981, Duncker & Humboldt, Berlin 1993, S. 384 - 392 S. 266

37 Vgl. Peters, Walter, SWA Wissenschaftliche Ge- 64 Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakopmund. sellschaft Windhuk (Hrsg.) : Baukunst in Südwestaf- Windhuk, o. A. S. 69 rika. Die Rezeption deutscher Architektur in der Zeit 65 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika. 1981, von 1884 bis 1914 im ehemaligen Deutsch-Südwest- a.a.O. S. 198 afrika (Namibia). John Meinert, Windhuk 1981, S. 21 66 Vgl. a.a.O. S. 127 f. 38 Vgl. Stoecker, Helmut: Drang nach Afrika – Die deut- sche koloniale Expansionspolitik und Herrschaft in Af- 67 Vgl. a.a.O. S. 121 ff. rika von den Anfängen bis zum Verlust der Koloni- 68 Gründer, Horst: Geschichte der deutschen Kolonien. en. 2. Aufl., Akademie Verlag, Berlin, 1991, S. 102 ff. 2004, S. 122 39 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Süd- westafrika. 1981, S. 21 69 Vgl. Harder, Gerd: Die Reichstagswahl des Jahres 1907 in ihrer Bedeutung für die deutsche Reichsgeschichte. Eine 40 Vgl. a.a.O., S. 22 Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der ko- lonialen Probleme. Examensarbeit, Kiel, 1975, S, 154 41 Vgl. Rohdich, Walter: Das Dreikaiser- jahr 1888: Wilhelm I., Friedrich III., Wilhelm II. Po- 70 Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika, 1981, S.165 dzun-Pallas Verlag, Friedberg, 1987, S. 123 71 Vgl a. a.O., S. 167 42 Vgl. a.a.O. S. 320 72 Vgl. a.a.O. S. 165 43 Clarck, Christopher: Wilhelm ll., Die Herr- schaft des letzten deutschen Kaisers. Deut- 73 Schnee, Heinrich; Deutsche Kolonialgesellschaft sche Verlags-Anstalt, München, 2008, S. 72 (Hrsg.): Deutsches Kolonial-Lexikon. Bd. 3, Leipzig 1920, S. 306 44 Vgl. a.a.O., S. 74 74 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika, 1981, 45 Vgl. Fisch, Maria: Der Caprivizipfel wäh- S. 218 rend der deutschen Zeit. 1890-1914. Rüdi- ger Köppe Verlag, Köln, 1996, S. 13 - 14 75 Vgl. a.a.O. S. 217

46 Vgl. a.a.O. S. 12 76 Vgl. a.a.O. S. 170

47 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Süd- 77 Vgl. a.a.O. S. 191 ff. westafrika, 1981, S. 44 78 Vgl. a.a.O. S. 194 ff.

48 Vgl. a.a.O. S. 45 - 47 79 Vgl Erbar, Ralph: Seitz, Georg Friedrich Theodor. In: 49 Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika, 1981, S. 49 neue Deutsche Biographoe (NBD). Bd. 24, Duncker & Humboldt, Berlin, 2010, S. 207 f. 50 Kaulich, Udo; Lang, Peter (Hrsg.): Die Ge- schichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Süd- 80 Vgl. Peters, Walter : Baukunst in Südwestafrika, 1981, westafrika. 2001, S. 320 - 323 S. 192 – 197 51 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika, S. 44 81 Vgl. a.a.O. 217 ff.

52 Vgl. a.a.O., S. 53 82 Vgl. a.a.O. S. 243

53 Vgl. a.a.O., S. 50 f. 83 Vgl. a.a.O. S. 300 54 Vgl. Vogt, Andreas: Bismarcks Gesinnungswandel in der Kolonialfrage. 1997, S. 11 84 Vgl. a.a.O. S. 315

55 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika. 1981, 85 Vgl. Brown, David J.: Brücken. Kühne Konstruktionen S. 53 über Flüsse. 2. Aufl.,München, Callwey, 2007, S.46

56 Vgl. a.a.O., S. 67 86 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika. 1981, S. 318 - 320 58 Vgl. a.a.O., S. 193 87 Vgl. Dierks, Klaus: Chronologie der namibischen Ge- 59 Vgl. a.a.O., S. 76 schichte. 2. Aufl., Klaus Hess Verlag, Göttingen, 2003, S. 60 Vgl. ebd. 353 ff.

35 5. Die Terminologie der Häfen

Der Begriff des Hafens leitet sich ursprünglich vom schen Reiches maßgeblich beeinflusst wurde.95 An niederdeutschen Wort „Havene“ ab, was vereinfacht dieser Stelle wäre eine detaillierte Darstellung der so viel wie „Umfassung eines Ortes“ bedeutet.88 Per allgemeinen Terminologie von Häfen wünschens- Definition wird ein Hafen als eine Uferausbildung wert, sie würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit bezeichnet „welche der Schiffahrt [sic!] und dem bei weitem übersteigen und kann daher nicht ver- Umschlag dient, einschließlich der unmittelbar da- tieft werden.96 Stattdessen sollen sich die folgenden mit zusammenhängenden Einrichtungen.“89 Trotz Abhandlungen im allgemeinen mit den funktionellen der historischen Relevanz von Hafenanlagen, konn- Aspekten und konstruktiven Eigenschaften der Hä- te diesbezüglich sowohl in der Enzyklopädie des fen sowie etwaiger Anlagen befassen. Deutschen Reiches als auch in nachfolgenden Jahr- zehnten keine einheitliche Nomenklatur ausfindig Grundsätzlich galt für alle Hafenarten, dass sich gemacht werden.90 Dazu heißt es beispielsweise: diese über die jeweiligen Dimensionen der Schif- „Über Hafenausrüstungen sind verstreut im Schrift- fe und der Güter sowie über die geologischen tum manche Aufsätze und Angaben zu finden. […] Rahmenbedingungen des Ufers definierten.97 Als Ein zusammenfassender Überblick über alles das Voraussetzung für eine optimale Nutzung mus- […] fehlte bisher.“91 Um inhaltliche Diskrepanzen zu ste das Hafenbecken möglichst großzügig dimen- vermeiden werden daher alle Darstellungen, neben sioniert sein und dabei guten Schutz gegen Wind den historischen sowie konstruktiven Inhalten von und Wellen bieten. Des Weiteren galt, dass das Be- anschließenden Analysen und Hypothesen beglei- cken eine sichere Einfahrt und ein bequemes Lan- tet, welche anhand einer dialektischen Argumen- den der Schiffe gestatten musste. Der Übergang tationsweise untersucht werden sollen. Im Zuge von Land zu Wasser sollte so gestaltet werden, der Abhandlungen sollen außerdem weitere For- dass die Schiffe bei genügend Tiefgang unmittelbar schungsfelder sinnverwandter Themen aufgezeigt am Ufer anlegen konnten.98 Der Position der Ha- werden. Um ein authentisches Bild von dem dama- feneinfahrt wurde dabei eine elementare Rolle zu- ligen Stand der Technik skizzieren zu können, sol- teil. Sie wurde idealerweise so ausgerichtet, dass len sich alle Inhalte vorrangig auf die Quellenanlage die Schiffe bei genügend Tiefgang durch den Wind des Deutschen Reiches beziehen und dabei durch in den Hafen getragen wurden. Schwierig gestaltete Abbildungen von beispielhaften Nordsee- und Mit- sich dies bei indifferenten oder wechselnden Strö- telmeerhäfen sowie anderen relevanten Hafenanla- mungsverhältnissen oder, wenn Strömungen längs gen unterstützt werden. der Küste vorhanden waren, die Sinkstoffe mit sich führen konnten. In diesem Fall bestand die Gefahr Für eine globale Sicht werden zunächst die histo- einer Versandung des Hafenbeckens, da sich Sink- rischen Ursprünge von Häfen beleuchtet. Es wird stoffe in der Regel entlang des Hafeneingangs und davon ausgegangen, dass diese allgemein auf den an den Hafenmauern ablagerten, beziehungsweise Ursprung der Schifffahrt zurückgeführt werden kön- an den Stellen zum Erliegen kamen, wo die Strö- nen. Des Weiteren wird angenommen, dass die mung unterbrochen wurde.99 Die Methoden zur Be- Fortbewegung über die Ozeane sinnbildlich für die seitigung etwaiger Ablagerungen werden noch am schicksalhafte Beziehung des Menschen zum Meer konkreten Beispiel Erwähnung finden. steht, wobei konkret von dem Dilemma der Polarität zwischen Erde und Wasser die Rede ist. Es resul- Vorab soll erwähnt werden, dass zugunsten eines tiert die Annahme, dass diese Faszination auch zur technischen Verständnisses statische Grundlagen Erschließung der Welt führte und sowohl die Ent- ansatzweise beleuchtet werden, wobei für alle Ha- deckung fremder Länder als auch den Handel mit fenarten jeweils die gleichen Lasten angenommen ihnen ermöglichte.92 Ein drastischer Wandel vollzog wurden. Generell gilt, dass sich diese sowohl aus sich dabei im Zuge der Industrialisierung, da her- vertikalen als auch aus horizontalen Lastfällen zu- kömmliche Segelboote zunehmend durch große sammensetzten. Für die vertikalen Lasten wurde Dampfer ersetzt wurden, welche immer leistungs- in Eigenlasten und Nutzlasten (Landungsvorrich- fähigere Häfen bedingten.93 Aufgrund des anwach- tungen, Transportfahrzeuge, Personen) unterschie- senden maritimen Verkehrs wurde der Begriff des den.100 Demgegenüber wurden Schublasten wie „schnellen Hafens“ bald zu einem geflügelten Wort beispielsweise Einwirkungen durch Bremsen bzw. der deutschen Marine.94 Die technischen Innovatio- Anfahren von Fahrzeugen, Wasser- und Windlas- nen innerhalb der Schifffahrt können zudem als eine ten den horizontalen Einwirkungen zugeordnet. wichtige Basis für das imperialistische Vormacht- Außerdem wird davon ausgegangen, dass im Lau- streben der europäischen Großmächte gesehen fe der industriellen Revolution Einwirkungen durch werden, wodurch auch die Flottenpolitik des Deut- Fahrzeuge wie die Eisenbahn, zusätzlich zur allge-

36 meinen Gleichlast auch die Berücksichtigung von Quellen im Schwerpunkt mit den offenen Seehäfen Achslasten erforderlich machten. Neben den darge- befassen, kann davon ausgegangen werden, dass stellten Lastfällen mussten auch die indirekten diese gegenüber anderen Hafenanlagen bevorzugt Einflüsse wie zum Beispiel witterungsbedingte wurden.103 Faktoren (Grad der Luftfeuchtigkeit, Temperatur- schwankungen) berücksichtigt werden. Eine Ein- Auf Basis von geologischen Parametern, umwelt- wirkung in Form von Schneelasten kann im Kontext und witterungsbedingten Faktoren, den anzuneh- dieser Arbeit jedoch vernachlässigt werden.101 menden Lastfällen, der jeweiligen Materialwahl und der Tragwerksart kamen bei Hafenbauten unter- Im Anschluss an die Erläuterungen der allgemei- schiedliche Ausführungen zur Anwendung. Um in- nen historischen und statischen Grundlagen soll haltliche Überschneidungen zu vermeiden, soll an zugunsten weiterführender Analysen auf relevante dieser Stelle zwischen Häfen und Hafenanlagen un- Hafenarten eingegangen werden. Hierbei soll in ei- terschieden werden. Darüber hinaus muss eine wei- nem ersten Schritt eine Unterscheidung zwischen tere Differenzierung zwischen Hafenanlagen und natürlichen und künstlichen Häfen stattfinden: Von Landungsanlagen, als Sammelbegriff für alle Ar- natürlichen Häfen wurde dann gesprochen, wenn ten von Uferbefestigungen, erfolgen. Prinzipiell wird diese aufgrund von natürlichen, geologischen und zwischen befestigten Landungsanlagen in Massiv- hydrologischen Bedingungen in Form von Inseln, bauweise (Kaimauern, Piere, Molen) und den un- Landzungen oder Buchten gebildet wurden - selbst befestigten Landungsanlagen in Skelettbauweise wenn diese mit künstlichen Ufern versehen waren. (See- oder Landungsbrücken, Schwimmstege) un- Als Naturhäfen boten sich insbesondere Buchten terschieden.104 Die Konkretisierung jener Definitio- an - demgegenüber wurden vorab gegrabene Ha- nen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen fenbecken (Bassins) an unbefestigten flachen Ufern - stattdessen dient jene Systematisierung als Ver- und Stränden als künstliche Häfen bezeichnet.102 Es ständnisgrundlage für weiterführende Analysen. kann angenommen werden, dass sich die Ausbil- dung eines Hafens an einer Bucht gegenüber einer Nachfolgend sollen sich die Betrachtungen auf die künstlichen Hafenanlage grundsätzlich empfahl. Die Hafendämme, beziehungsweise die Molen, als be- Hypothese wird im Zuge späterer Analysen einge- festigte und die Landungsbrücken, als unbefestigte hend untersucht. Landungsanlagen an offenen Seehäfen konzentrie- ren.105 Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden In einem weiteren Schritt erfolgt eine Differenzie- die Abhandlungen möglichst präzise gehalten und rung zwischen offenen und geschlossenen Häfen, dabei triviale Inhalte vermeiden. In Bezug auf die je- wobei ein offener Hafen gegenüber einem ge- weiligen Anlagen werden sich die folgenden Kapitel schlossenen als vorteilhafter erscheint. Die Quellen- unterschiedlichen Definitionsweisen, historischen lage zeigt, dass offene Häfen aufgrund der leichten Bezügen sowie konstruktiven Eigenschaften bedie- Zugänglichkeit bevorzugt wurden - gleichzeitig wur- nen. Im Fall der Molen erfolgt eine Analyse der bau- den jedoch ihre hohen Uferkanten sowie ihr hohes lichen Subkomponenten, während hinsichtlich der Versandungspotential bemängelt. Geschlossene Landungsbrücken verschiedene Bauarten dersel- Häfen boten durch Einrichtungen wie beispielswei- ben Kategorie verglichen werden. Im Rahmen ei- se Schleusen einen höheren Schutz, wenngleich sie ner abschließenden Betrachtung sollen die Vorzüge sich am offenen Meer und bei hohem Verkehrsauf- und Nachteile der jeweiligen Hafenanlagen diame- kommen nicht eigneten. Unabhängig davon galt: tral untersucht werden. Die Ergebnisse jener Analy- War ein Einfahren der Schiffe aufgrund von schlech- se sollen wiederum eine wissenschaftliche Basis für ter Witterung nicht möglich, wurde es erforderlich, weiterführende Untersuchungen darstellen, welche dass diese an einer in Hafennähe geschützten Stel- wiederum an späterer Stelle vertieft werden. le (Reede) vor Anker gehen konnten. Da sich die

5.1 Hafendämme

Bei dem Begriff des Hafendammes, bzw. der Mole, zurückreicht und sich von dem italienischen Wort muss grundsätzlich zwischen der linguistischen und „Molo“ ableitet, was dem Ursprung nach „sich ab- der konstruktiven Definition differenziert werden. mühen“ heißt.106 Diese Bedeutung deckt sich eben- Zunächst sei daher erwähnt, dass der allgemei- falls mit den konstruktiven Eigenschaften: In diesem ne Begriff des Bauwerks bis in das 16. Jahrhundert Zusammenhang stand der Begriff für Strom- und

37 Hafenbauten bzw. um in See gebaute Steindäm- Wurden die beschriebenen Hafenbauwerke mitein- me. Wie eingangs erwähnt, werden sie den befe- ander kombiniert, indem der Wellenbrecher eine stigten Landungsanlagen zugeordnet - solcherlei feste Verbindung mit einer Kaimauer einging, bezie- Uferausbildungen, welche entweder dem Schutz hungsweise derselbe mit den konstruktiven Eigen- gegen Wellen oder zur Vorbeugung von Sandan- schaften einer Kaimauer kombiniert wurde, sprach schwemmungen dienten.107 Ihr Zweck war es nicht man von dem Bauwerk eines Hafendammes oder nur für sichere Liegebedingungen der Schiffe zu ga- einer Mole.111 Hieraus folgt die Erkenntnis, dass eine rantieren, sondern ebenfalls einen effizienten Um- einfache Bewertung des Bauwerks im Rahmen die- schlagbetrieb zu gewährleisten.108 Bezüglich des ser Arbeit nicht hinreichend ist. baugeschichtlichen Ursprungs der Molen wird auf die allgemeine Tradition von Häfen verwiesen, denn Zur Klärung des Terminus werden Analysen zu als Hafenbauwerke sind sie dem Sinn nach grund- den geologischen Rahmenbedingungen sowie um- sätzlich auf deren Historie zurück zu führen und weltbedingten Einflüssen, den verwendeten Bau- stehen somit im engen Zusammenhang mit der Ent- materialien, den konstruktiven Eigenschaften und wicklung derselben (Vgl. S. 36).109 jeweiligen Funktionsweisen der Subkomponen- ten notwendig. Aufgrund der massiven Bauart Vor konstruktiven Gesichtspunkten handelt es sich jener Anlagen, kann eine Analyse des inneren Auf- bei der Mole um ein kombiniertes Bauwerk, welches baus vernachlässigt werden; stattdessen wird ein sich in die zwei Subkomponenten der äußeren und besonderes Augenmerk auf den jeweiligen Grün- inneren Hafenmauer gliedern lässt: Äußere Hafen- dungsmethoden und den prinzipiellen Konstruk- mauern (Wellenbrecher) hatten häufig die Funktion tionarten liegen. Des Weiteren werden die im Rah- als Damm ohne Landanbindung und dienten dem men der Erörterungen getroffenen Hypothesen auf Schutz der Reede. Demgegenüber wurden innere ihre Gültigkeit vorab untersucht und innerhalb einer Hafenmauern direkt am Ufer positioniert, fungierten abschließenden Betrachtung zusammengefasst, in erster Linie als Anlegestelle für Schiffe und wur- um damit weiterführende Erkenntnisse im Hinblick den allgemein als Kaimauer oder Pier bezeichnet.110 auf die Eigenschaften einer Mole zu ermöglichen.

5.1.1 Der Wellenbrecher

Der Definition nach handelte es sich hierbei um ei- einer exponierten Lage. Er wurde entsprechend ne Art Schutzwall, welcher vor einer Reede oder vor des damaligen Standards in der Regel in Stein einem offenen Hafen errichtet wurde und den See- und nur in Ausnahmefällen in Holz ausgeführt. Der gang von den jeweiligen Anlagen im Inneren ab- Bauart nach wurde zwischen vertikalen und ge- hielt. Von einem Wellenbrecher war immer dann schütteten Wellenbrechern unterschieden. Letzte- die Rede, wenn ein Hafen um eine ins Meer ra- res war zur damaligen Zeit die gängigere Praxis.112 gende Aufschüttung ergänzt wurde. Er diente ei- Wie eingangs erwähnt, gilt auch in diesem Fall, dass nerseits der Vorbeugung von Landverlust als auch die Qualität des Bauwerks von umweltbedingten der Gefahrenabwehr von hohen Wellen, welche Faktoren, dem jeweiligen Untergrund, als auch von ein gefahrenloses Be- und Entladen der Schiffe er- der Materialwahl abhängig war und darüber hinaus schwerten. In seiner Funktion als Damm empfahl die Durchlässigkeit des Wellenbrechers maßgeblich sich das Bauwerk insbesondere an Seehäfen mit über den Transmissionsgrad des jeweiligen Füllma-

Betonblöcke Seite der Reede Seite des Hafens

Bruchsteine & Schotter

Steinpackung Kategorie 2 & 3

Steinpackung Steinpackung Kategorie 2 Kategorie 1 & 2 Steinpackung Kategorie 3 Bruchsteine und Schotter

Abb. 12: Querschnitt eines begehbaren Wellenbreches aus Marseille. © Otto Lueger/ Yoko Rödel 38 terials definiert wurde. Aus Sicht der Autorin spielte Flut reichen, bei Wellenschlag zusätzlich zwei Meter hierbei die Materialwahl eine elementare Rolle. Ge- höher. Die Krone verfügte über eine Breite zwischen nerell wurde die Wahl der Steinschüttungen sowohl fünf bis dreißig Metern und war meist mit Brustweh- in Abhängigkeit von den jeweiligen Untergrundver- ren versehen, wobei ihr Kopf glatt und steil ausge- hältnissen als auch von der Verfügbarkeit des Bau- führt wurde.116 materials getroffen. Der Transmissionsgrad des Bauwerks übte einen großen Einflussauf das jewei- Abschließend betrachtet zeigt sich, dass es sich lige Versandungs-Potential aus. Auch die Länge des bei dem Wellenbrecher um einen wasserdurch- Wellenbrechers konnte einer Ablagerung von Sink- lässigen Damm handelte, dessen Schutzwirkung stoffen vorbeugen. Hierbei empfahlen sich Dämme von umweltbedingten Faktoren sowie maßgeblich mit langen Einlaufkanälen, auch Parallelwellenbre- vom Transmissionsgrad des jeweiligen Füllmate- cher genannt.113 Weiters gab es die Option etwaige rials abhängig war. Auch die Fundamentart sowie Sinkstoffe nachträglich zu entfernen - jene Hilfsmit- die Dimensionen des Bauwerks trugen zu dessen tel werden später eingehend beleuchtet werden. Schutzwirkung bei. Wurde das Bauwerk zu niedrig ausgeführt, bestand Gefahr aufgrund von überbor- Grundsätzlich musste der Grundriss des Wellen- denden Wellen - war es zu kurz, oder zu durchläs- brechers entsprechend der Gezeiten und Strö- sig, wurde unter Umständen die Versandung des mungsverhältnisse so gewählt werden, dass er ein Hafenbeckens begünstigt. Somit wird davon aus- sicheres Eingleiten der Schiffe begünstigte.114 Für gegangen, dass ein solches Bauwerk aufgrund der das Fundament wurden auf dem Uferboden gro- konstruktiven Bauart zwar sehr langlebig und über- ße Steinblöcke gesetzt, wobei sich bei weichem aus stabil war, seine Schutzwirkung jedoch sank, Untergrund und in großer Tiefe die Erstellung von wenn es zu gering dimensioniert wurde, oder wenn massivem Mauerwerk empfahl. Auf dem Sockel des der Uferboden sandig war. Somit resultiert die An- Fundaments wurde der Damm in Form von Stein- nahme, dass sich eine solche Landungsanlage nur schüttungen ausgeführt.115 Die Höhe des Dammes bei festem oder zumindest bei einem mäßig festem musste mindestens bis zum Punkt der höchsten Untergrund empfahl.

5.1.2 Die Kaimauer

Eine Kai- oder Ufermauer wurde im wörtlichen Sinn Landungsbetrieb notwendigen Ausladevorrichtun- auch als ein „künstlich erhöhtes Ufer“117, ausgestat- gen, Gleise, Straßen, Magazine oder Lager. Waren tetes Ufer“ oder als „längs des Ufers befindliche solche Befestigungen in Holz ausgeführt, sprach Straße“ bezeichnet.118 Konstruktiv gesehen handelte man von den sogenannten Bollwerken. Diese gal- es sich um eine Uferbefestigung aus Stein, welche ten bereits im Wilhelminischen Zeitalter als nicht der „Aufnahme des seitlich wirkenden Erddru- mehr zeitgemäß, da sie über eine geringe Lebens- ckes“ diente.119 Wasserseitig schützte die Kaimau- dauer verfügten und das Konstruktionsholz äu- er gegen den Andrang von Wellen und diente als ßerst witterungsanfällig war, weshalb nurmehr Anlegestelle für Schiffe. Sie verfügte über Schiffs- steinerne Kaimauern zur Ausführung kamen. halter sowie Treppenaufgänge und Leitern, um den Grundsätzlich galt, dass die Verkehrsfähigkeit ei- Verkehr zwischen Schiff und Ufer zu ermöglichen. nes Seehafens verhältnismäßig mit der Länge des Darüber hinaus befanden sich auf ihr alle für den Kais zunahm.120 Darüber hinaus durften die erwähn-

Abb 13: Kaimauer mit Pfahlrostfundament. Abb 14: Kaimauer mit Spundwand. Abb 1: Aufgemauerte Kaimauer. 39 ten durch den Landungsbetrieb verursachten Verti- seite ein Bohlenbelag folgte, welcher die Basis des kallasten nicht vernachlässigt werden. Aus diesem Mauerwerks für den Oberbau bildete. Zum Schutz Grund mussten Kaimauern vollständig massiv aus- der Krone wurde dessen wasserseitige Wand in der geführt werden. Ähnlich wie beim Wellenbrecher Regel mit Steinquadern verkleidet. Hieraus resultiert war die Art des Fundaments maßgeblich von der die abschließende Erkenntnis, dass es sich bei der Beschaffenheit des Untergrundes abhängig. Bei fe- Kaimauer ihrem Gebrauch nach um ein multifunk- stem Untergrund genügte ein einfaches Aufsetzen tionelles Bauwerk handelte. Im Gegensatz zum Wel- der Mauer auf dem Baugrund – bei sandigen Bo- lenbrecher, wirkten sich bei jener Uferbefestigung den wurde empfohlen, das Bauwerk entsprechend umweltbedingte Einflüsse nicht direkt auf das Bau- gegen Unterspülung zu schützen.121 Hierfür kamen werk aus, denn während ein Wellenbrecher partiell Spundwände in Pfahlrostbauweise zur Anwendung, durchlässig war, mussten Kaimauern aufgrund der wobei es sich um eine der ältesten Gründungsme- erwähnten Anforderungen massiv ausgeführt wer- thoden überhaupt handelte.122 Wenn es am offe- den.125 Aufgrund dessen wird konstatiert, dass hin- nen Meer nicht möglich war, vorab eine trockene sichtlich der konstruktiven Qualität der Materialwahl Baugrube zu erstellen, kamen hochliegende Pfahl- eine besondere Rolle zuteilwurde. Ebenso trug die roste, beziehungsweise Stelzenfundamente zum Art und Beschaffenheit des Fundaments sowie die Einsatz. Um den Lastabtrag in tiefere Erdschichten jeweilige Dimensionierung und die Länge der Ufer- zu ermöglichen, wurden angespitzte Holzpfähle in kante, zur Verkehrsfähigkeit der Kaimauer bei. Zwar den Untergrund gerammt.123 Als Konstruktionsholz konnte das Bauwerk dank der Pfahlrostgründung eignete sich Föhren- Lärchen- oder Eichenholz, da Lasten auch bei losem Untergrund in tiefere Erd- dieses besonders witterungsbeständig war.124 Wa- schichten ableiten, inwiefern sie sich dabei an ei- ren die Pfähle gesetzt, wurden diese mindestens nem Ufer ohne eine Reede oder einen Hafendamm einen halben Meter unterhalb des niedrigsten Was- eignete, ist jedoch fraglich und wird an späterer serspiegels abgeschnitten, wonach auf deren Kopf- Stelle zur Debatte stehen.

5.1.3 Résumé

Wie eingangs erläutert, handelte sich bei dem Ha- – das bedeutete jedoch nicht, dass ihre Subkom- fendamm, beziehungsweise der Mole um ein ponenten separat ausgeführt gleichermaßen von kombiniertes Bauwerk; konkret um einen Wellen- einer massiven Bauart waren: Während eine Kai- brecher, welcher mit einer Kaimauer verbunden mauer vollständig massiv errichtet wurde, um den oder konstruktiv um die Eigenschaften dersel- starken uferseitigen Belastungen gerecht zu wer- ben ergänzt wurde. Nach einer detaillierten Analy- den sowie das Bauwerk gegen Unterwaschung zu se der jeweiligen Bauwerke, sollen die Erkenntnisse schützen, war ein Wellenbrecher, je nach Füllstoff, der vorausgegangenen Untersuchungen nachfol- zumindest partiell wasserdurchlässig. Selbiges gilt gend zusammengeführt werden und dabei aufzei- im Umkehrschluss für den konstruktiven Aufbau der gen, welche Eigenschaften bei einer Kombination Mole. Neben der Grundrissform und der materiellen der genannten Subkomponenten in Bezug auf ei- Beschaffenheit, stellte die Ausbildung des Funda- nen Hafendamm (folg. Mole) resultierten. Neben all- ments ein wichtiges Kriterium für die Qualität der gemeinen Schlussfolgerungen soll abschließend Anlage dar. Hierbei waren genaue Kenntnisse über aufgezeigt werden, wann sich eine solche Hafen- die Untergrundverhältnisse nötig, welche entweder anlage empfahl und welche Aspekte sich gegen ei- von benachbarten Bauvorhaben eingeholt, oder nen solchen Bau aussprachen. Dabei sollen sich die mittels Probebohrungen ermittelt werden mussten. Betrachtungen nicht nur mit dem Bauwerk selbst, Für beide Teilbauwerke galt, dass diese bei ausrei- sondern auch mit relevanten Parametern beschäfti- chend festem Ufergrund direkt auf den Boden auf- gen, welche wissenschaftliche Bezüge übersteigen. gesetzt werden konnten. Bei losem Ufer war dies ein deutlich schwierigeres Unterfangen. Während Als Hafenanlage erschien eine Mole aufgrund ihres beim Wellenbrecher eine Gründung mittels einer rahmenartigen Grundrisses als besonders vorteilhaft soliden Mauer vorgenommen wurde, war bei der für die Ausbildung eines geschützten Ufers, wel- Kaimauer bei mäßig festem und insbesondere bei ches ein sicheres Landen der Schiffe mit längeren sandigem Untergrund ein Stelzenfundament unab- Liegezeiten begünstigte. Dieser Eindruck bestätigte dingbar. Für den Oberbau und die Krone galt, dass sich nur bedingt: Eine Mole konnte zwar allgemein der Wellenbrecher aufgrund der Steinschüttungen zu den massiven Hafenanlagen gezählt werden partiell durchlässig war, wohingegen die Kaimauer

40 vollständig massiv und mit außenseitigen Steinqua- sich die Verkehrsfähigkeit eines versandeten Ha- dern ausgeführt werden musste. fens hiermit nicht dauerhaft aufrechterhalten ließ.

Es zeigt sich, dass ein solcher Hafendamm das Ha- Zusammenfassend zeigt sich, dass es bei jener fenbecken zwar aufgrund des Grundrisses vor di- Landungsanlage essentiell war, vorab Kenntnis- rektem Wellenschlag, jedoch wegen der partiellen se über die jeweiligen geologischen Verhältnis- Durchlässigkeit nicht vor Transmission schützte. se einzuholen. Nur dann konnte das Bauwerk im Daher muss angenommen werden, dass bei jenem Grundriss und hinsichtlich der materiellen und kon- Bauwerk Ablagerungen von Sinkstoffen innerhalb struktiven Bauart entsprechend der umweltbeding- des Hafenbeckens nicht dauerhaft vorgebeugt ten Rahmenbedingungen angepasst werden. Es werden konnte. Die Analyse verdeutlichte, dass wird ebenfalls angenommen, dass eine Mole ohne eine Mole dahingehend nur in massiver Bauweise Einlaufkanal bei losem Untergrund einer Ablage- und mit langem Einlaufkanal vor einer Versandung rung von Sinkstoffen nicht standhalten konnte. In- schützte. Für eine nachträgliche Beseitigung von wiefern hierbei bauliche Ergänzungen wie Vorhäfen Sinkstoffen wurden nach damaligem Wissens- Abhilfe schaffen konnten, kann nicht erörtert wer- stand insbesondere Pumpenbagger empfohlen, den. Global betrachtet zeigt sich jedenfalls, dass welche als technische Innovation galten.126 Es ist ein Hafenbecken durch eine Mole nur bedingt vor davon auszugehen, dass solche Methoden ledig- äußeren Einflüssen geschützt war und sich diese lich einen vorübergehenden Erfolg brachten und somit nur an Ufern mit festem Untergrund empfahl.

88 O. V.: Duden. URL: www.duden.de/rechtschreibung/ ihrer Hilfswissenschaften. 2. Aufl., Bd. 8, Deutsche Ver- Hafen Anlegestelle Port [10.10.2020] lags-Anstalt, Stuttgart, 1910, S. 28 ff. 89 Vgl. Wundram, Otto: Mechanische Hafenausrüstungen. 100 Vgl. Block, Philipp; Gengnagel, Christoph; Peters, Ste- Insbesondere für den Umschlag. Springer Verlag, Berlin, fan: Faustformel Tragwerksentwurf. Deutsche Verlags-An- 1939, S.1 stalt, München, 2015, S.11 ff. 90 Vgl. Wundram, Otto: Michanische Hafenausrüstungen. 101 Vgl. ebd. 1939, S. 1. Anmerkung: Bezüglich der Häfen war nur eine 102 Vgl. Meyer, Hermann Julius: Meyers großes Konversa- marginale Quellenlage vorhanden. Das Werk wird den An- tionslexikon, 6. Aufl. Bd. 8, 1907, S. 602 – S. 604 sprüchen an ein technisches Handbucht nicht gerecht. 103 Vgl. Lueger, Otto : Lexikon der gesamten Technik und 91 Vgl. Wundram, Otto: Mechanische Hafenausrüstungen. ihrer Hilfswissenschaften. 1910 S. 28 ff. 1939, S.9 – S.10 104 Vgl. a.a. O. S. 28 ff. 92 Vgl. Kaltenhäuser, Hans: Geschichte der Seefahrt. Li- brairie Hachette, Paris, 1966, S. 11 105 o. V.: Duden, URL: www.duden.de/rechtschreibung/ Hafenanlagen [10.10.2020]. (Anmerkung bzgl Differenzie- 93 Vgl. Wundram, Otto: Mechanische Hafenausrüstungen. rung von Landungsanlagen: Hafenanlagen leiten sich vom 1939, S.9 – S.10 allgemeinen Begriff des Hafens ab. Dies mag zwar auch 94 Vgl. a.a.O., S. 1 auch auf die Hafenmole zutreffen, nicht jedoch auf die Landungsbrücke, da diese im Kontrast zu einem Hafen 95 Vgl. Rahm, Werner: Deutsche Marinen im Wandel. Vom über keine einrahmende Funktion verfügt.) Symbol nationaler Einheit zum Instrument internationaler Sicherheit. De Gruyter, Oldenburg, 2005, S.148 106 Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Walter de Gruyter, Berlin/New York, 96 Vgl. Wundram, Otto: Mechanische Hafenausrüstungen. 2001, S. 627 1939, S. 1 ff. (Anmerkung: Umfassende Nomenklatur nicht ist nicht vorhanden. Dazu heißt es: „Die Übersicht über das 107 Vgl. Meyer, Hermann Julius: Meyers Großes Konver- Gebiet ist umso unergiebiger, […] weil die […] Ausrüstun- sations-Lexikon. Bd. 14, Leipzig, 1908, S. 31 gen durchweg nur von der baulich-konstruktiven Seite be- 108 Vgl. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und handelt wurden, was dem Betriebsmann nicht das gab, ihrer Hilfswissenschaften. S. 28 ff. was er suchte.“.S. 1) 97 Vgl. Wundram, Otto: Mechanische Hafenausrüstungen. 109 Vgl. Kaltenhäuser, Hans: Geschichte der Seefahrt. S. 1939, S.8 11

98 Vgl. Löbe, Julius: Pierers Universal-Lexikon. 4. Aufl., 110 Vgl. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und Bd. 15, Altenburg, 1862, S. 838-839 ihrer Hilfswissenschaften. Leipzig, 1910, S. 28 ff 99 Vgl. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und 111 Vgl. ebd.

41 112 Vgl. Meyer, Hermann Julius: Meyers großes 120 Maybaum, Georg; Mieth, Petra; Oltmanns, Wolfgang; Konversationslexikon. S. 602-604 Vahland, Rainer: Verfahrenstechnik und Baubetrieb in Grund- und Spezialtiefbau. Wiesbaden, Springer Vieweg 113 Vgl. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und Verlag, 2007, S. 257 ff. ihrer Hilfswissenschaften. S. 28 ff (Anmerkung: Gemeint ist die Errichtung eines Walls, nicht jedoch eines soliden und 121 Vgl. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und somit dichtem Mauerwerk) ihrer Hilfswissenschaften. Leipzig, 1910, Bd. 8, S. 28-33. 114 Vgl. ebd. 122 Vgl. ebd. 115 Vgl. ebd. 123 Vgl. ebd. 116 Vgl. Meyer, Hermann Julius: Meyers großes Konversa- 124 Vgl. ebd. tionslexikon. Leipzig, 1907, Bd. 10, S.430 125 Vgl. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und 117 Vgl. a.a.O., Bd. 7, S. 243 ihrer Hilfswissenschaften. Bd. 8, Leipzig, 1910, S. 28-33. 118 Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer 126 Vgl. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und Hilfswissenschaften. Bd. 8, S. 28-33. ihrer Hilfswissenschaften. Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 119 Vgl. a.a.O. S. 28 ff. 192-195

42 5.2 Landungsbrücken

Von der Mole wandert nun der Blick hinauf zur erha- Ufer bis an jene Stelle im Gewässer zu überbrü- benen Landungsbrücke, welche sich mit schlanken, cken, an welcher Schiffe festmachen und Personen unverwüstlichen Pfeilern über jedes Hindernis hin- oder Güter gelandet werden konnten. Ähnlich wie wegsetzt und dabei jeglicher Naturgewalt zu trot- die Mole, verfügte sie ebenfalls über Vorrichtungen zen scheint. „Brücke“ – bei diesem facettenreichen und Gerätschaften, die dem Landungsbetrieb dien- Begriff bedarf es einer differenzierten Betrachtung: ten.129 Im Sprachgebrauch wird er als Ausdruck für „Brü- cken schlagen“ verwendet; bezogen auf die Defini- Auf Basis umweltbedingter Parameter, der anzu- tion des Bauwerks bedeutet er „künstlicher Weg, nehmenden Lastfälle und des verwendeten Mate- zur Überbrückung eines Hindernisses.“127 Vor kon- rials, kamen bei Landungsbrücken unterschiedliche struktiven Aspekten bedarf es ebenfalls einer be- Konstruktionsarten zur Anwendung. An dieser Stel- grifflichen Abgrenzung zur Landungsbrücke als le soll zwischen einer Ausführung in Holz (folg. Höl- unbefestigte Hafenanlage, denn während eine her- zerne Brücken) und einer Ausführung in Eisen (folg. kömmliche Brücke der Überwindung eines Tales, Eiserne Brücken) unterschieden werden, wobei ei- Flusses oder Straße dient, stellen Landungsbrü- ne Ausführung in Stahlbauweise vernachlässigt cken eine Verbindung zwischen einem Ufer und ei- werden kann. Die Entwicklung dieser beiden Brü- ner bestimmten Position im Wasser her. Anders als ckenbauwerke steht wiederum in engem Zusam- bei der Mole, können ihre historischen Ursprünge menhang mit den jeweiligen historischen Bezügen. zudem nicht dem allgemeinen Terminus des Hafens Daher wird einleitend ein separater Überblick über entnommen werden; doch dazu später mehr. die historischen Ursprünge der Holzbrücken so- wie der eisernen Brücken gegeben. Diese sollen Analog zu den Ausführungen der Mole, so sollen ebenfalls von repräsentativen Beispielen unterstützt auch die folgenden Abhandlungen maßgeblich von werden. Anschließend wird jeweils eine Baube- eigenen Betrachtungen unterstützt werden. Bevor schreibung relevanter Brückenarten in Form von eine detaillierte Untersuchung des Bauwerks erfol- Analysen erfolgen. Ähnlich wie bei den Abhandlun- gen kann, sei zunächst erwähnt, dass es eine Rei- gen zur Mole, so sollen, unter Berücksichtigung der he unterschiedlicher Brückenarten gibt, wobei im eingangs erwähnten Rahmenbedingungen, etwai- Schwerpunkt die Konstruktion der Balkenbrücke ge Vor- und Nachteile der jeweiligen Brückenarten behandelt werden soll, da dieselbe auch als Lan- dargestellt werden, um aufzuzeigen, welche äuße- dungsbrücke zur Anwendung kam.128 Sie verfügte ren Faktoren ausschlaggebend dafür waren, dass über einen linearen Grundriss und positionierte sich sich die jeweilige Ausführung als unbefestigte Lan- meist senkrecht zum Ufer. Ihr Zweck war es, vom dungsanlage empfahl.

5.2.1 Hölzerne Brücken

Hölzerne Brücken (folg. Holzbrücken) gelten als levanter Eckdaten im Wesentlichen zwischen zwei die ersten ingenieurmäßigen Konstruktionen über- Hochphasen, welche nachfolgend aufskizziert wer- haupt. Sie lassen sich bis in die Stein- und Bronze- den sollen: Die erste Blütezeit der Holzbrücken zeit zurückverfolgen, können allgemein der Gattung kann auf die Zeit des Römischen Reiches zurückge- der Balkenbrücken zugeordnet werden und wa- führt werden. In dieser Epoche wurde zunehmend ren lange Zeit eher primitiver Bauart. Sie bestan- auch die strategische Bedeutung von Brücken er- den aus abgeästeten Baumstämmen, welche die kannt. Dies führte zur Entwicklung der Pfahl- und jeweiligen Ufer miteinander verbanden und die Ba- Jochbrücken, denn mit der Ausdehnung des römi- sis für den Brückenbelag bildeten. Anfänglich lagen schen Imperiums wurden viele neue Verkehrswe- die Balken direkt am Uferboden auf, später wur- ge notwendig.131 Beide Brückenarten können als den auch Holzauflager verwendet. Bei Brücken mit eine Weiterentwicklung der Balkenbrücke gewer- größeren Spannweiten war es notwendig, Stützen tet werden. Von Pfahlbrücken war immer dann die im Flussbett zu errichten – zu diesem Zweck wur- Rede, wenn diese schmal und ohne Gurtungen so- den Holzpfähle, selten auch Steinpfeiler, in den Bo- wie Kronschwellen waren. Bei breiteren Bauwerken den gerammt.130 Auf Basis jener ersten primitiven mit Jochschwellen, sprach man von Jochbrücken. Brückenarten entwickelten sich im Laufe der Jahr- Beide Bauwerke wurden in erster Linie zur Über- hunderte weitere Varianten der hölzernen Balken- brückung von Gewässern genutzt.132 Aufgrund brücke. Diesbezüglich unterscheide ich im Hinblick der Größe und der damals neuen Pfahlgründun- auf eine chronologische Darstellung historisch re- gen galten sie als echte Sensation. Leider führte

43 der Niedergang des römischen Reiches auch zum auch, Brücken über breitere Flüsse zu schlagen.136 Untergang der Brückenbaukunst.133 Es wird jedoch Insbesondere die gedeckten Brücken galten als konstatiert, dass Holzbrücken auch in den nachfol- sehr langlebig, weshalb einige dieser Bauwerke die genden Jahrhunderten weiterhin Verwendung fan- Zeit bis heute überdauern konnten.137 Auch in den den und sich insbesondere im deutschprachigem folgenden Jahrhunderten blieben Pfahl-, Joch– und Raum durchsetzten. Ab dem Spätmittelalter er- Fachwerkbrücken beliebte Holzbrückenarten.138 fuhren die Holzbrücken ihre zweite Renaissance, Dies änderte sich erst während der industriellen welche überdies von der leidenschaftlichen Hand- Revolution, da diese mit dem Aufkommen von Ei- werkskunst der Zimmerleute getragen wurde.134 Ne- senbahnen für schwerere Lasten ausgelegt werden ben den Pfahl- und Jochbrücken kamen nun auch mussten. Zunehmend fiel daher die Wahl auf indu- vermehrt Fachwerkbrücken zur Anwendung, wel- striell gefertigte Bauwerkstoffe wie Eisen, Stahl oder che aus witterungsbedingten Gründen häufig über- Beton - hölzerne Brückenkonstruktionen traten da- dacht wurden.135 Dank dieser Bauweise lernte man bei zunehmend in den Hintergrund.139

5.2.1.1 Die Jochbrücke

Im Folgenden soll nun der Fokus auf der Konstrukti- on der hölzernen Jochbrücke liegen, da diese auch Fahrbahnplatte /Gehbelag als Landungsbrücke zur Anwendung kam. Wie be- Windverband reits dargelegt, kann die Jochbrücke als eine Wei- terentwicklung der Balkenbrücke gewertet werden. Randträger Im Laufe der Jahrhunderte zeigte sich, dass sich Mittelträger diese Brückenart insbesondere bei Bauten, welche über Wasser geführt wurden, empfahl. Sie war von einer relativ einfachen Bauart und hielt auch star- ken Strömungen stand.140 Das mag auch erklä- ren, warum diese Brücke seit ihrer Erfindung alle Joch Zeiten überdauern konnte und sie zudem auch an offenen Gewässern mit starken Strömungen zur An- wendung kam.141 An dieser Stelle soll eine Baube- Pfahl schreibung der Jochbrücke erfolgen. Es wird dabei davon ausgegangen, dass deren allgemeine Be- Abb. 16: Exempel einer Jochbrücke. © Yoko Rödel schaffenheit von der Qualität des Konstruktions- holzes, des jeweiligen Tragwerks und von der Art der zimmermannsmäßigen Verbindungen abhing. Es soll daher ein Überblick über den beispielhaften ter Wasser steinhart wird. Aus Kostengründen kam Aufbau einer Jochbrücke gegeben werden, wobei jedoch häufig Nadelholz zur Anwendung, welches daraus resultierende Erkenntnisse weitere Rück- demgegenüber von einer geringeren Qualität war. schlüsse auf die signifikanten Eigenschaften von Zwar gab es die Möglichkeit das Holz mit Chemie hölzernen Landungsbrücken ermöglichen sollen: oder Teeröl zu behandeln und die Pfähle mittels Ei- In Abhängigkeit der geologischen Einflüsse und an- senschuhen vor Schädlingen zu schützen, dennoch zunehmenden Lastfälle galt es zunächst, das rich- blieb es auch dann ein recht anfälliges Material. Da- tige Holz auszuwählen. Zwar hatte das Material ein her war es umso wichtiger, dass das Holz mittels relativ niedriges Eigengewicht und war recht ko- Probebelastungen auf seine Festigkeit überprüft stengünstig, jedoch war es organischen Ursprungs, und auch nach Fertigstellung regelmäßig auf faule verfügte daher über natürliche Imperfektionen und Stellen untersucht wurde.143 Für eine bauliche Ana- galt als sehr witterungsanfällig.142 Die Stabilität des lyse wird angenommen, dass das Bauwerk in einen Holzes konnte durch Schädlinge, wie dem Bohr- Ober- und einen Unterbau gegliedert werden kann. wurm, stark beeinträchtigt werden. Allgemein galt, Für den Unterbau wurden am Ufer Auflager sowie, dass die Qualität je nach Holzart variierte. Ähnlich je nach Länge, mehrere Stützen ins Wasser gesetzt. wie bei der Pfahlgründung der Kaimauer, galt auch Die Stützen bestanden aus einer Reihe ins Fluss- im Fall der Jochbrücke Eichen- und Lerchenholz bett oder in den Meeresgrund eingerammter Pfäh- als besonders geeignet. Vor allem Lerchenholz er- le, welche über horizontale Holzjoche verbunden wies sich als ausgesprochen langlebig, da es un- waren. Herrschten starke Strömungen vor, wurden

44 die äußeren Pfähle schräg eingerammt, um ein Ab- Balken verdrängt. Letztere bestanden aus zwei knicken derselben zu verhindern.144 Die schräg ge- oder drei übereinanderliegenden Kanthölzern, die stellten äußeren Pfähle wurden auch Stromjoche an den Berührungsflächen miteinander verbunden genannt. Die Weite der Brückenöffnungen war so- waren. Für die Verbindungsstellen galt, dass die- wohl von dem Maß der Belastung als auch von der se schubfest sein mussten, keine Wassersäcke Beschaffenheit des Baugrundes abhängig.145 Zur enthielten und ein Luftzutritt gewährleistet war.152 Wilhelminischen Zeit waren Spannweiten von sechs Als Verbindungsstücke dienten Holzdübel, spä- bis zehn Metern üblich.146 Für ein stabiles Funda- ter Metalldübel.153 Sowohl für den Unter- als auch ment mussten die Pfähle möglichst tief eingerammt für den Oberbau galt es die Konstruktion entspre- werden, dies galt insbesondere bei sandigem Bo- chend auszusteifen.154 Zusammenfassend lässt sich den.147 Hierbei bestand zudem die Gefahr von Aus- feststellen, dass für die Qualität einer Jochbrücke kolkung, einem Phänomen, bei welchem sich durch entscheidend war, dass die Pfahlgründungen Wasserströmungen Strudellöcher um die Pfähle bil- entsprechend tief, die zimmermannsmäßigen deten und die Standfestigkeit des Bauwerks nach- Verbindungen passgenau und die Aussteifungen haltig gefährdet werden konnte.148 Analog zur Mole möglichst stabil waren. Ihrer Bauart nach hielt die galt auch in diesem Fall, dass ein solcher Brücken- Brücke auch starken Wasserströmungen stand bau ohne Kenntnis der geologischen Rahmenbe- und konnte konstruktiv gesehen aufgrund der dingungen nicht durchgeführt werden konnte. Pfahlgründungen auch bei wenig festem Untergrund zur Anwendung kommen. Jene tragwerksbedingten Waren die Pfähle gesetzt, wurden sie über ho- Vorzüge können jedoch nicht über die Nachteile rizontale Holzjoche miteinander verbunden, die des Konstruktionsmaterials hinwegtäuschen. Wie Joche bildeten wiederum die Auflager für den eingangs erläutert, galt Holz als äußerst witterungs- Oberbau aus.149 Auf Basis der Holzjoche folgten anfällig, weshalb es notwendig war, dass dieses auf quer verlegte Balken, welche die Grundlage für schadhafte Stellen überprüft wurde. Idealerweise den Boden und jeweiligen Bodenbelag bildeten.150 geschah dies vor der Bauausführung, da davon Der Übergang von Unter- zum Oberbau erfolgte ausgegangen werden kann, dass eine nachträgli- über zimmermannsmäßige Verbindungen, welche che Beseitigung von schadhaften Bauteilen äußerst auch einen Austausch einzelner Balken erlaub- aufwändig war. Aufgrund der vergleichsweise gerin- ten.151 Bei den Verbindungsarten muss zwischen gen Lebensdauer des Materials wird angenommen, verzahnten und verdübelten Balken unterschie- dass sich eine hölzerne Landungsbrücke als dau- den werden. Aus Kostengründen wurden die ver- erhafte Landungsanlage generell nur wenig eignete zahnten Balkenstücke bald von den verdübelten und sie sich daher lediglich als Provisorium empfahl.

