HWS_SU_Sieveking_5.10.09_END 05.10.200922:35UhrSeite1 Oberlandesgerichts Erster Präsident des Hanseatischen Ernst Friedrich Sieveking. Band 7 BallinAlbert Band 6 Hamburger Kaufleute und Gustav Adolph Vorwerk. Zwei Die Brüder Augustus Friedrich Band 5 rungsunternehmer becher. Ein Hamburger Versiche- Hermann Franz Matthias Mutzen- Band 4 Künstler Ein Hamburger Kaufmannund Eduard Lorenz Lorenz-Meyer. Band 3 ihres Lebens andieZeiten und rung Themen Laeisz. Eine biographischeAnnähe- Sophie ChristineundCarlHeinrich Band 2 Wissenschaftlichen Stiftung Die Begründer derHamburgischen Band 1 schaft“ sindbishererschienen: Aus derReihe „Mäzene für Wissen-

Ernst Friedrich Sieveking: Erster Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts Erster Präsident desHanseatischen Oberlandesgerichts Ernst Friedrich Sieveking Alter von knapp viele Jahre allein führte. führte. allein Jahre viele kanzlei ein, die er bald erfolgreich für trat er in eine renommierte Anwalts- Anschließend war. Jurist gebildeter ug ad er fand mung wählt. Zu seiner eigentlichen Bestim- und drei Jahre später in den Senat ge- er in die Hamburgische Bürgerschaft i dr Promotion der mit dium in Göttingen, Leipzig und Jena Stu- dem und Johanneums des such Begabungen, so dass er nach dem Be- besondere Sieveking Friedrich Ernst dient gemacht hat. Schon früh zeigte ver- Maß besonderem in Hamburgs Familie, die sich um die Entwicklung Hauptvertreterneiner den zu gehört und Geschichte Hamburgischen der den herausragenden Persönlichkeiten zu zählt Sieveking Friedrich Ernst Frontseite, erinnert bis heute an ihn. der an Oberlandesgericht dem mit , in Sievekingplatz bene umge- Justizgebäuden präsentativen re- drei von Der angehörte. Stiftung Wissenschaftlichen Hamburgischen der Kuratorium ersten dem auch er weshalb ein, Universität burger engagiert für die Gründung der Ham- sehen verhalf. Daneben setzte er sich An- hohem zu Seerechtsexperte als insbesondere Gericht dem er wobei dreißig Jahre lang, blieb er Präsident, Tod, seinem zu Bis landesgerichts. Ober- Hanseatischen gegründeten nung zum ersten Präsidenten des neu 1879 21 Jahren fertig aus- i dr Ernen- der mit 1857 1874 eet im bereits wurde

Ernst Friedrich Sieveking

Erster Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts von Hans Joachim Schröder Mäzene für Wissenschaft

hg. von Ekkehard Nümann

Gefördert von Gabriele Edla von Boddien Jörg Detlev von Boddien Karl Sieveking Dr. Michel Sieveking Dr. Mathias Petersen Michael Traber

Den Familien gewidmet, die durch ihre hochherzigen Stiftungen vor 102 Jahren die Gründung der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung ermöglicht und den Grundstein dafür gelegt haben, dass die Stiftung auch heute noch Forschung, Lehre und Bildung fördern kann.

Inhalt

Vorwort des Herausgebers ...... S. 3 1. Quellenlage ...... S. 4 2. Der Familien- und Firmengründer Georg Friedrich Vorwerk . . S. 6 3. Zur Kindheit und Jugend der Vorwerk-Brüder ...... S. 15 4. Eine Reise von Augustus Friedrich nach Nordamerika und Kuba ...... S. 23 5. Die Firmen in Chile und Hamburg ...... S. 28 6. Friedrich, Adolph und deren Ehefrauen in den Erinnerungen dreier Enkel ...... S. 44 7. „Villa Josepha“ und „Haupthaus“ ...... S. 54 8. Gustav Adolph als Bau- und Gartengestalter ...... S. 60 9. Entwicklungen nach dem Tod der Brüder ...... S. 67 10. Anhänge ...... S. 70 11. Literatur ...... S. 72 12. Namensregister ...... S. 74 Inhalt

Vorwort des Herausgebers ...... S. 4 Vorwort der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts . . S. 5 1. Herkunft...... S. 7 2. Ernst Friedrich Sievekings Schulzeit ...... S. 13 3. Studium und Promotion ...... S. 20 4. Die Jahre als Anwalt...... S. 28 5. Ernst Friedrich Sieveking als Senator ...... S. 39 6. Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts ...... S. 46 7. Ernst Friedrich Sieveking als Rechtsexperte ...... S. 58 8. Ansprachen, Aktivitäten, Ehrungen ...... S. 64 9. Ernst Friedrich Sieveking als Förderer der Universitätsgründung...... S. 73 10. Der plötzliche Tod. Würdigungen, Nachrufe...... S. 79 11. Anhänge ...... S. 86 12. Literatur ...... S. 88 13. Namensregister ...... S. 92

| 3 | Vorwort des Herausgebers

Im Jahr 2007 feierte die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung ihr 100- jähriges Jubiläum. Der vorliegende siebente Band ist Teil der zu diesem Anlass ins Leben gerufenen Schriftenreihe „Mäzene für Wissenschaft“. In ihr wird die Geschichte der Stiftung dargestellt; außerdem werden Stifter- persönlichkeiten und Kuratoriumsmitglieder in Einzelbänden gewürdigt.

Die Absicht, diese Reihe ins Leben zu rufen, entspricht dem dankbaren Gefühl den Personen gegenüber, die vor mehr als 100 Jahren den Mut hatten, die Stiftung zur Förderung der Wissenschaften in Hamburg zu gründen und erreichten, dass Hamburg eine Universität erhielt. Verknüpft damit ist die Hoffnung und Erwartung, dass nachfolgende Generationen sich hieran ein Beispiel nehmen mögen.

Ekkehard Nümann

| 4 | Vorwort der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts

Aus einer der bekanntesten Hamburger Familien stammend, gehört Ernst Friedrich Sieveking zu den herausragenden Persönlichkeiten in der Ge- schichte der Hansestadt. Gesegnet mit einer ungewöhnlich hohen Bega- bung, verfügte Sieveking über eine umfassende Bildung und beeindru- ckende Sprachkenntnisse. Mit 21 Jahren war er nach dem Studium der Rechtswissenschaften promovierter Jurist, um danach für fast 20 Jahre er- folgreich als Anwalt in Hamburg tätig zu sein. Nach zwei weiteren Jah- ren als Mitglied des Senates fand er schließlich zu seiner wirklichen Be- stimmung mit der Ernennung zum Präsidenten des 1879 neu gegründeten Hanseatischen Oberlandesgerichts.

Friedrich Sieveking schrieb dem damaligen Bürgermeister Weber: „Ich ver- hehle mir die großen Schwierigkeiten der mir gestellten Aufgabe nicht; es gilt, einem Gericht vorzustehen, welches sich dem ihm vorangegangenen, in der Rechtsprechung berühmten hansestädtischen Gerichte würdig er- zeigen soll und dazu berufen ist, eine hervorragende Stellung in dem deutschen Rechtsleben einzunehmen.“

Dass diese Institution in den folgenden dreißig Jahren, in denen Sieveking an ihrer Spitze stand, zu einem der angesehensten deutschen Oberlandes- gerichte wurde, verdankt sie in erster Linie ihrem Präsidenten. Dessen pri- märe Interessen galten dem Handels-, Seehandels- und Seeversicherungs- recht; sein Ziel für die Rechtsprechung war es, der Entwicklung von Handel und Verkehr den Weg zu ebnen. Zugleich war er ein gefragter Rechts- experte, der immer wieder internationalen Konferenzen vorstand.

Friedrich Sieveking verkörperte in seiner Person den schönsten Sinn des Hamburger Wahlspruchs vom „Tor zur Welt“, indem er tiefempfundene Liebe zur Heimatstadt mit großer Offenheit gegenüber anderen Völkern verband.

| 5 | Die Stärke des Richters Sieveking lag in der Kombination von juristischer Kompetenz, Praxisnähe und nicht zuletzt unermüdlicher Arbeitskraft. Seinen Richtern war er ein Vorbild in den langen Beratungen, stets mit einem „Wie denken die Herren?“ eröffnet, und ein Vorbild war er allen Beteiligten in den vielen von ihm geduldig und umsichtig geleiteten Ge- richtsverhandlungen. Sein Verhältnis zur Anwaltschaft war das aller- beste.

Zeit seines Lebens bewies er die Tugenden des hanseatischen Bürgertums: Was für ihn zählte, war der Einsatz für das Wohl der Allgemeinheit, auch außerhalb der Rechtspflege. So trat Sieveking schon früh als Förderer einer Universitätsgründung in Hamburg hervor, weshalb er später auch dem ersten Kuratorium der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung an- gehörte. Muss man erwähnen, dass ihm eine Universität mit internatio- naler Ausrichtung vorschwebte?

Es war Sievekings Anregung, den Platz zwischen dem Straf- und dem Zi- viljustizgebäude durch ein Oberlandesgericht in würdiger Form abzu- schließen. Die Fertigstellung des Baus 1912 hat er nicht mehr erleben kön- nen, jedoch ist er bis heute in dem Gebäude präsent, wo eine Marmorbüste und ein großformatiges Ölgemälde an den ersten Präsidenten erinnern.

Für den Giebel am Eingangsportal wählte man jene lateinische Inschrift, welcher der erwähnte Bürgermeister Weber bei der Einsetzung des Gerichts 1879 eine wunderbare freie Übersetzung gegeben hatte: „Recht ist, im har- monischen Gleichmaß das Wahre zu finden und das Gute zu wirken.“ – So überwölben diese alten Römerworte drei Jahrzehnte segensreichen Wir- kens von Ernst Friedrich Sieveking, und wir heutigen Richter sind auf- gefordert, ihnen in seinem humanistischen Geiste täglich neues Leben zu verleihen.

Erika Andreß

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Herkunft

Die Sievekings gehören zu den bekann- Französischen Revolution, insbesondere da- testen Hamburger Familien. Ursprünglich mit ein Verfechter der Menschenrechte. Ein stammen sie aus Westfalen, wo Vorfahren Jahr nach der Erstürmung der Bastille, am bis ins 11. Jahrhundert hinein nachzuweisen 14. Juli 1790, feierte er „im Garten seiner Fa- sind. In Hamburg beginnt ihre Geschichte milie vor dem Dammtor an der Alster ein im November 1734, als der Kaufmann und Freiheitsfest, das als Bekenntnis zur Franzö- Tuchhändler Peter Niclaes Sieveking (1718– sischen Revolution weit über Hamburg hin- 1763) in die Hansestadt gelangte und dort aus Aufsehen erregte.“6 Unter den Gästen 1747 das Bürgerrecht erwarb.1 Sein ältester der „denkwürdigen Revolutionsfeier“ be- Sohn Georg Heinrich (1751–1799) kann als fanden sich prominente Autoren wie Fried- einer der bedeutendsten Söhne Hamburgs rich Gottlieb Klopstock und Adolph Frei- gelten. Über ihn ist bereits viel geforscht herr von Knigge.7 und geschrieben worden, so dass hier nur ··································································· wenige Hinweise geliefert werden sollen.2 Sievekings Haltung fand allerdings bald ··································································· Kritik und Widerspruch – nicht zuletzt Georg Heinrich Sieveking – er ist Ernst durch Goethe –, und zwar in solchem Ma- Friedrich Sievekings Großvater – verkör- ße, dass er sich zu öffentlichen Rechtferti- pert, so der Historiker Franklin Kopitzsch, gungen gezwungen sah; von dem Projekt ei- „den Typus des erfolgreichen, weltoffenen, ner aufklärerischen Lesegesellschaft, deren vielseitig interessierten und gemeinnützig- Präsident er war, wendete er sich nach man- aufklärerisch tätigen Kaufmanns, der zu sei- cherlei Anfeindungen ab. Bei alldem blieb er ner Zeit in vielen europäischen Handels- seinen Idealen treu, nicht als Träumer, son- und Hafenstädten zu finden war“3 In ver- dern als „ein scharf kalkulierender Refor- schiedenen Veröffentlichungen, so etwa in mer“, der die Ursachen der Spannungen einem Lexikonartikel und in einer Sozialge- zwischen Armen und Reichen klar erkann- schichte zur Aufklärungszeit in Hamburg te.8 Er selbst gehörte als erfolgreicher Kauf- und Altona,4 beschreibt Kopitzsch im Ein- mann zu den Wohlhabenden, wobei er je- zelnen die weitgespannten Aktivitäten Georg doch, wie Kopitzsch hervorhebt, keinesfalls Heinrichs, der von einem damaligen Zeitge- zu denen zählte, „denen es in jenem beweg- nossen als „Thätigkeitsungeheuer“5 gekenn- ten Jahrzehnt zwischen Bastillesturm und zeichnet wurde. Vor allem war Georg Hein- Wirtschaftskrise, zwischen Mirabeau und rich ein überzeugter Anhänger der Ideale der nur um den Profit ging.“9 So trat

| 7 | steller und Gelehrte, später auch unzählige Emigranten“ zu Gast. „Oft wurde am Sonn- tag der Tisch für 80 und mehr Personen ge- deckt.“11 Hannchen stammte aus einer be- achtlichen Gelehrtenfamilie; ihr Vater Jo- hann Albert Heinrich Reimarus (1729–1814) war Arzt und Professor der Naturgeschich- te,12 und ihr Großvater Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) „hatte als Professor am Akademischen Gymnasium das geistige Leben Hamburgs wesentlich geprägt.“13 ··································································· Kurz sei an dieser Stelle auf eine weitere nächste Verwandte Georg Heinrichs hinge- wiesen, und zwar auf seine bedeutende Nichte Amalie Sieveking (1794–1859), Toch- ter des Bruders Heinrich Christian (1752– 1809). Amalie nahm einen ganz anderen Le- bensweg als Hannchen oder Sophie Reima- rus (von der sogleich die Rede sein wird). In einem Lexikonartikel ist angedeutet, Ama- Georg Heinrich Sieveking (1751‒1799) er in „den Ämtern der städtischen und kauf- männischen Selbstverwaltung, mit denen er betraut wurde, […] für Reformen und kon- sequente Nutzung der Mitbestimmungs- rechte ein.“10 ··································································· Im Jahre 1782 hatte Georg Heinrich Sieve- king die 1760 geborene Johanna Margaretha Reimarus geheiratet (gest. 1832), eine be- merkenswerte Frau, die es ihrerseits verdien- te, näher gekennzeichnet zu werden. Hier sei nur erwähnt, dass Hannchen, wie sie all- gemein genannt wurde, entscheidenden An- teil daran hatte, ein 1793 von Georg Hein- rich erworbenes Landhaus in Neumühlen an der Elbe zu einem vielbesuchten gesell- schaftlichen Mittelpunkt zu machen. Ne- ben Geschäftspartnern und Freunden waren Johanna Margaretha Sieveking, geb. Reimarus hier allsonntäglich „durchreisende Schrift- (1760‒1832)

| 8 | lie sei „früh verwaist“ gewesen, sie habe eine von „finanzieller Enge beschattete Jugend“ gehabt.14 Tatsächlich verlor sie ihre Mutter im Alter von vier und ihren Vater im Alter von vierzehn Jahren. Für sie wurde das Chri- stentum zum Fundament ihres Denkens und Handelns, verbunden mit einem ausge- prägten, lebenslang zur Anwendung ge- brachten erzieherischen Ethos. Amalie Sie- veking, die unverheiratet blieb, wirkte, so kann man zusammenfassen, „bahnbrechend auf dem Gebiet christlich-sozialer Wohltä- tigkeit“.15 Als 1831 in Hamburg die Cholera ausbrach, versah sie „[a]llein und gegen den Willen ihrer Verwandten […] Kranken- dienst im Seuchenhospital“. Bald darauf (1832) gründete sie den „Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege“, dessen Vorsteherin sie bis zu ihrem Tod blieb. Im Jahre 1840 und nach dem großen Brand von 1842 folgten die Gründungen mehrerer Wohnstifte.16 ··································································· Georg Heinrich und Hannchen Sieveking Friedrich Sieveking (1798‒1872) hatten fünf Kinder. Jüngster Sohn war Friedrich, der von 1798 bis 1872 lebte. Er seit Jahrhunderten gehörte das Amt Ritze- promovierte am 7. April 1821 in Göttingen büttel zu Hamburg.20 Der Name Ritzebüt- zum Dr. juris und wurde Advokat in Ham- tel ist insofern von Bedeutung, als er auf die burg. Dem Hamburger Bürgermilitär ge- Kindheit von Ernst Friedrich verweist, über hörte er 1828 als Kapitän der dritten Kom- die sonst nichts Näheres in Erfahrung zu panie des sechsten Bataillons an.17 Am 22. bringen ist. In Ritzebüttel, wo der Vater das Juni 1832 berief man ihn in den „Rath“, d. h. Amt leitete, verbrachte der kleine Sieveking, in den – seit 1861 so benannten – Senat.18 wie es bei Hans-Joachim Kurland heißt, Knapp acht Jahre vorher hatte er Louise Ma- seine Kindheit.21 rianne Johanne von Hennings geheiratet, ··································································· die Tochter des Philosophen und liberalen Der Vater Friedrich war nach seiner Amts- Publizisten August von Hennings (1746– zeit in Ritzebüttel wieder im Hamburger 1826), der durch seine Schwester Sophie Rat (Senat) aktiv, und am 2. Januar 1861, Reimarus, Hannchens Stiefmutter,19 zur nach dem Ausscheiden Heinrich Kellinghu- nächsten Verwandtschaft zählte. Friedrich sens (1796–1879), dem letzten „Bürgermei- Sieveking war von 1840 bis 1846 Amtmann ster nach alter Ordnung“,22 wurde er zum in Ritzebüttel, einem Dorf bei Cuxhaven; ersten Mal Erster Bürgermeister. In dieser

| 9 | gleich zuständig war für die Stadtbibliothek, die Gelehrten- und Realschule Johanneum sowie für die Sternwarte.26 Damit sind die wichtigsten Aufgaben, die Friedrich Sieve- king in den Jahren bis 1869 übernommen hatte, aufgezählt. 1869 war er bis zum 14. Mai ein letztes Mal Senator;27 der Hambur- gische Staats-Kalender von 1870 verzeichnet ihn als in den Ruhestand getretenes Mit- glied des Senats.28 Damit ruhten auch die Funktionen in den Behörden der Kirche, der Schule und des Militärs. Zu ergänzen ist allenfalls, dass Sieveking seit dem 7. Januar 1856 der Gesellschaft „Einigkeit“ angehörte, einem 1761 gegründeten Herrenclub ein- flussreicher Hamburger Bürger, die sich re- gelmäßig zu einem freundschaftlichen Ge- dankenaustausch trafen.29 Friedrich Sieveking ··································································· Mit Hilfe zweier Briefe kann den spärli- Funktion rückte er zum „Patron“ der Haupt- chen Angaben zum Leben Friedrich Sieve- kirche St. Michaelis auf, nachdem er dort kings immerhin andeutungsweise etwas Far- seit 1853 bereits „Kirchspielsherr“ gewesen be verliehen werden. Der Neffe Johannes war.23 Vor 1861 war er lange Jahre auch in der Hermann Sieveking, Sohn von Karl Sieve- Justiz-Verwaltung für das Ober-Gericht zu- king, einem älteren Bruder Friedrichs,30 be- ständig.24 Als Bürgermeister wurde er 1861 schrieb in einem Brief vom 18./19. Oktober außerdem Präses im „Militair-Departe- 1863 ein für das hamburgische Kulturleben ment“ und in der „Bürger-Militair Com- wichtiges Ereignis, in das Friedrich, „Onkel mission“. Im Jahr 1862 war Friedrich Sieve- Fritz“ genannt, einbezogen war: „Zur 50- king wiederum Erster Bürgermeister, eben- Jahrfeier des 18. Oktober, der Schlacht bei so in den Jahren 1865 und 1868; als Zweiter Leipzig,31 wurde in Hamburg alles auf den Bürgermeister war er in den Jahren 1864 Kopf gestellt. – Durch Kanonendonner von und 1867 eingesetzt; in den Zwischenjahren 101 Schüssen geweckt, gingen wir zur Kir- 1863 und 1866 gehörte er „nur“ dem Senat che, wo Moraht eine dem Dankfest würdig an.25 entsprechende Predigt hielt […]. Ich ent- ··································································· fernte mich gleich nach der Predigt, holte In seiner Eigenschaft als Patron wechselte den Finanzbürger Woermann ab, und fuhr Friedrich Sieveking 1862 von der Hauptkir- zu Onkel Fritz […] mit Dreikanter und De- che St. Michaelis zur Hauptkirche St. Petri; gen, worauf wir erst zum Frühgottesdienst 1863 war er Kirchspielsherr von St. Petri. Im und Parade des Linienmilitärs auf der Jahr 1863 leitete er als Präses die „interimis- Moorweide als Militärdepartement fuhren. tische Oberschulbehörde“, womit er zu- Pastor Walther aus Ritzebüttel, der den

| 10 | Feldzug mitgemacht hat, hielt die Predigt. aber, festgehalten zu werden, da sie Formen Die ganze Feier war würdig und schön, von des Feierns veranschaulicht, wie sie für das herrlichem Sonnenschein begünstigt. – gehobene Hamburger Bürgertum typisch Dann ging es erst zu Onkel Fritz zurück, waren. „Lebende Bilder wurden im 19. Jahr- dort wartete schon die Eskorte der Bürger- hundert zu einem zentralen szenischen Ge- Kavallerie unter Führung von Donnenberg. staltungsmittel, auf der Theaterbühne eben- Nach einem stehend eingenommenen Früh- so wie bei höfischen oder bürgerlichen stück, ging es dann als Bürger-Militär-Kom- Festen.“35 mission auf das Heilige Geistfeld, wo die ··································································· aufgestellten 7000 Mann ihre Musik-Corps Es sei nicht verhehlt, dass es Schwierigkei- in die Mitte schickten, in geschlossenem ten bereitete, nähere Aufschlüsse über das Quarée in Kolonnen nachrückten und erst Leben Friedrich Sievekings zu gewinnen, ei- ‚Nun danket alle Gott‘ und darauf ‚Auf nes Mannes, der immerhin von 1832 bis Hamburgs Wohlergehn‘ anstimmten. Hier- 1869, also fast vierzig Jahre, in leitenden Po- auf defilirten die Truppen im Parademarsch sitionen für Hamburg tätig war. Möglicher- vor der Kommission und fuhr diese wieder weise zählte er, wie viele Hamburger des ge- ab, alles mit obligaten Kanonensalven bei hobenen Bürgertums, zu denen, die von An- und Abfahrt.“32 sich selbst kein Aufhebens machten und sich ··································································· statt dessen, gewissermaßen unscheinbar, In einem zweiten Brief, den Johannes Her- ganz in den Dienst ihrer Senatsgeschäfte mann Sievekings Ehefrau Mary33 am 20. und ihrer Ämter stellten. Ob Zurückhal- April 1868 an ihre Schwestern schrieb, geht tung und bewusste Selbstzurücknahme es um ein besonderes Familienereignis: kennzeichnend für ihn waren, muss freilich „Nun soll am Abend des 28. Onkel Fritz offenbleiben. Bürgermeister Carl Friedrich 70ster Geburtstag feierlich bei Meyers be- Petersen (1809–1892)36 hat sich dem „Ham- gangen werden mit lebenden Bildern und burgischen Correspondenten“ zufolge in Text dazu von Emma Poel, den Lorenz als überschwänglich lobender Weise über Fried- Leierkastenmann hersagt. Mimi und Elisa- rich Sieveking geäußert, indem er ihn „als beth sollen als Bauernmädchen Onkel Fritz einen Mann von wunderbarem Scharfsinn, im lebenden Bild auf Giens empfangen. eminenter juristischer Befähigung, genialer Dargestellt wird eine Reise nach Indien, erst Auffassung und Beurteilung der Verhältnis- Audienz beim Kaiser, dann Giens, Alexan- se und der umfassenden wissenschaftlichen drien, Indien, Heimkehr.“34 Was es im Ein- Bildung eines großen Gelehrten, zugleich zelnen mit den Namen von Verwandten, von sokratischer Urbanität und gewinnen- Freunden und Orten auf sich hat, ist nicht der Liebenswürdigkeit“ charakterisierte.37 von Belang. Die Beschreibung verdient es

·············································································································································· 1 Deutsches Geschlechterbuch 200, S. 470, 479 f. 2 Kopitzsch (Sieveking, S. 293) nennt im Jahre 2001 die umfangreiche Biografie „Georg Heinrich Sieveking. Lebensbild eines Hamburgischen Kaufmanns aus dem Zeitalter der französischen Revolution“, die der Wirtschafts-

| 11 | historiker Heinrich Sieveking (1871‒1945) zum Leben seines Urgroßvaters 1913 in Berlin veröffentlichte, „ein bis heute nicht übertroffenes Lebensbild seines Vorfahren.“ Ebd. bei Kopitzsch weitere Literaturangaben zu Georg Heinrich Sieveking. 3 Ebd. 4 Ebd., S. 291 ff.; ders., Sozialgeschichte, passim, besonders S. 614 ff. 5 Zitiert nach ders., Sieveking, S. 292. 6 Ebd. 7 Stephan, Aufklärer, S. 421. 8 Ebd., S. 422 f., 425 f. 9 Kopitzsch, Sozialgeschichte, S. 614. 10 Ders., Sieveking, S. 292. 11 Reimers, Sieveking, S. 293. 12 Deutsches Geschlechterbuch 200, S. 487. 13 Knuth, Reimarus, S. 246 f. 14 Grolle, Sieveking, S. 290. 15 Deutsches Geschlechterbuch 200, S. 538. 16 Grolle, Sieveking, S. 290 f. 17 Siehe Goverts, Einigkeit, S. 101. 18 Siehe etwa Hamburgischer Staats-Kalender 1861, S. 57. Die Angabe „22. 1. 1832“ im Deutschen Geschlechter- buch 200, S. 509, ist falsch. Vgl. Raffat, Eppendorf, S. 19. 19 Sophie Reimarus war die zweite Frau von Johann Albert Heinrich Reimarus, nachdem die erste Frau, Hann- chens leibliche Mutter, 1762 gestorben war. Der „Theetisch“ von Sophie, vielleicht wichtiger noch als Hannchens Sonntagstreffpunkt im Landhaus Neumühlen, bildete „gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen der Mittelpunkte der Hamburger Aufklärung.“ (Knuth, Reimarus, S. 246). Vgl. auch Grolle, Diplomatenehe, S. 21. 20 Vgl. Krieger Geschichte, S. 27. 21 Kurland, Richter, S. 326. 22 Vgl. dazu Schröder, Kellinghusen. 23 Hamburgischer Staats-Kalender 1861, S. 66. 24 Hamburgischer Staats-Kalender 1853, S. 65, 72. 25 Hamburgische Staats-Kalender der Jahre 1862 bis 1868. Die Angabe „1861-1869 Bürgermeister“ im Deutschen Geschlechterbuch 200, S. 509, ist fehlerhaft. 26 Hamburgischer Staats-Kalender 1862, S. 28; ebd. 1863, S. 28, 32 ff. 27 Goverts, Einigkeit, S. 101. 28 Hamburgischer Staats-Kalender 1870, S. 22. 29 Goverts, Einigkeit, S. 101. Dazu Schröder, Brüder Vorwerk, S. 44. 30 Siehe dazu unten Anm. 98. 31 Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813, die mit der Niederlage endete, war die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege. 32 Aus Tante Carlotas Nachlaß, S. 37. 33 Henriette Maria (Mary) Elisabeth Sieveking, geb. Merck (1835-1907). Siehe Deutsches Geschlechterbuch 200, S. 489. 34 Aus Tante Carlotas Nachlaß, S. 86. 35 Wikipedia (Internet), Stichwort „Tableaux vivants“. Vgl. Schröder, Mutzenbecher, S. 45. 36 Carl Friedrich Petersen war seit 1855 Senator und zwischen 1876 bis zu seinem Tod 1892 immer wieder Erster und Zweiter Bürgermeister. 37 Hamburgischer Correspondent Nr. 461 (1. Oktober 1904). ··············································································································································

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Ernst Friedrich Sievekings Schulzeit

