Automobile Klassiker
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ZeitHaus Automobile Klassiker Borgward Isabella – die schnelle Individuelle aus Bremen 1954-1962 Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – dies ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren: Automobile, die Maßstäbe definierten und anderen Herstellern als Vorbild dienten, sei es technologisch, konzeptionell, im Design oder in der Produktionsweise. Die Isabella von Carl F. W. Borgward gehört zweifellos zu diesem elitären Kreis: Sie war die erste deutsche Mittelklasse-Limousine sportlich-luxuriöser Prägung, aufwändig in der Technologie, schick in der Linienführung – und damit erste Wahl für Individualisten. Ihre Erfolgsserie brach auch mit dem Niedergang des Borgward-Imperiums nicht ab: Andere Marken kopierten ihr Konzept und ernteten die Früchte. Technisch gleicht die Isabella ihrem direkten Vorläufer: dem eher behä- big-biederen Hansa 1500, der 1949 als erste deutsche Nachkriegs-Kons- truktion sein Debüt gab – und die erste deutsche Limousine mit Pon- tonkarosserie war. Doch in Charakter, Fahrgefühl und Image trennen Isa- bella und Hansa 1500 Welten. Die charmante Typbezeichnung war aus einer Laune des Chefs heraus entstanden („Nennt sie doch einfach ‚Isabella’!“). Der Name hat am speziellen Wesen der Bremer Limousine zwar einen gewissen Anteil, doch mehr noch prägte das von Zeitgenossen 1954 als unerhört dynamisch und elegant empfundene Karosserie-Design das Image dieser Schrittmacherin des Individualismus. Außerdem ließ ihr jugendliches Temperament die Isabella aus der brav- bürgerlichen, von Mercedes (180/190) und Opel (Olympia Rekord) geprägten Mittelklasse herausragen. „Der Wagen lag goldrichtig im Markt“, analysierte im Rückblick Werner Oswald, der führende Motorjournalisten der Wirtschafts- wunderzeit, den damaligen Isabella- Hype. „Er war technisch hervorragend konzipiert, und seine äußere Form wurde mit geradezu enthusias- tischem Beifall begrüßt.“ Borgward- Verkäufer schrieben folglich Isabella-Bestellungen im Akkord. In Bremen liefen die Fließbänder heiß – mit fatalen Auswirkungen auf die anfängliche Qualität des Wagens. So kursierte alsbald das Bonmot vom „Gauner im Frack“, wenn von der Isabella die Rede war – doch der Anziehungskraft der Bremer Schönheit auf potenzielle Liebhaber schadete das wenig. Zumal intensive Modellpflege im Herbst 1957 die meisten Kinderkrankheiten der glamourösen Isabella heilte Neben der normalen 60-PS-Limousine und dem davon abgeleiteten, dreitürigen Kombi profitierten von der Standfestigkeits-Kur auch die beiden zusätzlichen Isabella- Varianten, deren Ruhm erheblich zur Isabella-Legende beitrug: Gemeint ist einerseits die besonders sportliche Isabella TS mit 75 PS unverändert 1,5 Liter Hubraum, die im September 1955 ihr Debüt gab. Andererseits gemeint ist das von der Isabella TS abgeleitete, völlig individuell karossierte, zweisitzige Isabella Coupé, das 1957 in Serie ging. Die TS mit Atem raubenden 150 km/h Höchstgeschwindigkeit setzte Mitte der 50er Jahre in Sachen Fahrleistungen den europäischen Mittelklasse-Maßstab. Die gelang dem Bremer Coupé mit einer allseits bewunderten formalen Grazie, die im Großserienbau bestenfalls in Gestalt des Volkswagen Karmann-Ghia eine Parallele fand. Dabei bediente sich Carl F. W. Borgward, der seinen Autos höchst- persönlich die Linien vorgab, einer ähnlichen Formensprache, wie Ghia- Designer