Haus- Und Wildtiernutzung in Den Jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlungen Des Kantons Thurgau
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Haus- und Wildtiernutzung in den jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlungen des Kantons Thurgau Autor(en): Schibler, Jörg Objekttyp: Article Zeitschrift: Archäologie der Schweiz = Archéologie suisse = Archeologia svizzera Band (Jahr): 20 (1997) Heft 2: Kanton Thurgau PDF erstellt am: 05.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-16687 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. 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Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch Haus- und Wildtiernutzung in den jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlungen des Kantons Thurgau Jörg Schibier Die Grundlagen der neolithischen Abb. 1 Jahre v.Chr Kulturen Fundstelle Schichten Anzahl Anzahl Total Nahrungswirtschaft Datierung sowie Haustierknochen Wildtier bestimmbare Grösse der knochen Tierknochen berücksichtigten Die Haltung von Haustieren und die Zucht jungsteinzeitlichen von Kulturpflanzen gehören zu den Tierknochenkomplexe 2600 Schnurkeramik aus dem wichtigsten Errungenschaften des prähistorischen Kanton Thurgau. Menschen. Ohne diese grundlegenden Le materiel faunique 2700 Steckborn, Turgi II 20+25 32 11 43 Erfindungen wäre letztlich unser mis au jour en utilise Lebensstandard nicht Thurgovie heutiger möglich. dans cet article par 2800 Diewildbeuterische Lebensweise, bei datation et taille des welcher sich die menschliche Ernährung nur complexes. Insiemi di 2900 auf die beiden »Säulen« ossa Sammelwirtschaft animali oggetto di und Jagd stützt, kann innerhalb eines studio e loro 3000 bestimmten eine kleine Zahl datazione. Horgen Biotops nur von Steckborn. Turgi I 40 + 32 67 15 82 Menschen ernähren. Heute existieren viele Theorien, welche einerseits wirtschaftliche 3100 Ermatingen 20-40 71 11 82 Notsituationen, andererseits aber auch Überfluss als Triebfeder für den Übergang 3200 Steckborn, Turgi II 30 + 33 54 10 64 Steckborn, Turgi II 35 + 40 66 22 88 von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise verantwortlich 3300 machen1. In Analogie zu Erkenntnissen, welche aufgrund archäobiologischer 3400 Übergang Arbon, Bleiche 3 207 173 380 Untersuchungen an schweizerischen Pfyn-Horgen Feuchtbodensiedlungen während der letzten 15 Jahre erzielt wurden, wir davon 3500 gehen aus, Steckborn, Schanz 1035 1054 2089 dass vor allem die beschränkten Möglichkeiten des reinen Wildbeutertums 3600 ausschlaggebend waren, um vor etwa 10'000 bis 12'000 Jahren im Vorderen Orient 3700 Niederwil 1424 287 1711 einen Innovationsschub auszulösen, welcher zur Herausbildung eines bäuerlichen Pfyn Pfyn 53 90 143 3800 Wirtschaftssystems führte. Die frühesten Nachweise dieser neuen Steckborn, Turgi II 50, 55, 60 94 69 163 3900 Wirtschaftsweise finden wir im Kanton Thurgau in den jungsteinzeitlichen 4000 Siedlungen, welche zwischen das 39. und 27. Jahrhundert v. Chr. datieren und mit wenigen Ausnahmen am Bodensee liegen. Die Tierknochenfunde aus diesen Siedlungsschichten te)2. Sie stammen aus den Kulturen Pfyn, Aufgrund der zur Zeit greifbaren archäo- geben uns Auskunft über die Horgen und Schnurkeramik. Die meist zoologischen Resultate fällt auf, dass in frühen Formen der bäuerlichen Wirtschaft kleinen Komplexe reichen für einen ersten vier der zehn Fundkomplexe mit 42 bis im Bodenseeraum. Hinweis auf die wirtschaftlichen Verhältnisse 63% Wildtierknochen eine sehr hohe der jungsteinzeitlichen Seeufersiedlungen Bedeutung der Jagd belegt ist. Alle diese des Kantons Thurgau zwar aus, Siedlungen liegen im Zeitabschnitt Die Bedeutung der Haustierhaltung und sind aber letztlich doch oft zu klein, um zwischen 3900 und 3300 v. Chr. (Abb. 2). Dies der Jagd detaillierte Erkenntnisse über Nutzungsformen entspricht dem für das ganze östliche sowie Wuchsform und Grösse der Mittelland erarbeiteten Trend3. Insbesondere Für unsere Betrachtungen berücksichtigen Haus- und Wildtiere zu liefern (Abb. 1). während des 40. und während des 37. und wir zehn Tierknochenensembles, welche Hierüber erhoffen wir uns durch die laufenden 36. Jahrhunderts finden sich in der aus den sechs jungsteinzeitlichen Analysen der etwa 70'000 Tierknochen östlichen Landeshälfte mehrere Feuchtbodensiedlungen, Fundstellen