Über Louise Marianne Johanne von Hen- aufgezeigten Beispiel wird deutlich, wie nings – geboren im Plöner Schloss am 20. hoch die Müttersterblichkeit38 in zurücklie- Dezember 1799 –, die Friedrich Sieveking genden Zeiten auch im Bürgertum sein am 16. Mai 1824 in Rantzau (Holstein) ge- konnte. heiratet hatte und die, neben drei Töchtern ··································································· und drei Söhnen, als jüngstes von sieben Es wurde bereits erwähnt, dass zur Kindheit Kindern Ernst Friedrich am 24. Juni 1836 in von Ernst Friedrich so gut wie nichts gesagt Hamburg zur Welt brachte, ist so gut wie werden kann. Vor dem Eintritt in die Ge- gar nichts Näheres zu erfahren. Dem Ham- lehrtenschule des Johanneums erhielt er, da- burgischen Geschlechterbuch ist, von ge- von kann ausgegangen werden, Privatunter- nealogischen Hinweisen abgesehen, ledig- richt.39 Das wahrscheinlich früheste Lebens- lich zu entnehmen, dass Ernst Friedrichs zeugnis von ihm wird im Hamburger Mutter Louise am 18. September 1838 starb, Staatsarchiv aufbewahrt: ein schwarz gebun- zu einer Zeit, als er selbst etwa zweieinvier- denes Buch etwa im Format DIN A5 mit der tel Jahre alt war. Der Vater Friedrich Sieve- Aufschrift „Puerilia“.40 Darin ist zunächst king heiratete am 3. November 1839 in zwei- einmal ein Heft enthalten mit „Schiller’s ter Ehe Fanny Hanbury, die bis zum 12. Glocke. Ins Lateinische übersetzt von M. März 1888 lebte, die also der großen Familie Gottfried Günther Röller“ (Leipzig o. J.). In über den Tod ihres Mannes hinaus, der am der Vorrede des Hefts entschuldigt sich der 25. Dezember 1872 starb, noch knapp sech- Übersetzer für die unvermeidlichen Mängel zehn Jahre erhalten blieb. Ernst Friedrich seiner Übertragung, meint aber, sie könne wuchs demnach bei seiner Stiefmutter auf „die Liebe und Achtung gegen die lateini- (sie selbst war kinderlos). Es ist auffällig, sche Sprache“ fördern, „deren Sinn man hier dass allein in der engsten Sievekingschen nicht in fremden Zeiten und Sitten suchen Verwandtschaft, wie sie hier in den Blick ge- muß“. Dieses Heft hat mit Sicherheit Ernst nommen ist, die Mütter nach den Geburten Friedrich als Lernmaterial gedient, und zwar von Hannchen, Amalie und Ernst Friedrich nicht nur ihm, sondern auch seinem nächst- sehr früh gestorben sind, so dass die Kinder älteren, am 27. Februar 1834 geborenen Bru- bei stellvertretenden Müttern aufwuchsen. der Caspar Wilhelm. Zwischen Wilhelm Dass es im 19. Jahrhundert eine weitaus hö- und Friedrich (so die Haupt-Vornamen der here Sterblichkeit gab als ein Jahrhundert Brüder) muss bis weit in die Studienzeit später, ist allgemein bekannt; mit dem hier hinein eine besonders enge Verbindung be-

| 13 | Ernst Friedrich (links) und Caspar Wilhelm Sieveking als Kinder, von Ferdinand Flor (um 1845) standen haben, wie zahlreiche weitere Quel- jahrzehnte Friedrichs, man kann resümie- len nahelegen. ren: steht eigentlich sein ganzes Leben im ··································································· Zeichen eines großen Bildungsernstes, einer Wichtiger als Schillers „Glocke“ auf La- außerordentlichen Zielstrebigkeit im Ler- teinisch ist eine eingeklebte Sammlung von nen – vor allem zugleich im Zeichen einer Zeugnissen, die sowohl über die Lernerfolge großen Begabung und damit eines schnellen von Wilhelm als auch über diejenigen Fried- und erfolgreichen Lernens –, so dass es ge- richs detaillierten Aufschluss geben. Der rechtfertigt ist, auf die Nachweise für diese Umstand, dass in den „Puerilia“ die Zeug- Lernerfolge näher einzugehen. nisse der beiden Brüder zusammengebun- ··································································· den erscheinen, kann als erstes Indiz für die Im ersten Zeugnis heißt es: „Censur für den Enge der Beziehungen zwischen den beiden Secundaner Friedr. Sieveking. Weihnachten gelten. – Da über Friedrichs Kindheit und 1848. Schulbesuch: regelmäßig.“ „Betra- Jugend sonst nichts zu erfahren ist, soll aus gen“, „Fleiß“ und „Fortschritte“, unterein- seinen Zeugnissen ausführlich zitiert wer- ander einzeln aufgeführt, sind mit einer den. Überhaupt stehen die ersten Lebens- Klammer versehen, hinter der die Bewer-

| 14 | tung „gut“ steht. Abschließend folgt: „Im Von unwesentlichen Modifikationen abge- Namen des Lehrer-Collegiums der Gelehr- sehen, verhält es sich mit den Zeugnissen ten-Schule des Johanneums“. Unterschrie- des Bruders Wilhelm nicht anders; beide ben ist das Ganze von D. Corn. Müller und Sievekings müssen ausgesprochene Muster- D. Kraft.41 Im Alter von zwölf Jahren war schüler gewesen sein. Auch bei Wilhelm ist Friedrich also bereits Sekundaner; ungefähr 1849 im „Johannis“-Zeugnis zum Schulbe- hundert Jahre später, als sich die Schulver- such angegeben, er sei regelmäßig erfolgt, hältnisse freilich entscheidend geändert hat- „mit Ausnahme der Zeit seiner Krankheit“. ten, war man als Zwölfjähriger am Gymna- Allerdings wurde bei Wilhelm zu Ostern sium üblicherweise Quartaner. – Auch im 1851 kein Fehlen wegen Krankheit vermerkt. Osterzeugnis 1849 gab es noch keine Beno- Ansonsten ist jedoch der Parallelismus der tung einzelner Fächer. Was Betragen, Fleiß Zeugnisse auffallend – fast könnte man mei- und Fortschritte anging, so hatte Friedrich nen, Wilhelm und Friedrich hätten dieselbe sich verbessert: „in Allem sehr gut“. Im drit- Klasse besucht. Ob es möglich ist, dass ten Zeugnis dieser Folge, zu „Johannis 1849“ Friedrich zwei Klassen übersprungen hatte? (24. Juni), setzten die Lehrer wieder zusam- ··································································· menfassend die Beurteilung „gut“; zusätz- Im „Puerilia“-Buch ist neben dem Heft zu lich wurde zum „Schulbesuch“ angemerkt: Schillers „Glocke“ und den Zeugnissen au- „regelmäßig, mit Ausnahme der Zeit seiner ßerdem aus dem Jahr 1852 eine mit der Krankheit.“ Die Zeugnisse, auch das vierte Nummer IV versehene „Geschichte u Lite- zu „Michaelis 1849“ (29. September), wur- raturcladde“ enthalten. Die erste Notiz da- den zweifellos jedesmal dem Vater vorgelegt rin trägt das Datum „Donnerstag 22 Ja- und meistens gegengezeichnet: „gelesen F. nuar“. Dann folgen auf vielen eng beschrie- Sieveking“ oder „Vidi F Sieveking“. benen Seiten Aufzeichnungen in einer (mir, ··································································· dem Verf.) unbekannten Kurzschrift. An Zu Johannis 1850 war Ernst Friedrich be- wenigen Stellen erscheinen in lateinischer reits Primaner. Dieses Mal war das Betragen Schrift etwa die Namen Lessing, Immanuel gut, Fleiß und Fortschritte waren sehr gut. Kant, Hamann, Klinger, Lenz, Goethe oder Ein Vierteljahr später wurde das Betragen (unterstrichen) Johann Gottfried von Her- als „lobenswerth“ bezeichnet. Die Bewer- der. Das Heft ist ein sprechendes – oder tungen „gut“, „sehr gut“ und „lobenswerth“ auch stummes – Zeugnis dafür, wie Fried- tauchen immer wieder auf, daneben werden rich sich in den Bereichen der Philosophie, in den vier Zeugnissen des Jahres 1851 aber schönen Literatur und Geschichte mit Fleiß auch das Betragen als „musterhaft“, der und Ausdauer Bildungsstoff aneignete. In Fleiß als „ernst und beharrlich“ und die derselben Aufmachung der Kladde von Fortschritte als „sehr erfreulich“ charakteri- Friedrich existiert eine solche von Wilhelm, siert. Ostern 1851 ist außerdem vermerkt: auch zum Jahre 1852, und wiederum in „Schulbesuch: leider durch Krankheit un- Kurzschrift. Wilhelms Schrift ist kräftiger terbrochen.“ Insgesamt hat Friedrich zwi- und ausladender als die zarte, fast winzig zu schen Weihnachten 1848 und Weihnachten nennende Schrift Friedrichs. – Unter wel- 1851 zwölf Zeugnisse erhalten. chen äußeren Umständen die Kladden ent- ··································································· standen sind, muss offenbleiben; der Mappe

| 15 | zufolge, in der sich das „Puerilia“-Buch be- Versuch, das damalige Abitur mit dem Abi- findet, handelt es sich um „Unterrichtsmit- tur heutiger Zeiten zu vergleichen, kann schriften“. Bemerkenswert ist es, dass beide hier nicht unternommen werden. Nur allge- Brüder sich schon früh eine Kurzschrift an- mein sei angemerkt, dass Ernst Friedrich geeignet hatten, die es ihnen erlaubte, ihren Sieveking im Alter von noch nicht sechzehn Bildungshunger auf beschleunigte Weise zu Jahren über eine humanistische Bildung befriedigen. und über Kenntnisse in alten und neuen ··································································· Sprachen verfügte, wie man sie heutzutage Es versteht sich, dass der erfolgreiche Ab- wohl bei Neunzehn- oder Zwanzigjährigen schluss des Schulbesuchs durch ein offiziel- kaum jemals antreffen wird. les Dokument bestätigt wurde:42 „Zeugnis ··································································· der Reife zur Universität für Ernst Friedrich Welch weitreichendes Wissen Friedrich Sieveking, aus Hamburg Sohn des Senator sich im Englischen erworben hatte, bewies Sieveking Dr., alt 16 Jahre – Monate, be- er seinem Vater wenige Monate nach dem suchte das Johanneum 3 Jahre, 6 Monate, Abitur. Zusammen mit seinem Bruder Wil- war Mitglied der ersten Klasse der Gelehr- helm hatte er eine längere Reise nach Eng- ten-Schule 2 Jahre; er gedenkt Jurisprudenz land unternommen. Von einem langen, eng in Edinburgh zu studiren.“ Betragen und beschriebenen, vollständig in englischer Fleiß wurden im Reifezeugnis wiederum als Sprache abgefassten Brief, den er seinem Va- „lobenswerth“ bezeichnet, der „Schulbesuch ter am 29. Oktober 1852 aus Liverpool war regelmäßig.“ Zum ersten Mal wurden schrieb, sei zunächst nur der erste Satz wört- anschließend Fächer aufgezählt und einzeln lich wiedergegeben: „Dear Papa, In compli- benotet. Ausnahmslos sämtliche „Schul- ance with your desire I herewith venture to kenntnisse“: im Lateinischen, Griechischen, lay before you a proof of my knowledge of Deutschen, Französischen, Englischen, in the English language, which it has been pos- der Mathematik, Physik sowie in der Ge- sible to me to acquire and to increase from schichte und „alten Lit. Geschichte“ wurden my childhood, by your bounty.“ Anschlie- mit einem „sehr gut“ bewertet, ein Non- ßend berichtet Friedrich seinem Vater aus- plusultra, das sich bis heute in den Erinne- führlich vom Besuch eines Vortrags, den er rungen mancher Nachfahren als auszeich- mit Wilhelm zusammen besucht hatte. Ein nendes Charakteristikum des angehenden Geistlicher namens Mr. Baylee sprach über Juristen erhalten hat. Abschließend heißt es Entdeckungen, die man während der letzten im Reifezeugnis: „Ausgefertigt in dem Jo- Jahre in „Niniveh“ gemacht hatte, wobei hanneo zu Hamburg am 14. April 1852.“ der Redner immer wieder Erklärungen aus Unterschrieben ist das Zeugnis vom Direk- der Bibel heranzog. Friedrich kommentierte tor D. Friedrich Karl Kraft und fünf Profes- das Gehörte selbstständig und selbstbewusst soren. kritisch. Nicht zuletzt hätte der Vortrag ei- ··································································· nen Eindruck vermittelt „of the author him- Rechnet man nach, so war Friedrich, als self, his ideas, his feelings, his manners. This er das Abschlusszeugnis erhielt, noch keine immovable faith in the Bible, this strict and sechzehn Jahre alt; erst am 24. Juni 1852 fei- exact observation of every letter of it and erte er seinen sechzehnten Geburtstag. Der consequently a certain contempt of all, espe-

| 16 | Ernst Friedrich Sievekings Reifezeugnis (1852)

| 17 | cially the modern German, critics are cha- nächsten Jahren nichts weniger als außer Au- racteristic for the English orthodox.“ – Der gen lassen, eine Verbindung von Jurispru- Brief aus Liverpool zeigt nicht nur, wie gut denz und Historie zu wissenschaftlichen Friedrich bereits in jungen Jahren die engli- Zwecken schwebt mir, noch freilich mehr sche Sprache beherrschte, er offenbart zu- oder weniger dunkel, vor Augen und lockt gleich, welche Ansprüche und hohen Er- mich mehr an, als practische Ausübung. wartungen der Vater hegte. Könnte ich mir einen klaren Ueberblick we- ··································································· nigstens über die Haupttheile der menschli- Bereits im September 1852 waren Wil- chen Entwicklungsgeschichte bis zur neues- helm und Friedrich, wie ihre Briefe an die ten Zeit verschaffen, d. h. den Umfang und Eltern erkennen lassen, nach England ge- die Beweggründe der Bildung, die immense langt; von Oktober 1852 bis Februar 1853 Entwicklung aller Nationen, ihrer Charac- hielten sie sich in Liverpool auf. Damit man tere, ihres Verhältnisses gegen einander, ver- einen deutlicheren Eindruck von den Stre- schaffen, so wäre der nächste Zweck er- bungen und Interessen Friedrichs, zugleich reicht. Das Feld ist unendlich weit, aber eine auch von seinem Verhältnis zum Vater ge- Concentration auf einen oder wenige Punk- winnt, soll ein Brief in deutscher Sprache, te kommt immer von selbst, es ist ein Ge- geschrieben in Liverpool am 20. Januar 1853, genstand, bei dem auch ganz besonders die ausführlich zitiert werden: wissenschaftlichen Entdeckungen neuerer ··································································· Zeiten, mechanischer, physikalischer Art „Lieber Papa, Dein liebevoller Brief vom usw. in Betracht kommen, und man könnte 9ten hat uns Beide unendlich Freude ge- eine Nebenbeschäftigung damit wohl nur macht und uns recht ermuthigt frisch und einen nöthigen Abweg nennen. Was zu- fröhlich weiterzugehen, wie wir begonnen. nächst zur Erreichung zu thun ist, ist ein Unser Aufenthalt hier wird ja so sehr lange gründliches Studium der Geschichte eines nicht mehr dauern und es kommt mir vor jeden Volkes, möglichst aus den Quellen ei- als hätte dieser Winter durchaus nicht ange- nes jeden unmittelbar geschöpft; welchen nehmer und nützlicher ausgefüllt werden Nutzen dies bringt und von welchem Inter- können. Es pflegt gewöhnlich und muß esse es ist, habe ich aus dem Durchnehmen auch wohl so sein, daß jedesmal, wenn Ei- der engl. Geschichte erkannt […].“ ner eine bestimmte Beschäftigung und Liebe ··································································· vornimmt, er manches Andere darüber au- Einem heutigen Leser würde es schwerlich ßer Acht läßt, seine Gedanken und Pläne in den Sinn kommen, dass dies alles ein nur auf jene berechnet. Es ging mir früher Sechzehnjähriger geschrieben hat. Man so mit dem Studium der alten Sprachen. Die kann von einem altväterischen, partienweise Schönheiten waren neu und traten natürlich aber auch von einem altmeisterlichen Stil vor den wenig gekannten der neuen Zeit in sprechen, von einer Verständigkeit, Abge- den Vordergrund. Im vergangenen Sommer wogenheit und einem Ernst der Überlegun- und Winter erst fand ich Gelegenheit, in nä- gen, der an Briefe klassischer Autoren den- her liegenden Zeiten mich umzusehen, und ken lässt. Sicher ist es nicht ganz unerheb- dies erweckte das lebhafteste Interesse in lich, wer der Adressat des Briefs war; die mir. Jedenfalls werde ich diesen Punkt in bereits erwähnten Erwartungen des Vaters

| 18 | werden Friedrich veranlasst haben, von ist erstaunlich; nur die Wendung „[…] vornherein im Tenor und Duktus seiner schwebt mir, noch freilich mehr oder weni- Ausführungen Belanglosigkeiten oder Ober- ger dunkel, vor Augen […]“43 verrät, dass flächlichkeiten zu vermeiden. Vor allem die Friedrich sich, was seine Zukunft anging, in Zielstrebigkeit des angehenden Studenten manchem noch auf der Suche befand.

·············································································································································· 38 Im strengen Sinn kann von Müttersterblichkeit nicht gesprochen werden, da der Tod der hier in Rede stehen- den Frauen nicht während der Schwangerschaft oder unmittelbar nach Schwangerschaftsende eintrat. 39 Siehe Vogt, Sieveking, S. 116. (Der 1939 erschienene Aufsatz ist eine ergiebige autobiographische Quelle zur Vita Sievekings, zeitbedingte ideologische Bewertungen bleiben marginal. Entsprechendes gilt auch für den Auf- satz von Wogatzky.) 40 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T1. 41 Friedrich Karl Kraft war von 1827 bis 1861 Direktor des Johanneums; danach war Cornelius Müller bis 1863 interimistisch Direktor. (Bertheau, Chronologie, S. 82). 42 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T3. 43 Ebd., Mappe T2. ··············································································································································

| 19 | [3]

Studium und Promotion

Die Angabe im Abiturzeugnis, Friedrich Neben den zahlreichen Briefen gibt es im gedenke, „Jurisprudenz in Edinburgh zu Staatsarchiv ein Dokument, das für die Zeit studiren“, erwies sich als eine Absicht, die zwischen Sommer 1853 und Sommer 1855 im fallengelassen wurde. Nach seinem mehr- Detail auflistet, welche Lehrveranstaltungen monatigen Aufenthalt in Liverpool folgte er Friedrich besucht hat. Auch im Blick auf den Spuren seines Vaters und nahm das Stu- dieses Dokument, das nachfolgend vollstän- dium in Göttingen auf, wiederum im Ver- dig zitiert wird, muss auf eine ins Einzelne ein mit seinem Bruder Wilhelm, der dort gehende Auswertung verzichtet werden; nur Medizin studierte. – Im Hamburger Staats- zu den Lehrenden, von denen es manche in archiv werden sowohl zur Studienzeit Fried- ihrem Fach zu großem Ansehen gebracht richs als auch zu derjenigen Wilhelms zahl- reiche von den beiden an die Eltern ge- schriebene Briefe aufbewahrt.44 Diese Brie- fe, abgefasst in den Jahren 1853–1857, sind stets eng beschrieben und fast durchgehend sehr ausführlich, so dass die Dokumenta- tion der Briefkonvolute für sich allein ein ganzes Buch ergeben würde. In dieser Bio- grafie muss es genügen, wenn sozusagen stellvertretend für das Ganze einzelne Stich- proben geliefert werden, ohne Berücksichti- gung der Briefe Wilhelms. Zweifellos würde die eingehende Beschäftigung mit den Brie- fen zu einem höchst aufschlussreichen Bild von den Studienjahren und in vieler Hin- sicht gewiss auch von den Gesamtpersön- lichkeiten der Brüder führen, doch das Ziel der vorliegenden Veröffentlichung, die Kon- turen des gesamten Lebens von Ernst Fried- rich Sieveking nachzuzeichnen, wäre damit verfehlt. ··································································· Caspar Wilhelm Sieveking im Alter (1834-1917)

| 20 | haben, wird in den Anmerkungen jeweils Nationalöconomie bei Prof. Hanssen,52 kurz etwas gesagt. – Das Dokument trägt Winter 54/5 vorn folgenden Vermerk: „Zur Matrikel des Kirchenrecht u. Controversen aus demsel- Stud. F. Sieveking Göttingen 18 April 1853“. ben bei Prof. Hermann, Sodann heißt es: die Lehre von der culpa bei Professor ··································································· Mommsen, „Wir Prorektor und Senat der Königlich deutsche Rechtsgeschichte bei Hofr. Kraut, Hannoverschen Georg Augusts Universität deutsche Alterthümer u. die Germania des bezeugen hiemit, daß der Studirende Ernst Tacitus bei Prof. Waitz, Friedrich Sieveking aus Hamburg auf den Finanzwissenschaft bei Prof. Hanssen, Grund eines Zeugnisses der Reife von Ham- Sommer 55 burg am 18 Apr 53 als der Rechte Beflissener Handelsrecht u. das Civilpracticum bei Pro- unter die Zahl der hiesigen Studirenden auf- fessor Thöl,53 genommen ist, und sich bis jetzt Studirens das Obligationenrecht bei Prof. Mommsen. halber hieselbst aufgehalten hat. Während Bemerkung. Neuerer Vorschrift zufolge der Zeit seines Hierseins hat derselbe den wird in den Universitätszeugnissen nur der beigebrachten Zeugnissen zufolge nachste- Besuch der Vorlesungen, nicht auch der hende Vorlesungen besucht: Fleiß bescheinigt. ··································································· Hinsichtlich des Betragens des Studirenden Sommer 53 Sieveking wird bemerkt, daß überall keine Institutionen bei Hofrath Francke,45 Beschwerde gegen ihn vorgekommen ist. Geschichte des Mittelalters, Einleitung in Gegeben unter meiner, deszeitigen Prorec- die deutsche Geschichte und Einleitung in tors, Unterschrift und unter Beidruckung die Geschichte des 18ten und 19ten Jahrhun- des Universitätssiegels derts bei Professor Waitz,46 Göttingen den 10ten Septbr 1855. Geschichte der Philosophie seit Kant bei W Kraut d. z. Prorector.“54 Professor Lotze,47 ··································································· Winter 53/4 Ein studierter Jurist liest heutzutage dieses Pandecten bei Hofrath Francke, Dokument zweifellos mit anderen Augen römische Rechtsgeschichte bei Geheimem als ein Außenstehender. Wiederum stellt Justizrath Ribbentrop,48 sich die Frage, von welchen Erwartungen in deutsche Geschichte und Verfassungsge- der Auswertung und Kommentierung der schichte bei Prof. Waitz, jeweilige Leser ausgeht. Sollen Begriffe wie Sommer 54 Pandekten oder Servituten erläutert werden, Erbrecht bei Hofrath Francke, müssen Erklärungen zu den Unterschieden über Servituten und Pfandrecht bei Gehei- zwischen dem damaligen und dem heutigen mem Justizrath Ribbentrop, Jurastudium oder zur Rechtsentwicklung deutsches Privatrecht bei Hofr. Kraut,49 im Allgemeinen folgen? Hier mag es mit we- Criminalrecht u. auserlesene Lehren dessel- nigen Hinweisen sein Bewenden haben: Die ben bei Prof. Hermann,50 Pandekten sind eine Zusammenstellung auserwählte Lehren des Obligationenrechts von Rechtsgrundsätzen aus den Werken rö- bei Prof. Mommsen,51 mischer Rechtsgelehrter, und Servituten

| 21 | sind Dienstbarkeiten in Sinne des Sachen- dungen Gehör zu geben. Das wird natürlich rechts. Angemerkt sei zusätzlich zum einen, immer mehr der Fall sein, je weiter ich hin- dass die Kenntnis des Lateinischen in der einkomme. Von streng juristischen Studien Mitte des 19. Jahrhunderts noch in ganz an- beschäftigen mich jetzt nur die Institutio- derem Maß als heute gerade in den Rechts- nen […].“ wissenschaften, aber auch in den Universi- ··································································· tätsstudien insgesamt als Selbstverständlich- Was Friedrich seinen Eltern 1854 zu seinem keit galt. Als zweites ist dem offiziellen Studium und seinem Leben in Göttingen Studiennachweis zu entnehmen, dass Fried- schrieb, soll hier beiseite bleiben. Am 20. richs Interessenschwerpunkt in den beiden August desselben Jahres gelangte ein Brief ersten Semestern noch deutlich in der Ge- aus Deutz bei Köln, am 12. September aus schichtsforschung lag, wobei er sich im Meran und am 27. September aus München zweiten Semester der Rechtsgeschichte zu- nach Hamburg; Friedrich war also während wandte; erst im dritten Semester war das der Semesterferien auf Reisen. Anfang Ok- Studium eindeutig auf die Jurisprudenz aus- tober fand er sich wieder in Göttingen ein. gerichtet. Gegen Ende des Wintersemesters, am 1. Fe- ··································································· bruar 1855, erklärt Friedrich in einem Brief In einem Brief vom 18. April 1853 an seine an die Mutter, in das Göttinger Leben sei er Stiefmutter kam Friedrich auf seine „glück- ganz hineingekommen, wenn er es „auch liche Ankunft“ in Göttingen zu sprechen. nicht mit ganz denselben Augen ansehe wie Von seiner Reise, die er offensichtlich mit früher. Viele Anregung bieten die Collegien Wilhelm zusammen angetreten hatte, konn- hier durchaus nicht vielmehr sind sie mit te er „nur Gutes melden, bis auf einige Un- wenigen Ausnahmen sehr trocken und leb- annehmlichkeiten, die die Beförderung los, und wer nicht für die Sache Interesse nach Göttingen mit sich bringt.“ Mit Wil- von vorne herein mitbringt, der soll sie helm zusammen bewohnte er zwei neben- wahrlich hier nicht erhalten.“ Am meisten einander liegende Zimmer. Der Grundriss Freude, so Friedrich, „macht mir daher das dieser Zimmer mit der Möblierung wurde private Arbeiten, theils für mich allein, im Brief genau aufgezeichnet. – Am 25. Juni theils mit Anderen zusammen, was gut vor- 1853 berichtete er seinem Vater: „Das erste wärts geht.“ Sodann überlegt er: „Wenn ich Quartal liegt hinter uns und ich glaube wir nächsten Sommer noch hier bleibe, werde haben Beide erkannt, wie viel Segen uns ich wohl nur sehr wenig Collegien hören, darin zu Theil geworden ist, für Leib, Herz um mich möglichst auf mich beschränken und Geist waren es wundervolle Tage […]. zu können; aus manchen Gründen wäre es Das gilt vom Studium sowohl wie dem Um- allerdings wünschenswerth, Göttingen gang mit Freunden. Ersteres interessirt mich schon Ostern zu verlassen, namentlich weil in hohem Grade, schon deshalb, weil es über die größere Freiheit auf einer anderen Uni- ungeheuer Vieles klare Begriffe gibt, wor- versität eine größere Concentrirung der über vorher nur unklare Auffassungen vor- Kräfte möglich machen würde. Doch genug handen waren. Man gewöhnt sich, alle Ver- davon: ich freue mich vorläufig noch der hältnisse scharf anzusehen, mit der Beur- Wochen bis Ostern […].“55 theilung vorsichtig zu zögern, allen Einwen- ···································································

| 22 | Nachfolgend sei nochmals ein Brief in kommt. Außerdem ist Mommsen der Ein- aller Ausführlichkeit zitiert, da er als eine Art zige der nicht diktirt, sondern so vorträgt, Zusammenfassung eine anschauliche Vor- daß der Zuhörer, um nachschreiben zu kön- stellung von der Studienzeit in Göttingen nen, wirklich aufmerksam sein muß. Die vermittelt. Am 7. April 1855 schrieb Fried- anderen Collegien sind schon rein aus die- rich seinem Vater, stellenweise seinen Bru- sem Grund, weil dictirt wird, wahrhaft der Wilhelm in die Beschreibung einbezie- geisttödtend, aus Büchern läßt sich dasselbe, hend: weil vollständiger und interessanter darge- ··································································· stellt, lernen. Vom Praktikum gilt das natür- „Lieber Papa, Mehr als sonst lenken sich lich nicht, ich verspreche mir viel davon, es gerad in dieser Zeit meine Gedanken nach bietet eine gute Gelegenheit zur Repetition Hause, weil es mir so wunderlich vor- und Auffrischung der Pandektenkenntnisse. kommt, das Osterfest nicht daheim zu fei- Im Uebrigen habe ich auch ziemlich die ern, wie ich es bis jetzt noch immer gethan Collegien der hiesigen Juristen durchgehört, habe. Dazu kommt noch, daß fast Alle un- mir bleibt nur Brieglebs57 Proceß und Pro- sere Freunde und Bekannten uns jetzt ver- zeßpraktikum und der Criminalprozeß üb- lassen haben, so daß wir ein höchst einsam rig, wenn ich mich auf das ganz Nothwen- beschauliches Leben an diesen Feiertagen dige beschränke. Mit großem Interesse habe führen. […] Wir haben bis jetzt die Ferien ich in diesem Winter ein Colleg über deut- ganz in gewöhnlicher Weise zugebracht, so sche Alterthümer bei Waitz gehört, das auch daß ich, außer daß die Collegien aufgehört für den Juristen großen Werth hatte. Ich bin hatten, kaum ihr Dasein merkte – nur ein- überzeugt, Waitz könnte die deutsche Rechts- mal unterbrach diese Stille ein ziemlich star- geschichte weit besser vortragen, als Kraut ker Spaziergang den wir neulich machten. der seine 10–20 Zuhörer mit ganz gewöhn- […] Uebermorgen über 8 Tage fängt das lichen Mittheilungen continuirlich lang- neue Semester nominell an, die Collegien weilt. – Mommsen ist einer der tüchtigsten vielleicht Dienstag oder Mittwoch: ich hiesigen Professoren, – außerdem im Um- denke davon nicht viel zu hören, um zum gang äußerst liebenswürdig, eben so seine eigenen Arbeiten bei dem doch mehr her- Frau die leider kränkelt. Wir haben sie un- auskommt desto mehr Zeit zu behalten. gezogen lange nicht besucht, als ich neulich Hauptsächlicher Nutzen ist daß die Colle- mal bei ihm war, waren er jedoch sowie gien den Tag zweckmäßig eintheilen, ich be- seine Frau sehr freundlich und hofften uns absichtige deshalb bei Thöl um 7h Handels- bald einmal wieder zu sehen. Im Ganzen recht und um 4-6h ein Civilpraktikum zu thut es mir doch nicht leid, daß wir hier hören, vielleicht auch Staatsrecht um 12h nicht gar zu viele Professorenbekanntschaf- und die Obligationen bei Mommsen. Das ten haben; ich höre und merke von Man- letztere Colleg wird vielleicht das interessan- chen, die damit sehr beladen sind, daß es teste von allen werden: der Gegenstand eine große Last ist, zu der die Annehmlich- schien mir schon immer geeignet für eine keiten in keinem Verhältniß stehen. Der besondere Vorlesung, weil er doch der wich- Göttinger Professor steht dem Studenten tigste Theil der RR56 ist und in den Pandek- meist doch immer als Professor gegenüber, tenvorlesungen gewöhnlich schlecht weg nicht als Familienvater, – nur wo dies ist, wie

