Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Wintersemester 2015/2016 Wissenschaftliche Staatsprüfung für das Lehramt am Gymnasium Wissenschaftliche Arbeit im Fach Geschichte

Die sozialdemokratischen Jubiläen 1963 und 2013 Geschichtspolitik im Vergleich

Betreut von: Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier Historisches Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Lehrstuhl für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte Platz der Universität – Kollegiengebäude IV 79085 Freiburg

Vorgelegt von:

Kilian Flaig geboren am 2. September 1987 Gumpensteige 12, 79104 Freiburg, [email protected]

Inhalt

Einleitung ...... 1

1 Theorien, Begriffe, Konzepte ...... 4

1.1 Erinnerungskultur und Geschichtspolitik ...... 4

1.2 Ein geschichtspolitischer Blickwinkel ...... 6

1.3 Vom individuellen zum sozialen Gedächtnis ...... 8

1.4 Vom sozialen zum politischen Gedächtnis ...... 10

1.5 Das Speicher- und Funktionsgedächtnis ...... 11

1.6 Ein Untersuchungsraster für den Vergleich der Jubiläen ...... 14

2 Die Geschichtspolitik 1963 ...... 16

2.1 Historischer Hintergrund ...... 16

2.1.1 Der historische Rahmen ...... 16

2.1.2 Die SPD in den frühen 1960ern ...... 20

2.1.3 Was fand statt? ...... 25

2.2 Akteure ...... 28

2.2.1 Politiker ...... 28

2.2.2 Weitere Akteure ...... 31

2.3 Adressaten ...... 32

2.3.1 Die Adressaten der Wanderausstellung ...... 34

2.3.2 Die Adressaten des Deutschlandtreffens ...... 34

2.3.3 Die Adressaten der Publikationen ...... 35

2.4 Narrative ...... 38

2.4.1 Erzählungen ...... 39

2.4.2 Gegenerzählungen ...... 56

2.4.3 Erzählungen und Gegenerzählungen im Vergleich ...... 64

3 Die Geschichtspolitik 2013 ...... 69

3.1 Historischer Hintergrund ...... 69

3.1.1 Das Bundestagswahljahr 2013 ...... 70

3.1.2 Die SPD im Jahr 2013 ...... 70

3.1.3 Was fand statt? ...... 73

3.2 Akteure ...... 77

3.2.1 Politiker ...... 78

3.2.2 Weitere Akteure ...... 78

3.3 Adressaten ...... 80

3.3.1 Die Adressaten des Festakts in Leipzig ...... 80

3.3.2 Die Adressaten des Deutschlandfests in ...... 81

3.3.3 Die Adressaten der Wanderausstellung ...... 82

3.3.4 Die Adressaten der Publikationen ...... 83

3.3.5 Die Adressaten ergänzender Angebote ...... 83

3.4 Narrative ...... 84

3.4.1 Erzählung ...... 84

3.4.2 Gegenerzählungen ...... 106

3.4.3 Erzählung und Gegenerzählungen im Vergleich...... 112

4 Die sozialdemokratischen Jubiläen 1963 und 2013 – Geschichtspolitik im Vergleich 118

4.1 Erzählungen ...... 118

4.2 Gegenerzählungen ...... 121

5 Schlussbetrachtung und Ausblick ...... 123

Literatur und Quellen ...... 125

Anhang ...... 139

Einleitung

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die älteste Partei im deutschen Partei- ensystem – und außerordentlich stolz darauf. Sie erinnert sich wie keine andere Partei ihrer Geschichte.1 Höhepunkte dieses Erinnerns bildeten die Jubiläumsjahre 1963 und 2013, in de- nen sie ihr 100- bzw. 150-jähriges Bestehen feierte. In diesen Jahren veranstalteten die Partei und ihr Umfeld Feierlichkeiten, veröffentlichten Historiker Bücher und schrieben Journalisten Zeitungsartikel, die sich der Vergangenheit und Gegenwart der Sozialdemokratie widmeten. Aber nicht nur der SPD wohlgesonnene Akteure setzten sich zum Anlass der Jubiläen mit der Partei und ihrer Geschichte auseinander. Auch politische Gegner, und sogar Feinde, kritische Journalisten und nicht SPD-nahe Wissenschaftler beteiligten sich am Erinnern und schrieben zum Teil eine ganz andere Geschichte von 100 bzw. 150 Jahren Sozialdemokratie.

Die Aufmerksamkeit, die die Geschichte der SPD in den Jubeljahren erfuhr, ging also weit über die Kreise interessierter Historiker und Parteimitglieder hinaus. Die Jubiläen waren ein politisches Ereignis, das verschiedene Akteure unterschiedlich interpretierten. Es handelt sich beim Erinnern an die Vergangenheit der Sozialdemokratie, bei dieser Verbindung von Ge- schichte und Politik, um Geschichtspolitik, denn Geschichtspolitik ist, so der Historiker Edgar Wolfrum, „ein Handlungs- und Politikfeld, auf dem verschiedene Akteure Geschichte mit ihren spezifischen Interessen […] politisch zu nutzen suchen.“2 Im Ergebnis lassen sich so konkurrierende Deutungen von der Geschichte der Sozialdemokratie nachvollziehen. Diese unterscheiden sich, je nachdem aus wessen Feder und welchem Jahr sie stammen, teilweise erheblich. Manche Deutungen weisen aber auch frappierende Kontinuitäten über die Zeit hinweg auf.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Geschichtspolitik der beiden sozialdemokrati- schen Jubiläumsjahre synchron und diachron zu vergleichen, indem die Entstehung und Ver- änderung der konkurrierenden Deutungen von der Geschichte der Sozialdemokratie unter- sucht werden. Diese Deutungen sind dabei als Erzählungen zu verstehen. Sie sind zu einem Großteil von Menschen ohne historische Ausbildung konstruiert und folgen einer narrativen

1 Man vergleiche nur die in dieser Arbeit untersuchten Jubiläumsfeierlichkeiten mit dem kürzlich begangenen 70. Jahrestag der Gründung der CDU. 2 Wolfrum, Edgar: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung. 1999, S. 25. 1

Struktur mit erkennbarem Plot, ohne dabei eine geschichtswissenschaftlich fundierte Quellen- bearbeitung zu betreiben. Spätestens seit Hayden White stehen aber auch geschichtswissen- schaftliche Texte unter Verdacht, grundsätzlich narrativen Strukturen zu folgen. Diese Arbeit kann unmöglich die Debatte im Nachgang von Hayden White diskutieren. Die Annahme, dass die in der Arbeit zu besprechenden Quellen narrativen Strukturen folgen, wird vorausgesetzt. Dieses Vorgehen ist schon dadurch gerechtfertigt, dass der Großteil der hier zu besprechenden Texte von Politikern und Journalisten stammt, und niemand der die Besprechung dieser Quel- len in der vorliegenden Arbeit lesen wird, ernsthaft deren narrativen Charakter in Zweifel ziehen wird. Bei wissenschaftlicher Lektüre, wo dies angezweifelt werden kann, wird dies in der Diskussion der Quelle deutlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit beschränkt sich aber nicht darauf, die verschiedenen Erzählungen an- lässlich der sozialdemokratischen Jubiläen nur inhaltlich gegenüberzustellen. Eine ge- schichtspolitische Untersuchung kann nur Erklärungskraft entfalten, wenn sie auch das Wie betrachtet. Die inhaltliche Analyse wird daher in eine Betrachtung der konkreten Ausgestal- tung der Feierlichkeiten eingebettet. Dabei wird zu diskutieren sein, inwiefern sich das Wie und das Was beeinflussten.