Ermatingen, Pfyn, Niederwil, der zwischen 1993 bis 1995 die grosse Mengen an Steckborn (Schanz und Turgi) und Arbon, ausgegrabenen Siedlung Arbon, Bleiche 3 Wildtierknochen geliefert haben. Die umfangreichen Bleiche 3 stammen (siehe Fundstellenkar- genauere Informationen. archäozoologischen Untersu- chungen der Zürcher Seeufersiedlungen ten nur bestimmte Sammelpflanzen ähnlich % H m haben ergeben, dass mehr Jagd immer eine hohe Kalorienanteile wie das Getreide. zusätzliche »Produktion« von Fleisch In Notzeiten wurden deshalb neben der Jahre v.Chr. Häufigkeiten " bedeutet. Die Berechnungen der gesteigerten Jagdtätigkeit nachweislich 2600 ; der Haus- und Wildtierknochen pro stark kohlehydrat- oder fetthaltige Samenoder in 2700 Quadratmeter und Siedlungsphasen Früchte (z.B. Nüsse) häufiger gesammelt. den Zürcher Fundstellen haben deutlich Ein stark intensiviertes Wildbeuter- 2800 " gemacht, dass in Zeiten intensiver Jagdtätigkeit tum müsste offenbar einen beachtlichen die Haustierhaltung nicht vernachlässigt, Teil des täglichen Kalorienbedarfes 2900 " sondern gleich intensiv weiter beibringen, welcher in günstigeren Zeiten betrieben wurde4. Wir müssen also davon durch die Getreideproduktion gedeckt 3000 " ausgehen, dass die Bewohner der Dörfer werden konnte. Wir können deshalb davon mit hohen Wildtieranteilen einen höheren ausgehen, dass die hohen Wildtieranteile 3100 " Fleischkonsum hatten als jene mit geringem der Siedlungen von Steckborn, Pfyn und Jagdanteil. Was veranlasste aber die Arbon Ausdruck klimatisch bedingter, 3200 " Bewohner der Pfyner Siedlungen von wirtschaftlicher Krisensituationen sind, während Steckborn (Turgi und Schanz), Pfyn und derer die Bewohner waren, 3300 " gezwungen Arbon, Bleiche 3, mehr Fleisch zu essen? intensiver zu jagen und zu sammeln. J 3400 War es nur die Vorliebe für Wild oder verbergen sich noch andere Gründe dahinter? 3500 " Die systematischen archäobiologischen Die Bedeutung der einzelnen ¦ Untersuchungen der Zürcher Haustierarten 3600 Seeufersiedlungen haben deutlich gemacht, dass wohl wirtschaftliche Unter den Haustieren kommen dem i vorwiegend nur 3700 ^¦H Krisensituationen - d.h. Ernteausfälle beim Rind und dem Schwein grössere Getreide - eine Zunahme der Jagd zur Folge wirtschaftliche Bedeutung zu. Die kleinen " 3800 hatten5. Die wichtigste Grundlage der Wiederkäuer Schaf und Ziege sind in allen jungsteinzeitlichen Ernährung war das jungsteinzeitlichen Thurgauer Siedlungen 3900 Getreide. Bei klimatisch günstigen Verhältnissen nur sehr selten vertreten (Abb. 4). Erst ab 0 20 40 60 60% steuerte das Getreide mindestens der Horgener und der Schnurkeramischen die Hälfte des Kalorienbedarfs Kultur etwa ab 3250 v. erhöhen Abb.2 täglichen (d.h. Chr.) Die Wildtieranteile in den bei (Abb. 3A)6. Zusammen mit den weiteren sich die Anteile der Knochen auf über 10%. jungsteinzeitlichen Siedlungen Kultur- und Sammelpflanzen wurden Die Rinder- und Schweineknochen weisen des Kantons Thurgau aufgrund somit mindestens zwei Drittel bis in den Thurgauer Siedlungen Prozentwerte der Knochenzahlen (vgl. Abb. 1). sogar Die höheren Wildtieranteile in den drei Viertel der nötigen Kalorien über die auf, die sehr gut denen des übrigen Siedlung zwischen 3300 und pflanzliche Ernährung abgedeckt. Fielen schweizerischen Mittellandes entsprechen7. 3900 v Chr. sind deutlich zu die Getreideernten, bedingt durch ungünstige In den Dörfern der älteren und erkennen; sie sind vor allem durch hohe Hirschanteile bedingt. klimatische Bedingungen mit kühlen mittleren Pfyner Kultur entfallen die höchsten Les pourcentages d'animaux und nassen Sommern, in den jungsteinzeitlichen Prozentwerte meistauf die Rinderknochen dans les sites sauvages Ufersiedlungen geringer aus als (Abb. 4). Wie die Berechnungen der neolithiques de Thurgovie sur la base du nombre d'ossements erwartet, so mussten die fehlenden Kalorien durchschnittlichen Anzahl der Knochen pro (cf.fig. 1). durch andere Nahrungsmittel wettgemacht Quadratmeter und Siedlungsphase in den Percentuale di animali selvatici werden. Eine gesteigerte Sammel- Zürcher Fundkomplexen deutlich gezeigt dagli insediamenti neolitici del Canton Turgovia in base al und Jagdtätigkeit war sicher eine der haben, waren in den jungneolithischen numero di ossa (cfr. fig. 1). einfachsten Möglichkeiten, fehlende Dörfern die Rinderherden vermutlich