5.2.2 Eiserne Brücken

Nachdem Holz viele Jahrhunderte ein beliebtes Die filigranen Verbindungsstücke zeigen, dass das Konstruktionsmaterial im Brückenbau war, wur- Material gegenüber Holz über eine herausragende de es im Laufe des industriellen Zeitalters allmäh- Druckfestigkeit verfügte. Jedoch sind an den ersten lich vom Eisen abgelöst.155 Während die Deutschen eisernen Pionierbauten viele überflüssige Bautei- diesbezüglich lange an traditionellen Baumaterialien le zu finden, welche an den Holzbau erinnern.160 festhielten, entwickelte sich Großbritannien zum Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das spröde Vorreiter im Brückenbau.156 Dabei fand im Laufe der Gusseisen zum zugfesteren Schweißeisen weiter- Geschichte eine Entwicklung vom Gusseisen zum entwickelt. Um Schweißeisen herstellen zu können, Schweißeisen statt. Die ersten gusseisernen Brü- musste es im Puddelverfahren bearbeitet werden. cken verfügten zwar über eine hohe Druckfestigkeit, Hierfür wurde es unter Luftzufuhr so weit erhitzt, so- waren jedoch aufgrund des enthaltenen Kohlen- dass der enthaltene Kohlenstoff verbrannte.161 Eisen stoffs spröde und weder schmiedbar noch schweiß- konnte nun auch in Stab- oder Profilform angebo- bar.157 Als Resultat dessen wurden gusseiserne ten werden, wodurch größere Spannweiten erzielt Brücken meist in Form von Bogentragwerken aus- werden konnten. Dies führte dazu, dass die Bogen- geführt.158 Schon damals wurden die Bauelemen- brücken allmählich von Balkentragwerken abgelöst te industriell vorgefertigt; am Bauort selbst erfolgte wurden - dies kann als eine entscheidende Wende nur die Endmontage. Um die Bauzeit zu reduzieren des Brückenbaus gewertet werden. Die Entwick- fand bereits damals eine Arbeitsteilung statt - den- lung des Schweißeisens bewirkte ebenfalls eine noch dominierte nach wie vor echte Handarbeit.159 Reihe technischer Innovationen, welche nun auch

45 von einer wissenschaftlichen Arbeitsweise der briti- Darüber hinaus wurde erkannt, dass Brückenbau- schen Maschinenbauer getragen wurden. Ab Mitte werke ebenfalls dem Zwecke der Kultivierung im In- des 19. Jahrhunderts war es möglich, auch weit- neren des Landes und in Einöden dienlich waren.164 gestützte Balkentragwerke mit querversteiften, engmaschigen Gitterträgern herzustellen. Eine be- Damit einher ging gegen Ende des 19. Jahrhunderts sonders beispielhafte Lösung war die Entwicklung ein exponentieller Anstieg der Eisenproduktion. Sie von Balkentragwerken zu Fachwerkkonstruktionen. konnte gegenüber den mühevollen Anfängen so- Diese Optimierung der Träger ist zudem untrennbar gar um das Vierfache gesteigert werden, wodurch mit der Herausbildung der Graphostatik als Sonder- das Deutsche Reich bald die englische Konkurrenz disziplin der Baumechanik verbunden.162 überholte.165 Deutschland, einst wirtschaftliches Schlusslicht Europas, entpuppte sich somit auf den Aufgrund der ökonomischen und konstruktiven Vor- letzten Metern als industrielles Wunderkind und wur- züge kam das Eisen schlussendlich auch im Deut- de auch von anderen Industrienationen zunehmend schen Reich vermehrt zur Anwendung, wenn auch als Konkurrent wahrgenommen. Dies spiegelt sich zu Beginn nur sehr zögerlich. Noch bis weit nach der ebenfalls im Duktus der damaligen Fachliteratur wi- Jahrhundertwende hieß es: „Brücken aus Eisen sind der: „Die Untersuchung des Brückenbaues [...] zeigt Kinder der Neuzeit“, wodurch die allgemeine Skep- einen [...] Wettstreit zwischen den leitenden Natio- sis der Deutschen gegenüber dem neuen Werk- nen […] bei der Herstellung eiserner Brücken durch stoff zum Ausdruck kam.163 Zusätzlich scheuten die Zweckmäßigkeit des Brückenbausystems, gute An- deutschen Ingenieure die Anwendung von Elastizi- ordnung der Konstruktionsteile, sorgfältige Wahl täts- und Biegemodellen. Hieraus wird auch der re- des Materials und tadellose Ausführung einander zu lative Zeitverzug hinsichtlich einer Verwendung von überbieten.“166 Ebenfalls führten innovative Produk- Eisen oder Stahl im Brückenbau ersichtlich. Je- tionsmethoden, wie das Siemens-Martin-Verfah- doch erkannten auch die Deutschen zunehmend die ren, generell zu einer regen Produktion von Stahl. konstruktiven Vorteile sowie die Symbolkraft jener Im Baugewerbe kam es jedoch erst später zur An- Bauwerke, mit welchen es nun auch möglich war, wendung, da die deutschen Konstrukteure bis nach Brücken über solche Gewässer zu schlagen, welche der Wende zum 21. Jahrhundert hauptsächlich auf eine Ausführung derselben bisher verhindert hatten. Eisenwerkstoffe zurückgriffen.167

5.2.2.1 Die Balkenbrücke

Vorab soll erwähnt werden, dass die deutsche rung der eisernen Balkenbrücke (folg. Balkenbrü- Fachliteratur zu eisernen Brücken aus der damali- cke) beschäftigen. Analog zu den Darstellungen der gen Zeit über nur marginale Darstellungen verfügt Jochbrücke, wird auch in diesem Fall davon aus- und stilistisch an belletristische Epen erinnert. Dies gegangen, dass die Beschaffenheit eines solchen spiegelt sich auch im Inhalt wider, welcher lediglich Brückenbauwerks von der allgemeinen Qualität des Auskunft über Anleitungen zur Herstellung von ein- verwendeten Konstruktionsmaterials, der Funda- fachen Brückenkonstruktionen gibt; „für Techniker, ment- und Tragwerksart sowie von der jeweiligen welche keine Kenntnis von der höheren Mathema- Ausbildung relevanter Knotenpunkte abhängig war. tik haben. […]“168 Dass die deutschen Ingenieu- Aus diesem Grund soll nun ebenfalls eine beispiel- re zu weit mehr fähig waren als jene Darstellungen hafte Baubeschreibung der Balkenbrücke erfolgen, vermuten lassen würden, wird später am konkre- um auf Basis jener Informationen wiederum weiter- ten Beispiel eindrucksvoll aufgezeigt. Unabhängig führende Erkenntnisse bezüglich der Eigenschaften davon kann positiv hervorgehoben werden, dass einer Landungsbrücke zu erhalten. sämtliche Darstellungen stets von beispielhaften Rechnungen, Entwurfs- und Detailskizzen begleitet Entsprechend der vorigen Analysen, gilt auch in die- werden, welche eine Übertragung der Theorie in die sem Fall, dass geologische Faktoren und die ent- Praxis erleichtern sollten. Darüber hinaus steht fest, sprechenden Lastannahmen für die jeweilige Wahl dass die eiserne Bogenbrücke zur Wilhelminischen des Konstruktionsmaterials entscheidende Para- Zeit zunehmend von der eisernen Balkenbrücke ab- meter darstellten. Wie bereits erwähnt, fand zur gelöst wurde. Es wird somit angenommen, dass Jahrhundertwende eine Entwicklung vom spröden jene Tragwerksart auch bei Landungsbrücken über- Gusseisen zum deutlich druck- und vor allem zug- wiegend zur Anwendung kam.169 Daher werden festeren Schweißeisen statt.170 Im Zusammenhang sich die folgenden Abhandlungen mit der Ausfüh- mit der Balkenbrücke sollen sich die Darstellungen

46 Gleisanlagen Fußbodenaufbau Querträger Oberbau Auflager Längsträger

Unterbau

Aussteiffung Pfahl

Abb. 17.:Eiserne Landungsbrücke bei Lewes mit Balkentragwerk und geschraubtem Fundament bei mäßig festem Untergrund.

© Handbuch der Ingenieurswis- senschaften / Yoko Rödel

Längsschnitt Querschnitt

auf die materiellen Eigenschaften von Schweißeisen Wie bisher für alle Landungsanlagen angenommen beschränken. Als Qualitätsmerkmal jenes Werkstof- wurde, so kann ebenfalls für die Balkenbrücke gel- fes galt, dass dieser dicht, von einer glatten Oberflä- ten, dass auch bei jenem Bauwerk eine ausführli- che und frei von Imperfektionen sein musste. Dabei che Anamnese der Untergrundverhältnisse erfolgen kam das Eisen vornehmlich in Form von Walzpro- musste. Analog zur Jochbrücke, kann die eiserne filen in I- oder C-Form zur Anwendung. Zur Stei- Balkenbrücke ebenfalls in einen Ober- und einen gerung der Standfestigkeit gab es die Möglichkeit, Unterbau unterteilt werden.174 Bei letzterem wur- dieselben durch aufgenietete Eisenplatten zu ver- de wiederum in Zwischenpfeiler, bzw. Auflager und stärken, als Fachwerkverband aufzugliedern oder Zwischenlager unterschieden. Bei den Pfeilern ka- als Differdingerträger auszubilden - wobei es sich men entweder Eisenprofile, gusseiserne Säulen, um Profile mit einem verbreiterten Flansch handel- Wand- Gerüst- oder Röhrenpfeiler mit Betonfüllung te.171 Aus Gründen der Qualitätssicherung mussten zur Anwendung.175 Letztere können aus Sicht der alle tragenden Bauteile vorab mittels Zerreis- und Autorin als Vorläufer des Bohrpfahls gewertet wer- Biegeproben auf ihre Festigkeit überprüft werden.172 den; doch dazu später mehr. Für eine Ausbildung des Fundaments wurden die Pfeiler bei mäßig fe- Während hölzerne Brückenbauten gegenüber stem Untergrund eingeschraubt, bzw. in gemauer- Schädlingen als besonders anfällig galten, wurde te Sockel eingebracht; bei wenig festem Untergrund für eiserne Brücken eine Korrosion als größtmög- wurden sie möglichst tief in den Boden getrie- liche Gefahr angenommen. Neben den genannten ben.176 Wie unlängst erwähnt wurde, kann eben- Qualitätsmerkmalen war es also unabdingbar, das falls für die Balkenbrücke gelten, dass sich auch in Material durch Anstriche vorzubehandeln. Anders ihrem Fall eine ausführliche Untersuchung der je- als beim Holz waren hierfür mehrere Arbeitsschritte weiligen Untergrundverhältnisse vor der Bauausfüh- notwendig. Nach Reinigung des Eisens wurde der rung empfahl. Letzteres spielt in der Terminologie Basisanstrich (Leinölfirnis) aufgetragen, welcher die der Brückenpfeiler leider eine untergeordnete Rol- Oberfläche verharzte, darauf folgte die Grundier- le. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass bei allen farbe (Mineralfarbe, Metalloxyde, Blei- oder Zink- Annahmen von den gemäßigten geologischen Be- verbindungen, Eisenmennige oder Königsrot) und dingungen an preußischen Küstengebieten ausge- schließlich die Deckfarbe in grau (Blei- oder Zink- gangen wurde. weiß), rot (Königsrot), rotbraun (Eisenmennige), grün (Chromgrün) oder schwarz (Graphit). Als al- Nach Einbringung der Pfähle erfolgte die Ausbil- ternative Anstriche kamen ebenfalls Diamantfarbe, dung des Oberbaus. Bei hochstehenden Pfählen Pflug’sche Anstrichmasse, Patent-, Platin-, Eisen-, bot es sich an, diesen in Form von Querträgern so- und Silicatfarbe zu Anwendung. Sie waren gegen- wie Ober- und Untergurte zu gliedern.177 Auf Basis über den herkömmlichen Anstrichen deutlich ko- der Auflager erfolgten die Längsschwellen inklusive stenintensiver und boten aus damaliger Sicht keine Fahrbahnbelag und Gleisanlagen.178 Die Endlager weiteren Vorteile.173 des Oberbaus wurden am Ufer durch einen Aufla-

47 gerstein und am wasserseitigen Ende in Form ei- geführt wurden, anbot. Wie bereits erwähnt, neig- nes verschieblichen Auflagers ausgebildet.179 Die te Eisen unbehandelt jedoch zur Korrosion. Diese Knotenpunkte, welche als Bindeglied zwischen Un- Materialschwäche kann als Achillesverse des Bau- ter- und Oberbau dienten, wurden mit Nieten ver- werks gewertet werden. Dies erklärt auch, weshalb bunden. Hierbei galt, dass alle Fugen sorgfältig den dahingehenden Vorbehandlungen innerhalb der ausgebildet werden mussten, um einem Eindringen Fachliteratur des Deutschen Reiches eine beson- von Feuchtigkeit vorzubeugen.180 Für die Stabilität dere Bedeutung zuteilwurde. Schlussendlich wird war es notwendig, das Bauwerk sowohl in lotrech- konstatiert, dass ähnlich der marginalen Kenntnis- ter- als auch in waagerechter Ebene auszusteifen. se zu den Gründungsarten, auch hier angenommen Hierfür wurden die Pfahlköpfe mit Lappen ausge- werden kann, dass sich die Kenntniss jener Be- stattet, an welchen diagonale Zugstangen befestigt handlungsmethoden auf die Witterungsbedigungen wurden.181 Die Kreuzdiagonalen nahmen nicht nur an deutschen Nordseeküsten bezog - das extreme den Winddruck auf, sondern ebenfalls die durch Be- Klima, wie es in den deutschen Überseegebieten triebsmittel erzeugten Seitenkräfte.182 in Afrika vorherrschte, stand hierbei nicht zur Dis- kussion. Jedenfalls sei bemerkt, dass davon aus- Wie für die Jochbrücke, galt auch für die eiserne gegangen werden kann, dass ein solches Bauwerk, Balkenbrücke, dass die Pfahlgründung möglichst mit entsprechendem korrosionshemmenden An- tief, die Nietverbindungen passgenau und die Aus- strich, gegenüber der Konstruktion einer hölzernen steifungen stabil sein mussten. Aufgrund der hohen Jochbrücke über eine deutlich höhere Lebensdau- Druck- und Zugfestigkeit des Schweißeisens wird er verfügte und somit die Errichtung einer eisernen angenommen, dass sie sich auch bei Bauwerken, Landungsbrücke für einen dauerhaften Landungs- welche über Gewässer mit starken Strömungen betrieb eine äußerst günstige Wahl zu sein schien.

5.2.3 Vergleich

Im Rahmen jener Gegenüberstellung sollen die Er- sches Kulturgut über ein allgemein hohes Ansehen kenntnisse der vorausgehenden Analysen ent- verfügte. Demgegenüber handelt es sich bei der ei- sprechend der jeweiligen Differenzierungsweisen sernen Balkenbrücke um eine vergleichsweise jun- zusammengetragen werden. Da in Abhängigkeit ge Konstruktionsart, da sie eine Innovation des von dem verwendeten Material und der Brückenart industriellen Zeitalters ist. Dass diese nur zögerlich unterschiedliche historische Bezüge angenommen zur Anwendung kam, kann sicherlich auf die mar- wurden, fand hierbei eine gesonderte Betrachtung ginalen Erfahrungswerte der deutschen Ingenieure in Bezug auf die Entstehungsgeschichte der jewei- in Bezug auf die materiellen Eigenschaften des Ei- ligen Bauwerke statt. Entsprechend dieser Glie- sens zurückgeführt werden. Da sie im Kontrast zu derung werden auch an dieser Stelle zunächst die den Holzbrücken zudem aus ästhetischen Gründen wesentlichen historischen Eckdaten der jeweiligen weit weniger beliebt war, hielten die Konstrukteu- Anlagen erwähnt und gegenübergestellt. Im wei- re lange Zeit am altbewährten Holzbau fest. Nichts teren Verlauf sollen vor konstruktiven Gesichts- desto trotz fand schließlich auch in Deutschland ei- punkten beide Brückenarten ihrem Aufbau nach ne zunehmende Hinwendung vom Holz zum Eisen verglichen werden, wobei anschließend reflektiert statt, wenngleich sich die deutschen Ingenieurwis- werden soll, welche geologischen, tragwerksbe- senschaften im Vergleich zu denselben Großbritan- dingten und insbesondere materiellen Parameter niens erst im Aufbau befanden. diesbezüglich von Relevanz waren. Darüber hinaus wird aufgezeigt, ob sich die jeweilige Brückenart als Eine weitere Differenzierung wurde vor konstruktiven permanente Landungsanlage empfahl. Gesichtspunkten vorgenommen, da sich die beiden Bauwerke auch in ihrer Materialität und Tragwerks- Vor dem historischen Hintergrund blicken die Er- art wesentlich voneinander unterschieden. Anders bauer der hölzernen Jochbrücke auf eine lange als bei der allgemeinen Abhandlung des hölzernen Tradition zurück, welche bis in die Zeit des Römi- Konstruktionsmaterials, fand hinsichtlich des Ei- schen Reiches zurückreicht. Die damit verbunde- sens vorab eine Unterscheidung zwischen Guss- ne Herausbildung der deutschen Handwerkskunst eisen und Schweißeisen statt, wobei der Schwer- der Zimmermänner wirkte sich maßgeblich auf die punkt der Betrachtungen sich auf letzteres Material Entwicklung jener Brückenart aus, welche bis in das konzentrierte. Auch in dieser Betrachtung soll da- zwanzigste Jahrhundert hinein als eine Art deut- her das Schweißeisen im Fokus stehen. Sowohl für

48 das Holz als auch für das Schweißeisen galt, dass, Balkenbrücke in Form eines Ober- und Untergur- in Abhängigkeit von den eingangs erwähnten Pa- tes sowie Quer- und Längsträgern. Hinsichtlich des rametern, eine sorgsame Auswahl des Konstruk- darauffolgenden Bodenaufbaus samt Belag und tionsmaterials das Maß aller Dinge war. Während Gleisanlagen konnte für beide Brückenarten wie- es sich bei Holz um einen relativ günstigen Werk- derum ein ähnlicher Aufbau angenommen wer- stoff, bei vergleichsweise geringem Eigengewicht, den. Demgegenüber verfügten beide Varianten handelte, war das Schweißeisen deutlich teurer und über unterschiedliche Verbindungsarten. Während schwerer, verfügte jedoch über eine deutlich höhe- bei Jochbrücken zimmermannsmäßige Verbindun- re Druck- und Zugfestigkeit. Für das jeweilige Holz gen mit Holz- und Metalldübeln erzielt wurden, der Jochbrücke galt, dass dieses, aufgrund dessen kamen bei eisernen Balkenbrücken Nietverbindun- organischer Beschaffenheit, vorab auf Imperfektio- gen zur Anwendung. Für beide Brückenarten galt, nen überprüft werden musste. Ebenso mussten die dass diese in waagerechter und horizontaler Ebe- Profile des Schweißeisens auf unebene Stellen un- ne mittels Zugstangen ausgesteift werden mussten. tersucht werden, wobei allgemein galt, dass eventu- Global betrachtet ist also davon auszugehen, dass ellen Materialfehlern durch eine exakte Verarbeitung sich beide Brücken wohl konstruktiv, nicht jedoch in der Produktion vorgebeugt werden sollte. gleichermaßen materiell als dauerhafte Landungs- anlagen eigneten. Gemäß der konstruktiven Ge- Für beide Werkstoffe wurde angenommen, dass ih- meinsamkeiten erfüllten beide Bauwerke weit re Stabilität bei direktem Wasserkontakt nachhal- weniger das Kriterium einer von Wind und Wellen tig gemindert wurde. Während Holz unter Wasser geschützten Landungsanlage, als vielmehr eines zur Fäulnis neigte und das Potential zum Schäd- permanenten Zugangs zu einer wasserseitigen Stel- lingsbefall bürgte, bestand bei Eisen die Gefahr le mit ausreichend tiefem Fahrwasser. Eine weite- von Korrosion. Hieraus wird ersichtlich, dass ei- re Analogie beider Bauwerke ist die Tatsache, dass ner entsprechenden Vorbehandlung der jeweiligen beide Bauten auch starken Strömungen standhiel- Materialien eine besondere Bedeutung zuteilwur- ten und das Wasser samt Sinkstoffen ungehindert de, sofern diese als Werkstoffe von Landungsbrü- durch deren Unterbau hindurchfließen konnte. Da- cken zum Einsatz kommen sollten. Die Literatur zu her wird vermutet, dass, im Kontrast zu den ein- den hölzernen Brücken führte hierbei lediglich im gangs erläuterten massiven Hafenanlagen, weder Nebensatz an, dass das Konstruktionsholz mittels für eine hölzerne, noch für eine eiserne Landungs- chemischer Substanzen und Teeröl haltbarer ge- brücke die Gefahr einer Versandung bestand. macht werden konnte. Demgegenüber räumten die Autoren der deutschen Fachliteratur den Anstrichen Abseits dessen wird angenommen, dass insbeson- von schweißeisernen Profilen mehrere Kapitel ein. dere die Art und Beschaffenheit des Konstruktions- Beide Materialien mussten überdies hinsichtlich ih- werkstoffes über eine Eignung der jeweiligen Bauart rer Festigkeit und Belastbarkeit untersucht werden. als Landungsanlage entschied. Da die Qualität des Grundsätzlich kann angenommen werden, dass verwendeten Materials maßgeblich auf die Haltbar- beide Werkstoffe vorab auf ihre Festigkeit überprüft keit der Landungsbrücken einwirkte, wird ange- werden mussten und Holz gegenüber Eisen generell nommen, dass dieses Kriterium deutlich schwerer über eine deutlich geringere Lebensdauer verfügte. wiegt als die genannten konstruktiven Aspekte. Diesbezüglich waren hölzerne Jochbrücken gegen- Im Zuge der weiteren Baubeschreibung wurde für über den eisernen Balkenbrücken klar im Nachteil. beide Brücken angenommen, dass sich diese in Aufgrund der organischen Beschaffenheit und der einen Ober- und einen Unterbau gliedern ließen. hohen Witterungsanfälligkeit verfügte Holz über ei- Sowohl für die Jochbrücke als auch für die Bal- ne deutlich geringere Lebensdauer als Eisen. Auch kenbrücke galt, dass hierfür zunächst die Pfähle zeigte sich, dass Holz selbst mit entsprechender in den Boden getrieben werden mussten. Eben- Vorbehandlung nicht dauerhaft haltbar war. Jene falls wurde für beide Bauwerke angenommen, dass Tatsache deckt sich ebenfalls mit den Darstellun- die Auflager, welche auf Basis der Pfähle folgten, gen der Fachliteratur aus dem Deutschen Reich, als wichtige Schnittstelle des Übergangs von Un- wonach festgestellt wurde, dass eiserne Brücken- ter- zu Oberbau gewertet werden können. Selbige tragwerke gegenüber etwaigen Bauwerken aus wurden bei Pfahl- beziehungsweise Jochbrücken Holz deutlich vorteilhafter waren und deswegen be- meist in Form eines Joches ausgebildet, bei der vorzugt wurden.183

49 127 o. V.: Duden. URL: www.duden.de/suchen/dudenonli- nehmen die horizontalen Lasten auf und leiten sie zu den ne/Brücken%20schlagen [26.03.21] Lagern ab.“) 128 Vgl. Lueger, Otto: Seehäfen. In: Lexikon der gesamten 155 Vgl. Horn, Trude: Gedeckte Holzbrücken. 1980, S.7 Technik und ihrer Hilfswissenschaften. 1910, S. 28 ff. 156 Vgl. Bardua, Sven: Brückenmetropole Hamburg. 129 Vgl. Lueger, Otto: Landungsbrücke. In: a. a. O., S. 68 Baukunst- Technik- Geschichte bis 1945. Dölling und Galitz Verlag, München, 2009, S. 146 130 Vgl. Horn, Trude: Gedeckte Holzbrücken. Zeugen alter Baukunst. o. A., 1980 S. 10 157 Vgl. Holzer, Stefan M.: Die Sauschwänzlebahn im Südschwarzwald. Bundesignenieurkammer, Berlin 2015, 131 Vgl. ebd. S. 45 ff. 132 Vgl. Wiebeking, Carl Friederich: Theoretisch- 158 Vgl. Pevsner, Nikolaus: Wegbereiter moderner practische Wasserbaukunst. Bd. 3, München, 1814, S. 337 Formgebung von Morris bis Gropius. Dumont, Köln, 1983, 133 Vgl. Horn, Trude: Gedeckte Holzbrücken. 1980, S. 10 S. 118 134 Vgl. ebd. 159 Vgl. Erler, Uwe; Schmiedel, Helge; Wagenbreth, Otfried; u. a.: Brücken. Historisches, Konstruktion, 135 Vgl. Block, Philipp; Gengnagel, Christoph; Peters, Denkmäler. Leipzig, Fachbuchverlag, 1988, S. 68 Stefan: Faustformel Tragwerksentwurf. 2014, S. 142 160 Vgl. Brown, David J.: Brücken. Kühne Konstruktionen 136 Vgl. Jurecka, Charlotte: Brücken. Historische über Flüsse. 2. Aufl. Callwey, München, Callwey, 2007, Entwicklung – Faszination der Technik. Wien, Schroll S.46 Verlag, 1979, S. 15 ff. 161 Vgl. Holzer, Stefan M.: Die Sauschwänzlebahn im 137 Vgl. Walzer, Bernhard: Brücken gestern und heute. Südschwarzwald. 2015 S. 45 ff. Ost-Berlin, VEB Verlag für Verkehrswesen, o. A., S. 12 162 Vgl. Erler, Uwe; Schmiedel, Helge; Wagenbreth, 138 Vgl. Laskus, August: Hölzerne Brücken. Verlag v. Otfried; u. a.: Brücken. Historisches, Konstruktion, Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1922, S. 32 Denkmäler. Leipzig, Fachbuchverlag, 1988, S. 70 ff. 139 Vgl. ebd. 163 Vgl. Dipl.-Ing. Prof Koll, Gottfried; Dr. Jännecke, Max: 140 Vgl. Horn, Trude: Gedeckte Holzbrücken. Zeugen alter Brücken aus Eisen. Verlagsbuchhandlung, Leipzig, 1914, Baukunst. 1980, S. 10 S. 1 141 Vgl. Wiebeking, Carl Friederich: Theoretisch- 164 Heinzerling, F; Hindrichs, W.; Dr. Schäder, Th.; practische Wasserbaukunst. 1814, S. 337 Ed. Sonne (Hrsg.): Der Brückenbau. Handbuch der Ingenieurswissenschaften. Eiserne Brückenpfeiler. 142 Laskus, August: Hölzerne Brücken. Berlin, 1943, S. Ausführung und Unterhaltung der eisernen Brücken. 2. 26 ff. Aufl., Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1889, S. 83 143 Vgl. Freiherr von Röll: Enzyklopädie des 165 Erler, Uwe; Schmiedel, Helge; Wagenbreth, Otfried; u. Eisenbahnwesens. Bd. 6, Berlin, Wien, 1914, S. 227-235 a.: Brücken. Historisches, Konstruktion, Denkmäler. 1988, 144 Vgl. ebd. S. 70 ff. 145 Vgl. Laskus August: Hölzerne Brücken. 1922, S. 6 166 Heinzerling, F; Hindrichs, W.; Dr. Schäder, Th.; Ed. Sonne (Hrsg.): Der Brückenbau. 1889, S. 83 146 Vgl. Jurecka, Charlotte: Brücken, Historische Entwicklung – Faszination der Technik. Wien, Schroll 167 Holzer, Stefan M.: Die Sauschwänzlebahn im Verlag, 1979, S. 16 f. Südschwarzwald. Berlin Bundesingenieurkammer, 147 Vgl. Laskus, August: Hölzerne Brücken. 1992, S. 6 2015, S. 45 ff. 148 Vgl. a.a.O., S. 273 168 Vgl. Dipl.-Ing. Prof Koll, Gottfried, Dr. Jännecke, Max: Brücken aus Eisen. 1914, Vorwort 149 Vgl. Höpfner, Ludwig Julius Friedrich: Definition „Jochbrücke“. In: Deutsche Encyclopädie oder 169 Vgl. Erler, Uwe; Schmiedel, Helge; Wagenbreth, Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Otfried; u. a.: Brücken. Historisches, Konstruktion, Wissenschaften. Varrentrapp und Wenner, Frankfurt am Denkmäler. 1988, S. 70 ff. Main, 1794, S. 7 170 Vgl. Holzer, Stefan M.: Die Sauschwänzlebahn im 150 Vgl. Laskus, August: Hölzerne Brücken. 1922, S.6 Südschwarzwald. 2015, S. 45 ff.

151 Horn, Trude: Gedeckte Holzbrücken. 1980, S.17 171 Vgl. Dipl.-Ing. Prof Koll, Gottfried, Dr. Jännecke, Max: Brücken aus Eisen. Verlagsbuchhandlung, Leipzig, 1914, 152 Laskus, August: Hölzerne Brücken. 1922, S. 49 ff. S. 18 153 Horn, Trude: Gedeckte Holzbrücken. 1980, S.15 172 Vgl. Heinzerling, F; Hindrichs, W.; Dr. Schäder, Th.; 154 Fritsch, Reinhold; Hellmann, Helmut; Piringer, Ed. Sonne (Hrsg.): Der Brückenbau. 1889, S. 101- 102 Siegfried u. a.: Brückenbau. 3. Aufl., Hölzel Verlag, Wien, 2001, S.44-S.45. („Aussteifungs- und Windverbände 173 Vgl. a.a.O., S. 125-126

50 174 Vgl. a.a.O., S. 101-102 179 Vgl. a.a.O., S. 71 175 Vgl. Dipl.-Ing. Prof. Koll, Gottfried; Dr. Jännecke, Max: 180 Vgl. Dipl.-Ing. Prof. Koll, Gottfried; Dr. Jännecke, Max: Brücken aus Eisen. 1914, S. 5 Brücken aus Eisen. 1914, S. 32 176 Vgl. a.a.O., S. 2 181 Heinzerling, F; Hindrichs, W.; Dr. Schäder, Th.; Ed. Sonne (Hrsg.): Der Brückenbau. 1889, S. 199 – S. 120 177 Vgl.Schaper, G.: Eiserne Brücken. Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1908, S.48 182 Vgl. a.a.O., S. 2 178 Vgl. Heinzerling, F.; Hindrichs, W.; Dr. Schäfer, Th; Ed. 183 Vgl. Dipl.-Ing. Prof. Koll, Gottfried; Dr. Jännecke, Max: Sonne (Hrsg.): Der Brückenbau. 1889, S. 2 Brücken aus Eisen. 1914, S. 6

51 6. Häfen in Südwestafrika

Zugunsten späterer Betrachtungen sollen die Er- guella-Stromes [sic!] entsteht im südlichen Atlan- kenntnisse aus den vorausgegangenen Analysen tik. Der warme Aequatorialstrom [sic!], der längs der zur Terminologie der Häfen auf die örtlichen Ge- brasilianischen Küste kommend sich mit dem um gebenheiten an afrikanischen Küsten übertragen die Südspitze kommenden kalten Kap-Horn-Strom werden. Konkret wird dabei auf das Gebiet der trifft, wird von diesem […] abgedrängt, so daß [sic!] Subsahara Bezug genommen, wobei sich die Be- der kalte Strom sich der vorspringenden Küste trachtungen vornehmlich auf den Küstenraum im Südafrikas anschmiegt, um erst […] durch vorherr- Südwesten Afrikas beschränken werden. Zunächst schende Winde nach Osten in den Atlantik abge- sollen relevante geologische Parameter an der Kü- drängt zu werden.“184 ste Südwestafrikas und deren entsprechenden Auswirkungen auf die jeweiligen Häfen der Küsten- Demnach kann geschlussfolgert werden, dass die region untersucht werden. Es wird hierbei bewusst Länder Südafrika, Namibia (ehem. Deutsch-Süd- auf Informationen zurückgegriffen, welche von der westafrika), Angola (ehem. Portugiesisch-Ango- Autorin im Rahmen der Forschungsreise in Nami- la) sowie der Kongo (ehem. Belgisch-Kongo) unter bia zusammengetragen worden waren, da davon dem direkten Einfluss des Benguela-Stromes ste- ausgegangen werden kann, dass jene geologischen hen. Hieraus resultieren wiederum zwei weitere Ein- Parameter, wie sie an der namibischen Küste vor- flussfaktoren: Einerseits bewirkt jene Strömung, herrschen, auch für die Regionen benachbarter dass sich das Wasser entlang der südwestafri- Länder gelten. Nach der Klärung der umwelt- und kanischen Küste bündelt, wodurch es mit hoher witterungsbedingten Verhältnisse, sollen Häfen an- Geschwindigkeit (zwischen 16 und 40 km/h) an der- derer ehemaliger Kolonialgebiete für einen späteren selben vorbeiströmt.185 Andererseits wird die Küs-te Vergleich herangezogen werden. stets von starken Fallwinden begleitet, welche star- ke Sturmfluten auslösen können.186 Folglich muss Die wichtigste umweltbedingte Komponente der in jenen Küstenregionen generell mit einer unruhi- südwestafrikanischen Küstenregion ist, dass die- gen See und hohem Wellengang gerechnet werden. se seit jeher unter dem Einfluss starker Strömun- Dies deckt sich ebenfalls mit Augenzeugenberich- gen steht, welche sich wiederum nachhaltig auf die ten aus der Kolonialzeit: Den Berichten zufolge war etwaigen Anforderungen an die Häfen und die je- „[…] immer schwerer Seegang, und man befürchte- weiligen Landungsanlagen auswirken. Hierbei ist te, dass das Schiff an Land getrieben werden könn- die Rede vom sogenannten Benguela-Strom, wel- te.“187 An anderer Stelle wird gar von einem endlosen cher entlang der westafrikanischen Küste nordwärts Kampf gegen das tobende Meer gesprochen: „Die bis zum Äquator fließt und wie folgt beschrieben See ist stürmisch. Wer an Land will, muss sich auf wird: „Die Ursache der kalten Strömung, des Ben- ein lebensgefährliches Ausboten gefasst machen.

Ilha do Cabo

Abb 18 + 19: Hafen von Luanda und Kapstadt. © Meyers Konversationslexikon /Carlvalho, Consalo Pires

52 […] Ein Kampf von Mensch gegen Mutter Natur.“188 den, dass sowohl die Bucht in Kapstadt als auch Aufgrund der starken Brandung und der Riffe, wird dieselbe in Luanda natürlichen Ursprungs waren allgemein davon ausgegangen, dass eine Landung und diese im Zuge der Kolonisation als Hafenstand- an jener Küste grundsätzlich ein schwieriges Unter- ort zugunsten einer geschützten Landungsstel- fangen dargestellt haben dürfte.189 le ausgewählt worden sein dürften. Die Gründung des Hafens in Kapstadt geht auf die niederländische Bevor der Fokus auf die besonderen Bedingungen Ost-Indienkompanie zurück, welche in der Tafel- an der Küste der ehemaligen Kolonie Deutsch-Süd- bucht Mitte des 17. Jahrhunderts ein Hafenbecken westafrika gelenkt wird, lohnt sich ein Blick auf die bauen ließ. Die Bucht wurde nach dem nahe gele- benachbarten Länder südlich und nördlich jenes genen Tafelberg benannt, ist etwa neun Kilometer Kolonialgebietes - wobei zunächst die Frage erör- breit und fünf Kilometer tief.190 Der deutlich kleinere tert werden soll, wie sich andere Kolonialmächte Hafen in Luanda wurde Mitte des 16. Jahrhunderts bei einer solch herausfordernden Brandung Zugang durch die Portugiesen gegründet. Er positioniert zum Festland verschaffen konnten. Aus Gründen sich innerhalb einer natürlich entstandenen Ein- der Vergleichbarkeit wurden zwei Beispiele von Hä- buchtung, der sogenannten Bucht von Luanda, und fen an der Küste Südwestafrikas gewählt: Der Fo- wird von der vorgelagerten Halbinsel „Ilha do Cabo“ kus liegt hierbei auf dem Hafen in Kapstadt, einst vor hohen Wellen des Atlantiks geschützt, weshalb wichtigster Seehafen der ehemaligen niederländi- im Inneren der Bucht nur schwache Strömungen schen Kolonie Südafrikas, sowie auf dem Hafen der und Winde eindringen - wodurch wiederum idea- ehemaligen portugiesischen Kolonie Angolas in Lu- le Landungsbedingungen vorherrschen. Zusätzlich anda. Die Landungsstelle in Matadi, dem Hafen des wird die Bucht im Osten und im Westen durch ei- ehemaligen Belgisch-Kongo, kann jedoch vernach- ne Sandbank begrenzt, wodurch das Ufer weit- lässigt werden, da es sich hierbei im Gegensatz läufig gegenüber äußeren Einflüssen abgeschirmt zu den anderen Beispielen um einen Binnenhafen wird.191 Sowohl der Hafen in Kapstadt als auch je- am Kongo-Fluss handelt. Die Übersicht von allge- ner in Luanda sind bis heute in Betrieb. Aufgrund meinem Kartenmaterial zeigt, dass sich sowohl der dieser Tatsache kann davon ausgegangen werden, Hafen in Kapstadt als auch der Hafen in Luanda je- dass sich die jeweiligen Buchten als Hafenstandorte weils innerhalb einer Bucht positionierten (Vgl. Abb. langfristig bewährt hatten. Hierdurch bestätigt sich 18 + 19). Es wird davon ausgegangen, dass bei- wiederum die allgemeine Hypothese aus der dies- de Häfen aufgrund von vorgelagerten Landzungen bezüglichen Quellenlage des Deutschen Reiches, vor den Einflüssen des Benguela-Stroms nachhal- wonach sich eine Hafenanlage innerhalb einer na- tig geschützt wurden. Darüber hinaus kann anhand türlichen Bucht gegenüber einem künstlich herge- des historischen Kartenmaterials aufgezeigt wer- stellten Landeplatz grundsätzlich empfahl.

184 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Bibliography on water in 191 Vgl. o. V.: Sobre e porto. URL: www.portoluanda. South West Africa. Swakopmund, 1967, S. 52 ff. co.ao, [am 22. 11. 2020] 185 Vgl. o. V: BSW 56. Hafen und Schiffahrtssachen [sic!]. Swakopmund, 1903 (NAW) 186 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Bibliography on water. 1967, S. 58 187 Vgl. Stift, Edith: Jugenderinnerungen an Swakopmund. Nachrichten der Gesellschaft für wissenschaftliche Entwicklung. Jahrgang 5, 1973, S. 5 (AWGS) 188 Vgl. Kraft, Kirsten: Swakopmunder Geschichten. Gondwana Publishers, Windhuk, 2014, S 41- S. 42 189 Vgl. Gründer, Horst: Imperialismus und deutscher Kolonialismus in Afrika. In: Namibia-Deutschland, Eine geteilte Geschichte. 2004, S.28 190 Vgl. Transnet National Ports Authority: Our Ports. Cape Town. URL: www.transnetnationalportsauthority.net, [22. 11. 2020]

53 6.1 Häfen in Deutsch-Südwestafrika

Die Analyse der geologischen Rahmenbedingun- halb einer natürlichen Bucht, welche als „Lüderitz- gen an der südwestafrikanischen Küste zeigte, bucht“ bekannt wurde.192 Jene Bucht eignete sich dass an den dortigen Ufern aufgrund des Bengu- wohl bestens als Hafenstandort, nicht jedoch als ela-Stromes generell schwierige Landungsbedin- dauerhafter Verwaltungssitz der Kolonie. Als 1885 gungen vorherrschten. Anhand der Fallbeispiele der Dr. Heinrich Göring von Bismarck Seehäfen in Kapstadt und Luanda zeigte sich be- nach Südwestafrika gesandt wurde, erkannte dieser reits, dass sich natürliche Buchten entlang jenes schnell, dass Lüderitzbucht zu weit abgeschieden Küstengebietes deswegen für einen Hafenstandort lag und verlegte daher den Sitz der Kolonialverwal- anboten, da diese das Fahrwasser, aufgrund ihrer tung ins Landesinnere nach Otjimbingwe.193 In der einrahmenden Funktion sowie vorgelagerten Land- Folge steuerten die deutschen Schiffe statt Lüderitz zungen und Sandbänken, nachhaltig vor Wind und zunehmend die nördlich gelegenere Walfischbucht Wellen schützten. Wie für alle unter dem Einfluss an.194 Der Hafen verfügte Dank einer vorgelagerten des Benguela-Stromes stehenden Gebiete, wird Halbinsel über ähnlich gute Landebedingungen wie ebenfalls für das ehemalige Schutzgebiet Deutsch- Lüderitzbucht, jedoch wurde dort kein Trinkwas- Südwestafrika angenommen, dass auch die Deut- ser gefunden.195 Ein weiteres Hindernis war, dass es schen mit den entsprechenden umweltbedingten sich hierbei um eine britische Enklave handelte. Da Herausforderungen zu kämpfen hatten und somit die Deutschen nicht nur hohe Landungs- und Zoll- der Standortwahl der jeweiligen Häfen eine beson- gebühren an die Briten abtreten mussten, sondern dere Rolle zuteilwurde. Um zu klären, wie es den stets unter der Beobachtung derselben standen, Deutschen überhaupt gelang, Schiffe an jener un- konnte die Nutzung des Hafens trotz der günsti- wegsamen Küste zu landen, soll an dieser Stelle ein gen Lage keine dauerhafte Lösung darstellen. Dies einleitender Überblick über sämtliche Hafenanlagen führte zu einer aufwendigen Suche nach einem un- dieser sogenannten Siedlungskolonie gegeben wer- abhängigen, zentral gelegenen deutschen Hafen, den. Jene Übersicht dient wiederum als Basis für wonach die Buchten und Küstengebiete rund um nachfolgende Erörterungen, welche aufzeigen sol- Cape Cross, Sierrabay, Ogdenhafen, Sandwich- len, welche Faktoren schlussendlich dazu führten, hafen, Spencerbucht und Hottentottenbucht ein- dass Swakopmund als zentrale Landungsstelle der gehend untersucht wurden (Siehe Übersichtskarte Kolonie ausgewählt wurde. Deutsch-Südwestafrika). Es kam zu einer vorüber- gehenden Nutzung des südlich von Walfischbucht Der erste Hafenstandort der Kolonie wurde im Jahr gelegenen Sandwichhafens.196 Da dieser jedoch zu- 1883 mit dem dortigen Landerwerb durch Adolf nehmend versandete, wurde er unbrauchbar und Eduard von Lüderitz markiert. Ähnlich der Häfen in letztendlich aufgegeben – ähnliches galt für die an- Kapstadt und Luanda positionierte sich dieser inner- deren Küstengebiete.

Abb. 20: Lüderitz um 1900: Hier gründete Adolf von Lüderitz den ersten deutschen Handelsstützpunkt. © Lüderitz Museum

54 Abb. 21: Walfischbucht um 1900: Der Hafen t unterstand der britischen Flagge. © Andreas Vogt

Nachdem sämtliche Untersuchungen an der süd- bar schlecht. Da es den Schiffen aufgrund des fla- westafrikanischen Küste ohne Ergebnis blieben, chen Ufers nicht möglich war, direkt an demselben wurde 1892 schlussendlich das Gebiet nördlich anzulegen, mussten diese mehrere hundert Me- des „Tsoakhaubflusses“ vom Landeshauptmann ter vor dem Strand auf einer Reede vor Anker ge- Curt von François als neuer Landeplatz auserkoren. hen. Von dort aus wurden Güter und Passagiere In Anlehnung an den Namen des Flusses gründe- unter großem Aufwand mit Hilfe von Brandungs- te er an dortiger Stelle den Ort „Tsoakhaubmund“, booten an Land gebracht.199 Dazu heißt es: „Die wü- welcher später in Swakopmund umbenannt wurde. tende Brandung, die an […] der Küste tobt, und die Bereits im Jahr 1893 begann der Hamburger Ree- Wracks, die sowohl bei Kap Groß [sic!] wie auch an der und Kolonialförderer Adolph Woermann mit der den südlichen Gestaden [...] liegen, sprechen für die sogenannten „Woermann-Linie“ eine regelmäßige Gefährlichkeit der Küsten [...].“ Aus diesem Grund Schiffsverbindung zwischen Hamburg und DSWA spielten sich in Swakopmund regelmäßig dramati- einzurichten.197 Mit der Landestelle in Swakopmund sche Szenen ab. Ein Augenzeuge berichtete: „Kei- wurde erstmals ein Hafenstandort an einem offenen ner glaubte, daß [sic!] wir würden landen können, Sandstrand gewählt - denn wie bereits dargestellt, so hoch ging die Brandung am Ufer. […] Unter […] gab es entlang der gesamten Küste Südwestafrikas ängstlichem Geschrei […] wurde ein günstiger Au- kein einziges Beispiel einer solchen Landungsstel- genblick abgepaßt [sic!] und die kleine Gesellschaft le. Als Grund für die Standortwahl wurde genannt, landete im Leichter.“200 Wegen jener erschwerten dass dieser Küstenabschnitt vorrangig aufgrund der Bedingungen wurden für den Landungsbetrieb tat- geographischen, weil zentralen, Lage gewählt wur- kräftige Männer aus dem Stammesgebiet der Nama de. 1889 gründete François zudem die Feste Tsao- sowie aus Liberia angeheuert.201 Letztere gehörten bis, sowie Windhuk, der spätere Verwaltungssitz zum Stamm der Kru. Sie galten als erfahrene See- der Kolonie - beide Orte waren von Anfang an auf männer und kamen auch mit starken Brandungs- den Hafen in Swakopmund als Versorgungsbasis verhältnissen zurecht. Nebenbei bemerkt, gibt es eingestellt. Ein weiterer Vorteil der neuen Landungs- Theorien, wonach sich das Wort „Crew“ (Englisch stelle war, dass nun auch Kriegs- und Regierungs- für Besatzung) von dem Namen jenes westafrika- material über den Seeweg in die Kolonie gebracht nischen Volkes ableitet.202 Dass ein Landungsbe- werden konnte, ohne dabei eine Intervention sei- trieb trotz der widrigen Umstände möglich wurde, tens der Briten befürchten zu müssen. Als nachteilig lag jedoch nicht allein an den maritimen Fähigkei- erwies sich die schlechte Trinkwasserversorgung, ten der afrikanischen Bootsbesatzung, sondern ist da das Wasser des Swakop-Flusses brackig war wohl auch einer Innovation des Schiffsbauers Otto und aufwändig aufbereitet werden musste.198 Auch Lühr aus Hamburg zu verdanken. Auf Initiative von die Landungsbedingungen am Strand waren denk- Woermann entwickelte er Brandungsboote speziell

55 für die westafrikanische Küste. Sie bestanden aus Nachdem der Landungsbetrieb in Swakopmund be- Eichenholz und waren materiell und konstruktiv ge- reits einige Jahre von statten gegangen war, wurde sehen von einer überragenden Stabilität. Dies führ- an dem dortigem Ufer im Jahr 1889 für drei Jahre te dazu, dass die „Lührs’schen Brandungsboote“ eine meteorologische Station eingerichtet, welche bald an der ganzen afrikanischen Westküste ein- sowohl die klimatischen als auch die meereskund- gesetzt wurden.203 Obgleich der starken Brandung lichen Gegebenheiten untersuchte, sammelte und und den damit verbundenen Widrigkeiten wurde die auswertete. Demnach wurde das dortige Klima als Landungsstelle nördlich der Swakop-Mündung all- gemäßigt beschrieben, wobei Höchstwerte von rund gemein für geeignet befunden. Als sich am Strand 30 und Tiefstwerte von 2,5 Grad Celcius gemessen infolge von Sandablagerungen ein natürlicher Wel- wurden. Die Luftfeuchtigkeit war allgemein hoch; lenbrecher bildete, wurde davon ausgegangen, im Winter (Juni bis September) trat vermehrt Nebel dass durch seine Schutzwirkung die Errichtung or- auf.205 Neben den eingangs erwähnten Strömungs- dentlicher Hafenanlagen vernachlässigt werden verhältnissen und dem starken Küstenwind wurden könne. Dazu wurde ebenfalls die Meinung der afri- dank jener Untersuchungen erstmalig beträchtli- kanischen Bootsmänner eingeholt, welche diese che Sandbewegungen am Ufer festgestellt. Dazu Sichtweise offenbar teilten. Außerdem wurde ar- heißt es: „Man wusste, dass Sand und Schlickfüh- gumentiert, dass die Kolonie in Togo ebenfalls oh- rung des abkommenden Swakop [sic!] Anlandun- ne solche Hafenanlagen auskäme und dabei sogar gen und Versandungen an der unmittelbar nördlich noch wirtschaftliche Gewinne erzielte.204 Der Ver- gelegenen Küste verursachte.“ In Ermangelung von gleich mit Togo kommt nicht von ungefähr: Bekann- alternativen Landungsstellen hielt die deutsche Ko- termaßen galt das Protektorat schon damals als lonialverwaltung jedoch weiterhin an Swakopmund Musterkolonie; außerdem nahm man an, dass sich als Hafenstandort fest.206 Währenddessen stieg der die dortigen Landungsbedingungen mit jenen in dortige Schiffsverkehr exponentiell an und erreich- Swakopmund gut vergleichen ließen. Darüber hin- te ein Jahr später im Frühjahr 1899 seinen „ersten aus verfügte das Deutsche Reich an der westafrika- Höhepunkt […] als erstmalig vier Dampfer gleichzei- nischen Küste über keine weiteren Hafenstandorte, tig vor Reede lagen.“207 Spätestens jetzt wurde klar, welche diesbezüglich als Beispiel hätten dienen dass die Landungsbedingungen an jenem Strand können. Daher sollte der Loméer Hafen in Togo dem stark anwachsenden Schiffsverkehr nicht län- auch in den darauffolgenden Jahren mehrmals als ger gerecht würden und daher die Einrichtung von Referenz für einen Vergleich mit den Landungsbe- Hafenanlagen im größeren Stil notwendig wurden. dingungen in Swakopmund herangezogen werden. Somit erwies sich die ursprüngliche Annahme, wo- Ob sich eine solche Gegenüberstellung überhaupt nach der Strand dauerhaft ohne Hafenanlagen aus- empfahl, soll an späterer Stelle untersucht werden. kommen würde, als Fehleinschätzung.

Abb. 22: Bitte Lächeln: Die Nama- und Kru-Männer beim Lansdungsbetrieb in Swakopmund. ©AWGS

56 Abschließend betrachtet zeigt sich, dass, ähnlich Wie bereits dargelegt, erfüllte keiner der in Frage der vorausgegangenen Analysen, auch in der Ko- kommenden Küstenabschnitte auch nur annähernd lonie DSWA, aufgrund des Benguela-Stroms, der die Kriterien eines dauerhaft nutzbaren Hafenstand- Wahl des Hafenstandortes eine besondere Rol- ortes. Die Entscheidung, den Hafen am flachen le zuteilwurde. Anhand der Häfen in Lüderitz und Strand von Swakopmund zu errichten, kann so- Walfischbucht zeigte sich, dass bei der diesbezüg- mit als eine klassische Notlösung gewertet werden. lichen Standortwahl zugunsten des Brandungs- Eine gewagte Entscheidung, wenn man bedenkt, schutzes ebenfalls natürliche Buchten bevorzugt dass es an der gesamten südwestafrikanischen Kü- wurden. Beide Häfen verfügten zwar über äußerst ste noch keiner anderen Kolonialmacht gelungen günstige Landungsbedingungen, während Lüderitz war, einen dauerhaften Ankerplatz an einem flachen jedoch zu abgeschieden lag, war Walfischbucht als Sandstrand zu errichten. Daher wird nachfolgend britische Enklave aus strategischen Gründen unge- unter anderem die Frage erörtert, ob es sich über- eignet. In Ermangelung anderer Buchten wurde die haupt lohnte, an der dortigen Stelle in ordentliche Suche nach einem unabhängigen Hafen eröffnet. Hafenanlagen zu investieren.