| 23 | gerade bei Mommsen […], kann es sehr ge- mit äußerster, geradezu beängstigender Ziel- müthlich werden. strebigkeit. Ablenkungen, etwa als Kontakt- ··································································· pflege oder Besuchemacherei, wurden auf Wenn ich ungefähr meine noch vor mir lie- das Notwendigste beschränkt, und bei all- gende Studienzeit überlege, so legt sie sich dem wurde sehr genau erwogen, welche in meinem Kopf ungefähr so zurecht, daß Kollegs die Teilnahme lohnten. Zuweilen ich im nächsten Sommer noch hier studire, werden auch kritische, manchmal durchaus dann vielleicht einen Winter und Sommer überheblich wirkende Urteile gefällt. Den auf einer anderen Universität, und zuletzt Plan eines Interimsstudiums in Leipzig soll- hier meinen Doctor mache. Ich würde Dir te Friedrich verwirklichen; bis zum Septem- sehr dankbar sein, wenn Du mich wissen lie- ber 1855 studierte er in Göttingen, anschlie- ßest, ob Du mit diesen Plänen überein- ßend setzte er das Studium in Leipzig fort stimmst. – Das Beziehen einer anderen Uni- (wie etwa ein Brief vom 19. Oktober zeigt). versität ist mir hauptsächlich deshalb wün- Über Weihnachten 1855 blieb er in Leipzig; schenswerth, um aus den auf die Länge ab- kurz vorher, am 18. Dezember, äußerte er ziehenden Verhältnissen, die der Umgang sich in einem Brief an den Vater ausführlich hier mit sich bringt, herauszukommen und über einen Professor Albrecht. Wilhelm Th. eine kleine Zeit ganz egoistisch für mich zu Kraut in Göttingen hatte ihm, Friedrich, haben. Wohin? ist daher auch ziemlich eine Empfehlung an Albrecht mitgegeben. gleichgültig, da ja doch keine bedeutenden Dazu heißt es im Brief: Albrecht „ ist übri- Professoren existiren die hierauf erheblichen gens wenig umgänglich, hat wie ich glaube, Einfluß haben könnten. Das Gerathenste keine Familie und steht viel zu hoch, um wäre vielleicht Leipzig, – jedenfalls eine der sich auf Bekanntschaften mit Studenten besten juristischen Facultäten. Doch liegt einzulassen, so daß die ganze Frucht der das ja noch im weiten Felde. Empfehlung wohl in einer Abfütterung be- ··································································· stehen wird. Er ist übrigens der einzige Pro- Vorerst also nur noch die Mittheilung, fessor unter denen die ich höre, dessen Col- daß Deine Söhne sich beide sehr frisch und leg wirklich etwas werth ist. Sein Deutsches wohl fühlen und darauf hinzielen, Dir ein- Privatrecht, 1-stündig von 10–11, ist zwar mal Freude zu machen. Damit möchten wir sehr kurz, regt aber sehr zum Denken an, die gerne den Wunsch verbinden, in nächster affectirten und eingebildeten Manieren ab- Zeit etwas Geld für das kommende Quartal gerechnet, die Albrecht nicht blos im Vor- geschickt zu bekommen, da das vorhanden trag, sondern in jeder, auch der kleinsten gewesene, mit Ausnahme des für die Colle- Bewegung, an sich hat, ist er äußerst anzie- gien bestimmten Geldes, verbraucht ist. hend, scharf und geistreich läßt er seine Zu- […] Von Wilh. herzliche Grüße. Dein treu- hörer eigentlich mehr nur einzelne Blicke in er Sohn Friedrich“ das Gebiet des deutschen Rechts thun, als ··································································· daß er sie mit den Einzelheiten derselben ge- Was sich schon im Brief vom 20. Januar nau bekannt machte; er will nur die Princi- 1853 aus Liverpool deutlich abzeichnete, fin- pien, den Geist jedes Instituts seinem Zuhö- det hier in verstärkter Form seine Bestäti- rer klar vor Augen führen; das, was nur gung: Ernst Friedrich Sieveking studierte auswendig zu lernen ist, überläßt er jedem

| 24 | selbst. So ist das Colleg für den der es zum zweiten Mal hört, gerade ganz ausgezeich- net.“58 ··································································· Wilhelm Eduard Albrecht (1800–1876) war 1825 außerordentlicher und 1829 or- dentlicher Professor für deutsches Recht an der Universität Königsberg geworden. Seit 1830 lehrte er als Ordinarius in Göttingen. Im Jahre 1837 gehörte er neben Friedrich Christoph Dahlmann, Wilhelm und Jacob Grimm sowie Heinrich Georg August Ewald, Georg Gottfried Gervinus und Wil- helm Eduard Weber zu den berühmten Göttinger Sieben, die Ernst August von Hannover (1771–1851) am 14. Dezember 1837 „aus dem Dienst entlassen hatte, weil sie den König wegen der Aufhebung der Verfassung von 1833 des Verfassungsbruches beschuldigt hatten. Die führende Persön- Caspar Wilhelm Sieveking als Burschenschafter lichkeit war dabei Dahlmann; der Schritt (1855) der G[öttinger] S[ieben] wurde in ganz Deutschland beachtet und war ein Zeichen beralität vertrug und verband sich in späte- dafür, daß die liberale Bewegung in weiten ren Jahren, wie sich noch zeigen wird, ohne Teilen Deutschlands wieder lebendig wur- weiteres mit einer ausgeprägt vaterländi- de.“59 Wie es in der Allgemeinen deutschen schen Gesinnung – so wie sich auch die Biographie heißt, nahm Albrecht unter den Weltoffenheit, die aktive Beteiligung an in- Göttinger Sieben „von Anfang an eine her- ternationalen Rechtsunternehmungen ohne vorragende Stellung ein“.60 Im Oktober weiteres mit einer dezidiert patriotischen 1840 wurde er als ordentlicher Professor für Einstellung verband. deutsches Recht an die Universität Leipzig ··································································· berufen, wo er blieb und über Privatrecht, In Leipzig blieb Friedrich von Oktober 1855 Handelsrecht, Kirchenrecht und Staatsrecht bis März 1856, also ein ganzes Semester lang. las.61 Ende März ’56 hielt er sich, wie ein Brief ··································································· vom 29. dieses Monats beweist, jedoch auch Denkt man an den Großvater Georg in Göttingen auf. Von April bis August 1856 Heinrich Sieveking, berücksichtigt man au- folgen Briefe aus Jena; mithin studierte ßerdem die Wirkungen, die von Albrecht Friedrich während des Sommersemesters ’56 ausgegangen sein mögen, so ist zu vermu- in Jena. Noch in Leipzig schrieb er am 13. ten, dass es gerade in Friedrichs Jugendzeit Februar ’56 seinem Vater, aus verschiedenen Einflüsse gegeben hat, die in ihm eine libe- Gründen gedenke er, einige Zeit nach Jena rale Grundhaltung entstehen ließen. Die Li- zu gehen; für den Abschluss beabsichtige er

| 25 | aber, nach Göttingen zurückzukehren, weil kam. Daraufhin traten von den 24 in Göt- in Jena das „Examen keinen besonders gu- tingen ortsanwesenden und 5 ortsabwesen- ten Klang hat.“ Im Oktober 1856 gelangten den Bundesbrüdern 8 aus.“ Stucken erklärt wieder, bis zum April 1857, Briefe aus Göt- nicht, ob Sieveking ein Befürworter oder tingen an die Eltern. – Wilhelm blieb auch Gegner des Beschlusses war; letzterer wird in Leipzig mit Friedrich zusammen. In der ihm zugestimmt haben, denn er hielt der Folgezeit scheinen sich aber die Wege der Brunsviga die Treue und wurde sogar bald Brüder zumindest zeitweise, dann auch Vorsitzender. Kurland merkt an, dass Sieve- wohl dauerhafter, getrennt zu haben; wie es king der Burschenschaft „noch als Alter sich damit im Einzelnen verhält, muss of- Herr verbunden geblieben ist.“62 fenbleiben. ··································································· ··································································· Durch eine große, vollständig in lateini- Zu ergänzen ist, dass sowohl Friedrich als scher Sprache abgefasste, im Namen König auch Wilhelm in die Burschenschaft Bruns- Georgs V. von Hannover ausgestellte Ur- viga aufgenommen wurden, beide am 10. kunde erhielt „Ernesto Friderico Sieveking“ Juni 1853 als Mitglieder Nr. 76 und Nr. 77. nach einem vere laudabilia bestandenen Ex- Wie Günther Stucken schreibt, der einen amen am 1. Mai 1857 von der Göttinger instruktiven Abriss zum Leben Friedrich Georg-August-Universität in feierlicher Form Sievekings verfasst hat, war dieser „im Win- die Bestätigung seiner Promotion zum doc- tersemester 1854/55 […] Zweitchargierter tor juris utriusque, d. h. zum Doktor beider (Schriftführer und Kassenwart) und in der Rechte, also des weltlichen Rechts und des 2. Hälfte des Sommersemesters 1855 Erst- Kirchenrechts.63 Fünfzig Jahre später, 1907, chargierter (Vorsitzender).“ Weiter heißt es wurde mit einer gleichermaßen opulent aus- bei Stucken: „Sieveking erlebte während sei- gestatteten, nunmehr im Namen Kaiser ner Aktivenzeit die erste große Krise des Wilhelms II. ausgestellten Jubiläumsur- jungen Bundes [Brunsviga]. Mit knapper kunde eine „Erneuerung des Doktordi- Mehrheit wurde am 23. 1. 1854 […] ein Be- ploms“64 vorgenommen. schluß gefaßt, der einem Duellverbot gleich-

| 26 | ·············································································································································· 44 Ebd. 45 Wilhelm Franz Gottfried Francke (1803‒1873) war seit 1831 ordentlicher Professor des römischen Rechts an der Universität Jena; dort erlangte er als Pandektist Berühmtheit. Seit 1844 an der Universität Göttingen. (Muther, Francke). 46 Georg Waitz (1813‒1886), bedeutender Rechtshistoriker und Mediävist. 1842 wurde er an der Universität Kiel ordentlicher Professor der Geschichte. 1848 wechselte er an die Universität Göttingen, wo er das Historische Semi- nar mit begründete, das weltweit Anerkennung fand als Göttinger historische Schule. 47 Rudolph Hermann Lotze (1817‒1881), bedeutender Philosoph, seit 1842 Professor in Leipzig, von 1844 bis 1881 Professor in Göttingen, dazu in Berlin. 48 Der Rechtsgelehrte Georg Julius Ribbentrop (1798-1874) war seit 1832 ordentlicher Professor an der Univer- sität Göttingen. 1854 wurde er zum Geheimen Justizrat ernannt. (Landsberg, Ribbentrop). 49 Wilhelm Theodor Kraut (1800‒1873), seit 1836 an der Universität Göttingen ordentlicher Professor des deut- schen Privatrechts. (Eisenhart, Kraut). 50 Bei Professor Hermann handelt es sich offensichtlich um den evangelischen Kirchenrechtslehrer Emil Herr- mann (1812‒1885), der seit 1836 in Kiel, seit 1847 in Göttingen und seit 1862 in Heidelberg an den Universitäten lehrte. Von 1872 bis 1878 war er Präsident des evangelischen Oberkirchenrats in Berlin. 51 Friedrich M. Mommsen (1818‒1892), 1848 Obergerichtsrat in Schleswig, 1851 von der dänischen Regierung aus politischen Gründen entlassen. Er wandte sich nach Göttingen, wo er 1852 zum Dr. jur. promovierte und sich im Folgejahr habilitierte. 1854 wurde er zum außerordentlichen und 1859 zum ordentlichen Professor ernannt. Bei Saß (Mommsen, S. 462) heißt es: „Mit durchdringender Schärfe des juristischen Denkens verband M[omm- sen] eine überaus gründliche und tiefe Gelehrsamkeit. Von seinen akademischen Vorlesungen wie von seinen Schrif- ten gingen die fruchtbarsten Anregungen aus.“ Im Jahre 1864, nach dem deutsch-dänischen Krieg, kehrte Momm- sen nach Schleswig-Holstein zurück. 52 Georg Hanssen (1809‒1894), Agrarhistoriker und Nationalökonom. 1831 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Kiel; 1837 ebd. Berufung zum ordentlichen Professor. Von 1848 bis 1860 Professor in Göttingen. (Knapp, Hanssen). 53 Johann Heinrich Thöl (1807‒1884), Habilitation 1830 in der juristischen Fakultät der Universität Göttin- gen. Von 1842 bis 1849 Ordinarius an der Universität Rostock. 1848⁄49 Mitglied der Frankfurter Nationalver- sammlung. Seit 1849 ordentlicher Professor für deutsches Recht in Göttingen. (Frensdorff, Thöl). Wogatzky (Han- seatische Gerichte, S. 62) bezeichnet Thöl als „großen Handelsrechtslehrer“. 54 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T3. 55 Ebd. 56 Möglicherweise bedeutet die Abkürzung „Römisches Recht“. 57 Schwer leserlich. Gemeint ist offensichtlich Hans Karl Briegleb (1805‒1879); er „studirte zuerst Theologie, so- dann Jurisprudenz und ließ sich in Nürnberg als Advocat nieder.“ Auf Grund einer „epochemachenden“ Veröf- fentlichung zur Prozesswissenschaft wurde er 1842 ordentlicher Professor der Rechte in Erlangen. Seit 1845 lehrte er in Göttingen. (Savigny, Briegleb). 58 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T3. 59 Der große Brockhaus Band 4, Wiesbaden 1954, S. 757. See (Göttinger Sieben) zieht die Liberalität der Göt- tinger Professoren in Zweifel. 60 Hübner, Albrecht, S. 744. 61 Ebd., S. 745. 62 Brief und maschinenschriftlicher Abriss (beides undatiert, Fotokopie) von Günther Stucken; zum Abriss heißt es im Brief: erschienen „in den Brunsvigen Mitteilungen Nr. 249 auf S. 50 ff.“ (Privatarchiv Karl Sieveking). Fer- ner Kurland, Richter, S. 326. 63 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T3. Vgl. Kurland, Richter. 64 Vogt, Sieveking, S. 126. ··············································································································································

| 27 | [4]

Die Jahre als Anwalt

Seinen Doktortitel hatte Friedrich Sieve- ··································································· king im Alter von knapp 21 Jahren erwor- Im Hamburger Staatsarchiv wird eine Ur- ben; ein derart frühzeitiger Abschluss juristi- kunde aufbewahrt, die, im Kopf aufwendig scher Studien ist heutzutage unmöglich, mit Hamburger Wappen versehen, offiziell aber in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhun- die Zulassung zur Advokatur bestätigt: „Auf derts scheint er vielleicht etwas Besonderes, eingekommene und verlesene Supplication wenn auch nicht unbedingt Seltenes gewe- abseiten Herrn Dris juris E. F.Sieveking sen zu sein. Supplicanten decretiert das Obergericht: ··································································· daß Supplicant Herr Dr. juris Ernst Fried- Während des Jahres 1857 hatte die Ham- rich Sieveking, zur Ausübung der Advocatur burger Wirtschaft mit den Auswirkungen hieselbst zuzulassen, behufs seiner Immatri- einer großen Handelskrise zu kämpfen.65 Im culirung an S. T.Herrn Secretair Schlüter Zusammenhang damit heißt es bei Paul Drem zu verweisen, und die Original-Anla- Vogt: „Baron Merck66 in Verbindung mit gen, retentis copiis, zu retradiren. Decretum anderen Kaufleuten sandte S[ieveking] nach in Judicio superiori Hamburgensi, Veneris Stockholm, um dort wichtige hamburgische d. 25 Juni 1858.“71 Handelsinteressen sicherzustellen.“67 Wie ··································································· Johann Georg Mönckeberg (1839–1908) im Voraussetzung dafür, dass Sieveking die Jahre 1873 erklärt, habe Sieveking „das sel- Arbeit als Rechtsanwalt aufnehmen konnte, tene Glück gehabt, als ganz junger Doktor war die Ablegung des Bürger-Eids. Folgen- zur Zeit der Geld-Krisis von 1857 von dem der Eid war abzustatten und handschriftlich zu jener Zeit beschäftigsten Advokaten zu beglaubigen: „Ich gelobe und schwöre zu Knauth zu wichtigen geschäftlichen Missio- Gott dem Allmächtigen, daß ich Einem nen in Schweden verwandt“ worden zu Ehrbaren Rathe und der Stadt Hamburg ge- sein.68 Wilhelm Treue bemerkt dazu ergän- treu und hold sein, ihr Bestes suchen und zend, es sei um „Kreditverhandlungen“ ge- Schaden abwenden will, soviel ich vermag. gangen.69 Über die näheren Umstände die- Ich will auch keinen Aufstand wider diesen ser Unternehmung ist nichts bekannt. Sie Rath und diese Stadt machen weder mit erscheint in den Quellen lediglich als Über- Worten noch mit Werken, und wenn ich et- leitung zu der Erklärung, dass Friedrich Sie- was erfahre, das wider diesen Rath und diese veking kurze Zeit später in Hamburg als Stadt wäre, so will ich das getreulich anzei- Rechtsanwalt tätig wurde.70 gen. Ich will auch alle Steuern und Abgaben,

| 28 | wie sie jetzt bestehen und künftig zwischen aufgenommen“, hatte Sieveking bald Gele- Einem Ehrbaren Rathe und der Erbgesesse- genheit, seine Talente unter Beweis zu stel- nen Bürgerschaft beliebt und bewilligt wer- len. „Seine Plädoyers in einzelnen großen den, redlich und unweigerlich entrichten Sachen gehörten zu den besten, welche man und bezahlen, und dabei, als ein rechtschaf- zu jener Zeit hören konnte. Gründliche und fener Mann niemals meinen Vortheil zum vielseitige Kenntnisse, ein scharfer Verstand Schaden der Stadt suchen. So wahr mir Gott und eine überaus kluge, feine Manier, die helfe! Herr Ernst Friedrich Sieveking D. jur. Tatsachen und Rechtssätze im Interesse der hat als Großbürger obigen Eid abgestattet. von ihm vertretenen Sachen zu kolorieren Actum Hamburgi, d. 14 August Achtzehn- und zu interpretieren, zeichneten seine Vor- hundert Sieben und Funfzig.“72 träge aus. Durch ein vornehm kaltes Wesen, ··································································· Eigensinn und Nicht-Berücksichtigung bil- Von 1858 bis 1877, also fast zwanzig Jahre liger Wünsche sowohl seiner Klienten wie lang, gehörte Sieveking einer Anwaltskanz- seiner Kollegen entfremdete er sich viele; lei an, deren Ursprung in das Jahr 1822 zu- trotzdem blieb seine Praxis namentlich im rückreicht und die bald nach ihrer Grün- Handelsgericht eine der größten und ein- dung durch Knauth hohes Ansehen erwarb. träglichsten.“73 Treue verfolgt die Geschichte dieser An- ··································································· waltspraxis bis in die achtziger Jahre des 20. Gründer der Kanzlei, in die Sieveking Jahrhunderts hinein. Er liefert ein facetten- aufgenommen wurde, war Johann Carl reiches Bild dieser Geschichte, doch letztlich Knauth (1800–1876), ein Mann, der am 30. erfährt man, was zwei fraglos bedeutsame März 1822 im Alter von 21 Jahren (ebenso Jahrzehnte im Leben Sievekings angeht, nur wie Sieveking) sein juristisches Studium mit sehr wenig. In fast allen Überlieferungen zu der Promotion abgeschlossen hatte und der diesem Leben erscheint die Advokatenzeit sich am 21. Juni desselben Jahres in Ham- im Grunde nur als Rampe oder Zwischen- burg als Advokat niederließ. „Knauth galt spiel, als Interimszeit, die hinführt zu den als scharfer Logiker, der eine genaue Kennt- entscheidenden Jahrzehnten, während derer nis des Rechts mit großer Beredsamkeit ver- Sieveking Präsident des Hanseatischen Ober- einte. Er gehörte zum Kreise der Advokaten, landesgerichts war. die sich vor dem rasch an Ansehen und Be- ··································································· liebtheit gewinnenden Handelsgericht aus- Immerhin gibt es von einem Zeitgenossen zeichneten.“ Treue verweist auf Knauths ein Zeugnis, dem Näheres über den Advo- „temperamentvolles Wesen“ und darauf, katen Sieveking zu entnehmen ist. Der so- dass er im Blick auf seine Klientel wählerisch eben erwähnte Johann Georg Mönckeberg gewesen sei; „Verbindungen zu unedlen Per- schreibt 1873, Sieveking sei eine „ungewöhn- sönlichkeiten“ lehnte er ab.74 Im Jahre 1847 lich begabte“ Natur gewesen, und „schon schloss er sich mit Dr. Johann Friedrich äußerlich eine durchaus aristokratische Er- Voigt (1804–1886)75 zusammen, womit eine scheinung, vereinigte [er] die verschieden- Anwaltssozietät entstand. „Anwaltsgemein- sten Talente in der elegantesten Form.“ Von schaften waren damals in Hamburg wie „dem zu jener Zeit beschäftigsten Advoka- auch in Bremen durchaus nicht selten. In ten Knauth […] als Associé in das Geschäft Hamburg waren die Advokaten von alters

| 29 | bewährte Institutionen nicht nur der Re- form halber beseitigen wollte.“ Als Jurist in- teressierte er sich in besonderem Maß für das Seerecht. Über sein Verhalten als Anwalt ist nichts zu erfahren; allerdings weiß Treue zu berichten, dass es „schon immer“ Voigts Wunsch war, ein Richteramt auszuüben. Im Jahr 1853, also nach sechsjähriger Anwaltstä- tigkeit, erhielt er den Ruf „an das gemein- same Oberappellationsgericht der damals noch vier Freien Reichsstädte Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt, das seinen Sitz in Lübeck hatte.“ Nach dem Ausschei- den Voigts aus der Sozietät „führte Knauth die Praxis zunächst einige Jahre lang allein, bis er 1858 Dr. Ernst Friedrich Sieveking als Sozius aufnahm.“ ··································································· Was die weitere Entwicklung der Kanzlei angeht, gab es bald nach dem Eintritt des jungen Anwalts einen neuerlichen Wechsel: Knauth wurde 1859 zum Richter am Ham- Ernst Friedrich Sieveking (1864) burgischen Obergericht berufen und schied damit aus der Anwaltsgemeinschaft aus; her Berater der Kaufleute.“ Daraus ergab nun war es Sieveking, der die Praxis allein sich „eine oft enge Verbindung zwischen führte, und zwar für lange Jahre.77 Erst 1875 Kanzlei und Kontor, die zu einer zumeist nahm er, weil die zu bewältigende Arbeit of- über Generationen dauernden Verbindung fensichtlich einen immer größeren Umfang zwischen Advokaten und Kaufleuten führ- angenommen hatte, kurz nacheinander zwei te.“76 Der ständige Austausch mit Kauf- Advokaten als Sozien auf, zum einen Dr. leuten, die Auseinandersetzung mit konkre- Otto August Louis Wachsmuth (1844–1911), ten Problemen des Handels, insbesondere zum anderen Dr. Johann Heinrich Burchard des Seehandels, schuf eine Erfahrungs- (1852–1912).78 Der Letztgenannte wurde 1885 grundlage, die auch für das ganze weitere in den Senat gewählt und 1902 zum ersten Leben Sievekings von unschätzbarem Wert Mal Erster Bürgermeister Hamburgs; den war. Nachgeborenen hat sich am ehesten sein ··································································· Auftritt im Jahre 1908 eingeprägt, als er in Johann Friedrich Voigt, der sich neben Schloss Schönbrunn unter den zahlreichen seinen Anwaltsgeschäften politisch betä- Fürstlichkeiten – einschließlich Kaiser Wil- tigte, vertrat ebenso wie Knauth „eine gemä- helms II. –, welche Kaiser Franz Joseph I. ßigt fortschrittliche Richtung, die zwar von Österreich-Ungarn zum sechzigsten durchaus Reformen verlangte, dabei aber Thronjubiläum ihre Aufwartung machten,

| 30 | der einzige war, der nicht in Galauniform, und 1876 vier Kinder hervor; zwei weitere sondern in zivilem Ornat erschien, als Ver- Kinder kamen 1881 und 1882 zur Welt. Zu treter der Stadtstaaten Hamburg, Lübeck den Hochzeitsfeierlichkeiten, auch zum und Bremen. Der Auftritt ist vor allem Familienleben, das Friedrich und Olga führ- durch ein 1909 vollendetes Gemälde des ten, konnten keine Quellen ausfindig ge- Malers Franz Matsch bekannt geworden.79 macht werden. Lediglich der Traueranspra- ··································································· che zum Tod von Olga sind einige Einzel- In die Zeit seiner Tätigkeit als Anwalt fiel heiten zur Persönlichkeit der Ehefrau zu für Ernst Friedrich Sieveking ein besonders entnehmen, Kennzeichnungen, auf die in einschneidendes lebensgeschichtliches Er- Kapitel 10 eingegangen wird. Insgesamt eignis: am 25. September 1862 heiratete er kann über das Privatleben Friedrich Sieve- Olga Wilhelmine Amsinck (1842–1922). kings nur wenig gesagt werden; auch die Ähnlich wie die Sievekings gehörten die oben zitierten „persönlichen“ Briefe aus der Amsincks zu den „ersten Familien“ Ham- Studentenzeit geben kaum näheren Auf- burgs. Aus der Ehe gingen zwischen 1866 schluss über „private“ Neigungen oder Un- ternehmungen. Allerdings enthält die bio- graphische Skizze von Paul Vogt einen Ab- schnitt, der zwar wiederum zuallererst das Bildungsstreben Friedrichs dokumentiert, der aber zugleich einiges über dessen per- sönliche Interessen offenbart. Vogt, der den Präsidenten des Oberlandesgerichts wäh- rend seiner beiden letzten Lebensmonate noch persönlich erlebt hatte, erklärt zusam- menfassend zu den Vorlieben Sievekings: ··································································· „Aus seiner eigenen Jugendzeit […] mag noch erwähnt werden, daß er drei Gesänge der Odyssee auswendig wußte. Die Liebe zum Griechentum beherrschte ihn zeitle- bens. Noch in späteren Jahren las er im Freundeskreis an ‚griechischen Abenden‘ aus der griechischen Antigone oder Electra in deutscher Übersetzung, zum Teil sogar in Versen vor. Wenn er mit seinem zweiten Sohn von Reinbek morgens nach Hamburg fuhr, ließ er diesen in der Bahn Herodot, Aristophanes und Cicero In Verrem vorlesen und übersetzen. Ja, den Herodot hatte er so in sein Herz geschlossen, daß er aus dem Ur- Ernst Friedrich Sieveking mit seiner Frau Olga, text in fließender Übersetzung noch begeis- geb. Amsinck (1862) tert vorlas, als er sich ein Jahr vor seinem

| 31 | Olga Sieveking, geb. Amsinck (1842‒1922)

| 32 | Ernst Friedrich Sievekings Sommerhaus in Reinbek

Tode mit seinen Damen im Angesicht der lienischen Renaissance liebte er; er war auch ägyptischen Pyramiden befand. Shakespeare sehr musikalisch. Seine Ausübung der Mu- und Scott, auch Racine, fesselten ihn. Aber sik beschränkte sich allerdings auf eine Ein- die höchste bewundernde Liebe galt Goe- tragung in den Listen des Bürgermilitärs, the. Tasso, Iphigenie hat er den Seinen nach der er von 1864 bis 1868 als ‚Musiker‘ abends im Laufe der Jahre häufig vorgelesen, geführt wurde.“81 desgleichen aus Faust; und er soll vortreff- ··································································· lich vorgelesen haben. 1883 brachte er in sei- In Reinbek, östlich von Hamburg, hatte der nem Hause in der Theaterstraße die Anti- Präsident sein am Sachsenberg, oberhalb des gone in deutscher Sprache zur Aufführung, Mühlenteichs gelegenes Sommerhaus, so worin die Töchter von Präsident Hansen80 dass es oft zu Fahrten zwischen dem ländli- und von Bürgermeister Burchard die beiden chen Wohnsitz und der Innenstadt Ham- weiblichen Rollen übernommen hatten, burgs kam. Was es mit einer Reise nach während die männlichen von Primanern des Ägypten auf sich hatte, muss allerdings wie- Johanneums gespielt wurden. Es war die derum offenbleiben. Friedrich Sieveking hat letzte größere Festlichkeit, die S[ieveking], kein Tagebuch geführt, vermutlich sah er, abgesehen von den Hochzeiten seiner Töch- ähnlich wie sein Vater, Persönliches als ter, gab. Die Malerei und Skulptur der ita- zweitrangig an; was zählte, war allein die Be-

| 33 | Ernst Friedrich Sievekings vorderes Wohnzimmer im Haus Große Theaterstraße, Hamburg rufsarbeit, der Einsatz für das Wohl der Öf- rühmtes Beispiel frühester autobiografischer fentlichkeit. Immerhin gibt es zu seiner Reflexion – vollständig ins Deutsche zu Wohnung in der Theaterstraße verschiedene übersetzen. Auf 275 handbeschriebenen Sei- Fotos, die es erlauben, „von außen“ einen ten ungefähr im Format DIN A5 sind alle Einblick in sein privates Lebensumfeld als zwölf Bücher der „Selbstbetrachtungen“ – Präsident des Oberlandesgerichts zu gewin- Sieveking nennt sie „Selbstgespräche“ – in nen. Dem Geschmack und Empfinden der feiner, säuberlicher, wenn auch nicht leicht Gründerzeit entsprechend war er (von heute zu lesender Schrift wiedergegeben. Leider aus betrachtet) im dunkel-schweren Stil des findet sich kein Hinweis auf die Entstehung Historismus eingerichtet.82 des Ganzen. Das Buch ist in rotes Leder ge- ··································································· bunden – ein Indiz dafür, dass es dem Über- Daneben hat sich aus dem Nachlass Sieve- setzer viel bedeutete. kings ein eindrucksvolles Zeugnis seiner ··································································· Liebe zur lateinischen Sprache erhalten. Als Die Liebe Sievekings zu den Sprachen der besonders begabter Schüler des Johanneums klassischen Antike erhielt sich bis zu seinem beherrschte er diese Sprache so perfekt, dass Tode. Als er im fortgeschrittenen Alter Mü- es ihm offensichtlich ein Bedürfnis und ein he hatte, altgriechische Texte selbst zu lesen, Vergnügen war, die „Selbstbetrachtungen“ hielt er über Jahre hin seine junge Enkel- des römischen Kaisers Marc Aurel – ein be- tochter Margheritha (1889–1972) dazu an,

| 34 | ihm griechische Texte vorzulesen. Vor allem während der Zeit um 1860, sie liefern auch in den ersten Zeiten brachte er damit seine zusätzliche Details zur Person Sievekings. Enkelin in arge Verlegenheit, denn diese eig- Zunächst ist folgendes Papier aufschluss- nete sich zwar die Kenntnis und Aussprache reich: „Protocoll-Auszug. Sitzung der Recla- des griechischen Alphabets und der griechi- mations-Commission des Bürger-Militairs. schen Wörter bald an, verstand aber auf Hamburg, den 12 März 1862. In Sachen: keine Weise, was sie vorlas. Der Großvater Herrn Dris. Jur. Ernst Friedr. Sieveking. Be- half und verbesserte, und so wird Marghe- schlossen: daß Reclamant auf Grund des ritha wohl allmählich ein erstes Grundwis- von den zur Untersuchung angestellten sen des Griechischen gewonnen haben.83 Herren Aerzten abgegebenen Gutachtens ··································································· wegen Brustbeschwerden und Schwindel Zu den Aktivitäten, die Sieveking mit dem auf zwei Jahre vom Dienste des Bürger-Mi- Bürgermilitär verbanden, kann mit Hilfe litairs zu dispensiren sei und sich nach Ab- mehrerer Zeugnisse des Hamburger Staats- lauf dieser Zeit sofort wieder bei seinem archivs Näheres gesagt werden. Originale Herrn Compagnie-Chef zu melden habe. Zeugnisse gewähren nicht nur immer wie- Kunhardt Commissarius. Carl [unleserlich] der Einblick in die Zeitumstände und die Auditor und Secretarius der Commission. bürokratisch-amtliche Praxis in Hamburg Eingetragen sub No. 7666 auf der Kanzlei

Ernst Friedrich Sievekings Arbeitszimmer im Haus Große Theaterstraße, Hamburg

| 35 | Ernst Friedrich Sievekings Übersetzung der „Selbstgespräche“ von Marc Aurel

| 36 | Bescheinigung des Hamburger Bürgermilitärs für Ernst Friedrich Sieveking (1864) des Bürger-Militairs, den 15 März 1862 Ad- tigt: „Canzley. No 28636 des Abschiedes loff Quartiermeister.“ […]. Fünftes Bataillon […] Bürger-Mili- ··································································· tair. Abschied. Herr Ernst. Friedrich. Sieve- Auf einer Karte „No. 112“ heißt es knapp king Dr gebürtig aus Hamburg welcher seit zwei Jahre später: „Herrn Ernst Friedrich dem 27 Febr. 1864 im hiesigen Bürger-Mili- Sieveking Dr. wohnhaft gr. Bleichen 22 wird tair als Musiker gestanden, erhält hiemit in hiedurch bescheinigt, dass derselbe beim Veranlassung der auf Grund übereinstim- Musik-Corps des 5ten Bataillons für die Po- menden Beschlusses des Senats und der saune angestellt und dazu fähig befunden Bürgerschaft stattfindenden Auflösung des worden sei. Hamburg den 27 Februar 1864. Bürger-Militairs seinen ehrenvollen Ab- Im Namen der Musik-Comité des 5 Bat. schied. Hamburg, den 30ten Juli 1868. Im Hinrichsen Major und Chef des Bataillons. Auftrage der Bürger-Militair-Deputation: Nierl Oberst und Chef des Bürger-Mili- [Unterschrift] Major und p.t. Chef des Bür- tairs.“ – Gut vier weitere Jahre später wurde ger-Militairs.“84 eine aufwendig gestaltete Urkunde ausgefer- ···································································

| 37 | Der Umstand, dass Sieveking für zwei und schon von seiner äußeren Erscheinung Jahre vom Dienst beim Bürgermilitär zu- her „überragender“ Mann, möglicherweise rückgestellt wurde, lässt an die beiden Zeug- eine zarte Konstitution besaß, ist freilich nisse des Johanneums denken, in denen nicht zu klären. – Sodann liest man, dass er Fehlzeiten wegen Krankheit vermerkt wa- 1864, als er knapp anderthalb Jahre verhei- ren. Krankheiten können, wenn sie das Le- ratet war, in den Großen Bleichen, also im ben eines Menschen mit einer gewissen Zentrum Hamburgs wohnte. Wie bereits Nachhaltigkeit beeinträchtigen, biografisch angedeutet, ist über Sievekings Wohnver- bedeutsam sein; jedenfalls können sie in ei- hältnisse nur wenig zu ermitteln. – Schließ- ner Lebensgeschichte, die so weit wie mög- lich erfährt man, dass er als Musiker beim lich auf Genauigkeit bedacht ist, nicht ein- Bürgermilitär die Posaune blies. Wie gern, fach ignoriert werden. Ob Ernst Friedrich wie gut und wie häufig er seinem Musiker- Sieveking, ein schlanker, hochgewachsener dienst nachging, weiß man nicht.