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit folgt diesem Vorhaben. Vorangestellt wird ein Kapitel, in dem die theoretische Grundlage entfaltet wird. Um eine systematische Untersuchung des Themas zu ermöglichen, ist dies unabdingbar. Dort werden die zentralen Begriffe und Kon- zepte diskutiert, mit denen in den folgenden Teilen gearbeitet wird. Dabei werden das erste Kapitel des hier bereits zitierten Buchs Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland von Edgar Wolfrum sowie Aleida Assmanns Werk Der lange Schatten der Vergangenheit3 besonders dienlich sein. Wolfrums Monographie von 1999 kann als Standardwerk zur Ge- schichtspolitik betrachtet werden. Assmann gehört zu den wichtigsten Forscherinnen von Er- innerungskultur und Geschichtspolitik der letzten Jahre und erweitert mit ihrem interdiszipli- nären Ansatz diese Arbeit um sozialpsychologische Erkenntnisse.

Im zweiten und dritten Kapitel werden die Jubiläen 1963 und 2013 analog in Bezug auf die jeweilige Geschichtspolitik hin untersucht. Dabei werden zuerst die Rahmenbedingungen sowie Art und Umfang des Gedenkens erfasst. Es wird vorgestellt, welche Feierlichkeiten stattfanden und wie diese gestaltet wurden, welche Publikationen erschienen und wie groß das öffentliche Interesse war. Im nächsten Unterkapitel folgt eine Auswertung des jeweiligen In-

3 Vgl. Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. Mün- chen 2006. 2 halts des Gedenkens: Welche Erzählungen schufen die SPD und ihr Umfeld? Aber auch: Was für Gegenerzählungen gab es und wie bedeutend waren diese? Wie sind Erzählungen und Gegenerzählungen aufgebaut? Auf welche Traditionen, Personen, Programme beziehen sie sich; was wird weggelassen, was besonders betont? Anders gefragt: Wie wird die Vergangen- heit der Sozialdemokratie in den Erzählungen und Gegenerzählungen sortiert? Wie sieht der rote Faden aus, mit dem die Erzählungen und Gegenerzählungen gesponnen werden, welchem Plot folgt er? Dafür werden die nach Edgar Wolfrum zentralen Akteure der Geschichtspolitik in den Blick genommen: Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Intellektuelle.4 Dies ge- schieht durch eine Auswertung von Reden, die Politiker u.a. zu den Anlässen der Jubiläen hielten, von Zeitungsartikeln der größten deutschen Tages- und Wochenzeitungen, der Kon- zeptionen von Ausstellungen sowie der zu den Jubiläen erschienen Bücher. Zur Beantwortung dieser Fragen werden die Quellen dabei in den historischen Kontext eingebettet: In welcher Verfassung befand sich die SPD, in welcher politischen Atmosphäre fand das Gedenken statt? Nach diesen beiden synchronen Vergleichen, folgt im vierten Kapitel der diachrone Ver- gleich, der die Erzählungen und Gegenerzählungen beider Jahrgänge auf Kontinuitäten und Brüche untersucht.

Unerlässlich für die Untersuchung des 100-jährigen Jubiläums waren die umfangreichen Be- stände des Archivs der Sozialen Demokratie bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Des Weiteren waren die Archive der herangezogenen Tages- und Wochenzeitungen von großem Wert. Bei der Forschungsliteratur zur Geschichte der SPD ist besonders der Parteienforscher Franz Walter hervorzuheben, der mit Die SPD – Biographie einer Partei5 nicht nur ein gutes Überblickswerk geschaffen hat, sondern auch zusammen mit Felix Butzlaff den Sammelband Mythen, Ikonen, Märtyrer6 herausgegeben hat: eine der wenigen Veröffentlichungen, die sich explizit mit der Erinnerungskultur der Sozialdemokratie auseinandersetzen.

Diese Arbeit stößt damit in eine bislang existierende Forschungslücke vor. So gibt es zwar etliche Werke zur Geschichtspolitik in Deutschland, und auch die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie ist gut erforscht. Allerdings setzt sich kaum ein Werk mit der Geschichtspo- litik der SPD auseinander. Wenn es mit dieser Arbeit gelingt, diese Lücke teilweise zu schlie- ßen, wäre das eine gute Ergänzung in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Ge- schichte der Sozialdemokratie, denn Kontinuität und Wandel in dieser Geschichtspolitik leh-

4 Vgl. ebd., S. 26. 5 Vgl. Walter, Franz: Die SPD. Biographie einer Partei. Berlin 2009überarbeitete und erweiterte Taschenbuchausgabe. 6 Vgl. Walter, Franz/Butzlaff, Felix (Hrsg.): Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Berlin 2013. 3 ren auch über Kontinuität und Wandel in der SPD und ihren Gegenspielern. Da Sozialdemo- kraten ihre Identität, in hohem Maße aus der Geschichte der Partei und Bewegung beziehen, kann die SPD nur verstehen, wer ihren Umgang mit der Geschichte begreift. Den Mitgliedern der SPD verleiht diese Halt und Orientierung, als Partei schöpft sie aus ihr ein Selbstbewusst- sein, das sie gerne der Öffentlichkeit demonstriert. Zur Untersuchung der damit einhergehen- den Geschichtspolitik drängen sich die beiden Jubiläumsjahre 1963 und 2013 geradezu auf, da sie zweifellos die beiden Höhepunkte in der Geschichtspolitik der Sozialdemokratie bilden.

1 Theorien, Begriffe, Konzepte

Da in dieser Arbeit nicht nur verschiedene Narrative herausgearbeitet werden sollen, sondern auch der Anspruch besteht, die Genese, das Überleben und Sterben verschiedener Narrative zu erklären, ist es von Nöten auf den kommenden Seiten theoretische Grundlagen vorzustel- len, die eben das möglich machen: eine systematische, vergleichende Untersuchung mit einer Erklärungskraft. Das Kapitel ist hierarchisch aufgebaut, es arbeitet sich vom Allgemeinen und Umfassenden zum Besonderen hervor.

1.1 Erinnerungskultur und Geschichtspolitik

Die vorliegende Arbeit möchte, die Geschichtspolitik der sozialdemokratischen Jubiläen von 1963 und 2013 miteinander vergleichen. Die Wahl, diesen Vergleich unter dem Blickwinkel des Begriffs der Geschichtspolitik durchzuführen, ist aus mehreren Gründen nicht ganz un- problematisch.