192 Vgl. Drechsler, Horst: Südwestafrika unter deutscher 201 Vgl. Schwabe, Kurd: Mit Pflug und Schwert in Kolonialherrschaft. Akademie-Verlag, Ost-Berlin, 1984, S. Deutsch-Südwestafrika. 2. Aufl., Ernst Siegfried Mittler und 183 Sohn, Berlin, 1899, S. 122 (AWGS) 193 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika. 1981, 202 Vgl. o. V.: Brandungsboot, Unkatalogisierte Unterla- S. 21-22 gen, Swakopmund, o. J., (AWGS) 203 Vgl. o. V.: Kleine Werft mit großer Tradition. Bran- 194 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- dungsboote für Afrika – Carl Woermann gab den Tip [sic!]. mund. 1967, S.53 (AWGS) In: Allgemeine Zeitung. Windhuk, Nr. 18, 28. Januar 1959 195 Vgl. a.a.O., S. 55 (AWGS) 196 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika. 1981, 204 Vgl. o. V.: Abschrift, Unkatalogisierte Unterlagen. H | S. 50 – S. 51 18, o. J., Swakopmund, (AWGS) 197 Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika. 1981, S. 51 205 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- 198 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- mund. 1967 S. 56 (AWGS) mund. 1967. S.53 f. (AWGS) 199 Vgl. o. V.: Swakopmunder Schiffsnachrichten. o. A., 206 Vgl. o. V.: Swakopmunder Schiffsnachrichten. In: WA. No. 15-16, Swakopmund, 27. 04. 1889 (AWGS) 1889 (AWGS) 200 Uhlmann, A. R.: Povians Land. Erzählungen aus dem 207 Vgl. Auswärtiges Amt des Deutschen Reiches: Über Ansiedlerleben in Deutsch Südwest Afrika. Otto Thiele Ver- den Swakopmunder Hafen. In: WA. No. 40-2, Windhuk, 4. lag, Halle, 1924, S. 107 (AWGS) 10. 1905 (AWGS)

57 7. Der Hafen von Swakopmund

Anhand der Untersuchung von Häfen benachbarter befestigte Landungsanlage handelte. Bevor jener Kolonien und dem einleitenden Überblick relevanter Bau zur Ausführung kam, wurde jedoch zunächst Hafenanlagen in DSWA wurde gezeigt, dass es sich über die Erweiterung eines natürlich entstande- bei der Landungsstelle in Swakopmund um den ein- nen Wellenbrechers debattiert, dessen Hintergrün- zigen Hafenstandort an der südwestafrikanischen de vorab wiedergegeben werden sollen. Neben der Küste handelte, welcher in Ermangelung anderer Darstellung relevanter historischer Eckdaten, soll Alternativen an einem flachen Sandstrand errichtet parallel eine Baubeschreibung der Mole stattfinden, wurde. Aufgrund der strömungs- und witterungs- um im Zuge derer eventuelle Diskrepanzen zwi- bedingten Hürden beim Landungsbetrieb und dem schen dem ursprünglichen Entwurf und dem ausge- exponentiell anwachsenden Schiffsverkehr, wur- führten Bauwerk aufzuzeigen und vorab getroffene de bald entschieden, eine bauliche Ergänzung des Hypothesen anhand des konkreten Beispiels zu un- Ufers vorzunehmen. Aus diesem Grund wurde der tersuchen. Anschließend sollen ebenfalls vorläufi- Bau einer Mole beschlossen, wonach es sich ent- ge Annahmen getroffen und abschließend resümiert sprechend der einleitenden Betrachtungen um eine werden.

7.1 Die Hafenmole

Dem Beschluss des Molenbaus ging ein Natur- Anlandungen von Sand und Schlick beobachtet schauspiel voraus, welches sich infolge des Regen- wurden.“210 Diese Annahme gründete auf früheren jahres 1892/93 an der Swakop-Mündung ereignete: Untersuchungen, wonach sich gezeigt hatte, dass Da der Swakop-Fluss in jener Zeit viel Wasser sowie sich unterhalb des Sandes Klippenbänke bis zu 100 Sinkstoffe mit sich führte, kam es zu Ablagerungen m ins Meer erstreckten. Es wurde vermutet, dass und einer Küstenversetzung nördlich der Flussmün- diese allein schon ihrer Lage wegen der Einbuch- dung, wodurch eine Art natürlicher Wellenbrecher tung einen gewissen Schutz vor Wellen boten. entstanden war.208 Er gab Anlass für den ersten Ent- wurf einer Uferbefestigung, wonach die beschrie- In weiterer Folge wurde 1895 Hafenbaumeister benen Sandablagerungen zu einem ordentlichen Mönch nach DSWA gesandt. Er sollte sich einen Wellenbrecher hätten verlängert werden sollen. Überblick über die örtlichen Verhältnisse verschaf- Da ein solcher Ausbau zu aufwändig erschien und fen und im Anschluss den Bauplan für eine Hafen- man befürchtete, dass der von Natur aus entstan- anlage ausarbeiten. Im Zuge dessen erstellte er dene Hafen durch ein einfaches Hineinwerfen von einen Entwurf für eine Mole, welche das Ufer vor der Steinen hätte verschlechtert werden können, wur- Brandung schützen und Sandablagerungen vorbeu- den die Pläne nicht konkretisiert. Nebenbei bemerkt gen sollte. Die Dimensionierung des Bauwerks wur- tauchten parallel ebenfalls erste Überlegungen für de sowohl in Abhängigkeit von der anzunehmenden die Errichtung einer Landungsbrücke auf - auch die- Belastung, den jeweiligen Gleis- und Krananlagen, se Ideen wurden wieder verworfen.209 als auch auf Basis der Wind- und Wellenbewegun- gen getroffen. Es sollte über eine Länge von 200 Aufgrund der anhaltend starken Brandung und dem m verfügen und den Schiffen eine sichere Einfahrt exponentiellen Anstieg des Schifssverkehrs wurde gewähren. Entsprechend der Untergrundverhält- spätestens Mitte der 1890er Jahre deutlich, dass nisse wurde entschieden, das Bauwerk unmittelbar die Landungsverhältnisse an dem dortigen Ufer auf den uferseitigen Granitbänken zu gründen. Als zunehmend untragbar geworden waren, weshalb Material kam in diesem Fall nur eine Ausführung wieder auf die anfängliche Idee, einen Wellenbre- in Form von Steinschüttungen und Beton in Fra- cher zu errichten, zurückgegriffen wurde. Hinsicht- ge. Hierfür sollte im etwa 1,5 km entfernten Stein- lich eines infragekommenden Standortes fiel dabei bruch Granit abgebaut und mit Hilfe der Eisenbahn die Wahl auf eine leichte Einbuchtung, welche sich zur Baustelle gebracht werden. Zusätzlich wurde 800 m nördlich der Swakop-Mündung befand und darauf geachtet, sämtliche Arbeitsschritte so zu sich infolge der Sandanschwemmungen im Jahr gestalten, so dass diese auch mit den einfachsten 1892 gebildet hatte. Obwohl bereits zum damaligen Baugeräten bewerkstelligt werden konnten. Auf- Zeitpunkt bekannt war, dass es an jenem Ufer zu grund der beschriebenen Brandungsverhältnisse nicht unerheblichen Sandverschiebungen kommen wurde zusätzlich die Option gegeben, das Bauwerk konnte, war die deutsche Kolonialverwaltung über- gegebenenfalls um eine weitere Mole im Norden zu zeugt, dass jene Stelle davon nicht betroffen sei, da ergänzen. Ob und inwiefern jene bauliche Ergän- angeblich „nur bis zu 600 m nördlich der Mündung zung zur Umsetzung kam, soll an späterer Stelle er-

58 läutert werden. Nach Prüfung durch das Auswärtige der Molenspitze, wobei es sich um einen Bereich Amt, wurden Veränderungen vorgenommen, wo- handelte, welcher generell starkem Wellenschlag nach die Mole geradlinig durchgeführt und der Mo- ausgesetzt war, wurden größere Betonblöcke an lenkopf erhöht werden sollte. Dabei wurde von der Land hergestellt. Auf diese Weise gewann die Mole Regierung im Rahmen der allgemeinen Begutach- kontinuierlich an Länge: Bis Ende des Jahres 1901 tung eingeräumt, dass der Bau jener Landungsan- war die seeseitige Betonmauer bereits auf 310 Me- lage lediglich ein Experiment sei, bei welchem „ein ter angewachsen – womit sie bedeutend länger war Erfolg nicht mit Bestimmtheit vorausgesetzt werden als im ursprünglichen Entwurf. Die darauf errichtete könne.“ Trotz jener Zweifel wurde schließlich die Brüstungsmauer betrug 270 m, wobei die Kaimauer Baugenehmigung erteilt.211 selbst 107 m lang war. Bereits ab dem 1. Mai 1901 war der erste Personenverkehr über die neue Lan- Am 1. September 1899 traf ins Swakopmund der dungsanlage erfolgt.212 Befehl ein, dass mit dem Bau der Mole entspre- chend des eingereichten Entwurfs begonnen wer- Aufgrund der rauen See hatte sich der Molenbau im den konnte, wonach einen Tag später im Rahmen Laufe des Jahres 1901 stark verzögert. Augenzeu- einer kleinen Feier die Grundsteinlegung stattfand. genberichten zufolge fand in den folgenden Mona- Daraufhin trafen am 27. November 1899 die ersten ten „ein fortwährender Kampf gegen die See statt. Arbeiter aus Deutschland ein, welche aus einem Immer dann, wenn nach ein paar Tagen ein kleiner Bauleiter, einem Techniker, einem Protokollanten, Baufortschritt zu verzeichnen war, trat plötzlich einem Werkmeister, fünf Vorarbeitern und 51 Arbei- und oft innerhalb einer Stunde, wieder so schwere tern bestanden. Vor Ort wurden zusätzlich Arbeiter See auf, sodass das Bauwerk regelmäßig Schaden aus der einheimischen Bevölkerung angeworben. nahm. Beispielsweise war die zum Schütten benutz- Am 4. Mai 1900 wurden die ersten Schüttsteine für te Auslegerbrücke von den Wogen mehr als drei Mal den Molenkörper in das Becken gestürzt. Die Schüt- in die See gespült worden, drei große Mauerblöcke tung des Unterbaus wurde bis zum Niederwasser mitsamt den dazugehörigen Rammgerüsten wur- hergestellt. Hierfür wurden große, schwere Steine den zerstört und kleinere, seeseitige Blöcke waren in einer Böschungsneigung in die See gestürzt, um vernichtet.“213 Auch im darauffolgenden Jahr setz- dem Damm auf diese Weise einen sicheren Halt zu te sich der symbolische Kampf gegen Neptun fort. geben. Für die Schüttung wurden größere Steine Dies hatte eine weitere Anpassung des Entwurfs zur aus dem Steinbruch entnommen, die kleineren wur- Folge, da die geplante Steinschüttung auf der See- den für die Betonierarbeiten verwendet. Der Beton seite dem Bauwerk nicht mehr genügend Halt bot. wurde mit einem Verhältnis von einem Teil Zement, Aus diesem Grund begann man mit dem Stürzen drei Teile Sand und fünf Teile Steinschlag ge- von 10 cbm großen Betonblöcken. Die Arbeiten auf mischt. Für das Betonieren sowie für das Absenken der Nordseite der Mole waren weniger beschwer- der Blöcke und der Schalungen waren besondere lich: Hier konnte am 5. März 1902 der letzte große Schalkästen aus Eisen und Holz gefertigt worden. Block der Kaimauer gegossen werden. Eine beson- Die Auflage und Abdichtung der Kästen wurde auf dere Hürde stellte zu guter Letzt der Ausbau der der Felssohle durch ein Segeltuch vorgenommen, Molenspitze dar: Wegen der anhaltend schweren welches auch nachdem die Schalung gelöst wurde, See und den starken Winden konnte ihr Ausbau erst auf der Auflagefläche verblieb. Für die Decksteine im Dezember 1902 begonnen werden; dafür wur-

A-A 107 m 5,0 m 2,0 m 7,0 m 1,0 m +4,0 m +3,0 m + 3,0 m

4,0 m

Abb. 23: Schnittansicht M 1:500 ©Y .Rödel Abb. 24: Querschnitt A-A M 1:500

59 Abb. 25: Fahnen und Wimpel so weit das Auge reicht: Die Eröffnungsfeier der Mole fand am 12. Feb.1903 statt. ©AWGS

de er noch im selben Monat beendet. Nichts desto Es dauerte nicht lange und der allgemeinen Eupho- trotz wurde auf Basis allgemeiner Beobachtungen rie folgte Ernüchterung: Bald zeigte sich, dass der konstatiert, dass die Wellenbewegungen gering Verzicht auf den Ergänzungsbau im Norden des Ha- und das Fahrwasser dauerhaft ruhig gewesen seien fens ein fataler Fehler war, denn bei dem nächsten - daher wurde angenommen, dass die Gefahr einer schwerem Seegang kam es im Hafenbecken zu ei- Versandung des Hafenbeckens nicht zu erwarten nem starkem Wellengang, wodurch sogar mehrmals wäre, weshalb auf Anweisung des Reichskolo- die Molenspitze zerstört wurde. Auch sonst war der nialamtes schlussendlich auf den Ergänzungsbau Mole kein langer Erfolg beschieden: Nachdem der nördlich des Molenarms verzichtet wurde - eine Swakop-Fluss nach einem guten Regenjahr im Jahr folgenschwere Entscheidung, wie sich bald zeigen 1904 wieder viel Wasser führte, versandete das sollte.214 Hafenbecken derart, dass eine Nutzung unmög- lich wurde.217 Um zu retten, was doch nicht mehr Am 12. Februar 1903 wurden die Mole und die da- zu retten war, veranlasste Wasserbauinspektor Wil- zugehörenden Landungsanlagen im Rahmen einer helm Ortloff 1903 eigenhändig eine Verlängerung Molenfeier an das Gouvernement in Windhuk über- der Mole in Form eines Querarms. Der Bau wurde geben. Die DSWAZ berichtete über das prestige- jedoch ohne Baugenehmigung vollzogen, weshalb trächtige Ereignis wie folgt: „Das war das herrlichste Ortloffs Alleingang im Berliner Reichstag für hitzige Kaiserwetter, [...] mit dem der […] Tag der Molen- Debatten sorgte. Die Bevölkerung Swakopmunds feier sich einleitete. […] Früh am Morgen stiegen al- hingegen lobte seinen tatkräftigen Einsatz und zeig- lenthaben [sic!] auf den Masten die Flaggen empor. te Verständnis für sein unbürokratisches Handeln. […] Die Mole bot einen festlichen, wunderhübschen Leider brachte die Maßnahme nicht den gewünsch- Anblick. Auf der ganzen Länge waren Flaggenmas- ten Erfolg - die Mole blieb versandet.218 ten errichtet. […] Es ist ein Ereignis für das Land, das fühlt man. […] Ein Schritt ist gethan, [sic!] ein Zu jener Zeit wurde im Schutzgebiet einer breiteren vorsichtiger Schritt. [...] Südwestafrika hat einen Öffentlichkeit bekannt, dass die deutsche Regie- Fuss [sic!] ins Meer gesetzt.“215 Nach der feierlichen rung bereits vor dem Bau der Mole von der Gefahr Eröffnung der neuen Landungsanlage wurde noch einer Versandung gewusst haben soll. Um dem Un- im Mai desselben Jahres mit der Woermann-Linie mut der Bevölkerung entgegen zu wirken, ließ das ein Benutzungs-Vertrag für die Mole aufgesetzt. Auswärtige Amt im Jahr 1905 von Berlin aus in der Bezeichnenderweise wurde darin in einem Neben- DSWAZ erstmalig eine offizielle Mitteilung verlau- satz unter anderem ein Hinweis zu den besonders ten, wobei versucht wurde, die Versäumnisse beim widrigen Brandungsverhältnissen gegeben - dieser Molenbau zu rechtfertigen. Darin hieß es, die Mole fand jedoch keine weitere Berücksichtigung.216 sei „naturgemäß nur eine bescheidene Anlage, sie

60 erfüllt aber unter normalen Verhältnissen […] durch- aus dem Becken zu retten, damit dieser wiederum aus den angestrebten Zweck.“ Zu den Vorwürfen den Sand aus demselben beseitigen konnte.222 Als bezüglich der Versandung und der Frage, weshalb auch dies keinen Erfolg brachte, wurde im Novem- das Amt trotz der bekannten Sandverschiebungen ber 1905 noch ein letzter Rettungsversuch gewagt dem Bau einer massiven Ufereinfassung zuge- und ein zweiter Bagger geordert - doch auch dieser stimmt hatte, wurde entgegnet, dass die „gemach- konnte letztendlich keine Abhilfe schaffen.223 ten Beobachtungen […] keine schwerwiegende Bedenken entstehen“ ließen. Zudem hätte es sich Das Krisenmanagement des Auswärtigen Amtes in Bezug auf umweltbedingten Besonderheiten am wurde zunehmend mit Skepsis verfolgt. In einem Strand um keinen Einzelfall gehandelt, da Swakop- Beitrag der DSWAZ hieß es dazu: „Wenn man die mund „jenes Schicksal mit allen [...] Häfen an der Geräte heute bekommen konnte, weshalb denn Westküste des südlichen Afrikas, in denen mit einer nicht schon vor vier Monaten, als der Bagger eintraf solchen Gefahr ständig zu rechnen ist“, teile. Wei- und man sah, dass er ohne sie nicht zu brauchen ters zeigte sich das Amt optimistisch unter der Ver- war? Immerhin – man wird nachgerade so beschei- wendung eines Pumpenbaggers, „der Versandung den, dass man herzlich froh ist, wenn sich nur eine Herr zu werden und damit die Betriebsfähigkeit in Aussicht auf Besserung der Verhältnisse zu bieten vollem Umfange wiederherzustellen.“219 scheint.“224 Zumindest sorgte das Abpumpen des Sandes dafür, dass es im März 1906 ein letztes Spätestens im Juli 1905 wurde der Löschbetrieb Mal möglich war, an der Mole zu landen, bevor sie endgültig eingestellt.220 Währenddessen wurden wieder versandete.225 Daraufhin wurde nördlich des entsprechend der erwähnten Ankündigungen meh- Molenhafens eine Peilbrücke errichtet; sie konnte rere Versuche unternommen, das Becken mit Hil- die Mole jedoch auch nicht ersetzen. Nach diesem fe des besagten Pumpenbaggers nachträglich von Intermezzo wagte ein gewisser Dr. Kummer einen Sand zu befreien: „Die Arbeit des Baggers war so letzten Vorstoß in Sachen Molenerweiterung – sein gedacht, dass er den ausgebaggerten Sand in sich Entwurf wurde jedoch im Jahr 1908 aus Kosten- selbst aufnehmen, damit auf die See hinausfahren gründen abgelehnt. Im selben Jahr interessierte und sich dort entleeren soll.“221 Die Hürden zwischen sich ebenfalls die Firma F. H. Schmidt aus Rem- Theorie und Praxis waren wohl höher als gedacht scheid für den Ausbau des Molenhafens, weshalb und so folgte eine Serie aus Pleiten und Pannen: sich ihr Ingenieur Kramer vorab auf den Weg nach Nachdem der Pumpenbagger in Betrieb genom- Swakopmund machte. Bevor dieser überhaupt in men worden war, blieb dieser bereits nach kurzer Afrika angekommen war, wurde auch dieses Vorha- Zeit im Sand stecken. In weiterer Folge wurde eine ben abgelehnt. Damit waren alle Versuche, die Mole zweite Pumpe angeschafft, um den Pumpenbagger als Landungsstelle zu reaktivieren gescheitert.226

Abb. 26: Ob das was wird? Mit großer Skepsis beobachten Hafenamt-Mitarbeiter die Arbeit des Pumpenbaggers. ©AWGS

61 Abb. 27: Tote Hose: Die Mole im Jahr 1907. Sämtliche Versuche, die Anlage zu reaktivieren schlugen fehl. ©AWGS

Insgesamt zeigte sich, dass sich die Bauart der geologischen Rahmenbedingungen bei einem sol- Swakopmunder Mole komplementär zu den allge- chen Bauvorhaben war. Darüber hinaus kann ge- mein bekannten Eigenschaften eines herkömm- sagt werden, dass jene Mole konstruktiv gesehen lichen Hafendammes verhielt. Da sie vollständig aufgrund ihrer massiven Bauart zwar bestens als massiv ausgeführt worden war, konnte sie zwar vo- dauerhafte Hafenanlage geeignet war, nicht jedoch rübergehend ein ruhiges Fahrwasser herstellen, auf- aufgrund ihrer ungünstigen, weil linearen, Grund- grund ihres linearen Grundrisses bot sie jedoch nur rissform. Dies erkannte wohl auch Ortloff, jedoch geringen Schutz vor Wind und Wellen; wobei Sink- war der von ihm veranlasste Bau des Querarms stoffe ungehindert über das Ende der Mole hinweg zu gering dimensioniert und somit unwirksam. Aus transportiert wurden. Innerhalb der allgemeinen Sicht der Autorin wären zusätzlich weitere Ergän- Annahmen wurde erwähnt, dass sich zum Zwecke zungen in Form von Hafenmauern mit längeren einer nachträglichen Beseitigung von Ablagerungen Einlaufkanälen notwendig gewesen, um das Hafen- insbesondere Pumpenbagger empfohlen hätten. becken langfristig vor Sinkstoffen abzuschirmen. In Diese Annahme kann jedoch nicht bestätigt werden. diesem Zusammenhang kann die Annahme, auf den Anhand der fehlgeschlagenen Reaktivierungsmaß- ursprünglich geplanten nördlichen Molenarm ver- nahmen zeigte sich eindrücklich, dass eine Besei- zichten zu können, als eine weitreichende Fehlein- tigung der Ablagerungen mit Hilfe jener Bagger bei schätzung gewertet werden. Damit wird festgestellt, sandigem Untegrund keinen dauerhaften Erfolg dass sich die Variante einer geradlinigen Mole, wie brachten. Des Weiteren kann davon ausgegangen sie in Swakopmund zur Anwendung kam, trotz ihrer werden, dass sich der Einsatz solcher Gerätschaf- massiven Bauart, aufgrund der besonderen geo- ten generell nur bei Hafenbecken mit mäßig festem logischen und umwelt- sowie witterungsbeding- Untergrund oder im Falle eines Binnenhafens anbot. ten Faktoren sowie unter dem Einfluss der starken Hierdurch zeigte sich einmal mehr, wie wichtig die Brandung als dauerhafte Landungsstelle generell Kenntnis sowie die Berücksichtigung der jeweiligen nicht eignete.

62 208 Vgl. Heinz-Walter Stengel: Die Brücken von 218 Vgl. Hulda Rautenberg: Das alte Swakopmund. Swakopmund. 1967, S. 60 International Lions Club, Oak Brook, 1967, S. 218 – S. 219 209 Vgl. o. V.: Abschrift, Unkatalogisierte Unterlagen. H, 219 Vgl. o. V.: Nachrichten aus Swakopmund. In: DSWAZ, 18, Swakopmund, o. J. (AWGS) No. 40-2, 4.10.1905 (AWGS) 210 Stengel, Heinz-Walter: Die Muschel. Swakopmund, o. 220 Vgl. o. V.: Die Landungsanlagen Swakopmund. In: A. S. 60 DSWAZ, No. 10, Swakopmund, 1906 (AWGS) 211 Ebd., S. 60 221 Vgl. o. V.: Nachrichten aus Swakopmund. In: DSWAZ, No. 13-2, Swakopmund, 29. 03. 1905 (AWGS) 212 Vgl. ebd., S. 60 222 Vgl. ebd. 213 Ebd., S. 61 223 Vgl. o. V.: Aus Swakopmund. In: DSWAZ, No. 46, 214 Vgl. ebd., S. 60 ff. Swakopmund, 15. November 1905 (AWGS) 215 O. V: Die Molenfeier. In: DSWAZ, No. 8, 12.2. 1908, 224 Vgl. o. V.: Nachrichten aus Swakopmund. In: DSWAZ, No. 8, S.2-S3 (AWGS) No. 13-2, Swakopmund, 29. 03. 1905 (AWGS) 216 O. V.: BSW, Akte 56: Hafen & Schiffahrtssachen. 225 Vgl. o. V.: Nachrichten aus Swakopmund. In: DSWAZ, Swakopmund, 14. 05. 1903 (NAW) No 10-2, Swakopmund, 10.3.1906 (AWGS)

217 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Muschel. o. A. 1967, 226 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, S. 60 S. 218 – S. 219

63 7.2 Die hölzerne Landungsbrücke

Bereits nachdem man erstmalig Sandablagerungen bereits vor der Eröffnung der Mole eine prophylak- im Becken der Mole beobachtet hatte, wurde kur- tische Lösung in Form einer hölzernen Landungs- ze Zeit nach deren Fertigstellung mit dem Bau ei- brücke angedacht worden war. Auch die Quellen ner alternativen Landungsanlage begonnen. Statt belegen, dass die Planer infolge der allgemeinen einer baulichen Ergänzung oder der Errichtung ei- Versandungsgefahr schon früh an den Bau ei- ner weiteren massiven Uferbefestigung, fiel nun ner Landungsbrücke gedacht hatten, „um trotz al- die Wahl auf eine unbefestigte Landungsanlage in ler Ungunst von Wind und Wetter Swakopmund als Form einer hölzernen Landungsbrücke. Die Ent- Hafen weiter auszubauen.“227 Dazu heißt es weiter: scheidung zugunsten jener Anlage wurde nicht al- „Als bei der am 12. Februar 1903 beendeten Mo- lein aus praktischen Gründen getroffen, sondern le Zeichen der beginnenden Versandung sich ein- ebenfalls auf Basis unterschiedlicher Annahmen, stellten, […] war es klar, dass etwas geschehen welche für ein allgemeines Verständnis einleitend müsse.“ Aus diesem Grund wurde Mitte 1904 eine erläutert werden sollen. Im weiteren Verlauf soll sich Kommission zur Prüfung der Sachlage am Swakop- die Abhandlung aus Gründen der Vergleichbarkeit munder Hafen einberufen. Wie bereits dargestellt, an der Gliederung der vorigen Darstellungen orien- wurde im Rahmen dieser Begutachtung beschlos- tieren. Im Rahmen einer Chronologie, welche einen sen, das Becken der Mole auszubaggern und par- umfassenden Überblick über relevante historische allel die hölzerne Landungsbrücke südlich der Mole Ereignisse geben wird, soll sowohl auf die eventuel- zu errichten, um „für alle Fälle den Landungs- und le Entwurfs- als auch auf die Ausführungsplanung Löschbetrieb aufrecht erhalten zu können.“228 Die Bezug genommen und dabei auf etwaige Diskre- Tatsache, dass mit dem Bau der Brücke bereits panzen zwischen Theorie und Praxis eingegangen kurze Zeit nach der Fertigstellung der Mole begon- werden, welche sich im Zuge des Brückenbaus ma- nen wurde, war nicht allein darauf zurückzuführen, nifestierten. Zusätzlich soll darauf hingewiesen wer- dass man generell ihren Erfolg anzweifelte, sondern den, dass die Bauarbeiten aufgrund der bekannten weil zusätzlich aufgrund des anwachsenden Ver- Einflüsse durch den Benguela-Strom ebenfalls kehrs und den inländischen Aufständen ergänzende nachhaltig erschwert worden sind. Zugunsten der Landungsstellen notwendig erschienen: Beispiels- Anschaulichkeit soll auf diesbezügliche Szenarien weise wurde die von langer Hand geplante Bahn- während der Bauarbeiten, ebenfalls Bezug genom- verbindung von Swakopmund nach Windhuk kurz men werden. Parallel werden Hypothesen, welche nach der Jahrhundertwende fertiggestellt; parallel im Rahmen der allgemeinen Terminologie aufge- schaffte man vermehrt die im Raum Otavi, Tsuneb stellt wurden, auf ihre Gültigkeit überprüft und ge- und Grootfontein abgebauten Bodenschätze für gebenfalls widerlegt. Zusätzlich werden sämtliche den Übersee-Transport nach Swakopmund und da- Annahmen voriger Darstellungen sowie etwaige Er- rüber hinaus wurde der Standort als Nachschubha- kenntnisse in einer abschließenden Bilanzierung zu- fen für Proviant und Artillerie immer bedeutsamer.229 sammengefasst. Anders als bei der Mole, welche von Anfang an als Die Quellenlage rund um den Molenbau zeigte be- permanente Hafenanlage geplant und somit un- reits, dass vor deren Errichtung berechtigterweise ter dem Einsatz von Fachpersonal gebaut worden erhebliche Zweifel in Bezug auf ihre Eignung be- war, wurde die hölzerne Landungsbrücke von vor- standen. Es wird daher davon ausgegangen, dass neherein als Notbehelf angelegt und dementspre-

6,0 m 0.0 m Joch Bodenaufbau Aussteifung

Pfahl

Abb. 28: Schnittansicht hölzerne Landungsbrücke, Auflager und vorderer Abschnitt M 1:500 ©Y.Rödel

64 chend in autodidaktischer Art errichtet. Vermutlich naus konnte weder ein Vertrag über die Errichtung aus Gründen der Kostenersparnis beschloss die ko- der Landungsbrücke oder der Hinweis für eine Be- loniale Verwaltung, die zweite Eisenbahnkompanie auftragung einer externen Firma gefunden werden. mit dem Brückenbau zu beauftragen. Der Bautrupp Wenigstens ist bekannt, dass die Eisenbahnkompa- wurde ursprünglich für allgemeine infrastrukturel- nie den allgemeinen Befehl erhielt, eine „Landungs- le Arbeiten nach DSWA gesandt und war aufgrund brücke in kriegsmäßiger, das heißt, beschleunigter fehlender Vorkenntnisse, welche bei dieser spe- und provisorischer Ausführung herzustellen.“232 ziellen Bauaufgabe sicherlich von Nöten gewesen sein dürften, wenig prädestiniert für die Errichtung Im Folgenden sollen sich die Betrachtungen mit einer solchen Landungsanlage. Ferner handelte es der Materialwahl und dem Tragwerk der Anlage be- sich bei den Arbeitern der besagten Kompanie um schäftigen und sich anschließend den jeweiligen mehrheitlich unerfahrene, junge Männer, welche Bauphasen während der Ausführungsplanung zu- sich allesamt freiwillig zum Dienst gemeldet hatten wenden: In Ermangelung heimischer Hölzer wurde und wohl davon ausgingen, in der Kolonie für Stra- von einer Verwendung derselben abgesehen. Dem ßen- und Gleisarbeiten eingesetzt zu werden. Es ist südafrikanischen Holz wurde generell eine eher denkbar, dass weniger die Jobaussichten, als viel- niedrigere Qualität zugeschrieben, wonach dieses mehr die Abenteuerlust nach Afrika lockte. Somit entweder zu weich, oder zu hart und krumm war, zogen die Männer in freudiger Erwartung auf den dass eine Bearbeitung desselben nahezu unmög- exotischen Kontinent von dannen. Keinem von ih- lich wurde.233 Daher beschloss man Kiefernholz aus nen dürfte auch nur im Ansatz bewusst gewesen Deutschland einzuführen. Erwartungsgemäß erwies sein, welche Aufgaben dort tatsächlich auf sie war- sich dieses gegenüber dem afrikanischen Holz als ten würden – ganz zu schweigen von der Bürde, die deutlich vorteilhafter. Diesbezüglich hätte sich je- neue Landungsbrücke errichten zu müssen.230 doch wahrscheinlich nahezu jedes andere europä- ische Holz als geeigneter erwiesen. Vergleicht man Am 25. Oktober 1904 erreichte die zweite Eisen- das Kiefernholz jedoch mit gleichwertigen Holzar- bahnkompanie Swakopmund (die erste Kompanie ten, zeichnet sich ein anderes Bild: Innerhalb der zog weiter nach Lüderitzbucht) und wurde weni- allgemeinen Abhandlungen wurde erläutert, dass ge Tage später mit dem Bau der hölzernen Lan- Kiefernholz zwar recht kostengünstig, aber ins- dungsbrücke beauftragt.231 Bis heute konnte nicht gesamt wenig nachhaltig war. Es verfügte grund- eindeutig geklärt werden, auf welcher Planungs- sätzlich über eine niedrige Lebensdauer – dies galt grundlage ihr Bau durchgeführt wurde. An dieser insbesondere dann, wenn es dem Einflussvon Was- Stelle soll nochmals ins Gedächtnis gerufen wer- ser ausgesetzt war. Somit wird angenommen, dass den, dass umwelt- und witterungsbedingte Fakto- der niedrige Kostenfaktor des Holzes in diesem Fall ren, die Untergrundverhältnisse sowie die jeweilige das wichtigste Kaufargument gewesen sein dürfte. Materialwahl und Konstruktionsart die entschei- Bevor sich die Betrachtungen den damit verbunde- densten Parameter für die Planung einer solchen nen Hürden zuwenden, soll erwähnt werden, dass Landungsanlage waren. Inwieweit die geologischen der Brücke insgesamt vier Bauphasen zugrunde la- Rahmenbedingungen während der Entwurfsphase gen. Wenngleich diese während der Entwurfspla- Berücksichtigung fanden, kann aufgrund der margi- nung noch nicht feststanden und erst sukzessive nalen Quellenlage nicht gesagt werden. Darüber hi- beschlossen wurden, soll für das allgemeine Ver-

A-A 4,0 m 9,0 m 0.0 m

Joch

6,30 m

Abb. 29: Schnittansicht Brückenkopf, Querschnitt M 1:500 ©Y.Rödel Abb. 30: Querschnitt

65 Abb. 31: Der Bohrwurm lies die hölzerne Landungsbrücke binnen kürzester Zeit baufällig werden. ©AWGS

ständnis ein kurzer Überblick über die einzelnen selbst festzuhalten und wieder auf den Balken zu Etappen gegeben werden: Die Bauphasen glieder- schwingen oder mit Hilfe der Kameraden aufs Tro- ten sich in die Errichtung des Basisbaus, die Verlän- ckene zu kommen.“234 Ein wohl eher verharmlosen- gerung des Brückenkopfes, die Verbreiterung des des Bild - aus heutiger Sicht kann gesagt werden, Landungssteges und in die Sanierungsarbeiten. dass nicht alle Männer ein solches Glück hatten und so waren während der Bauarbeiten mindestens sie- An dieser Stelle soll in einem Zwischenschritt die ben Arbeiter zu Tode gekommen.235 Gelegenheit genutzt werden, um einen Vorblick auf die Bauarbeiten zu geben und dabei auf die allge- Zurück zu den Anfängen: Die Grundlage für die ers- mein widrigen Umstände aufmerksam zu machen, te Bauphase bildete ein an das Festland anschlie- welche zu jeder Phase beim Bau vorherrschten: Wie ßender 75 m langer Steindamm. Die Brücke selbst einleitend erwähnt, wurden die Arbeiten wegen der sollte über eine Länge von ca. 300 m verfügen, bei bekannten Brandungsverhältnisse gravierend er- einem Jochabstand von 6 m in Ufernähe und 4 m schwert – da den Arbeitern zudem schlichtweg das am Brückenkopf.236 Damit wurde, entgegen der An- nötige „Know-How“ fehlte, dürften jene Umstän- gaben der Fachliteratur des Deutschen Reiches de umso schwerer gewogen haben. In der DSWAZ eine deutlich geringere Spannweite gewählt als all- heißt es dazu: „Selbst bei guter See überspülten gemein üblich (Vgl. S. 44). Die Höhe der Brücke ori- die Wellen fortwährend die Verbindungsbalken, auf entierte sich an den örtlichen Wasserständen, was denen die arbeitenden Mannschaften standen, so- allgemein der gängigen Praxis entsprach. Um einen dass diese sich ständig im Wasser befanden, und Landungsbetrieb auch bei Hochwasser zu ermögli- oft genötigt waren, die Pfähle zu umklammern, um chen, sollte dabei die Oberkante des Bauwerks über nicht durch die Gewalt des Wassers von dem Bal- dem Höchstwert des bis dato gemessenen Wasser- ken hinabgespült zu werden. Kam eine höhere Wel- standes liegen. Hinsichtlich der für den Umschlag- le herangerollt, griffen die Leute zu dem oberen betrieb relevanten Installationen wurden ähnliche Querbalken empor und indem sie einen tüchtigen Anlagen wie bei der Mole gewählt. Dementspre- Klimmzug machten und gleichzeitig die Beine hoch chend wurden auch auf der hölzernen Landungs- anzogen, ließen sie die Welle unter sich vorbeirol- brücke Gleise und eine Kranbahn vorgesehen. Da len. Kaum standen sie auf dem unteren Querbalken über den Brückenentwurf keine weiteren Informa- wieder fest, so hieß es oft einer neu heranrollen- tionen ausfindig gemacht wurden, sollen sich die den Welle wieder auszuweichen, bis die Bewegung nachfolgenden Darstellungen der Bauausführung der See für kurze Zeit geringer wurde. Es kam wohl zuwenden:237 Gezeichnet von den Strapazen der auch vor, dass Leute von dem Balken hinabgespült Überseereise, erhielten die Männer der zweiten Ei- wurden. Es gelang ihnen aber stets, entweder sich senbahnkompanie nur wenige Tage nach ihrer An-

66 kunft am 11. November 1904 von Major Bauer die stellen. Bereits am 27. Februar 1905 hatte die Brü- Anweisung, mit dem Rammen der Brückenpfähle cke eine Länge von 200 Metern erreicht und war zu beginnen. Für ein stabiles Fundament mussten bis Ende März desselben Jahres auf die vorläufi- diese so tief in den sandigen Uferboden getrieben ge Gesamtlänge von 250 Metern angewachsen. werden, sodass sie einen dauerhaften Lastabtrag in Als es an die Aufstellung der Anlagen für den Um- tiefer gelegene Erdschichten garantierten. War eine schlagbetrieb ging, gerieten die Arbeiten jedoch er- schubfeste Verbindung mit dem Boden hergestellt, neut ins Stocken. Es stellte sich heraus, dass die wurden die Pfähle oberseitig mit Jochbalken ver- ursprünglich angedachten Kräne für die Brücke zu bunden.238 Zugunsten der Stabilität wurden die Jo- schwer waren. Zwar waren bereits leichtere Kräne che außerdem zusätzlich untereinander mit Zangen aus Deutschland bestellt worden, damit die Brü- und eisernen Zugankern verspannt.239 Auf Basis der cke jedoch baldmöglichst in Betrieb gehen konnte, Holzjoche wurden die Längsträger samt des Ober- waren kreative Lösungen gefragt. Auf diese Wei- baus installiert. Weiterführende Angaben zur Kon- se entstand quasi ein Provisorium für das Langzeit- struktion sind den einleitenden Betrachtungen zur provisorium und aus der Not wurde eine Tugend: Jochbrücke zu entnehmen, da davon auszugehen Mit Hilfe eines Holzgerüstes und einer Lokomoti- ist, dass sich die Tragwerksart jener hölzernen Lan- ve wurde eine alternative Windevorrichtung herge- dungsbrücke an der allgemein üblichen Bauweise stellt und zusätzlich ein Hilfs-Dampfkran und ein herkömmlicher Jochbrücken orientierte (Vgl. S. 44). alter Handkran installiert. Damit war der Umschlag- betrieb vorerst gesichert – dies war angesichts des Ergänzend zu den widrigen Arbeitsverhältnissen bedenklichen Zustandes der Mole auch mehr wie lässt sich sagen, dass die Arbeiten an der Brücke nötig. Nichts desto trotz haben die Deutschen be- laut Quellenlage ohne größere Hürden von statten eindruckendes geleistet, wenn man bedenkt, dass gingen.240 Inwiefern dieses Szenario angesichts der ein solch kreativer Erfindergeist im Wilhelminischen bekannten Brandungsverhältnisse und der fehlen- Zeitalter keineswegs „State of the Art“ war. Dank den Erfahrungswerte der Arbeiter der Realität ent- dieser Innovation war es nun also möglich, den Be- sprach, kann angezweifelt werden. Fakt ist, dass trieb der Mole endgültig einzustellen - somit war die die Eisenbahnkompanie schnelle Baufortschritte hölzerne Landungsbrücke nurmehr die einzige Lan- machte; jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als die Ar- dungsvorrichtung in Swakopmund. beiter unerwarteterweise auf eine Art „Felsgürtel“ stießen.241 Ein herber Rückschlag, der jedoch zu er- Nach der Fertigstellung des Basisbaus wurde das warten war: Offensichtlich hatte man es versäumt, Kommando an Major Friedrich übergeben.245 Un- die Untergrundverhältnisse vorab zu überprüfen. ter seiner Führung wurde im Jahr 1906 eine Verlän- Dementsprechend überrascht waren die Arbeiter, gerung der Brücke im Bereich des Brückenkopfes als sie auf einen Granitfelsen gestoßen waren. Auf- angeleitet, wonach diese durch einen Verstärkungs- grund der Härte des Gesteins wurde eine herkömm- pfeiler am Kopf ausgebaut und um fünfzig Meter liche Gründung praktisch unmöglich. Dies hatte zur verlängert wurde. Die Gesamtlänge des Piers be- Folge, dass nun mit Hilfe von Tauchern und unter trug nun 325 Meter.246 Danach wuchs die Zahl der der Anwendung von aufwendigen Sprengungsar- Dampfkräne bis auf sechs an. Währenddessen reis- beiten die Pfähle in den Felsen eingelassen werden te Dr. Kummer nach Swakopmund, um die vielzi- mussten.242 Waren diese in die Löcher eingesetzt, tierten Überlegungen bezüglich einer langfristigen wurden sie mit Zement umgossen.243 Hafenanlage zu konkretisieren. Er kam dabei zu dem Resultat, dass wohl die hölzerne Brücke noch Tatsächlich gelang es den Arbeitern, die Pfähle auf länger in Betrieb bleiben müsse, bis man eine lang- diese Weise in den felsigen Boden einzulassen. fristige Lösung für den Hafen gefunden hätte. Ohne Angesichts des hohen Aufwandes, der damit ver- weitere Ergebnisse reiste er wieder ab – dies sollte bunden war, dürfte es für allgemeine Erleichterung sich jedoch bald rächen.247 gesorgt haben, dass nach der Granitbank wieder sandiger Boden folgte, sodass die Arbeiten in ge- Tragischerweise wurde wenig später im Juni 1906 wohnter Manier von statten gehen konnten. An die- festgestellt, dass die Brücke von einem Bohrwurm sem Punkt wurde das Achsmaß der Joche auf 4 m befallen worden war.248 Es wird vermutet, dass das reduziert.244 Gründe für jene Änderung wurden nicht Holz bereits nach der Überführung von Deutschland genannt - womöglich fielen hierbei die Strömungs- unter Wurmfraß litt. Obwohl den Konstrukteuren da- verhältnisse ins Gewicht. Trotz zahlreicher Hürden mals schon bewusst gewesen sein dürfte, dass ein und zeitlicher Verzögerungen, war es den Arbeitern hölzernes Bauwerk durch einen Schädlingsbefall in relativ kurzer Zeit gelungen das Bauwerk fertigzu- nachhaltig schaden nimmt, wurde der Beeinträch-

67 tigung durch den Wurm zunächst keine größere Bedeutung beigemessen. Ob dies wider besseren Wissens oder aus Unvermögen geschah, kann nicht festgestellt werden. Immerhin beschlossen die Pla- ner, die Brücke vorsorglich um ein Gleis zu verbrei- tern, damit in Zukunft an jeder beliebigen Stelle eine Reparatur durchgeführt werden konnte, ohne das dabei der Landungsbetrieb eingeschränkt würde.

Die Verbreiterung der Brücke wurde schließlich unter Leutnant Goerke im Herbst 1906 bei anhal- tendem Löschbetrieb bewerkstelligt.249 Um den Umschlagbetrieb nicht zu behindern, wurde ent- schieden, generell auf Sprengarbeiten zu verzich- ten. Die Einlasshöhlungen für die Pfähle wurden auf Höhe der Granitbank deshalb jetzt so hergestellt, sodass man einen in einer eisernen Röhre sich be- wegenden schweren Meißel in kurzen Abständen auf den Fels fallen ließ - dadurch wurde das Gestein an der entsprechenden Stelle zerrieben und es bil- dete sich eine Mulde, in die der zugespitzte Balken eingelassen werden konnte. Jene Arbeiten mussten ohne Unterbrechung durchgeführt werden, weil sich die Vertiefungen andernfalls wieder mit Sand gefüllt hätten. Zusätzlich wurden auf den letzten 50 Metern Abb. 32: Bei den Sanierungsarbeiten. ©AWGS der Landungsbrücke dreifache Zugstangen und auf der Nordseite schräge Stützpfähle installiert und len Art der Schädlingsbekämpfung handelte es sich das Bauwerk auf der Südseite um eine Verankerung wohl kaum um wissenschaftlich fundierte Maßnah- aus sechs Ankern mit Ketten von siebzig Metern men. Nichts desto trotz hoffte man, dass mit Hil- Länge ergänzt.250 Auf welcher Planungsgrundlage fe der beschriebenen Vorbehandlungen und dem jene baulichen Ergänzungen vollzogen wurden, ist sukzessiven Austausch morscher, beziehungswei- nicht bekannt. Nach den vollzogenen Maßnahmen, se fauler Bauteile, Zeit gewonnen werden konnte, waren die Bauarbeiten an der Brücke am 25. Feb- um sich anschließend der Planung einer langfristi- ruar 1907 abgeschlossen – das Bauwerk verfügte gen Hafenanlage widmen zu können. nun über 250 Jochpfähle bei einer Gesamtlänge von rund 300 Metern. Am 9. März 1907 wurde die Belastungsprobe an der verbreiterten Landungsbrücke durchgeführt. Hierfür Die Maßnahmen zugunsten der Vorbeugung einer wurde ein vollbeladener Güterzug auf die Brücke schädlingsbedingten Baufälligkeit vollzogen sich je- geführt. Nachdem das Bauwerk allen Belastungen doch nicht nur auf konstruktiver Ebene: Nachdem standhalten konnte, wurde auch der neue Abschnitt die Verbreiterung der Landungsbrücke abgeschlos- in den Betrieb aufgenommen.252 Daraufhin wurde im sen war, wurde zusätzlich damit begonnen, das be- Jahr 1908 eine neue Betriebsordnung erlassen, wo- fallene Holz durch neues Material auszutauschen. nach der Zug auf der Löschbrücke maximal sechs Obwohl die deutsche Regierung größere Investi- Waggons führen und die Höchstgeschwindigkeit tionen in die Kolonien stets zu vermeiden versucht von 6 km/h nicht übersteigen sollte. Insgesamt durf- hatte, wurden bei der Sanierung der Brücke erst- te die Belastung auf der Brücke zehn Tonnen nicht mals weder Kosten noch Mühen gescheut. Wenn- übersteigen, das Ablassen von Dampf wurde gene- gleich dabei immer noch kein hochwertiges Holz rell untersagt.253 Anschließend wurde ebenfalls ein zur Anwendung kam, ging man immerhin dazu über, neuer Landungsvertrag aufgesetzt, sowie eine neue dieses vorab zu imprägnieren und mit Hilfe von Tarifordnung für die Hafengebühren verabschiedet. verzinktem Eisenblech zu verstärken. Für den Be- Nebenbei bemerkt, waren diese gegenüber frühe- schlag wurden über 3000 Eisen-Nägel in den Pfahl ren Gebührensätzen deutlich angehoben worden. getrieben, da man sich erhoffte, die Würmer wür- Offenbar versuchte das Deutsche Reich auf diese den durch die im Holz befindenden korrodierenden Weise dringend benötigte Mehreinnahmen zu gene- Nägel zusätzlich abgewehrt.251 Bei dieser originel- rieren.254

68 Obwohl die Landungsbrücke nie mehr als ein Pro- grund dessen, da ab 1908 zufällig erhebliche Vor- visorium sein sollte, schien sich die Bevölkerung, kommen von Bodenschätzen im Raum Lüderitz zu insbesondere nach ihrer Verbreiterung, zunehmend Tage getreten waren und somit zusätzliche Einnah- mit dem Bauwerk zu identifizieren. So beurteil- mequellen generiert werden konnten – die genau- te die DSWAZ die Landungsanlage wie folgt: „Die en Umstände werden später beleuchtet. Jedenfalls Brücke macht in der erwarteten Gestalt […] einen wurden hierdurch erstmalig größere Summen in die recht stattlichen Eindruck. In der jetzigen Vorfas- Haushaltskasse des Deutschen Reiches gespült. sung wird sie nach menschlichem Ermessen aus- Jene Einnahmen eröffneten in Sachen Hafenanla- halten können, bis die geplante und notwendige gen völlig neue Perspektiven, sodass das Reichs- endgültige große Hafenanlage in Swakopmund her- kolonialamt für Swakopmund noch im selben Jahr gestellt sein wird. Zur Bewältigung des Betriebes den Bau einer neuen Landungsanlage beschließen wird sie genügen. […] Proben ihrer Standfestigkeit konnte. hat sie in verschiedenen Fällen schwerer Brandung abgelegt, wie solche schwerer kaum zu besorgen Trotz der zunehmenden Baufälligkeit der hölzernen sind.“255 Bezeichnenderweise wurde die Brücke seit Landungsbrücke gelang es, den Betrieb auf ihr bis dem Zeitpunkt der ersten Inbetriebnahme während zum Ende der Kolonialzeit aufrecht zu erhalten. Lei- sämtlicher Bauarbeiten durchgängig als Landungs- der geben die Quellen keine Auskunft darüber, ob stelle verwendet.256 Nach der Schmach mit der Mole und wie viele Bauteile der Brücke baufällig gewor- waren die Swakopmunder stolz, endlich einen funk- den waren. Auch der allgemeine Grad der Zerstö- tionierenden Hafen vorweisen zu können. Darüber rung ist nicht bekannt und kann auch im Nachhinein hinaus wurde die Leistung der Landungsbrücke all- nicht mehr festgestellt werden, da die Brücke nach gemein für ausgezeichnet befunden. der Kapitulation im Sommer 1915 von den Süd- afrikanern bis auf die Pfähle komplett abgetragen Nach der ersten Welle der Euphorie folgte jedoch wurde.259 Da also keine seriösen Aussagen über erneut bittere Enttäuschung: Der Umschlagbetrieb den finalen Zustand der Landungsanlage getrof- an der hölzernen Landungsbrücke war nun schon fen werden können, soll lediglich festgehalten wer- mehrere Jahre im Gange und die besorgniserregen- den, dass der Zerstörungsgrad sicherlich so groß den Funde rund um den Bohrwurm waren beinahe war, dass sich das Landungsgeschäft in den letz- in Vergessenheit geraten – da wurde im Laufe des ten Betriebsjahren nurmehr an einzelnen Stellen des Betriebsjahres 1908 deutlich, dass die Zerstörun- Bauwerks vollzogen haben kann - außerdem wären gen durch den Schädling wohl doch substanzieller andernfalls wohl kaum derart große Investitionen in waren, als bisher angenommen. Der Schädlingsbe- eine neue Landungsanlage getätigt worden.260 fall war sogar so weit vorangeschritten, so dass die Brücke innerhalb kürzester Zeit baufällig zu werden Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die höl- drohte.257 Warum tragende Bauteile nicht schon frü- zerne Landungsbrücke; anders als die Mole, wel- her auf ihre Festigkeit überprüft worden waren, ist che sowohl konstruktiv als auch formell stark von nicht bekannt. Jedenfalls mussten nun Sanierun- einem herkömmlichen Hafendamm abwich; generell gen im großen Stil durchgeführt werden, worauf- der Konstruktion einer allgemein üblichen Jochbrü- hin Baumaterial von der Firma F. H. Schmidt aus cke entsprach und sich auch in Bezug auf die bauli- Hamburg-Altona geordert wurde. In Anbetracht des chen Eigenschaften mit derselben vergleichen lässt. bedenklichen Zustandes der Brücke, wurde das Wie bereits eingehend dargelegt wurde, war die Material aus Gründen der Zeitersparnis direkt am Jochbrücke ein Bauwerk, welches sich im deutsch- Strand in unmittelbarer Nähe zum Bauwerk gelan- sprachigen Raum schon seit mehreren hundert Jah- det.258 ren bewährt hatte. Es ist also davon auszugehen, dass die Deutschen grundsätzlich über bedeuten- Parallel zu den beginnenden Sanierungsarbeiten de Erfahrungswerte im Holzbrückenbau verfügten - wurde erstmalig die Entscheidung, an der Brücke wenngleich dies auf die unerfahrenen Arbeiter der als längerfristige Landungsstelle festzuhalten, von zweiten Eisenbahnkompanie nicht zutreffen konnte. mehreren Seiten angezweifelt, wonach die deut- Konträr zum Bau der Mole, ging der hölzernen Lan- sche Regierung eine überraschende Kehrtwende dungsbrücke keine längere Entwurfsphase voraus. vollzog: Nach einem jahrelangen Sparkurs sollten Hierbei wurde zudem angenommen, dass auch die nun doch größere Investitionen in den Hafen getä- Planungsgrundlagen weniger umfangreich ausge- tigt werden. Dies geschah nicht etwa nur deswegen, fallen sind. Jene marginalen Bezüge weisen auf ein weil die Initiativen rund um den Erhalt der hölzernen weiteres Forschungsfeld hin, welches im Rahmen Brücke keinen Erfolg gebracht hatten, sondern auf- dieser Arbeit jedoch nicht erörtert werden kann.