·············································································································································· 65 Vgl. dazu etwa Schröder, Kellinghusen, S. 106-116; Mönckeberg, Hamburg, S. 505-511. 66 Gemeint ist der Kaufmann Ernst Freiherr von Merck (1811-1863). Siehe Deutsches Geschlechterbuch 171, S. 262. 67 Vogt, Sieveking, S. 116. 68 Hauschild-Thiessen, Mönckeberg, S. 60. 69 Treue, Anwaltssozietät, S. 25. 70 Vogt, Sieveking, S. 116, und Treue, Anwaltssozietät. Vgl. auch Kurland, Richter, S. 326. 71 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T3. Siehe auch Staatsarchiv Hamburg, Justizverwaltung – Personalakten P478. 72 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T3. 73 Hauschild-Thiessen, Mönckeberg, S. 60. 74 Treue, Anwaltssozietät, S. 16, 18 f. Siehe ergänzend Leo, Anwaltsjubiläum, Sp. 593 ff. 75 Treue, Anwaltssozietät, S. 22, 24. Bei Ahrens, Voigt (S. 430), ist das Geburtsjahr 1806 angegeben. 76 Treue, Anwaltssozietät, S. 21. 77 Ebd., S. 22, 25. 78 Im Jahr 1877 heiratete Burchard Emily Amsinck (1858‒1931), eine Nichte von Olga Sieveking, geb. Amsinck. (Deutsches Geschlechterbuch 210, S. 28.) Burchard wurde erst 1904 zum ersten Mal Bürgermeister. 79 Hauschild-Thiessen, Burchard, S. 82. Vgl. Jungclaussen, Risse, S. 9 ff. 80 Dr. Gustav Chr. Friedr. Hansen (1849‒1931), seit 1885 Oberlandesgerichtsrat und seit 1903 Senatspräsident, sei „einer der treuesten Paladine Sievekings“ gewesen. (Wogatzky, Hanseatische Gerichte, S. 79; Rothenberger, Ober- landesgericht, S. 299.) 81 Vogt, Sieveking, S. 115, 120. 82 Vgl. dazu Schröder, Brüder Vorwerk, S. 54 ff. 83 Mitteilung von Anna-Christa Albers am 17. Juli 2009. Margaretha (Margheritha) Albers, geb. Lornz-Meyer, lebte von 1889 bis 1972. Vgl. Deutsches Geschlechterbuch 21, S. 348. Dazu Gerhardt, Lorenz-Meyer, S. 10, 12. 84 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T3. ··············································································································································

| 38 | [5]

Ernst Friedrich Sieveking als Senator

Die Auflösung des Hamburger Bürgermi- litärs im Jahre 1868 vollzog sich im Zuge weitreichender politischer Veränderungen. Hier sei lediglich angedeutet, dass zu dem Zeitpunkt, als E. F. Sieveking heiratete, 1862, Otto von Bismarck (1815–1898) sowohl Ministerpräsident als auch Außenminister in Preußen wurde. Im Lauf der sechziger und siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts, also während der Jahre der Sievekingschen Anwaltstätigkeit, kam es zu Umwälzungen, die auch der Freien Hansestadt Hamburg vor allem mit der Gründung des Norddeut- schen Bundes 1867 und der Reichsgründung 1871 einen grundlegend neuen staatsrechtli- chen Status verliehen. Ob diese Entwicklun- gen für Sieveking ein Anlass waren, politisch aktiv zu werden, oder ob andere ihn bewo- gen, sich politisch zu betätigen, sei dahin- gestellt. Jedenfalls wurde er 1874 in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Dazu bemerkt Paul Vogt: „Er hat dort nur ein ein- ziges Mal gesprochen, und zwar zugunsten eines Postbeamten, dem nach seiner Über- zeugung Unrecht geschehen war.“85 Die Zu- Ernst Friedrich Sieveking (1869) rückhaltung im bürgerschaftlichen Engage- ment lässt darauf schließen, dass Sieveking wille im Spiel gewesen, liegt auch nahe, sein politisches Mandat eher nur notge- wenn man in Betracht zieht, unter welchen drungen, wenn nicht gar widerwillig über- Umständen Ernst Friedrich Sieveking in nommen hatte. den Senat gewählt wurde. Diese Umstände ··································································· werden von denen, die ihm biographische Die Vermutung, es sei ein gewisser Wider- Aufsätze gewidmet haben, mit Recht für so

| 39 | bemerkenswert gehalten, dass hier näher musste.90 Eine solche Festlegung, die den darauf eingegangen werden muss. Im An- „erwählten“ Senator zwang, seinen Beruf schluss an die Berufung in den Senat, die aufzugeben – oder die ihn gezwungen hätte, ihm Bürgermeister Dr. Carl Friedrich Peter- bei Nichtannahme der Wahl die Stadt zu sen am 23. Mai 1877 anzeigte, geschah, so verlassen –, widersprach dem Rechtsdenken wiederum Vogt, „etwas Unerhörtes. Sieve- und -empfinden Sievekings zutiefst. Aus sei- king fühlte sich durch die Wahl, von man- ner Rechtsauffassung machte er kein Hehl, chem Bürger als Ziel sehnsüchtig erhofft, in eine Haltung, die seine geistige Unabhän- hohem Grade beunruhigt.“86 Da man es un- gigkeit, seine Unbestechlichkeit und auch terlassen hatte, vorher Fühlung mit ihm auf- sein Selbstbewusstsein unter Beweis stellt. zunehmen, war man nicht darüber im Bilde, ··································································· dass ihn die Aussicht, in den Senat aufge- Der an Bürgermeister Petersen gerichtete nommen zu werden, keineswegs mit Begeis- Brief enthält zusätzliche Erklärungen der terung erfüllte. Im Gegenteil, Theodor Suse Ehrerbietung und des aufrichtigen Dankes, zufolge musste er die Perspektive, seine „täg- doch Grundlage und Ziel der Überlegun- lich die Quellen des Lebens berührende Be- gen, so Sieveking, bleibt „nur das Gesetz. schäftigung“ als Anwalt gegen eine Verwal- Wieweit dasselbe anwendbar sei, darüber tungstätigkeit eintauschen zu sollen, als sind die Meinungen geteilt, ich selbst be- „geistige Degradirung“ empfunden haben.87 kenne zweifelhaft zu sein. Würde mir die Am 24. Mai schrieb Sieveking dem Bürger- Advokatur nicht entzogen werden können, meister einen Brief, in dem er – „suaviter in so würde ich über den zu fassenden Ent- modo, jedoch fortiter in re“, wie Kurland er- schluß keinen Augenblick im Zweifel sein. klärt88 – deutlich machte, warum er die Ich würde eine Stellung wie die bisher von Wahl, die anzunehmen er gezwungen war, mir innegehabte jeder anderen vorziehen. nur unter erheblichen Bedenken und Vor- Bei der Unsicherheit aber, ob die Ablehnung behalten gelten lassen konnte: der Wahl die Entziehung der Advokatur mit ··································································· sich bringen würde, kann ich nur erklären, „Dem Gesetz, welches die Annahme gebie- daß ich eine solche Konsequenz nicht würde tet, kann ich den Gehorsam nicht versagen, ertragen können. Ich würde es auch den weil ich es nicht darf – die innere Berechti- Meinigen gegenüber nicht verantworten gung desselben anzuerkennen, bin ich nicht können, die Vaterstadt zu verlassen, um an- imstande. Denn jeder nützt dem Gemein- derswo vielleicht mein Fortkommen, nicht wesen, welcher seine Fähigkeiten und Kräfte aber eine Heimat zu finden.“ nach Möglichkeit und mit Lust und Liebe ··································································· in einem von ihm erwählten Beruf aus- Vor allem im Folgeabsatz macht Sieveking nutzt.“89 In Artikel 9 der Hamburger Verfas- noch einmal deutlich, dass er nur dem sung vom 28. September 1860 war festge- Zwang des Gesetzes folgend, nicht aber aus schrieben, dass die Wahl zum Senatsmit- eigenem Antrieb oder Bedürfnis dem Be- glied „von dem Erwählten, bei Verlust der gehren der Stadt Folge leistet: „Wenn ich da- staatsbürgerlichen Rechte und des Rechts, her in die Notwendigkeit mich versetzt in Stadt oder Gebiet ein bürgerliches Ge- finde, das mir übertragene Amt anzuneh- werbe zu betreiben, angenommen werden“ men, so muß ich doch, um keine Mißdeu-

| 40 | tung aufkommen zu lassen, aussprechen, In einem „Auszug aus dem Protocolle des daß ich darin nur die Übernahme einer Senats“ vom 30. Mai 1877 wird erklärt: Pflicht sehe, welche das Gesetz für die „Herr Bürgermeister Petersen zeigt an, daß Dauer von 6 Jahren von mir fordert, und er Herrn Senator Sieveking auf eine desfall- daß ich die Gesinnungen derer nicht teilen sige Anfrage desselben es ausgesprochen kann, welche mir Glückwünsche entgegen- habe, daß die einem zum Senator erwählten bringen, deren Annahme, so freundlich sie hiesigen Advokaten beiwohnende Qualität gemeint sind, und so ehrenvoll sie sind, mei- eines solchen durch die Erwählung in den nen Gefühlen einen Zwang auferlegen wür- Senat nicht dirimirt werde, sondern nur de, welchen ich bisher noch nie ertragen während der Mitgliedschaft im Senat ruhe habe. Ich bitte Ew. Magnificenz den Aus- und nach etwaigem verfassungsmäßigen druck meiner vollkommenen Hochachtung Austritt aus dem Senat wieder wirksam entgegenzunehmen, mit welcher ich ver- werde, daß somit auch eine Tilgung des Be- harre als Ihr ergebenster…“91 treffenden in der Matrikel der Advokaten ··································································· nicht stattfinde. Der Herr Referent werde in Der Brief ist ein außerordentliches Zeug- der Voraussetzung, daß diese Ansicht vom nis für die Geradlinigkeit Sievekings, für Senat getheilt werde, dies Herrn Senator seine Entschlossenheit, aus seinem Herzen Sieveking mittheilen. Der Senat erklärt sich keine Mördergrube zu machen. Bürgermeis- einverstanden.“94 In Klartext übertragen, ter Petersen reagierte auf das Schreiben sou- wurde Sieveking hiermit zugesichert, dass er verän, indem er am 26. Mai handschriftlich aus dem Beruf des Advokaten durch die antwortete: „Ihr gefälliges Schreiben vom Mitgliedschaft im Senat nicht ausschied; die 24ten habe ich zur Kenntnis des Senats ge- Advokatentätigkeit war nicht „dirimirt“ bracht und erlaube mir in folge dessen die (aufgehoben), sie ruhte lediglich. Anfrage, ob es Ihnen genehm ist, wenn Ihre ··································································· Einführung am Freitag 1ten Juni etwa um Schon mit der Beschreibung Mönckebergs 12 Uhr stattfindet? Ich fühle das Bedürfniß, zur Advokatentätigkeit Sievekings wurde Ihnen die Hand zu drücken. Lassen Sie deutlich, dass der Umgang mit letzterem mich gütigst mit einem Wort schriftlich nicht einfach war. Eigensinn und „ein vor- oder mündlich wissen, ob Ihnen heute zwi- nehm kaltes Wesen“ konnten ihn veranlas- schen 11/2 und 51/2 Uhr eine Stunde paßt, sen, ein schroffes, abweisendes Verhalten an daß wir uns sehen und ob es Ihnen lieber ist, den Tag zu legen. Es gibt die anschauliche daß ich zu Ihnen herumkomme oder ob Sie Beschreibung eines Zeitgenossen, die aus- zu mir kommen wollen. Mit herzlichen führlich zitiert zu werden verdient, weil sie Gruß Ihr Carl Petersen“.92 – Mit Schreiben die „schwierige Seite“ Sievekings zeigt und vom 28. Mai 1877 wurde Senator Fram- damit dem Bild seiner Persönlichkeit, zu- hein93 beauftragt, „den neu erwählten Herrn gleich den Umständen seiner Wahl zum Se- Senator Sieveking Dr. von dem Tage seiner nator eine aufschlussreiche Facette hinzu- Beeidigung am Freitag, den 1. Juni d. J. 12 fügt. Julius von Eckardt, der von 1836 bis Uhr Mittags, in Kenntniß zu setzen.“ Peter- 1908 lebte – der also im selben Jahr wie E. F. sen hatte gleichzeitig dafür gesorgt, dass Sie- Sieveking zur Welt kam95 –, schreibt im veking nicht länger beunruhigt sein musste. zweiten Band seiner 1910 erschienenen „Le-

| 41 | benserinnerungen“ zunächst, „[a]lle Welt lationsfahrt antreten konnten. Trübselig ge- wußte,“ dass Sieveking geäußert hätte, er nug ging es bei derselben zu. Sieveking emp- würde eine auf ihn fallende Wahl in den Se- fing uns mit kaum verhohlener übler Laune, nat nicht annehmen. Danach fährt Eckardt die Frau Senatorin glänzte durch Abwesen- fort: heit, Flur und Empfangsgemach des Hauses ··································································· entbehrten jeden Festschmucks und sogar „Nach altem Stadtrecht mußte ein Bürger, der Gardinen. Das Ganze ließ den Eindruck der die Ratswürde ausschlug, die Stadt ‚mei- einer Kondolenzvisite zurück – und eine Art den‘ und sein Geschäft niederlegen. Sieve- von Begräbnis hatte in der Tat stattgefun- king aber pochte darauf, daß diese Satzung den. Trat auch im Verlauf der beiden Jahre, zu den Vorschriften des Reichsgesetzes über die Sieveking im Senate zubrachte, eine ge- Staatsangehörigkeit und Freizügigkeit in wisse Detente ein, so vermochte Herr S. Widerspruch stehe und demgemäß die Gül- seine Natur doch so wenig zu verleugnen, tigkeit verloren habe. Doch es sollte bloßes daß man ihn bis zum Tage seines Übertritts Gerede gewesen sein. Desto größer und in das neu organisierte Oberlandesgericht peinlicher war das Erstaunen, als der Rat- den mißvergnügten Nobile spielen sah.“99 hausschließer am Tage der Erwählung Sie- ··································································· vekings die unerhörte Kunde brachte, die Welche Aufgaben hatte Ernst Friedrich Tür des neuen Senators sei so dicht ver- Sieveking als Senator zu erfüllen? Hinweise schlossen gefunden worden, daß der ‚Tam- etwa im Hamburgischen Staats-Handbuch bour‘ nicht habe angebracht werden kön- von 1878 sowie einige Stichproben aus den nen;96 Herr und Frau des Hauses seien aufs Senatsprotokollen (wiederum im Hambur- Land gefahren und hätten keinerlei Order ger Staatsarchiv aufbewahrt) geben darüber zurückgelassen. Die Herren Bürgermeister Aufschluss. Zum einen hatte Sieveking in und Senatoren suchten gute Miene zum bö- der „Verwaltungs-Abtheilung für das Bau- sen Spiel zu machen und ihren Glauben an wesen“ die „Section für den Hochbau und ein stattgehabtes Mißverständnis zu versi- das Ingenieurwesen“, die „Section für den chern – die tiefe Verstimmung über den Strom- und Hafenbau“ sowie die „Section noch nicht dagewesenen Vorfall ließ sich in- für die Stadt-Wasserkunst“ unter sich. Zum dessen nicht verleugnen, und als man sich anderen stand er der „Verwaltungs-Abthei- schließlich zur Heimkehr anschicken muß- lung für das Unterrichtswesen“ vor, womit te, lag ein unausgesprochenes ‚il monde er sich um die Oberschulbehörde, als Präses casca‘97 auf aller Welt Lippen. Wohlmeinen- der Dritten Sektion um die Volkschulen, den Freunden gelang es, das Schlimmste ab- ferner als Präses auch um die Allgemeine zuwenden und den Sohn des edlen Hauses, Gewerbeschule und die Schule für Bau- dem binnen weniger Jahrzehnte ein würdi- handwerker zu kümmern hatte.100 ger Bürgermeister, ein hochberühmter Syn- ··································································· dikus und ein durchaus respektabler Sekre- Konkretere Einblicke in die Senatsarbeit tarius entsprossen waren,98 so weit zu gewähren die „Senats-Protocolle“. Zur zwei- ‚dissuadieren‘, daß derselbe sich schließlich ten Sitzung des Senats am Freitag, den 4. Ja- zur Annahme der Wahl bereitfinden ließ nuar 1878 wurde beispielsweise folgendes und daß wir zwei Tage später unsere Gratu- festgehalten: „Der Senat theilt Herrn Sena-

| 42 | zustand, so daß dasselbe als eine Art Ge- meinweide bezeichnet werden mußte.“102 Sieveking war also aktiv beteiligt an der Er- schließung der damals noch ländlichen Um- gebung Hamburgs. An die Eppendorfer Looge erinnern heute noch z.B. der Looge- platz oder der Loogestieg. ··································································· Im Protokoll zur zehnten Sitzung des Senats am Mittwoch, den 23. Januar 1878 ist folgen- der Vermerk zu finden: Sieveking bringt das Gesuch einer Witwe Grethmann, geb. Brückner, zur Sprache, „um Gewährung von Rechtshülfe u. Inhibirung einer Pfän- dung.“ Der Senat erteilt den Bescheid, „die Bittstellerin mit ihren Anträgen, da es sich um eine vor den Gerichten zu verfolgende Rechtssache handelt, als vor den Senat nicht gehörig, abzuweisen.“ ··································································· Zur zwei Tage später anberaumten 11. Se- natssitzung heißt es ausführlicher: „Der Se- nat beauftragt Herrn Senator Sieveking, als Ernst Friedrich Sieveking (1878) Präses der 3. Section der Oberschulbehörde, in Erwiderung auf den Antrag vom 18. tor Sieveking, als Präses der Section für das Decbr. v. J. betr. Umwandlung der Eppen- Volksschulwesen, mit, daß durch Beschluß dorfer Schule in eine öffentl. Volksschule, des Senats u. der Bürgerschaft die Erbauung das vom Eppendorfer Kirchen-Collegium eines Schulhauses auf der Eppendorfer in Betreff der dortigen Schulhäuser ge- Looge nach dem Bauplane vom 20. Juni machte Anerbieten – wiewohl unter dem 1877 mit einem Kostenaufwande von M. ausdrücklichen Vorbehalt, daß dadurch den 128.000 genehmigt u. die Bau-Deputation etwa historisch begründeten oder aus der mit der Ausführung des Baues beauftragt staatl. Uebernahme des Schulwesens abzu- worden ist. In Betreff der für jene Gegend leitenden Ansprüchen des Staates auf das erforderlichen Straßenregulirung bleibt das auch für Schulzwecke bestimmte Küsterei- Weitere noch vorbehalten.“ Die Looge in gebäude in keiner Weise präjudicirt sein Eppendorf „war ein niedrig gelegenes Wei- solle – anzunehmen, auch im Einverneh- de- und Wiesengelände“;101 genauer: „Das men mit der Bau-Deputation des behufs ca 17 ha große Terrain der Looge, früher Uebernahme u. Instandsetzung der fragli- dem St. Johannis-Kloster gehörig, ist Staats- chen Schulhäuser Erforderliche zu veranlas- grund, auf welchem aber Eppendorfer sen.“ In Entsprechung hierzu und in nahezu Grundeigenthümern das Recht der Viehtrift gleichlautenden Formulierungen wurde Sie-

| 43 | veking außerdem beauftagt – ebenfalls „in 2600 unter Entnahme der Kosten aus dem Erwiderung auf den Antrag vom 18. Decbr. Budgetposten für Ausdehnungsleitungen v. J.“ –, sich für „die Umwandlung der (Art. 88 rubr. 6 des Budgets). Ausfertigun- Hammer u. der Horner Schule in öffentl. gen zu 3 u. 4 an die 1 u. 3 Section der Bau- Volksschulen“ einzusetzen.103 Deputation, unter Anschluß der Akten, u. ··································································· an die Finanz-Deputation.“105 Bei den Auf- Worum Sieveking sich „als d. Z. Präses der trägen zur Renovierung der Entbindungs- 1. u. 3. Section der Bau-Deputation“ zu anstalt – im Jahre 1899 wurde sie geschlos- kümmern hatte, ist beispielsweise dem Se- sen106 – und zur Beschaffung der Gasbe- natsprotokoll zur 77. Sitzung vom Mitt- leuchtung sollte vom Lizitationswege, also woch, den 5. Juli 1878 zu entnehmen. Auf von einer Auktion bzw. Ausschreibung ab- mehrere vom Senator gestellte Anträge ge- gesehen werden. Von der am 13. Oktober nehmigte der Senat: „1.) für den Fall des 1873 eröffneten ersten staatlichen höheren Einverständnisses der Finanz-Deputation Bürgerschule wurde am 12. Oktober 1878 nachträglich, daß bei der Erneuerung von ein neues Schulhaus vor dem Holstentor Oel- u. Leimfarbenanstrichen in diversen eingeweiht.107 Der Brooksgraben (auch Zimmern der Entbindungs-Anstalt in der Broksgraben) war über dem zugeschütteten Pastorenstraße, 2.) für den Fall des Einver- Broksfleet entstanden und „1874 regulirt ständnisses der Finanz-Deputation, daß die und gepflastert“ worden.108 – Man sieht, Beschaffung der Gasbeleuchtungsgegen- Ernst Friedrich Sieveking hatte sich als Se- stände in der höheren Bürgerschule vor dem nator mit den verschiedensten Angelegen- Holstenthore, vom Licitationswege abgese- heiten zu beschäftigen, wobei es teils um die hen werde. Ausfertigungen zu 1 u. 2 an die Erledigung kleiner Aufträge, teils aber auch Finanz-Deputation, unter Anschluß der Ak- um die Bewältigung großer Aufgaben ging, ten, u. an die 1. Section der Bau-Deputa- stets grundsätzlich ausgerichtet auf die Ver- tion. 3.) daß die Kosten für eine nach Maß- besserung der Lebensbedingungen in der gabe des Berichts des Ingenieurs Hübbe104 Stadt. Besonders zeitraubend dürften bei vom 2. Juli in der Spaldingstraße herzustel- alldem die Sitzungen des Senats gewesen lende Sielanlage mit M. 4000 aus dem Siel- sein, die zwei- bis dreimal pro Woche statt- beitrags-Conto entnommen werden. 4.) die fanden und die immer wieder für die Dauer Herstellungskosten einer Ausdehnungslei- der ganzen Sitzung die Anwesenheit der Se- tung der Stadtwasserkunst im Brooksgra- natoren zur Pflicht machten.109 ben mit einem Kostenaufwande von M.

| 44 | ·············································································································································· 85 Vogt, Sieveking, S. 116. 86 Ebd. Vgl. Schmidt, Anwaltschaft, S. 356. 87 Suse, Sieveking, S. 287. 88 Kurland, Richter, S. 327. 89 Ebd. 90 Vogt, Sieveking, S. 117. 91 Ebd. 92 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T5. 93 Otto Heinrich Framhein (1823‒1879) war am 2. Oktober 1876 in den Hamburger Senat gewählt worden. Vgl. Hauschild-Thiessen, Mönckeberg, S. 80 f., 131. 94 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T5. Siehe auch Vogt, Sieveking, S. 118. 95 Dr. phil. Julius Wilhelm Albert von Eckardt war am 10. April 1874 zum Sekretär des Hamburger Senats ge- wählt worden (vgl. Hamburgischer Staats-Kalender 1878, S. 23). 96 Eckardt (Lebenserinnerungen, S. 20 ff.) beschreibt detailliert, wie die Wahl eines Senators vonstatten ging. Unter anderem hatten die Ratsdiener, bevor die Senatoren zur Gratulation in der Wohnung des Neuerwählten erschienen, vor dessen Haustür „den ‚Tambour‘ – einen tuchenen Portikus – aufzuspannen“ (ebd. S. 21). 97 Recte: Il mondo casca. (Die Welt stürzt ein). 98 Gemeint ist – neben Bürgermeister Friedrich Sieveking, dem Vater von Ernst Friedrich – einmal Karl Sieve- king (1787‒1847), Senatssyndikus in Hamburg, Bruder von Friedrich. Zum anderen war Karls Sohn Johannes Hermann (1827‒1884) Senatssekretär. Siehe Deutsches Geschlechterbuch 200, S. 488 f. 99 Eckardt, Lebenserinnerungen, S. 22 f. 100 Hamburgisches Staats-Handbuch 1878, S. 67, 71, 73, 78. 101 Melhop, Topographie 1895‒1920, S. 341. 102 Ders., Topographie 1880 bis 1895, S. 305. 103 Staatsarchiv Hamburg, 111-1 Senat, Cl VIII Nr. 10a, 1878, Band 1, S. 21, 162, 179. 104 Hübbe war Wasserbau-Direktor. (Gaedechens, Topographie, S. 260). 105 Staatsarchiv Hamburg, 111-1 Senat, Cl VIII Nr. 10a, 1878, Band 3, S. 39 f. 106 Melhop, Topographie 1895-1920, S. 142. 107 Bertheau, Chronologie, S. 210. Von dem 1859 eröffneten Holstentor waren „Pforten und Gitter“ 1865, gut vier Jahre nach Aufhebung der Torsperre, entfernt worden. (Gaedechens, Topographie, S. 253, 291 f., 295). 108 Ebd., S. 260. 109 Vgl. Näheres dazu etwa bei Schröder, Blütezeit, S. 102 ff. ··············································································································································

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Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts

Die Reichsgründung im Jahre 1871 führte Die Vorgeschichte, die zur Gründung des innerhalb Deutschlands zu Umwälzungen Hanseatischen Oberlandesgerichts in Ham- und Neuorientierungen von heute kaum burg führte, braucht hier nicht im Einzel- mehr vorstellbarer Reichweite. Was die Ver- nen dargestellt zu werden.111 Wichtig ist es änderungen gerade auch für das Bewusst- jedoch zu wissen, dass der Umstrukturie- sein und Selbstverständnis zahlreicher rung schwierige Verhandlungen zwischen Deutscher bedeuteten, wird in Kapitel 8 am den Hansestädten Bremen, Hamburg und Beispiel einer Rede Ernst Friedrich Sieve- Lübeck vorausgingen, mit dem Ergebnis der kings deutlich, die er 1885 anlässlich des Einrichtung eines Oberlandesgerichts in siebzigsten Geburtstags von Bismarck hielt. Hamburg. Aufschlussreich ist in diesem Zu- Vor allem führte die Überwindung des Par- sammenhang eine „Mittheilung des Senats tikularismus zu einschneidenden Reformen an die Bürgerschaft“ vom 23. Mai 1879, die der staatlichen Selbstorganisation, so auch vollständig zitiert werden soll: „Dringlicher auf dem Gebiet der Rechtsprechung. Bis Antrag, betreffend Entlassung des Herrn Se- zum Inkrafttreten der sog. Reichsjustizge- nator Dr. Ernst Friedrich Sieveking aus dem setze vergingen seit der Reichseinigung im- Senate. Die Senate der drei freien Hanse- merhin acht Jahre; seit dem 1. Oktober 1879 städte sind nach eingehender Berathung, gab es, wie Jan Albers 1994 schreibt, „den von dem Wunsche geleitet, daß ein Hansea- uns vertrauten vierstufigen Aufbau der Zi- tischer Rechtsgelehrter an die Spitze des ge- vil- und Strafjustiz: Amtsgericht – Landge- meinschaftlichen Oberlandesgerichts beru- richt – Oberlandesgericht – Reichsgericht fen werde, zu der übereinstimmenden bzw. Bundesgerichtshof. Die Oberlandesge- Ueberzeugung gelangt, daß Herr Senator richte sind obere Landesgerichte, die ganz Dr. Ernst Friedrich Sieveking zum Präsiden- überwiegend als Rechtsmittelinstanz tätig ten des Oberlandesgerichts zu ernennen sein werden. […] [D]ie Oberlandesgerichte für möchte. Wenngleich es als ein besonderer Hamburg und Bremen heißen seit ihrer Ausnahmefall zu bezeichnen ist, wenn ein Gründung – 1879 bzw. 1947 – ‚Hanseati- Mitglied des Senats zum Zwecke der Beklei- sches Oberlandesgericht‘. In diesen Bezeich- dung eines anderen Staatsamts aus dem Se- nungen wird die Erinnerung daran bewahrt, nate ausscheiden würde, so glaubt doch der daß für die Hansestädte früher ein gemein- Senat unter den obwaltenden besonderen sames Oberlandesgericht zuständig war.“110 Umständen von diesem Bedenken absehen ··································································· zu dürfen, indem es sich um die Organisa-

| 46 | tion eines Hanseatischen Gerichtshofes, tigkeit zu suchen.“113 Nun hatten sich die dessen Rechtsprechung von der höchsten Zeitumstände derart günstig entwickelt, Bedeutung für die drei Hansestädte ist, han- dass schon nach zweijähriger Senatsarbeit delt und indem Herr Senator Sieveking auf der Wechsel ins Richteramt, und zwar ein Anfrage aus besonderer Neigung sich bereit besonders ehrenvolles Richteramt, erfolgen erklärt hat, das gedachte Amt, wenn es ihm konnte. übertragen und wenn dessen Annahme ihm ··································································· ermöglicht werden würde, zu übernehmen. Wie Sieveking die Verantwortung ein- Dazu, daß der Genannte, der erst seit zwei schätzte, die neu auf ihn zukam, ist einem Jahren Mitglied des Senats ist, aus dem Se- Brief vom 19. August 1879 an Bürgermeister nate ausscheide, ist die Zustimmung der Dr. Hermann Anthony Cornelius Weber Bürgerschaft erforderlich und es empfiehlt (1822–1886)114 zu entnehmen: „Ich verhehle sich, die Entlassung schon zum 1. Juli d. J. mir die großen Schwierigkeiten der mir ge- zu gewähren, damit der künftige Gerichts- stellten Aufgabe nicht; es gilt, einem Gericht Präsident die nöthige Muße erhalte, die vorzustehen, welches sich dem ihm voran- Maaßregeln für die Ausführung der Organi- gegangenen, in der Rechtsprechung be- sation des Oberlandesgerichts im Einzelnen rühmten hansestädtischen Gerichte würdig mit vorzubereiten. erzeigen soll und dazu berufen ist, eine her- ··································································· vorragende Stellung in dem deutschen Der Senat ersucht daher die Bürgerschaft, Rechtsleben einzunehmen. Daß meine es mitzugenehmigen, daß Herr Senator Dr. Kräfte nur ein geringes zur Erreichung des Ernst Friedrich Sieveking aus dem Senate hohen Ziels beitragen können, das empfin- auf den 1. Juli d. J. entlassen werde. det niemand lebhafter als ich. Aber ich ··································································· werde alle Kräfte, die mir verliehen sind, Der Senat hat diesen Antrag als einen einsetzen, um wenigstens zu versuchen, die dringlichen bezeichnet, damit er in die Lage mir gewordene Aufgabe zu erfüllen, und ich versetzt werde, sich den anderen Senaten ge- werde es als den schönsten Lohn betrachten, genüber baldigst definitiv mit der Ernen- wenn es mir vergönnt wäre, daß dereinst die nung des designirten Präsidenten einver- hohen Senate, welche mich berufen haben, standen zu erklären und damit demnächst ihr Urteil dahin über meine Tätigkeit ge- mit der vollständigen Besetzung des Ober- winnen würden, daß das Vertrauen nicht ge- landesgerichts vorgegangen werden kön- täuscht sei, mit welchem sie mich geehrt ha- ne.“112 ben.“ ··································································· ··································································· Zuvor hatte, wie Kurland erklärt, die Tä- Auf ähnliche Weise die Bürden und die tigkeit im Senat Sieveking den Spielraum Würden gegeneinander abwägend, die ihn gelassen, sich seinen weiteren beruflichen erwarteten, dabei um einiges hochgestimm- Weg so auszumalen, wie er es einmal in ei- ter erklärte Sieveking am 30. September nem Brief beschrieb: „nach überstandener 1879115 bei seiner Amtseinführung durch Dienstzeit im Senat sich etwa noch zehn Bürgermeister Weber: „Wenn ich mit freu- oder zwölf Jahre der Advokatur zu widmen diger Hoffnung der Zukunft entgegensehe, und mit reiferem Alter die richterliche Tä- so geschieht dies nicht in dem törichten Ver-

| 47 | Urkunde zur Ernennung Ernst Friedrich Sievekings zum ersten Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts (1879)

| 48 | trauen auf die eigene Kraft. Es geschieht mit 1871 und 1876 kamen die Söhne Oskar, Al- dem Mute eines Mannes, den das Vertrauen fred und Gustav zur Welt. Später, 1881 und seiner Mitbürger auf eine verantwortungs- 1882, folgten noch die Tochter Olga und der volle Stelle gehoben hat, es geschieht im Sohn Edgar. Der älteste und der jüngste Hinblick auf das Beispiel der Väter, im Hin- Sohn starben als Soldaten im Ersten Welt- blick auf die Unterstützung, die uns zuteil krieg; Alfred und Gustav wurden beide Ju- werden wird von den erprobten und tüchti- risten. Olga heiratete 1905 den Kaufmann gen Richtern der unteren Instanzen und von Rudolf Hieronymus Petersen (1878–1962), den Rechtsanwälten der drei Städte, die sich der vom 15. Mai 1945 bis zum 22. November von jeher durch Wissenschaftlichkeit, durch 1946 der Erste Bürgermeister in Hamburg ehrenvolle Gesinnung und durch ein nach dem Zweiten Weltkrieg war.119 freundschaftliches Verhältnis zu den Ge- ··································································· richten ausgezeichnet haben, im Hinblick Was Ernst Friedrich Sievekings dreißigjäh- endlich auf den lebendigen Handel und rige Tätigkeit als Präsident des Hanseati- Verkehr der Hansestädte, der noch bis in schen Oberlandesgerichts angeht, so spre- ferne Jahrhunderte blühen und gedeihen chen ihm alle, die sich rückblickend mit möge, eine Quelle, die unerschöpflich den seinem Wirken beschäftigt haben, ein un- goldenen Baum des Lebens nährt und damit eingeschränktes, ja überschwängliches Lob auch der Theorie der Wissenschaft die le- aus. Dem Verfasser dieser Biografie liegt es bendige Frische zuführt, derer sie nicht ent- fern, dieses Lob auch nur ansatzweise schmä- raten kann.“116 Das Richteramt im Allge- lern zu wollen, doch das verklärende Pathos, meinen würdigend, fügte Sieveking hinzu, mit dem die Arbeit Sievekings bis in die Ge- der „Beruf des Richters müsse nach seinem genwart hinein beschrieben wird, wirkt Dafürhalten das Ideal sein jedes rechten zuweilen ein wenig anachronistisch. Gleich- Jüngers der Rechtswissenschaft, jener hohen wohl wird auch in der vorliegenden Lebens- Wissenschaft, von welcher noch jetzt mit ih- beschreibung immer wieder auf vorbehalt- rer Altväter einem gesagt werden könne: daß los lobende Kennzeichnungen zurückgegrif- sie sei die notitia rerum divinarum humana- fen, da die biographische Literatur zur Prä- rumque.“117 sidentschaft Sievekings eine andere Wahl ··································································· nicht lässt. Es versteht sich, dass das Pathos, Im Alter von erst 43 Jahren war Ernst Fried- wie es für zahlreiche Bekundungen des 19. rich Sieveking Präsident des Hanseatischen und angehenden 20. Jahrhunderts charakte- Oberlandesgerichts geworden. Inzwischen ristisch ist, im Zitat authentisch widerge- siebzehn Jahre lang mit Olga, geb. Amsinck, spiegelt wird; zugleich geht es hier aber im- verheiratet, zählten zu seiner Familie eine mer auch um eine sachliche, wissenschaftli- Tochter und drei Söhne: Alice, die Älteste, chen Ansprüchen gerecht werdende Dar- war 1866 geboren; sie heiratete 1884 Eduard stellung. Lorenz Lorenz-Meyer (1856–1926), einen ··································································· Kaufmann und Künstler, über den der His- Das primäre Interesse Sievekings galt dem toriker Johannes Gerhardt im Rahmen der Handels-, Seehandels- und Seeversiche- Reihe „Mäzene für Wissenschaft“ eine Bio- rungsrecht. Seine Rechtsprechung, insbe- grafie verfasst hat.118 In den Jahren 1868, sondere seine Gutachten auf diesem Gebiet

| 49 | verschafften dem Oberlandesgericht bald Furcht war begründet; denn man konnte ein hohes Ansehen. Zu Fragen des Seehan- die Akten noch so gut kennen: Sieveking dels- und Seeversicherungsrechts fertigte kannte sie immer besser; man konnte glau- Sieveking in der Zeit bis 1905 allein acht- ben, alle Rechtsfragen erschöpft zu haben: er zehn Gutachten an. „Die darin enthaltene stellte noch eine neue, wichtige. Er war eben Rechtsvergleichung, vor allem mit den eng- der souveraine Beherrscher des Prozesses. lischen und französischen Vorschriften“, so Und er hatte auch persönlich etwas Souve- wiederum Kurland, „hatte bald auch zuneh- raines an sich, das sein Eigenstes war und mend das internationale Interesse gefun- durch die althanseatische Abstammung al- den.“120 Hierbei kam dem Präsidenten die lein nicht erklärt wird.“122 Sprachbegabung, über die er verfügte, be- ··································································· stens zustatten. Auf seine Kompetenz als Dazu sei nur vorsichtig angemerkt, dass Rechtsexperte wird im nächsten Kapitel nä- dem heutigen Außenstehenden in dieser her eingegangen. Schilderung ein gewisser Widerspruch auf- ··································································· fallen könnte, indem Suse einen Menschen Besonders aufschlussreich ist ein 1909 aufrichtig liebt, den er zugleich ausdrücklich veröffentlichter Nachruf, in dem Ernst fürchtet. Der Widerspruch mag sich halb- Friedrich Sieveking, der am 13. November wegs auflösen, wenn man annimmt, dass desselben Jahres gestorben war, als Richter- eher Ehrfurcht als Furcht gemeint ist, doch persönlichkeit gewürdigt wird. Der Anwalt aus der Sicht der Gegenwart offenbart sich Theodor Suse121 bekennt zunächst, er habe hier ein Autoritätsverständnis, das nach lan- Sieveking „geliebt, ganz ehrlich und auf- gen Erfahrungen mit dem Autoritären und richtig geliebt“, weshalb er das Bedürfnis Antiautoritären nicht mehr ohne weiteres habe, „nicht mit kühlen offiziellen Worten“ nachzuvollziehen ist. Ernst Friedrich Sieve- über ihn zu sprechen, „sondern mit dem king war eine Autorität, vor der sich wohl Ton, der unvermittelt vom Herzen kommt.“ die Geister schieden; viele erkannten seine In diesem Sinne fährt er fort: „Sieveking war Überlegenheit bewundernd und ehrfürchtig eine Persönlichkeit von so ausgeprägter Ei- an, aber manchen erschien diese Überlegen- genart, daß niemand sich ihr zu entziehen heit auch als Arroganz. vermochte. Betrat die hohe, schlanke Ge- ··································································· stalt an der Spitze des Senates den Sitzungs- Suse liefert weitere Kennzeichnungen zum saal, so herrschte in ihm die Stille einer Richterverhalten Sievekings: Stellte er „Fra- Kirche; und wandte sich dann das feinge- gen, so waren sie in einem Ton der Beschei- schnittene hyperaristokratische Gesicht den denheit gehalten, wie er die vorzüglichste Anwälten zu, richteten die anscheinend Eigenschaft eines bedeutenden Menschen kühlen stahlgrauen Augen sich auf den ist. Mit der selben fast ergreifenden Uner- Sprecher, so lebte man nur in der Empfin- müdlichkeit konnte man ihn Stunden lang dung: um Gottes willen vor dem Manne Kinder als Zeugen vernehmen sehen, sehen, nichts Unrichtiges, nichts Anfechtbares wie er jedem Kind in einer Weise, die jede oder Haltloses sagen, nur nicht einem Tadel Befangenheit verscheuchte, den Streitstoff oder auch nur einer leise ironischen Frage erklärte und dann seine Fragen stellte. Und dieses Mannes zu begegnen! Und diese es war rührend, zu sehen, wie die Kinder

| 50 | dann furchtlos zu dem Manne, der so gütig Gesellschaft: einer dringlichen Angelegen- mit ihnen sprach, aufblickten und fast fröh- heit entzog er sich nie. Mit unermüdlicher lich aussagten, was sie gesehen und gehört Umsicht ordnete er alles Nöthige an. Wollte hatten. Nie wußte ein Zeuge, ein Sachver- man sich davon entschuldigen, daß man ihn ständiger, was dieser Richter hören wolle, gestört habe, so wies er Das mit der gewin- und Versuche, sich in dieser Richtung ta- nendsten Freundlichkeit zurück und man stend zu informiren, mußten vor dem un- verließ sein Haus fast in dem Gefühl, nur durchdringlichen Antlitz vergeblich blei- das Selbstverständliche gethan zu haben. ben. Nervosität, das moderne Grundübel Und das selbe Bedürfniß, zu helfen und zu vieler Richter, war ihm fremd; hätte auch zu bessern, hatte er auch da, wo er die Strenge seiner überragenden Persönlichkeit nicht des Gesetzes walten lassen mußte. Bei einem gepaßt. Ihm war nichts zu kleinlich, zu mi- Beamten, über den er als Vorsitzender des nutiös; hielt er es auch nur in einem Sinn für Disziplinarhofes die Amtsentsetzung aus- bedeutsam, so sorgte er für ausreichende Er- sprechen mußte, empfand er die Härte des örterung und deutete auf die Konsequenzen Richterspruches im Gegensatz zu der Milde hin. Auffahren konnte er nur, wenn ihm for- seines Herzens so sehr, daß er es war, der den mell oder sachlich Unzureichendes geboten Mann, um ihn und seine Familie in Zu- wurde; dann war er der Präsident, in dem kunft vor Noth zu schützen, zum Leiter ei- lauten Gefühl der verletzten Würde.“123 ner großen Handelsgesellschaft führte und ··································································· durch seine persönliche Empfehlung ihm Die Charakterisierungen Suses sind sicher- eine neue Stellung verschaffte.124 Und selt- lich zu einem Teil dem Bestreben geschul- sam: der Mann mit diesem tief menschli- det, der Maxime „de mortuis nil nisi bene“ chen Mitgefühl bot äußerlich zunächst die gerecht zu werden; andererseits wird hier ein Erscheinung eines kühl, ja, kalt zurückhal- liebevoll-differenziertes Persönlichkeitsbild tenden, verschlossenen Menschen, der sei- entworfen, das man zeitgerecht oder zeitnah ner Eigenart nicht zusagende Dinge mit ei- und im Sinne seiner Zeitnähe authentisch ner unvergleichlich vornehmen, lässigen nennen kann. Es wäre unangebracht, auf die Handbewegung von sich fern hielt. Dabei ausführliche Zitierung zu verzichten, weil war dieser äußerlich strenge Mann mit dem sie den Einwand nahelegt, alte Quellen wür- durchdringenden Auge da, wo er sich geben den damit in allzu großer Breite präsentiert; durfte, wie er war (wie an den Abenden, an die alten Quellen sprechen besser für die denen er vor Jahren in seinem Haus die alt- Person, um die es geht, als ein angestrengtes hamburgische Gesellschaft, allerdings nur Bemühen, sie neu zu formulieren. Nachfol- diese, versammelte), der liebenswürdigste gend kommt Suse also noch einmal ausführ- Wirth, der vollendete Kavalier, Weltmann lich zu Wort: im besten Sinne des Wortes, ein Herr, auf ··································································· dessen tadellos sitzendem Gesellschaftsan- Sieveking „war keine Tagesstunde zu spät zug kein Stäubchen von Amt und Gelehr- oder zu früh, wenn er einer Partei zu ihrem samkeit haftete, der die Unterhaltung unter Recht verhelfen konnte; er mochte im Ge- den Aelteren belebte und sich nicht für zu richt oder in seiner Privatwohnung sein, im hoch hielt, die Jüngeren und Jüngsten zu al- Kreise seiner Familie oder in rauschender len Anregungen persönlich heranzuziehen.

| 51 | Er war eben ein Gentleman in der vollsten che drei lange Gerichtssitzungen geleitet, Bedeutung des Wortes, in Bildung, Wissen, eine Arbeitsleistung, wie sie an andern deut- Empfindung und Formen; er beherrschte schen Gerichten unbekannt sein dürfte.“127 Alles und Alle und Keiner beugte sich die- ··································································· ser Autorität widerwillig.“125 Zweierlei wird von Mittelstein hervorge- ··································································· hoben, einmal die Praxisnähe, zum anderen Suse fügt diesem Idealbild eines hanseati- die Arbeitskraft Sievekings. Was die Praxis- schen Richters noch einige weitere Eigen- bezogenheit angeht, so kann den Äußerun- schaften hinzu, doch alle wesentlichen Züge gen Mittelsteins ein weiteres rühmendes seines Porträts, das den amtierenden Präsi- Zeugnis an die Seite gestellt werden, eine denten ebenso wie gesellschaftsoffenen Pri- Beschreibung, in der darüber hinaus noch vatmann zeigt, sind nunmehr präsent. Man einmal die Souveränität der Prozesslenkung verfügt damit über eine Beschreibung, die, des Richters betont wird: „Sieveking war auf Ernst Friedrich Sieveking bezogen, in ih- keine theoretisierende Natur. So sehr er rem Facettenreichtum einzigartig sein selbst auch die Theorie beherrschte, seine ei- dürfte. Immerhin können einige am 21. No- genen schriftstellerischen Arbeiten verfolg- vember 1909 veröffentlichte Kennzeichnun- ten praktische Zwecke: vorwiegend beschäf- gen Max Mittelsteins (1861–1927) – seit dem tigten sie sich mit der lex ferenda. Aber er 1. Oktober 1921 war er fünfter Präsident des war das Ideal eines Praktikers, der nicht nur Hanseatischen Oberlandesgerichts126 – die seine außerordentlichen Rechtskenntnisse Charakterisierung Suses vervollständigen: und seinen klaren juristischen Blick, son- ··································································· dern auch seine umfassende Allgemeinbil- „Wenn das Hanseatische Oberlandesge- dung und reiche, durch Fühlung mit der richt von vielen Seiten als das angesehenste Kaufmannschaft stetig vergrößerte prakti- deutsche Oberlandesgericht bezeichnet sche Erfahrung für die Rechtsprechung wird, so verdankt es solchen Ruf in erster Li- dienstbar machen konnte. Von seinen Bei- nie seinem Präsidenten Sieveking, der kein sitzern verlangte er viel, aber er selbst leistete höheres Ziel für die Rechtsprechung kannte, mehr, als er von anderen verlangte. Er war, als der Entwicklung von Handel und Ver- wie ein Mitglied seines Senats von ihm kehr die Wege zu ebnen und zu weisen. rühmt, der geborene Präsident: ‚es machte Nicht aus Büchern holte er seine Kennt- ihm keine Schwierigkeit, eine Anzahl von nisse, sondern aus dem Studium des prakti- abweichenden Meinungen über denselben schen Lebens. Aus regen Beziehungen zu Fall auseinanderzuhalten, auf alle Argu- angesehenen in praktischer Arbeit stehen- mente einzugehen und dabei nie den von den Männern zog er die Kraft, die Bedürf- ihm als richtig erkannten leitenden Gedan- nisse des geschäftlichen Lebens zu erkennen ken zu verlieren; er verstand es meisterhaft, und sie durch seine Entscheidung zu befrie- aus den ihm entgegengetragenen Argumen- digen. […] Zum großen Können gesellte ten diejenigen, welche die seiner Ansicht sich bei Sieveking große, unermüdliche Ar- nach richtige Entscheidung trugen, seinem beitskraft. Abgesehen von den letzten Jahren Gedankengang einzufügen, so daß die hat Sieveking wie jeder Senatspräsident am Schönheit der Behandlung für die Mitanwe- Hanseatischen Oberlandesgericht jede Wo- senden oft zu einem Genuß wurde.’“128

| 52 | Ernst Friedrich Sieveking (um 1887)

| 53 | ··································································· gelmäßigen Wochensitzungen lag immer Zur Frage des Arbeitspensums, das Sieve- nur ein Tag zur Ausarbeitung des Urteils in king erledigte, erklärt Wilhelm Kiesselbach der einen und zur Vorbereitung der näch- (1867–1960) im Jahre 1936 ergänzend (als sten Sache. Dazu kamen noch Plenarsitzun- Präsident des Oberlandesgerichts war er von gen und die Prüfungen.“ Angesichts dieser Juli 1928 bis Juli 1933 unmittelbarer Nachfol- Sachlage wurde dem Antrag Sievekings so- ger Mittelsteins): „An sich wird es nur den fort entsprochen.131 engeren Fachgenossen interessieren, daß da- ··································································· mals zur Bewältigung der dem Gericht er- Wie der Arbeitsalltag des Präsidenten offen- wachsenden Arbeit allwöchentlich in jedem bart, ging es immer wieder nicht nur um die Senat drei Sitzungen abgehalten werden Lösung juristischer Streitfragen, sondern mußten, die bei dem in jener Zeit breit be- fortlaufend auch um Verwaltungsangele- handelten Prozeßverfahren jeweils den gan- genheiten. Dass Sieveking diese Angelegen- zen Tag in Anspruch nahmen und in denen heiten wenig liebte, hatte sich schon wäh- Sieveking für seinen Senat regelmäßig und rend seiner Zeit als Senator gezeigt. So hat in vollendeter Beherrschung jeder einzelnen denn auch die Rekonstruktion der Ge- Sache vorzusitzen pflegte.“129 Diese Anga- schichte des Hanseatischen Oberlandesge- ben lassen sich im Blick auf einen Antrag richts den Nachgeborenen Schwierigkeiten präzisieren, den Sieveking bereits 1881 stell- bereitet, da die Verwaltungsakten dieses Ge- te, da „auf Grund der Geschäftslage eine richts unvollständig sind. Sie erweisen sich Verstärkung des Gerichts gefordert werden als „besonders wenig ergiebig, weil Sieve- mußte“; die Verstärkung sollte durch eine king sich immer als Richter gefühlt, alle Ver- Erhöhung der Zahl der Gerichtsräte von waltungsarbeiten aber auf das äußerst mög- acht auf zehn erreicht werden. Nach der im liche Maß eingeschränkt hat.“132 September 1879 aufgestellten Geschäftsver- ··································································· teilung war schon innerhalb kurzer Zeit die Ursächlich verbunden mit einem erheb- Arbeit im ersten Senat, der unter dem Vor- lichen Verwaltungsaufwand war während sitz Sievekings Handelssachen behandelte, der gesamten Präsidentschaftszeit Sieve- sowie im zweiten Senat unter Vorsitz von kings auch die Suche nach geeigneten Georg Heinrich Ritter (1827–1898),130 wo es Räumlichkeiten für das Oberlandesgericht. u. a. um Strafsachen ging, nicht mehr zu be- Mit der Notwendigkeit der Personalaufstok- wältigen. „Jeder Senat hatte drei Sitzungen kung ging die Notwendigkeit räumlicher wöchentlich von 10 bis gegen 4 Uhr abge- Erweiterungen einher. „Hatte das Gerichts- halten mit vier kontradiktorischen Sachen gebäude von Anfang an auch bescheidenen im Durchschnitt, eher mehr als weniger. Ansprüchen nur schlecht genügen können, Wenn man berücksichtigt, daß der Präsi- so wurde es mit den fortschreitenden Jahren dent, abgesehen von den Präsidialgeschäf- völlig unzulänglich. Die Beschwerden, die ten, alle Akten durchzusehen hatte, um das laufend an die Justizverwaltung gerichtet Korreferat zu halten, so ergab sich, daß je- werden mußten, füllten allmählich Bände. der Rat für jede Sitzung durchschnittlich Dabei war man gewiß nicht zu anspruchs- eine Sache, in jeder Woche also drei Sachen voll. Wenn Sieveking nach sechs Jahren etwa hatte, das heißt, zwischen jeder der drei re- […] daran erinnern konnte, daß die Arm-

| 54 | Das Gebäude des Oberlandesgerichts in der Welckerstraße 9 (1891‒1912)

| 55 | Das Gebäude des Oberlandesgerichts seit 1912 sessel für die Richter immer noch fehlten, so bringung des sich ständig erweiternden war dies der Übel kleinstes. 1888 veranlaßte Oberlandesgerichts im Einzelnen zu verfol- der Oberamtsrichter eine Besichtigung der gen. Sieveking hatte sich 1885 mit Neubau- im 1. Stock belegenen Räume des Amtsge- plänen auseinanderzusetzen, die er ab- richts durch das Medizinalkollegium. Der lehnte, weil er sie aus verschiedenen Grün- Bericht stellte fest, daß, obgleich draußen den für ungenügend hielt. Im Jahre 1891 Sonnenschein herrschte, die Räume ‚dunkel konnte das Oberlandesgericht von der und nicht ventiliert waren, Gas mußte bren- Dammtorstraße 10 in das Haus Welcker- nen, die Zimmer waren mit Bürobeamten straße 9 umziehen; inzwischen gab es drei überfüllt, erträgliche Luft war nur in den Senate. Jeder von ihnen „bekam ein Stock- Audienzzimmern nach der Dammtorstra- werk mit Sitzungssaal, Beratungszimmer, ße’. Die Räume wurden ‚wegen Mangel an Präsidentenzimmer und Nebenräumen. Luft und Licht als gesundheitsschädlich für Jetzt endlich wurde auch elektrisches Licht die darin beschäftigten Beamten’ erklärt. Im gelegt […]. 1893 hatte die Belastung des Ge- Oberlandesgericht im 2. Stock waren die richts durch die rasch ansteigende Zahl der Verhältnisse zwar nicht ganz so eng, im gan- Eingänge einen solchen Grad erreicht, daß zen aber doch ähnlich.“133 eine weitere Vergrößerung notwendig wur- ··································································· de.“ In den folgenden Jahren mussten zu- Es würde zu weit führen, die Geschichte der sätzliche Senate eingerichtet werden; zu Bemühungen um eine angemessene Unter- Lebzeiten Sievekings, bis 1905, gab es sechs

| 56 | Senate, so dass immer wieder große Raum- lung des Baus im Jahre 1912 nicht mehr er- probleme entstanden. In den Jahren zwi- lebt.134 schen 1879 und 1903 waren mittlerweile, am ··································································· heutigen Sievekingplatz einander gegenüber Mit dem Überblick in diesem Kapitel sind liegend, das Straf- und das Ziviljustizge- sicherlich nur erste, aber wohl einige we- bäude entstanden. Sievekings Anregung, sentliche Aspekte beschrieben, die für die „den Platz zwischen den beiden Justizge- dreißigjährige Präsidentschaftszeit Ernst bäuden durch ein Oberlandesgerichtsge- Friedrich Sievekings kennzeichnend sind. bäude in würdiger Form abzuschließen“, Weitere Aspekte kommen in den Folgekapi- hatte Erfolg. Allerdings hat er die Fertigstel- teln zur Sprache. ·············································································································································· 110 Albers, Oberlandesgericht, S. 103. Vgl. Jasper, Juristen, S. 13 f. 111 Näheres ebd., mit Angaben weiterführender Literatur. 112 Verhandlungen, S. 309. 113 Kurland, Richter, S. 327. 114 Der Tätigkeit Webers war „in erster Linie das Zustandekommen des Staatsvertrages“ zu verdanken, der die Gründung des Oberlandesgerichts in Hamburg besiegelte (Wogatzky, Hanseatische Gerichte, S. 54). Vgl. Hau- schild-Thiessen, Mönckeberg, S. 91-94. 115 Kurland (Richter, S. 325) datiert die Antrittsrede Sievekings auf den 1. Oktober 1879. 116 Vogt, Sieveking, S. 119 f. 117 Wogatzky, Hanseatische Gerichte, S. 55. 118 Gerhardt, Lorenz-Meyer. 119 Siehe Näheres im Deutschen Geschlechterbuch 200, S. 531 ff. 120 Kurland, Richter, S. 327 f. 121 Zur Person Suses, der 1917 starb, vgl. Leo, Charakterbilder, Sp. 461. 122 Suse, Sieveking, S. 286. 123 Ebd., S. 287. Vgl. dazu eine Kennzeichnung aus dem Jahr 1922: „Sieveking war ein unerreichter Meister in der Kunst des Richtertums […]; zu höchster Meisterschaft steigerte sich jene Kunst in der Vernehmung von Zeu- gen und Parteien, bei der er mit angeborener vornehmer Liebenswürdigkeit, ohne jede Spur von Suggestivwir- kung, alles zur Klarstellung des Falls Mögliche herauszuheben verstand.“ (Leo, Anwaltsjubiläum, Sp. 597). 124 Ein anderer Rechtsfall, in dem Sieveking sich persönlich auf unorthodoxe, selbstlose Weise für die Lösung spezifischer Konflikte einsetzte, wird hier nicht dokumentiert. Siehe Horwitz, Charakterbilder, Sp. 462‒464. 125 Suse, Sieveking, S. 287 f. 126 Zur Charakterisierung Mittelsteins siehe Kurland, Richter, S. 333‒337. 127 Mittelstein, Sieveking (Lübeckische Blätter; siehe Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T7). 128 Schaps, Sieveking, S. 189 f. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die Merkmale, die Herbert Ruscheweyh (1892‒1965) benennt, ein späterer Präsident das Hanseatischen Oberlandesgerichts, um – insbeson- dere nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs – vorbildlich zu wirken: unter anderem müsse der Richter „eine in sich selbst ruhende, geschlossene“ Persönlichkeit sein und dabei „das lebendige Leben in seiner nüchternen All- täglichkeit […] zu erkennen trachten“. Siehe Ihonor, Ruscheweyh, S. 251. 129 Kiesselbach, Gedenken. 130 Rothenberger, Oberlandesgericht, S. 300. 131 Wogatzky, Hanseatische Gerichte, S. 56 f. 132 Ebd., S. 56. 133 Ebd., S. 58 f. 134 Ebd., S. 59‒67. ··············································································································································