Es gibt keine konsensuelle Verwendung des Begriffs. Dies wird besonders deutlich, stellt man ihn neben den Begriff der Erinnerungskultur. Letzterer wird oft positiv als „bottom-up- Prozess“ des kollektiven Erinnerns benutzt, während Geschichtspolitik als pejoratives Gegen- stück für einen „top-down-Prozess“ des staatlich verordneten, gewaltsam homogenisierenden Erinnerns steht, wie es in vielen Diktaturen üblich ist.7

7 Vgl. Assmann, Aleida: Der lange Schatten, S. 274. 4

Ein Leser, der durch diese Begriffsverwendung geprägt ist, denkt bei Geschichtspolitik so schnell an Manipulation und Instrumentalisierung der Vergangenheit für gegenwärtige politi- sche Interessen, bei Erinnerungskultur hingegen an ein Zusammenspiel verschiedener Formen der Erinnerungstechnik.8

Während Erinnerungskultur ein sehr offener Begriff ist – Edgar Wolfrum empfiehlt, ihn „als einen formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an histori- sche Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse zu verstehen, seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur.“9 – taucht der Begriff der Geschichtspolitik vornehmlich im Zusam- menhang mit staatlichen Institutionen und ihrem Umgang mit ihrer Nationalgeschichte auf. Die mit Abstand meisten Veröffentlichungen erschienen zur Geschichtspolitik der Bundesre- publik, die sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands auseinanderzu- setzen hatte. Daneben wurde, vor allem in jüngerer Zeit, die Aufarbeitung des Kommunismus durch osteuropäische Staaten wissenschaftlich betrachtet.

In keinem der genannten Sinne wird der Begriff Geschichtspolitik in der vorliegenden Arbeit verwendet. Weder wird er als pejorative Form der Erinnerungskultur begriffen, noch steht er für Manipulation und Instrumentalisierung. Wir haben es auch nur am Rande mit staatlichen Institutionen zu tun. Akteure sind vielmehr vornehmlich Parteifunktionäre.

Warum ist hier also dennoch der Begriff Geschichtspolitik der leitende Analysebegriff? Im Vergleich zu Erinnerungskultur betont dieser stärker die Aspekte Macht, Herrschaft und Inte- resse. Er kanalisiert eine Untersuchung in eine politikgeschichtliche Richtung, wohingegen Erinnerungskultur steht eher für geistes- und kulturgeschichtliche Ansätze steht.10 Der Vorzug des Begriffs Geschichtspolitik vor dem der Erinnerungskultur repräsentiert somit die Schwer- punktsetzung dieser Arbeit. Bei der SPD handelt es sich um einen politischen Akteur; die his- torischen Narrative, die ihr Umfeld pflegt, sind dementsprechend politisch aufgeladen. Auch die Gegner der SPD sind vornehmlich politische Akteure, hauptsächlich konkurrierende Par- teien, zumindest aber politische Journalisten oder Intellektuelle. Auch die Gegenerzählungen zur SPD-geprägten Sichtweise auf die Geschichte der Sozialdemokratie können, so sie doch eine politische Bewegung und Partei betrachten, nicht anders als politisch zu sein. Im Sinne Edgar Wolfrums ist es damit sogar fast verpflichtend, hier von Geschichtspolitik zu sprechen,

8 Vgl. ebd., S. 274. 9 Wolfrum, Edgar: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik als Forschungsfelder. In: Scheunemann, Jan (Hrsg.): Reformation und Bauernkrieg. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik im geteilten Deutschland. Leipzig 2010, S. 13-47, hier S. 19. 10 Vgl. ebd., S. 19. 5 denn Arbeiten zur Geschichtspolitik seien ein „[…] Forschungsthema, das die Auseinander- setzung um Geschichte als politisches Ereignis in Demokratien untersucht und das Hauptau- genmerk auf die politischen Akteure richtet […]“11 Geschichtspolitische Untersuchungen eint dabei weniger eine einheitliche Theorie, Schule oder ein gemeinsamer Gegenstand als viel- mehr eine Frageperspektive, die auf die politischen Durchdringung der Geschichte bis hin zur „strategischen Thematisierung von Geschichte in politischen Kontexten“12 zielt.

1.2 Ein geschichtspolitischer Blickwinkel

Die geschichtspolitische Fragestellung, der die vorliegende Arbeit folgt, orientiert sich daher an Edgar Wolfrum. Seine Perspektive bietet sich nicht nur seines Renommés wegen an, son- dern auch weil er die Unterschätzung der geschichtspolitischen Bedeutung nichtstaatlicher Akteure, mit denen wir es bei der SPD zu tun haben, kritisiert.13 Wolfrum legt außerdem eine umfangreiche Begriffsbestimmung vor. Geschichtspolitik sei demnach „ein Handlungs- und Politikfeld, auf dem verschiedene politische Akteure die Vergangenheit mit bestimmten Inte- ressen befrachten und in der Öffentlichkeit um Zustimmung ringen.“14 Dabei muss, so Wolfrum, Geschichtspolitik auch als eine politisch-pädagogische Aufgabe betrachtet werden, da Geschichte bei einer gesellschaftlich-politischen Selbstverständigung immer präsent sei. In pluralistischen Gesellschaften gehöre die ständige Arbeit an der Geschichte zu den Aufgaben politischer Eliten.15 Dies könne sowohl aufklärerisch als auch legitimatorisch und sogar re- gressiv geschehen.16 Es ist demnach nicht weiter verwunderlich, dass Wolfrum in geschichts- politischen Fragen ein „Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Politik“17 konstatiert. Zwischen diesen beiden Sphären bestünden Wirkungszusammenhänge, in der Herangehens- weise unterschieden sie sich jedoch.18

11 Wolfrum: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg, S. 19. 12 Heinrich, Horst-Alfred/Kohlstruck, Michael: Zur theoriegeleiteten Analyse von Geschichtspolitik. In: Dies. (Hrsg.): Geschichtspolitik und sozialwissenschaftliche Theorie. Stuttgart 2008, S. 9-15, hier S. 9. 13 Vgl. Wolfrum: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, S. 19, 21. 14 Wolfrum, Edgar: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989. Phasen und Kontroversen. In: Ders./Bock, Petra (Hrsg.): Umkämpfte Vergangenheit. Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspo- litik. Göttingen 1999, S. 55-81, hier. S. 58. 15 Vgl. ebd., S. 58f. 16 Vgl. ebd., S. 59. 17 Ebd., S. 59. 18 Vgl. Wolfrum: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, S. 21. 6

Aus diesen Überlegungen lassen sich konkrete Kategorien und Fragen an eine geschichtspoli- tische Arbeit herleiten, die auch für den Vergleich der sozialdemokratischen Jubiläen 1963 und 2013 fruchtbar sind.

Wolfrums Definition von Geschichtspolitik folgend, wären als erstes die Akteure einer Ge- schichtspolitik zu nennen. Dies sind auch, aber nicht nur Historiker, denn die Sinnstiftung durch Geschichte war niemals nur Sache der Historikerzunft.19 Üblich waren und sind die Bearbeitung durch Literatur und Fernsehen sowie pädagogische Zugriffe durch Museen, Ge- denkstätten und Schulen.20 Von herausragender Bedeutung sind aber dezidiert politische Inan- spruchnahmen von Geschichte durch Politiker und politische Aktivisten.21 Akteure der Ge- schichtspolitik sind demnach insbesondere Historiker, Schriftsteller, Journalisten, Pädagogen und Politiker. Ihre Motive können unterschiedlich sein, oft sind es mehrere zugleich. Diese können von politischer Natur oder wissenschaftlicher Neugier geschuldet sein. Sie reichen von Schwärmerei für Vergangenes bis hin zum Versuch einer kritischen Aufklärung.22 Oft geht es bei Geschichtspolitik um Identitätsstiftung, ob dies nun durch Riten oder Diskurse geschieht.23

Neben den Akteuren sagen auch die Adressaten viel über den Charakter einer Geschichtspoli- tik aus. Je nach Akteur und Motiv können dies etwa Schüler sein oder Wissenschaftlicher, Junge oder Alte, Frauen oder Männer, und viele mehr.24 Bei der Geschichtspolitik der sozial- demokratischen Jubiläen ist ergänzend zu untersuchen, inwiefern eher die Parteimitglieder und Sympathisanten Adressat waren oder die deutsche Öffentlichkeit.