69 Abb. 33: Die Aufnahme zeigt die verbreiterte Brücke nach den erfolgten Belastungsproben. ©AWGS

Unabhängig der allgemeinen Parameter für Hafen- hindurchgetragen wurden. Aus diesem Grund spiel- anlagen wurde explizit auf die konstruktive Quali- ten die Strömungsrichtungen bei den Planungen tät einer hölzernen Landungsbrücke eingegangen, wohl eher eine untergeordnete Rolle. Obwohl der da hierbei maßgeblich die Beschaffenheit des Ma- Uferboden in Swakopmund generell nicht homogen terials sowie die jeweilige Tragwerksart ins Gewicht war, bestand dieser im Bereich der hölzernen Lan- fiel.Dahingehend lässt sich festhalten, dass die Be- dungsbrücke hauptsächlich aus weichem Sand, so- schaffenheit der Landungsbrücke maßgeblich von dass sich das punktförmige Fundament insgesamt der Wahl des Holzes, von der Art der Gründung und bewährte. Damit wird nochmals die Annahme be- der Passgenauigkeit der zimmermannsmäßigen kräftigt, wonach sich ein solcher Bau insbesondere Verbindungen abhängig war – wobei dem Aspekt bei sandigem Untergrund empfahl. Bezeichnen- der Materialwahl eine besondere Rolle zuteilwur- derweise wurden, wahrscheinlich aus Gründen der de. Allgemein galt, dass jene Brückenart sich ins- Stabilität, bei den Abständen der Pfahlreihen statt besondere bei Bauten, welche über Wasser geführt der allgemein üblichen Spannweiten von 6 bis 10 wurden, empfahl, aufgrund der Pfahlgründungen m ein Achsabstand von 6 und 4 m gewählt. Dar- besonders stabil war und auch bei mäßig festem bis über hinaus soll an dieser Stelle nochmals darauf weichem Untergrund Verwendung finden konnte. hingewiesen werden, dass die Eisenbahnkompanie Dasselbe konnte auch für die hölzerne Landungs- im Zuge der Arbeiten wohl überraschend auf Gra- brücke von Swakopmund angenommen werden. nitfelsen gestoßen war, weshalb davon ausgegan- Anders als bei der Mole, bei welcher das Funda- gen wird, dass nur unzureichende Untersuchungen ment auf den Felsen aufgemauert werden konnte, hinsichtlich der Beschaffenheit des Ufergrundes mussten die Pfahlspitzen der Brücke in den Bo- angestellt worden waren. Einmal mehr zeigte sich, den hineingetrieben werden. Ihre Stabilität war al- wie wichtig es war, vorab Kenntnisse über die Un- so maßgeblich davon abhängig, ob eine schubfeste tergrundverhältnisse einzuholen. Unabhängig da- Verbindung der Pfähle mit dem Untergrund herge- von erwies sich die Pfahlgründung gegenüber der stellt werden konnte. massiven Hafenmole als deutlich vorteilhafter, da hierbei keinerlei Gefahr einer Versandung bestand. Ähnlich wie die Mole, verfügte auch die Landungs- Darüber hinaus soll darauf hingewiesen werden, brücke über einen linearen Grundriss, wobei sie or- dass im Bezug auf die Passgenauigkeit und Verbin- thogonal zum Ufer in das Meer bis an jene Stelle dungsarten keine näheren Angaben gemacht wer- ragte, an welcher die Schiffe festmachen konnten. den können. Da bei dem Bau der Brücke keinerlei Bei ihrer Bauart bestand jedoch grundsätzlich nicht Fachpersonal vertreten war, sie also in autodidakti- die Gefahr einer Versandung, da ihr Unterbau offen scher Manier errichtet wurde, und dabei ebensowe- war und Wellen mitsamt der Sinkstoffe durch ihn nig professionelles Handwerkzeug zur Anwendung

70 kam, wird konstatiert, dass die allgemeine Beschaf- gunsten einer höheren Lebensdauer vorzubehan- fenheit der Verbindungselemente wahrscheinlich deln. Nichts dergleichen geschah - stattdessen eher dem Mittelmaß entsprach. wurde das Holz vollkommen unbearbeitet in Swa- kopmund eingeführt. Dies wurde auch während der Anhand der allgemeinen Abhandlungen zeigte sich, Bauausführung zu keiner Zeit hinterfragt; dement- dass die konstruktiven Vorzüge eines solchen Bau- sprechend wurden ebenfalls keinerlei Überlegungen werks nicht über dessen Mängel hinwegtäuschen angestellt, das Holz vorab und während der Verar- dürfen: Es war bekannt, dass Holz aufgrund der beitung auf dessen Eignung und eventuelle faule organischen Beschaffenheit seit jeher als äußerst Stellen zu überprüfen. Hierdurch erklärt sich eben- witterungsanfällig galt. Darüber hinaus sei darauf falls, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass hingewiesen, dass bei Bauten, welche über Was- das Holz trotz des Schädlingsbefalls verbaut wer- ser geführt wurden, grundsätzlich Eichen- oder Ler- den konnte und auch danach erst spät entdeckt chenholz empfohlen wurde - Kiefernholz war zwar wurde. deutlich günstiger, verfügte demgegenüber jedoch über eine bedeutend geringere Lebensdauer und Es kann nicht abschließend geklärt werden, wes- war, insbesondere in Bezug auf die besonderen halb die Verantwortlichen auch nach dem Fund Witterungsbedingungen in Swakopmund, gänzlich des Bohrwurms lange nichts gegen denselben un- ungeeignet (Vgl. S. 44). Unabhängig von der Holz- ternahmen - es gibt hierbei zwei Möglichkeiten: art galt, dass bei diesem organischen Material stets Entweder man hatte den Schädlingsbefall maß- von einem Schädlingsbefall ausgegangen werden los unterschätzt, oder man wusste sehr wohl von musste und es daher unabdingbar war, dieses vor der Gefahr und zog es stattdessen vor, das Prob- der Verarbeitung zugunsten der Nachhaltigkeit vor- lem zu marginalisieren. Unabhängig davon kann zubehandeln und zu jeder Zeit auf einen etwaigen festgehalten werden, dass das befallene Holz wohl Schädlingsbefall zu überprüfen. Obwohl entspre- nie zur Anwendung gekommen wäre, hätte es vor chend der damaligen Quellenlage also bekannt war, Ort ausgebildetes Fachpersonal gegeben. Womög- dass, insbesondere bei in Wasser stehenden Holz- lich hätte es schon ausgereicht, wenn lediglich ein brücken, die sorgsame Auswahl des Bauwerkstof- einziger Zimmermann nach Swakopmund gesandt fes von elementarer Bedeutung war, hatten sich die worden wäre, um auf jene Missstände hinzuweisen. Deutschen dafür entschieden, minderwertiges Kie- Wenigstens darf der kolonialen Verwaltung zugu- fernholz zur Anwendung zu bringen – wahrschein- tegehalten werden, dass sie im Laufe der Jahre zu- lich auf Basis ökonomischer Beweggründe. Gerade nehmend versuchte aus ihren Fehlern zu lernen, da bei einem Holz von solch niederer Qualität wäre es bei den im Zuge der baufällig gewordenen Brücke jedoch dringend notwendig gewesen, dieses zu- später Holz verbaut wurde, welches nicht nur ent-

Abb. 34: Obwohl die Brücke von Anfang an ein Provisorium war, blieb sie bis zum Ende der Kolonialzeit in Betrieb. ©AWGS

71 sprechend vorbehandelt, sondern auch zusätzlich Im Gegensatz zur Mole, bestand bei ihr grundsätz- mit Eisenbeschlag verstärkt wurde. Hinsichtlich des lich nicht die Gefahr einer Versandung, da ihr Un- Beschlages samt der Einbringung von zahlreichen terbau offen war und sich somit keine Sinkstoffe an Eisennägeln wurde bereits angemerkt, dass die po- ihr ablagerten. Aus diesem Grund spielten die Strö- sitive Wirkung von korrodiertem Eisen in Bezug auf mungsrichtungen bei ihrem Bau auch eine eher eine Schädlingsbekämpfung sehr fraglich ist und untergeordnete Rolle. In jedem Fall erfüllte sie als wissenschaftlich nicht belegt werden kann. Landungsanlage zu jeder Zeit ihren Zweck, da an ihr ab dem Zeitpunkt ihrer ersten Inbetriebnahme bis Anhand des konkreten Beispiels einer hölzernen zum Ende der Kolonialzeit, trotz parallel stattfinden- Landungsbrücke hatten sich die Annahmen, welche der Umbau- und Sanierungsarbeiten, durchgängig innerhalb der allgemeinen Abhandlungen zu Joch- Schiffe gelandet werden konnten. In ihrer materiell- brücken aufgestellt wurden, insgesamt bestätigt. konstruktiven Beschaffenheit verfügte sie jedoch Dementsprechend gilt als erwiesen, dass sich je- über schwerwiegende Mängel, welche nicht nur auf nes Bauwerk, abgesehen von der äußerst stabilen die allgemein nachteiligen Eigenschaften des Kie- Tragwerksart, aufgrund des verwendeten witte- fernholzes zurück zu führen sind, sondern vielmehr rungsanfälligen Konstruktionsholzes lediglich als auf die fehlende Qualitätssicherung vor Ort, da an- Provisorium anbot. Zudem wurde der provisorische dernfalls womöglich kein vom Bohrwurm befallenes Charakter von Holzbrücken im Zuge der Industriali- Holz verbaut worden wäre. Jene Spekulationen sind sierung aufgrund neuer, deutlich langlebigerer insofern berechtigt, als dass davon auszugehen ist, Werkstoffe wie Eisen, Stahl oder Beton nachhaltig dass die Brücke mit entsprechender Vorbehand- verstärkt – auch im Fall der hölzernen Landungsbrü- lung über eine deutlich längere Lebensdauer verfügt cke wurde bereits im Rahmen der ersten Planungs- haben dürfte. Einmal mehr zeigte sich, wie essen- phase davon gesprochen, diese „in provisorischer tiell es war, ein solch organisches Material vorab auf Ausführung“ zu erstellen.“261 Anders als bei der dessen Eignung sowie auf Schädlingsbefall zu über- Swakopmunder Mole, welche generell als eine prüfen. Somit lässt sich festhalten, dass sich eine Fehlplanung gewertet werden kann, war die höl- solche Brücke aufgrund ihrer Tragwerskart, nicht je- zerne Landungsbrücke allein schon aufgrund ihrer doch aufgrund des Konstruktionsmaterials bewähr- Nutzungsdauer die erfolgreichere Landungsstel- te und sie sich im Fall von Swakopmund wohl als le. Inwiefern sie sich generell als Landungsanlage temporäre, nicht jedoch als dauerhafte Landungs- eignete, kann nicht eindeutig festgestellt werden. anlage empfahl.

227 Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakopmund. 237 Vgl. ebd. 1967, S. 69 238 Vgl. o. V: Die Landungsbrücke in Swakopmund. In: 228 Vgl. o. V.: Die Landungsbrücke von Swakopmund. In: DSWAZ, No. 21, Swakopmund, 13. März 1907, (AWGS) DSWAZ, No. 21, Swakopmund, 13. März 1907, (AWGS) 239 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- 229 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- mund. S. 71 mund. 1967, S. 69 240 Vgl. o. V.: Landungsbrücke in Swakopmund. In: DS- 230 Vgl. Maurer, J.: Unsere Kriegsführung in DSWA. A. WAZ, No. 21, Swakopmund, 13. März 1907, (AWGS) Paetd, Berlon 1908, o. A. 241 Vgl. ebd. 231 Vgl. o. V.: Abschrift. In: WA, No. 19., 7. März 1908 242 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- (AWGS) mund. 1981, S. 71 232 Vgl. ebd 243 Vgl. o. V.: Aus Swakopmund. In: DSWAZ, No. 19, 233 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika.1981, Swakopmund, 6. März 1907 (AWGS) S. 23 244 Vgl. o. V.: Die Landungsbrücke von Swakopmund. In: 234 o. V.: Aus Swakopmund. In: DSWAZ, No. 19, Swakop- DSWAZ, No. 21, Swakopmund, 13. März 1907 (AWGS) mund, 6. März 1907 (AWGS) 245 Vgl. ebd.

235 Vgl. o. V.: Aus Swakopmund. In: DSWAZ,.o. A., Swa- 246 Vgl. o. V.: Aus Swakopmund. In: DSWAZ. o. A., Swa- kopmund, o. J. (AWGS) kopmund, o. J. (AWGS)

236 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- 247 Vgl. o. V.: Die Landungsbrücke von Swakopmund. In: mund. S. 71 DSWAZ, No. 21, Swakopmund, o. J. (AWGS)

72 248 Vgl. o. V.: Aus Swakopmund. In: DSWAZ, Swakop- 255 o. V.: Die Landungsbrücke in Swakopmund. In: DS- mund, o. J. (AWGS) WAZ, No. 21, Swakopmund, 13. März 1907 (AWGS)

249 Vgl. o. V.: Die Landungsbrücke von Swakopmund. In: 256 Vgl. Heinz-Walter Stengel: Die Brücken von Swakop- DSWAZ, No. 21, Swakopmund, o. J. (AWGS) mund. 1967, S. 71

250 Vgl. o. V.: Aus Swakopmund. In: DSWAZ, No. 19, 257 Vgl. Baudirection Windhuk [sic!]: An das Kaiserliche Swakopmund, 6. März 1907 (AWGS) Zollamt Swakopmund. In: BSW 180, Andere Hafenangele- genheiten, 1910 (NAW) 251 Vgl. ebd. 258 Vgl. ebd. 252 Vgl. ebd. 259 Vgl. Heinz-Walter Stengel: Die Brücken von Swakop- 253 Vgl. o. V.: Betriebsordnung für die Hafenbahn in Swa- mund. 1967 S. 69 kopmund. In: BSW 105 (NAW) 260 Vgl Hulda Rautenberg: Das alte Swakopmund. 1892 – 254 Vgl. Kaiserlicher Gouverneur Windhuk: Hafentarife von 1919. Swakopmund, 1967, S. 118 ff. Swakopmund und Lüderitzbucht. In: Abschrift, Winduk, 1908 (NAW) 261 Vgl. ebd.

73 7.3 Die eiserne Landungsbrücke

Seit dem Zeitpunkt, als Landeshauptmann von zernen Landungsbrücke, ging der eisernen Brücke François Swakopmund als zentrale Landungsstel- (Landungsbrücke, bzw. Jetty) eine detaillierte Ent- le Deutsch-Südwestafrikas auserkoren hatte, wa- wurfsplanung voraus. Bei der Beleuchtung etwa- ren rund zwanzig Jahre vergangen, ohne dass es iger Unterlagen soll untersucht werden, inwiefern den Verantwortlichen währenddessen gelungen hierbei Erfahrungswerte von früheren Landungsan- war, dort einen dauerhaft nutzbaren Hafen zu er- lagen, sei es in Swakopmund oder andernorts, Be- richten. Die Mole hatte man buchstäblich in den rücksichtigung fanden. Sand gesetzt und die hölzerne Landungsbrücke war aufgrund des Bohrwurms zunehmend baufällig Nachfolgend wird eine detaillierte Darstellung der geworden. Nach jenen Fehlschlägen beschloss die Entwurfsplanung sowie der Bauausführung erfol- Regierung im Jahr 1908 erstmalig in eine großmaß- gen, wobei parallel etwaige Diskrepanzen zwischen stäbliche Hafenanlage zu investieren. In weiterer dem ursprünglich angedachten Brückenentwurf Folge wurde auf Basis einer öffentlichen Ausschrei- und dem tatsächlich realisierten Bauwerk zuguns- bung beschlossen, eine unbefestigte Landungs- ten späterer Betrachtungen aufgedeckt werden. anlage in Form einer eisernen Landungsbrücke zu Darüber hinaus dürfen die allgemeinen Hürden der errichten. Die genauen Umstände der Projektver- umweltbedingten und geologischen Faktoren, wel- gabe sowie die bauliche Ausführung sollen nach- che auf die Küste Swakopmunds einwirkten, nicht folgend im Rahmen einer umfassenden Analyse vernachlässigt werden. Aufgrund der unlängst be- untersucht werden. Hierbei soll zunächst die me- kannten widrigen Witterungs- und Brandungs- thodische Vorgehensweise Erwähnung finden, be- verhältnisse wird davon ausgegangen, dass die vor eine chronologische Abhandlung des Bauwerks Arbeiter auf der Baustelle mit denselben Schwierig- erfolgen kann. Im Zuge dessen wird ein besonderes keiten zu kämpfen hatten, wie diejenigen, die zuvor Augenmerk auf der Entwurfs- und Ausführungspha- beim Bau der hölzernen Brücke beschäftigt waren. se liegen. Dabei soll jedoch nicht versäumt werden, Daher wird auch im Rahmen dieser Abhandlung ei- ebenfalls über den Verbleib des Bauwerks nach der ne atmosphärische Darstellung der Arbeitsbedin- Kolonialzeit sowie über etwaige Umbauten und Sa- gungen erfolgen. Die diesbezüglichen Inhalte sollen nierungen aufzuklären. ebenfalls in Relation zu denselben des Vorgänger- baus gesetzt werden - anhand jener Gegenüber- Da die folgenden Darstellungen den größten Teil stellung wird sich zeigen, inwiefern sich die Arbeits- dieser Arbeit bilden und dementsprechend umfang- bedingungen bei dem Bau der Jetty von jenen der reich ausfallen, werden dieselben in Subkapitel ge- hölzernen Brücke unterschieden haben. Entspre- gliedert. Vorab wird zunächst beleuchtet, wie es chend der vorhergehenden Untersuchungsweisen überhaupt möglich wurde, dass die deutsche Re- sollen ebenfalls Hypothesen, welche vorab defi- gierung erstmalig größere Investitionen in eine der- niert wurden, anhand jenes konkreten Beispiels un- art große Hafenanlage tätigen konnte, nachdem tersucht werden. Dahingehende Annahmen werden sie bis dato einen rigiden Sparkurs verfolgt hatte. vorweg skizziert, wobei weiterführende Resultate in Im Anschluss hieran soll ein einleitender Überblick einer abschließenden Betrachtung Erwähnung fin- über die im Zuge der öffentlichen Ausschreibung den werden. Die Darstellungen werden nicht nur eingereichten Projekte gegeben werden und da- von allgemeinen Inhalten zu bauhistorischen Bezü- bei erläutern, weshalb man sich damals auf den gen begleitet, sondern ebenfalls von den diesbe- Entwurf einer eisernen Landungsbrücke festlegte züglichen im Vorfeld getroffenen Annahmen, welche und nicht etwa bestehende Hafenanlagen, wie die parallel eingehend untersucht werden sollen. Darü- Mole oder die hölzerne Landungsbrücke zu reak- ber hinaus wird zu klären sein, ob sich die Jetty kon- tivieren versuchte. Nach dieser thematischen Hin- struktiv als dauerhafte Landungsanlage eignete und führung wird auf den konkreten Entwurf der Brücke worauf sich ihre besondere Rolle als Wahrzeichen eingegangen. Anders als bei der Mole und der höl- von Swakopmund gründet.

7.3.1 Die Entwurfsplanung

Nachdem die Mole versandet und die hölzerne Lan- Reichskolonialamt das Unterfangen nun in die dungsbrücke baufällig geworden war, hieß es in Hände professioneller Bauunternehmer zu legen. Swakopmund zum dritten Mal: Auf ein Neues. An- Dementsprechend bereitete das Swakopmunder gesichts der besonderen Herausforderungen, wel- Hafenamt im Jahr 1910 „nach allen Erfahrungen mit che an jenem Ufer vorherrschten, beschloss das der hölzernen Brücke die Unterlagen für eine Aus-

74 schreibung vor.“262 Wie viele Projekte daraufhin ein- lig andere Untergrund- und Strömungsverhältnisse gereicht wurden, ist unklar. In manchen Quellen vorherrschten als in Swakopmund, war jenes Bau- werden zwölf Entwürfe genannt, andere Berichte werk als Referenz insbesondere in Anbetracht der sprechen von elf Einreichungen.263 Jedenfalls fan- Fundamentarbeiten weitestgehend ungeeignet.266 den sich darunter teilweise unkonventionelle, wenn Hinsichtlich des Oberbaus diente die Loméer Brü- nicht sogar kuriose Entwürfe: „Die eigenartigste Lö- cke wenigstens als Negativbeispiel: Aufgrund un- sung stellte wohl der Vorschlag dar, vom Festland zureichender Verbindungsmittel, kam es bei dem aus einen etwa 750 m langen Tunnel durch den Fel- Bauwerk zu dem Phänomen, dass der Oberbau der sen ins Meer voranzutreiben. Der Tunnel sollte in ei- Brücke während einer Sturmflut im Jahr 1905 voll- nem Trog von 33 m lichter Weite und 100 m lichter ständig zerstört wurde. Aus diesem Grund sollte Länge ausmünden, der nach oben offen sein, aber die Jetty in Swakopmund über besonders schub- nach allen vier Seiten gegen das Meer durch massi- feste Verbindungen und Aussteifungen verfügen.267 ve Mauern abgeschlossen werden sollte.“264 Wenn- Nachdem sich das Reichskolonialamt im Rahmen gleich jener extravagante Entwurf viel Beachtung der Genehmigungsplanung Übersicht über alle re- fand, wurde er aus Kostengründen abgelehnt. levanten Unterlagen verschafft hatte, wurde für den Bau eine Gesamtsumme von 3,5 Millionen Mark ver- Den Zuschlag erhielt schlussendlich der Entwurf ei- anschlagt. Des Weiteren wurde beschlossen, das ner eisernen Landungsbrücke auf massiven Pfeilern. Bauwerk südlich der bestehenden Landungsbrücke Dieser war aus einer Kooperation der Mannheimer zu errichten, da der Untergrund an jener Stelle eine Tiefbaufirma Grün & Bilfinger A. G. mit dem Brü- günstige Bucht zum Hafen bildete.268 ckenbauunternehmen Flender A. G. aus Benrath bei Düsseldorf entstanden.265 Da es, mit Ausnahme der Dank der umfangreichen Quellenlage und der Tat- dortigen hölzernen Landungsbrücke kein anderes sache, dass der Autorin der originale Vertrag, vergleichbares Bauwerk gab, welches hierbei als Re- welcher zwischen dem Fiskus des südwestafrikani- ferenz hätte dienen können, bezogen sich die Kon- schen Schutzgebiets und den Firmen Flender sowie strukteure bei der Erstellung des Entwurfes vor allem Grün & Bilfingerabgeschlossen worden war, vorlag, auf die Landungsbrücke von Lomé in Deutsch-Togo können zu allen Planungsphasen äußerst detaillier- (Vgl. Abb. 35). Da jedoch an der Elfenbeinküste völ- te Angaben gemacht werden. Dennoch basiert der Kontext der Ausführungen maßgeblich auf eigenen Annahmen und etwaigen Erkenntnissen. Unabhän- gig davon sei erwähnt, dass sämtliche Angaben nur insofern in Betracht kommen werden, als dass die- se für das allgemeine Verständnis von Relevanz sind. Daher werden etwa hinsichtlich der Güte und Dimensionen der jeweiligen Bauteile keine näheren Angaben gemacht. Auch kann im Rahmen dieser Arbeit nur vereinzelt auf statische Details eingegan- gen werden.

Bevor zugunsten einer Baubeschreibung relevante Entwurfsdetails zur Sprache kommen können, soll zunächst auf die formellen Rahmenbedingungen des Bauvorhabens hingewiesen werden: Der Ver- trag wurde vom Reichskolonialamt am 27. Novem- ber 1911 in Berlin und von den Firmen Flender und Grün & Bilfingeram 2. Januar 1912 in Mannheim un- terzeichnet. Im Rahmen dessen mussten die Firmen für die Standfestigkeit der Brücke ab der Fertigstel- lung für die Dauer eines Jahres garantieren. Sollten bauliche Mängel entstehen, waren allein Flender und Grün & Bilfinger in der Haftung. Daraus resultieren- de Mehrkosten sollten ebenfalls ausschließlich von den Firmen getragen werden. Des Weiteren behielt sich das Reichskolonialamt das Recht vor, sämtli- che Bauteile sowohl im Deutschen Reich als auch Abb. 35: Bei einer Sturmflut im Jahr 1905 wurde die Lo- méer Landungsbrücke in Togo vollständig zerstört. ©AWGS 75 in Deutsch-Südwestafrika vorab auf ihre Eignung sagt werden, dass die im Vertrag angeführten tech- zu überprüfen. Auf der Baustelle in Swakopmund nischen Angaben im allgemeinen dem Stand der sollte jeder Baufortschritt schriftlich in einem Bau- damaligen Ingenieurwissenschaften entsprachen.271 tagebuch festgehalten und dabei von Bauaufsichts- Diesbezüglich soll zugunsten weiterführender In- beamten regelmäßig kontrolliert werden. Neben den formationen auf die Terminologie der eisernen Brü- allgemeinen Modalitäten fand ebenfalls Erwähnung, cken verwiesen werden (Vgl. S. 45 - S. 47). dass sich die Firmen verpflichteten, umfangreiche Untergrunduntersuchungen vorzunehmen. Der ge- Analog zu den Ausführungen der hölzernen Lan- naue Umfang und der zeitliche Rahmen jener Unter- dungsbrücke, sollen sich die folgenden Darstel- suchungen wurde jedoch nicht festgelegt. lungen an dieser Stelle ebenfalls dem verwendeten Konstruktionsmaterial zuwenden: In Bezug auf das Unter den dargelegten Vertragsbestimmungen be- vorliegende Bauwerk ist in allen Dokumenten stets fand sich ebenfalls ein ausführlicher Erläuterungs- die Rede von einer eisernen Landungsbrücke. Im bericht, welcher den genauen Aufbau der Brücke Zuge der Recherche zeigte sich, dass die Brücke von der Grundsteinlegung bis zur letzten Schraube genau genommen aus Schweißeisen bestand.272 äußerst detailliert beschreibt. Hierbei wird zunächst Wie bereits eingehend erläutert wurde, verfüg- die exakte Position der Landungsbrücke genannt, ten die damaligen Eisenwerkstoffe über eine deut- welche südlich der alten Landungsbrücke in nur fünf lich höhere Lebensdauer als Holz. Darüber hinaus Meter Entfernung von derselben entstehen sollte.269 kann gesagt werden, dass es sich bei dem ver- Dieser Abstand erscheint äußerst knapp. Tatsäch- wendeten Schweißeisen um eine Weiterentwick- lich sollte es hierdurch im Zuge der Bauausführung lung des deutlich spröderen Gusseisens und somit noch zu zahlreichen Diskussionen kommen – doch um einen Vorläufer des späteren Stahls, welcher im dazu später mehr. Hinsichtlich der Dimensionen Deutschen Reich historisch bedingt noch nicht im wurde angegeben, dass die Brücke sich aus einer großen Maßstab hergestellt werden konnte, han- Zufahrtsbrücke von 410 Metern, einem Übergangs- delte. Im Bereich des Unterbaus fanden auch ande- bereich von 80 Metern und einer 150 Meter langen re Eisenwerkstoffe Anwendung, wie beispielsweise Löschbrücke, welche dem Umschlagbetrieb dienen Gusseisen und Flusseisen im Bereich der Pfähle so- sollte, zusammensetzte. Des Weiteren wurde an- wie Stahl im Fundament der Schrägpfähle.273 Die gegeben, dass die Breite der Zufahrts- und Über- Entscheidung, hierbei auf Gusseisen, beziehungs- gangsbrücke 8,35 sowie jene der Löschbrücke 20,4 weise vereinzelt auf Stahl (Flusseisen), zu setzen Meter betrug - wobei das Bauwerk insgesamt über dürfte mit der hohen Druckfestigkeit jener Werk- eine Länge von 640 Metern verfügen sollte, bei einer stoffe zu tun gehabt haben, da im Bereich des Un- Oberkantenhöhe von 6,11 m ü. NN.270 Entsprechend terbaus sämtliche Vertikallasten aus dem Oberbau der damaligen wissenschaftlichen Grundlagen wur- in das Fundament abgeleitet werden mussten. Für de bereits erwähnt, dass sich die Qualität eines sol- sämtliches Baumaterial galt, dass ausschließlich chen Bauwerks entsprechend der geologischen gewalzte Profile Verwendung finden sollten, welche und umweltbedingten Parameter sowie anzuneh- vorab auf ihre Stabilität überprüft worden waren.274 menden Lastfälle über das jeweilige Konstruktions- Auf Basis der deutschen Fachliteratur war bekannt, material, die Fundament- und Tragwerksart sowie dass Eisen sowohl auf Druck als auch auf Zug be- etwaige Verbindungsarten definierte. Es kann ge- lastet werden konnte, im Kontakt mit Wasser jedoch

8,0 m 0,0 m Bodenaufbau Differdingerträger Aussteifung

Pfähle

Abb. 36: Schnittansicht eiserne Landungsbrücke M 1:500. ©Y.Rödel

76 zu Korrosion neigte und daher mit Hilfe von Anstri- überwiegend sandigen Boden getrieben wurden, chen vorbehandelt werden musste. Es scheint, als sollten sich demgegenüber die Pfähle der Jetty aus hätten die Planer aus den Fehlern bei der hölzer- Eisenprofilen, Betonumhüllung sowie gusseisernen nen Landungsbrücke gelernt, weshalb bei der Jetty Hüllrohren zusammensetzen, an Land hergestellt, in eine Imprägnierung sämtlicher Bauteile vorgese- vorgebohrte Löcher des Granitfelsens eingelassen hen wurde. In jedem Fall kann festgehalten werden, und mit Beton nachverdichtet werden. dass, analog zur hölzernen Brücke; bei welcher, in Ermangelung geeigneter afrikanischer Hölzer, deut- Nachdem ein entsprechendes Bohrloch vorberei- sches Kiefernholz geordert wurde; die Eisenprofile tet worden war, sollten sie in selbiges bis zu ei- der Jetty ebenfalls per Schiff aus Deutschland nach ner Tiefe von 2 ½ Metern in den Boden eingesetzt Swakopmund gebracht werden mussten. Die Grün- werden. Auf Basis der Erfahrungen beim Vorgän- de hierfür liegen auf der Hand: Bekanntermaßen gerbau nahmen die Planer an, dass für die Boh- kommt Eisen in der Natur nur in gebundener Form rungsarbeiten mehrere Arbeitsschritte notwendig vor und so wäre es, selbst wenn vor Ort bedeutende wurden, weshalb vom Ufer und später von der Brü- Vorkommen des Metalls gefunden worden wären, cke aus mittels eines auf Rollen gelagerten Bohr- kaum möglich gewesen, daraus einen tragfähigen gerüstes zuerst mit einem Meiselbohrer, welcher Bauwerkstoff herzustellen. Schlussendlich sei er- in einer drehenden Bewegung auf den Granitbo- wähnt, dass neben den eisernen Walzprofilen im den abgelassen wurde und anschließend mit einem Bereich der Fundamente Beton Verwendung fin- Gesteinsbohrer gebohrt werden sollte: War das je- den sollte. Letzterer musste nicht importiert wer- weilige Bohrloch fertig gestellt, wurde es notwendig den, sondern konnte vor Ort unter Verwendung des den Bohrschlamm desselben abzupumpen und den dortigen Sandes hergestellt werden - ein besonde- Pfahl mit Hilfe eines elektrisch betriebenen Hand- rer Umstand, welcher später eingehend beleuchtet laufkrans unverzüglich einzusetzen. Alsdann sollte wird. er mit Lochputzen befüllt und einbetoniert werden, wobei das Mischverhältnis des Betons 1:1 betragen Wenden wir uns zunächst der Errichtung des Land- sollte. Durch den Betonmantel der Pfahlfüße sollte widerlagers, beziehungsweise des Grundsteins, es möglich werden, mit dem Boden eine schubfes- zu, welcher dem Sinn nach dem Fundament zuzu- te Verbindung zu erzielen, sowie einer Korrosion der ordnen ist. Hierbei galt es, am sandigen Ufer eine innenliegenden Eisenprofile vorzubeugen.277 Eine massive Betonflügelmauer auszubilden.275 Da je- solche Fundamentierung war im Rahmen der allge- nes Auflager als Bindeglied zwischen Bauwerk und meinen Betrachtungen als ein Vorläufer des Bohr- Land diente, dürfte dessen Stabilität eine beson- pfahls gewertet worden (Vgl. S. 47). dere Bedeutung zuteil geworden sein. Ähnlich wie dem hölzernen Vorgängerbau, ließ sich derselbe der Außenseitig wurde der Pfahlfuß zusätzlich von ei- Jetty ebenfalls in einen Ober- und einen Unterbau nem gusseisernen Blechmantel umgeben, wel- gliedern (Vgl. S. 67). Letzterer sollte aus schweiß- cher wiederum den Beton vor äußeren Einflüssen eisernen Pfählen in Form von I-Vollwalzprofilen mit schützen sollte. Die Pfähle verfügten samt der Um- einer Länge von zwanzig Metern bestehen.276 Wäh- rend die Pfähle der hölzernen Brücke, mit Ausnah- me eines Teilbereiches auf Höhe einer Felsbank, in

Lastkran B-B 5,1 m 0,0 m 7,0 m 20,4 m Querträger (U-Profile)

Fußweg

6,0 m

Stromjoch

Stromjoch

Abb. 37: Schnittansicht Brückenkopf M 1:500 Abb. 38: Schnitt B-B Abb. 39: Schnitt Brückenkopf (nicht realisiert)

77 mantelung über einen Durchmesser von 50 cm; be- weise Querträgern, welche aus zwei zusammen- ziehungsweise 53,4 cm auf Höhe der Löschbrücke. gesetzten U-Eisenprofilen bestanden, verbunden Die Beton- und Blechumhüllung wurde jeweils bis werden. Auf selber Ebene folgten in Längsrichtung unter das Joch des Oberbaus geführt; die oberen die Hauptträger, welche aus Differdingerträgern be- vier Meter der Pfähle sollten zugunsten des Korro- standen und jeweils über vier Joche hinweg geführt sionsschutzes verzinkt werden und zunächst frei wurden. Orthogonal dazu wurden innerhalb der Fel- bleiben. Im Bereich der Zufahrts- und Übergangs- der zwischen den Jochen Querträger in die Haupt- brücke bildeten je zwei Pfähle bei einem Ach- träger eingesetzt, sodass diese mit denselben in sabstand von 7 m eine Reihe - im Bereich der einer Konstruktionsebene lagen. Jede Reihe wurde Löschbrücke bestanden die Pfahlreihen aus je fünf sowohl quer als auch längs zur Brückenachse mit Pfählen, bei einem Achsabstand von 5,1 Metern. Die Profilen, welche im Fachwerkverband angeordnet Abstände der Pfahlreihen sollten wiederum im Be- wurden, ausgesteift. Auf diese Weise wurde für je- reich der Zufahrtsbrücke 8 m, im mittleren Brücken- de Pfahlreihe ein sechsfach statisch unbestimmtes abschnitt 4,25 m und auf Höhe der Löschbrücke Feld ausgebildet. Die Joche sowie die Haupt- und 5 m betragen.278 Wie bereits mehrfach angedeutet Querträger bildeten die Auflager für den Oberbau. wurde, waren bei herkömmlichen Brückenbauwer- Letzterer setzte sich aus Längsträgern mit Differ- ken laut der damaligen Fachliteratur Achsabstände dingerprofilen, Schwellen und dem Bodenbelag von sechs bis zehn Metern üblich. Waren dieselben (wobei Bohlen aus Kiefernholz vorgesehen wurden) im Falle der hölzernen Landungsbrücke in Reaktion zuzüglich der Gleisanlagen zusammen. Für die Brei- auf die starken Brandungsverhältnisse bereits deut- te der Gleise war Schmalspur vorgesehen, es soll- lich geringer ausgefallen, so kann selbiges ebenfalls te dabei jederzeit möglich sein, diese auf Kapspur für die Jetty angenommen werden (Vgl. S. 70). zu verbreitern. Die Brücke verfügte nicht nur über eine Fahrbahnebene, sondern ebenfalls über sepa- Auf Basis der gemessenen Strömungsverhältnis- rate 1,35 Meter breite Fußwege. Sie sollten mit Kon- se war bekannt, dass die allgemein bekannte Süd- solen an den Hauptträgern aufmontiert werden und westrichtung des Benguela-Stromes nur im Bereich sich im Bereich der Zufahrts- und Übergangsbrü- der Löschbrücke auf das Bauwerk einwirkte, da auf cke auf nördlicher, bei der Löschbrücke auf südli- halber Höhe der Brückenlänge die Wellen durch das cher Seite befinden (Vgl. Abb. 38 + 39). sogenannte Swakop-Riff gebrochen wurden und ab dort orthogonal zum Ufer verliefen.279 Auf Basis je- Laut der Quellen wurden die beiden Brückenbau- ner Erkenntnisse war die hölzerne Landungsbrücke firmen ebenfalls mit der Aufgabe betraut, die für bereits von Stromjochen ergänzt worden. Auch die den Umschlagbetrieb relevanten Installationen her- eiserne Landungsbrücke wurde folglich um Schräg- zustellen. Dazu zählte auch die Errichtung eines pfähle ergänzt. Dementsprechend war geplant wor- Brückenhauses auf der Löschbrücke, mit Räumen den, ab der 19. Pfahlreihe (das entspricht in etwa für den Hafenmeister, die Landungsfirma und den einem Abstand von 150 Metern zum Ufer) nörd- Bootsmann. Ebenfalls sollten darin eine Werkzeug- lich der Brücke Stromjoche anzubringen. Die hierfür kammer, Schuppen und vier WC’s untergebracht benötigten Bohrlöcher wurden vorab durch einen werden. Diesbezügliche Details können innerhalb rückwärts gelagerten Gesteinsbohrer hergestellt. dieser Arbeit jedoch vernachlässigt werden. Es soll Jene Stromjoche sollten über denselben Quer- lediglich darauf hingewiesen werden, dass für den schnitt wie die lotrechten Pfähle verfügen und auf Löschbetrieb vier elektrisch betriebene Drehkrä- nördlicher Seite mit einem gusseisernen Fuß unter ne sowie eine Schiebebühne in Planung waren. Bei Verwendung von Stahl, Beton und Bleimänteln ein- der hölzernen Landungsbrücke wurden jene Kräne gelassen werden. noch auf den Gleisen bewegt, sodass sich diese auf selber Ebene befanden wie die Hafenbahnen. Dies Damit die Brücke formstabil war, sollte immer ei- war auf Dauer als hinderlich empfunden worden, da ne komplette Pfahlreihe samt des Oberbaus her- die Gleise nie vollständig von den Hafenbahnen be- gestellt werden, bevor mit der nächsten begonnen fahren werden konnten. Daher sollten dieselben bei wurde. Hierfür wurde jeder einzelne Pfahl nach den der eisernen Landungsbrücke auf Portalen über die erfolgten Betonierarbeiten mit Eisenzungen ausge- Züge hinweg geführt werden.280 In dieser Sachlage stattet, sodass diese über alle für den Oberbau not- konnten also die Erfahrungen, welche im Zuge des wendigen Anschlüsse verfügten. Alsdann sollten Betriebs der hölzernen Landungsbrücke gesammelt die Pfahlreihen, ebenfalls unter Zuhilfenahme eines worden waren, innerhalb jener Entwurfsplanung ge- Handlaufkrans, oberseitig mit Jochen, beziehungs- winnbringend eingebracht werden.

78 262 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, 271 Vgl. a.a.O. S. 30 S. 118 ff. 272 Vgl. Flender; Grün & Bilfinger: Landungsbrücke Ver- 263 Vgl. ebd. tragliches. Erläuterungsbericht. In: BSW, Akte 105 U. A. 317 S. 1 ff. (NAW) 264 Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakopmund. 1967, S. 71 ff. 273 Vgl. Flender, Grün & Bilfinger: Landungsbrücke Ver- tragliches. Kostenvoranschlag. In: BSW, Akte 105 U. A. 265 Vgl. ebd. 317 (NAW) 266 Vgl. Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DS- 274 Vgl. a.a.O. S. 3 WAZ, Nr. 47-5, Windhuk, 24. April 1913 (AWGS) 275 Vgl. a.a.O. S. 8 267 Vgl. ebd. 276 Vgl. a.a.O. S. 3 268 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, S. 221 277 Vgl. ebd.