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Ernst Friedrich Sieveking als Rechtsexperte

Um eine Vorstellung davon zu gewinnen, in ton Conference of 1889 which revised the welch weitreichendem Maße sich Sieveking Regulations for Collision at Sea and the neben seiner richterlichen Tätigkeit ständig more recent Conferences of the Internatio- auch mit Gesetzgebungsverfahren beschäf- nal Maritime Comittee in London and tigt sowie darüber hinaus zeitweise als juri- Hamburg, are well known to lawyers of all stischer Lehrer engagiert hat, wird zunächst Maritime nations and not least to those of ein Überblick wiedergegeben, der den Um- Great Britain.“ Im Anschluss daran ergänzt fang seiner seerechtlichen Konferenzarbeit Vogt den Überblick: verdeutlicht. Dass Sieveking sich bereits ··································································· während seiner Jahre als Advokat besonders „Zu der in der Glückwunschadresse ge- für das Seerecht interessierte und auf diesem nannten internationalen Seerechtskonfe- Gebiet zum Spezialisten entwickelte, war in renz in Washington von 1889 war Sieveking Kapitel 4 angedeutet worden. Anlässlich sei- als Vertreter des Reichs entsandt. An den Be- nes 25-jährigen Dienstjubiläums als Präsi- ratungen über die York-Antwerp Rules in dent des Hanseatischen Oberlandesgerichts Liverpool, wo er präsidierte, war in erster Li- erhielt er 1904 eine Glückwunschadresse der nie er tätig; die dort aufgestellten Havarie- International Law Association, die Paul grosse-Regeln haben in fast alle Konnosse- Vogt vollständig zitiert; hier ein Auszug dar- mente135 der ganzen Welt Eingang ge- aus: „Our records show that in 1879 you funden. Der Hauptsitz der ILA136 war Lon- were a Vice President for of our don, die Hauptsprache englisch. Ebenso Seventh Conference in London: that since lebhaft war Sieveking an den Arbeiten des 1880 you have held the same office in the As- Comité Maritime International, Sitz in sociation and acted as such at Milan in 1883 Brüssel, beteiligt, wo die Hauptsprache and London in 1887: and that you were Pre- französisch war. Unter starker Heranzie- sident of the Association from 1890 to 1893, hung der Handelswelt zusammengestellte and presided at the Hamburg Conference of Entwürfe, betreffend Regeln über Zusam- 1885 and the Liverpool Conference of 1890 menstoß, Hilfeleistung u. a., wurden auf in which the York Antwerp Rules of Gene- diesen Regierungskonferenzen beraten und ral Average were finally settled in their pre- verabschiedet und fast überall gesetzlich ein- sent form. […] Your eminent labours for the geführt, auf anderen Gebieten, wie Reeder- unification of Maritime Law on these and haftung, Schiffsgläubiger- und Konnosse- such other occasions as the official Washing- mentsrecht in Angriff genommen. Außer-

| 58 | Wahl Ernst Friedrich Sievekings zum Mitglied des Instituts de Droit International, Neuchâtel (1900) dem hat sich S. von der Mitte der neunziger ergibt, wird zugleich im Blick auf die Ar- Jahre ab an den Arbeiten des Institut du beitskraft, die Sprachbegabung und die be- Droit International beteiligt, wo in franzö- sondere juristische Kompetenz Sievekings sischer Sprache über Fragen des öffentlichen einmal mehr deutlich, dass es sich bei ihm Völkerrechts verhandelt wurde. Die letzte um eine Ausnahmeerscheinung handelt. Konferenz des Comité Maritime Internatio- Wenigstens in Andeutungen, für einen nal, an der S. teilnahm und den Vorsitz Fachjuristen sicherlich unbefriedigend, soll führte, tagte im September 1909 in Bre- aufgezeigt werden, womit er sich konkret men.“137 beschäftigte. In der „Zeitschrift für das Ge- ··································································· sammte Handelsrecht“ veröffentlichte er Mit dieser Aufzählung, die eine vervoll- 1889 in der Rubrik „Rechtsquellen“ einen ständigte, aber keine vollständige Übersicht Aufsatz mit folgendem Titel: „Die Verhand-

| 59 | lungen und Beschlüsse des zu Brüssel im Sachverhalt auf unterschiedliche Weise re- Jahre 1888 stattgehabten Congrès internatio- geln und damit „kollidieren“ können. Sieve- nal de droit commercial, betr. die seerecht- king schreibt dazu in seiner Abhandlung liche Sektion.“ Darin heißt es einleitend: „In einleitend: Gemäßheit des auf dem Antwerpener Kon- ··································································· greß von 1885 gefaßten Beschlusses […] „Der Kongreß empfiehlt behufs Beseiti- hatte die seerechtliche Abtheilung der belgi- gung der Kollision der Rechte auf dem Ge- schen Organisationskommission einen vor- biete des Privatseerechts die folgenden Re- läufigen Text von Vorschlägen ausgearbeitet geln, welche auf die Schiffe eines jeden der und den Kongreßmitgliedern zugängig ge- Vertragsstaaten Anwendung finden sollen, macht, welcher die Grundlagen für die fer- im Wege internationaler Vereinbarung fest- neren Berathungen des Brüsseler Congrès zustellen: international de droit commercial gebildet ··································································· hat. Die Vorschläge behandeln in sechs Ab- Art. 1. Das Recht der Flagge entscheidet schnitten: für die Beurtheilung der Fragen […]. ··································································· Art. 2. In Betreff der Formen und Fristen, 1. Die Kollision der verschiedenen See- welche in Fällen der Ansegelung auf See rechte, […] zu beobachten sind, steht dem Schiffer 2. Ansegelung und Hilfeleistung in Seenoth und den Betheiligten die Wahl frei zwischen […].“138 dem Recht der Flagge des eigenen Schiffes ··································································· […][usw.].“140 Auf die näheren Einzelheiten Schon an dieser Stelle tauchen Begriffe der Gesetze bzw. Gesetzesvorschläge, die auf, die dem Laien nicht ohne weiteres ge- stets viele Eventualitäten berücksichtigen, läufig sind. Was unter „Ansegelung“ – eine kommt es hier nicht an. Allein zum ebenge- Bezeichnung aus dem Zeitalter der Segel- nannten Artikel 1 führt Sieveking neun Un- schiffe – zu verstehen ist, lässt sich ganz gut terpunkte auf, in denen Spezifisches zu den einem älteren Gesetzestext entnehmen, und Fragen gesagt wird, die nach dem „Recht der zwar dem Artikel 1 der „Hamb. Assecuranz- Flagge“ zu beurteilen sind. und Havarei-Ordnung vom 10ten Septem- ··································································· ber 1731“: „Würde ein Schiff in der See […] Die „Kollisionssachen“, denen er, wie es in von einem andern von ohngefehr an- oder einem Nachruf heißt, „bis zuletzt ein nie ab- übersegelt, dass es zerbräche oder gar ver- geschwächtes Interesse entgegenbrachte“,141 sünke, oder auch die Schiffe an einander lie- sind wesentlicher Bestandteil des Seerechts. fen, antrieben oder anstiessen […]: so soll Zu dessen Vereinheitlichung hatte er sich der Schade über beide Schiffe […] von wenige Wochen vor seinem Tod, während einem jeden Schiffe zur Hälfte getragen wer- der bereits erwähnten Internationalen See- den.“139 Es ist klar, die Kenntnis des Begriffs rechtskonferenz in Bremen, in einer Rede Ansegelung wird ebenso wie die des Begriffs noch einmal zusammenfassend geäußert: Kollision bzw. Kollisionsrecht unter Fachju- „Vor zwanzig Jahren versammelten sich die risten vorausgesetzt. Das Kollisionsrecht ko- Vertreter der zivilisierten Völker in Wa- difiziert Übereinkünfte zwischen Rechts- shington, um die internationale Regelung ordnungen verschiedener Staaten, die einen des Ausweichens der Schiffe zu beraten. Bei

| 60 | Ernst Friedrich Sieveking

| 61 | der Eröffnung der Versammlung sprach zur Gründung der Hamburgischen Wissen- Staatssekretär Blain das zuversichtliche schaftlichen Stiftung und 1919 zur Grün- Wort: ‚The law of the ocean must be one.‘ dung der Universität kam, gab es einen Das Wort haben wir auf unsere Fahne ge- fortschreitenden Auf- und Ausbau Wissen- schrieben: wir sind, nachdem wir so oft zu- schaftlicher Anstalten und eines Allgemei- sammengekommen sind, alle der Überzeu- nen Vorlesungswesens.144 Dazu schreibt Wer- gung geworden: ‚The law of the ocean can ner von Melle (1853–1937), seit 1891 Senats- be one.‘ In der Tat ist die Sache auch nach syndikus in Hamburg, zugleich einer der meinem Dafürhalten nicht so schwierig, wie maßgebenden Universitätsgründer:145 „Ein sie vielleicht auf den ersten Blick scheinen Ereignis für die Hamburger Juristen waren könnte.“142 Zu welchen Ergebnissen die die im Dezember 1900 begonnenen Vor- zwanzigjährigen Bemühungen letztlich ge- träge von Präsident Sieveking aus dem Ge- führt haben, kann offenbleiben; auf jeden biete des Handelsrechts und insbesondere Fall hatte Sieveking entscheidenden Anteil des öffentlichen und des privaten Seerechts. daran, dass die Gesetzgebungsverfahren ge- […] Die einen großen Teil des Winters hin- fördert und vorangebracht wurden. durch einmal wöchentlich stattfindenden ··································································· Vorlesungen Sievekings, die eine Reihe in- Ergänzend ist in diesem Zusammenhang teressanter und mehrfach auch aktueller ju- zu erwähnen, dass Sieveking auch an Geset- ristischer Fragen behandelten, wurden nach zesentwürfen mitarbeitete, die im Rahmen den eingelieferten Zählkarten von 118 Hö- des Einführungsgesetzes des Bürgerlichen rern besucht […] Sie boten den juristischen Gesetzbuchs (EGBGB) den Artikel 27 be- wie den nichtjuristischen Hörern eine Fülle trafen. Im November 1895 konnten sich das von Belehrung und Anregung und leisteten Reichsjustizamt und das Auswärtige Amt zugleich der Sache unseres Vorlesungswe- nicht darüber einig werden, ob und wieweit sens einen sehr wesentlichen Dienst. Leider eine Regelung des Internationalen Privat- vermochte Präsident Sieveking in den fol- rechts (IPR) – letzteres ist Kollisionsrecht – genden Jahren nicht wieder für uns zu lesen. in den Artikel mit aufgenommen werden Im Mai 1901 schrieb er mir: ‚So dankbar ich sollte. Es wurde eine Kommission einge- Ihnen auch bin für Ihre freundlichen Zei- setzt, der auch Sieveking angehörte. Zu die- len, so kann ich mich doch nicht entschlie- ser Rechtsfrage hatte er einen „Hanseati- ßen, Ihrer Aufforderung zu entsprechen. schen Entwurf“ eingebracht, der im We- Die Last meiner täglichen Arbeit ist mir oft sentlichen von ihm selbst ausgearbeitet wor- überwältigend, – ich muß mir mehr Ruhe den war.143 gönnen, und das wird mit der Zeit nur zu- ··································································· nehmen. Vorderhand sehe ich keine Mög- Neben den zahlreichen Aufgaben, denen er lichkeit, Ihre Anfrage mit einem Ja zu beant- sich im Gericht, in Konferenzen, Kommis- worten.‘“146 Dessen ungeachtet hat Sieve- sionen oder mit der Formulierung von Gut- king sich, wie das übernächste Kapitel zei- achten und Gesetzestexten widmete, war es gen wird, auch in den Jahren nach 1901 mit ihm schließlich auch ein besonderes Anlie- besonderer Entschiedenheit für die Grün- gen, die Bildung und Wissenschaft in Ham- dung einer Universität eingesetzt. burg voranzubringen. Lange bevor es 1907

| 62 | ·············································································································································· 135 Frachtbriefe im Seegüterverkehr. 136 International Law Association. 137 Vogt, Sieveking, S. 124 f. 138 Sieveking, Verhandlungen, S. 147. 139 Harder, Ansegelung, S. 1 f. 140 Sieveking, Verhandlungen, S. 149 ff. 141 Hamburger Nachrichten Nr. 539 (14. November 1909). Verfasser ist – siehe Wogatzky, Hanseatische Gerichte, S. 65 – Konrad Lehmann. 142 Hamburger Nachrichten Nr. 538 (13. November 1909). 143 Siehe im Einzelnen Hartwieg, Renvoi, S. 91-93. 144 Vgl. dazu Bolland, Gründung, S. 28 f. 145 Vgl. Gerhardt, Begründer, S. 86. 146 Melle, Hamburger Wissenschaft, S. 175 ff. ··············································································································································

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Ansprachen, Aktivitäten, Ehrungen

In den zahlreichen ausführlichen Zeitungs- ··································································· artikeln, die zum einen 1904 anlässlich des Der Berichterstatter des „Hamburgischen 25-jährigen Dienstjubiläums von Ernst Fried- Correspondenten“ erklärt zunächst: „Wo es rich Sieveking, zum anderen 1909 nach sei- galt, den gewaltigen Mann zu feiern, wel- nem Tode erschienen, wird immer wieder cher die Träume der edelsten Herzen, die je- hervorgehoben, dass er ein glänzender Red- mals in deutscher Brust geschlagen, so glor- ner war. Von einer „wundervollen, hinrei- reich erfüllt hat, konnte die zweitgrößte ßenden“ Rede, die er am 1. April 1885 zum Stadt des wiedererstandenen Reiches un- siebzigsten Geburtstag Otto von Bismarcks möglich hinter den Gefühlen auch der am gehalten hatte, heißt es zum Beispiel in ei- meisten begeisterten Städte zurückbleiben. nem Nachruf von 1909, diese Rede war „viel- Und wir müssen gestehen, als wir aus dem leicht die beste, die damals überhaupt in von einer glänzenden Gesellschaft bis auf deutschen Landen zu vernehmen war.“147 den letzten Platz gefüllten Saal, der gestern Am 2. April 1885 erschien im „Hamburgi- von so viel herrlichen Worten wiedererklun- schen Correspondenten“ ein großer Artikel gen ist, in die freudig erregten Massen hin- mit der Überschrift „Die Bismarck-Feier. austraten, die sich an der glänzend illumi- Das Diner im ‚Hamburger Hof‘“. Um die nirten Alster ergingen, daß wir da mit tiefer heute vielleicht nicht mehr ohne weiteres Freude empfunden haben, daß Hamburg es nachzuvollziehende Hochstimmung spürbar verstanden hat, denjenigen Tag in seiner zu machen, die offensichtlich damals die vollsten Bedeutung zu würdigen, der nicht Menschen erfüllte, sollen einige Passagen so- nur den Ruhm vergangener Tage verkündet, wohl aus der Einleitung als auch aus der Rede sondern in der strahlenden Begeisterung, Sievekings zitiert werden. Es sei allerdings mit welcher er in Nord und Süd begangen, nicht verhehlt, dass damit ein gewisses Di- auch in die fernste deutsche Zukunft seinen lemma entsteht. Für die damaligen Bekun- goldenen Sonnenschein vorausgeworfen hat. dungen ist nicht nur ein ausgeprägtes, über- ··································································· schwängliches – aus heutiger Sicht zuweilen Im großen Saale des Hamburger Hofes hat- irritierend wirkendes – Pathos kennzeich- te sich eine auserlesene Gesellschaft versam- nend, sondern auch eine Vorliebe für ausla- melt, die alle Elemente in sich vereinigte, dende, wortreiche Ausführungen. Das be- durch welche das vielgestaltige Leben unse- deutet, dem Gebot der Kürze oder Prägnanz rer Vaterstadt in allen seinen Zweigen auf kann nur bedingt Folge geleistet werden. das Würdigste repräsentirt worden ist. Viele

| 64 | hundert Männer waren zur Feier des großen Deutschland feiert heute seinen größten Patrioten zusammengekommen. Sohn. […] Es würde mir kaum anstehen, ··································································· wenn ich versuchen wollte, was auch die be- Dr. Sieveking, früher Mitglied unseres Se- redteste Zunge wohl vergeblich versuchen nats und jetzt Präsident des hanseatischen würde, das Wesen dieses unvergleichlichen Oberlandesgerichts, leitete die ansehnliche Mannes, die olympische Größe seiner Na- Versammlung, welche der preußische Ge- tur, die stählerne Festigkeit seines Charak- sandte, Exzellenz von Wentzel,148 mit seiner ters, seinen Heldenmuth, die sprühende Anwesenheit beehrt hatte, und in welcher Fülle seiner Geistesgaben […] auch nur an- nicht nur die Namen unserer fürstlichen nähernd zu schildern. Ich will auch nicht Kaufleute, sondern auch die ersten Männer schildern, – ich will glückwünschen. Und des vaterstädtischen und wissenschaftlichen wozu das schildern, was mit Flammenzügen Lebens unserer Hansastadt geglänzt haben. in unser Aller Herzen geschrieben steht, – ··································································· wozu den Ruhm des Mannes preisen, von Im Vordergrund des mächtigen Saales war dessen Ruhm die ganze Erde voll ist! (Anhal- unter dem Standbild des Kaisers die Colos- tender, stürmischer Beifall.)“ Ins Zentrum salstatue des Fürsten Reichskanzlers aufge- seiner Rede stellte Sieveking, was durch Bis- stellt.“ Sieveking brachte zunächst einen marck „Leben und Wirklichkeit“ geworden „mit stürmischem Beifall aufgenommenen ist: „Ein Deutschland, Kaiser und Reich, Toast“ auf den Kaiser aus. Nachdem „die fest gegründet im Innern, mächtig nach au- beiden ersten Gänge des Festmahls vorüber- ßen, ein Trutz den Feinden, ein Schutz den gegangen waren“, hielt er eine Rede, die im Bürgern und Freunden, ein Hort des Frie- „Hamburgischen Correspondenten“ offen- dens für alle Völker der Erde. (Anhaltender, sichtlich vollständig abgedruckt ist. Zuvor jubelnder Beifall.) […] Wir sehen im gan- erklärt der Kommentator: Die Worte, die zen deutschen Vaterlande rings um uns her Sieveking „fand, werden, soweit uns die bis- eine Jugend aufwachsen, welche kaum noch herigen Toaste auf den fürstlichen Kanzler eine Ahnung hat von dem Jammer vergan- übermittelt worden, in ihrer bedeutungs- gener Zeiten, welchen die Nacht der Zer- vollen Auffassung weit über unsere hei- splitterung Deutschlands nur noch als Folie mathlichen Grenzen hinaus freudiges Mit- dient für den Glanz des Tages, in dessen gefühl wecken.“ Nachfolgend einige Aus- Sonnenschein sie aufgewachsen ist […]. züge aus der Ansprache: Dieser Jugend gehört die Zukunft. (Bravo! ··································································· Bravo!) Und weiter: Geschieht es nicht zu- „Meine Herren! Wir haben uns heute ver- sehends vor unsern Augen, daß die Geister sammelt, um den 70. Geburtstag des deut- der Kleinlichkeit, der beschränkten Engher- schen Reichskanzlers, des Fürsten Bismarck zigkeit, der Aufopferungsunfähigkeit – das zu feiern. Wir empfinden Alle, daß dieses alte Erbtheil deutscher Zersplitterung, in eine Feier von ungewöhnlicher Bedeutung dem Feuer, welches der Genius des deut- ist. Ungezählte Tausende von Deutschen schen Kanzlers entfacht hat, zerschmelzen diesseits und jenseits der Meere sind in glei- und sich verflüchtigen (Bravo.), wie näch- cher Gesinnung heute mit uns vereinigt. tige Nebel sich verflüchtigen im Strahle der Den heutigen Tag feiert Deutschland, und Morgensonne?“ Am Schluss der Rede heißt

| 65 | es: „Und ich bin gewiß, daß durch die Jahr- ··································································· hunderte hindurch und bis in die spätesten Fünf Jahre später nahm Sieveking in einem Geschlechter über Deutschland ein Früh- Leserbrief, abgedruckt im „Hamburgischen ling blühen wird, der kein Sterben kennt. Correspondenten“ vom 21. Juli 1900, zu den (Jubelnder Beifall.) Das ist das Geschenk Diskussionen um die Errichtung eines Bis- des Kanzlers an das deutsche Volk.“ marck-Denkmals Stellung. Darin bezog er ··································································· sich auf einen Antrag des Senats an die Bür- Was die Zukunftsprognosen angeht, so gerschaft, „demzufolge das Bismarck-Denk- konnte Sieveking 1885 nicht ahnen, dass seine mal am Fontenay-Ufer mit der großen Ul- Gewissheit, „das Geschenk des Kanzlers an menwand im Rücken und dem freien das deutsche Volk“ würde „bis in die spätesten Alsterbecken im Vordergrunde auf einem Geschlechter“ von segensreicher Wirkung erhöhten Plateau in der Mitte von Groß- sein, sich bereits wenige Jahre nach seinem und Klein-Fontenay errichtet werden soll.“ Tod mit dem Ersten Weltkrieg als vergebli- Eigentlich möchte Sieveking den Künstlern che Hoffnung erwies. Die Umwälzungen das Wort lassen, jedoch: „Bei der großen der Jahre 1914 bis 1945 machen es rückbli- Wichtigkeit der Entscheidung […] sollte je- ckend schwer, dem Überschwang der sog. der, der sich für die Sache interessirt, nach Gründerzeit angemessen gerecht zu werden. seinen Kräften zur Förderung einer richti- Immerhin kann die Haltung und Einstellung gen Entscheidung beizutragen suchen. Das Sievekings als beredtes Zeugnis dafür gelten, deutsche Volk verehrt in dem Fürsten Bis- dass sich die damalige Vaterlandsbegeiste- marck den Schöpfer seiner Einheit und den rung offensichtlich widerspruchslos mit ei- größten Staatsmann des neunzehnten Jahr- ner ungebundenen Weltoffenheit vertrug. hunderts. Als solcher muß er daher der ··································································· Nachwelt überliefert werden.“ Das Denk- Auch zum 80. Geburtstag Bismarcks hielt er mal, so Sieveking, sollte nicht am Fontenay- während eines Fest-Commerses des Reichs- Ufer, das zu beschaulich und idyllisch ist, tagswahl-Vereins von 1884 eine Rede, in der seinen Platz finden. Statt dessen wünscht er der Gefeierte erneut in höchsten Tönen ge- sich ein großes, mit Blumenanlagen ge- priesen wurde. Ein besonderes Anliegen war schmücktes Areal, wo „ernste ewige Eichen es Sieveking, für einen möglichst unvergäng- und hochragende Tannen in angemessener lichen Ruhm Bismarcks zu werben: „Es Ferne“ vom Denkmal stehen. Mit seinem mahnt ja allerdings das 80. Lebensjahr den Leserbrief, so heißt es abschließend, möchte Menschen daran, daß ihm gesetzt ist zu ster- er „nur die Anregung zur Prüfung des An- ben, aber dem deutschen Volke stirbt Fürst trags vom patriotisch-ästhetischen Stand- Bismarck nicht! (Rufe: Nein! nein! Lebhafter punkt aus gegeben haben.“ Tatsächlich ent- Beifall.) Wir sehen ja heute schon, wie sich hüllt wurde das monumentale, von dem das deutsche Volk beeilt und beeifert, ihm Bildhauer Hugo Lederer gestaltete Bis- Denkmäler zu stiften, die das Leben über- marck-Denkmal 1906 in der Nähe der Lan- dauern. In Stein und Erz werden sie bei Le- dungsbrücken am Hamburger Hafen. benszeiten ihm schon errichtet; aber dauern- ··································································· der als diese Denkmäler wird das Denkmal Eine andere Ansprache, die Sieveking 1894 sein, das ihm die Weltgeschichte setzt.“149 im Zusammenhang mit der Aufstellung ei-

| 66 | nes Denkmals für Bürgermeister Carl Peter- sen hielt, ist insofern aufschlussreich, als sie die Bemerkung enthält, er, Sieveking, be- trachte sich als „Achtundvierziger“.150 Das ist als Bekenntnis zur liberalen Tradition der Revolution von 1848 – im weiteren Sinn auch wohl zur aufklärerischen Haltung des Großvaters – zu verstehen, d. h. als „politi- sche“ Äußerung, die sich, erstaunlich genug, mit dem wiederholten Bekenntnis zur Staatskunst Bismarcks offenkundig ohne weiteres verträgt. Dem Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts wird an- sonsten bescheinigt, er habe sich politisch nicht exponiert. Lediglich einmal, im Jahre 1906, habe er die Kandidatenliste der Verei- nigten Liberalen unterzeichnet: er „war ein durchaus liberaler Mann und innerlich em- pört über die Wahlrechtsverschlechterung, welche zahlreichen hamburgischen Bürgern das Wahlrecht verkümmert hat.“151 Die Hamburgische Bürgerschaft hatte 1906 das Wahlrecht „für die Mehrheit der Wähler weiter verschlechtert (‚Wahlrechtsraub‘), um die Sozialdemokratie abzuwehren“.152 Tafelaufsatz zum 25-jährigen Dienstjubiläum von ··································································· Ernst Friedrich Sieveking (1904) Unter den verschiedenen Reden Sieve- kings, soweit sie im Hamburger Staatsarchiv denheit mit Großbritannien zu bekunden: überliefert sind, verdient noch eine Anspra- „[T]here are so many similarities between che Erwähnung, die er am 15. Juni 1895 wäh- England and Hamburg that it would be im- rend eines Festmahls im Zoologischen Gar- possible in the course of a short speech to ten gehalten hat. Wenige Tage später, am 21. enumerate them all.“153 Juni, kam Kaiser Wilhelm II. nach Ham- ··································································· burg zur Eröffnung des Nord-Ostsee-Ka- Ein besonderes, von den Hamburger Zei- nals, der damals noch Kaiser-Wilhelm-Ka- tungen ausführlich gewürdigtes Ereignis nal hieß. Aus diesem Anlass war bereits war schließlich das 25-jährige Dienstjubi- einige Tage vorher eine englische Delegation läum Ernst Friedrich Sievekings im Jahre angereist, der zu Ehren ein Festmahl gege- 1904. Einen Ausschnitt der Feierlichkeiten ben wurde. Sieveking nutzte die Gelegen- veranschaulicht der „Hamburgische Corres- heit, um in „einer längeren formvollende- pondent“ vom 1. Oktober 1904: „Heute ten, von häufigem Beifall unterbrochenen morgen fanden sich in dem vornehmen, stil- Rede in englischer Sprache“ seine Verbun- len Patrizierhause in der Großen Theater-

| 67 | straße zahlreiche Notabilitäten zur Gratula- Zwei besondere Geschenke zum 25-jähri- tion ein und eine noch größere Zahl von gen Dienstjubiläum verdienen zusätzlich kostbaren Jubiläumsangebinden und herrli- Beachtung. „Die hanseatische Anwaltschaft chen Blumenspenden in allen Formen und hat bekanntlich aus Anlaß des Jubiläums Größen füllte die zum Empfang geöffneten von dem Lübecker Bildhauer Behn die Bü- Räume. Auf dem Mitteltische des Salons ste des Präsidenten als Schmuck für das prangte ein meterhoher Tafelaufsatz, den die künftige Oberlandesgerichtsgebäude in Senate der drei Hansestädte dem Jubilar zu Marmor meißeln lassen. Das schöne Werk, diesem Tage verehrt haben, ein Werk Meis- das nicht nur die Züge äußerlich, sondern ter Alexander Schönauers.154 Auf einer Basis auch den feinen und vornehmen Geist, der von schwarzem Ebenholz tragen Delphine hinter dieser Stirne wohnt, sehr glücklich den Untersatz. […]“ Es folgt die nähere Be- zum Ausdruck bringt, ist vorläufig im schreibung des Tafelaufsatzes, und danach Hause des Herrn Präsidenten aufgestellt wird aufgezählt, wer alles Gratulations- worden.“156 Die von Fritz Behn (1878–1970) schreiben gesendet hatte und welche Depu- geschaffene Marmorbüste fand ihren end- tationen erschienen waren. Verschiedene „in gültigen Platz in der Halle des Neubaus, der den wärmsten Ausdrücken gehaltene und 1912 für das Oberlandesgericht fertiggestellt die hohe Bedeutung des Jubilars in vollen wurde. Vom selben Bildhauer stammt auch Tönen feiernde Schreiben waren eingelau- ein Bronzerelief, das sich heute am Hause fen von der International Law Association“. Große Theaterstraße 34 befindet, „dem Er- Das Comité Maritime International satzbau für das im Zweiten Weltkrieg zer- schickte eine Adresse, die Dr. Louis Frank, störte Wohnhaus Sievekings“.157 – Der Vor- Generalsekretär des Komitees, persönlich stand des Vereins Hamburger Assekura- verlas. Der Königlich Großbritannische Ge- deure konnte, wie die „Hamburger Nach- neralkonsul hielt eine Rede in englischer richten“ am 29. November 1904 berichten, Sprache. Ein Vertreter der Hamburger Han- die Verdienste Sievekings erst mit einer ge- delskammer „überreichte mit warmemp- wissen Verspätung würdigen, da das für ihn fundenen Worten dem Herrn Präsidenten bestimmte Ehrengeschenk nicht rechtzeitig die höchste Auszeichnung, die die Handels- fertig geworden war. Die Jubiläumsgabe „ist kammer zu vergeben hat, die goldene Me- eine Statue aus französischer Bronze, die Ju- daille.“ Eine Deputation der Mitglieder des stitia darstellend. […] Das von A. Millet Hanseatischen Oberlandesgerichts gratu- hergestellte Kunstwerk macht einen außer- lierte … „Herr Präsident Sieveking hielt ordentlich vornehm-künstlerischen Ein- dem Ansturm der Glückwünsche frisch und druck“.158 Sollte es sich bei dem Geschenk elastisch wie ein Jüngling Stand und erwi- des Vereins der Versicherungskaufleute um derte die Ansprachen, die an ihn gehalten eine Arbeit des Bildhauers Aimé Millet ge- wurden, in der betreffenden Landessprache handelt haben, der von 1819 bis 1891 lebte,159 mit jener vornehmen Eleganz und jenem so war das Werk 1904 zwar längst fertigge- feinsinnigen Gedankenreichtum, die der stellt, aber vielleicht bis zum Jubiläumstag große Kreis seiner Verehrer seit lange[m] am ersten Oktober nicht gekauft oder her- schätzt und bewundert.“155 beigeschafft worden. ··································································· ···································································

| 68 | Marmorbüste von Ernst Friedrich Sieveking (1904)

| 69 | Sieveking und seine Präsidenten, von Leopold Graf von Kalckreuth (1904)