Als dritte Analysekategorie ist der Kontext zu untersuchen, also die Umgebung oder der Raum – zeitlich, wie örtlich – in dem die Geschichtspolitik stattfindet.25 Der historische Hin- tergrund, vor dem Geschichtspolitik stattfindet, ist prägend für diese, denn „Akteure handeln niemals im luftleeren oder herrschaftsfreien Raum.“26 Das sozialdemokratische Jubiläum im Jahr 1963 fand in einer Hochphase des Kalten Krieges statt, das von 2013 in einem Bundes- tagswahljahr.

19 Vgl. ebd., S. 21. 20 Vgl. ebd., S. 21. 21 Vgl. ebd., S. 21. 22 Vgl. ebd., S. 21. 23 Vgl. Bock, Petra/Wolfrum, Edgar: Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Umkämpfte Vergangenheit. Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Göttingen 1999, S. 7-16, hier S. 9. 24 Vgl. Wolfrum: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, S. 21-22. 25 Vgl. ebd., S. 22. 26 Ebd., S. 22. 7

Die vierte Kategorie, die Phasen, stößt in eine ähnliche Richtung wie die dritte. Sie fragt nach bedeutungstragenden Unterschieden wie Generationswechseln und politischen Umbrüchen. Gehen damit althergebrachte Geschichtsbilder zu Bruch? 27 Zu fragen ist hierbei außerdem nach Art und Bedeutung von Gedenktagen, Inszenierungen, Ausstellungen, Denkmälern und Museen.28

Die fünfte und letzte Kategorie ist die der Medien. Welchen Einfluss nehmen Medien auf die Erinnerung?29 Während sich Wolfrum etwas kulturpessimistisch vor allem um die Kommer- zialisierung des Erinnerns Sorgen macht, ist für die vorliegende Arbeit eher von Interesse, wie die Parteimedien auf der einen Seite und die nationalen Medien auf der anderen die Jubiläen begleiteten. Denn da es ohne diese keine Öffentlichkeit gibt, sei sie auf die Partei und ihr Um- feld beschränkt oder bundesweit wirksam, waren sie für die Jubiläen unverzichtbar.

Edgar Wolfrum bringt diese Kategorien auf eine griffige Formel, die verdeutlicht, warum sein Konzept von Geschichtspolitik für die vorliegende Arbeit so wertvoll ist:

„Welche Geschichtsdeutungen werden wann und von wem auserkoren und thematisiert und von vom akzeptiert, wie werden diese durchgesetzt, und wie sind die Grundzüge der dominan- ten Narrative zu beschreiben; aber auch: welche Gegenerzählungen können gefunden wer- den?“30

Bei geschichtspolitischen Untersuchungen wird, so Wolfrum, die Rolle des sozialen Gedächt- nisses häufig vernachlässigt. Dieser Fehler soll hier nicht gemacht werden und im kommen- den Unterkapitel das soll das soziale Gedächtnis in der Theorie Aleida Assmanns veranschau- licht und für den geschichtspolitischen Untersuchungsansatz der vorliegenden Arbeit nutzbar gemacht werden.

1.3 Vom individuellen zum sozialen Gedächtnis

Aleida Assmann erklärt in Der lange Schatten der Vergangenheit das soziale Gedächtnis aus einer Reflektion über das individuelle Gedächtnis der Menschen heraus. Assmann stellt klar, dass jedes Ich verschiedenen Wir-Gruppen angehört. Diese können unwillkürlich sein, wie die

27 Vgl. ebd., S. 23. 28 Vgl. ebd., S. 23. 29 Vgl. ebd., S. 24. 30 Ebd., S. 26. 8

Familie oder die Nation, in die man hineingeboren wird, aber auch selbst gewählt, wie etwa eine Partei.31 Das individuelle Gedächtnis einer Person, das Assmann als „das dynamische Medium subjektiver Erfahrungsverarbeitung“32 definiert, ist damit untrennbar gekoppelt an die Erfahrungen mit den Wir-Gruppen, der sich eine Person zugehörig fühlt.

Im kommunikativen Austausch innerhalb dieser Wir-Gruppen erhalten diese Erfahrungen eine Form und Struktur, die die Erzählungen zugleich ergänzen und stabilisieren.33 Drei bis fünf Generationen, die gleichzeitig am Leben sind und einer Wir-Gruppe angehören, bilden so eine Erzählgemeinschaft mit einem gemeinsamen sozialen Gedächtnis. Der Zeithorizont des sozia- len Gedächtnisses ist somit durch den Wechsel der Generationen bestimmt.34 Nach drei bis vier Generationen beginnen die Quellen dieser Gruppen zu „Spuren“, einer nicht mehr durch Erinnerung hervorzuholenden Zeit, zu werden.35 Assmann verdeutlicht diesen Prozess, indem sie das soziale Gedächtnis mit dem „Charakter eines Schattens, der mit der Gegenwart mit- läuft, oder auch einem Horizont, der sich im Fortschreiten immer wieder schließt“36 ver- gleicht.

So hat jede Generation ihren eigenen Zugang zur Geschichte. Sie lassen sich ihre Deutungen der Vergangenheit nicht von vorhergehenden Generationen bestimmen.37 Denn jede Genera- tion kennt ihre eigenen historischen Schlüsselerfahrungen. Dies führe, so Assmann, zur Her- ausbildung einer gewissen Übereinstimmung von „Überzeugungen, Haltungen, Weltbilder[n], gesellschaftliche[n] Wertmaßstäben und kulturelle[n] Deutungsmuster[n].“38 Besonders prä- gend seien dabei Erfahrungen, die im Alter zwischen zwölf und 25 Jahren gemacht werden, erklärt Assmann unter Bezugnahme auf den Gedächtnisforscher Karl Mannheim.39

Im Vergleich der sozialdemokratischen Jubiläen 1963 und 2013 verpflichtet die leicht ein- leuchtende Erkenntnis, dass unterschiedliche Generationen unterschiedlich historisch geprägt sind, die Biographien der jeweiligen Akteure und Adressaten der Geschichtspolitik etwas nä- her in den Blick zu nehmen. Dabei muss erörtert werden, inwiefern diese divergierenden Le- benserfahrungen, Sozialisierungen und Politisierungen für divergierende Deutungen der Ge- schichte der Sozialdemokratie verantwortlich gemacht werden können. Noch interessanter ist

31 Vgl. Assmann, Aleida: Der lange Schatten, S. 21. 32 Ebd., S. 25. 33 Vgl. ebd., S. 25. 34 Vgl. ebd., S. 25. 35 Vgl. ebd., S. 28 36 Ebd., S. 28. 37 Vgl. ebd., S. 26. 38 Ebd., S. 26. 39 Vgl. ebd., S. 26. 9 aber die Frage, wie trotz der Zugehörigkeit zu gänzlich unterschiedlichen Generationen auch gemeinsame Deutungen gefunden werden können. Da das soziale Gedächtnis in der Theorie Assmanns dies allein nicht zu erklären vermag, muss im Folgenden auf einen weiteren theore- tischen Begriff aus Der lange Schatten der Vergangenheit zurückgegriffen werden, den des politischen Gedächtnisses.