269 Vgl. Flender; Grün & Bilfinger: Landungsbrücke Ver- 278 Vgl. a. a.O. S. 2 tragliches. Erläuterungsbericht. In: BSW 105 UA. 317, S. 279 Vgl. Carl Wick: Die neue Landungsbrücke. In: DSWAZ, 1(NAW) April 1913 (AWGS) 270 Vgl. Flender, Grün & Bilfinger: Landungsbrücke Ver- 280 Vgl. Flender; Grün & Bilfinger: Landungsbrücke Ver- tragliches. Statische Berechnungen. In: BSW, Akte 105 U. tragliches. Statische Berechnungen. In: BSW, Akte 195, U. A. 317, S.2 (NAW) A., 317, S. 5 (NAW)

79 7.3.2 Die Bauausführung

An vergleichbarer Stelle wurde im Rahmen der vori- überschnitten, als auch zwischen der Bauleitung gen Abhandlung auf die beschwerlichen Arbeitsbe- in Swakopmund und der Direktion in Mannheim.282 dingungen, welche während sämtlicher Bauphasen Auf der Baustelle kam es ebenfalls immer wieder vorherrschten, eingegangen - jene Betrachtungen zu Meinungsverschiedenheiten. Diesbezüglich ließ sollen auch jetzt nicht zu kurz kommen: Zunächst etwa Ingenieur Mathäus Richter der Firma Grün & sei erwähnt, dass die dortige Bevölkerung, nach- Bilfinger ein ausführliches Schreiben zukommen, dem in Swakopmund alle Versuche, eine dauerhafte in welchem er sich bitterlich über die örtlichen Ar- Landungsanlage zu errichten, mehr oder weniger ins beitsverhältnisse beschwerte.283 Generell galt, dass Leere gelaufen waren, dem Bau der Jetty mit gro- die Bauarbeiten bei der Jetty, im Vergleich zu jenen ßer Skepsis begegnete. Demgegenüber waren die bei der hölzernen Landungsbrücke, weitaus weni- im Zuge der Bauaufgabe nach Deutsch-Südwest- ger gefährlich waren, da die Bauleitung stets ein be- afrika bestellten Arbeiter und Ingenieure angesichts sonderes Augenmerk auf die Sicherheit der Arbeiter der Aussicht, an einem solchen Pionierprojekt mit- legte. Zwar gaben die Quellen Auskunft über eine wirken zu dürfen, voller Enthusiasmus - davon zeugt Reihe von schweren Personenunfällen, jedoch soll auch der Duktus ihrer Schriftstücke. Hinsichtlich je- es bis zum Ende der Bauarbeiten keinen einzigen nes neu erwachten Selbstbewusstseins dürften Todesfall gegeben haben. Das würde bedeuten, auch übergeordnete sowie globale Faktoren; wie dass; im Vergleich zu den Bauarbeiten bei der höl- etwa das Unglück der Titanic, welches sich exakt in zernen Landungsbrücke, bei welchen noch mindes- der Woche der Grundsteinlegung der Brücke ereig- tens sieben Arbeiter zu Tode gekommen waren; im nete; und deutschnationale sowie deutschkoloniale Hinblick auf die Sicherheit bedeutende Fortschrit- Faktoren, eine Rolle gespielt haben - sie werden in te gemacht werden konnten. Sofern diese Angaben Rücksichtnahme auf den Forschungsschwerpunkt der Wahrheit entsprechen, wäre jener Sicherheits- an späterer Stelle von Neuem aufgegriffen. standart sowohl in Bezug auf das Wilhelminische Zeitalter als auch hinsichtlich der Größenordnung Unabhängig davon kann gesagt werden, dass die des Projektes äußerst bemerkenswert.284 allgemeine Euphorie bald getrübt wurde - so hat- ten auch jene Arbeiter aufgrund der häufig erwähn- Zurück zur Jetty: Bevor die Chronologie der einzel- ten Brandungs- und Witterungsverhältnisse mit nen Bauhandlungen vorgenommen werden kann, „unerwarteten Schwierigkeiten“ zu kämpfen.281 Da- soll darauf hingewiesen werden, dass auf konstruk- rüber hinaus kam es während der Bauausführung tive Aspekte nur insofern eingegangen werden soll, immer wieder zu Missverständnissen - sowohl zwi- als dass diese bedeutend von den in der Entwurfs- schen den einzelnen Behörden des Schutzgebie- beschreibung getroffenen Angaben abweichen: Be- tes, da sich deren Kompetenzbereiche des Öfteren reits im Oktober 1911, also zu einem Zeitpunkt, als

Abb. 40: Die Aufnahme zeigt das Bohrgerüst, welches vor Baubeginn Ende 1911 errichtet wurde ©AWGS

80 Abb. 41: Die Jetty im Jahr 1913: Sie wurde nur wenige Meter südlich ihres hölzernen Pendants errichtet. ©AWGS

der Vertragsabschluss noch nicht vollständig erfolgt Sämtliche Bauteile und Werkzeuge wurden, wenn war, wurde in Swakopmund öffentlichkeitswirksam möglich, bereits in Deutschland zusammengesetzt verkündet, dass eine neue Landungsbrücke er- und „fix und fertig“ nach Swakopmund geliefert.289 richtet werden und es sich dabei um das bedeu- Manche Elemente konnten jedoch erst vor Ort zu- tendste Bauwerk handeln sollte, welches je an der sammengefügt werden – dies galt insbesondere „West- und Ostküste Afrikas“ gebaut worden sei.285 für die Pfähle. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Daraufhin trafen im November in Swakopmund die bezüglich der Pfahl-Querschnitte unterschiedliche Ingenieure Riesenkamp (Flender) und Wick (Grün Angaben gefunden wurden: Grundsätzlich waren & Bilfinger) ein, errichteten Werkplätze, Repara- hierfür I-Profile vorgesehen, welche von Flender in turwerkstätten und stellten Bauhäuser und Un- Benrath vollständig hergestellt und im ganzen Stück terkünfte für die Arbeiter her. Anders als bei den nach Swakopmund gebracht werden sollten. In Vorgängerbauten, wurde dieses Mal die Lagerstät- Bezug auf die konkrete Bauausführung findet sich te für das Baumaterial exakt festgelegt, wonach die- jedoch eine weitere Quelle, welche besagt, dass ses nicht im Zollschuppen gelagert, sondern direkt sich der Querschnitt aus zwei einzelnen T-Profilen zur Baustelle südlich der hölzernen Landungsbrü- zusammengesetzt hätte.290 Aufgrund jener indiffe- cke gebracht werden sollte.286 Etwaige Vorkehrun- renten Angaben, stellte die Autorin weitere Nachfor- gen wurden auch in Deutschland getroffen und schungen an, deren Ergebnisse später dargestellt können zumindest indirekt zu jenen vorbereitenden werden sollen. Maßnahmen gezählt werden: Beispielsweise wur- den auf Anweisung des Reichskolonialamtes drei Nachdem unter der Führung von Wick und Riesen- der Eisenbetonpfähle, welche in Swakopmund zu kamp die wichtigsten Vorbereitungen abgeschlos- Anwendung kommen sollten, im Oberrhein auf ih- sen und relevante Bestellungen von Maschinen und re Eignung überprüft – mit „glänzendem Erfolg“, wie Baumaterialien aufgegeben worden waren, konnte Ingenieur Wick später verlauten ließ.287 Parallel zu weiteres Fachpersonal aus Deutschland geordert jenen Maßnahmen wurden ebenfalls Baumaschi- werden. Dazu zählten ein Rechnungsführer, min- nen und Baumaterial angeschafft – vorwiegend aus destens drei Vorarbeiter, etwa zehn Handwerker dem Deutschen Reich, jedoch mit Ausnahmen. Bei- und dreißig bis vierzig Arbeiter aus Südafrika.291 spielsweise weisen die Quellen darauf hin, dass ei- Darunter fanden sich ebenfalls Zimmerer.292 Wenn- ne sogenannte „Crushing Machine“; ein Gerät, mit gleich die umfassenden Vorbereitungen rund um welchem grobkörniges Gestein gemahlen werden den Brückenbau im Vergleich zu jenen bei den konnte; bei „Goodwin, Barsby & Co“ in England be- Vorgängerbauten mit großer Weitsicht und äußerst stellt wurde – wahrscheinlich in Ermangelung eines präzise durchgeführt worden waren, können sie vergleichbaren deutschen Produktes.288 nicht darüber hinweg täuschen, dass in Bezug auf

81 die Vorarbeiten, in keiner der vorliegenden Quellen & Bilfingerund bat um „eingehende Mitteilung, wel- die vertraglich festgelegten Untersuchungen der che Gründe […] maßgebend gewesen sind [sic!] das Untergrundverhältnisse Erwähnung fanden. Daher Widerlager für die neue Brücke so dicht an die be- wird davon ausgegangen, dass selbige vernachläs- stehende […] zu erbauen.“294 Hierzu sind keine wei- sigt, wenn nicht sogar gänzlich unterlassen wurden teren Details bekannt - ebenso konnte weder von - und das, obwohl die marginalen Kenntnisse be- Riesenkamp, noch von Wick eine Stellungnahme züglich des Untergrundes bereits bei dem Bau der auf Wellmanns Anfrage ausfindig gemacht werden. hölzernen Landungsbrücke für viel Kopfzerbrechen Wie bereits erwähnt wurde, weisen verschiedene gesorgt hatten. Ob sich die Vernachlässigung jener Quellen darauf hin, dass man die Landungsbrücke Untersuchungen auch im Falle der Jetty rächen soll- deshalb so nah an ihrem Vorgängerbau positionier- te, wird später zur Debatte stehen. te, da an jener Stelle eine angeblich „günstige Bucht zum Land hin gebildet“ wurde.295 Zu Beginn der Bauarbeiten sollte ein vom Reichs- kolonialamt bestimmter Baurat namens Wellmann Angesichts des geringen Abstandes zwischen den nach Swakopmund gesandt werden. Bevor die- beiden Brückenbauwerken gab es nun von meh- ser dort eintraf, sorgte jedoch ein Kolonialbeam- reren Seiten größere Bedenken – unter anderem ter namens Lohse für reichlich Verwirrung, da sich fürchtete man, der Landungsbetrieb auf der alten dieser sich aus niederen Beweggründen in das Landungsbrücke könnte hierdurch eingeschränkt Bauvorhaben einmischte und den Arbeitern auf der werden. Aus unbekannten Gründen hielt die Bau- Baustelle unaufgefordert Anweisungen gab. Darauf- leitung jedoch zunächst an der entwurfsgetreuen hin befahl die Mannheimer Baudirektion ausdrück- Positionierung der Jetty fest. Erst im Frühjahr 1912 lich sämtliche Befehle Lohses zu ignorieren und auf wurde nachträglich eine Verschiebung des Bau- Wellmann zu warten.293 Nachdem dieser im Dezem- werks nach Süden veranlasst - und das obwohl ber 1911 in Swakopmund eingetroffen war, konnten die Betonierung des Widerlagers bereits erfolgt die Arbeiten endlich beginnen: Den Anfang machten war. Auf welcher Grundlage diese weitreichende die Ausschachtungs- und Betonierarbeiten des Wi- Entscheidung erfolgte, lässt sich nicht feststellen. derlagers. Wie bereits dargestellt wurde, sollte der Wahrscheinlich fielen die Beeinträchtigungen beim Abstand zwischen alter und neuer Brücke lediglich Löschbertrieb an der hölzernen Brücke doch stärker 5 m betragen. Obwohl Baurat Wellmann über sämt- ins Gewicht, als ursprünglich gedacht. Jedenfalls liche entwurfsrelevante Unterlagen unlängst verfügt hatte sich hiermit gezeigt, dass sich die unlängst haben dürfte, fiel ihm jener Umstand erst im Zuge von Baurat Wellmann geäußerte Vermutung, wo- der Bauarbeiten auf. Aufgrund dessen wandte er nach der Abstand zwischen den beiden Landungs- sich an die beiden Ingenieure von Flender und Grün brücken zu gering sei, bestätigte.296

Abb. 42: Knappe Angelegenheit: Die „Jetty“ wurde nur 5 Meter südlich ihres hölzernen Vorgängerbaus errichtet. ©AWGS

82 Diese erste Planungsänderung blieb jedoch nicht ohne Folgen: Da die Errichtung eines neuen Wider- lagers erst im Juni 1912 umgesetzt werden konnte, kam es zu einer ersten Bauverzögerung.297 Zudem wird angenommen, dass die Verschiebung der Brücke nicht unerhebliche Mehrkosten verursacht hatte. Wahrscheinlich führte dies zu dem Versuch Wicks und Riesenkamps, Einsparungen an anderen Stellen vorzunehmen. Daher machten sie der Bau- direktion in Mannheim den Vorschlag, die vorgese- hene Einbandtiefe der Pfähle, welche gemäß des Vertrages 2,50 Meter betragen sollte, zu verringern und auf ein Nachverdichten bei den Betonierarbei- ten zu verzichten, da sie von homogenen Bodenver- hältnissen ausgingen. Ein riskanter Vorschlag, wenn man bedenkt, dass bis dato, wenn überhaupt, nur oberflächliche Untersuchungen des Untergrundes angestellt worden waren. Auch der Mannheimer Baudirektion erschien eine solche Planänderung zu riskant, weshalb sie den Vorschlag aus Gründen der Stabilität ablehnte.298

Zuvor waren seit Januar 1912 probeweise die ersten Betonierarbeiten durchgeführt worden. Diese waren von besonderer Relevanz, denn die Eisenbeton- pfähle zählten laut der Ingenieure zu den wichtigsten Abb. 43: Das Gerüst der Jetty samt der Bohrkräne. ©AWGS Bestandteilen der Anlage.299 Zwar konnten im Zuge des Molenbaus erste Erfahrungen in Bezug auf den Beton gesammelt werden, dennoch verfügten die hergestellt und anschließend eingelassen wer- Konstrukteure generell über wenig Erfahrungen im den.303 Die Bohrarbeiten waren für alle Beteiligten Umgang mit demselben. Ähnliches kann ebenfalls mit größten Kraftanstrengungen verbunden. Sie für die Direktion in Mannheim angenommen wer- stellten „sowohl durch das schwere Bohrgestänge, den. Als Wick und Riesenkamp diese etwa um fach- als auch durch das mächtige Bohrgerüst ganz be- lichen Rat bat, erhielten sie als Antwort Zeitschriften deutende Beanspruchungen an die Maschinen und mit allgemeinen Artikeln über Beton.300 Somit waren indirekt auch an die Brücke selbst dar“, so ein Erläu- die Ingenieure völlig auf sich selbst gestellt - sie terungsbericht des Ingenieurs Carl Wick.304 Weitere haben die Hürden rund um die Betonierarbeiten je- Hindernisse waren geologischer Art - dazu zählten doch mit Bravour gemeistert: Beispielsweise stellte verschiedenartige Sedimentgesteine, Felsspalten sich auf Basis ihrer neuen Erfahrungswerte im März und andere Anomalien.305 Trotz jener Umstände ge- 1912 heraus, dass geschlemmter Beton gegenüber lang es den Konstrukteuren die erste Pfahlreihe oh- gestampftem über eine deutlich höhere Festigkeit ne größere Verzögerungen herzustellen, wenngleich verfügte, weshalb veranlasst wurde, diesen fortan sich insbesondere die Arbeiten am Fundament als zu verwenden. Nach Übermittlung der Ergebnisse, deutlich umfangreicher erwiesen, als ursprünglich ließ der Staatssekretär des Reichskolonialamtes angenommen. Dies schlug sich ebenfalls im Preis Wilhelm Heinrich Solf verlauten, er sei „einverstan- nieder: Nach Prüfung der Quittungen, stellte die den, dass der Beton zwischen dem Differdinger- Mannheimer Baudirektion mit Erschrecken fest, träger und dem Hüllrohr […] eingeschlemmt wird.“ dass die Herstellungskosten der ersten Pfähle be- Auch das Materialprüfungsamt stimmte dem zu.301 reits deutlich zu hoch ausgefallen sind, weshalb an- gewiesen wurde, diese künftig zu senken.306 Nach diesem Beschluss wurde im März 1912, be- vor überhaupt die Errichtung eines neuen Wider- Ab Mitte April 1912 wurde mit den Betonierarbei- lagers in Erwägung gezogen werden konnte, mit ten der zweiten Pfahlreihe begonnen. Man rech- den Bohrarbeiten sowie der Herstellung der Pfähle nete zunächst damit, noch im selben Monat die begonnen.302 Die ersten Pfähle sollten ohne Kräne dritte Reihe einbetonniert zu haben – jedoch wa- eingesetzt werden. Die zweite Serie sollte an Land ren kurz zuvor alle Differdingerträger aufgebraucht

83 worden, sodass zunächst auf weitere Lieferungen trotz zahlreicher Hürden gelungen war, in einem aus Deutschland gewartet werden musste. Da die Zeitraum von nur einem halben Jahr über 150 Meter Arbeiter nun quasi arbeitslos waren und es außer der Brücke fertigzustellen. Dies war sicherlich auch der weitläufigen Wüste in Swakopmund ansonsten dem Schichtbetrieb zu verdanken und der Tat- nicht viel zu entdecken gab, beschlossen Wick und sache, dass auch Nachts an der Brücke gearbeitet Riesenkamp, sie währenddessen durch Aufräumar- wurde. beiten zu beschäftigen.307 Bald erreichte sie jedoch die nächste Materiallieferung und die Bauarbeiten Unabhängig von dem allgemeinen Erfolg der Bau- konnten fortgesetzt werden. Im Zuge dessen zeigte arbeiten wurde die Brücke in den folgenden Mo- sich, dass die bisher verwendeten Tiefbohrwinden naten von weiteren Problemen heimgesucht: Aus dauerhaft zu schwach waren, weshalb neue aus bisher unbekannten Gründen zog man es erst im Deutschland bestellt werden mussten. Dieser Maß- Juni 1912 in Betracht, Farbe für den Anstrich der nahme ging zwar kein konkretes Ereignis voraus, Eisenkonstruktion zu bestellen, damit diese auf ihre jedoch wurden eine Reihe unterschiedlicher Beob- Eignung überprüft werden konnte.311 Dies war je- achtungen gemacht, welche jene Bestellung not- doch kein Versäumnis der beiden Firmen, sondern wendig erschienen ließen.308 Dazu hieß es, dass, auf ging vielmehr zu Lasten des Reichskolonialamtes. Basis diverser Berichte über die Bohrarbeiten die Laut Vertrag waren Flender und Grün & Bilfinger le- „Konstruktionsteile der Bohrmaschinen zu schwach diglich dazu verpflichtet, für den Grundanstrich der […] und obendrein aus ungenügend gutem Mate- Eisenkonstruktion mittels Zinklegierung zu sorgen rial“ gewesen sein sollen. Parallel wurde ebenfalls – für die Bestimmung des Deckanstriches waren festgestellt, dass das Bohrgerüst ebenfalls instabil hingegen die deutschen Behörden verantwortlich. war und daher nachträglich verstärkt werden muss- Da das Reichskolonialamt seine Pflicht offenbar te.309 Nichts desto trotz gingen die Arbeiten stetig vernachlässigt hatte, musste sich jetzt vor allem die vorwärts und so war bereits Mitte Juni 1912 das 19. Baudirektion der Firma Grün & Bilfinger um einen Joch erreicht. Nun konnten die Bohrlöcher für die geeigneten Farbanstrich kümmern.312 Fundamente der Stromjoche hergestellt werden.310 Jener Baufortschritt beeindruckt ungemein - insbe- Diesbezüglich war es wohl nicht förderlich, dass sondere, wenn man bedenkt, dass es den Arbeitern sich dahingehende wissenschaftliche Erkenntnisse ausschließlich auf die Witterungsbedingungen an deutschen Küstengebieten bezogen (Vgl. S. 47). Es war daher nicht verwunderlich, dass sich die vom Reichskolonialamt empfohlene Büscherit-Farbe (ein Anstrich auf Bitumen-Basis) als völlig ungeeignet erwies.313 Daraufhin ergriffen Grün & Bilfinger die Initiative und ließen den Kollegen in Swakopmund weitere Farben auf Bitumen-Basis sowie Ferrub- ron-Farbe (Rostschutz auf Basis von Alkydharz) für Testzwecke zukommen.314 Nachdem sich auch die- se Anstriche als ungeeignet erwiesen hatten, teilte die Bauleitung der Mannheimer Baudirektion ent- nervt mit, dass „keine brauchbare Anstrichfarbe“ gefunden werden konnte und man daher darum bat, auf Basis der „gesammelten Erfahrungen end- lich eine wirklich gute und haltbare Dauerfarbe“ an- zugeben, da die Brücke bereits an einzelnen Stellen korrodiert sei. Als Ursache für die schlechte Haftung der Farbe wurde die permanent hohe Luftfeuchtig- keit genannt sowie der Umstand, dass die Bauteile stets von Wasser benetzt waren.315

Währenddessen waren die Bauarbeiten bereits seit einigen Monaten im Gange. Im Bereich der Pfähle stellte Baurat Wellmann im Juni 1912 fest, dass an einigen Stellen wegen der Kraft der aufprallenden Wellen rund 1,50 m über bis rund 2,0 m unter dem Abb. 44: Der Kern der Pfähle bestand aus zwei I-Profilen. ©AWGS 84 Abb. 45 + 46: Die linke Aufnahme zeigt eine provisorische Pfahlgründung - rechts ist der Unterbau zu erkennen. ©AWGS

gemessenen Höchstwasserstand besonders starke alternativen Anstrichen. Da auch diese zu keinen Abnutzungen zu beobachten seien. Um die Pfähle weiterführenden Ergebnissen führten, wandte man zu unterstützen, wurde daher eine Verstärkung der sich an das bis dato untätige Reichskolonialamt in Längsbalken angeordnet.316 Da diesbezüglich keine Berlin, welches erst nach mehrmaliger Anfrage den weiteren Maßnahmen vorgenommen wurden, kann Anstrich „Skandinava“, eine Art Eisenoxydfarbe, davon ausgegangen werden, dass damit die Stand- empfahl, da dieser laut deren Aussage mit Erfolg festigkeit des Unterbaus dauerhaft gewährleistet „als Schutzmasse für Wasserbauten seitens der werden konnte. Unabhängig von dem Erfolg dieser Kaiserlichen Marine verwendet wurde.“318 Folglich Baumaßnahme, wird festgestellt, dass die ange- wurde eine neue Lieferung mit besagter Farbe nach nommenen Größen der horizontalen Krafteinwir- Swakopmund geschickt. Für welchen Anstrich sich kungen im Bereich der Pfähle möglicherweise höher die Konstrukteure letztendlich entschieden hatten, ausfielen, als angenommen. Abgesehen davon sei kann jedoch nicht eindeutig belegt werden. Jeden- erwähnt, dass Wellmann nach jenen Baumaßnah- falls konnten in Bezug auf die Farbe „Skandinava“ men bis Mitte September 1912, wahrscheinlich aus keine negativen Berichte ausfindiggemacht werden gesundheitlichen Gründen, erneut vom Kolonialbe- - es kann daher angenommen werden, dass jener amten Lohse vertreten wurde. Wo sich Wellmann in Anstrich schlussendlich auch zur Anwendung kam. dieser Zeit aufhielt, ist nicht bekannt.317 Währenddessen gewann die Brücke zunehmend Abseits der Baustelle war es den Verantwortlichen an Länge – doch bald folgte die nächste Hürde: So weiterhin nicht gelungen, eine brauchbare Anstrich- stellten die Arbeiter Anfang des Jahres 1913 auf farbe zu finden. Daher beschloss die Mannheimer Höhe des Joches 24 bis 27 (eigenen Berechnungen Baudirektion Ende 1912 diesbezügliche Untersu- zufolge etwa 190 Meter vom Ufer entfernt) plötzlich chungen in Deutschland durchzuführen. Infolgedes- fest, dass das Gelände an der dortigen Stelle fast sen fragten Grün & Bilfinger zunächst bei externen senkrecht abfiel und somit die ursprünglich vorge- Sachverständigen um Rat, welche befanden, dass sehenen Pfähle mit ihren 20 Metern Länge, ange- es kein Wunder sei, dass sich die bisher getesteten sichts der extremen Tiefen von mehr als fünfzehn Anstriche als ungeeignet erwießen hätten, da sich Metern, deutlich zu kurz waren. Jetzt wurde end- Bleimennige sowie ölhaltige Anstriche wegen der gültig klar, dass die vertraglich vorgeschriebenen örtlich bedingten Umstände (aufgrund der Zinkle- Bodenuntersuchungen wohl nicht im geforderten gierung des Eisens und des salzhaltigen Meerwas- Umfang durchgeführt worden waren. Im Rahmen sers) generell nicht eigneten. Auf Basis jener neuen eines Vortrags reagierte Carl Wick auf diesbezüg- Erkenntnisse unternahmen die Ingenieure von Grün liche Vorwürfe mit dem Argument, dass aufgrund & Bilfinger auf dem Firmengelände Versuche mit der starken Brandung „die dringend notwendigen

85 Studien“ oft nur unvollständig hätten durchgeführt mindestens 200.000 Mark.326 Ein schier utopisches werden können, weshalb auch größere Abän- Ziel – dennoch wurde nun versucht, eine Reduzie- derungen notwendig wurden.319 Baurat Wellmann rung der Kosten durch einen Wegfall der Strom- war anderer Meinung. Für ihn stand fest, dass die joche zu erzielen. Neue Berechnungen ergaben Firmen ihre vertragliche Pflichtvernachlässigt hatten jedoch, dass dies aus statischen Gründen nicht und so befahl er, notwendige Untersuchungen des möglich war.327 Als Konsequenz wurde alternativ Untergrundes „schleunigst auszuführen“, um nicht ein Austausch sämtlicher Querriegel (welche bisher zu viel Zeit zu verlieren.320 Des Weiteren regte er an, aus doppelten U-Profilen bestanden) durch Differ- dass währenddessen alternativ eine weitere Holz- dingerträger veranlasst. Dadurch sollten nicht nur jochbrücke erstellt werden könne.321 Sein Vorschlag die Herstellungskosten der Profilegesenkt, sondern fand jedoch keine weitere Beachtung – stattdessen ebenfalls an Anstrichfarbe gespart werden.328 Inwie- versuchten Mitarbeiter der Firma Flender in Ben- fern mit diesen Maßnahmen tatsächlich Kosten re- rath neue Pfahlaufsätze herzustellen, damit die zu duziert werden konnten, ist zweifelhaft. Jedenfalls kurzen Pfähle, welche sich bereits in Swakopmund sollte ein möglicher Verzicht auf die Stromjoche an befanden, um deren Länge ergänzt werden konn- späterer Stelle erneut zur Debatte stehen. ten.322 Wie bereits erwähnt wurde, war aufgrund der indifferenten Quellenlage nicht klar, ob bei densel- Zwischenzeitlich wurden die neuen Pfahlaufsätze ben I-Profile oder zusammengesetzte Querschnitte geliefert und mit Erfolg auf die Profile aufmontiert. aus zwei T-Profilen zur Anwendung kamen. Nach Da die Pfähle aufgrund ihrer Länge nun bedeutend Sichtung entsprechender Aufnahmen kann gesagt schwerer waren als die vorigen, beschloss die Bau- werden, dass sich diese aus einem I- und T-Profil leitung, dass dieselben nurmehr im Wasser und ste- zusammensetzten (Vgl. Abb. 44).323 hend einbetoniert werden sollten.329 Die Hoffnungen waren groß, dass die Bauarbeiten ab sofort in alter Während die Ingenieure vor Ort damit beschäftigt Gewohnheit fortgesetzt werden konnten. Als man waren, den Änderungen durch neue Planzeich- jedoch den Bohrer von neuem ansetzte, kam es nungen einen soliden Boden zu bereiten, war das wieder zu Komplikationen: Nachdem das Gewinde Brückenpersonal erneut ohne Arbeit. Infolgedes- zunächst auf tragfähigen Felsen gestoßen war, trat sen wurde es nun endlich damit betraut, Untersu- darunter wiederum weicher Boden, die sogenannte chungen des Untergrundes durchzuführen sowie Nagelfluh, zu Tage. Aufgrund dieser heterogenen erneut die Meeresströmungen am Brückenkopf zu Konglomeratschicht musste erneut ein größerer messen. Auf diese Weise fand man wider Erwar- Bohrer aus Deutschland geordert werden. Dies ten heraus, dass diese um einiges stärker ausfie- hatte nicht nur einen weiteren Baustopp zur Folge, len, als ursprünglich angenommen. Da die Brücke sondern verursachte ebenfalls nicht unerhebliche aufgrund der starken Brandung schon einmal nach- Mehrkosten.330 Während alle Beteiligten in Swakop- träglich verstärkt werden musste, sorgten sich die mund auf den Bohrer warteten, nahmen die beiden Ingenieure auch jetzt wieder um ihre Stabilität. Als Ingenieure weitere Änderungen an der Konstruktion sie diesbezüglich die Baudirektion in Deutschland vor, da diese aufgrund des weichen Untergrundes um ihre Einschätzung baten, wurde ihnen auf der zugunsten der Stabilität erneut verstärkt werden Grundlage neuer Berechnungen jedoch versichert, musste. Daher wurden wieder neue Zeichnungen dass dahingehend keine größeren Beanspruchun- erstellt, welche im Dezember 1913 vom Reichsko- gen zu erwarten seien und das Bauwerk nicht weiter lonialamt genehmigt wurden.331 verstärkt werden müsse.324 Aufgrund aller genannten Umstände und den damit Zur selben Zeit erreichte die Firma Flender in Benrath verbundenen Anpassungen des Entwurfes waren von Seiten des Reichskolonialamts die Anfrage, ob bereits im März 1914, nachdem lediglich das ers- es nicht möglich sei, die ursprünglich veranschlag- te Drittel der Brücke fertig gestellt werden konnte, ten Baukosten von 3,5 Millionen Mark zu reduzie- bereits 2,5 der ursprünglich veranschlagten 3,5 Mil- ren. Die Gründe für die angestrebten Einsparungen lionen Mark an die Baufirmen ausgezahlt worden. dürften mit dem kostenintensiven Flottenprogramm Einen Monat später, wurde der von der Firma Grün des Deutschen Reiches einher gegangen sein, da & Bilfinger beschäftigte Ingenieur Wick von seinem hierdurch die Haushaltskassen zunehmend belastet Kollegen Richter abgelöst. Der Grund für diesen wurden.325 Obwohl bereits bekannt war, dass der Personalwechsel wurde nicht genannt. Es wurde Bau der eisernen Landungsbrücke den ursprüng- lediglich eine Abschrift gefunden, wonach Wick lichen Kostenrahmen bei weitem sprengen würde, von der Firmenleitung beurlaubt worden war.332 Je- verpflichtete sich Flender um eine Einsparung von ner Duktus deutet auf eine Suspendierung des

86 Abb 47: Durch Schüsse der Briten stürzten die Krananlagen ein - die Brücke selbst nahm jedoch keinen Schaden. ©AWGS

Ingenieurs hin - womöglich war es infolge der für den Brückenbau.335 Bis dato war es gelungen angestiegenen Baukosten zum Bruch zwischen 33 Joche zu errichten, sodass die Brücke nun über ihm und der Firma Grün & Bilfinger gekommen. eine Länge von 262,40 m verfügte.336 Infolge der Hierbei könnten ebenfalls Meinungsverschie- Okkupation durch die Briten im Jahr 1914 wurde denheiten zwischen Wick und Riesenkamp eine mehrfach versucht, die Brücke zu zerstören. Laut Rolle gespielt haben; dies lässt sich nachträglich Mathäus Richter, war sie dabei zahlreichen Schüs- jedoch nicht mehr beurteilen. Jedenfalls kann sen ausgesetzt gewesen - sie nahm dabei jedoch nachgewiesen werden, dass das Verhältnis zwi- keinen nennenswerten Schaden.337 Um die Jetty vor schen Mathäus Richter, Wicks Nachfolger, und weiteren Beschädigungen zu schützen, wies Theo- Riesenkamp denkbar schlecht war. Wie bereits dor Seitz (Letzter Gouverneur von DSWA) an, das erwähnt wurde, richtete er nach Ausbruch des Bauwerk provisorisch mit Hilfe von „Hölzern, Tau- Krieges einen Brief an die Mannheimer Baudi- werken, Ketten [...]“ abzusichern.338 Inwiefern jene rektion, worin er sich über das „schurkenhafte Maßnahmen die Stabilität der Brücke unterstützen Gebaren des Herrn Riesenkamp“ gegen ihn be- konnten, ist nicht bekannt. Jedenfalls sei erwähnt, schwerte, da dieser angeblich versuchte ihn als dass demgegenüber die hölzerne Landungsbrü- „unzuverlässigen und unfähigen Menschen“ zu cke nicht mehr gerettet werden konnte. Sie wurde diskreditieren und dabei sogar gegen ihn hand- später durch die Südafrikaner, mit Ausnahme der greiflich geworden sein soll.333 Von Riesenkamp Pfähle, abgetragen - jene Restbestände sind dort konnte diesbezüglich keine Stellungnahme aus- noch heute bei Ebbe zu erkennen, wie später noch findig gemacht werden. Unabhängig davon kann zu sehen sein wird. Im Kontrast dazu hatte sich die gesagt werden, dass die widrigen Bedingungen Jetty als praktisch unzerstörbar erwiesen. Sie hielt auf der Baustelle allen Beteiligten zunehmend an sämtlichen Beschüssen stand und blieb auch nach die Substanz gingen.334 dem Ende des Krieges „Menschen uns See zum Trotz“ stehen.339 Im Laufe des Jahres 1914, jetzt unter der Leitung von Richter und Riesenkamp, gingen die Bauar- Bevor die Betrachtungen über den Verbleib des beiten nur mehr schleppend voran und kamen Bauwerks nach der Kolonialzeit aufklären können, mit Ausbruch des ersten Weltkrieges im Juli des- sollen sämtliche Erkenntnisse vorhergehender Un- selben Jahres vollständig zum Erliegen, da bis tersuchungen in einer Zusammenfassung resü- auf wenige Maschinisten, Elektrotechniker, sowie miert werden: In Bezugnahme auf die allgemeinen dem Ingenieur Richter, sämtliches Brückenpersonal Abhandlungen des Kapitels der Balkenbrücke, gilt aufgrund der Mobilmachung eingezogen wurde. Im als erwiesen, dass die Jetty einem idealtypischen November 1914 endete auch Richters Engagement Beispiel eines solchen Bauwerks entsprach. Hier-

87 bei soll nochmals darauf verwiesen werden, dass der Entwurfsplanung konnten folglich mit jenen Eisen als Konstruktionswerkstoff in Großbritan- des realisierten Bauwerks verglichen werden. Auf nien zur Zeit der Hochindustrialisierung schon seit diese Weise wurde festgestellt, dass im Zuge der langem Verwendung fand, während es im Deut- Bauausführung ebenfalls zahlreiche Anpassungen schen Reich erst nach der Jahrhundertwende zu- am Brückenentwurf vorgenommen worden waren. nehmend zum Einsatz kam. Die Annahme, dass in Bezüglich der Planungsunterlagen kann gesagt Deutschland während der Wilhelminischen Zeit eine werden, dass die Abschriften des Brückenent- Hinwendung von hölzernen zu eisernen Brücken- wurfes über umfangreiche und äußerst detaillierte bauwerken stattfand, kann anhand des Beispiels Ausführungen verfügten. Ein bemerkenswertes Er- der eisernen Landungsbrücke, welche in Reaktion gebnis, wenn man bedenkt, dass die deutschen Kon- auf ihren hölzernen Vorgängerbau errichtet wurde, strukteure bis dato über nur wenig Erfahrungswerte bestätigt werden. Während die hölzerne Landungs- hinsichtlich der ingenieurswissenschaftlichen Praxis brücke von Beginn an als Provisorium konzipiert verfügten und überdies lediglich über Basiswissen und zudem von Laien errichtet worden war, sollte im Umgang mit neuen, industriell gefertigten Bau- beim Bau der Jetty, unter dem Einsatz von fachkun- werkstoffen wie Eisen und Beton besaßen. digem Personal, eine dauerhafte Landungsanlage erstellt werden. Dass die Firmen Flender und Grün Hinsichtlich des Materials lässt sich feststellen, dass & Bilfinger dabei großen Wert auf Sicherheit legten hier, anders als bei dem Vorgängerbau, der Aus- und infolge dessen beim Bau laut Quellenlage kein wahl des Konstruktionswerkstoffes ein besonderes einziger Arbeiter zu Tode kam, kann als ein großer Augenmerk galt. Da die Herstellung von Stahl zu je- Fortschritt gewertet werden, wenn man bedenkt, ner Zeit noch nicht weit verbreitet war, fiel die Wahl dass bei dem Vorgängerbau noch mehrere Arbeiter überwiegend auf gewalzte Profileaus Schweißeisen tödlich verunglückt waren. - ein äußerst belastbares Material, dessen Qualität seinesgleichen suchte. Damit nicht genug: Wäh- Bevor an jener Stelle auf die konstruktiven Eigen- rend es bei der hölzernen Brücke noch versäumt schaften des Bauwerks Bezug genommen werden worden war, das Material auf schadhafte Stellen kann, sei erwähnt, dass diesbezüglich dieselben zu überprüfen und es überdies unbehandelt zur Kriterien angenommen werden, wie bei der höl- Anwendung kam, waren demgegenüber beim Bau zernen Landungsbrücke: Während im Hinblick auf der Jetty zahlreiche Maßnahmen zur Qualitätssi- die Entwurfsphase des hölzernen Vorgängerbaus cherung ergriffen worden. Es wurde daher nicht nur nur marginale Bezüge ausfindig gemacht werden darauf geachtet, dass die Bauteile über eine fehler- konnten, lag im Fall der eisernen Landungsbrü- freie Oberflächenstruktur verfügten, sondern dass cke ein umfassendes Konvolut mit sämtlichen für sie vorab verzinkt und zugunsten des Korrosions- den Bau relevanten Plänen vor. Die Angaben aus schutzes mit Deckfarbe versehen wurden.

Abb. 48: Die Jetty nach der Kapitulation: Von der hölzernen Brücke waren nurmehr die Pfähle übrig geblieben ©AWGS

88 Wie für die hölzerne, so wurde ebenfalls für die Kapitel angenommen wurde, dass die Verbindun- eiserne Landungsbrücke angenommen, dass ih- gen der hölzernen Brücke aufgrund der provisori- re Dauerhaftigkeit maßgeblich von der Qualität schen Bauart lediglich dem Mittelmaß entsprachen, des Pfahlfundamentes abhängig war. Wie bereits waren jene der eisernen Landungsbrücke von erwähnt, wurden auch im Fall der Jetty geringere höchster Fertigungsqualität. Dass dies gelang, Pfahlabstände gewählt, als allgemein üblich. Wäh- kann auf fünf wesentliche Faktoren zurückgeführt rend jedoch die Pfähle der hölzernen Brücke über- werden: Einerseits wurden sämtliche Bauteile und wiegend in Sand getrieben wurden, mussten die Verbindungselemente bereits in Deutschland so Konstrukteure dieselben der eisernen Brücke in den weit wie möglich vorgefertigt, andererseits waren tiefergelegenen Granitfelsen einlassen, beziehungs- die eisernen Profile und Nieten, welche beim Bau weise in die vielschichte Nagelfluh.Im Zuge dessen zur Anwendung kamen, äußerst formstabil. Darüber wurden aufwändige Bohrungen und Betonierarbei- hinaus wurden sämtliche Werkstoffe mustergültig ten notwendig. Die Herstellung des Fundamentes vorbehandelt. Zusätzlich wurden sämtliche Bauar- war also mit einem deutlich höheren Aufwand ver- beiten sowohl von der Bauleitung als auch von den bunden als dies bei sämtlichen dortigen Vorgänger- deutschen Behörden genaustens überprüft. Auch bauten jemals der Fall gewesen war. Darüber hinaus die exakte Arbeitsweise der beschäftigten Fachar- galt Beton zu jener Zeit als ein wenig erforschter beiter trug zur Qualität des Bauwerks bei. Werkstoff. Wenngleich also die Fundamentierung mit großen Hürden einherging, versprachen sich die Angesichts des hohen Detaillierungsgrades der Konstrukteure hierdurch zumindest den Vorteil einer Plangrundlagen und der überragenden Fertigungs- formstabilen Gründung. Darüber hinaus dürfte man technik der deutschen Brückenbauer erscheint die davon ausgegangen sein, dass bei der Brücke auf- Tatsache, dass der Bau von einer Reihe fehlgeleiteter grund ihrer Skelettbauweise keinerlei Versandungs- Planungen und Baustopps begleitet wurde, beinahe gefahr bestand. Ein voreiliges Urteil, wie sich später schon nebensächlich. Tatsächlich handelte es sich noch zeigen wird. hierbei um keine Lappalien - darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die zahlreichen Die Gliederung des Oberbaus orientierte sich mehr- Verzögerungen bei einer weitsichtigeren Planung heitlich an demselben der hölzernen Brücke. Ei- vermeidbar gewesen wären. Zu den wichtigsten nerseits deswegen, da im deutschen Brückenbau Änderungen zählten: Die Verschiebung der Brücke bekanntermaßen eine direkte Übertragung der nach Süden, die Errichtung eines neuen Widerlagers, Kenntnisswerte vom Holzbau auf jene der eisernen die Anwendung von gestampftem statt geschlemm- Bauwerke stattfand. Andererseits wird angenom- tem Beton, die Verwendung leistungsfähiger- men, dass die Ingenieure die Konstruktion deswe- er Gesteinsbohrer sowie Tiefbohrwinden, die Aus- gen relativ einfach hielten, damit ein Austausch von wahl des Farbanstrichs „Skandinava“ statt einer schadhaften Bauteilen möglichst leicht erfolgen Deckfarbe auf Bitumenbasis, eine nachträgliche konnte. Dies mag auch ein Grund dafür gewesen Verstärkung sämtlicher Längsträger sowie tragen- sein, dass die Längs- und Querträger des Oberbaus der Bauteile des vorderen Brückenabschnittes und in einer Ebene lagen. Einerseits wurde hierdurch eine bauliche Anpassung im Bereich der Querträ- die Bauteilhöhe verringert, andererseits wurde ger, wobei sämtliche U-Profile durch Differdinger- garantiert, dass an jeder Stelle ein Profiltausch träger ersetzt wurden. vorgenommen werden konnte, ohne dabei den Lan- dungsbetrieb zu beeinträchtigen. Das wurde auch Bezeichnenderweise können, mit Ausnahme der deswegen möglich, da jedes Pfahlpaar zusammen Verschiebung des Widerlagers sowie der Adap- mit dem oberseitigen Joch einen formstabilen Rah- tionen hinsichtlich der Deckfarbe, sämtliche An- men ausbildete und auf diese Weise sämtliche Last- passungen auf eine gemeinsame Ursache zurück- einwirkungen anhand der im Fachwerkverband an- geführt werden: Während der hölzernen Brücke gelegten Aussteifungen gleichmäßig über mehrere zuvor noch das minderwertige Material den Garaus Pfahlreihen hinweg verteilt werden konnten. bereitet hatte, fielen bei der eisernen Landungsbrü- cke die unzureichenden Kenntnisse bezüglich des Wie eingangs erwähnt wurde, war für die Stand- Untergrundes maßgeblich ins Gewicht. Hierdurch festigkeit des Bauwerks nicht nur die Fundament- wurden nicht nur die bereits erwähnten Baustopps beziehungsweise Tragwerksart von elementarer verursacht - durch die zahlreichen Planungsände- Bedeutung, sondern ebenfalls die jeweiligen Ver- rungen wurden überdies die Baukosten exorbitant bindungsarten. Dies betraf insbesondere den Über- in die Höhe getrieben. Warum die Firmen die ver- gang von Unter- zu Oberbau. Während im vorigen traglich vorgeschriebenen Bodenuntersuchungen

89 derart vernachlässigt hatten, ist bis heute unklar. Als festgestellt werden, dass die eiserne Landungs- Ingenieur Wick auf jenen Misstand angesprochen brücke ihren Vorgängerbau nicht nur aufgrund der wurde, führte er zu seiner Verteidigung an, es seien größeren Dimensionen, sondern ebenfalls hinsicht- aufgrund der starken Brandung keine ausführliche- lich der konstruktiven Qualität um Längen übertraf. ren Untersuchungen möglich gewesen.340 In Anbe- Das ist insofern bemerkenswert, da sie unter denk- tracht der zur Verfügung stehenden Mittel stellten bar schwierigen Witterungsbedingungen und ohne die Brandungs- und Witterungsverhältnisse sicher- nennenswerte Vorkenntnisse entstanden war. Des lich eine große Hürde dar. Dass den Planern jedoch Weiteren wird auf Basis sämtlicher Annahmen die der steile Geländeabfall auf Höhe des 24. Joches These vertreten, dass sie sich der Theorie nach in gänzlich unbekannt war, lässt sich hierdurch nicht hohem Maße als Landungsstelle eignete. Man wäre entschuldigen und ist eindeutig das Resultat ei- verleitet sie daher im selben Atemzug als die bedeu- ner mangelhaften Untergrunduntersuchung. Diese tendste Hafenanlage Swakopmunds zu betiteln. Ein Nachlässigkeit geschah sicherlich aus Gründen der vorschnelles Urteil, denn in Realität hatte an ihr bis Kosten- und Zeitersparnis – mit fatalen Folgen. We- zum Ausbruch des ersten Weltkrieges kein einziges nigstens schien der Brücke hieraus qualitativ kein Schiff angelegt, da bis dato der Umschlagbetrieb Nachteil entstanden zu sein. Nichts desto trotz steht ausnahmslos an der hölzernen Landungsbrücke außer Frage, dass der daraus resultierende Zeitver- staffand. Die Frage, ob sich die eiserne Landungs- lust enorm war - so hatten die vorigen Darstellungen brücke in der Praxis ebenfalls als dauerhafte Lan- gezeigt, dass die Arbeiten aufgrund der genannten dungsanlage bewähren konnte, muss also zunächst Anomalien fast das gesamte Jahr 1913 über geruht offen bleiben. Wie bereits erwähnt wurde, kamen hatten. Es ist wahrscheinlich, dass die Brücke ohne sämtliche Bauarbeiten mit Ausbruch des ersten jene Verzögerungen bis zum Ausbruch des Krieges Weltkrieges vollständig zum erliegen. Während- mindestens doppelt so lang hätte sein können. So- dessen hatte die Jetty keine bestimmte Funktion mit kann analog zum vorigen Kapitel festgehalten inne und ging im Jahr 1919 in den Besitz Südafri- werden, dass zum Gelingen eines solchen Bauvor- kas über. Welcher Nutzung sie dann unterlag und habens umfangreiche Studien über die örtlich be- welche baulichen Maßnahmen in den vergangenen dingten geologischen Verhältnisse das Maß aller Jahrzehnten an ihr vorgenommen wurden, soll Ge- Dinge sind. Ungeachtet dessen kann abschließend genstand der nachfolgenden Untersuchungen sein.

281 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, 292 Vgl. Baudirektion FGB: Telegramm an die Bauleitung. S. 22 Swakopmund, 04. 01. 1912 (AWGS) 282 Vgl. Baudirektion FGB: An die Baustelle Swakopmund. 293 Vgl. Baudirektion FGB: An die Baustelle Swakopmund. Mannheim, 27.03.1912 (AWGS) Mannheim, 22. 12. 1911 (AWGS) 283 Vgl. Richter, Mathäus: An Grün & Bilfinger Akt. Ges. 294 Wellmann: An die Bauunternehmung der Landungs- Mannheim. Swakopmund, 23. September 1915 (UAB) brücke. Kaiserliches Hafenamt, Swakopmund, 24. Juni 1912 (NAW) 284 Vgl. Baudirektion FGB: An die Baustelle Swakopmund. Mannheim, 03. 01. 1914 (AWGS) 295 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, S. 221 285 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- mund. 1967, S. 72 296 Vgl. Baudirektion FGB: Details zur Brückenlage. Mannheim. 22. April 1912 (AWGS) 286 Vgl. o. V.: Andere Hafenangelegenheiten. In: BSW 180, 1.5 (NAW) 297 Vgl. Direktion Flender: Neues Widerlager. Telegramm, Swakopmund, 04. Juni 1914 (AWGS) 287 Vgl. Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DS- WAZ, April 1913 (AWGS) 298 Vgl. Baudirektion FGB: An die Baustelle Swakopmund. Mannheim, 13. 04. 1912 (AWGS) 288 Vgl. o. V.: Angebot der Firma Goodwin, Barsby & Co für eine „Crushing Machine“. Swakopmund, 04. 11. 1911 299 Vgl. Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DS- (AWGS) WAZ, 1913 (AWGS) 289 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, 300 Vgl. Baudirektion FGB: Fachartikel mit Anleitungen für S. 118 ff. Beton. Mannheim, 29. 03. 1912 (AWGS) 290 Vgl. a.a.O., S. 221 301 Solf, Heinrich: An die Bauunternehmung für die Lan- 291 Vgl. ebd. dungsbrücke Swakopmund. Reichskolonialamt Berlin, 29.

90 03. 1912 (AWGS) 322 Vgl. Direktion Flender: An die Bauunternehmung für die Landungsbrücke Swakopmund. Benrath, 17. 01. 1913 302 Vgl. Baudirektion FGB: An die Baustelle Swakopmund. (AWGS) Herstellung der Pfähle. Mannheim, 22.04.1912 (AWGS) 323 Vgl. Wellmann: An das Kaiserliche Hafenamt. Swakop- 303 Vgl. Wick; Riesenkamp: Bericht an die Verwaltungs- mund, 07. 02. 1913 (AWGS) stelle Mannheim. Swakopmund, 10. 04. 1912 (AWGS) 324 Direktion Flender: An die Baustelle Swakopmund. 304 Vgl. Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DS- Benrath, 17. 01. 1913 (AWGS) WAZ, 1913 (AWGS) 325 Vgl. Rahn, Wwerner (Hrsg.) / MGFA: Deutsche Marinen 305 Vgl ebd. im Wandel: Vom Symbol nationaler Einheit zum Instrument 306 Vgl. Baudirektion FGB: Herstellung der Pfähle. An die internationaler Sicherheit. Oldenburg 2005, S. 148 Baustelle Swakopmund. Mannheim, 22.04.1912. In: Unka- 326 Direktion Flender: An die Bauunternehmung für die talogisierte Unterlagen (AWGS) Landungsbrücke Swakopmund. Benrath, 17. 01. 1913 307 Vgl. Wick; Riesenkamp: Bericht an die Verwaltungs- (AWGS) stelle Mannheim. Swakopmund, 10. 04. 1912 (AWGS) 327 Vgl. Wellmann: An das Kaiserliche Hafenamt. Swakop- 308 Vgl. Baudirektion FGB: Abschrift Tiefbohrwinden. mund, 07. 02. 1913 (AWGS) Mannheim, 12. 06. 1912 (AWGS) 328 Vgl. Wellmann: An die Bauunternehmung. Kaiserliches 309 Vgl. Direktion Flender: An die Bauunternehmung für Hafenamt. Swakopmund, 19. 02. 1913 (AWGS) die Landungsbrücke. Benrath, 18. Juni 1912 (AWGS) 329 Vgl Wellmann; Riesenkamp: An das kaiserliche Hafen- 310 Vgl. Flender; Grün & Bilfinger: Landungsbrücke Ver- amt. Betreff Pfahlbetonage. Kaiserliches Hafenamt, Swa- tragliches. In: BSW 105 U.A. 317 (NAW) kopmund, 01. 09. 1913 (AWGS) 311 Vgl. Direktion Flender: An die Bauunternehmung für 330 Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DSWAZ, die Landungsbrücke Swakopmund. Benrath, 18. Juni 1912 1913 (AWGS) (AWGS) 331 Baudirektion FGB: An die Bauunternehmung für die 312 Vgl. Wick; Riesenkamp: An das kaiserliche Hafenamt. Landungsbrücke. Swakopmund, 17. Januar 1913 (AWGS) Swakopmund, Juni 1912 (AWGS) 332 Baudirektion FGB: Beurlaubung Carl Wick. Mannheim, 313 Vgl. Wick; Riesenkamp: An das kaiserliche Hafenamt. März 1914 (AWGS) Swakopmund 12. November 1912 (AWGS) 333 Richter, Mathäus: An Grün & Bilfinger. Swakopmund, 314 Vgl. Direktion Flender: An die Bauunternehmung für 1915 (UAB) die Landungsbrücke Swakopmund. Benrath, 18. Juni 1912 (AWGS) 334 Direktion Flender: An die Bauunternehmung für die Landungsbrücke Swakopmund. Benrath, 17. 01. 1913 315 Vgl. Wick; Riesenkamp: An das Kaiserliche Hafenamt. (AWGS) Swakopmund, 12. 11. 912 (AWGS) 335 Hörlein, Hans: Kündigung des Dienstvertrages von 316 Vgl. Wellmann: An die Bauunternehmung der Lan- Mathäus Richter. Otjiwarongo, 01. 05. 1915 (UAB) dungsbrücke. Kaiserliches Hafenamt, Swakopmund, 08. 07. 1912 (AWGS) 336 Vgl. Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- mund. o. A., o. J. 317 Vgl. Lohse: An die Bauunternehmung. Swakopmund, 30. August 1912 (AWGS) 337 Mathäus Richter: An Grün & Bilfinger. Swakopmund, 1915 (UAB) 318 Vgl. Baudirektion FGB: An die Baustelle Swakopmund. Mannheim,17. Januar 1913 (AWGS) 338 Seitz, Theodor: Schreiben an Ingenieur Richter. Pro- visorische Aussteifung der Landungsbrücke. Windhuk, 6. 319 Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DSWAZ, Oktober 1914 (UAB) 1913 (AWGS) 339 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, 320 Vgl. Wellmann: An das Kaiserliche Hafenamt. Swakop- S. 221 mund, 07. 02. 1913 (AWGS) 340 Vgl. Wick, Carl: Die neue Landungsbrücke. In: DS- 321 Vgl. ebd. WAZ, 1913 (AWGS)

91 7.3.3 Umbau und Sanierungen

An dieser Stelle soll über den weiteren Verbleib matisch in den Besitz der Regierung in Kapstadt der Landungsbrücke nach dem Ende der deut- übergingen. Da die britische Enklave Walfischbucht schen Kolonialzeit aufgeklärt werden. Im Rahmen samt des Hafens ebenfalls an Südafrika abgetreten einer chronologischen Abhandlung soll dabei der wurde, war Swakopmund als Hafenstandort nicht wesentliche Fokus auf konstruktiven Aspekten lie- länger attraktiv. Aus diesem Grund beschloss die gen, um aufzuzeigen, welcher Nutzung sie jeweils südafrikanische Mandatsverwaltung, dass die Brü- unterlag und welche Umbau- beziehungsweise Sa- cke zukünftig als Promenade für Fußgänger Ver- nierungsarbeiten an ihr im Laufe der vergangenen wendung finden sollte. Zu diesem Zweck wurden Jahre vorgenommen wurden. Hierbei wird sowohl sämtliche Gleisanlagen des Oberbaus durch ei- auf die jeweiligen Vorarbeiten und relevanten Ent- nen Holzbohlenbelag ersetzt und am Brückenkopf wurfsphasen Bezug genommen, als auch auf die vier Sitzbänke errichtet. Nachdem die Umbaumaß- Bauausführung selbst. Im Zuge dessen soll eben- nahmen in den 1920er Jahren abgeschlossen wa- falls erwähnt werden, welche Baumaterialien zur ren, wurde die Brücke für Spaziergänger und Angler Anwendung kamen und inwiefern sich diese im freigegeben.341 Damit verlor das Bauwerk funktional Kontext der geologischen und umweltbedingten an Bedeutung. Nichts desto trotz war die Brücke Rahmenbedingungen und hinsichtlich der konstruk- schon damals zu einem wichtigen visuellen Bezugs- tiven Anforderungen empfahlen. Zusätzlich soll er- punkt innerhalb des kollektiven Gedächtnisses ge- neut auf die Frage Bezug genommen werden, ob worden - doch dazu später mehr.342 sich die Brücke nach der Kolonialzeit als dauerhafte Landungsanlage bewähren konnte. Darüber hinaus Nach dem Umbau und der Wiederöffnung war werden erste Erkenntnisse zugunsten nachfolgen- es Anfang der dreißiger Jahre längs der Brücke der Betrachtungen gesammelt, welche sich wiede- aus unerklärlichen Gründen zu dem Phänomen rum eingehend mit der besonderen Bedeutung des einer Sandverschiebung gekommen. Die Sandab- Bauwerks und dessen Rolle als Wahrzeichen der lagerungen führten dazu, dass das Bauwerk 1934 Stadt Swakopmund beschäftigen. komplett auf dem Trockenen stand (Vgl. Abb. 49). Es wird vermutet, dass es sich hierbei um eine ähn- Vorab soll jedoch auf die historischen Ereignisse liche Sandverschiebung handelte, wie sie sich be- Südwestafrikas nach dem Ende des ersten Welt- reits Ende des 19. Jahrhunderts in Swakopmund krieges eingegangen werden: Aufgrund der Bestim- ereignet hatte. Demnach wird festgestellt, dass der mungen des Versailler Vertrages wurde die Kolonie Fluss Anfang der dreißiger Jahre aufgrund von stär- ab 1919 unter das Mandat Südafrikas gestellt, wo- keren Regenfällen wieder überdurchschnittlich viel mit sämtliche deutsche Kolonialbauten und damit Wasser geführt haben dürfte, sodass sich nörd- auch die Swakopmunder Landungsbrücke auto- lich der Mündung auf Höhe der Brücke eine Sand-

Abb. 49: Versandete Brücke: Das Phänomen ereignete sich erstmalig im Jahr 1934. ©AWGS