Von besonderer Bedeutung sind schließlich ··································································· zwei von Leopold Graf von Kalckreuth Sieveking trug „ein zurückhaltend-vor- (1855–1928) gemalte Porträt-Werke. Bei dem nehmes Wesen zur Schau, das sich gelegent- einen Bild handelt es sich um ein 1904 in lich zu hochmütiger Unliebenswürdigkeit Öl ausgeführtes Gruppenporträt, das Ernst verdichtete. Insbesondere gefiel er sich in ei- Friedrich Sieveking in der Mitte zwischen ner gleichgültigen Nichtachtung gegenüber vier seiner ihm beigeordneten Präsidenten den Richtern, auch den Räten des Gerichts, zeigt; als Leihgabe der Kunsthalle hängt es dessen Vorsitzender er war. Wenn er in die im Gebäude des Oberlandesgerichts. Dort Sitzung kam, bot er den Kollegen nicht ein- befindet sich als Kopie auch das zweite Bild mal den Gruß der Tageszeit. Als eine Depu- Kalckreuths, ein Einzelporträt des Chefprä- tation seines Gerichts ihm am Tage seines sidenten Sieveking. Zur Entstehung dieser 25jährigen Präsidenten-Jubiläums in seiner Bilder gibt es einen scharfzüngigen Kom- Villa in Reinbek160 ein Ehrengeschenk über- mentar des Juristen und bedeutenden Kunst- reichte, komplimentierte er die Herren mit förderers Gustav Schiefler (1857–1935). Die- den Worten zur Tür hinaus, er bedauere, für ser Kommentar soll hier zum Abschluss des sie nicht länger Zeit zu haben, da er mit sei- Kapitels in ganzer Länge zitiert werden, da ner Familie zum Frühstück gehen müsse. er zugleich verdeutlicht, dass Sieveking sich Die Kunsthalle besitzt zwei Bildnisse von mit seiner selbstbewusst-eigenwilligen Art ihm, beide von Kalckreuths Hand gemalt; die Mitmenschen nicht nur zu Freunden sie geben die unnahbare Kälte dieses Man- machte. Schiefler schreibt: nes, der englisches Wesen über alles liebte,

| 70 | Ernst Friedrich Sieveking, Ölbild nach Kalckreuth von Wilhelm Mann (1922)

| 71 | trefflich wieder. Kalckreuth selbst hatte sich Von den allgemeinen Bildungsinteressen dabei über seine sture Dickköpfigkeit zu be- waren es die Bestrebungen zur Gründung klagen: wenn die für die Sitzung verabredete einer Hamburger Universität, für die er wie- Stunde sich ihrem Ende zuneigte, brach Sie- derholt mit Wärme eintrat. Freilich geschah veking ab und hörte nicht auf die Bitte des das immer nur da, wo er selbst hoffen durf- Malers, ihm, der jetzt erst in Zug gekom- te, eine gute Figur zu machen; sich und men sei, noch einige Minuten zu schenken. seine persönlichen Belange der Sache unter- ··································································· zuordnen und für sie Opfer zu bringen, wäre Als Jurist war er von hervorragender Tüch- wohl nicht nach seinem Sinn gewesen. Wir tigkeit; namentlich auf dem Gebiet des See- werden ihm bei der Erörterung der Univer- versicherungsrechts galt er als Autorität. sitätsfrage noch wiederbegegnen.“161

·············································································································································· 147 Hamburgischer Correspondent Nr. 579 (13. November 1909). 148 „Wentzel, Otto von (1819-1899), Legationsrat bei der preuß. Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt, 1866 Ge- sandter in Darmstadt, später in Hamburg.“ (Kühn, Politik Bismarcks, S. 318.) 149 Hamburgischer Correspondent Nr. 229 (31. März 1895). 150 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T4. 151 Ebd., Mappe T10 (Vossische Zeitung, Berlin, 17. November 1909). 152 Eckardt, Wahlrecht, S. 513. Vgl. Hauschild-Thiessen, Mönckeberg, S. 26 ff. 153 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T4 (Sonder-Abdruck aus der „Hamburgischen Börsen- Halle“ Nr. 276 vom 15. Juni 1895). 154 Siehe dazu Jedding, Historismus, S. 156, 489. Der Hamburger Goldschmied lebte von 1871 bis 1955. 155 Hamburgischer Correspondent Nr. 462 (1. Oktober 1904). 156 Ebd. 157 Kurland, Richter, S. 332. Das Wohnhaus Sievekings wurde bereits kurz nach seinem Tod, d.h. zwischen 1909 und 1912 abgerissen. 158 Hamburger Nachrichten Nr. 841 (29. November 1904). 159 Manchen Veröffentlichungen zufolge ist Aimé Millet 1816 geboren. 160 Wie der „Hamburgische Correspondent“ berichtet (Nr. 462, 1. Oktober 1904), fand die Gratulation zum 1. Oktober 1904 in der Großen Theaterstraße statt. Schieflers Verweis auf die „Villa in Reinbek“ – gemeint ist das Sommerhaus, in dem Sieveking sich während seiner letzten Lebenszeit viel aufhielt – erscheint zweifelhaft. 161 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 52, dazu auch S. 290. ··············································································································································

| 72 | [9]

Ernst Friedrich Sieveking als Förderer der Universitätsgründung

Tatsächlich ist Schiefler vor allem in sei- skizzenhaft und zusammenfassend auf das nen Ausführungen, die den Bemühungen Engagement Sievekings als Wegbereiter der um die Gründung der Hamburger Univer- Hamburger Universität eingegangen wer- sität galten, noch mehrmals auf die Rolle den. Sievekings zu sprechen gekommen. Dabei ··································································· ist zu berücksichtigen, was die Herausgeber Dass die Förderung von Bildung und Wis- der Niederschriften Schieflers einleitend senschaft dem Gerichtspräsidenten nicht feststellen: So wertvoll dessen Darstellungen nur als Idee, sondern auch in der prakti- zur Kulturgeschichte Hamburgs insgesamt schen Anwendung ein erstrangiges Anliegen sind, so problematisch sind sie zugleich, in- war, hatte sich schon – siehe das vorletzte dem manches „einseitig gehalten“ ist und Kapitel – Ende 1900 mit seinem Einsatz im die „Bewertungen oftmals befangen“ wir- Rahmen des Allgemeinen Vorlesungswesens ken.162 – Neben Gustav Schiefler hat sich gezeigt. „Zu Anfang des Jahres 1903“, so auch Werner von Melle, der „eigentliche“ schreibt Melle, „bildete sich nun um ihn Gründer der Hamburger Universität,163 [Sieveking] ein kleiner Kreis von Universi- wiederholt mit den Aktivitäten Sievekings tätsfreunden“, der sich in Beratungen mit beschäftigt, soweit sie das Problem der Uni- „ganz inoffiziellen Charakter“ darüber aus- versitätsgründung betreffen. Da überdies tauschte, wie der Gedanke der Universitäts- die Geschichte dieser Gründung u.a. detail- gründung vorangebracht werden könnte. liert von dem Historiker Jürgen Bolland Melle selbst sah die Bildung des Zirkels ei- aufgearbeitet worden ist, könnte nachfol- nerseits als nicht besonders glücklich an, gend sehr ins einzelne gehend aufgezeigt weil sie als Konkurrenz zur Oberschulbe- werden, wie prononciert Sieveking insbe- hörde betrachtet werden konnte; anderer- sondere zwischen 1903 und 1907, also wäh- seits wollte er der Initiative nicht entgegen- rend der Jahre unmittelbar vor Gründung treten, da er sie für seine eigenen Bemühun- der Hamburgischen Wissenschaftlichen gen nutzbar zu machen hoffte. Die internen Stiftung, unter den Befürwortern und För- Beratungen des Sieveking-Kreises gelangten derern der Universität als Exponent von her- Ende Februar 1903 durch eine Indiskretion ausragender Bedeutung zu gelten hat. Weil doch an die Öffentlichkeit, so dass die Dis- die Quellen, denen die Details entnommen kussionen, die es um die Universitätsfrage in werden können, allesamt in Veröffentli- wechselnder Intensität schon seit Langem chungen frei zugänglich sind, soll hier nur gab, erneut angefacht wurden.164

| 73 | ··································································· und Harvard-Professors Hugo Münsterberg Im Mittelpunkt aller Erörterungen stand (1863-1916);170 auf weiteren fünf Seiten immer wieder das Finanzierungsproblem. schickt er seinen eigenen, eher nur rahmen- Wie sollte das Geld aufgebracht werden, um den Ausführungen ein Schreiben des Se- einen anspruchsvollen Universitätsbetrieb natssyndikus Karl Sieveking voraus, eines zu gewährleisten? Zugleich war lange Zeit Onkels,171 der bereits kurz vor seinem Tod nicht entschieden, ob statt einer Universität dem Gedanken der Universitätsgründung besser eine Handelshochschule gegründet „mit beredten Worten“, so Ernst Friedrich werden sollte. In der Kaufmannschaft, und Sieveking, Ausdruck verliehen hatte. Resü- damit zugleich in der Bürgerschaft, gab es mierend kann man festhalten, dass der Syn- erhebliche Bedenken und Widerstände ge- dikus mit Entschiedenheit für die Idee einer gen eine Universitätsgründung.165 Für die „kosmopolitischen Universität“ eintrat – „,besseren‘ Kreise“ in Hamburg war „eine und dieser Idee schloss sich auch, knapp gewisse Wissenschaftsferne und Theorie- sechzig Jahre später, der Neffe an. Es sei er- feindlichkeit“ kennzeichnend; wer „für Kul- laubt, die Inhaltswiedergabe Bollands zu zi- tur und Bildung eintrat, hatte dort einen tieren, die er vom Brief Münsterbergs liefert, schweren Stand.“166 Melle, dem Schiefler at- dem Kernstück der Sievekingschen Schrift: testierte, er verfolge seine Ziele „mit zäher ··································································· Hartnäckigkeit“,167 erschien angesichts die- „Der Gelehrte hielt es für erwiesen, ‚daß ser Schwierigkeiten ein behutsames Vorge- der deutschen Universität heute manches hen, das Konfrontationen und Verhärtun- Unzeitgemäße anhaftet und daß die histori- gen der Standpunkte vermied, am vielver- sche Tradition dort manche bedauerliche sprechendsten. Gleichzeitig machten sich, Einschränkung nötig macht‘. Er wandte wie kaum anders zu erwarten, persönliche sich gegen die Überbewertung der soge- Eitelkeiten und Rivalitäten bemerkbar, wie nannten gelehrten Berufe, gegen ‚die Vorur- sie vor allem Schiefler registriert. Unzweifel- teile der Vergangenheit‘, als sei ‚das Wirt- haft, so meint er etwa, „stand Melles Ehrgeiz schaftsleben der Nation ein Betätigungsfeld dahin, alles selbst zu machen.“168 Die Abnei- von geringerer Würde und Bedeutung und gung, die Schiefler gegen Sieveking bekun- als gäbe es Idealismus und reifste Persönlich- det, ist oben bereits sichtbar geworden. keitsentfaltung nur in dem durch Staatsex- ··································································· amina eingehegten Gelehrtengebiete‘. Zwar Den Fortgang des Geschehens fasst Bol- empfahl er nicht, die amerikanischen For- land zusammen: „Die Debatte um die men zu kopieren; insbesondere sollte die in zweckmäßigste Form der Universität er- Deutschland entwickelte Verbindung von reichte 1905 ein entscheidendes Stadium, als Forschung und Lehre nicht aufgegeben wer- der Präsident des Hanseatischen Oberlan- den. Aber nach amerikanischem Beispiel desgerichts Dr. Friedrich Sieveking eine solle man etwa bei der Zulassung zur Uni- Broschüre unter dem Titel ‚Die Hamburger versität ‚die Bedeutung des Abiturientenex- Universität. Ein Wort der Anregung‘ er- amens nicht überschätzen‘. Für moderne scheinen ließ.“169 In seiner 39 Seiten umfas- Formen aufgeschlossene Professoren zu ge- senden Schrift präsentiert Sieveking auf 25 winnen, sei bei entsprechenden Gehaltsan- Seiten einen Brief des Deutsch-Amerikaners geboten zweifellos möglich, wenn der Grund-

| 74 | Ernst Friedrich Sieveking

| 75 | Umschlagseite der Universitätsschrift von Ernst Friedrich Sieveking (1905)

| 76 | satz beachtet werde, ‚lieber einen erstklassi- für politisch inopportun und nicht durch- gen Gelehrten mit dreifachem Gehalt als setzbar hielt. So zog er, was die Broschüre drei zweitklassige Männer mit einfachem angeht, folgendes Fazit: „Der schöne Idea- Gehalt‘ zu beschäftigen. Auch müsse die lismus und die schwungvollen Worte Sieve- Einteilung des akademischen Jahres gründ- kings waren ein Ausfluß seiner vornehmen, lich erwogen und jedenfalls die ‚systemati- durchgeistigten Persönlichkeit. Vom prakti- sche Faulenzerei ausgerodet werden und un- schen aber und kulturpolitischen Stand- ter den Studenten selbst als unwürdig gel- punkt aus ließ sich vieles gegen seine und ten‘. Gerade Hamburg durfte sich nach Münsterbergs Gedanken einwenden.“174 Münsterbergs Meinung nicht der Aufgabe Melle hütete sich, offen gegen Sieveking verschließen, eine moderne Universität, of- Stellung zu beziehen. Lediglich in seinem fen auch für Kaufleute, Industrielle und 1923 und 1924, also lange nach dem Tod Sie- Landwirte, zu errichten, nicht nur, weil vekings erschienenen Lebensrückblick äu- überall ‚die moderne Universität der Welt- ßert er wiederholt seine Kritik, indem er stadt als Hintergrund bedarf‘, sondern weil etwa von der Notwendigkeit spricht, „gegen es hier möglich sei, den notwendigen ‚Zu- die seltsame Sievekingsche Idee einer Nach- sammenhang mit dem Weltkreis zu suchen, ahmung amerikanischer Muster vom natio- vor allem mit den Ländern, deren Geist dem nalen Standpunkt aus energisch Front zu deutschen innerlich nahesteht, mit den Län- machen.“175 dern englischer Zunge‘, und weil gerade ··································································· Ausländer diesen ‚Welthorizont von Ham- Ansonsten war Melle darauf bedacht, den burg‘ instinktiv fühlten.“172 Gerichtspräsidenten im Blick auf die Lö- ··································································· sung der Universitätsfrage in seine Bestre- Die Ergänzungen, mit denen Sieveking bungen konsequent einzubinden. Nachdem diese Vorschläge lebhaft befürwortete, auch das Finanzierungsproblem durch großzü- die Reaktionen der Öffentlichkeit brauchen gige Spenden zahlreicher Donatoren in ers- hier nicht erläutert zu werden. Es gab ten entscheidenden Schritten gelöst und die „freundliche Beachtung“ und Widerspruch, Gründung der Hamburgischen Wissen- und Schiefler konnte es sich nicht versagen, schaftlichen Stiftung ins Auge gefasst war, die Broschüre ohne Begründung als „küm- konnte er am 22. Januar 1906 Präsident Sie- merlich“ sowie als „klägliche[s] Ergebnis“ zu veking ersuchen, „dem Kuratorium der Stif- bezeichnen.173 Lediglich die Einschätzung tung beizutreten. ‚Ich danke Ihnen verbind- Melles sei kurz näher charakterisiert: Ihm lichst‘, so antwortete er mir, ‚für Ihre höchst behagte der Gedanke wenig, in Hamburg erfreuliche Mitteilung und beglückwünsche eine an amerikanische Muster angelehnte Sie und unsere Vaterstadt zu den schönen Universitätsstruktur durchzusetzen, teils von Ihnen erzielten Erfolgen. Ich brauche weil er vielleicht selbst weniger kosmopoli- nicht erst zu versichern, daß ich gern dem tisch, sprich: um einiges nationaler, wenn Kuratorium beitreten und alles, was in mei- nicht nationalistischer gesonnen war als nen Kräften steht, tun werde, um das Un- Friedrich Sieveking, teils weil er in Zeiten ei- ternehmen zu fördern.‘“176 Mit einer gewis- nes auch in Hamburg wirksamen strammen sen Verzögerung, am 16. April 1907, trat Nationalismus die internationale Variante dann das Kuratorium der Hamburgischen

| 77 | Wissenschaftlichen Stiftung zu seiner ersten Sieveking im Vordergrund halb rechts sit- Sitzung zusammen. Das denkwürdige Er- zend, nachdenklich vor sich hin blickend er- eignis ist auf einem Gruppengemälde von scheint, der Nachwelt überliefert.177 Henry L. Geertz, auf dem Ernst Friedrich

·············································································································································· 162 Ebd., S. 28. 163 Vgl. Bolland, Gründung, S. 29. 164 Melle, Hamburger Wissenschaft, S. 336 f. 165 Vgl. als Beispiel Hauschild-Thiessen, Mönckeberg, S. 15. Dazu auch Schröder, Mutzenbecher, S. 50 f. 166 Jendrowiak, Forschung, S. 92. 167 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 354. 168 Ebd. 169 Bolland, Gründung, S. 51. 170 Hugo Münsterberg, ein Schüler Wilhelm Wundts, erlangte Bedeutung als einer der Gründer der Angewand- ten Psychologie. Von 1892 bis 1894, dann dauerhaft seit 1897 lehrte er an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts), nachdem er zuvor in Deutschland studiert und sich habilitiert hatte. 171 Vgl. dazu Anm. 98. 172 Bolland, Gründung, S. 51 f. 173 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 358, 361. 174 Melle, Hamburger Wissenschaft, S. 375. 175 Ebd., S. 436. 176 Ebd., S. 388 f. 177 Gerhardt, Begründer, S. 7, 76, 89. ··············································································································································

| 78 | [10]

Der plötzliche Tod. Würdigungen, Nachrufe

Niemand konnte voraussehen, dass der nichts geschehen sei. Noch gestern abend Gerichtspräsident im Jahre 1907 nur noch weilte er bei bestem Befinden und in fröh- kurze Zeit zu leben hatte. In Kapitel 7 ist be- licher Laune im Kreise der Seinen. Und reits erwähnt worden, dass er im September heute morgen – fand man ihn tot auf seinem 1909 eine Konferenz des Comité Maritime Lager. Ein Schlaganfall hatte diesem reichen International in Bremen leitete. Dies scheint Leben ein Ende gemacht; der Tod muß zwi- vor seinem Tod am Sonnabend, dem 13. No- schen 3 und 4 Uhr eingetreten sein.“ vember 1909 die letzte wichtige, den Ar- ··································································· beitsalltag am Oberlandesgericht unterbre- Der „Hamburgische Correspondent“ be- chende Tätigkeit gewesen zu sein. Fast bis zu richtet ergänzend, ebenfalls in der Abend- seinem letzten Atemzug waltete er seines Ausgabe des 13. November, dem Tod Sieve- Amtes, wie verschiedenen Nachrufen, die kings sei „kein Siechtum vorausgegangen. über seine letzten Tage und Stunden hin- Noch gestern soll er in Dienstgeschäften tä- länglich genaue Auskunft geben, zu entneh- tig gewesen sein. Man hörte zwar in der letz- men ist. So heißt es einleitend in der Abend- ten Zeit gelegentlich, er sei wiederholt von Ausgabe der „Hamburger Nachrichten“ schweren Herzanfällen heimgesucht wor- vom 13. November 1909: den.“ In der „Neuen Hamburger Zeitung“, ··································································· wiederum vom 13. November, heißt es: „Mitten aus einem Leben voll Arbeit und „Herr Dr. Sieveking litt in der letzten Zeit Erfolg ist der Präsident des Hanseatischen an Arterienverkalkung,178 er fühlte sich in Oberlandesgerichts, Dr. Ernst Friedrich Sie- den letzten Tagen nicht mehr ganz wohl, veking, in der verflossenen Nacht abberufen konnte aber trotzdem noch gestern mittag worden. Schon in der Nacht zum Mittwoch seine Präsidialarbeiten erledigen. Niemand, hatte ihn ein Beklemmungsanfall heim- der mit dem alten Herrn gestern zusam- gesucht und ihn an der Wahrnehmung mengekommen ist, ahnte, daß er heute der Mittwochs-Sitzung verhindert. Aber nicht mehr unter den Lebenden sein würde. der Dreiundsiebzigjährige erholte sich so Man fand ihn heute morgen in seiner Woh- schnell, daß er sein Erscheinen im Dienste nung, Große Theaterstraße 35 [sic], tot im für den kommenden Montag schon wieder Bette, ein Schlaganfall hatte seinem Leben in Aussicht stellte und auf seine Umgebung schmerzlos und ruhig ein Ende bereitet. Als wieder ganz den gewohnten Eindruck voll- der Tod des bekannten und allgemein be- kommener Frische machte, als ob ihm liebten Mannes gegen die Mittagsstunde be-

| 79 | Anzeige zum Tod Ernst Friedrich Sievekings (1909)

| 80 | kannt wurde, senkten sich auf allen Ge- machte sich, auch ohne daß er es wollte, bis richtsgebäuden in der Stadt die Flaggen in den geselligen Verkehr und ins häusliche halbmast, um der hamburgischen Bevölke- Leben geltend. […] Er ist nie eigentlich po- rung anzuzeigen, daß wieder einer der gro- pulär gewesen, aber er hat die Bewunderung ßen Söhne Hammonias hinüber geschlum- und Verehrung der Besten in reichem Maße mert sei.“ besessen […]. Besonders der frischen, fröh- ··································································· lichen Jugend gehörte seine Liebe. […] Die ausführlichen Nachrufe, die insbeson- [S]eine Seele war und blieb hohen Idealen dere in den führenden Hamburger Zeitun- zugewandt. Dabei behielt er doch einen of- gen erschienen, bilden eine wichtige histori- fenen Sinn für die praktischen Bedürfnisse sche Quelle, die über das Leben Sievekings des täglichen Lebens. Auch in seinem rich- in vieler Hinsicht Auskunft gibt. Im Voran- terlichen Beruf. Er war ein Feind der grauen gegangenen wurde wiederholt aus diesen Theorie und des toten Formalismus. Mit al- Nachrufen zitiert – wobei es, wie bereits ge- lem Nachdruck ist er dafür eingetreten, daß sagt, als notwendig erachtet wurde, den zeit- die Justiz nicht Selbstzweck sein dürfe, son- typisch weihevollen Ton einerseits „authen- dern nur Dienerin der allgemeinen Interes- tisch“ zu dokumentieren, ihm andererseits sen. Von jenem summum ius, das so leicht aber auch mit Distanz zu begegnen. Es stellt zur maxima injuria wird, wollte er nichts sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die Trauer- wissen, sondern nur von wirklicher, die be- rede, die Karl August Cordes (1859–1936), rechtigten Bedürfnisse des praktischen Le- Pastor von St. Johannis in Hamburg-Harve- bens achtender Gerechtigkeit, von wirkli- stehude,179 bei der Begräbnisfeier gehalten cher Gerechtigkeit insonderheit auch für hat und die sowohl im „Hamburgischen Handel und Verkehr. […] Im Seerecht war Correspondenten“ als auch in den „Ham- er unbestritten der Meister unter den deut- burger Nachrichten“ (beidemal am 16. No- schen Fachgenossen. […]“ vember 1909) abgedruckt ist, in größerer ··································································· Ausführlichkeit zu zitieren. Die Ansprache Ernst Friedrich Sievekings Ehefrau Olga, könnte als abschließendes Resümee, ebenso geb. Amsinck, starb in Wentorf bei Ham- in vieler Hinsicht aber auch als Wiederho- burg am 19. Oktober 1922. Prüft man den lung dessen gelesen werden, was bereits zur im Hamburger Staatsarchiv aufbewahrten Sprache gekommen ist. So seien nur einzelne Sievekingschen Nachlass, soweit er die Per- Kennzeichnungen Cordes’ herausgegriffen: son Ernst Friedrichs betrifft, so ist über Olga ··································································· fast überhaupt nichts zu erfahren.180 Für sie Sieveking „war der Typus eines hanseati- gilt, was für zahllose Frauen des Bürgertums schen Aristokraten, dem glänzende Geistes- im 19. und weithin auch im 20. Jahrhundert gaben und glückliche Lebensumstände ein zutrifft: „Leider ist es immer schwierig, die restloses Sichauswirken ermöglicht haben. Frauen zu beurteilen, weil man so wenig Vornehmheit in Gesinnung und Haltung über ihr Leben erfährt. Wenn irgendwo ein bildete einen markanten Zug seines Wesens, Dokument auftaucht, geht es stets um die verbunden mit einer gewissen Zurückhal- Männer. […] Die Seiten des Lebens, wo die tung, die als Kälte erscheinen konnte. […] Frauen eine Rolle spielen, werden nahezu Das Ueberragende seiner Persönlichkeit ausgeblendet.“181

| 81 | Grabstätte von Ernst Friedrich und Olga Sieveking auf dem Ohlsdorfer Friedhof

| 82 | ··································································· sidenten des obersten Gerichtshofs, wachzu- Immerhin ist die Traueransprache zum halten. An dieser Stelle stand nämlich das Tod von Olga Sieveking, gehalten am 23. Sievekingsche Familienhaus, das freilich ei- Oktober 1922 von Pastor Max Glage (1866– nem in Rohziegel ausgeführten weitläufigen 1936), als Durchschlag eines getippten Ori- Neubau gewichen ist […]. Die Bronzetafel, ginals im Staatsarchiv erhalten. Glage cha- von dem Hamburger Bildhauer Fritz Behn rakterisiert Olga als „eine Hausmutter im entworfen, zeigt das in Hochrelief ausge- tiefsten Sinne“, als „eine echte deutsche führte Porträt des verewigten Präsidenten“. Hausfrau und Hausmutter nach altem Es folgen weitere beschreibende Erläuterun- Schlage. Die ganze moderne Frauen-Bewe- gen, wobei auch das links unten auf der Ta- gung ist als ein ihrem innersten Wesen frem- fel nachgebildete Familienwappen erwähnt der Strom an ihr vorüber gerauscht. Sie hat wird: „ein Kleeblatt und zwei Sterne“. Das nie den Ehrgeiz besessen, neben ihrem be- Haus, das Sieveking bewohnte, ist sehr bald deutenden, äusserlich und innerlich hochra- nach seinem Tod abgerissen und durch ei- genden Gatten eine Rolle vor der Welt zu nen Neubau ersetzt worden; letzterem folgt spielen – wie oft sind die Frauen bedeuten- voraussichtlich im Jahr 2009 abermals ein der Männer solcher Versuchung erlegen. Neubau, so dass über den Verbleib der Ge- […]“182 Glage führt diese Gedanken weiter denktafel derzeit nichts Bestimmtes gesagt aus, und man fragt sich, wieweit er mit sei- werden kann. ner Kennzeichnung Olga Sieveking wirklich ··································································· gerecht wird, oder wieweit sein Plädoyer für Als zweites ist darauf hinzuweisen, dass die die Dominanz des Mannes und die völlige Erinnerung an den Gerichtspräsidenten Unterordnung der Frau eigenen Wunsch- auch durch eine wichtige Namensgebung in vorstellungen entspricht. Die Predigt von der Stadt Hamburg wachgehalten wird. Von Pastor Cordes behält Hand und Fuß, sie fin- 1907 bis 1912 wurde an der Nordwestseite det ihre Beglaubigung durch zahlreiche wei- des Holstenplatzes, quer zu den einander ge- tere Zeugnisse. Was Glage dagegen äußert, genüber liegenden Ziviljustiz- und Straf- wirkt zumindest aus heutiger Sicht einiger- justizgebäuden, das große, repräsentative maßen befremdlich. Dienstgebäude des Hanseatischen Oberlan- ··································································· desgerichts errichtet; Friedrich Sieveking Blendet man vom Tod Olgas zurück ins war aktiv an den Planungen beteiligt, konn- Jahr 1912, so gelangt man zu zwei wichtigen te die Einweihung aber, wie erwähnt, nicht Merkzeichen, die dem Gedenken Ernst mehr erleben. Der große, von den drei Ju- Friedrich Sievekings gelten. Worum es um stizgebäuden umgebene, nur zur Stadtseite das erste Erinnerungszeichen geht, lässt sich hin offene Holstenplatz wurde 1912 „zum einer Notiz der „Hamburger Nachrichten“ Andenken an den hervorragenden Rechts- vom 15. Mai 1912 entnehmen: „Eine Sieve- gelehrten Ernst Friedrich Sieveking“ in Sie- king-Gedenktafel. Am Hause Große Thea- vekingplatz umbenannt. Zwischen 1912 und terstraße 34 wird heute in aller Stille neben 1913 erfuhr der Platz „eine wesentliche Um- dem Toreingang eine Bronzetafel ange- gestaltung. Vor dem Oberlandesgericht bracht, die bestimmt ist, das Gedächtnis an wurde die Fahrstraße verändert und ein Friedrich Sieveking, den verstorbenen Prä- Schmuckplatz mit großem Becken, Frei-

| 83 | treppen, Anlagen und Gestaltengruppen platz erinnert unmittelbar an den ersten Prä- (Bildhauer Arthur Bock) geschaffen.“183 Der sidenten des Hanseatischen Oberlandesge- Name Sieveking ist auch in Straßenbezeich- richts. nungen präsent, doch nur der Sieveking-