Luigi Segre bei der Gestal- tung des Volkswagen-Zweisitzers. Er kombinierte einen lang gestreckten, fließenden Karosserie-Unterbau mit keckem Hüftschwung und einer aus- gesprochen zierlichen, üppig verglas- en Dachpartie. Gedacht hatte Borgward sein Coupé ursprünglich als Einzelstück und Ge- schenk für seine Gattin. Doch wer immer der Bremer Studie ansichtig wurde, riet zur Serien- fertigung – zu der sich Borgward nicht lange bitten ließ: Ab 1957 konnte jedermann Borgwards Prachtstück kaufen. Vorausgesetzt, er war bereit, knapp 11.000 DM zu inves- tieren und damit rund 2.500 DM mehr, als für eine gleich motorisierte Isabella TS Limousine. Mit etwas über 7.000 DM war auch die 60- PS-Limousine, wie sie im ZeitHaus der Autostadt in Wolfsburg einen Stammplatz unter den dort versammelten Meilensteinen besetzt, kein billiges Vergnügen. Man musste Mitte der 50er Jahre vielmehr arriviert sein, um auf den Preis eines Volkswagen Käfer Export (4.600 DM) genau 2.665 DM drauflegen zu können. Oder aber für den Borgward knapp 1.000 DM mehr zu bezahlen, als in den anderen deutschen 1,5- Liter zu investieren war: in den Opel Olympia Rekord. Doch andererseits war eine Isabella wiederum auch bemerkenswert preiswert, bedenkt man ihre technische Finesse gerade im Vergleich zu dem Rüsselsheimer, in amerikanischer Weise recht simpel konzipierten Hubraum-Konkurrenten. So stand der Borgward in der Fahrwerks- Technologie mit Dop- pel-Querlenkern vorn, Pendelachse mit Schub- streben hinten sowie Schraubenfedern rund- um durchaus auf dem Niveau des damaligen Mercedes 180 („Pon- ton-Mercedes“), den sich Daimler-Benz 1954 mit knapp 10.000 DM honorieren ließ. In der Motorentechnik zeigte sich der Borgward dem noch im Vorkriegs-Stil mit seitlich stehenden Ventilen aufwartenden 180 gar voraus: Beim ihm hängen die Ventil bereits in moderner Manier im Zylinderkopf – ein Isabella-Plus von acht PS gegenüber dem Mercedes trotz 0,3 Liter kleinerem Hubraum ist das damals viel beachtete Resultat. Kein Wunder, dass Mercedes-Fahrer gegenüber der frechen Bremerin das Nachsehen hatten, wenn es ans Sprinten und ans Stre- ckemachen geht. So stehen bei der Isabella (nach etwas über 30 Sekunden) bereits knapp 120 km/h an, wenn der schwäbische Typ 180 aus dem Stand gerade mal auf 100 km/h beschleunigt hat. Und mit 135 km/h Höchstgeschwindigkeit markiert die Bremerin gegenüber dem Stuttgarter ein Plus von rund zehn km/h. Natürlich sind derartige Fahrleistungen keine Taten, die dem Automobilisten von heute Ehrfurcht ins Gesicht meißeln. Doch im zeitgenössischen Vergleich bedeuteten sie eine Überlegenheit gegenüber rund 60 Prozent der restlichen Verkehrsteilnehmer – dies in einer Epoche, da das Urmaß der automobilen Fortbewegung der Volkswagen Käfer (mit nach Werksangabe etwas über 110 km/h) war. Selbst ein Sechszylinder Opel Kapitän – Werksangabe 138 km/h – rannte nur marginal schneller; und dem Mitte der 50er Jahre schnellsten Ford (Taunus 15 M) ging bei 128 km/h die Puste aus. Doch damit nicht genug. Eine von kundiger Hand bewegte Isabella war der Konkurrenz nicht nur auf gerader Strecke überlegen, sondern auch – und ganz besonders – auf kurvigem Terrain. Noch heute erstaunt diese mittlerweile über 55 Jahre alte Limou- sine mit einer bemerkens- werten Kurvenagilität und einer mühelosen Beherrschbarkeit. Zwar neigt die Hinterachse pendelachstypisch beim Gaslupfen in Kurven zum Aufstützen und Einklappen, doch der Fahrer