92 Abb. 50: Rein äußerlich betrachtet schien die Brücke dem Tode geweiht - doch der Eindruck täuscht. ©AWGS

bank gebildet hatte. Hieraus resultiert wiederum die re Äußerungen wurden im Frühjahr 1984 im Rahmen Erkenntnis, dass die ursprüngliche Annahme, wo- eines Zeitungsbeitrages veröffentlicht. Die befrag- nach bei einer Landungsbrücke generell keinerlei ten Sachverständigen ließen darin verlauten, dass Versandungsgefahr bestünde, zumindest teilweise die „Rettung der Brücke […] kein Problem“ darstel- revidiert werden muss. Im Falle der Jetty war die le.345 Auch die Sanierungsmaßnahmen schätzten sie Versandung jedoch nicht von langer Dauer und so als relativ überschaubar ein, da weiterhin nicht in Er- kehrte das Meer nach und nach wieder an die Stel- wägung gezogen wurde, die Brücke als Schiffsan- le der alten Strandlinie zurück.343 legestelle zu reaktivieren. Laut ihrer Aussage wären daher keine zusätzlichen Verstärkungen von tra- Inzwischen hatte sich Swakopmund zu einem be- genden Bauteilen notwendig. Auch der Stadtinge- liebten Erholungsort entwickelt und so gewann auch nieur Lindner zeigte sich in Bezug auf den Zustand die Landungsbrücke als Ausflugszielkulturell an Be- der Brücke äußerst optimistisch. Laut seiner Kennt- deutung.344 Nach den Umbauten in den zwanziger nis, hätten Untersuchungen an der Konstruktion Jahren waren in den nachfolgenden Jahrzehnten je- ergeben, dass das Material noch immer über eine doch keine weiteren Maßnahmen für den Erhalt des ausreichende Stabiltität verfüge, sodass einer Sa- Bauwerks unternommen worden, wie zum Beispiel nierung nichts im Wege stehe. eine Untersuchung der Bauteile auf Korrosion, be- ziehungsweise eine Erneuerung der Deckanstriche. Nebenbei bemerkt flammteparallel zu jenen Debat- Stattdessen überließ man die Brücke mehr oder we- ten ein weiteres Mal die Idee auf, alternativ in den niger ihrem Schicksal. Die Quittung folgte Anfang Ausbau der alten Mole zu investieren. Ähnliche Dis- der achtziger Jahre: Aufgrund von Korrosion schien kussionen hatte es zuletzt gegen Ende der deut- das Bauwerk in einem derart schlechten Zustand schen Kolonialzeit gegeben, welche damals aus zu sein, sodass es von der Stadtverwaltung am 3. Kostengründen wieder fallen gelassen werden Dezember 1983 gesperrt werden musste. Während mussten. Ungeachtet der Tatsache, dass sich am der Stadtrat über mögliche Sanierungsmaßnahmen Beispiel der alten Mole eindrücklich gezeigt hat- debattierte, kamen in der Bevölkerung große Zwei- te, dass bei einer massiven Ufereinfassung an dem fel auf, ob die Brücke, angesichts ihres äußerlich dortigen Standort stets mit einer Versandung des desolaten Zustandes, überhaupt noch zu retten sei. Hafenbeckens gerechnet werden musste, erschien Infolgedessen erreichten etwa die Redakteure der zahlreichen Sachverständigen eine Molenreaktivie- Allgemeinen Zeitung in Windhuk zahlreiche Leser- rung noch immer als eine denkbare Lösung, da die briefe von besorgten Bürgern. In Reaktion auf jene eiserne Brücke laut deren Meinung aufgrund des Zuschriften baten die Journalisten renommierte In- allgemein hohen Korrosionsgrades ohnehin über genieure um eine diesbezügliche Einschätzung. Ih- eine beschränkte Lebensdauer verfüge und selbst

93 bei bester Pflege nur hundert Jahre halten würde. stoffkunde, welche an sich dem damaligen Stand In Zuge dessen wurde ebenfalls angeregt, nicht nur der Technik entsprachen, jedoch nur vereinzelt auf den Querarm des Kais zu verlängern, sondern die- die dortigen geologischen und witterungsbedingten sen zusätzlich zu einem großen Yachthaften auszu- Verhältnisse eingingen. Außerdem fanden wichtige bauen. Vielen Bürgern war das tragische Ende der Basisinformationen, wie etwa Angaben zu den Un- Mole aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern tergrundverhältnissen kaum Erwähnung.351 noch immer präsent, weshalb jener Vorschlag nicht auf fruchtbaren Boden fiel.346 Aus heutiger Sicht Als die Ausschreibung publik gemacht wurde, gin- erscheint eine Reaktivierung der Mole durchaus gen bei der Stadt insgesamt sieben Angebote ein, machbar - doch dazu später mehr. woraufhin, nach einer außerordentlichen Ratsver- sammlung im September 1984, schlussendlich Um die Landungsbrücke vor ihrem Verfall zu retten, dem südafrikanischen Tiefbauunternehmen Mur- folgte eine Initiative, wie sie in der Nachkriegsge- ray & Stewart der Zuschlag erteilt wurde.352 Für schichte von Südwestafrika beispiellos war. Hierfür das Projekt wurde eine Gesamtsumme von 10 Mil- schlossen sich unter der Leitung des Swakopmun- lionen Südafrikanische Rand veranschlagt.353 Da- der Bürgermeisters Jörg Henrichsen ab 1984 zahl- bei sollten die Bauhandlungen folgende Leistungen reiche Bürger zu dem Bündnis „Save The Jetty“ umfassen: Die ersten siebzehn Pfahlpaare der Brü- zusammen. Im Rahmen dessen wurden, mit Un- cke sollten von sämtlichen Horizontal- und Diago- terstützung der Allgemeinen Zeitung und lokalen nalstreben (Aussteifung) befreit werden. Danach Unternehmen, eine Reihe von Spendenaufrufen ge- galt es die Eisenprofile von Rost und anderen Ver- startet, welche der Sanierung der Brücke, die schon schmutzungen zu reinigen. Des Weiteren sollten die damals als ein „einzigartiges Erbe“ Swakopmunds Pfähle, unter Ausnutzung der bestehenden Beton- galt, zugutekommen sollten.347 Dabei wurden eben- fundamente, durch neue Betonummantelungen bis falls Privatpersonen aus Swakopmund und dem zu den Längsträgern oberhalb der Wasserlinie er- nahen Umland aktiv. Beispielsweiße wurde durch gänzt werden, sodass diese samt Mantel über einen einen gewissen Herrn von Gruters aus Omaruru an- Durchmesser von einem Meter verfügten. Nach Ab- geregt, zugunsten der Spendenaktionen eine Brief- schluss der Betonierarbeiten sollten die verstärkten markenserie mit Abbildungen historischer Gebäude Betonpfeiler nachträglich mit den originalen Längs- Swakopmunds zu produzieren und diese gewinn- bringend zu verkaufen.348 Des Weiteren veranstalte- te die Modedesignerin Karberg eine Modenschau, um Spendengelder zu sammeln. Sowohl der Ver- kauf der Briefmarken als auch die im Rahmen der Modenschau gesammelten Einkünfte sollten allein dem Fond der Brücke zugutekommen.349

Währenddessen bereitete die Stadtverwaltung zu- gunsten der Sanierung eine öffentliche Ausschrei- bung vor. Diesbezügliche Recherchen ergaben, dass jene Unterlagen bereits 1981 aufgesetzt wor- den waren, also zu einem Zeitpunkt, als die Brücke noch geöffnet war. Offenbar war die Stadtverwal- tung schon zu jenem Zeitpunkt davon ausgegan- gen, dass die Brücke zeitnah baufällig werden würde.350 Zu den Ausschreibungsunterlagen selbst lässt sich sagen, dass sie Sanierungen der Pfähle unter Verwendung von Ortbeton vorsahen. In Be- zugnahme auf die starke Brandung wurde expli- zit auf die besonderen Anforderungen hinsichtlich des Unterbaus eingegangen. Dahingehend wurde aufgezeigt, dass die stärkste Abnutzung des Be- tons oberhalb der Wasserlinie zu erwarten sei, wes- halb selbiger an jener Stelle über eine höhere Dichte verfügen müsse. Ansonsten bezogen sich sämtli- che Inhalte auf allgemeine Annahmen aus der Bau- Abb. 51: Taucher untersuchen das Fundament. ©AWGS

94 Abb. 52: Aufgrund der starken Brandung mussten die Bauarbeiten immer wieder unterbrochen werden. ©AWGS und Querträgern des Oberbaus, welche nicht er- Hausdurchsuchungen durch die Briten zu befürch- setzt werden mussten, verbunden werden.354 Laut ten waren, bekam er „kalte Füße“ und warf die Gra- Vertag war die Firma Murray & Steward maßgeblich nate kurzerhand von der Brücke ins Meer.358 für die Erneuerung des Unterbaus und der Aufla- ger zuständig, während die Erneuerung des Boden- Zurück zu den Bauarbeiten: Da es sich mit Murray aufbaus samt Belag, Geländer und Sitzbänke der & Steward um eines der renommiertesten Tiefbau- Stadtverwaltung unterlag.355 unternehmen Südafrikas handelte, war der Stadtrat von Anfang an davon überzeugt, dass es keine an- Ähnlich der Arbeiten bei der Jetty im Jahr 1911, ging dere Firma gegeben hätte, welche für diese Bau- auch jener Sanierung eine Phase mit vorbereitenden aufgabe geeigneter gewesen wäre. Entgegen aller Maßnahmen voraus. Erstmals wurden dabei auch Erwartungen gingen die Bauarbeiten an der Brücke umfassende Untersuchungen des Untergrundes jedoch nur äußerst schleppend voran – womöglich vorgenommen, indem Taucher selbigen eingehend deswegen, da die Beteiligten die Stärke der Bran- auf seine Beschaffenheit überprüften. Zusätzlich dung maßlos unterschätzt hatten. „Die Reparatur- galt es, die Betonpfähle samt der Eisenprofile zu arbeiten an der Brücke waren wahrlich kein Spaß.“, begutachten und von Muscheln und Seetang zu so ein Zitat der Bauarbeiter in der Namib Times, „Im reinigen. Aufgrund der schweren Brandung mussten kalten Atlantik zu arbeiten mit solch starkem Wind die Arbeiten immer wieder unterbrochen werden.356 und Wellen, welche Höhen von bis zu sechs Metern Erste Untersuchungen der Pfähle zeigten, dass das erreichen konnten, machten die Arbeiten zu einem Fundament in einem überraschend guten Zustand äußerst schwierigen Unterfangen.“359 Nachdem die- war, jedoch demgegenüber die Pfähle in Ufernä- se insbesondere im Zeitraum zwischen Dezem- he stärkere Anzeichen von Korrosion aufwiesen.357 ber 1985 und April 1986 zunehmend stagnierten, Nebenbei bemerkt wurde im Zuge der Tauchar- wandte sich Bürgermeister Jörg Henrichsen an den beiten unerwarteterweise eine Leuchtgranate aus Geschäftsführer von Murray & Stewart und brach- dem ersten Weltkrieg entdeckt, sodass die Arbeiten te seine Enttäuschung über den geringen Baufort- kurzzeitig unterbrochen werden mussten. Anschlie- schritt zum Ausdruck. Darüber hinaus ermahnte ßend musste eine Spezialfirma aus Walfischbucht er die Firmenleitung, zukünftig ihren vertraglichen mit der Bergung des Sprengkörpers beauftragt wer- Pflichten nachzukommen und die Baumaßnah- den. Von wem die Granate stammte und wie sie dort men zu beschleunigen. In Reaktion auf diese Rü- hingekommen war, ist unklar. Einer Legende nach ge sah man sich immerhin dazu veranlasst, einen ist sie im ersten Weltkrieg von einem deutschen Bauleiter nach Swakopmund zu bestellen, wonach Soldaten als Souvenir von der südafrikanischen die Arbeiten zumindest temporär beschleunigt wer- Grenze mitgebracht worden. Da nach Kriegsende den konnten. Danach kam es jedoch, ähnlich des

95 Phänomens von 1934, erneut zu Sandablagerungen ten und eine Reihe von Nutzungsvorschriften zu be- entlang der Brückenachse, sodass sich die Bauar- schließen.362 Nach der Klärung jener Formalitäten, beiten erneut verzögerten. Darüber hinaus wurde wurde die Brücke am 13. Dezember 1986 feierlich anhand von nachfolgenden Untersuchungen fest- wiedereröffnet.363 Anlässlich dessen hielt Henrich- gestellt, dass die Brücke nicht an allen Stellen den sen eine Rede, in welcher er insbesondere die Ang- konstruktiven Anforderungen an das Bauwerk ent- ler dazu ermahnte, sich an die Nutzungsvorschriften sprach, weshalb zusätzliche Reparaturmaßnahmen zu halten, da es sonst „Ärger gebe“, sollte die Brü- notwendig wurden.360 cke zukünftig durch sie verschmutzt werden.364

Ende August konnten die Sanierungsarbeiten end- Henrichsens Aversionen gegenüber den Anglern lich abgeschlossen werden. Damit hatten sie knapp führten so weit, sodass er sich auch in den nachfol- ein Jahr länger gedauert als ursprünglich geplant genden Jahren dazu verpflichtetfühlte, auf der Brü- und zum Missfallen des Bürgermeisters einige cke regelmäßig „nach dem Rechten“ zu sehen, denn Mehrkosten verursacht. Henrichsen sah diesbezüg- das Angeln war dort nurmehr in einem bestimmten lich die Schuld ausschließlich bei der Baufirma. Er Bereich erlaubt.365 Der Zufall wollte es, dass er bei vertrat dabei sogar die Auffassung, dass Murray & einem Strandspaziergang im April 1988 einen Bür- Stewart rückblickend betrachtet nie der Auftrag für ger dabei erwischte, wie er in dem untersagten Teil jenes Projekt hätte erteilt werden dürfen.361 Nichts direkt neben dem Verbotschild angelte. Nach einer desto trotz war man froh, dass die Landungsbrü- handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen den cke entgegen der schlimmsten Befürchtungen, ge- beiden Männern wurde in Reaktion auf jenen Vor- rettet werden konnte. Bevor sie wiedereröffnet fall beschlossen, den Anglern den Aufenthalt auf der wurde, sollte es im Stadtrat jedoch zu einer Rei- Brücke nun gänzlich zu verbieten. Nach jenem Be- he von Diskussionen in Bezug auf eine mögliche schluss wurde die Brücke ab dem Jahr 1988 fort- Nutzung kommen: Unter den Mitgliedern herrsch- an ausschließlich als Promenade genutzt.366 Nichts te Uneinigkeit darüber, ob das Bauwerk auch für desto trotz war das Bauwerk bereits ca. zehn Jahre Angler freigegeben werden oder ausschließlich den später wieder derart baufällig geworden, sodass es Fußgängern vorbehalten sein sollte. Bürgermeis- ein weiteres Mal vollständig gesperrt werden muss- ter Henrichsen war für ein striktes Anglerverbot, da te. Relativ schnell wurde klar, dass nun deutlich um- er der Auffassung war, dass der vormals schlechte fangreichere Sanierungsarbeiten notwendig wurden Zustand der Brücke auf das Konto der Angler ging. als in den Jahren 1986/87. Bis es dazu kommen Man einigte sich schlussendlich darauf, die Brücke sollte, vergingen jedoch mehr als sieben Jahre.367 sowohl für Fußgänger als auch für Angler frei zu hal- Erst ab dem Jahr 2005 wurden konkrete Pläne für

Abb. 53: Interessanter Fund: Während der Sanierung wurden alte Bohrwinden aus der Kolonialzeit geborgen. ©AWGS

96 eine Sanierung ausgearbeitet. Daraufhin fand wie- jüngsten Forschungsergebnisse führender Instituti- derum eine öffentliche Ausschreibung statt, deren onen aus Deutschland, Kanada, Japan und den Unterlagen von Martin Laubscher (Ingenieur und USA beriefen, sondern überdies auf die besonde- ehemaliger Projektleiter bei Kraatz Marine) vorberei- ren Witterungsbedingungen in Swakopmund Bezug tet worden waren. Laut jener Abschrift wurde für die nahmen.370 Bevor der Fokus nach jener Übersicht Sanierung ein Budget von nur 4,2 Millionen Rand auf die konkreten Sanierungsarbeiten gelegt wer- vorgesehen, was angesichts des Umfangs an not- den kann, soll erwähnt werden, dass sich jene Maß- wendigen Bauhandlungen äußerst knapp bemes- nahmen in zwei Bauphasen gliedern lassen. Bei der sen war.368 Jedenfalls wurden darin ebenfalls die ersten Bauphase sollten aus Kostengründen ledig- jeweiligen Baumaßnahmen dargelegt, wobei vorge- lich die ersten 170 Meter der 260 Meter langen Brü- sehen wurde, die Betonummantelungen der Pfähle, cke erneuert werden. Später wurde beschlossen, welche in den 1980er angebracht worden waren, zu auch den Brückenkopf zu sanieren. Die Beweg- erneuern sowie den gesamten Oberbau durch eine gründe, welche zu jener Entscheidung führten, wer- neue Trägerstruktur aus Stahlbeton zu ersetzen.369 den an späterer Stelle aufgegriffen.371

Anders als bei den Sanierungen der 1980er Jahre, Wie bereits die Sanierungen der 1980er Jahre, gin- wurden dieses Mal deutlich umfangreichere Anga- gen auch jene der 2000er Jahre mit einigen Hür- ben zu den Baumaßnahmen sowie der Herstellung den einher. Demnach war es bereits während der und Verwendung sämtlicher Baumaterialen ge- Vorarbeiten zu einer Reihe von Komplikationen ge- macht. Eine ausführliche Darstellung derselben kommen. „Es war ein wahrer Albtraum.“, so Martin kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Den- Laubscher, „Die Balken der Brücke waren rein äu- noch sollen die wichtigsten Details an dieser Stel- ßerlich betrachtet von solch einem schlechten Zu- le im Wortlaut skizziert werden: Für die Sanierung stand, sodass wir nicht einmal wussten, ob sie den der Pfähle (gemeint ist der eiserne Kern) wurde Mobilkran, mit welchem die eisernen Träger aus- angeführt, dass diese beibehalten, während die getauscht werden sollten, aushalten würden.“ Aus Ummantelungen aus den 1980er Jahren entfernt diesem Grund wurden umfangreiche statische Un- und durch eine neue Hülle aus Unterwasserbeton tersuchungen notwendig. Parallel führte „B-4 En- ersetzt werden sollten. Neben der genauen Angabe gineering and Diving“ eine Reihe von Tauchgängen des jeweiligen Mischverhältnisses des Betons, soll- durch, wobei das nahezu hundertjährige Funda- ten ihm ebenfalls Zusatzmittel beigemischt werden, ment erneut auf dessen Beschaffenheit überprüft welche dem Zweck dienen sollten, die Festigkeit wurde.372 Hierbei wurde der Zustand des Betons desselben zu steigern und einer Auswaschung des und die Dicke der eisernen Differdingerprofile über- Materials vorzubeugen. Bei jenem Mittel handelte es prüft, wonach sich zeigte, dass das Fundament sich um eine zum damaligen Zeitpunkt relativ neue in den meisten Fällen in einem überraschend gu- Technologie, welche ursprünglich in Deutschland tem Zustand war, während der Beton an manchen erfunden und später in Japan und in den USA wei- Stellen porös geworden war und vereinzelt die in- terentwickelt worden war. Neben der Erneuerung nenliegenden Profile frei lagen. Insbesondere die der Betonummantelungen, sollten ebenfalls Imper- Fundamente der Pfähle 19 bis 23 stellten sich hier- fektionen im Bereich des Fundaments ausgeglichen bei als baufällig heraus, während die vordersten werden. Hierfür wurde ein spezieller Unterwas- Pfahlpaare in vergleichsweise gutem Zustand wa- ser-Mörtel vorgesehen. Im Bereich des Oberbaus ren. Summa Summarum wurde den Pfählen jedoch sollten vorgefertigte Stahlbetonträger mit Hilfe ei- eine so gute Tragfähigkeit bescheinigt, sodass man nes Zweikomponenten-Klebstoffes an den Pfählen entschied, die originalen Eisenprofile komplett bei- befestigt werden. Für sämtliche Mörtel und Materi- zubehalten. Die freiliegenden Profile im Bereich des alien galt, dass diese frei von Bitumen sein sollten. Fundamentes sollten zunächst verzinkt und später Aufgrund der extremen Temperaturschwankungen mit Beton aufgefüllt werden. sowie der allgemein hohen Luftfeuchtigkeit an der Küste wurde betont, dass einer Segregation (Riss- An dieser Stelle sei erwähnt, dass der diesbezügli- bildung) sowie dem Phänomen des Schwindens che Untersuchungsbericht nicht nur Auskunft über unbedingt vorgebeugt werden müsse. Neben den den Zustand der Pfähle gab, sondern ebenfalls bis- Anforderungen an die jeweiligen Materialien wur- her unbekannte Informationen zu den Stromjo- den ebenfalls Spaltmaße, Toleranzen und Fugen- chen beinhaltete: Im Zuge der Taucharbeiten wurde abstände sämtlicher Bauteile exakt vorgegeben. gleichsam festgestellt, dass die Pfahlpaare 19 bis Abschließend kann gesagt werden, dass sich jene 23 über Schrägpfähle verfügten - nicht jedoch die- Ausschreibungsdokumente nicht nur auf die damals selben im Bereich des Joches 24 bis zum Brücken-

97 Abb. 54: Um die Statik der Brücke zu schonen, wurde ein Laufkran aus einer innovativen Fachwerkstruktur erstellt. ©AWGS

kopf - ein interessantes Detail, welches auf eine bis ken Brandung behindert.376 Darüber hinaus stellten dato unbekannte Abweichung hinweist und an spä- die Arbeiten an die Brücke selbst ebenfalls eine be- terer Stelle von Neuem aufgegriffen werden soll. sondere Herausforderung dar. Um die alten Träger durch neue austauschen zu können, mussten ers- Neben der Analyse des Unterbaus fanden ebenfalls tere zunächst von der Konstruktion gelöst werden. eingehende Untersuchungen des Oberbaus statt: Bekanntermaßen waren sämtliche eiserne Differ- Dabei erwiesen sich die eisernen Längs- und Quer- dingerprofile während der Kolonialzeit mit äußerst träger insgesamt stabiler als ursprünglich angenom- formstabilen Nieten verbunden worden. Als man men.373 Da ein herkömmlicher Lastkran aufgrund nun versuchte, diese aufzuschneiden, wurde deut- der starken Brandung für die Bauarbeiten dennoch lich, wie stabil das Material der deutschen Konstruk- nicht infrage kam, galt es eine Lösung zu finden,wie teure tatsächlich war: Der Eisenwerkstoff verfügte man mit dem Austausch der Balken ab der vom Ufer über eine derart hohe Festigkeit, sodass herkömm- aus gesehenen am weitesten entfernten Stelle be- liche Schneidemaschinen ihn nicht durchtrennen gonnen werden konnte. Infolgedessen wurde ein konnten. Infolgedessen musste neues, leistungs- moderner Laufkran in Form einer Fachwerkstruktur fähigeres Werkzeug angeschafft werden. „Das wa- hergestellt, welcher auf Rollen über die Brücke im- ren so ziemlich die stärksten Maschinen, die wir in mer bis an jenen Punkt geführt wurde, an welchem Afrika auftreiben konnten“, erläutert Martin Laub- der Austausch der Balken stattfinden sollte (Vgl. scher.377 Wenngleich es mit Hilfe jener Geräte nun Abb. 54).374 Auf diese Weise wurden sukzessiv al- gelang, die Nieten aufzuschneiden, waren hierfür le baufällig gewordenen Träger durch vorgefertigte mehrere Anläufe notwendig. Überdies wurden da- Stahlbetonbalken ausgetauscht und mit den Pfäh- bei auch jene Maschinen an die Grenzen ihrer Be- len neu verbunden. Jene Stahlbetonträger wogen lastbarkeit geführt.378 zwischen 4,5 und 7 Tonnen und wurden zunächst an Land gestapelt, bevor sie einzeln auf die Brücke Trotz alledem wurden an der Brücke kontinuierlich transportiert wurden.375 Fortschritte gemacht. Des Weiteren zog der Stadtrat nun doch in Erwägung, auch den Brückenkopf zu Nachdem die vorbereitenden Maßnahmen ab- sanieren, weshalb auch jener Abschnitt auf seine geschlossen worden waren, galt es zunächst die Stabilität überprüft wurde. Laut des damaligen Pro- zahlreichen Betonmäntel der Pfähle zu beseitigen. jektleiters Laubscher, schienen die eisernen Profile Anschließend wurden diese mit neuen Gussformen rein äußerlich betrachtet ebenfalls in einem denkbar versehen und neu betoniert. Analog zu den Sanie- schlechtem Zustand zu sein. Als diese jedoch mit rungsarbeiten der 1980er Jahre, wurden auch in Hilfe von Biege- und Zerreisproben auf ihre Belast- diesem Fall die Arbeiten immer wieder von der star- barkeit überprüft wurden, stellte sich heraus, dass

98 sie über eine deutlich höhere Festigkeit verfügten, chem Aufwand verbunden. Aufgrund der Mehr- als ursprünglich angenommen. Auch weitere Unter- belastung durch die Austernbar wurde es zudem suchungen ergaben, dass die gesamte Konstruktion notwendig, die Brücke zusätzlich durch Betonpfäh- des vorderen Brückenabschnittes von einer überra- le zu ergänzen.384 Weiters war es erforderlich, die genden Stabilität war.379 Somit erschien es mög- Brückenkonstruktion durch weitere Stahlträger zu lich, auch den vorderen Teil der Brücke zu sanieren. verstärken.385 Die Arbeiten am Brückenkopf wurden Anders als bei dem ersten Brückenabschnitt, wo- im Jahr 2009 abgeschlossen; anschließend wurde bei der gesamte Oberbau einer neuen Konstruktion der erste Brückenabschnitt mit dem Brückenkopf aus Stahlbeton weichen musste, konnten sämtliche durch zwei bogenförmige Fußgängerstege verbun- Pfähle und Träger im Bereich des Brückenkopfes den.386 Nachdem auch jene Arbeiten Anfang 2010 überwiegend im Original beibehalten werden. Der abgeschlossen wurden, konnte die Jetty Ende des überragend gute Zustand jenes Abschnittes war an- Jahres, gemeinsam mit der neuen Austernbar, feier- gesichts des hohen Alters der Brückenkonstruktion lich wiedereröffnet werden. Wenige Jahre später keine Selbstverständlichkeit. „Das Material, wel- folgte die erste Bewährungsprobe: Bei einer Spring- ches damals beim Bau zur Anwendung kam, war flut im Jahr 2014 wurde das Bauwerk erstmals wie- von höchster Qualität“, so Martin Laubscher, „das der an die Grenzen seiner Belastbarkeit geführt. ist mit nichts zu vergleichen, was wir heutzutage an Zwar konnte die Brücke selbst der Brandung stand- Materialien auf Baustellen vorfinden.“380 halten - das Restaurant wurde jedoch aufgrund von überbordenden Wellen derart zerstört, sodass die- Nachdem offiziell bekannt wurde, dass nun auch ses wegen Renovierungsarbeiten für zwei Monate der Kopf der Brücke saniert werden konnte, geschlossen wurde. Nach der Wiedereröffnung war übernahm Quintum Liebenberg, ein ortsansässi- die Brücke jedoch wieder durchgehend in Benut- ger Gastronom, die Pacht für die Brücke. In weiterer zung.387 Als die Autorin während ihrer Forschungs- Folge regte er an, auf ihr eine Austernbar zu errich- reise das Bauwerk in Swakopmund begutachtete, ten.381 Nach diesem Beschluss wurde im Sommer zeigte sich, dass auch zehn Jahre nach den Sanie- 2006 zunächst der erste Brückenabschnitt fertig- rungen sowohl der Unter- als auch der Oberbau in stellt und am 26. Oktober desselben Jahres vorläu- einem tadellosen Zustand waren. Nach ihrem Er- fig wiedereröffnet.382 Danach wurden die Arbeiten messen, hatten die Ingenieure trotz eines äußerst am Brückenkopf von der „Lighthouse Group“, ein beschränkten Budgets sämtliche Arbeiten muster- von Liebenberg gegründetes Unternehmen, fort- gültig durchgeführt. Nichts desto trotz ist es jedoch gesetzt.383 Wegen der weiten Entfernung zum Ufer, vor allem der präzisen und gewissenhaften Arbeits- waren jene Arbeiten ebenfalls mit nicht unerhebli- weise der Konstrukteure von Flender und Grün &

Abb. 55: Nach eingehender Überprüfung wurde entschieden, auch den Brückenkopf zu sanieren. © Martin Laubscher

99 Bilfinger zu verdanken, dass die Brücke trotz wid- nach wurde festgestellt, dass entgegen aller bishe- rigster Bedingungen bis heute überdauern konnte: riger Annahmen lediglich die Joche 19 bis 23 über „Ich ziehe meinen Hut vor diesen Leuten.“, so Mar- Schrägpfähle verfügten. Zur Erinnerung: Zuletzt war tin Laubscher rückblickend, „Sie wussten wirklich, Anfang des Jahres 1912 darüber debattiert worden, was sie taten.“388 ob auf jene Pfähle zugunsten einer Kostenreduk- tion verzichtet werden könne – dieser Vorschlag Bevor in Bezugnahme auf die außerordentliche Be- wurde jedoch aus statischen Gründen abgelehnt deutung jenes Bauwerks weitere Gedanken vertieft (Vgl. S. 83). Aufgrund dessen wurde bis dato an- werden können, sollen die vorausgegangen Darstel- genommen, dass sämtliche Pfahlpaare der Jetty lungen von einer zusammenfassenden Betrachtung ab dem 19. Joch durch Stromjoche ergänzt wor- eingerahmt werden: Anhand der chronologischen den waren. Jene Angabe stellte sich insofern als ein Abhandlung zur Landungsbrücke zeigte sich, dass äußerst aufschlussreiches Detail dar, da auf Basis in den vergangenen hundert Jahren, mit Ausnah- dessen die diesbezügliche These revidiert werden me der Umbauarbeiten der 1920er Jahre und den kann, da angenommen wird, dass die Deutschen beiden Sanierungen der 1980er, beziehungswei- ab dem 24. Joch schließlich doch dazu übergingen, se der 2000er Jahre, nur wenig für den Erhalt des von einer Installation der Schrägpfähle abzusehen. Bauwerks getan worden war. Hierdurch kam es un- weigerlich zu einer Korrosion, sodass die Brücke Da in Bezug auf jene Sachlage keine weiteren An- mehr als einmal dem Tode geweiht schien. Dass es gaben gefunden werden konnten, kann über die dennoch gelang, das Bauwerk zu erhalten mag zu- Gründe für jene Planänderung nur gemutmaßt wer- nächst wie ein Wunder erscheinen - tatsächlich ist den - womöglich führten ökonomische Faktoren zu dies der überragenden Qualität des verwendeten jenem Kurswechsel. Es erscheint somit denkbar, Konstruktionsmaterials und des überdurchschnitt- dass das Reichskolonialamt die Firmen Flender und lich hohen Fertigungsgrades des Tragwerks sowie Grün & Bilfinger dazu aufforderte, die Material- und der Verbindungsmittel zu verdanken. Die Vergan- Baustellenkosten zu senken, sodass die Ingenieu- genheit zeigte jedoch, dass selbst das stabilste re trotz erheblicher Bedenken gezwungen waren, Bauwerk nicht dauerhaft ohne entsprechende War- auf die Stromjoche zu verzichten. Es steht somit die tung und Pflege auskommen kann. Während in den Frage im Raum, ob die Brücke infolge jener Planän- 1980er Jahren lediglich im Bereich der Pfähle Sa- derung an Stabilität eingebüßt hat. Nachdem jedoch nierungen erfolgen mussten, war die Brücke um die das Bauwerk eingehend auf dessen Standfestigkeit Jahrtausendwende derart baufällig geworden, so- überprüft worden war, zeigte sich, dass sowohl das dass nun nicht mehr nur oberflächliche Baumaß- Fundament als auch die Profile des Oberbaus von nahmen, sondern ebenfalls größere Eingriffe in die einer guter Beschaffenheit waren. Das bedeutet, Konstruktion notwendig wurden. Im Zuge dessen dass der Verzicht auf jene Schrägpfähle zu keiner musste viel von der Bausubstanz neuem Baumate- Zeit einen nachhaltigen Einfluss auf die Qualität der rial weichen. Dies betraf insbesondere den Oberbau Landungsbrücke nahm. im Bereich der ersten 170 Meter der Brücke, da hier sämtliche Träger durch neue Stahlbetonbalken er- Zu guter Letzt soll in Bezug auf die relevanten Funk- setzt wurden. Lediglich das Fundament, das Inne- tionen von Landungsbrücken erneut die Frage un- re der betonummantelten Pfähle, sowie der Bereich tersucht werden, in wiefern der Stellenwert jenes des Brückenkopfes, auf welchem sich heute die Bauwerks im Kontext der Terminologie der Häfen Austernbar befindet, stammen noch aus der Kolo- zu bewerten ist. Anhand vorausgegangener Ana- nialzeit. Die Frage, ob es nach denkmalpflegeri- lysen wurde dargelegt, dass sich die Jetty für den schen Kriterien nicht erforderlich gewesen wäre, Landungsbetrieb theoretisch bestens eignete. In das Bauwerk originalgetreu zu rekonstruieren, soll der Praxis hatte sie sich dahingehend nie bewäh- Gegenstand der nachfolgenden Analysen sein. ren können, da an ihr bis dato kein einziges Schiff festgemacht hatte. Des Weiteren blieb sie, nach- Im Zuge der Darstellung der jeweiligen Umnutzung dem sie 1919 in den Besitz Südafrikas überge- und der Sanierungsmaßnahmen traten brisante In- gangen war, zunächst ungenutzt und fand später formationen hinsichtlich des Unterbaus zu Tage, lediglich für Fußgänger Verwendung. Wie einge- worauf an dieser Stelle nochmals Bezug genommen hend erläutert wurde, verlor Swakopmund nach der werden soll. Gemeint sind die erwähnten Neben- deutschen Kolonialzeit als Hafenstandort dauerhaft bemerkungen, welche im Rahmen des Untersu- an Bedeutung, da sämtliche Schiffe fortan den na- chungsberichtes von „B-4 Engineering and Diving“ hegelegenen Hafen in Walfischbucht ansteuerten. im Jahr 2005 festgehalten worden waren. Dem- Darüber hinaus wurden auf Initiative der südafrika-

100 Abb. 56: Auch über 10 Jahre nach Abschluss der Sanierungsarbeiten ist das Bauwerk in einem guten Zustand. © Y. Rödel

nischen Mandatsverwaltung, wonach die Brücke tionen, sondern ebenfalls die Gleisanlagen der Ha- als Promenade Verwendung fand, sämtliche für ei- fenbahn sowie die Lagerstätten neu installiert hät- nen Umschlagbetrieb relevanten Installationen so- ten werden müssen. Somit kann abschließend als wie Gleisanlagen vollständig abmontiert. Damit war erwiesen gelten, dass die eiserne Landungsbrücke eine mögliche Reaktivierung der Jetty als Schiffsan- von Swakopmund zu keiner Zeit als Landungsstelle legestelle quasi ad acta gelegt worden. für Schiffe Verwendung fand und eine diesbezügli- che Reaktivierung nie ernsthaft in Betracht gezogen Es wird angenommen, dass sich der Hafen in Wal- wurde. Eine äußerst bemerkenswerte Feststellung, fischbucht als zentraler Landeplatz dauerhaft be- wenn man bedenkt, welch zentrale Rolle das Bau- währt hatte, denn weder bei den Sanierungen der werk heute innerhalb des kollektiven Gedächtnis- 1980er Jahre, noch bei jenen der 2000er Jahre ses einnimmt. Wie es dennoch möglich war, dass stand eine Wiederbelebung der Brücke als Schiffs- sich die Landungsbrücke zu einem der signifikan- anlegestelle zur Debatte. Dies erschien auch des- testen Wahrzeichen von Swakopmund entwickelte, wegen wenig rentabel zu sein, da hierfür nicht nur soll anhand der hieran anschließenden Betrachtun- alle für den Umschlagbetrieb relevanten Installa- gen eingehend untersucht werden.

341 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, 348 Vgl. o. V.: „Save The Jetty”. In: NT, Walfischbucht, S. 221 ff. April 1984 (AWGS)

342 Vgl. Muhle, Sybille: Die Jetty lebt. Swakopmund jubelt 349 Vgl. o.V.; Übers. v. Rödel, Yoko: Modenschau für den wieder. In: AZ, Windhuk, 12. 10. 2006 (AWGS) “Save The Jetty Fond”. In: NT, Walfischbucht, 20. 08. 1985 (AWGS) 343 Vgl. Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. 1967, S. 223 350 Vgl. o. V.; Übers. v. Rödel, Yoko: Spezifikationen für die Verlegungen von Ortbetonpfählen. Walfischbucht, Ja- 344 Vgl. Vogt, Andreas: Heritage Opinion of Swakopmund. nuar 1981 (UAKM) WCCW, Windhuk, 2020 351 Vgl. o. V.; Übers. v. Rödel, Yoko: Betonarten. Wal- 345 O. V: „Ist die Brücke noch zu retten?“ In: AZ, Windhuk, fischbucht, o. A. (UAKM) 03. 02. 1984 (AWGS)

346 Vgl. ebd. 352 Vgl. o.V.: Zustand der Brücke. In: AZ 1984 (AWGS)

347 O. V: „Save The Jetty”. In: NT, Walfischbucht, Janu- 353 Vgl. o. V.; Übers. v. Rödel, Yoko: Alter Kai Wiederbe- ar 1984 (AWGS) lebt. In: NT, Walfischbucht, 25. 02. 2009 (AWGS)

101 354 Vgl. o. V., Übers. v. Rödel, Yoko: „Landungsbrücke 373 Vgl. Hartmann, Adam; Übers. v. Rödel, Yoko: Die Bau- wird repariert“. In: Allgemeine Zeitung, Windhuk, 17. 09. leitung zieht ihren Hut vor der Leistung der Konstrukteure. 1984 (AWGS) In: NT, Walfischbucht, 04. 04. 2006 (AWGS)

355 Vgl. o. V.: „Zustand der Brücke“. In: AZ ,1984 (AWGS) 374 Vgl. Laubscher, Martin: Sanierung der Landungsbrü- cke, PM, 02. 12. 2020 356 Vgl. o. V.: Aufregung bei der Brücke. In: AZ, Windhuk, 1984 (AWGS) 375 Vgl. Hartmann, Adam; Übers. v. Rödel, Yoko: Die Bau- leitung zieht ihren Hut vor der Leistung der Konstrukteure, 357 Vgl. o. V., Übers. v. Rödel, Yoko: „Die Sanierung war 2006 (AWGS) für die Arbeiter kein Spaß”. In: NT, Walfischbucht, 04. 08. 1987 (AWGS) 376 Vgl ebd.

358 Vgl. Heinrich, Dirk: Fund einer Leuchtgranate. In: AZ, 377 Laubscher, Martin: Sanierung der Landungsbrücke, Windhuk, 1984 PM, 02. 12. 2020 359 Vgl. o. V, Übers. v. Rödel, Yoko: NT, Walfischbucht, 04. 08. 1987 (AWGS) 378 Vgl. Laubscher, Martin: Sanierung der Landungsbrü- cke. PM, 02. 12. 2020 360 Vgl. o. V., Übers. v. Rödel, Yoko: Versandung der Lan- dungsbrücke. In: NT, Walfischbucht, 1986 (AWGS) 379 Vgl. ebd. 361 Vgl. Henrichsen, Jörg; Übers. v. Rödel, Yoko: Kom- mentar Sanierungsarbeiten. In: NT, Walfischbucht, 29. 07. 380 Vgl. Hartmann, Adam, Übers. v. Yoko Rödel: Bericht 1986 über die Jetty, In: NT, Walfischbucht, 04. 04. 2006 (AWGS)

362 Vgl. o. V.; Übers. v. Rödel, Yoko: Jetty wieder offen. 381 Vgl. Muhle, Sybille: Die Jetty lebt. In: AZ, Windhuk, 12. In: NT, Walfischbucht, 05. 12. 1986 (AWGS) 10. 2006 (AWGS) 363 Vgl. o. V.; Übers. v. Rödel, Yoko: Wiedereröffnung der Jetty. NT. Walfischbucht, 17. 12. 1986 (AWGS) 382 Vgl. o. V: Ab heute lädt die Jetty wieder zum Bummeln ein. In: AZ, 06. 10. 2006 (AWGS) 364 Vgl. o. V.; Übers. v. Rödel, Yoko: Betrieb der Jetty. In:

NT, Walfischbucht, 05. 12. 1986 (AWGS) 383 Vgl. Lighthouse Group: Jetty 1905 Restaurant, URL: 365 Vgl. Kraft, Kirsten: Swakopmunder Geschichten. John https://lighthousegroup.com.na/about-us/ [16. 01. 2021] Meinert, Windhuk, 2014, S.68 (AWGS)

366 Vgl. ebd. S. 69 384 Vgl. Hartmann, Adam; Übers. v. Rödel, Yoko: Bericht über die Jetty. In: NT, Walfischbucht. 04. 04. 2006 (AWGS) 367 Vgl. Muhle, Sybille: Die Jetty lebt. Swakopmund jubelt wieder. In: AZ, Windhuk, 12. 10. 2006 (AWGS) 385 Vgl. o. V., Übers. v. Rödel, Yoko: Sanierungen am Brü- 368 Laubscher, Martin: Sanierung der Landungsbrücke. ckenkopf. In: NT, Walfischbucht, 25. 02. 2009 (AWGS) PM, 06. 12. 2020

369 Vgl. Laubscher, Martin; Übers. v. Rödel, Yoko: Spezifi- 386 Laubscher, Martin: Sanierung der Landungsbrücke. kationen für einheitliche Einrichtungen von Ortbeton. Wal- PM, 02. 12. 2020 fischbucht, 2005 (UAKM) 370 Vgl. Laubscher, Martin; Übers. v. Rödel, Yoko: Sanie- 387 Vgl. Lighthouse Group: Jetty 1905 Restaurant, URL: rung der Landungsbrücke. PM, 02. 12. 2020 https://lighthousegroup.com.na/about-us/ [16. 01. 2021]

371 ebd. 388 Laubscher, Martin: Sanierung der Landungsbrücke. 372 Vgl. ebd. PM, 02. 12. 2020

102 8. Relevanz der Landungsbrücke

Die nachfolgenden Darstellungen dienen dem Vorab soll darauf hingewiesen werden, dass hin- Zweck, die Analysen zur eisernen Landungsbrücke sichtlich einer strukturellen Beurteilung des Bau- von Swakopmund (folgl. Landungsbrücke; bzw. Jet- werks gleichsam der städtebauliche Kontext im ty) im zeit-, kultur- und bauhistorischen Kontext in- Sinne des Ensembleschutzes als übergeordnetes terdisziplinär zu beleuchten. Im Zentrum sämtlicher Bewertungskriterium maßgeblich über den denk- Betrachtungen stehen die Grundsätze der Denkmal- malpflegerischen Wert des Bauobjektes entschei- pflege. Die dahingehende wissenschaftliche Didak- det. Der urbane Kontext nimmt im Rahmen jener tik gründet stets auf dem Leitbild, ein Bauwerk oder Diskussionen eine Sonderrolle ein, da er als ei- ein Denkmal zu erhalten, weil es über einen städ- ne Symbiose des Raum-Zeit-Kontinuums betrach- tebaulichen, naturkundlichen, funktionellen, kul- tet wird. Aufgrund dessen, dass der Städtebau, tur- oder bauhistorischen Wert verfügt.389 Auch die mit Ausnahme der einleitenden Betrachtungen zur nachfolgenden Betrachtungen sollen jenen Kriteri- Bauhistorie Deutsch-Südwestafrikas, kein Schwer- en unterliegen. Dabei gilt zu bedenken, dass ihnen punkt dieser Arbeit darstellt, ist eine umfassende global bedingt ebenfalls eine Reihe übergeordneter Beurteilung der Landungsbrücke in jenem Zusam- kulturgesellschaftlicher Faktoren zugrunde liegen. menhang nicht möglich. Nichts desto trotz soll das Wenngleich jene Aspekte ergänzend in die Be- räumliche Verhältnis des Bauwerks in Relation zum trachtungen einfließen sollen, können sie in Rück- historischen Stadtkern Swakopmunds so weit be- sichtnahme auf den Forschungsschwerpunkt nicht wertet werden, als dass es für die Beurteilung des vertieft behandelt werden. Bezugnehmend auf die denkmalpflegerischenWertes von Relevanz ist. Un- erkenntnisorientierte Forschungsdidaktik soll viel- ter Berücksichtigung jenes übergeordneten Unter- mehr der kleinste gemeinsame Nenner derselben suchungsansatzes, soll der Fokus nachfolgend auf aufgezeigt werden, um ein möglichst breites wis- dem Bauwerk selbst liegen, dabei die vorausge- senschaftliches Spektrum abdecken zu können. gangenen Forschungsergebnisse bilanzieren, den Aus diesem Grund soll an dieser Stelle auf das Kon- materiellen und konstruktiven Wert der Brücke be- tinuum von Raum und Zeit verwiesen werden. Je- leuchten und gleichsam Szenarien einer Sanierung ner Ansatz gründet dem Ursprung nach auf den oder einer Restaurierung aufzeigen. Grundlagen der klassischen Physik, wonach es sich um zwei voneinander unabhängige Größen han- Demgegenüber soll, unter dem Aspekt des kausa- delt, welche sich jedoch gegenseitig bedingen.390 len Verständnisses von Zeit; welcher auf den allge- Aus Sicht der Autorin bildet die Querschnittsmaterie meinen Grundsatz einer kontinuierlichen Abfolge der Denkmalpflegeinnerhalb der Bauforschung eine von Gegebenheiten zurückgeführt werden kann; ei- Art Vakuum zwischen jenen physikalischen Größen ne Einordnung der Landungsbrücke im bauhisto- aus, weshalb nachfolgend eine separate Betrach- rischen Kontext erfolgen.392 Hierbei wird einerseits tung sowie eine Darstellung des genannten kausa- die historische Bedeutung der Jetty und ihr kultur- len Zusammenhangs erfolgt. gesellschaftlicher sowie ökonomischer Stellenwert während sowie nach dem Ende der Deutschen Ko- Bezüglich der Aspekte des Raumes gilt zu beach- lonialzeit aufgezeigt. Sämtliche Inhalte werden nicht ten, dass es sich hierbei seit jeher um einen indif- nur von den erwähnten Aspekten der Denkmalpfle- ferenten Begriff handelt, welcher sich einerseits ge, sondern ebenfalls von einem zeitgeschichtlichen mit der unendlichen als auch mit der begrenz- Überblick über die denkmalpflegerischen Institutio- ten Materie befasst.391 Unter Berücksichtigung der nen sowie über die Baukulturen Namibias beglei- erwähnten denkmalpflegerischen Kriterien sol- tet werden. Des Weiteren soll ein Vorblick auf eine len sich die Abhandlungen daher sowohl mit der mögliche zukünftige Entwicklung der Landungsbrü- räumlich-transzendentalen Wirkungsweise des cke gegeben werden. Zugunsten des allgemeinen zu analysierenden Bauwerks als auch mit des- Verständnisses werden hierbei ebenfalls gesell- sen physikalisch-materiellem Aufbau beschäftigen. schaftliche Einflussfaktoren Erwähnung finden.

8.1 Städtebaulicher Kontext

Die Definition des Städtebaus beinhaltet sämtliche tiven Bestandteil von gesellschaftlichen Strukturen. Aspekte gestalterischer Entwicklungen von Gebäu- Demnach liegt dem Urbanismus die Theorie zu- den, Quartieren und des öffentlichen Raumes. Es grunde, wonach die gebaute Umwelt das Ergeb- handelt sich hierbei keineswegs um eine rein tech- nis von sozialen sowie kulturellen Einflüssen des nische Disziplin, sondern vielmehr um einen integra- jeweiligen Ortes ist und umgekehrt.393 Jedoch wer-

103 den der Städtebau sowie die Architektur bis zum wicklung von Lüderitz, Windhuk und Swakopmund heutigen Tag als zwei gesonderte Fachgebiete be- gelegt. Vergleicht man jene Orte vor städtebau- trachtet.394 Möglicherweise resultiert hieraus unter lichen Gesichtspunkten, wird Swakopmund eine anderem der Umstand, dass der Stadtforschung bemerkenswerte Sonderrolle zuteil. Anders als Lü- innerhalb der Denkmalpflege ebenfalls eine eher deritz und Windhuk, deren Stadtmorphologien ent- untergeordnete Rolle zugeschrieben wird. Mit sprechend der jeweiligen Topographie angelegt Verweis auf den sogenannten Ensembleschutz wurden, handelt es sich bei Swakopmund um ei- der Stadt Swakopmund stellt die Untersuchung ne klassische Planstadt, welche in einem lockeren der Landungsbrücke im urbanen Zusammenhang Schachbrettmuster angelegt wurde. Damit wich der jedoch ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung Küstenort nicht nur stark von der städtebaulichen ihres denkmalpflegerischen Wertes dar. In diesem Struktur anderer kolonialer Orte, sondern eben- Sinne ist die Brücke nicht nur hinsichtlich ihrer falls von den allgemein üblichen radial-historisch Resonanz auf ihre unmittelbare Umgebung, gewachsenen polyzentrischen Strukturen europäi- sondern gleichsam in Bezug zur Stadt und zum scher Städte ab – letzteres findetdeswegen Erwäh- Land zu beurteilen.395 Daher sollen sich die Darstel- nung, da im kolonialen Zeitalter in der Regel eine lungen zunächst mit der Rolle Swakopmunds in Na- direkte Übertragung des europäischen Städtebaus mibia befassen, wonach der Blick alsdann auf die auf die kolonialen Ortschaften in Afrika stattfand.396 städtebauliche Ordnung, auf das spannungsreiche Verhältnis zwischen Landungsbrücke und Stadt Die schachbrettartige Struktur der Stadt Swakop- sowie auf die wechselseitige Beziehung zwischen mund gibt bereits einen wichtigen Hinweis auf das dem Bauwerk und der unmittelbaren Umgebung Problem jener städtebaulichen Ordnung: Die Re- gelenkt werden soll. gelmäßigkeit. Ein Straßenzug gleicht dem anderen, die Gebäude stehen einander paritätisch gegenüber Zunächst wird ein räumlicher Vergleich der Stadt und es entsteht nur wenig räumliche Spannung. Swakopmund in Relation zum Land Namibia, be- Swakopmund teilt dieses Dilemma gewissermaßen ziehungsweise dem ehemaligen Schutzgebiet mit New York. Während in Manhattan der Central Deutsch-Südwestafrika, erfolgen. Hierbei soll auf Park einen räumlichen Ausgleich schafft, gibt es in die Ausführungen der einleitenden Darstellungen Swakopmund einen anderen räumlichen Schwer- Bezug genommen werden, wobei eine Übersicht punkt: Die Landungsbrücke. Im Luftbild zeigt sich, über die zeit- und bauhistorischen Epochen jenes dass sie sich allein schon aufgrund ihrer besonde- deutschen Protektorates gegeben wurde (Vgl. S. ren Position von dem übrigen schachbrettartigen 26 - 34). Bei den Darstellungen zur Siedlungsbe- Stadtmuster abhebt. Es gibt jedoch noch einen an- wegung wurde der Fokus bereits auf die Stadtent- deren Grund, weshalb sie sofort ins Auge sticht: Die

Abb. 57: Swakopmund um 1890: Die Stadt verfügt über ein ähnliches Straßenmuster wie New York. © W. Peters 104 Abb. 58: Spannungsreich: Mit ihrer diagonalen Position sticht die Landungsbrücke sofort ins Auge. © O. Ernst & Baumeier

Längsachse der Brücke ist um ca. 30 Grad nach Gesichtspunkten beinhaltet die Brücke vor allem die Norden verdreht und hebt sich somit klar von der kollektiven Erinnerungen, die Ereignisse aus der Ko- axialen Ausrichtung der Stadt ab (Vgl. Abb. 58). Auf lonialzeit, welche sich an jenem Ort zutrugen, so- diese Weise bricht die Landungsbrücke das regel- wie Assoziationen mit dem technischen Fortschritt, mäßige Schachbrettmuster des urbanen Gefüges auch bekannt unter der Metapher der sogenann- radikal auf und bildet somit einen wichtigen Kontra- ten „deutschen Ingenieurskunst.“397 Unter der Be- punkt zur städtischen Bebauung aus. rücksichtigung jener räumlichen Wirkungsweisen zeigt sich, dass die Brücke in Relation zu ihrer Um- Um die wechselseitige Beziehung zwischen der Lan- gebung, am Strand von Swakopmund wie ein er- dungsbrücke und ihrer unmittelbaren Umgebung habener Ankerpunkt erscheint. Wie bereits erwähnt beleuchten zu können, gilt es zunächst, sich der wurde, gründet jener Eindruck einerseits auf ihrer diesbezüglichen Interpretationsebenen gewahr zu besonderen Position und andererseits auf der Tat- werden: Sie gliedern sich in die Denotation, die be- sache, dass sie sich leichtfüßig mit schlanken Pfei- griffliche Umschreibung des Bauwerks, die Exem- lern über den tosenden Atlantik hinwegsetzt. Im plifikation, womit eine bildhafte Interpretation ge- Sinne der Konträrfaszination und aufgrund ihrer fi- meint ist, sowie in die metaphorische Impres- ligranen Erscheinung, welche im klaren Gegensatz sion. Anhand jener Kategorien zeigt sich, dass die zu der starken Brandung steht, brennt sie sich hier- Bewertung eines Bauwerks im urbanen Kontext für durch förmlich in das Gedächtnis des Betrachters weiterführende Analysen ein äußerst aufschlussrei- ein. Jene räumliche Dominanzgeste wird gleich- ches Mittel sein kann, da diese die physikalischen sam durch eine rationale Bauart und das räumliche Eigenschaften der gebauten Umwelt bei weitem Größenverhältnis zwischen dem Bauwerk und der übersteigen. Die Definition der Brücke, welche im Umgebung unterstützt. Dieser Eindruck wird zu- Zusammenhang der allgemeinen Abhandlungen un- sätzlich durch die dargelegten Assoziationen, wel- längst dargelegt wurde, muss an dieser Stelle nicht che mit der Metapher der Brücke verknüpft werden, weiter vertieft werden. Vor Gesichtspunkten einer nachhaltig verstärkt. Wenngleich ihre Größe und imaginären Interpretation verfügt das Bauwerk nicht äußere Erscheinung per se noch kein Kriterium der nur über die bloße Funktion eines Schiffsanlegers, Denkmalpflege darstellt, ist gerade jene räumliche sondern wird gleichsam zu einem raum- und kul- Verhältnismäßigkeit ein zentrales Merkmal für ihre turübergreifenden Bindeglied, einem symbolischen besondere Rolle innerhalb des urbanen Gefüges. Nadelöhr zwischen dem afrikanischen und europäi- In diesem Sinne stellt sie durch ihre Verortung und schen Festland. In Bezug auf die Bauhistorie wiegt Dimension sowohl im Bezug zur Stadt als auch in sicherlich die semantische Ebene der metaphori- Relation zu ihrer unmittelbaren Umgebung ein be- schen Impression am schwersten, denn vor jenen sonders denkmalwürdiges Objekt dar.