·············································································································································· 178 In der „Vossischen Zeitung“ (Berlin) vom 17. November 1909 wird mit gewissen Sinnverschiebungen zum Tod Sievekings erklärt: „In den letzten Jahren kränkelte er, da er an hochgradiger Arterienverkalkung litt, doch suchte er seinen Dienst so lange auszuüben, wie es nur irgend möglich war.“ Die Frage, wie es sich „tatsächlich“ mit den letzten Lebenswochen Sievekings – und mit vielen weiteren Einzelheiten seines Lebens – verhielt, führt in grundsätzliche erkenntnis- und geschichtstheoretische Probleme hinein. 179 K. August Cordes war von 1904 bis 1912 Pastor von St. Johannis. Siehe Hammer/Schade, Pastorinnen und Pastoren, Teil I, S. 28; Teil II, S. 36. 180 Auch im Amsinck-Nachlass, den das Hamburger Staatsarchiv aufbewahrt, taucht Olga Sieveking nicht auf. 181 Schröder, Lebensansichten, S. 28. 182 Staatsarchiv Hamburg, 622-1⁄90 Sieveking, Mappe T7. 183 Melhop, Topographie 1895-1920, S. 115 f. Vgl. Architekten- und Ingenieur-Verein, Bauten, S. 266-269. ··············································································································································

| 84 | Gedenktafel zu Ehren Ernst Friedrich Sievekings (1912)

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Anhänge

·············································································································································· Stammtafel (Auszug) ··············································································································································

Peter Niclaes Sieveking (1718–1763) OO Catharina Margaretha Büsch (1727–1803) 9 Kinder, darunter

Georg Heinrich Sieveking (1751–1799) OO Heinrich Christian Sieveking (1752–1809) Johanna (Hannchen) Margaretha OO Caroline Louise Vol(c)kmann Reimarus (1760–1832) (1767–1799) 5 Kinder, darunter 5 Kinder, darunter

Karl Sieveking (1787–1847) Friedrich Sieveking (1798– Amalie Wilhelmine OO Caroline Henriette de 1872) OO I. Louise Marianne Sieveking (1794–1859) Chapeaurouge (1797–1858) Johanne v. Hennings 6 Kinder (1799–1838) II. Fanny Hanbury (1795– 1888) 7 Kinder aus erster Ehe, darunter

Caspar Wilhelm Sieveking Ernst Friedrich Sieveking (1834–1917) OO Caroline (1836–1909) OO Olga Ottilie Söhle (1842–1915) Wilhelmine Amsinck 8 Kinder (1842–1922) 6 Kinder

| 86 | ·············································································································································· Ernst Friedrich Sieveking, Lebensdaten im Überblick ·············································································································································· 24. Juni 1836 Geboren in Hamburg 1848–52 Besuch des Johanneums in Hamburg 14. April 1852 Abitur 1852/53 Aufenthalt in England (vor allem in Liverpool) 1853–55 Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen 1855/56 Studium in Leipzig und Jena 1856/57 Studium wiederum in Göttingen 1. Mai 1857 Promotion zum Doktor beider Rechte (Dr. jur.) 25. Juni 1858 Zulassung als Rechtsanwalt in Hamburg 1858-77 Rechtsanwalt (von 1859 bis 1875 führte Sieveking seine Praxis allein) 25. September 1862 Heiratet Olga Wilhelmine Amsinck 1864–68 Musiker im Hamburger Bürgermilitär 1874 Wahl in die Hamburgische Bürgerschaft 1. Juni 1877 Wahl in den Hamburger Senat 1. Oktober 1879 Ernennung zum ersten Präsidenten des neugegründeten Hanseatischen Oberlandesgerichts 1879–1909 Vizepräsident und Präsident vieler internationaler Kongresse zur Rechtsprechung 1. Oktober 1904 Zahlreiche Ehrungen und Würdigungen aus Anlaß des 25-jährigen Dienstjubiläums 13. November 1909 Tod Ernst Friedrich Sievekings in Hamburg

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Literatur

Zur Quellenlage; Danksagung: ··································································· Als besonders wertvoll erwies sich der im Staatsar- Quellen und Sekundärliteratur: chiv Hamburg aufbewahrte Nachlass der Familie Ahrens, Gerhard: Art. Voigt, Johann Fried- Sieveking (Bestand 622-1/90 Sieveking, vor allem rich, in: Kopitzsch, Franklin; Brietzke, Dirk (Hg.): die Signaturen T). Daneben danke ich verschiede- Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Band 2, nen Mitgliedern der Familie Sieveking, vor allem Hamburg 2003, S. 430 Karl Sieveking (Hamburg) dafür, dass sie mir bei Albers, Jan: Das Hanseatische Oberlandesge- der Beschaffung von Informationen, Literatur und richt, in: Ders. u. a. (Hg.): Recht und Juristen in Bildern immer wieder behilflich waren. Mein be- Hamburg, Köln u. a. 1994, S. 103–111 sonderer Dank gilt auch Daniel Ihonor. Architekten- und Ingenieurverein zu ··································································· Hamburg (Hg.): Hamburg und seine Bauten un- Schriften Ernst Friedrich Sievekings, soweit sie ermit- ter Berücksichtigung der Nachbarstädte Altona telt werden konnten: und Wandsbek 1914, Band 2, Hamburg 1914 — Die Verhandlungen und Beschlüsse des zu Brüs- Aus Tante Carlotas Nachlass. Familien- sel im Jahre 1888 stattgehabten Congrès internatio- briefe Sieveking/Cramer aus Hamburg, Basel, Genf nal de droit commercial, betr. die seerechtliche Sek- u. a. aus den Jahren 1859 bis 1874 gesichtet und zu- tion, in: Zeitschrift für das Gesammte Handelsrecht, sammengestellt von Luisa Rebensburg-Reich, Ham- Band 36 (N. F. 21), Stuttgart 1889, S. 147–163 burg 1937 — Der Artikel 376 des Allgemeinen Deutschen Bertheau, Franz R.: Chronologie zur Ge- Handelsgesetzbuchs und der Entwurf eines Börsen- schichte der geistigen Bildung und des Unterrichts- gesetzes, in: Zeitschrift für das Gesammte Handels- wesens in Hamburg von 831 bis 1912, Hamburg recht, Band 44 (N. F. 29), Stuttgart 1896, S. 1–28 1912 — Der Kontokurrentvertrag im Entwurf des Han- Bolland, Jürgen: Die Gründung der „Ham- delsgesetzbuchs (§§ 326-328), in: Zeitschrift für das burgischen Universität“, in: Universität Hamburg Gesammte Handelsrecht, Band 45 (N. F. 30), Stutt- 1919-1969, Hamburg 1969, S. 17-105 gart 1896, S. 591-607 Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- — Der Entwurf eines Reichsgesetzes, betreffend sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 21 Abänderung der Vorschriften des Handelsgesetz- (Hamburger Geschlechterbuch, Band 3), Görlitz buchs über die Seeversicherung, in: Zeitschrift für 1912 das Gesamte Handelsrecht, Band 55 (N. F. 40), Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- Stuttgart 1904, S. 145–180 sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 171 — Die Hamburger Universität. Ein Wort der An- (Hamburgisches Geschlechterbuch, Band 12), Lim- regung, Hamburg 1905 burg a. d. Lahn 1975 — Ein Beitrag zur Lehre von der Versicherung auf Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- behaltene Ankunft eines Schiffes, in: Zeitschrift für sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 200 die gesamte Versicherungs-Wissenschaft, Band 6, (Hamburgisches Geschlechterbuch, Band 13), Lim- Berlin 1906, S. 592–606 burg a. d. Lahn 1996

| 88 | Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- (16. November 1909, Abend-Ausgabe): Beisetzung sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 205 von Dr. Ernst Friedrich Sieveking; Nr. 227 (15. Mai (Hamburgisches Geschlechterbuch, Band 14), Lim- 1912, Abend-Ausgabe): Eine Sieveking-Gedenk- burg a. d. Lahn 1997 tafel Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- Hamburgischer Correspondent Nr. 92 (2. sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 210 April 1885, Morgen-Ausgabe): Die Bismarck-Feier; (Hamburgisches Geschlechterbuch, Band 16), Lim- Nr. 229 (31. März 1895, Morgen-Ausgabe): Com- burg a. d. Lahn 2000 mers des Reichstags-Wahlvereins zur Feier des 80. Eckardt, Hans W.: Art. Wahlrecht, in: Ko- Geburtstages des Fürsten Bismarck; Nr. 461 (1. Ok- pitzsch, Franklin; Tilgner, Daniel (Hg.): Hamburg tober 1904, Morgen-Ausgabe): 25jähriges Amtsjubi- Lexikon, Hamburg 1998, S. 513 läum des Oberlandesgerichts-Präsidenten Dr. E. F. Eckardt, Julius von: Lebenserinnerungen. Sieveking; Nr. 462 (1. Oktober 1904, Abend-Aus- Zweiter Band, Leipzig 1910 gabe): Das Jubiläum des Präsidenten Sieveking; Eisenhart, August Ritter von: Art. Kraut, Nr. 579 (13. November 1909, Abend-Ausgabe): Prä- in: Allgemeine deutsche Biographie, Band 17, Leip- sident Sieveking †; Nr. 584 (16. November 1909, zig 1883, S. 92–93 Abend-Ausgabe): Trauerfeier für Ernst Friedrich Frensdorff, Ferdinand: Art. Thöl, in: Allge- Sieveking meine deutsche Biographie, Band 38, Leipzig 1894, Hamburgischer Staats-Kalender [für die S. 47–52 Jahre 1848 bis 1878], Hamburg Gaedechens, Cipriano F.: Historische Topo- Hammer, Friedrich; Schade, Herwarth graphie der Freien und Hansestadt Hamburg und von: Die Hamburger Pastorinnen und Pastoren ihrer nächsten Umgebung von der Entstehung bis seit der Reformation. Ein Verzeichnis. Teil 1: Alpha- auf die Gegenwart, Hamburg 1880 betisches Hauptverzeichnis, Hamburg 1995 Gerhardt, Johannes: Die Begründer der Ham- Dies.: Die Hamburger Pastorinnen und Pastoren burgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Hamburg seit der Reformation. Ein Verzeichnis. Teil 2: Ge- 2007 (Mäzene für Wissenschaft) meindeverzeichnis, Hamburg 1995 Ders.: Eduard Lorenz Lorenz-Meyer. Ein Ham- Harder, Karl W.: Zur Lehre von der Ansege- burger Kaufmann und Künstler, Hamburg 2007 lung. Eine Abhandlung aus dem Deutschen See- (Mäzene für Wissenschaft) rechte, Hamburg 1861 Goverts, Ernst F. (Bearbeiter): Die Mitglieder- Hartwieg, Oskar: Der Renvoi im deutschen liste der Gesellschaft „Einigkeit“ in Hamburg (ge- Internationalen Vertragsrecht, Frankfurt a. M., Ber- gründet 1761). Eine Jubiläumsausgabe zur Feier des lin 1967 150jährigen Bestehens der Gesellschaft, Hamburg Hauschild-Thiessen, Renate: Bürgermeister 1911 Johann Georg Mönckeberg, Hamburg 1989 (Ham- Grolle, Inge: Art. Sieveking, Amalie Wilhel- burgische Lebensbilder in Darstellungen und Selbst- mine, in: Kopitzsch, Franklin; Brietzke, Dirk (Hg.): zeugnissen; 1) Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Band 1, Dies.: Art. Burchard, Johann Heinrich, in: Ko- Hamburg 2001, S. 290–291 pitzsch, Franklin; Brietzke, Dirk (Hg.): Hamburgi- Dies.: Eine Diplomatenehe im Bann von Napo- sche Biografie. Personenlexikon, Band 2, Hamburg leon und Goethe. Karl Friedrich Reinhard (1761– 2003, S. 81–82 1837). Christine Reinhard geb. Reimarus (1771– Horwitz, Oscar: Charakterbilder aus dem 1815), [Bremen] 2007 (Hamburgische Lebensbilder Hanseatischen Oberlandesgericht, in: Hanseatische in Darstellungen und Selbstzeugnissen; Band 19) Rechts- und Gerichts-Zeitschrift, Abteilung A, 12 Hamburger Nachrichten Nr. 841 (29. No- (1929), Sp. 462–464 vember 1904, Abend-Ausgabe): Geschenk für Hübner, Rudolf: Art. Albrecht, in: Allgemeine Herrn Präsidenten Dr. F. Sieveking; Nr. 538 (13. No- deutsche Biographie, Band 45, Leipzig 1900, S. 743– vember 1909, Abend-Ausgabe): Ernst Friedrich 750 Sieveking †; Nr. 539 (14. November 1909, Mor- Ihonor, Daniel: Herbert Ruscheweyh. Verant- gen-Ausgabe): Ernst Friedrich Sieveking †; Nr. 542 wortung in schwierigen Zeiten, Baden-Baden 2006

| 89 | Jasper, Lutz: Gesellschaft Hamburger Juristen Melhop, Wilhelm: Historische Topographie 1885–1985. Erinnerungsschrift anläßlich ihres hun- der Freien und Hansestadt Hamburg von 1880 bis dertjährigen Bestehens im Dezember 1985, Köln 1985 1895, Hamburg 1895 Jedding, Hermann und Mitarbeiter: Hohe Ders.: Historische Topographie der Freien und Kunst zwischen Biedermeier und Jugendstil: Histo- Hansestadt Hamburg von 1895–1920. Mit Nachträ- rismus in Hamburg und Norddeutschland, Ham- gen bis 1923, Band 1, Hamburg 1923 burg 1977 (Museum für Kunst und Gewerbe) Melle, Werner von: Dreißig Jahre Hamburger Jendrowiak, Silke: Der Forschung. Der Lehre. Wissenschaft. 1891-1921. Rückblicke und persönli- Der Bildung. Hamburg und seine Universität, che Erinnerungen, Band 1, Hamburg 1923 Hamburg 1994 Mittelstein, Max: Dr. F. Sieveking, Präsident Jungclaussen, John F.: Risse in weißen Fassa- des Hanseatischen Oberlandesgerichts †, in: Lübe- den. Der Verfall des hanseatischen Bürgeradels, ckische Blätter (21. November 1909) München 2006 Mönckeberg, Carl: Geschichte der Freien und Kiesselbach, Wilhelm: Dem Gedenken Fried- Hansestadt Hamburg, Hamburg 1885 rich Sievekings, in: Hamburger Fremdenblatt Muther, Theodor: Art. Francke, in: Allgemeine Nr. 173 (23. Juni 1936, Abend-Ausgabe) deutsche Biographie, Band7,Leipzig 1878,S. 242–243 Knapp, Georg Friedrich: Art. Hanssen, in: Neue Hamburger Zeitung Nr. 534 (13. No- Allgemeine deutsche Biographie, Band 55, Leipzig vember 1909, Abend-Ausgabe): † Dr. Ernst Fried- 1910, S. 771–773 rich Sieveking Knuth, Ariane: Art. Reimarus, Christina So- Raffat, Hakim: Eppendorf und seine Parks. Vom phie Louise, in: Ders.; Brietzke, Dirk (Hg.): Ham- idyllischen Landsitz zur öffentlichen Grünanlage. burgische Biografie. Personenlexikon, Band 1, Mit Kurzbiografien der Hamburger Bürgermeister Hamburg 2001, S. 246–247 Rodenborg, Kellinghusen, Schröder und Hayn, Kopitzsch, Franklin: Art. Sieveking, Georg Hamburg 2004 Heinrich, in: Ders.; Brietzke, Dirk (Hg.): Hambur- Reimers, Brita: Art. Sieveking, Johanna (Hann- gische Biografie. Personenlexikon, Band 1, Ham- chen) Margaretha, in: Kopitzsch, Franklin; Brietz- burg 2001, S. 291–293 ke, Dirk (Hg.): Hamburgische Biografie. Personen- Kopitzsch, Franklin: Grundzüge einer Sozial- lexikon, Band 1, Hamburg 2001, S. 293–294 geschichte der Aufklärung in Hamburg und Al- Rothenberger, Curt (Hg.): Das Hanseatische tona, Hamburg 21990 Oberlandesgericht. Gedenkschrift zu seinem 60- Krieger, Martin: Geschichte Hamburgs, Mün- jährigen Bestehen, Hamburg 1939 chen 2006 Sass, Johann: Art. Mommsen, in: Allgemeine Kühn, Ulrich: Der Grundgedanke der Politik deutsche Biographie, Band 52, Leipzig 1906, S. 462– Bismarcks, Dettelbach 2001 464 Kurland, Hans-Joachim: Richter: Ernst Fried- Savigny, Karl von: Art. Briegleb, in: Allge- rich Sieveking – Max Mittelstein – Herbert Rusche- meine deutsche Biographie, Band 47, Leipzig 1903, weyh, in: Albers, Jan u. a. (Hg.): Recht und Juristen S. 233–234 in Hamburg, Köln u. a. 1994, S. 325–342 Schaps, Georg: Ernst Friedrich Sieveking †, in: Landsberg, Ernst: Art. Ribbentrop, in: Allge- Zeitschrift für das Gesamte Handelsrecht und Kon- meine deutsche Biographie, Band 28, Leipzig 1889, kursrecht, Band 66 (3. Folge: Band 7), Stuttgart S. 405–406 1910, S. 189–191 Leo, Martin: Ein hundertjähriges Anwaltsjubi- Schiefler, Gustav: Eine Hamburgische Kultur- läum, in: Hanseatische Rechts-Zeitschrift für Han- geschichte 1890–1920. Beobachtungen eines Zeit- del, Schiffahrt und Versicherung, Kolonial- & Aus- genossen. Bearbeitet von Gerhard Ahrens, Hans landsbeziehungen, sowie für Hansestädtisches Wilhelm Eckardt und Renate Hauschild-Thiessen, Recht, 5 (1922), Sp. 593–598 Hamburg 1985 Ders.: Charakterbilder aus dem Hanseatischen Schmidt, Gerrit: Die Geschichte der Hambur- Oberlandesgericht, in: Hanseatische Rechts- und gischen Anwaltschaft von 1815 bis 1879, Hamburg Gerichts-Zeitschrift, Abteilung A, 12 (1929), Sp. 461 1989

| 90 | Schröder, Carl A.: Heinrich Kellinghusen Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnten nicht J.U.D. Hamburgs letzter Bürgermeister nach alter für alle Abbildungen die Rechteinhaber ermittelt Ordnung, Hamburg [1896] werden. Sollte jemand in urheberrechtlicher Bezie- Ders.: Aus Hamburgs Blütezeit. Lebenserinne- hung Rechte geltend machen, so möge er sich an rungen, Hamburg 1921 die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung wen- Schröder, Carl A.: Lebensansichten eines Ver- den. legers. Eine Biographie. Aufgezeichnet von Hans ··································································· Joachim Schröder, Köln, Weimar, Wien 2005 Bildnachweis: Schröder, Hans J.: Hermann Franz Matthias Denkmalschutzamt Hamburg Bildarchiv (S. 85) Mutzenbecher. Ein Hamburger Versicherungsun- Deutsches Geschlechterbuch 200 (S. 8, 20) ternehmer, Hamburg 2008 (Mäzene für Wissen- Foto Christoph Irrgang, Hamburg (S. 14) schaft) Fotos Jan Luchterhand, Pinneberg (S. 69, 82) Ders.: Die Brüder Augustus Friedrich und Gustav Müller, Bruno A.: Die Bilder der Familie Sieveking, Adolph Vorwerk. Zwei Hamburger Kaufleute, Hamburg 1934 (S. 9) Hamburg 2009 (Mäzene für Wissenschaft) Museum für Hamburgische Geschichte (S. 67) See, Klaus von: Die Göttinger Sieben. Kritik Privatarchiv Anna-Christa Albers (S. 33) einer Legende, Heidelberg 32000 Privatarchiv Karl Sieveking (S. 25, 30 f., 36, 39, 43, Stephan, Inge: Aufklärer als Radikale? Literari- 53, 75 f., 80) sche und politische Opposition in Hamburg und Privatarchiv Michel Sieveking (S. 32) Altona am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Dies.; Rothenberger, Curt (Hg.): Das Hanseatische Ober- Winter, Hans-Gerd (Hg.): Hamburg im Zeitalter landesgericht, Hamburg 1939 (S. 55 f., 70 f.) der Aufklärung, Hamburg 1989, S. 420–442 Staatsarchiv Hamburg (S. 8, 10, 17, 34 f., 37, 48, 59, Suse, Theodor: Sieveking, in: Die Zukunft, 18,9 61) (1909), S. 286–288. [Wiederabgedruckt in: Charak- terbilder aus dem Hanseatischen Oberlandesge- richt, in: Hanseatische Rechts- und Gerichts-Zeit- schrift, Abteilung A, 12 (1929), Sp. 457–461.] Treue, Wilhelm: Geschichte einer Hamburgi- schen Anwaltssozietät. Von der Gründung der Kanzlei im Jahre 1822 bis zur Gegenwart, [Ham- burg] 1986 Verhandlungen zwischen Senat und Bür- gerschaft im Jahre 1879, Hamburg 1880. Vogt, Paul: Ernst Friedrich Sieveking, der erste Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts, in: Rothenberger, Curt (Hg.): Das Hanseatische Oberlandesgericht. Gedenkschrift zu seinem 60- jährigen Bestehen, Hamburg 1939, S. 115–127 Wogatzky, Hans: 120 Jahre oberste Hanseati- sche Gerichte, in: Rothenberger, Curt (Hg.): Das Hanseatische Oberlandesgericht. Gedenkschrift zu seinem 60jährigen Bestehen, Hamburg 1939, S. 15– 111 ···································································

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Namensregister

Verzeichnet sind die Namen von Personen und ··································································· Familien, die in den Kapiteln 1 bis 10 genannt wer- Geertz, Henry 78 den. Anmerkungen bleiben unberücksichtigt, eben- Georg V., König von Hannover 26* so der Name Ernst Friedrich Sieveking. Ein * ver- Gerhardt, Johannes 49 weist darauf, dass auf der angegebenen Seite (auch) Gervinus, Georg Gottfried 25 ein Bild der jeweiligen Person bzw. der Name eines Glage, Max 83 Malers erscheint. Goethe, Johann Wolfgang von 7, 15, 33 ··································································· Grethmann, geb. Brückner 43 Adloff, Bürgermilitär 37 Grimm, Jacob 25 Albers, Jan 46 Grimm, Wilhelm 25 Albers, Margaretha (Margherita), geb. Lorenz- ··································································· Meyer 34, 35 Hamann, Johann Georg 15 Albrecht, Wilhelm Eduard 24, 25 Hansen, Gustav Chr. Friedrich 33 Aristophanes 31 Hanssen, Georg 21 ··································································· Hennings, August von 9 Baylee, Geistlicher 16 Herder, Johann Gottfried von 15 Behn, Fritz 68, 83 Hermann, Emil 21 Bismarck, Otto von 39, 46, 64, 65, 66, 67 Herodot 31 Bock, Arthur 84 Hinrichsen, Bürgermilitär 37 Bolland, Jürgen 73, 74 Hübbe, Wasserbau-Direktor 44 Briegleb, Hans Karl 23 ··································································· ··································································· Kalckreuth, Leopold Graf von 70*, 71*, 72 Cicero, Marcus Tullius 31 Kant, Immanuel 15, 21 Cordes, Karl August 81 Kellinghusen, Heinrich 9 ··································································· Kiesselbach, Wilhelm 54 Dahlmann, Friedrich Christoph 25 Klinger, Friedrich Maximilian 15 Donnenberg, Offizier 11 Klopstock, Friedrich Gottlieb 7 ··································································· Knauth, Johann Carl 28, 29, 30 Eckardt, Julius von 41, 42 Knigge, Adolph Freiherr von 7 Ernst August, König von Hannover 25 Kopitzsch, Franklin 7 Ewald, Heinrich Georg August 25 Kraft, Friedrich Karl 15, 16 ··································································· Kraut, Wilhelm Theodor 21, 23, 24 Flor, Ferdinand 14* Kunhardt, Bürgermilitär 35 Framhein, Otto Heinrich 41 Kurland, Hans-Joachim 9, 26, 40, 47, 50 Francke, Franz Gottfried 21 ··································································· Frank, Louis 68 Lederer, Hugo 66 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich-Ungarn 30 Lenz, Jakob Michael Reinhold 15

| 92 | Lessing, Gotthold Ephraim 15 Schiller, Friedrich von 13, 14, 15 Lorenz-Meyer, Alice, geb. Sieveking 49 Schlüter, Sekretär 28 Lorenz-Meyer, Eduard Lorenz 49 Schönauer, Alexander 68 Lotze, Rudolph Hermann 21 Scott, Sir Walter 33 ··································································· Shakespeare, William 33 Mann, Wilhelm 71* Sieveking, Alfred 49 Marc Aurel 34, 36* Sieveking, Amalie 8, 9, 13 Matsch, Franz 31 Sieveking, Caspar Wilhelm 13, 14*, 15, 16, 18, 20*, Melle, Werner von 62, 73, 74, 77 22, 23, 24, 25*, 26 Merck, Ernst Freiherr von 28 Sieveking, Fanny, geb. Hanbury 13 Meyer, Familie 11 Sieveking, Friedrich 9*, 10*, 11, 13, 15, 16, 18, 20 Millet, Aimé 68 Sieveking, Georg Heinrich 7, 8*, 9, 25 Mirabeau, Honoré Gabriel Riqueti, Graf von 7 Sieveking, Gustav 49 Mittelstein, Max 52, 54 Sieveking, Heinrich Christian 8 Mommsen, Friedrich M. 21, 23, 24 Sieveking, Henriette Maria (Mary) Elisabeth, Mönckeberg, Johann Georg 28, 29, 41 geb. Merck 11 Moraht, Pastor 10 Sieveking, Johanna Margaretha (Hannchen), Müller, Cornelius 15 geb. Reimarus 8*, 9, 13 Münsterberg, Hugo 74, 77 Sieveking, Johannes Hermann 10, 11 ··································································· Sieveking, Karl 10, 74 Napoleon 7 Sieveking, Louise Marianne Johanne, geb. von Nierl, Bürgermilitär 37 Hennings 9, 13 ··································································· Sieveking, Olga Wilhelmine, geb. Amsinck 31*, Petersen, Carl Friedrich 11, 40, 41, 67 32*, 49, 81, 82*, 83 Petersen, Olga, geb. Sieveking 49 Sieveking, Oskar 49 Petersen, Rudolf Hieronymus 49 Sieveking, Peter Niclaes 7 Poel, Emma 11 Stucken, Günther 26 ··································································· Suse, Theodor 40, 50, 51, 52 Racine, Jean 33 ··································································· Reimarus, Albert Heinrich 8 Thöl, Johann Heinrich 21, 23 Reimarus, Hermann Samuel 8 Treue, Wilhelm 28, 29, 30 Reimarus, Sophie 8, 9 ··································································· Ribbentrop, Georg Julius 21 Vogt, Paul 28, 31, 39, 40, 58 Ritter, Georg Heinrich 54 Voigt, Johann Friedrich 29, 30 Röller, M. Gottfried Günther 13 ··································································· ··································································· Wachsmuth, Otto August Louis 30 Schiefler, Gustav 70, 73, 74, 77 Waitz, Georg 21, 23

| 93 | Walther, Pastor 10 Weber, Hermann Anthony Cornelius 47 Weber, Wilhelm Eduard 25 Wentzel, Otto von 65 Wilhelm I., Deutscher Kaiser 65 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 26, 30, 67 Woermann, Finanzbürger 10

| 94 | Impressum Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung Bibliografische Information der Deutschen Natio- Edmund-Siemers-Allee 1, Raum 113 nalbibliothek 20146 Hamburg Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese http://hmb-wiss-stift.de Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die Online-Version dieser Publikation ist auf der Verlagswebsite frei verfügbar (open access). Die Deutsche Nationalbibliothek hat die Netzpublika- tion archiviert. Diese ist dauerhaft auf dem Archiv- server der Deutschen Nationalbibliothek verfügbar.

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ISBN 978-3-937816-70-8978-3-937816-67-8 ISSN 1864-3248

© 2009 Hamburg University Press, Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Deutschland

Produktion: Elbe-Werkstätten GmbH, Hamburg, Deutschland, http://ew-gmbh.de Grundgestaltung: Peter Schmidt Group, Hamburg Layout: Michael Sauer Redaktion, Koordination und Lektorat: Dr. Johannes Gerhardt Herausgeber: Dr. Ekkehard Nümann

| 95 | HWS_SU_Sieveking_5.10.09_END 05.10.200922:35UhrSeite1 Oberlandesgerichts Erster Präsident des Hanseatischen Ernst Friedrich Sieveking. Band 7 BallinAlbert Band 6 Hamburger Kaufleute und Gustav Adolph Vorwerk. Zwei Die Brüder Augustus Friedrich Band 5 rungsunternehmer becher. Ein Hamburger Versiche- Hermann Franz Matthias Mutzen- Band 4 Künstler Ein Hamburger Kaufmannund Eduard Lorenz Lorenz-Meyer. Band 3 ihres Lebens andieZeiten und rung Themen Laeisz. Eine biographischeAnnähe- Sophie ChristineundCarlHeinrich Band 2 Wissenschaftlichen Stiftung Die Begründer derHamburgischen Band 1 schaft“ sindbishererschienen: Aus derReihe „Mäzene für Wissen-

Ernst Friedrich Sieveking: Erster Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts Erster Präsident desHanseatischen Oberlandesgerichts Ernst Friedrich Sieveking Alter von knapp viele Jahre allein führte. führte. allein Jahre viele kanzlei ein, die er bald erfolgreich für trat er in eine renommierte Anwalts- Anschließend war. Jurist gebildeter ug ad er fand mung wählt. Zu seiner eigentlichen Bestim- und drei Jahre später in den Senat ge- er in die Hamburgische Bürgerschaft i dr Promotion der mit dium in Göttingen, Leipzig und Jena Stu- dem und Johanneums des such Begabungen, so dass er nach dem Be- besondere Sieveking Friedrich Ernst dient gemacht hat. Schon früh zeigte ver- Maß besonderem in Hamburgs Familie, die sich um die Entwicklung Hauptvertreterneiner den zu gehört und Geschichte Hamburgischen der den herausragenden Persönlichkeiten zu zählt Sieveking Friedrich Ernst Frontseite, erinnert bis heute an ihn. der an Oberlandesgericht dem mit Hamburg, in Sievekingplatz bene umge- Justizgebäuden präsentativen re- drei von Der angehörte. Stiftung Wissenschaftlichen Hamburgischen der Kuratorium ersten dem auch er weshalb ein, Universität burger engagiert für die Gründung der Ham- sehen verhalf. Daneben setzte er sich An- hohem zu Seerechtsexperte als insbesondere Gericht dem er wobei dreißig Jahre lang, blieb er Präsident, Tod, seinem zu Bis landesgerichts. Ober- Hanseatischen gegründeten nung zum ersten Präsidenten des neu 1879 21 Jahren fertig aus- i dr Ernen- der mit 1857 1874 eet im bereits wurde