realisiert davon nicht mehr, als ein gut kontrollierbares, zusätzliches Einlenken in die Kurve, von Fachleuten „Übersteuern“ genannt. Die schon im Stand nicht überaus schwer- gängige Lenkung erlaubt in solchen Situationen reaktionsschnelle Korrekturen. Und bald ertappt sich der ambitionierte Pilot dabei, derartige Manöver mutwillig zu provozieren. Ein wenig hinderlich ist bei zügiger Fahrt und angestrebten schnellen Gangwechseln einzig die etwas hakelige Lenkradschaltung – ein Prinzip, das Mitte der 50er Jahre höchste Modernität signalisierte (und erst später in den Ruf der Unsportlichkeit geriet): Selbst Alfa Romeo lieferte Sportlimousinen und Sport- coupés damals mit Lenkradschaltung aus. Und auch im Porsche-Versuch liefen 356-Proto- typen mit Lenkradschaltung – die allerdings nicht den Seriensegen von Ferry Porsche erhielten. Mit der Isabella schuf sich Carl F. W. Borgward nicht nur ein Denkmal, das alle seine sonstigen Kreationen der Marken Hansa, Goliath und Lloyd überstrahlt. Er initiierte zudem eine damals neuartige Fahrzeug-Gattung, die BMW Anfang der 60er Jahre das Überleben sichern sollte: die sportlich-luxuriöse, kompakte, familientaugliche Mittelklasse-Limousine für Menschen mit Freude am Fahren und einem Hang zum Individualismus. Borgward verkaufte von seiner Isabella über 202.000 Exemplare, doch weitere Früchte seines Einfallsreichtums und seiner Weitsicht durfte er leider nicht ernten. Die erste bundesrepublikanische Wirtschaftskrise, aber auch Borgwards modellpolitisches Verzetteln und politische Intrigen brachten sein Bremer Imperium erst ins Wanken und bedeuteten vor 50 Jahren, 1961, dessen Untergang. Die Isabella entstand in kleiner Stückzahl noch bis 1962. Carl F. W. Borgward verkraftete den Niedergang seines Lebenswerks nicht: 28. Juli 1963 verstarb der Unternehmer mit knapp 73 Jahren. Hersteller: Carl F. W. Borgward GmbH / Baujahr: 1955 Meilenstein Borgward Isabella Warum Meilenstein? Carl F. W. Borgward schuf mit seiner Isabella die erste deutsche Mittelklasse- Limousine sportlicher Prägung. Insbe- sondere in der 1955 vorgestellten TS- Version verband die Isabella wie kein anderes deutsches Fabrikat hohen Komfort, herausragende Fahrleistungen und innovative Konstruktionsdetails. Wann entstanden? Als Nachfolgerin des Hansa 1500/1800 gab die Isabella im Juni 1954 ihr Debüt. 1955 folgten der Isabella Kombi und die 75 PS starke TS-Version, außerdem in Kleinstserien 2/2-sitzige Coupés und Cabrios des Kölner Karosseriebauers Deutsch. Das legendäre Werkscoupé der Isabella wurde ab Februar 1957 gebaut. Die Isabella-Produktion endete 1962, ein Jahr nach dem Borgward- Konkurs. Wie erfolgreich? Mit insgesamt 202.872 gebauten Autos war die Isabella das erfolgreichste Modell der Borgward-Gruppe (Borgward, Goliath, Lloyd). Welche Wirkung? Bis heute gilt die Isabella als Inbegriff des mittelständischen Luxuswagens sportlicher Prägung, deren Tradition nach dem Borgward-Konkurs zunächst von BMW, später auch von Audi gepflegt wurde. Welche Daten? Vierzylinder-Reihenmotor, 1.493 ccm, 44 kW/60 PS, rundum Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern, Höchstgeschwindigkeit: 135 km/h; damaliger Neupreis: 7.265 DM. Weitere Informationen finden Sie unter www.autostadt.de oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected] Fotonachweis: Autostadt, bei einigen der abgebildeten Anzeigen- oder Prospekt-Motiven handelt es sich um zeitgenössische Dokumente .