1.4 Vom sozialen zum politischen Gedächtnis

Als die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der deutschen Sozialdemokratie stattfan- den, war der als Gründervater verehrte Ferdinand Lassalle bereits seit fast ebenso langer Zeit tot. Kein Akteur und Adressat der Geschichtspolitik hatte ihn noch persönlich gekannt. Selbi- ges lässt sich über das 150-jährige Jubiläum und August Bebel sagen. Der Erzählungszeit- raum überschritt bereits 1963 den Rahmen der Zeitgeschichte; in noch stärkerem Maße war dies 2013 der Fall. Trotz allem war den Sozialdemokraten beider Jubiläumsjahre das Grün- dungsjahr 1863 besonders wichtig.

Nach Aleida Assmann, kann dafür das politische Gedächtnis verantwortlich gemacht werden. Von einem politischen Gedächtnis kann nach Assmann dort gesprochen werden, „[wo] Ge- schichte im Dienst der Identitätsbildung steht, wo sie von den Bürgern angeeignet und von den Politkern beschworen wird […].“40 Hier wird deutlich, dass sich die Verwendung des Begriffs des politischen Gedächtnisses gut mit einer geschichtspolitischen Untersuchung ver- trägt. Der Definition kann entnommen werden, dass Geschichtspolitik maßgeblich zur Her- ausbildung eines politischen Gedächtnisses beitragen kann.

Das politische Gedächtnis ist im Gegensatz zum sozialen Gedächtnis längerfristig angelegt, es kennt keine feste zeitliche Begrenzung.41 Die Verwendung des Begriffs Gedächtnis ist hier schwierig, weil dieser Form von Gedächtnis keine konkrete Erinnerung zugrunde liegt. Ass- mann sieht sich daher genötigt, klarzustellen, dass der Begriff eines politischen, überhaupt eines kollektiven Gedächtnisses, nicht analog zum individuellen Gedächtnis zu verstehen ist:

„Institutionen und Körperschaften wie Kulturen, Nationen, Staaten, die Kirche oder eine Firma ‹haben› kein Gedächtnis, sondern ‹machen› sich eines mithilfe memorialer Zeichen und Sym-

40 Ebd., S. 37. 41 Vgl. ebd., S. 35. Außerdem: Assmann, Aleida: Soziales und kollektives Gedächtnis, S. 1. URL: www.bpb.de/system/files/pdf/0FW1JZ.pdf [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 10

bole. Mit diesem Gedächtnis ‹machen› sich Institutionen und Körperschaften zugleich eine Identität.“42

Was Assmann hier für eine Kirche oder eine Firma beschreibt, gilt natürlich ebenso für eine politische Partei wie die SPD. Auch wenn sich die Frage stellt, warum Assmann auf dem Be- griff Gedächtnis besteht, wenn sie ihn zugleich von seiner eigentlich Bedeutung wegführt, kann mit dem Begriff politisches Gedächtnis gearbeitet werden, weil er aufzeigt, wie mit symbolischer Vermittlung kollektive Erinnerungen geschaffen werden.43 Als symbolische Stützen dieses politischen Gedächtnisses führt Assmann Monumente, Denkmäler, Jahrestage und Riten auf, die durch materielle Zeichen oder periodische Wiederholungen Erinnerungen über die Generationengrenzen hinaus festigen.44

Jahrestage, Rite und andere symbolischen Vermittlungen, die eine hohe Bedeutung für die sozialdemokratische Identität haben, müssen demnach in der vorliegenden Untersuchung der Geschichtspolitik zu den Jubiläen 1963 und 2013 eine angemessene Beachtung erfahren. Es reicht nicht aus, nur verschiedene Narrative zu finden, es muss auch untersucht werden, wie diese mit den angesprochenen symbolischen Stützen vermittelt wurden.

Der Begriff des politischen Gedächtnisses trägt so dazu bei, zu verstehen, wie generationen- übergreifende Erzählungen überleben können. Er verrät uns aber wenig darüber, wie neue Erzählungen von längst vergangenen Zeiten entstehen können. Dafür lohnt es sich ein weite- res Mal Aleida Assmann heranzuziehen, die mit den Begriffen vom Speichergedächtnis und Funktionsgedächtnis eine Antwort auf dieses Problem vorschlägt.

1.5 Das Speicher- und Funktionsgedächtnis

Aleida Assmann entwickelt ihr Verständnis von Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis anhand einer Auseinandersetzung mit dem französischen Historiker Pierre Nora,45 der Ge- dächtnis und Geschichte – im Sinne von Geschichte als wissenschaftlichem Diskurs – als Ge- gensätze begreift. Nora schreibt dem Gedächtnis die Eigenschaften zu, Gegenwärtiges zu re- präsentieren, die Erinnerung ins Sakrale zu rücken und einer Gruppe entwachsen zu sein, der

42 Assmann: Der lange Schatten, S. 35. 43 Vgl. ebd., S. 36. 44 Vgl. ebd., S. 35. 45 Vgl. Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999, S. 132-134. 11 es Zusammenhalt stiftet, während die Geschichte Repräsentantin der Vergangenheit sei, das Sakrale aus der Erinnerung vertreibe, und zum Universalen berufen, allen und zugleich nie- mandem gehöre.46 Assmann hält dagegen, „daß sich eine so verstandene Opposition von Ge- dächtnis und Geschichte immer weniger aufrechterhalten läßt.“47 Sie möchte die beiden Be- griffe aber auch nicht vollständig gleichsetzen, sondern schlägt vielmehr vor, sie im Sinne zweier komplementärer Modi zu begreifen: dem Funktionsgedächtnis und dem Speicherge- dächtnis.48

Das Gedächtnis, oder bei Assmann das bewohnte Gedächtnis, nennt sie Funktionsgedächtnis. Das Funktionsgedächtnis umfasst den Teil der Erinnerungen, der eine Funktion erfüllt. Es verfährt also selektiv, indem es das eine erinnert und das andere vergisst. Dabei ist es an einen Träger gebunden, der sowohl ein Individuum als auch ein Kollektiv sein kann. Es verbindet die Vergangenheit über die Gegenwart mit der Zukunft und vermittelt Werte, die identitäts- und normensetzend sind.49 Als wichtigste Merkmale des Funktionsgedächtnisses nennt Ass- mann seinen Gruppenbezug, seine Selektivität, Wertbindung und Zukunftsorientierung.50