105 8.2 Konstruktiver Befund

Aus konstruktiver Sicht wird der Landungsbrü- Sicht um nahezu unerforschte Bauwerkstoffe han- cke von Swakopmund im Kontext des deutschko- delte. Das bedeutet, dass die Konstrukteure nicht lonialen Bauerbes ebenfalls eine besondere Rolle nur in Bezug auf den außergewöhnlichen Stand- zugeschrieben. Dahingehend ist sie nicht nur ein all- ort, sondern ebenfalls vor dem Hintergrund der gemeingültiges Relikt aus der Wilhelminischen Zeit, deutschen Ingenieurwissenschaften, technisches sondern gleichsam ein Zeitzeugnis der deutschen Neuland betraten. Beispielsweise wurden durch Industriearchitektur. Aus diesem Grund sollen sich Experimente mit dem Beton vor Ort neue wissen- die folgenden Darstellungen eingehend der Kon- schaftliche Erkenntnisse in Bezug auf neue Ver- struktion des Bauwerks widmen. Die Untersu- fahren sowie Herstellungsweisen gesammelt und chungskriterien der Denkmalpflege werden hierbei sowohl der Baudirektion als auch den Berliner Be- um die Grundlagen einer Werkanalyse ergänzt. Jene hörden mitgeteilt (Vgl. S. 83). Es ist gut möglich, Methodik findetvor allem in der bildenden Kunst zur dass jene Kenntnisse auf diese Weise auch ihren Überprüfung von transzendentalphilosophisch-kon- Weg ins Deutsche Reich fanden und das deutsche struktivistischen Thesen Anwendung. Sie soll folg- Ingenieurwesen somit nachhaltig von jenen For- lich als ein weiterführendes wissenschaftliches schungsergebnissen profitierte. Auch in Bezug auf Fundament dienen und ermöglichen, die Landungs- das verwendete Eisen verfügten die Deutschen ge- brücke hinsichtlich ihrer materiellen Beschaffenheit, nerell über wenige Vorkenntnisse, was sich insbe- konstruktiven Bauart sowie Fertigungsqualität zu sondere auf die Wahl des statischen Systems der untersuchen und zu bewerten. In Ableitung dessen Brücke auswirkte – doch dazu später mehr. Auch im werden vorausgegangene Anhaltspunkte bezüglich Hinblick auf den verwendeten Farbanstrich leisteten der ästhetischen Eigenschaften ebenfalls vertieft. die Deutschen Pionierarbeit: Durch umfangreiche Anschließend an jene ganzheitliche Reflexion soll Studien war es ihnen erstmals gelungen eine Deck- zudem auf ihren Wert hinsichtlich der Technikge- farbe zu entwickeln, welche eisernen Werkstoffen schichte sowie auf ihre Relevanz für die deutschen auch bei widrigen Witterungsverhältnissen dauer- Ingenieurwissenschaften eingegangen werden. haft Schutz bot. Auf diese Weise war es möglich ei- ne Brückenkonstruktion herzustellen, deren Qualität Zunächst wird der Fokus auf dem Material liegen, und Tragkraft bis zum heutigen Tag überzeugt. welches bei jenem spätkolonialen Bauwerk zur An- wendung kam: Hierbei wählten die Konstrukteu- Aufgrund der marginalen Vorkenntnisse sowie hin- re von Flender und Grün & Bilfinger schweißeiserne sichtlich der Anwendungsmöglichkeiten von Eisen- Träger für Pfeiler und Oberbau sowie geschlemm- werkstoffen und Ortbeton, gingen die Ingenieure ten Beton im Bereich des Fundamentes. Für beide bei der Entwicklung des statischen Systems auf Materialien gilt, dass es sich hierbei aus damaliger Nummer sicher und setzten daher auf eine mög-

Abb. 59: Das Konstruktionsmaterial des Brückenkopfes zeugt noch heute von einer überragenden Qualität. ©Yoko Rödel 106 dungsbrücke also keineswegs ein Zufall, sondern ebenfalls das Ergebnis der erwähnten kolonialen Ar- chitekturströmungen von DSWA. Sowohl die einzig- artige Bedeutung als auch die Relevanz der Brücke hinsichtlich jener stilistischen Entwicklung inner- halb der deutschen Baukultur sind jedoch bis heu- te nur wenigen bekannt. Dazu hat sicherlich auch der Umstand beigetragen, dass die Landungsbrü- cke nicht im originalen Zustand erhalten ist. Bevor die Ursachen dessen erforscht werden können, sei zunächst erwähnt, dass diesbezüglich zwischen ei- ner Restaurierung (gemeint ist eine originalgetreue Aufrechterhaltung des Bauwerks) sowie zwischen der Sanierung (Konservierung des baulichen Objek- tes) unterschieden werden muss. Letzteres war im Falle der Landungsbrücke stets die gültige Maxime: Während es bei anderen Bauten in der Vergangen- heit möglich gewesen war, diese unter geringstem Aufwand zu erhalten, zeigten selbige Maßnahmen bei der Jetty nicht denselben Effekt. Anders als die Bauten des Festlandes, welche stets auf trocke- nem Boden stehen und Dank des ariden Klimas die Jahrzehnte bis heute gut überdauern konnten, sind bei der Landungsbrücke aufgrund der offen- sichtlichen Tatsache, dass sie sich im Meerwasser befindet und dabei stets dem feuchten Küstenkli- Abb. 60: Die Brücke nach der Sanierung. ©Yoko Rödel ma ausgesetzt ist, witterungsbedingt deutlich widri- gere Rahmenbedingungen gegeben.398 Hinsichtlich lichst einfache Tragwerksart. Die Konstruktion der einer Bewertung der Baumaßnahmen, welche nach Landungsbrücke kann im Prinzip der Bauart ei- der Kolonialzeit an dem Bauwerk vorgenommen ner klassischen Balkenbrücke zugeordnet werden, worden waren, wird festgestellt, dass diese ledig- welche im Oberbau zum Zwecke der Aussteifung lich der Schadensbegrenzung sowie dem Zweck um das statische System eines Fachwerkverban- dienten, die allgemeine Stabilität des Bauwerks auf- des ergänzt wurde. Sicherlich könnte argumentiert recht zu erhalten. Insbesondere im Zuge der letzten werden, dass die Wahl jenes Tragwerks aus Grün- Sanierungsarbeiten, wobei unter anderem sämtli- den der Zweckmäßigkeit geschah. Konträr dazu ist che Träger des Oberbaus durch Stahlbetonbalken aus Sicht der Autorin mit der Jetty in Bezugnahme ersetzt wurden, führten dazu, dass ein Großteil der auf die Wilhelminische Epoche ein bemerkenswert historischen Bausubstanz unwiderruflich verloren sachliches Bauwerk entstanden, welches ohne jeg- ging. Nur der Brückenkopf ist heute weitestgehend liche Dekoration auskommt – frei nach dem Motto: im originalen Zustand erhalten geblieben - aufgrund „Form Follows Function.“ Natürlich trug die prag- der erwähnten Witterungsverhältnisse wird es nur matische Einstellung der Konstrukteure ebenfalls zu eine Frage der Zeit sein, bis auch er sanierungsbe- jenem Antlitz bei - hierin verbirgt sich jedoch eben- dürftig wird und nach umfangreicheren Restaurie- falls der Einfluss von modernistischen Stilmitteln, rungen verlangt. Wenngleich die bisherigen Eingriffe welche zu jener Zeit innerhalb der kolonialen Ar- in die historische Bausubstanz durchaus kritisch zu chitekturszene in Deutsch-Südwestafrika einsetz- bewerten sind, soll die herausragende Arbeit der In- ten. An dieser Stelle möchte ich auf die einleitende genieure, wobei insbesondere auf die Maßnahmen Schlussbemerkung betreffend der deutschen Bau- bei der letzten Sanierung nach der Jahrtausend- kultur in Deutsch-Südwestafrika verweisen (Vgl. S. wende Bezug genommen wird, nicht herabgesetzt 31 - 32). Auf Basis jener Analysen zeigte sich, dass werden. Sie haben in Anbetracht der Umstände Au- in DSWA gegen Ende der Kolonialzeit eine neue ßergewöhnliches vollbracht und dazu beigetragen, Baukultur einsetzte, wonach auf Elemente des Wil- die Stabilität der Landungsbrücke so weit wie mög- helminismus zunehmend zugunsten einer rationa- lich wiederherzustellen, sodass die Zukunft des leren Formensprache verzichtet wurde. In diesem Bauwerks zumindest für die nächsten Jahre gesi- Zusammenhang ist die klare Linienführung der Lan- chert ist.

107 Wie bereits erwähnt, steht jedoch außer Frage, dass bald deutlich umfangreichere Baumaßnahmen vor- genommen werden müssen, um das Bauwerk dau- erhaft erhalten zu können; das betrifft insbesondere die eisernen Pfähle im Bereich des Brückenkopfes. Mit den bisherigen Maßnahmen war es lediglich ge- lungen, den Status Quo des Bauwerks zu sichern – das war allerdings maßgeblich dem stabilen Fun- dament und dem qualitativ hochwertigen Tragwerk der über hundert Jahre alten Konstruktion zu ver- danken. Wenngleich das Material der Brücke noch heute über eine außerordentlich hohe Stabilität ver- fügt, ist zu erwarten, dass der Verfall immer weiter voranschreiten wird, sodass das Bauwerk bald an die Grenzen der Belastbarkeit stößt. Sollte es al- so in Betracht gezogen werden, das Bauwerk lang- fristig zu erhalten, wird es unabdingbar sein, die Landungsbrücke umfangreich zu restaurieren und darüber hinaus gemäß der originalen Entwurfsdo- kumente zu rekonstruieren. Die vorigen Analysen haben bereits gezeigt, dass sowohl das Fundament als auch die eisernen Pfähle nach wie vor über eine ausreichende Stabilität verfügen, sodass es dem- nach möglich wäre die Betonmäntel und die Stahl- betonbalken des Oberbaus zu entfernen und durch eiserne, beziehungsweise stählerne, Differdingerträ- Abb. 61: Blick auf einen Pfahl am Brückenkopf. ©Y.Rödel ger zu ersetzen. Dies wäre sicherlich mit enormen Kosten und hohem technischem Aufwand verbun- qualität – das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn den. Hierin liegt jedoch der Vorteil, dass nicht nur man bedenkt, dass zu Zeiten Kaiser Wilhelms die der ursprüngliche Bauzustand des Bauwerks wie- deutschen Ingenieurswissenschaften noch in den derhergestellt, sondern vor allem dessen Lebens- Kinderschuhen steckten. Vor jenen Aspekten ist die dauer bedeutend erhöht würde. Unter der Maßgabe Landungsbrücke von Swakopmund also weit mehr der regelmäßigen Pflege, womit auch eine kontinu- als ein koloniales Relikt aus einer längst vergange- ierliche Erneuerung der Anstriche gemeint ist, wird nen Zeit, sondern überdies als ein frühes Zeugnis angenommen, dass sich jene höheren Investitio- der deutschen Ingenieurskunst und gleichsam als nen bereits nach wenigen Jahren amortisiert hät- ein Manifest des Prädikats „Made in Germany“ zu ten. Demnach entspräche eine derart umfangreiche werten. Darüber hinaus verfügt die Brücke im Be- Restaurierung einer Win-Win-Situation: Die Zukunft zug auf ingenieurwissenschaftliche Kenntnisse über der Landungsbrücke wäre dauerhaft gesichert und eine Reihe bemerkenswerter konstruktiver Details, die Kosten für etwaige Reparaturen oder Sanierun- welche für die damalige Zeit teilweise äußerst inno- gen würden auf lange Sicht bedeutend gesenkt. vative Lösungen hervorbrachten. In diesem Zusam- menhang kann die Swakopmunder Landungsbrücke Abschließend zeigt sich also, dass das Bauwerk ne- nicht nur als eine wichtige Referenz für die Baustoff- ben seiner elementaren Bedeutung für den Städ- kunde sondern ebenfalls für die deutsche Technik- tebau auch vor konstruktiven Gesichtspunkten geschichte gewertet werden. Nach der Darstellung erhaltenswert erscheint und gleichsam ein selte- all jener ingenieurwissenschaftlichen Bezüge gilt nes Beispiel der deutschen Industriearchitektur aus somit als erwiesen, dass das analysierte Bauwerk der Wilhelminischen Ära ist. Sowohl die Qualität sowohl vor materiellen als auch vor konstruktiven des verwendeten Konstruktionsmaterials als auch Gesichtspunkten als ein erhaltenswertes Objekt er- das Tragwerk und die Beschaffenheit der Konstruk- scheint, welches nach einer regelmäßigen Pflege tion zeugen von einer überragenden Fertigungs- und Wartung verlangt.

108 8.3 Historische Einordnung

Anders als bei den Abhandlungen zu den urbanen dem konsumlastigen Erlebnisurlaub. Jene touristi- und konstruktiven Eigenschaften der Jetty, welche sche Kommerzialisierung des Landes führte dazu, sich im Schwerpunkt mit den diversen Metaebenen dass neben der historischen auch die ökonomi- des Raumes beschäftigten, werden sich die sche Bedeutung des dortigen Bauerbes erheb- nachfolgenden Betrachtungen im Sinne der zeit- lich sank.400 Eine weitere Ursache gründet auf dem lichen Kontinuität der historischen Einordnung Umstand, dass die Generation, welche die Errich- des Bauwerks zuwenden. Somit wird es zusätz- tung jener Bauten noch aktiv miterlebt hat, längst lich notwendig sein, neben allgemeinen zeit- und verstorben ist - daher haben in Namibia nur mehr bauhistorischen Aspekten, ihren Stellenwert im wenige Kenntnis von der geschichtsträchtigen Ver- Hinblick auf ökonomische sowie gesellschaftli- gangenheit jener Architekturen. Ein ausschlag- che Einflussfaktoren zu bewerten. Um jenen viel- gebender Grund für die Marginalisierung jener schichtigen Betrachtungsweisen gerecht werden historischen Baukultur liegt in der politischen Ord- zu können, wird es kaum ausreichend sein, das nung des Landes begründet: Seit der Unabhän- Bauwerk anhand der allgemeingültigen Kriterien gigkeit von Südafrika werden sowohl traditionelle der Denkmalpflege zu untersuchen. Aus diesem Baukulturen als auch die baulichen Relikte aus der Grund sollen sich die nachfolgenden Analysen so- Kolonialzeit häufig vor ideologischen Gesichts- wohl mit der historischen Baukultur in Namibia als punkten bewertet, wonach der Grundsatz gilt, die auch mit der Praxis der dortigen Denkmalpflege immateriellen sowie baulichen Spuren der Vergan- seit dem Ende der deutschen Kolonialzeit bis in genheit auszulöschen, statt sie zu erhalten.401 Je- die Gegenwart hinein beschäftigen. Jene globa- nes Dogma betrifft zugleich sämtliche kulturelle le Betrachtung ist für das allgemeine Verständnis Institutionen des namibischen Staates wie Museen, von zentraler Bedeutung, da sich diesbezüglich ab- Archive, Kunstgalerien sowie die namibische Denk- zeichnende Tendenzen unmittelbar auf die wechsel- malschutzbehörde. Letztere ist permanent unter- hafte Vergangenheit der kolonialen Erinnerungsorte besetzt und seit Jahren untätig, sodass zunehmend und somit auch auf die Landungsbrücke von sämtliche denkmalwürdige Kulturgüter verfallen. Swakopmund auswirkten. Überdies wird davon Weiters kann gesagt werden, dass es sich bei je- ausgegangen, dass nicht nur das vorkoloniale, nen Bestrebungen, sich der eigenen Vergangen- sondern gleichsam das koloniale Bauerbe stets in heit entledigen zu wollen, um einen globalen Trend die denkmalpflegerische Praxis einbezogen wer- handelt, welcher auch in anderen ehemaligen Ko- den muss. Da hierauf auch gesellschaftspolitische Entwicklungen nachhaltig Einfluss nehmen, sollen jene Umstände ebenfalls skizziert werden, um an- schließend an jene Betrachtungen eine realistische Perspektive für die Zukunft der Landungsbrücke aufzeigen zu können.

Zunächst sollen sich die Darstellungen unter Be- rücksichtigung der denkmalpflegerischen Praxis in Namibia mit dem dortigen Bauerbe beschäftigen. Es wird angenommen, dass dort das Interesse am Erhalt der deutschen Bauwerke drastisch schwand, sodass seit dem Ende der Kolonialzeit mehr als 2/3 der gesamten Bausubstanz dem Abriss geweiht wurde.399 Jene Entwicklung gründet laut dem Histo- riker Andreas Vogt auf globalen, demographischen sowie gesellschaftspolitischen Faktoren. Nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ nach 1990 und der Auflösung der Polarität zwischen den USA und der UdSSR, währenddessen Namibia die Unab- hängigkeit von Südafrika proklamierte, bewirkten die hiernach einsetzenden Globalisierungstenden- zen einen stetig anwachsenden Massentourismus, dessen Ansturm auch vor Namibia nicht Halt mach- te. Das Interesse der Touristen galt seitdem jedoch weit weniger der Historie des Landes als vielmehr Abb. 62: Die Jetty als Ort der Identifikation ©Yoko Rödel

109 lonien zur Tagesordnung zählt.402 Wenn jedoch die baulichen Spuren der Vergangenheit auf solch ra- dikale Art und Weise ausgelöscht werden, ist dies mit irreparablen Folgen für Land und Kultur verbun- den - das gilt für alle denkmalwürdige Objekte glei- chermaßen. Durch die Beseitigung jener baulichen Zeugnisse geht die historische Realität eines Lan- des unwiderruflich verloren – stattdessen wird eine neue Identität etabliert, wobei es sich vielmehr um eine illusorische Fälschung derselben handelt.403

Dass es in Namibia angesichts jener erschrecken- den Entwicklungen dennoch möglich war, das letz- te verbliebene Drittel des betreffenden Bauerbes zu erhalten, kann hauptsächlich auf das Engagement der historischen Denkmalkommission, des natio- nalen Denkmalrates sowie auf vereinzelte nami- bische Interessensverbände und Privatpersonen, zurückgeführt werden. Jene Initiativen bemühten sich ab den 1950er Jahren aktiv um einen Erhalt sämtlicher historisch relevanter Bauten, wobei eine Liste mit allen denkmalwürdigen Objekten angelegt wurde. Wie bereits anhand der Landungsbrücke aufgezeigt werden konnte, wurde aufgrund der begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel stets ver- sucht, das Vorhandene zu konservieren statt dieses Abb. 63: Tosende Brandung an der Jetty © Yoko Rödel originalgetreu zu restaurieren. Dass es trotz der er- wähnten beschränkten finanziellen Aufwendungen möglich war, viele der Bauten zu erhalten, ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass es innerhalb chitekturströmung nach wie vor über einen hohen der Denkmalpflege durchaus möglich ist, auch mit bauhistorischen Stellenwert. Letzteres wird insbe- beschränkten Mitteln viel zu erreichen.404 Das be- sondere durch die reduzierte Formensprache des deutet sicherlich nicht, dass jene Strategie auch in Tragwerks unterstrichen und zeugt daher von ei- Zukunft aufgehen wird - für die Landungsbrücke ner bemerkenswerten Sachlichkeit, welche in der gelten ohnehin völlig andere Maßstäbe, wie sich deutschen Baukultur vor dem ersten Weltkrieg in noch anhand der nachfolgenden Betrachtungen Deutsch-Südwestafrika einsetzte. Darüber hin- zeigen wird. aus sei erwähnt, dass das Bauwerk ebenfalls eine wichtige Referenz des ehemaligen Brückenbau- Dahingehend soll an dieser Stelle auf die erwähn- unternehmens Grün & Bilfinger (heute bekannt als ten Sanierungen Bezug genommen werden, welche Bilfinger SE) darstellt, welches seinerzeit den Bau in der Vergangenheit an der Landungsbrücke vor- der Landungsbrücke durchführte. genommen wurden. Auch in ihrem Fall wurde aus Kostengründen eher eine Konservierung forciert, Auch wenn nur wenigen Menschen bewusst ist, statt sich um die Wiederherstellung des ursprüng- über welch vielschichtige Zusammenhänge jenes lichen Bauzustandes zu bemühen. Des Weiteren Bauwerk verfügt, wird davon ausgegangen, dass zeigten die Darstellungen zum konstruktiven Be- es bis heute allein schon aufgrund dessen Positi- fund, dass die vorgenommenen Sanierungen häu- on und erhabenen visuellen Stellung eine Art unbe- fig einen sensiblen Umgang mit der historischen wusste Anziehungskraft auf die Umgebung ausübt. Bausubstanz vermissen ließen. Wenngleich das Die Landungsbrücke ist auf diese Weise nicht nur Bauwerk äußerlich insbesondere im vorderen Brü- für externe Besucher von Interesse, sondern bie- ckenabschnitt stark von dessen ursprünglichen tet ebenfalls den Einheimischen die Möglichkeit, Gestalt abweicht und zu keiner Zeit als Schiffsan- sich durch die Auseinandersetzung mit dem Bau- legestelle Verwendung fand, verfügt es in dessen werk der wechselhaften Geschichte des Landes zu Funktion als Promenade, städtebaulicher Bezugs- stellen. In diesem Sinne bildet sie einen wichtigen punkt sowie als Beispiel einer spätkolonialen Ar- zeit-, kultur- und bauhistorischen sowie visuellen

110 Bezugspunkt aus und erfreut sich zudem als Pro- Abschließend betrachtet kann in jedem Fall als er- menade und Ausflugziel großer Beliebtheit. Mit der wiesen gelten, dass ein Erhalt der Swakopmunder Kenntnis der denkmalpflegerischenPraxis in Nami- Landungsbrücke, sowohl im urbanen, als auch im bia muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass konstruktiven und historischen Kontext, notwendig der namibische Staat das Bauwerk lediglich dann erscheint. Diesbezüglich soll nochmals betont wer- erhalten wird, so lange die Brücke einer bestimm- den, dass, sofern die Zukunft der Brücke gesichert ten Funktion obliegt. In welcher Art und Weise das würde, im Sinne einer historischen Aufarbeitung geschehen kann und welche Nutzungsarten hier- auch nachfolgende Generationen nachhaltig von für in Frage kämen, wird innerhalb der hieran an- der Auseinandersetzung mit dem Bauwerk profitie- schließenden Schlussbetrachtungen dargestellt. ren können.

389 Vgl. Vogt, Andreas: Die Wehrbauten der deutschen Identity. 2006, S. 3-5 Schutztruppe. 2002, S. 136 396 Vgl. a.a.O., S. 16 ff. 390 Schrödinger, Erwin: Die Struktur der Raum-Zeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. 1. f. 397 Vgl. a.a.O., S. 1-3

391 Einstein, Albert: Vorwort zu Max Jammer. Das 398 Vgl. Vogt, Andreas: Die Wehrbauten der deutschen Problem des Raumes. Darmstadt, 1960, S. 13 f. Schutztruppe. 2002, S. 136 ff.

392 Kümmerling, Franziska; Günzel, Stefan (Hrsg.): Raum. 399 Vgl. a.a.O., S. 137- 138 Ein interdisziplinäres Handbuch. Springer Verlag, Berlin, 400 Vgl. Vogt, Andreas: Die Entwicklung der namibischen 2010, S. 4 ff. Denkmalschutzbehörde. PM, Windhuk, 16. 02. 2021 393 Vgl. Vale, Lawrence; Übers. v. Rödel, Yoko: Architecture. Power and National Identity. 2. Edition, Taylor 401 Vgl. ebd. & Francis, London, 2006, S. 3 f. 402 Vgl. Rieger-Jandl, Andrea: Architektur und Identität. 394 Vgl. Rieger-Jandl, Andrea: Architektur und 2009, Wien, S. 10 Identität. Die Suche nach dem Eigenen: Eine kulturvergleichende Analyse. IVA Institut für vergleichende 403 Vgl. a.a.O., S. 95 Architekturforschung, 2009, Wien, S. 41 404 Vgl. Vogt, Andreas: Die Wehrbauten der deutschen 395 Vgl. Vale, Lawrence: Architecture. Power and National Schutztruppe. 2002, S. 136 ff.

111 9. Schlussfolgerungen

Sinn und Zweck der vorliegenden Arbeit war es welche sich nachhaltig auf die Gestalt sämtlicher nicht nur, einen Gesamtüberblick über die Ent- Bauprojekte auswirkten. Die hieraus resultierenden wicklungsgeschichte der Swakopmunder Hafenan- Erkenntnisse waren insbesondere für die Analyse lagen sowie derer der Landungsbrücke zu geben, der eisernen Landungsbrücke von zentraler Bedeu- sondern anhand jener Analysen, im Kontext der in- tung, da sie ebenfalls in jener Periode erbaut wur- terdisziplinären Grundlagenforschung, die Geistes- de - doch dazu später mehr. Abseits dessen wird und Ingenieurwissenschaften um neue Erkenntnisse festgehalten, dass die Siedlungsgeschichte von zu erweitern. Hierbei wurde der ganzheitliche An- DSWA sowie die städtebauliche Entwicklung von satz verfolgt, herkömmliche Gewichtungskriteri- Klein-Windhuk bis heute nahezu unergründete For- en aus der Geschichtswissenschaft, welche sich schungsgebiete darstellen - eine Forschungslücke, seit jeher auf das Kontinuum der Zeit berufen, zu welche es in Zukunft zu ergründen gilt. erweitern und um die verschiedenen Metaebenen des Raumes zu ergänzen. Der Versuch die jewei- In Bezug auf die Terminologie der Häfen erwies ligen physikalischen Größen zu entgrenzen und sich der Blick in die Fachliteratur des Deutschen dabei in einem übertragenen Sinne wieder mitein- Reiches als eher wenig erkenntnisreich. Aufgrund ander zu vereinen erwies sich retrospektivisch als dessen konnten dahingehend nur marginale Be- ein gewinnbringender Untersuchungsansatz, da züge ausfindig gemacht werden. Da die Kennt- dieser einen völlig neuen Blick auf die zur Debat- nis der wichtigsten Hafen- und Landungsanlagen te stehenden Kolonialbauten sowie die Landungs- des Deutschen Reiches im Rahmen der vorliegen- brücke von Swakopmund ermöglichte. Vor diesem den Arbeit von elementarer Bedeutung war, muss- Hintergrund dienen die nachfolgenden Abhandlun- ten jene Bezüge folglich um eigene Analysen und gen nicht nur einer zusammenfassenden Betrach- Erkenntnisse ergänzt werden. Die allgemeinen Dar- tung, sondern beinhalten gleichsam weiterführende stellungen beruhen daher maßgeblich auf eigenen Szenarien, welche einen Ausblick auf die Zukunft Theorien. Im Zuge dessen wurde zwischen natürli- der Landungsbrücke geben sollen. Bevor entspre- chen und künstlichen sowie zwischen offenen und chend jener ganzheitlichen Methode auf jene fina- geschlossenen Häfen differenziert – in Bezug auf len Darstellungen eingegangen werden kann, soll Hafenanlagen wurde wiederum zwischen befes- die Gelegenheit genutzt werden, sämtliche Unter- tigten und unbefestigten Landungsanlagen unter- suchungsergebnisse der Forschungsarbeit Revue schieden. Des Weiteren wurde festgestellt, dass passieren zu lassen. Im Zuge dessen sollen einer- der Hafendamm (Mole) den befestigten Landungs- seits die Erkenntnisse der allgemeinen Darstellun- anlagen und die Landungsbrücke den unbefestig- gen zur Bauhistorie Deutsch-Südwestafrikas sowie ten Landungsanlagen zuzuordnen ist. Im Zuge der der Hafen-Terminologie resümiert und andererseits Analysen zum Hafendamm wurde festgestellt, dass die vorab getroffenen Annahmen unter Berücksich- es sich hierbei um ein multifunktionales Bauwerk tigung der Analysen zur Mole, hölzernen und eiser- handelt, welches die Eigenschaften einer Kaimau- nen Landungsbrücke, auf ihre Gültigkeit untersucht er mit denselben eines Wellenbrechers kombiniert werden. und sich dabei die Beschaffenheit jener Uferein- fassung maßgeblich über die geologischen, mate- Den Anfang der Arbeit bildete die zeithistorische riellen sowie konstruktiven Rahmenbedingungen Abhandlung zur deutschkolonialen Vergangenheit definiert. Demgegenüber musste in Bezug auf die in DSWA, wobei der Fokus auf der Siedlungsge- Landungsbrücke materiell und konstruktiv je nach schichte des Schutzgebietes lag. Jene Betrachtun- Ausführungsvariante zwischen einer Bauweise in gen nahmen sowohl auf das Werk „Baukunst in Holz und in Eisen unterschieden werden, wobei an- Südwestafrika“ von Walter Peters,405 als auch auf genommen wurde, dass insbesondere die Qualität die Dissertation über „Die Wehrbauten der deut- des Fundaments sowie die Beschaffenheit der Kon- schen Schutztruppe [...]“ von Andreas Vogt, Be- struktion maßgeblich über die Lebensdauer eines zug.406 Beide Quellen können zu den Basiswerken solchen Skelettbauwerks entschied. Auf Grundla- der „Südwester-Literatur“ gezählt werden. Die da- ge jener Untersuchungen bildete sich die These he- rin enthaltenen Darstellungen dienten nicht nur als raus, dass für beide Uferbefestigungen die Kenntnis allgemeine Verständnisgrundlage, sondern ga- der jeweiligen Untergrundverhältnisse von zentra- ben überdies Auskünfte über die Entwicklung des ler Bedeutung sind. Des Weiteren wurde in Bezug deutschen sowie namibischen Bauwesens. Anhand auf die Mole konstatiert, dass der allgemeine Trans- dessen konnte beispielsweise rekonstruiert werden, missionsgrad eines herkömmlichen Hafendammes dass in DSWA ab 1908 innerhalb der kolonialen Ar- bei losem Untergrund zu einer Versandung dessel- chitektur modernistische Tendenzen einsetzten, ben führen könne, sodass sich eine solche Ufer-

112 Abb. 64: Die Mole bei Sturmflut: Aufgrund des Benguela-Stroms wurde der Landungsbetrieb nachhaltig erschwert. ©AWGS befestigung an einem sandigen Ufer generell nicht punkten aufzeigten, welchen Stellenwert der Hafen- eigne. Demgegenüber wurde sowohl bei der hölzer- standort in Swakopmund im Vergleich zu anderen nen als auch bei der eisernen Landungsbrücke; auf- Häfen benachbarter Kolonien einnahm. Aufgrund grund der Tatsache, dass Sinkstoffe ungehindert des Benguela-Stromes, welcher vom Kap der guten durch ihren Unterbau hindurch strömen können; at- Hoffnung bis zum Äquator entlang der Südwestküs- testiert, dass bei beiden Brückenarten generell eine te Afrikas strömt, stand fest, dass diesbezüglich so- Gefahr von Sandablagerungen auszuschließen sei. wohl der Hafen von Kapstadt als auch derselbe in Die jeweiligen Annahmen zum Versandungspoten- Luanda in Portugiesisch-Angola eine geeignete Re- tial, sowie die These, wonach mit Pumpenbaggern ferenz darstellten. Da beide Häfen ebenfalls von je- Sinkstoffe nachträglich aus einem Hafenbecken be- nen Meeresströmungen beeinflusst werden, sie bis seitigt werden könnten, sollen später von Neuem heute in Betrieb sind und sich innerhalb einer na- aufgegriffen werden. In jedem Fall zeigte sich, dass türlichen Bucht positionieren, konnte die Annahme sämtliche konstruktive Annahmen, die im Zuge je- bestätigt werden, wonach sich die Errichtung eines ner Analysen getroffen wurden, sich ausnahmslos Seehafens in einer natürlichen Bucht gegenüber ei- bestätigten. Somit können die im Rahmen die- ner künstlichen Uferbefestigung insbesondere bei ser Arbeit vorgenommenen Analysen zu Hafenan- starken Strömungsverhältnissen empfahl. Anschlie- lagen einen wichtigen Beitrag für weiterführende ßend wurde ein Überblick über sämtliche Häfen der Forschungen im Hinblick auf die Häfen des Deut- Kolonie Deutsch-Südwestafrikas gegeben, wonach schen Reiches leisten. Auch wenn Deutschland zu sich zeigte, dass das gesamte Gebiet, mit Ausnah- keiner Zeit eine bekannte Seefahrernation war, wird me des abgelegenen Lüderitz, über keine geeignete es notwendig sein, die Forschungslücken bezüg- Bucht für einen natürlichen Hafen verfügte, sodass lich der Terminologie von Häfen und etwaigen An- schließlich der Landungsbetrieb in provisorischer lagen zu schließen – denn immerhin hatte sich die Art und Weise am Strand nördlich der Swakop-Mün- deutsche Marine unter Kaiser Wilhelm ll. zeitweise dung durchgeführt werden musste. In Bezug auf die zu einer der modernsten Kriegsflotten der Welt ent- Referenzbeispiele zeigte sich also, dass das Deut- wickelt.407 sche Reich im Südwesten Afrikas die erste Kolonial- macht war, welche einen flachen Sandstrand als Abseits jener allgemeinen Grundlagen fand hinsicht- Landungsstelle etablieren konnte. Eine mutige Ent- lich der Darstellungen zu den Häfen in Südwestafrika scheidung, könnte man meinen. Tatsächlich war eine erste Hinwendung zum Schwerpunktthema der der dortige Landeplatz eine klassische Notlösung: eisernen Landungsbrücke (folgl. Landungsbrücke; Lüderitz war zu weit im Süden und die nahe gelege- Jetty) statt. Jene Betrachtungen waren deswegen ne Walfischbucht gehörte den Briten – es blieb den von Interesse, da sie vor übergeordneten Gesichts- Deutschen also schlichtweg nichts anderes übrig,

113 als sämtliche Schiffsgüter an jenem unwegsamen Ufer zu landen. Obwohl der dortige Landungsbe- trieb von Anfang an einer Farce glich, hielt es die deutsche Regierung lange nicht für notwendig, die Landungsstelle um ordentliche Hafenanlagen zu er- gänzen. Immer wieder wurde hierbei auf Lomé in Deutsch-Togo Bezug genommen, denn dort wurde der Landungsbetrieb lange Zeit ebenfalls am Strand durchgeführt; wobei überdies noch wirtschaftliche Gewinne erzielt werden konnten. Erst später wuss- te man, dass die Verhältnisse an der Elfenbeinküs- te in keiner Weise mit denselben Swakopmunds zu vergleichen waren.

Nachdem der Landungsbetrieb in Swakopmund viele Jahre lang mehr schlecht wie recht von statten ging, wurde zur Jahrhundertwende angesichts des exponentiell anwachsenden Schiffsverkehrs klar, dass jene provisorische Landungsstelle nicht länger ausreichen würde. Schnell errichtete man die Mole - noch schneller als sie gebaut wurde, war sie auch schon wieder versandet. Rückblickend betrachtet kann gesagt werden, dass jenem Bau kein langer Erfolg beschieden war. Die Mängel jener Landungs- Abb. 65: Die Loméer Mole in den 1960er Jahren ©I.Lackner anlage resultierten aus den Umständen, das weder die dringend benötigten Untergrunduntersuchun- rungswerte der Deutschen im Hinblick auf Hafen- gen im Vorfeld durchgeführt worden waren, noch bauten veranschaulichte. Nebenbei bemerkt wurde der Molengrundriss entsprechend der indifferen- hierdurch einmal mehr die These bestätigt, wie be- ten Strömungsverhältnisse ausgerichtet wurde. deutend die Kenntniss sämtlicher geologischer so- Die Annahme der Deutschen, wonach die Einflüs- wie umweltbedingter Rahmenbedingungen für die se aus dem Benguela-Strom an der dortigen Stelle Qualität einer solchen Anlage war. Darüber hinaus vernachlässigt werden könnten, erwies sich als ein konnte die Forschungsfrage, ob sich eine solche schwerwiegendes Fehlurteil. Außerdem wurde der Ufereinfassung ohne vorgelagerten Damm oder Ein- Bau von so vielen konstruktiven Änderungen beglei- laufkanal empfahl, negiert werden. Heute weiß man, tet, sodass das realisierte Bauwerk stark von dem dass damit ein Molenbau an sandigen Ufern nicht ursprünglichen Entwurf abwich. Einerseits wurde generell ausgeschlossen werden muss. In diesem entschieden, die Mole entgegen der Planungen li- Fall erweist sich Lomé endlich als ein geeignetes near auszuführen, andererseits wurde auf den ur- Beispiel: Die Rede ist hierbei nicht von den subop- sprünglich angedachten Molenarm nördlicherseits timalen Landungsverhältnissen aus der Kolonial- komplett verzichtet. Angesichts des Ausmaßes je- zeit, sondern vom ersten Tiefseehafen Westafrikas, ner Änderungen, gleicht das Bauwerk eher einer welcher ab 1960 von dem deutschen Tiefbauunter- verlängerten Kaimauer, denn einer Mole. Es war da- nehmen „Inros Lackner“ im Zuge eines Entwick- her nicht verwunderlich, dass das Bauwerk das Ufer lungsprojektes sukzessive ausgebaut wurde. Jener nur unzureichend vor Wellen und Ablagerungen ab- molenartige Hafen ist noch heute und trotz des san- schirmte. Auch die von der Fachliteratur empfohle- digen Ufers in Betrieb (Vgl. Abb. 65).408 Das Un- nen Pumpenbagger konnten hierbei keine Abhilfe ternehmen wäre sicherlich prädestiniert, auch die schaffen. Angesichts der dortigen Strömungsver- Swakopmunder Mole zu reaktivieren – gar kein ab- hältnisse kann festgestellt werden, dass selbst zehn wegiger Gedanke, wie sich später noch zeigen wird. solcher Anlagen wohl kaum ausreichend gewesen wären, den Sand dauerhaft aus dem Becken zu ent- Obwohl spätestens nach dem Fiasko mit der Ha- fernen. fenmole mehr wie klar gewesen sein dürfte, dass umfassende Untergrunduntersuchungen maßgeb- Bei der defizitärenMole zeichnete sich also erstma- lich über den Erfolg einer solchen Landungsanlage lig ein starker Kontrast zwischen Theorie und Praxis entscheiden, wurden diese beim Bau der hölzer- ab, welcher wiederum die eher marginalen Erfah- nen Landungsbrücke erneut vernachlässigt – wahr-

114 scheinlich aufgrund dessen, da sie von Anfang an mögende Privatiers, sondern ebenfalls eine Reihe als Provisorium geplant worden war und dement- wichtiger Ökonomen, wodurch binnen einer Nacht sprechend wenig Budget für den Bau einkalkuliert die Führungsriege der britischen Wirtschaft qua- wurde. Hierdurch konnte wiederum die vorab getrof- si ausgelöscht wurde – ein herber Schlag für das fene Annahme, wonach im Deutschen Reich Holz- Land. Großbritanniens Image als Weltmacht hatte brückenbauten im Zuge der Industrialisierung nur damit erstmals Risse bekommen. Anderen konkur- mehr als Provisorien Verwendung fanden, bestätigt rierenden Nationen in Europa, welche bis dato im werden. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass Schatten jener industriellen Übermacht gestanden den Konstrukteuren beim Bau jener Landungsanla- hatten, gab dies ordentlich Aufwind; in diesem Sin- ge ebenfalls eine Reihe eklatanter Fehler unterlau- ne hatten die Briten einen buchstäblichen „Schuss fen waren. Der größte Fauxpas war das Versäumnis, vor den Bug“ erhalten. Bezeichnenderweise fand das Holz vorab auf Schädlinge zu überprüfen und die Grundsteinlegung der eisernen Landungsbrücke zu imprägnieren. Aufgrund dessen nistete sich der nur wenige Tage, nachdem die Titanic in den Atlan- Bohrwurm in das Material ein und die Brücke wur- tik gesunken war, statt. Wie vorab erwähnt wurde, de baufällig. Sämtliche Versuche, ihre Stabilität zeugt der Duktus der damaligen Korrespondenzen zu sichern, beziehungsweise wiederherzustellen, davon, dass auch die beim Bau der Jetty beschäf- schlugen fehl. Nichts desto trotz hat die hölzerne tigten deutschen Arbeiter und Ingenieure in Anbe- Landungsbrücke als Umschlagplatz für Schiffsgüter tracht der verwundbar gewordenen Briten neues gute Dienste geleistet – zudem galt, dass bei jener Selbstbewusstsein geschöpft hatten. Als noch in- unbefestigten Landungsanlage, aufgrund der ein- teressanter erweist sich jener globale Zusammen- gangs erwähnten konstruktiven Vorzüge, generell hang, wenn man bedenkt, dass das Unglück der keine Versandungsgefahr zu erwarten war. Auf Ba- Titanic in der Rückblende den Wendepunkt zum sis jener Erkenntnis gilt als erwiesen, dass sich ei- Untergang des Britischen Empires markierte, wäh- ne solche Anlage gegenüber einer Mole an einem rend parallel in Deutsch-Südwestafrika die langer- sandigen Ufer wohl aufgrund der konstruktiven Ei- sehnte Blütezeit einsetzte.409 genschaften eignete – nicht jedoch aufgrund des eher minderwertigen Konstruktionsmaterials. Eben- Auch die innenpolitischen Vorgänge des Deutschen falls gilt als erwiesen, dass die Brücke lediglich als Reiches nahmen nachhaltig Einfluss auf den Bau temporäre Landungsanlage in Frage kam. Schlus- der Brücke: Hierbei soll zunächst auf den Ausgang sendlich sei erwähnt, dass in Bezug auf die hölzer- der Reichstagswahlen von 1907 Bezug genommen ne Landungsbrücke aufgrund der unzureichenden werden, welche zugunsten der Kolonialisten ausge- Quellenlage keine näheren Angaben gemacht wer- fallen waren. Nachdem das Reichskolonialamt bis den konnten, ob und inwiefern ihr Bau von den ur- dato einen rigiden Sparkurs verfolgt hatte, wurden sprünglichen Konstruktionsplänen abwich. nach der Wahl umfassende Investitionen in die Ko- lonien getätigt. Jede Entwicklung wurde ebenfalls Nachdem die Mole versandet und die Holzbrücke durch den von Bernhard Dernburg eingeleiteten Re- verwurmt war, standen die leidgeplagten Swakop- formkurs unterstützt, wonach bürokratische Vor- munder einmal mehr vor dem Nichts. Eine neue gänge sowohl im Deutschen Reich als auch in den Landungsanlage musste her – doch dieses Mal Schutzgebieten beschleunigt wurden und wodurch wollte man nichts dem Zufall überlassen. Jene Be- ebenfalls im Bauwesen von DSWA eine strukturier- merkung weist auf die übergeordneten Aspekte hin, tere Arbeitsweise einzog. Sämtliche Bauprozesse welche dem Bau der eisernen Landungsbrücke zu- wurden fortan in einer akribischen Manier durchge- grunde lagen: Sie lassen sich in globale, deutschna- führt und sind nebenbei bemerkt ein wesentlicher tionale und deutschkoloniale Faktoren gliedern und Grund dafür, dass viele der deutschen Kolonial- sollen an dieser Stelle eingehend wiedergegeben bauten die Jahrzehnte bis heute überdauern konn- werden. Global betrachtet wurde der Bau der Jet- ten. Auch der Bau der Jetty fiel in jene Periode. Es ty von einem außergewöhnlichen Ereignis beglei- ist anzunehmen, dass die genannten Umstände ei- tet, welches sich im Frühjahr 1912 in der Nähe von nen maßgeblichen Anteil daran nahmen, dass die Neufundland ereignete. Die Rede ist von der Tita- beschäftigten Ingenieure von Flender und Grün & nic, dem britischen Luxusschiff, welches auf seiner Bilfinger beim Bau der Landungsbrücke ebenfalls Jungfernfahrt in der Nacht des 14. Aprils einen Eis- größte Sorgfalt walten ließen. berg rammte und sank. Viel wurde zu dem Unglück selbst berichtet und doch ist wenig bekannt, welche Die deutschkolonialen Faktoren, welche den Bau globalen Auswirkungen damit einher gingen. Unter der Brücke begünstigten, gründen auf einer Rei- den zahlreichen Opfern befanden sich nicht nur ver- he unterschiedlicher Faktoren: Die Jetty wäre wohl

115 nie an der Stelle nördlich des Swakop-Flusses rea- zwanzig Jahre lang vergeblich versucht, eine dau- lisiert worden, hätte es Swakopmund und Windhuk erhafte Landungsanlage zu errichten. Grund ge- nicht gegeben. Die Entstehung jener Ortschaften ist nug, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen: dem Ursprung nach wiederum dem Reichskomis- Die Berliner Regierung entschied daher, das Unter- sar Heinrich Göring zu verdanken, da dieser in den fangen in die professionellen Hände der Ingenieure Anfangsjahren nach der Gründung der Kolonie ent- von Flender und Grün & Bilfinger zu legen. Dahin- schieden hatte, dass der Verwaltungssitz im Landes- gehende entwurfsrelevante Details wurden in einer inneren liegen müsse und nicht im abgeschiedenen vertraglichen Abschrift festgehalten. Da der Autorin Lüderitz. Landeshauptmann François hatte wie- jene Dokumente im Original vorlagen, kann gesagt derum mit seinen Stadtgründungen von Windhuk werden, dass dem Bau der Jetty eine umfassende und Swakopmund den Boden für die dortige Sied- Entwurfsplanung vorausging. Die Unterlagen zeu- lungsbewegung bereitet. Ein weiterer Faktor war gen von äußerst umfangreichen Ausführungen, un- wirtschaftlicher Natur: Bekanntermaßen war Swa- terstützt von Angaben zu Biege- und Zerreisproben kopmund zentraler Umschlagplatz der Güter aus sowie zur Statik. Letzteres konnte in Rücksichtnah- den Otavi-Minen - darüber hinaus wurden im Jahr me auf den thematischen Schwerpunkt dieser Ar- 1908 im Hinterland von Lüderitz große Vorkommen beit nicht zur Debatte stehen – nichts desto trotz an Diamanten gefunden, wonach nun auch dort die kann gesagt werden, dass der Detaillierungsgrad Wirtschaft florierte. Es zeigte sich, dass Adolf von jener Abschriften seinesgleichen sucht. Bezeich- Lüderitz mit seiner Annahme, wonach im Raum nenderweise wurde innerhalb dessen erstmals der Bucht von Angra Pequena mit Bodenschätzen vorgeschrieben, umfassende Informationen zu Strö- zu rechnen sei, schlussendlich recht behalten hat. mungs- und Untergrundverhältnissen einzuholen, Nach jenem Fund wurde eine Diamantensteuer ein- ausnahmslos geschultes Fachpersonal einzustel- geführt, wodurch die Kolonie erstmalig bedeuten- len und sämtliche Arbeitsschritte in allen Einzelhei- de Gewinne abwarf. Ohne jene Steuer wäre es wohl ten festzuhalten. kaum möglich gewesen, den Bau der Landungsbrü- cke zu finanzieren. Die umfangreichen Planungsgrundlagen können auf den Umstand zurückgeführt werden, dass die deut- Abseits dessen sollen sich die Betrachtungen an schen Konstrukteure über nur wenig Vorkenntnisse dieser Stelle nochmals den unmittelbaren Fakto- verfügten, auf die sie diesbezüglich hätten zurück- ren zuwenden, welche dem Bau der Landungsbrü- greifen können. Im Zuge der Entwurfsplanung fand cke zugrunde lagen. Vorab sei bemerkt, dass die zumindest immer wieder die Landungsbrücke von Ausgangslage bei jenem Bauwerk denkbar schlecht Lomé in Deutsch-Togo Erwähnung – etwaige Bau- war. Immerhin hatte man an dem dortigen Ufer über werke an der deutschen Nordseeküste waren kei-