Die Geschichte, oder bei Assmann das unbewohnte Gedächtnis, nennt sie Speichergedächtnis. Das Speichergedächtnis ist als eine Art „Gedächtnis zweiter Ordnung“ zu verstehen, „als Ge- dächtnis der Gedächtnisse“. Es speichert das, was seinen Gegenwartsbezug verloren hat und somit aus dem Funktionsgedächtnis ausgeschieden ist.51 Allerdings, so Assmann, wird eine dysfunktional gewordene Erinnerung nicht automatisch in das Speichergedächtnis überführt. Dafür bedürfe es einer Unterstützung durch geeignete Institutionen wie Archive, Museen, Bibliotheken, Gedenkstätten, aber auch Forschungsinstitute und Universitäten.52

Als die drei wichtigsten Aufgaben des Funktionsgedächtnisses nennt Assmann Legitimation, Delegitimation und Distinktion.53 Bei der legitimatorischen und delegitimatorischen Verwen- dung des funktionalen Gedächtnisses geht es letztlich um Machtverhältnisse. Während im einen Fall die Erinnerung ausgewählt wird, die die bestehenden Verhältnisse stützt, werden im gegenteiligen Fall andere Erinnerungen ausgesucht, mit dem Ziel die bestehenden Ver- hältnisse zu überwinden. Besonders deutlich wird diese Beziehung in nicht-demokratischen

46 Vgl. Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Berlin 1990, S. 12-13. 47 Assmann: Erinnerungsräume, S. 133. 48 Vgl. ebd., S. 133f. 49 Vgl. ebd., S. 133. 50 Vgl. ebd., S. 134. 51 Vgl. ebd., S. 134. 52 Vgl. ebd., S. 140. 53 Vgl. ebd., S. 138. 12

Gesellschaften.54 Neben Legitimation und Delegitimation gibt es noch die Aufgabe der Dis- tinktion. Darunter „sind alle symbolischen Äußerungsformen zu verstehen, die der Profilie- rung einer kollektiven Identität dienen.“55 Dieser Aspekt des Funktionsgedächtnisses lässt sich hauptsächlich bei religiösen Riten und Feiern wiederfinden, aber auch in der Konstrukti- on eines politischen Gedächtnisses, man denke nur an die jährlichen Feierlichkeiten zum Sturm auf die Bastille, oder an die Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts, die ihre natio- nale Identität aus der Wiederentdeckung einer gemeinsamen Vergangenheit oder sogar durch die Erfindung vermeintlicher Traditionen schufen.56 Bei Pierre Nora werden diese „Kristalli- sationspunkte unseres nationalen Erbes“57 Erinnerungsorte genannt.58 Der Begriff ist dabei etwas missverständlich. Erinnerungsorte können, müssen aber nicht geographische Örtlichkei- ten sein. Es handelt sich vielmehr um die Manifestation einer kollektiven Erinnerung, die identitätsstiftend für ein Kollektiv wirkt.59 In den meisten Arbeiten, werden dabei nationale Kollektive untersucht, es ist aber genauso möglich, die Erinnerungsorte eines kollektiven Ge- dächtnisses einer Partei oder politischen Bewegung zu analysieren.

Die Aufgaben des Speichergedächtnisses lassen sich nach Assmann am besten mit den Be- griffen Reservoir und Korrektiv erfassen. So kann das Speichergedächtnis zukünftigen Funk- tionsgedächtnissen eine Erinnerungsbasis geben. Dies ist allerdings nicht naiv zu verstehen, in dem Sinne, dass man etwas in ein Reservoir gibt, um es einige Zeit unverändert wieder hin- auszuheben. Das Reservoir gibt vielmehr die Möglichkeit dysfunktional gewordene Erinne- rungen neu zu entdecken und ihnen damit eine neue Funktionalität zu verschaffen. Daher ist auch die Kritik des Historikers Jörg Baberowski an den Begrifflichkeiten Assmanns nicht ganz falsch. Er weist zu Recht daraufhin, dass Computermetaphern wie „Speichern“ sugge- rierten, man könne die Erinnerungen aus dem Speichergedächtnis einfach unversehrt und un- verändert wieder hervorholen.60 Allerdings muss Assmann zu Gute gehalten werden, dass sie selbst dieser naiven Vorstellung entgegentritt, indem sie dieses kulturelle Phänomen passen- derweise mit dem Begriff „Renaissance“ umschreibt.61 Das Speichergedächtnis schafft somit

54 Vgl. ebd., S. 139. 55 Ebd., S. 139. 56 Vgl. ebd. S. 139. 57 Nora, Pierre: Das Abenteuer der Lieux de mémoire. In: François, Etienne u.a. (Hrsg.): Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich. 19. und 20. Jahrhundert (=Kritische Studien zur Geschichtswissen- schaft 110). Göttingen 1995, S. 83-92, hier S. 83. 58 Vgl. ebd., S. 83. 59 Vgl. François, Etienne/Schulze, Hagen: Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 3. Mün- chen 2001, S. 9-26, hier S. 17-18. 60 Vgl. Baberowski, Jörg: Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault. München 2005, S. 161. 61 Vgl. Assmann, Erinnerungsräume, S. 140. 13 eine Reserve von „ungebrauchten Möglichkeiten, Alternativen, Widersprüchen, Relativierun- gen und kritischen Einsprüchen […].“62 Damit kann es als Korrektiv aktueller Funktionsge- dächtnisse dienen.63 Diese Aufgabe kann es aber nur erfüllen, wenn die Ränder des Funkti- onsgedächtnisses durchlässig sind, wenn keine Mauer zwischen Funktions- und Speicherge- dächtnis errichtet wird oder gar wie in totalitären Gesellschaften üblich, das Speichergedächt- nis zu zerstören versucht wird.64

Das Modell vom Funktions- und Speichergedächtnis kann so zum Verständnis von Wandel und Kontinuität in den Narrativen der sozialdemokratischen Geschichtspolitik beitragen. Es hilft uns zu verstehen und zu erklären, warum bestimmte Narrative verschwinden oder sich verändern und woher neue aufkommen. Das gilt sowohl für die Erzählungen als auch für die Gegenerzählungen. Die Theorie vom Funktions- und Speichergedächtnis weist uns an, nach der Funktion der Narrative in den Erzählungen und Gegenerzählungen zu fragen.

1.6 Ein Untersuchungsraster für den Vergleich der Jubiläen

Aus den vorangegangenen Kapiteln lässt sich ein Untersuchungsraster bilden, mit dem der Vergleich der Geschichtspolitik der beiden Jubiläen möglich ist. Im Folgenden wird dieses nun aufbauend auf den theoretischen Vorüberlegungen entfaltet.

Im ersten Schritt soll jeweils nach dem historischen Hintergrund gefragt werden, vor dem das Jubiläum stattfand. Diese Frage muss sinnvollerweise am Anfang stehen, weil sie den Rah- men der Geschichtspolitik vorgibt. Geklärt werden soll dabei vor allem, in welcher politi- schen Lage das Jubiläum stattfand. Es ist aber ebenso wichtig zu betrachten, in welchem Zu- stand sich die SPD befand, programmatisch wie strukturell. Anschließend wird ausgeführt, wie das Jubiläum begangen wurde: welche zentralen Veranstaltungen stattfanden, welche Publikationen veröffentlicht wurden, wie das Gedenkjahr geplant wurde. In diesem ersten Schritt werden somit die Kategorien Kontext und Phase, wie sie bei Wolfrum ausgeführt wer- den, beleuchtet.