Abb. 66: Die Jetty im Jahr 2019: Nur mehr der Brückenkopf ist im originalen Zustand erhalten geblieben. ©Yoko Rödel

116 ne geeignete Referenz. Darüber hinaus kamen bei Umstand zurück zu führen, dass sämtliche Bautei- der Jetty für deutsche Verhältnisse relativ neue und le in Deutschland so weit wie möglich „fix und fer- unerforschte Baumaterialien zur Anwendung. Wie tig“ zusammengesetzt wurden – auf diese Weise eingehend dargelegt wurde, war es historisch bedingt konnte der Grad an Imperfektionen bedeutend ein- den Deutschen erst nach der Jahrhundertwende geschränkt werden. Bezogen auf die Beschaffen- gelungen, hochwertige Eisenwerkstoffe in größeren heit des verwendeten Materials und des Tragwerks Mengen herzustellen und auch in Bezug auf den zeigte sich im Vergleich mit den Vorgängerbau- Beton verfügte man über nur wenig Vorerfahrung. ten, dass die Qualität der Jetty sondergleichen war. Daher kann die Hypothese, wonach sich die Hierdurch wird wiederum ein neues Licht auf die Fä- deutschen Konstrukteure erst allmählich jenen higkeiten der deutschen Konstrukteure geworfen, industriell gefertigten Werkstoffen zuwendeten, als welche bis dato eher aufgrund mangelhafter Fähig- erwiesen gelten. Angesichts dessen wird deutlich, keiten im Hinblick auf die Anwendung der Ingeni- weshalb man bei diesem Bauwerk nichts dem Zufall eurwissenschaften von sich Reden gemacht hatten. überlassen wollte. Es wurde jedoch auch klar, dass Vor diesem Hintergrund ist die Swakopmunder die Verantwortlichen im Zuge der Bauausführung Landungsbrücke ein frühes Beispiel der deutschen dennoch mit einer Reihe von Komplikationen Ingenieurskunst, bei welchem sich technische Inno- konfrontiert wurden. Aus diesem Grund weicht das vationen zuerst in der Praxis bewährten, bevor sie in Bauwerk in seiner Struktur in vielen Punkten von die Theorie einflossen. Das ist äußerst bemerkens- derselben der Planungsgrundlage ab. Im Zuge des- wert, da es im Deutschen Reich normalerweise üb- sen mussten beispielsweise immer wieder Material- lich war, den Ingenieurwissenschaften zuerst einen tests durchgeführt werden, welche jedoch den theoretischen Boden zu bereiten, bevor sie zur An- Vorteil bürgten, dass eine Reihe bemerkenswerter wendung kamen - für die Methode „Try and Error“ Forschungserkenntnisse in Bezug auf die Eigen- waren damals vor allem die Briten bekannt. Auch schaften von Beton und Eisen gesammelt werden wenn die konstruktive Qualität jenes Bauwerks al- konnten, welche dann auch in das Deutsche Reich so überragend war – als Landungsanlage hatte sich übermittelt wurden, sodass man anschließend auch vor allem der hölzerne Landungssteg bewährt. Je- auf deutschem Boden von jenen Erfahrungswerten ne Tatsache mag verwundern, da die Stabilität der profitierte. Holzbrücke stark unter dem Bohrwurmbefall gelit- ten hatte. Tatsächlich mussten die Deutschen in Er- Wenngleich die Realisierung jenes Projekts im Ver- mangelung anderer Landungsanlagen (die Mole war gleich zu den Vorgängerbauten vorbildlich erscheint, vollständig versandet und die Jetty noch nicht fer- darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die tig) auf die baufällig gewordene Holzbrücke als Lan- Verantwortlichen ebenfalls die erforderlichen Un- deplatz zurückgreifen. tergrunduntersuchungen vernachlässigt hatten – und das obwohl diese vertraglich vorgeschrieben Dank der vorausgegangenen Darstellungen, welche waren. Hierdurch resultierten nicht nur eine Reihe eine Übersicht über den weiteren Verbleib der Jet- baulicher Anpassungen - jenes Versäumnis hatte ty nach der deutschen Kolonialzeit bis in die Ge- überdies einen monatelangen Baustopp zur Folge. genwart gaben, konnten eine Reihe weiterführender Es kann gesagt werden, dass hierdurch die meisten Kenntnisse in Bezug auf das Bauwerk gesammelt baulichen Änderungen an der Brücke vorgenom- werden: Nach der Machtübernahme durch Südaf- men werden mussten. Die Vernachlässigung der rika musste Swakopmund seine Rolle als zentra- Untergrunduntersuchungen zeigt außerdem, dass ler Hafenstandort an Walfischbucht und Lüderitz man von Beginn an damit rechnen musste, dass abtreten. Infolgedessen wurde die Brücke in den die ursprünglich veranschlagte Bausumme von nur zwanziger Jahren zu einer Promenade umgebaut, 3,5 Millionen Mark kaum ausreichend war, um eine wodurch die Möglichkeit, die Anlage als Schiffs- über 600 Meter lange Brücke in den Atlantik zu bau- anlegestelle zu verwenden, in weite Ferne rückte. en. Der Verzicht auf die Untergrunduntersuchungen Nach den Umbauarbeiten stand die Landungsbrü- war also ein kalkuliertes Risiko. Die Rechnung ging cke Anfang der dreißiger Jahre erstmals vollständig nicht auf - stattdessen waren hierdurch eklatant ho- auf dem Trockenen – dasselbe war später Mitte der he Mehrkosten entstanden. 1980er Jahre ein weiteres Mal zu beobachten. So- mit muss nachträglich davon ausgegangen werden, Trotz der zahlreichen Änderungen, schien dies die dass entgegen der vorigen Annahmen eine Versan- konstruktive Qualität der Brücke nicht gemindert zu dung einer unbefestigten Landungsanlage temporär haben. Dies ist einerseits der überragenden Qualität auftreten kann, wenn sich um das Bauwerk eine ein- des Eisenwerkstoffs zu verdanken, als auch auf den rahmende Sandbank bildet. Weitere Aussagen kön-

117 Abb. 67: Mit ihrer diagonalen Ausrichtung sorgt die Jetty für einen räumlichen Kontrapunkt. ©Y. Rödel

nen diesbezüglich nicht getroffen werden. Hierzu im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu einem der sei erwähnt, dass die bisherigen Kenntnisse be- bedeutendsten Wahrzeichen Swakopmunds avan- züglich der dortigen geologischen Verhältnisse und cierte und wie ist ihr Wert vor denkmalpflegerischen Strömungsrichtungen in Zukunft durch weitere For- Gesichtspunkten zu bewerten? schungen ergänzt werden sollten. Um jene Fragen adäquat beantworten zu können, Glücklicherweise war die Versandung der Brücke wurde im Rahmen einer interdisziplinären Betrach- nicht von langer Dauer und das Meer kämpfte sich tungsweise, und unter Berücksichtigung gesell- zur alten Strandlinie zurück. Obwohl sich die Jetty schaftlicher Einflussfaktoren, der zeit-, kultur- und nach den erfolgten Umbauarbeiten zu einem belieb- bauhistorische Wert des Bauwerks, unter Bezug- ten Ausflugsziel entwickelte, wurde in den vergan- nahme auf die allgemeinen Kriterien der namibischen genen Jahrzehnten nur wenig für ihren Erhalt getan. Denkmalpraxis, untersucht. Wenngleich der Städte- Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, führte bau in dieser Arbeit keinen Forschungsschwerpunkt dies dazu, dass das Bauwerk mehr als einmal in ei- darstellte, galt es in diesem Zusammenhang die Re- nem derart desolaten Zustand war, dass man mit levanz der Brücke ebenfalls im urbanen Kontext so dem Schlimmsten rechnen musste. Nachdem das weit zu beleuchten, als dass dies für die Beurtei- Bauwerk Anfang der achtziger Jahre erstmals ge- lung hinsichtlich des Ensembleschutzes nötig war. schlossen werden musste, wurden ab 1985 und Hierbei zeigte sich, dass der Planstadt Swakop- dann erneut ab 2005 umfangreiche Sanierungs- mund in Relation zu Windhuk und Lüderitz, welche arbeiten notwendig. Während jener Maßnahmen anhand der jeweiligen Topographie angelegt wur- ging erheblich viel von der historischen Bausub- den, städtebaulich eine Sonderrolle zuteilwurde. stanz verloren, was den jeweiligen Ingenieuren je- Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass die doch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Landungsbrücke aufgrund dessen, dass sie um et- Sie haben in Anbetracht des geringen Budgets ihr wa 30 Grad gegen Norden gedreht ist, jenes regel- Bestes gegeben. Nichts desto trotz hat die Lan- mäßige Schachbrettmuster aufbricht und auf diese dungsbrücke ihre heutige Existenz maßgeblich ih- Weise einen wichtigen Kontrapunkt im urbanen Ge- rem hochwertigen Konstruktionsmaterial sowie der füge ausbildet. Darüber hinaus wurde ebenfalls das Qualitätsarbeit der Ingenieure von Flender und Grün Verhältnis des Bauwerks in Relation zu dessen un- & Bilfinger zu verdanken. Abgesehen davon zeigte mittelbaren Umgebung untersucht. Diesbezüglich sich, dass die Jetty auch nach dem Ende der kolo- wurde ein dreiteiliger Bewertungsansatz verfolgt, nialen Epoche zu keiner Zeit als Schiffsanlegestelle wonach die Jetty unter Bezugnahme auf die Me- Verwendung fand. Worauf gründet sich also ihre be- taebenen der Denotation, bildhaften Interpretation sondere Rolle innerhalb des kollektiven Gedächtnis- sowie metaphorischen Impression analysiert wur- ses? Wie war es möglich, dass die Landungsbrücke de. Hinsichtlich der imaginären Eigenschaften wur-

118 de festgestellt, dass das Bauwerk nicht nur einen der Brückenkopf bis heute nahezu im Original erhal- Schiffsanleger darstellt, sondern es überdies als ein ten geblieben – und das obwohl das Bauwerk seit symbolisches Bindeglied zwischen Diesseits und über hundert Jahren Wind und Wellen quasi schutz- Jenseits gesehen werden kann, welches sinnbild- los ausgesetzt ist. Abschließend wurde festgestellt, lich das namibische Ufer mit demselben in Deutsch- dass vor Aspekten der Denkmalpflegeder materiel- land verbindet. Am wichtigsten erschienen hierbei le sowie konstruktive Wert des Bauwerks außeror- jedoch die metaphorischen Aspekte zu sein: Dem- dentlich hoch ist. Auch aus Sicht der Autorin wurde nach steht das Bauwerk für sämtliche Erinnerun- die Qualität des Konstruktionsmaterials für über- gen an die koloniale Vergangenheit, welche mit durchschnittlich hoch befunden. In Bezugnahme dem Ort assoziiert werden und dabei ebenfalls die auf jene Erkenntnisse soll Erwähnung finden, dass Grundzüge der modernen Architektur und der deut- das Konstruktionsmaterial der Jetty noch heute für schen Ingenieurskunst veranschaulichen. Daher Forschungszwecke Verwendung finden sollte und wurde festgestellt, dass der Swakopmunder Lan- etwa für die deutsche Bundesanstalt für Material- dungsbrücke aufgrund ihrer visuellen Wirkung eine forschungen als gewinnbringende Referenz dienen Schlüsselrolle im urbanen Raum zuteil wird. kann.

Um den denkmalpflegerischen Wert des Bauwerks Neben den übergeordneten Gesichtspunkten des vor konstruktiven Gesichtspunkten bewerten zu Städtebaus und den konstruktiven Eigenschaften können, wurde die Brücke nachfolgend unter Zu- wurde abschließend eine Einordnung des Bauwerks hilfenahme einer Werkanalyse untersucht. Wie im historischen Kontext vorgenommen. Hierbei unlängst bekannt ist, handelte es sich bei den ver- wurde angenommen, dass neben den vorkolonia- wendeten Materialien um für deutsche Verhältnis- len Relikten auch das deutsche Bauerbe im Sin- se relativ neue Werkstoffe – umso mehr beeindruckt ne eines transkulturellen Identitätsdiskurses zu den die überragende Qualität der Jetty. Hinsichtlich der denkmalwürdigen Objekten in Namibia gezählt wer- Tragwerksart handelte es sich bei dem Bauwerk um den kann. Jene Betrachtungen wurden von Inhalten die Konstruktion einer Balkenbrücke. Die Fachwerk- begleitet, welche sich auf die denkmalpflegeri- verbände im Bereich des Oberbaus konnten dies- sche Praxis in Namibia beriefen. Es wurde aufge- bezüglich vernachlässigt werden, da diese lediglich zeigt, dass das Interesse am Erhalt der deutschen der Aussteifung dienten. Auf jene simple Bauart Bauwerke, insbesondere nach der Unabhängigkeit wurde jedoch nicht allein aus praktischen Gründen Namibias von Südafrika, drastisch sank. Als dies- zurückgegriffen, wie später noch eingehend darge- bezügliche Gründe wurden einerseits marginale stellt wird. Wenngleich in der Vergangenheit infol- Kenntnisse in Bezug auf die koloniale Baugeschich- ge von Sanierungen der ursprüngliche Charakter te sowie der nach 1990 einsetzende Massentouris- des Bauwerks an vielen Stellen verloren ging, ist mus und ideologische Faktoren genannt, wonach

Abb. 68: Seit über hundert Jahren setzt sich die Jetty über die tosende Brandung hinweg. ©Yoko Rödel

119 Abb. 69: Die Mole im Jahr 2019: Heute ist das ehemalige Hafenbecken ein beliebter Badestrand. ©Yoko Rödel

die namibische Regierung sich sowohl der tradi- aus Stahlbeton besteht und damit stark von der ur- tionellen sowie der kolonialen Vergangenheit radikal sprünglichen Tragwerksstruktur abweicht. Dass die zu entledigen versuchte. Jene Faktoren führen dazu, Brücke trotz alledem noch immer eine solch enor- dass das Interesse am Erhalt sämtlicher denkmal- me Anziehungskraft auf ihre Umgebung ausübt würdiger Bauten in Namibia zunehmend schwin- ist hauptsächlich der Ästhetik des Brückenkopfes det. Immerhin konnte demonstriert werden, dass zu verdanken (Vgl. Abb. 68). Gerade jener Bereich ein Bauwerk durchaus auch mit geringsten Aufwen- stellt einen wichtigen visuellen Bezugspunkt dar, dungen gepflegt werden kann - selbiges konnte je- denn das Paradoxon, dass sich ein derart filigranes doch nicht für die Landungsbrücke gelten. Anders Bauwerk seit über hundert Jahren mühelos über die als viele andere Kolonialbauten, welche unter dem tosende Brandung des Atlantiks hinwegsetzt, fas- günstigen Einfluss des ariden Klimas stehen, be- ziniert ungemein. Würde man in Zukunft auch die findet sich die Brücke im Meerwasser und ist stets eisernen Träger jenes Abschnitts durch Stahlbeton- dem feuchten Küstenklima ausgesetzt. Aus diesem träger ersetzen, wäre die Landungsbrücke nurmehr Grund war es im Rahmen bisheriger Sanierungs- ein Schatten ihrer selbst. Es wird daher nicht ausrei- maßnahmen lediglich möglich, ihren Status Quo zu chen, das Bauwerk in der alter Manier zu sanieren, sichern. Obwohl das Bauwerk sich dabei äußerlich sondern es möglichst originalgetreu zu rekonstru- stark veränderte, wird ihm noch immer eine elemen- ieren. Sicherlich wären damit erhebliche Investitio- tare Rolle innerhalb des kollektiven Gedächtnisses nen verbunden, sodass ein solches Vorhaben auf zugeschrieben, da es den Namibiern zugunsten ei- den ersten Blick utopisch erscheinen mag. Nichts ner Aufarbeitung der historischen Vergangenheit als desto trotz sollen an dieser Stelle verschiedene Anhaltspunkt dienen kann. In Bezugnahme auf je- Möglichkeiten einer Restaurierung sowie Nutzung, nen Diskurs stellt das Bauwerk also zweifellos ein beziehungsweise Nutzungserweiterung, sowohl für denkmalwürdiges Objekt dar. Was muss also ge- die Jetty als auch für ihre Vorgängerbauten aufge- tan werden, damit die Jetty auch in Zukunft erhalten zeigt werden. Jene Darstellungen verlangen sicher- bleibt und welche Restaurierungen und Nutzungs- lich nach einem kritischen Auge - dennoch können konzepte wären hierfür nötig? sie als Ideensammlung wertvolle Anreize für nach- folgende Restaurierungsarbeiten bieten. Bei bisherigen Sanierungsmaßnahmen wur- de stets das Ziel verfolgt, das Bauwerk zu kon- Bevor auf eine zukünftige Nutzung der Brücke so- servieren, statt es originalgetreu zu restaurieren. wie auf weitere Nutzungsmöglichkeiten eingegan- Wie bereits erwähnt wurde, ist die Brücke in vie- gen werden kann, soll darauf hingewiesen werden, len Bereichen nicht im Original erhalten geblieben dass in jenem Zusammenhang auch über eine Re- – das trifft insbesondere auf den ersten Brücken- aktivierung der Mole nachgedacht werden sollte, abschnitt zu, dessen Oberbau seit dem Jahr 2005 denn die Aufwertung jener Uferbefestigung würde

120 indirekt auch den Stellenwert der Landungsbrücke des Umweltschutzes jedoch unbedingt vermieden stärken. Im Zuge der Darstellungen zu den erfolg- werden. Nebenbei bemerkt wäre eine Reaktivie- ten Umbau- und Sanierungsarbeiten fand Erwäh- rung der hölzernen Landungsbrücke aus Sicht der nung, dass bereits Anfang der achtziger Jahre über Autorin nicht erstrebenswert. Einerseits wegen dem eine Reaktivierung jener massiven Uferbefestigung Kostenfaktor, da die Brücke von Grund auf neu er- debattiert wurde. Da die finanziellen Mittel und das richtet werden müsste und andererseits deswegen, technische „Know-How“ fehlten, wurde die Idee weil Holz im Kontakt mit Wasser auch bei bester bald wieder fallen gelassen. Seitdem fand jedoch Wartung über eine äußerst beschränkte Lebens- eine rasante Entwicklung im Bauingenieurwesen dauer verfügt (vgl. Abb. 70). und in Bezug auf die Anwendung von Beton statt, sodass ein Ausbau der Swakopmunder Mole aus Zurück zur Jetty: Vorab wird darauf verwiesen, dass heutiger Sicht durchaus realistisch erscheint. Darü- Untersuchungen, die im Zuge der Sanierungen im ber hinaus wurde bereits darauf hingewiesen, dass Jahr 2005 an der Landungsbrücke vorgenommen der deutsche Baukonzern Inros Lackner in Lomé in worden waren, aufzeigten, dass die historische Togo erstmalig auf sandigem Boden einen groß- Bausubstanz und insbesondere die Fundamente maßstäblichen Tiefseehafen realisieren konnte. Auf von einer überragenden Stabilität zeugten. Vor die- Basis jener Erfahrungswerte wäre es ebenfalls mög- sem Hintergrund erscheint eine originalgetreue Re- lich, die Mole in Swakopmund zu reaktivieren und konstruktion des Bauwerks durchaus vorstellbar. beispielsweise zu einem Yachthafen mit mehreren Wie bereits erwähnt wurde, wäre es beispielswei- Piers auszubauen. Hierfür wäre es notwendig, den se denkbar, zunächst die Betonummantelungen der kurzen Molenarm zu einem Hafendamm mit langem Brücke zu beseitigen und den Oberbau entspre- Einlaufkanal zu erweitern, sowie das Hafenbecken chend der originalen Planungsgrundlagen von Flen- ergänzend durch eine nordseitige Hafenmauer ein- der und Grün & Bilfinger zu rekonstruieren. Hierfür zufassen, damit das Becken nachhaltig vor Sandab- könnte statt Eisen Stahl für tragende und Alumini- lagerungen abgeschirmt würde (Vgl. Abb. 69). Im um für nichttragende Bauteile Anwendung finden. Sinne eines sanften Tourismus würden jene Maß- Stahl käme deswegen in Frage, da dieser über ei- nahmen auch der dortigen Wirtschaft zugutekom- ne deutlich höhere Druck- und Zugfestigkeit verfügt men. Ein Kreuzfahrt-Tourismus sollte aus Gründen als Eisen;410 Aluminium würde den Vorteil bürgen, dass es relativ leicht, gut verarbeitbar und resistent gegenüber Korrosion ist.411 Derartige Maßnahmen würden den ästhetischen Wert der Brücke unge- mein steigern, was sich wiederum positiv auf den identitätsstiftenden Charakter des Bauwerks aus- wirken würde. Nach erfolgter Rekonstruktion würde das Bauwerk überdies eine wichtige unternehmens- geschichtliche Referenz der Firma Bilfinger SE dar- stellen.

Bevor in Frage kommende Nutzungsmöglichkeiten aufgezeigt werden können, soll zunächst reflektiert werden, welcher Nutzung das Bauwerk bisher un- terlag: Nach den Umbauarbeiten in den 1920er Jah- ren entwickelte sich die Brücke zu einer beliebten Promenade. Bis zu den ersten Sanierungsmaßnah- men wurde sie überdies von Anglern benutzt. Da denselben jedoch vorgeworfen wurde, die Brücke verunreinigt zu haben, wurde ihnen das Angeln En- de der achtziger Jahre vollständig untersagt. Nach der zweiten großen Sanierung nach der Wende zum 21. Jahrhundert wurde Quantum Liebenberg Päch- ter der Jetty, welcher wiederum auf einer Plattform am Brückenkopf eine Austernbar errichten ließ. Nach der Wiedereröffnung im Jahr 2009 fungierte sie daher nicht mehr nur als Promenade, sondern gleichsam als ein gastronomischer Standort, wo- Abb. 70: Reaktivierung ausgeschlossen: Vereinzelt ragen

Überreste der hölzernen Brücke aus dem Sand ©Y. Rödel 121 Abb 71: Blick auf die Austernbar: Bis heute erfreut sich die Jetty als Ausflugsziel großer Beliebtheit ©Yoko Rödel

durch das Bauwerk ungemein aufgewertet wurde. ne wertvolle Möglichkeit geboten, sich im Rahmen Aus Sicht der Autorin sollte jenes kulinarische An- einer kritischen Reflexion mit der vielschichtigen gebot auch in Zukunft beibehalten werden – nichts Vergangenheit des Landes auseinander zu setzen. desto trotz sind die baulichen Kapazitäten der Aus- ternbar bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Ab- Abschließend kann gesagt werden, dass die um- hilfe könnte beispielsweise ein Umbau schaffen, fassenden Analysen zur Landungsbrücke von wobei ein freier Grundriss unter Verwendung ei- Swakopmund neue Erkenntnisse in Bezug auf die ner Pfosten-Riegel-Fassade mit möglichst großem Terminologie von Häfen und die Entwicklung der Fensterflächenanteil angestrebt werden sollte. Auf deutschen Kolonialarchitektur hervorbrachten, wel- diese Weise würde die Fläche optimal ausgenutzt che nicht nur für die vorliegende Arbeit, sondern werden – darüber hinaus hätte eine umlaufende ebenfalls für Forschungsbereiche des Ingenieurwe- Glasfassade den Vorteil, dass die Gäste einen un- sens, der Soziologie, Anthropologie sowie für die gehinderten Blick auf das Meer genießen könnten. Zeit-, Kultur- und Baugeschichte eine wichtige wis- Darüber hinaus sei erwähnt, dass die Speisekarte senschaftliche Basis darstellen. In Bezug auf die Hä- um preiswertere Angebote erweitert werden könnte, fen jenes afrikanischen Küstengebietes konnte im sodass ein Restaurantbesuch zukünftig auch für Fa- Vergleich mit anderen Hafenanlagen benachbarter milien attraktiv würde. Neben der Erweiterung des Kolonien aufgezeigt werden, dass es einzig an je- kulinarischen Angebots wäre es ebenfalls denkbar, nem südwestafrikanischen Küstenort gelungen die Brücke um ein weiteres Nutzungsspektrum zu war, einen Hafen an einem flachen Sandstrand zu ergänzen: Entsprechend ihrer ursprünglichen Nut- errichten. Nachfolgend wurde im Zuge einer ein- zung könnte die Jetty etwa als Schiffsanlegestelle gehenden Darstellung relevanter Vorgängerbauten für Bootstouren von Swakopmund nach Walfisch- veranschaulicht, welche maßgeblichen Faktoren bucht Verwendung finden. Die Einnahmen aus dem den Bau der Jetty begünstigten. Des Weiteren ist Ticketverkauf könnten wiederum für die Wartung es auf Basis von bisher unveröffentlichten Quel- der Landungsbrücke und für den Erhalt sämtlicher lenmaterials aus der Kolonialzeit gelungen, einen denkmalwürdiger Objekte in Namibia verwendet Gesamtüberblick über die Vergangenheit jener Lan- werden. Neben der Reaktivierung des Bauwerks als dungsbrücke von der ersten Grundsteinlegung bis Schiffsanlegestelle wäre es ebenfalls möglich, Platt- zum heutigen Tag zu geben. Sämtliche Bauwerks- formen oder Pavillons auf der Promenade zu errich- analysen erfolgten anhand von dialektischen Unter- ten. Jene Installationen könnten etwa Informationen suchungsweisen, wobei die Planungsgrundlagen über die Vergangenheit der Landungsbrücke bein- der jeweiligen Anlagen mit dem realisierten Bau- halten und dabei einen interkulturellen Diskurs zur werk verglichen wurden. Dahingehend zeigte sich, kolonialen Vergangenheit des Landes anregen. Auf dass an allen drei Landungsanlagen während der diese Weise würde sämtlichen Ethnien Namibias ei- Bauausführung Planungsänderungen vorgenom-

122 men wurden. Wie bereits erwähnt wurde, bestätig- brücke überdies ein wichtiges Zeitzeugnis der In- te sich hierdurch einmal mehr der Eindruck, wonach dustriebaukultur des Deutschen Reiches ist. Die die deutschen Konstrukteure über generell wenig Tatsache, dass bei dem Bauwerk auf die relativ sim- Erfahrungswerte in Bezug auf die praktische An- ple Bauart einer Balkenbrücke zurückgegriffen wur- wendung der ingenieurwissenschaftlichen Grund- de, erscheint dabei zunächst paradox. Die Briten lagen verfügten. Angesichts dessen, dass sie beim waren damals im Brückenbau zu weit mehr in der Bau der eisernen Landungsbrücke überwiegend Lage – könnte man meinen. Ein anderes Bild zeich- technisches Neuland betraten, zeigt sich, dass die net sich jedoch, berücksichtigt man den Umstand, Jetty in jenem Zusammenhang als ein technisches dass jenes Bauwerk zu einer Zeit entstanden ist, als Pionierbauwerk gewertet werden kann. in DSWA eine modernistische Architekturströmung einsetzte. Nachfolgend flossen sämtliche Erkenntnisse, wel- che in Bezug auf das Schwerpunktthema gesam- Diesbezüglich konnte vor bauhistorischen Ge- melt wurden, in eine abschließende Betrachtung sichtspunkten aufgezeigt werden, dass die einfa- ein. Vor urbanen, konstruktiven sowie historischen che Tragwerksart der Jetty nicht nur pragmatische Gesichtspunkten wurde aufgezeigt, dass die eiser- Gründe hatte. Die einleitenden Darstellungen zeig- ne Landungsbrücke weit mehr ist als ein koloniales ten, dass in Deutsch-Südwestafrika gegen Ende der Relikt. In Bezug auf den Ensembleschutz wird ihr Kolonialzeit eine bemerkenswert rationale Baukul- allein schon aufgrund der besonderen Position so- tur einsetzte. Dementsprechend wurde in der Ko- wie der räumlichen Wirkung eine elementare Rolle lonie auf die für das damalige Zeitalter so typische zuteil. Des Weiteren wurde vor konstruktiven Krite- Opulenz des Wilhelminismus nach und nach zu- rien dargelegt, dass das Bauwerk aufgrund der ver- gunsten einer minimalistischeren Formensprache wendeten Materialien eine wichtige Referenz für die verzichtet. Vor diesem Hintergrund stellte die kla- deutsche Technikgeschichte darstellt, da hierbei in re Linienführung der Landungsbrücke ein bewuss- Bezug auf das Wilhelminische Zeitalter relativ neue tes Stilmittel dar. Ihre reduzierte Gestalt sowie die Werkstoffe Anwendung fanden. Aufgrund der ho- Betonung von Vertikale und Horizontale zeugen hen Qualität des verwendeten Materials zeigte sich, von einer deutsch-südwestafrikanischen Architek- dass es den Deutschen immer mehr gelang, die turströmung mit modernistischen Einflüssen. Wie Herstellungsprozesse von Eisen zu perfektionie- bereits erwähnt wurde, kehrten nach der Kapitula- ren. Angesichts der Tatsache, dass aufgrund der tion im Jahr 1915 zahlreiche Deutsche aus DSWA Bombardements im Zweiten Weltkrieg vergleichba- in die Heimat zurück - darunter auch zahlreiche Ar- re Brückenbauwerke auf deutschem Boden, wie et- chitekten, sodass davon auszugehen ist, dass die- wa im Ruhrgebiet, dem Erdboden gleich gemacht se in der Heimat ihre Tätigkeit fortsetzten. Hieraus wurden, kann gesagt werden, dass die Landungs- resultiert ebenfalls die Annahme, dass jene moder-

Abb. 72: Nur wenn die Brücke einer regelmäßigen Wartung und Pflege obliegt, wird sie in Zukunft erhalten bleiben. ©Y.Rödel

123 nistischen Ansätze auf diese Weise auch auf deut- dungsbrücke nur dann eine Daseinsberechtigung, schem Boden zum Tragen kamen. Vor diesem wenn sie von der namibischen Bevölkerung, ganz Hintergrund stellt die Landungsbrücke als spät- gleich in welcher Art und Weise, genutzt wird. An- koloniales Bauwerk nicht nur ein Relikt einer ehe- dererseits wird es ebenfalls notwendig sein, das maligen Landungsanlage dar, sondern ist überdies Bauwerk regelmäßig zu warten: Damit einher ge- als Manifest einer vormodernen Architekturströ- hen beispielsweise regelmäßige Bauwerksbesich- mung und als ein wichtiger visueller Ankerpunkt tigungen, welche eine umfassende Anamnese des der Stadt Swakopmund zu werten. Wenngleich al- Bauzustandes, die Erfassung und Analyse sämtli- so die Swakopmunder Landungsbrücke zu keiner cher Konstruktionselemente sowie etwaiger Schä- Zeit als Schiffsanlegestelle Verwendung fand, fal- den, wie etwa Korrosion, beinhalten sollten. Sofern len neben den dargestellten städtebaulichen, ma- auf jener Grundlage umfangreiche Restaurierungen teriellen und konstruktiven Aspekten überdies ihre vorgenommen, Konzepte für weitere Nutzungsmög- zeit-, kultur- und bauhistorischen Eigenschaften lichkeiten ausgearbeitet werden und die Brücke in maßgeblich ins Gewicht, sodass sie in jeder Hin- regelmäßigen zeitlichen Abständen gepflegt wird, sicht ein äußerst denkmalwürdiges Bauwerk Na- ist die Chance gegeben, dass sie als historischer mibias darstellt. Mit der Kenntnis der dortigen Kontrapunkt auch in Zukunft erhalten bleibt und denkmalpflegerischenPraxis soll abschließend dar- durch ihre prägnante Stellung im städtischen Gefü- auf hingewiesen werden, dass das Baudenkmal nur ge Swakopmunds weiterhin einen wichtigen Beitrag dann erhalten bleiben wird, solange zwei bestimm- für die postkoloniale Erinnerungskultur unterschied- te Bedingungen erfüllt sind: Einerseits hat die Lan- licher Ethnien in Namibia leisten kann.

405 Vgl. Peters, Walter: Baukunst in Südwestafrika. John tent/view/full/1934 [21. 02. 2021] Meinert, Windhuk, 1981 409 Dietrich, Alena: Melancholie und Ironie. Der Untergang der Titanic. Königshausen & Neumann, Würzburg, 2014, 406 Vgl. Vogt, Andreas: Von Tsaobis bis Namutoni. Die S. 28 Wehrbauten der deutschen Schutztruppe in Deutsch-Süd- 410 Deutsches Institut für Normung: DIN EN 1993-1-1/ westafrika von 1884-1915. Klaus Hess Verlag, Göttingen – NA: 2010-12: Nationaler Anhang – National festgelegte Pa- Windhuk, 2002 rameter – Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von 407 Clarck, Christopher: Die Schlafwandler. Wie Euro- Stahlbauten – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und pa in den Ersten Weltkrieg zog. Deutsche Verlagsanstalt, Regeln für den Hochbau. 2010, S. 8. München, 2013, S. 205. 411 Askeland, Donald: Materialwissenschaft. Spektrum, 408 Vgl. Inros Lackner: URL www.inros-lackner.de/de/con- Heidelberg, 1996, S. 364.

124

125 10. Quellenverzeichnis

10.1 Primärquellen

Akten Hafen und Schiffahrtssachen [sic!]. National- Edeka & Co. KG: 100 Jahre Edeka. Gemeinsam archiv Windhuk, Namibia gewachsen. Hamburg Edeka-Verlag, 2007 Akten des Hochbaurefereats und der kaiserlichen Einstein, Albert: Vorwort zu Max Jammer. Das Pro- Bauverwaltung 1896-1915 (BAU). Nationalarchiv blem des Raumes. Darmstadt, 1960 Windhuk, Namibia Erbar, Ralph: Seitz, Georg Friedrich Theodor. In: Akten des Archivs der Wissenschaftlichen Gesell- neue Deutsche Biographoe (NBD). Bd. 24, Duncker schaft Swakopmund, Namibia & Humboldt, Berlin, 2010 Akten des Unternehmensarchivs Kraatz Marine, Erler, Uwe; Schmiedel, Helge; Wagenbreth, Otfried, Walfischbucht, Namibia u. a.: Brücken. Historisches. Konstruktion. Denk- mäler. Leipzig, Fachbuchverlag, 1988 Akten des Unternehmensarchivs Bilfinger SE, Mannheim, Deutschland Fisch, Maria: Der Caprivizipfel während der deut- schen Zeit. 1890-1914. Köppe, Köln, 1996 Fritsch, Reinhold; Hellmann, Helmut; Piringer, 10.2 Sekundärquellen Siegfried; u. a.: Brückenbau. 3. Aufl., Hölzel Verlag, Wien, 2001 Bitterli, Urs: Die Entdeckung Amerikas. Von Ko- lumbus bis Alexander von Humboldt. 3. Aufl. Gloger, Bruno: Friedrich Wilhelm – Kurfürst Beck-Verlag, München, 1999 von Brandenburg. 3. Aufl. Verlag Neues Leben, Ost-Berlin, 1989 Block, Philipp; Gengnagel, Christoph; Peters, Stefan: Faustformel Tragwerksentwurf. Deutsche Grotewold, Christian: Unser Kolonialwesen und Verlags-Anstalt, München, 2015 seine wirtschaftliche Bedeutung. Ernst H. Moritz, Suttgart, 1911 Brown, David J.: Brücken. Kühne Konstruktionen über Flüsse. 2. Aufl. München, Callwey, 2007 Gründer, Horst: Der „Wettlauf“ um Afrika und die Berliner Westafrika-Konferenz 1884/85. In: Ulrich Bardua, Sven: Brückenmetropole Hamburg. Bau- van der Heyden, Joachim Zeller (Hrsg.): Kolonial- kunst- Technik- Geschichte bis 1945. Dölling und metropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin-Edition, Galitz Verlag, München, 2009 Berlin, 2002 Clarck, Christopher: Die Schlafwandler. Wie Euro- Gründer, Horst: Geschichte der deutschen Kolo- pa in den Ersten Weltkrieg zog. Deutsche Verlags- nien. 5. Aufl., Verlag Ferdinand Schöningh, Pader- anstalt, München 2013 born, 2004 Clarck, Christopher: Wilhelm ll., Die Herrschaft des Gründer, Horst: Imperialismus und deutscher Kolo- letzten deutschen Kaisers. Deutsche Verlags-An- nialismus in Afrika. In: Larissa Förster u. a.: Nami- stalt, München, 2008 bia-Deutschland. Eine geteilte Geschichte. Edition Dierks, Klaus: Chronologie der namibischen Ge- Minerva Hermann Farnung, Wolfratshausen, 2004 schichte. 2. Aufl., Klaus Hess Verlag, Göttingen, 2003 Grotewold, Christian: Unser Kolonialwesen und seine wirtschaftliche Bedeutung. Ernst H. Moritz, Deutsches Institut für Normung: DIN EN 1993-1-1/ Suttgart, 1911 NA: 2010-12: Nationaler Anhang – National fest- gelegte Parameter – Eurocode 3: Bemessung und Heinzerling, F.; Hindrichs, W.; Dr. Schäder, Th.; Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-1: Allgemei- Ed. Sonne (Hrsg.): Der Brückenbau. Handbuch der ne Bemessungsregeln und Regeln für den Hoch- Ingenieurswissenschaften. Eiserne Brückenpfeiler. bau. 2010 Ausführung und Unterhaltung der eisernen Brü- cken. 2. Aufl., Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig, Donald Askeland: Materialwissenschaft. Spektrum, 1889 Heidelberg, 1996 Holzer, Stefan M.: Die Sauschwänzlebahn im Drechsler, Horst: Südwestafrika unter deutscher Südschwarzwald. Bundesignenieurkammer, Berlin Kolonialherrschaft. Akademie-Verlag, Berlin, 1984 2015

126

Höpfner, Ludwig Julius Friedrich: Definition „Joch- gang; Vahland, Rainer: Verfahrenstechnik und brücke“. In: Deutsche Encyclopädie oder Allge- Baubetrieb in Grund- und Spezialtiefbau. Springer meines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissen- Vieweg Verlag, Wiesbaden 2007 schaften. Varrentrapp und Wenner, Frankfurt am Maurer, J.: Unsere Kriegsführung in DSWA. A. Main, 1794 Paetd, Berlon, 1908 Horn, Trude: Gedeckte Holzbrücken. Zeugen alter Meyer, Hermann Julius: Meyers großes Konversati- Baukunst. o. A., 1980 onslexikon. 6. Aufl. Bd. 8, Leipzig, 1907 Jackson, Ashley; Rein, Ingrid (Übers.): Das briti- Mitchell, James (Hrsg.): Große illustre Weltge- sche Empire. Reclam, Stuttgart, 2015 schichte. Von der französischen Revolution bis zur Jurecka, Charlotte: Brücken. Historische Entwick- Gegenwart. Parkland, Stuttgart, 1990 lung – Faszination der Technik. Schroll Verlag, Osterhammel, Jürgen; Jansen, Jan: Kolonialismus. Wien, 1979 Geschichte. Formen. Folgen. 7. Aufl., Beck-Verlag, Kaltenhäuser, Hans: Geschichte der Seefahrt. Li- München, 1995 brairie Hachette, Paris, 1966 Peters, Walter; SWA Wissenschaftliche Gesell- Kaulich, Udo: Die Geschichte der ehemaligen schaft Windhuk (Hrsg.): Baukunst in Südwestafrika. Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1884-1914. Euro- Die Rezeption deutscher Architektur in der Zeit von päischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am 1884 bis 1914 im ehemaligen Deutsch-Südwestaf- Main, 2001 rika (Namibia). John Meinert, Windhuk 1981 Kludas, Arnulf: Die Schiffe der deutschen Afrika-Li- Pielke, Roger Jr.: In Retrospect – The Endless nien 1880 – 1945. Stalling, Oldenburg, 1975 Frontier. In: Nature, 466, 2010 Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der Rahn, Werner: Deutsche Marinen im Wandel. Vom deutschen Sprache. Walter de Gruyter, Berlin/New Symbol nationaler Einheit zum Instrument internati- York, 2002 onaler Sicherheit. De Gruyter, Oldenburg, 2005 Koll, Gottfried; Dr. Jännecke, Max: Brücken aus Rautenberg, Hulda: Das alte Swakopmund. Inter- Eisen. Verlagsbuchhandlung, Leipzig, 1914 national Lions Club, Oak Brook, 1967 Kraft, Kristen: Swakopmunder Geschichten. John Rieger-Jandl, Andrea: Architektur und Identität. Die Meinert, Windhuk, 2014, S.68 Suche nach dem Eigenen: Eine kulturvergleichende Analyse. IVA Institut für vergleichende Architektur- Kümmerling, Franziska; Günzel, Stefan (Hrsg.): forschung, Wien, 2009 Raum. Ein interdisziplinäres Handbuch. Springer Verlag, Berlin, 2010 Riel, Axel: Der „Tanz um den Äquator“: Bismarcks Laskus, August: Hölzerne Brücken. Verlag v. Wil- antienglische Kolonialpolitik und die Erwartung helm Ernst & Sohn, Berlin, 1922 des Thronwechsels in Deutschland 1883 bis 1885. Duncker & Humboldt, Berlin 1993 Lerp, Dörte: Imperiale Grenzräume. Bevölkerungs- politiken in Deutsch-Südwestafrika. Campus-Ver- Rödel, Yoko: Deutsche Erinnerungskulturen und lag, Frankfurt am Main, 2016 Gedenkorte im postkolonialen Namibia. Universität Wien, Institut für Zeitgeschichte, 2018 Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und Freiherr von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwe- ihrer Hilfswissenschaften. 2. Aufl. Bd. 8, Deutsche sens. Bd. 6, Verlagsbuchhandlung Carl Gerold’s Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1910 Sohn, Wien, 1914 Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und Rohdich, Walter: Das Dreikaiserjahr 1888: Wilhelm ihrer Hilfswissenschaften. Bd. 9, Stuttgart, Leipzig I., Friedrich III., Wilhelm II. Podzun-Pallas Verlag, 1914 Friedberg, 1987 Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und Rohwer, Jürgen: Politik und Flottenbau (1889 - ihrer Hilfswissenschaften. Bd. 1, Stuttgart, Leipzig 1914). In: Elmar Potter / Chester Nimitz: Seemacht: 1920 Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Löbe, Julius: Pierers Universal-Lexikon. 4. Aufl., Gegenwart. Pawlak Verlag, Herrsching, 1982 Bd. 15, Altenburg, 1862 Schaper, G: Eiserne Brücken. Verlag Wilhelm Ernst Maybaum, Georg; Mieth, Petra; Oltmanns, Wolf- & Sohn, Berlin, 1908

127 Schnee, Heinrich; Dt. Kolonialgesellschaft (Hrsg.): Uhlmann, A.R.: Povians Land. Erzählungen aus Deutsches Kolonial-Lexikon. Bd. l, Quelle & Meyer dem Ansiedlerleben in Deutsch Südwest Afrika. Verlag, Leipzig, 1920 Otto Thiele Verlag, Halle, 1924 Schrödinger, Erwin: Die Struktur der Raum-Zeit. Vale, Lawrence: Architecture. Power and National Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt, 1993 Identity. 2. Aufl., Taylor & Francis, London, 2006 Schwabe, Kurd: Mit Pflug und Schwert in Vogt, Andreas: Bismarcks Gesinnungswandel in Deutsch-Südwestafrika. 2. Aufl., Ernst Siegfried der Kolonialfrage. In: Journal der Wissenschaftli- Mittler und Sohn, Berlin, 1899 chen Gesellschaft Namibia, No. 46, Windhuk, 23. 05. 1998 Seebald, Peter: Togo 1884 – 1914. Eine Geschich- te der deutschen „Musterkolonie“ auf der Grund- Vogt, Andreas: Heritage Opinion of Swakopmund. lage amtlicher Quellen. Akademie-Verlag, Berlin, WCCW, Windhuk, 2020 1988 Vogt, Andreas: Von Tsaobis bis Namutoni. Die Stengel, Heinz-Walter: Bibliography on water in Wehrbauten der deutschen Schutztruppe in South West Africa. Swakopmund, 1967 Deutsch-Südwestafrika von 1884-1915. Klaus Hess Verlag, Göttingen, 2002 Stengel, Heinz-Walter: Die Brücken von Swakop- mund. Windhuk, 1967 Walzer, Bernhard: Brücken gestern und heute. VEB Stift, Edith: Jugenderinnerungen an Swakopmund. Verlag für Verkehrswesen, Ost-Berlin o. A Nachrichten der Gesellschaft für wissenschaftliche Entwicklung. Jahrgang 5, 1973 Wiebeking, Carl Friederich: Theoretisch-practische Wasserbaukunst. München, 1814 Stoecker, Helmut: Drang nach Afrika – Die deut- sche koloniale Expansionspolitik und Herrschaft in Wundram, Otto: Mechanische Hafenausrüstungen. Afrika von den Anfängen bis zum Verlust der Kolo- Insbesondere für den Umschlag. Springer Verlag, nien. 2. Aufl., Akademie Verlag, Berlin, 1991 Berlin, 1939

10.3 Digitale Verweise o. V.: Duden, o. J. URL: www.duden.de/recht- Town. URL: www.transnetnationalportsauthority. schreibung/ [aufgerufen am 08.10.2020] net [aufgerufen am 22. 11. 2020]

o. V.: Sobre e porto. URL: www.portoluanda.co.ao, o. V.: Duden, o. J. URL: www.duden.de/recht- [aufgerufen am 22. 11. 2020] schreibung/Hafenanlagen [aufgerufen am 10.10.2020] Lighthouse Group: Jetty 1905 Restaurant. URL: https://lighthousegroup.com.na/about-us/ [auf- o. V.: Duden, o. J. URL: www.duden.de/suchen/ gerufen am 16. 01. 2021] dudenonline/Brücken%20schlagen [aufgerufen am 26.03.21] Inros Lackner: URL: www.inros-lackner.de/de/con- Transnet National Ports Authority: Our Ports. Cape tent/view/full/1934 [aufgerufen am 21. 02. 2021]

10.4 Bildnachweise

Abb. 1, S. 15, Foto: Andreas Vogt © Andreas Vogt. Aus: Baukunst in Südwestafrika Aus: Privatbestand Abb. 6, S. 28, Foto: Unbekannt © Walter Peters. Abb. 2, S. 16, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel Aus: Baukunst in Südwestafrika Abb. 3, S. 23, Gemälde: Adalbert von Rößler © Yo- Abb. 7, S. 31, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel ko Rödel Abb. 8, S. 32, Foto: Andreas Vogt © Andreas Vogt Abb. 4, S. 24, Kartographie: i.pinimg.com © i.pi- nimg.com Abb. 9, S. 32, Foto: Andreas Vogt © Andreas Vogt Abb. 5, S. 28, Foto: Unbekannt © Walter Peters. Abb. 10, S. 33, Foto: Yoko Rödel ©Yoko Rödel

128 Abb. 11, S. 34, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 34, S. 70, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund Abb. 12, S. 38, Foto: Otto Lueger/Yoko Rödel ©Yoko Rödel Abb. 35, S. 73, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund Abb. 13, S. 39, Foto: Otto Lueger/Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 36, S. 74, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- ko Rödel Abb. 14, S. 39, Foto: Otto Lueger/Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 37, S. 75, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- ko Rödel Abb. 15, S. 39, Foto: Otto Lueger/Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 38, S. 75, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- ko Rödel Abb. 16, S. 44, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel ©Yo- ko Rödel Abb. 39, S. 75, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- ko Rödel Abb. 17, S. 47: CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- ko Rödel Abb. 40, S. 78, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund Abb. 18, S. 52: Kartographie: Unbekannt © Carl- valho, Consalo Pires Abb. 41, S. 79, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund Abb 19, S. 52: Kartographie: Unbekannt © Mayers Konversationslexikon Abb. 42, S. 80, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund Abb. 20, S. 54: Foto: Unbekannt © Lüderitz Muse- um, Namibia Abb. 43, S. 81, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund Abb. 21, S. 55, Foto: Unbekannt © Andreas Vogt Abb. 44, S. 82, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb 22, S. 56, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund che Gesellschaft Swakopmund Abb. 45, S. 83, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 23, S. 59, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- che Gesellschaft Swakopmund ko Rödel Abb. 46, S. 83, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 24, S. 59, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel @ Yo- che Gesellschaft Swakopmund ko Rödel Abb. 47, S. 85, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 25, S. 60, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund che Gesellschaft Swakopmund Abb. 48, S. 86, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 26, S. 61, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund che Gesellschaft Swakopmund Abb. 49, S. 90, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 27, S. 62, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund che Gesellschaft Swakopmund Abb. 50, S. 91, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 28, S. 64, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- che Gesellschaft Swakopmund ko Rödel Abb. 51, S. 92, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 29, S. 65, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- che Gesellschaft Swakopmund ko Rödel Abb. 52, S. 93, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 30, S. 65, CAD-Zeichnung: Yoko Rödel © Yo- che Gesellschaft Swakopmund ko Rödel Abb. 31, S. 66, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 53, S. 94, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- che Gesellschaft Swakopmund che Gesellschaft Swakopmund Abb. 32, S. 67, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 54, S. 96, Foto: Martin Laubscher © Martin che Gesellschaft Swakopmund Laubscher Abb. 33, S. 68, Foto: Unbekannt © Wissenschaftli- Abb. 55, S. 97, Foto: Martin Laubscher © Martin che Gesellschaft Swakopmund Laubscher

129 Abb. 56, S. 99, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel

Abb. 57, S. 102, Foto: Yoko Rödel © Walter Peters. Aus: Baukunst in Südwestafrika Abb. 58, S. 103, Foto: O. Ernst & Baumeier © O. Ernst & Baumeier Abb. 59, S. 104, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 60, S. 105, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 61, S. 106, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 62, S. 107, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 63, S. 108, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel Abb. 64, S. 111, Foto: Unbekannt © Wissenschaft- liche Gesellschaft Swakopmund Abb. 65, S. 112, Foto: Unbekannt © Inros Lackner Abb. 66, S. 114, Foto: Yoko Rödel ©Yoko Rödel Abb. 67, S. 116, Foto: Yoko Rödel ©Yoko Rödel Abb. 68, S. 117, Foto: Yoko Rödel ©Yoko Rödel Abb. 69, S. 118, Foto: Yoko Rödel ©Yoko Rödel Abb. 70, S. 119, Foto: Yoko Rödel ©Yoko Rödel Abb. 71, S. 120, Foto: Yoko Rödel ©Yoko Rödel Abb. 72, S. 121, Foto: Yoko Rödel © Yoko Rödel

130