Im zweiten Schritt werden jeweils die zentralen Akteure in den Blick genommen. Die bei Wolfrum aufgeführten und für diese Arbeit relevanten Akteure sind Politiker, Journalisten

62 Ebd., S. 140. 63 Vgl. ebd., S. 140. 64 Vgl. ebd., S. 140. 14 und Intellektuelle. In diesem Teil wird untersucht, welche Politiker das Geschehen gestalteten und begleiteten, in welchem Ausmaß Zeitungen und Fernsehen anlässlich der Jubiläen die Geschichte der SPD deuteten, und zuletzt inwiefern sich Schriftsteller und Intellektuelle am Erinnern beteiligten. Der zweite Schritt wendet sich somit der Wolfrumschen Kategorie der Akteure zu. Dabei fließen auch Assmanns Ausführungen zum sozialen Gedächtnis mit ein, die uns ermöglichen, das Handeln der Akteure auch anhand ihrer Generationenzugehörigkeit besser zu verstehen.

Im dritten Schritt folgt jeweils die Untersuchung, wer die Adressaten der Geschichtspolitiken 1963 und 2013 waren. Diese korrespondieren nach Wolfrum mit den geschichtspolitischen Akteuren und deren Motiven. Die Frage nach den Adressaten ist somit eng verwoben mit der Frage nach der Funktion einer Geschichtspolitik. Grundsätzlich konnte sich die Adresse der Geschichtspolitiken im Falle der sozialdemokratischen Jubiläen zwischen zwei Polen bewe- gen. Sie konnte nach innen gerichtet sein, an die Mitglieder und Sympathisanten der Partei oder extern an die deutsche Öffentlichkeit, insbesondere an die wahlberechtigten Bürger. Dies ist nicht als entweder-oder, sondern vielmehr als Tendenz der Geschichtspolitik zu verstehen.

Im vierten und bedeutendsten Schritt entfernen wir uns von der Frage nach dem Wie der bei- den Geschichtspolitiken und leiten über zum Was. Nachdem der historische Rahmen, die Ak- teure und Adressaten vorgestellt wurden, können im vierten Schritt die jeweiligen Narrative der beiden Geschichtspolitiken untersucht werden. Die Gestaltung zentraler Veranstaltungen, die Reden und Veröffentlichungen der Akteure, von Politikern wie auch Journalisten und In- tellektuellen, werden auf ihren Inhalt hin untersucht. Wie deuteten sie die Geschichte der So- zialdemokratie? Als Erfolgsgeschichte oder als Niedergang? Als – oft einsamen – Kampf für Demokratie und Freiheit oder als Verrat an der Arbeiterklasse? Welche Motive stehen im Zentrum? Sind es Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit oder Frieden? Wie bedeutend sind die- se Narrative, wie prominent sind sie vertreten? Treten sie gehäuft auf oder nur vereinzelt? Können die konkurrierenden Deutungen gar als Meistererzählung betrachtet werden? Sowohl 1963 und 2013 werden dabei zuerst die Narrative in den Erzählungen diskutiert, im Anschluss die Gegenerzählungen. Abschließend werden die Ergebnisse der vorhergehenden Schritte, und damit das Wie und Was, zusammengeführt. Der Anspruch ist nicht geringer, als – bezo- gen auf die Geschichtspolitik zu den sozialdemokratischen Jubiläen 1963 und 2013 – die zent- rale Formel Wolfrums, wie sie in Kapitel 1.2 vorgestellt wurde, zu beantworten:

„Welche Geschichtsdeutungen werden wann und von wem auserkoren und thematisiert und von vom akzeptiert, wie werden diese durchgesetzt, und wie sind die Grundzüge der dominan- 15

ten Narrative zu beschreiben; aber auch: welche Gegenerzählungen können gefunden wer- den?“65

Im abschließenden Kapitel sollen dann die Ergebnisse der Untersuchungen 1963 und 2013 zusammengeführt werden. Der Vergleich findet somit auf zwei Ebenen statt, einer synchronen zwischen Erzählung und Gegenerzählung desselben Jubiläums, sowie auf einer diachronen zwischen den Erzählungen 1963 und 2013 und den Gegenerzählungen 1963 und 2013.

2 Die Geschichtspolitik 1963

2.1 Historischer Hintergrund

2.1.1 Der historische Rahmen

Das 100-jährige Jubiläumsjahr der deutschen Sozialdemokratie fand in innen- wie außenpoli- tisch turbulenten Zeiten statt. Außen- und deutschlandpolitisch waren die frühen 1960er Jahre von einer Hochphase des Kalten Krieges geprägt. Mit dem Scheitern des sogenannten Deutschlandplans der SPD 1959, der eine Wiedervereinigung Deutschlands bei einem Austritt aus den militärischen Strukturen des Westens vorsah, war offenbar geworden, dass auf abseh- bare Zeit alle Versuche das geteilte Land wieder zu einen, aussichtlos waren. Verschiedene Vorschläge für eine Wiedervereinigung, von der Errichtung eines neutralen Staates bis hin zur Schaffung einer europäischen Sicherheitszone, scheiterten am schwierigen Verhältnis der beiden deutschen Staaten und der Westbindungspolitik der Bundesregierung.66 Als am 13. August 1961 die Mauer errichtet wurde, schien die Teilung Deutschlands vorerst zementiert; weder Regierung noch Opposition hatten nun noch eine glaubhafte Perspektive für eine Wie- dervereinigung.67 Allerdings, so erkannten die Westmächte, trug der Mauerbau auch zu einer Stabilisierung der Lage in Europa bei, da er die durch große Fluchtbewegungen in den Westen verursachte Schwächung der DDR beendete.68

65 Wolfrum: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989, S. 26. 66 Vgl. Herbert, Ulrich: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. München 2014, S. 748. 67 Vgl. ebd., S. 749. 68 Vgl. ebd., S. 748f. 16

Die Gefahr eines militärischen Konflikts zwischen den USA und der Sowjetunion stand aller- dings schon ein Jahr später erneut auf der Tagesordnung. Mit der Kuba-Krise erreichte der Kalte Krieg einen Höhepunkt, der die Welt an den Abgrund eines atomaren Krieges brachte. Das von Fidel Castro regierte Kuba vereinbarte mit der Sowjetunion die Stationierung von Atomraketen auf seinem Gebiet. Die Sowjetunion beabsichtigte damit ein Gegengewicht zu den von den USA in der Türkei stationierten Atomraketen zu schaffen, insbesondere aber, wie der Freiburger Historiker Ulrich Herbert betont, ein Zeichen der Stärke gegenüber dem Wes- ten wie China zu setzen.69 Die USA waren aber nicht dazu bereit, sowjetische Atomraketen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu dulden. So spitzte sich die Krise im Oktober 1962 ge- fährlich zu. Um eine weitere Stationierung von sowjetischen Atomraketen zu verhindern, er- richteten die USA eine Seeblockade gegen die sowjetische Marine. Mehrmals waren Kon- frontationen zwischen den beiden Mächten kurz davor zu eskalieren. Am 28. Oktober wurde die Krise schließlich diplomatisch gelöst. Der US-Präsident Kennedy einigte sich mit Gene- ralsekretär Chruschtschow auf einen Abzug der sowjetischen Atomraketen von Kuba. Im Ge- genzug zogen die USA unter Geheimhaltung ihre Raketen aus der Türkei ab.70 Im Folgenden kam es zu einer Entspannungsphase des Kalten Krieges. So einigten sich die beiden Konflikt- parteien bereits im August 1963 auf eine Begrenzung der Atomwaffentests. Auch in den fol- genden Jahren entspannte sich die Situation weiter.71 Ulrich Herbert konstatiert demgemäß zutreffend: „Der Schrecken jener Oktobertage im Jahr 1962 war nachhaltig.“72 Dieser Schre- cken ging auch an Deutschland und den Sozialdemokraten nicht vorbei. Eine militärische, gar nukleare, Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion hätte mit großer Wahr- scheinlichkeit auch Deutschland betroffen. So schrieb das Mitglied der zentralen Wahlkampf- leitung der SPD, Karl Anders, an seinen Parteigenossen Karl Garbe – von beiden wird später noch die Rede sein:

„Bei mir fallen die Blätter, und ich hoffe, nicht anderes fällt. Bisher habe ich Cuba mit größter Ruhe ertragen. Wie kommt Kennedy über die zweite Runde, ohne Fehler zu machen? Als Ob- jekt der Weltpolitik bleibt mir nur die Hoffnung, daß alles gut geht oder im anderen Falle, daß die Russen nicht kleinlich sind und ihre größte Bombe auf werfen, auf daß alles schnell und schmerzlos passiert.“73

69 Vgl. ebd., S. 749f. 70 Vgl. ebd., S. 750. 71 Vgl. Herbert: Geschichte Deutschlands, S. 750f. 72 Vgl. ebd., S. 751. 73 Brief von Karl Anders an Karl Garbe vom 27.10.1962. AdsD Aktenbestand: SPD-Parteivorstand. Signatur: 2PVBB000047. 17

Neben den deutschlandpolitischen und weltpolitischen Turbulenzen sind die frühen 1960er Jahre vom Niedergang der Regierung Adenauer geprägt. Der Rheinländer, der in der Weima- rer Republik Oberbürgermeister von Köln gewesen war, führte als Bundeskanzler die Regie- rungsgeschäfte von 1949 an. 1957 hatte er mit der CDU/CSU die absolute Mehrheit bei den Bundestagswahlen gewonnen. Doch bereits kurz nach diesem Wahlsieg begann die Überzeu- gungskraft seiner Regierung zu schwinden. Nachdem er 1959 seine Kandidatur für das frei- werdende Amt des Bundespräsidenten verkündet und wenige Wochen später wieder zurück- gezogen hatte, verstummten die Rufe nach einem Rückzug Adenauers nicht mehr.74 Es ist nicht ganz sicher, was Adenauer dazu bewogen hatte, zuerst seine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten zu verkünden, nur um sie dann kurze Zeit später wieder zurückzuziehen. Ulrich Herbert geht aber davon aus, dass Adenauer annahm, in Deutschland ein Präsidialre- gime etablieren zu können mit einem Vertrauten als Bundeskanzler. Erst als ihm klargemacht worden war, dass dies nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch sei, sondern zudem an der Unionsfraktion scheitern würde, habe er die Pläne aufgegeben, so Herbert.75

Ein Jahr nach diesem Hin und Her scheiterte Adenauer mit seiner Initiative zur Gründung eines Regierungssenders, den er aufgrund der von ihm als zu kritisch empfundenen Berichter- stattung des existierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Leben rufen wollte.76 Nach- dem das Bundesverfassungsgericht die Pläne Adenauers gestoppt hatte, wurde das Zweite Deutsche Fernsehen schließlich von den Bundesländern gegründet und somit der direkten Kontrolle der Bundesregierung entzogen.77

Trotz dieser Pannen gewann die Union 1961 erneut die Bundestagswahl, wenn sie auch auf- grund größerer Verluste an FDP und SPD die absolute Mehrheit einbüßte. Es wäre vielleicht noch schlechter für die CDU/CSU ausgefallen, hätten nicht Kalter Krieg und Mauerbau viele Wähler dazu bewogen, lieber auf Kontinuität in der Regierung zu setzen. So jedenfalls inter- pretierten viele zeitgenössische Beobachter das Wahlergebnis.78

Die Krise der Regierung Adenauer setzte sich fort und fand in der Spiegel-Affäre ihren Höhe- punkt. Nachdem das Nachrichtenmagazin im Oktober 1962 von der mangelhaften Verteidi- gungsfähigkeit der Bundeswehr berichtet und die nukleare Verteidigungsstrategie des Vertei- digungsministers Franz-Josef Strauß (CSU) kritisiert hatte, wurden die Redaktionsräume des

74 Vgl. Herbert: Geschichte Deutschlands, S. 756. 75 Vgl. ebd., S. 756. 76 Vgl. ebd., S. 756. 77 Vgl. ebd., S. 756f. 78 Vgl. ebd., S. 757. 18

Spiegels durchsucht und mehrere Redakteure sowie der Herausgeber und Chefredakteur Ru- dolf Augstein unter dem Vorwurf des Landesverrats verhaftet.79 Konrad Adenauer verteidigte das Vorgehen der Behörden in einer Fragestunde im Bundestag: „Nun meine Damen und Her- ren, wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande“80, erklärte er gegen energische Zwischenrufe der SPD-Abgeordneten. Nicht nur, dass diese Vorwürfe unhaltbar waren, dar- über hinaus belog Verteidigungsminister Strauß den Bundestag, indem er behauptete, nicht über die Ermittlungen informiert gewesen zu sein.81 Dass Strauß es außerdem unterlassen hatte, den der FDP angehörenden Justizminister über die Aktionen zu informieren, veranlasste die FDP, ihre Minister aus der Regierung abzuziehen und die Koalition zu beenden.82 Der inzwischen 87-jährige Adenauer überwand die Regierungskrise, indem er eine neue Koalition mit der FDP bildete, der Franz-Josef-Strauß nicht mehr angehörte. Er sagte außerdem zu, ein Jahr später, am 15. Oktober 1963 zurückzutreten.83 Damit war aber der politische Schaden für die Regierung nicht behoben. In der deutschen Öffentlichkeit wurde das Handeln des Staates nicht als konsequente Verfolgung eines Abgrundes an Landesverrat betrachtet, sondern als Angriff auf die Pressefreiheit. In Universitätsstädten demonstrierten Studenten wie Professo- ren, auf Podien wurde über die Pressefreiheit und den Staat diskutiert und fast alle Redaktio- nen solidarisierten sich mit dem Spiegel.84

Adenauers zurückgezogene Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten, die Konflikte um die Gründung eines zweiten Fernsehsenders und die Spiegel-Affäre eint jeweils das Zutage- treten eines problematischen Demokratieverständnisses der Adenauer-Regierung. Krise und Ende der Regierung verdeutlichen aber auch, wie sich die Demokratie in der Bundesrepublik etabliert hatte. Angriffe auf die Pressefreiheit wurden abgewehrt, das Bundesverfassungsge- richt und der Föderalismus wiesen die Regierung in die Schranken, und der erste Wechsel des Bundeskanzlers war auch durch den kleineren Koalitionspartner durchgesetzt worden.

79 Vgl. ebd., S. 757. 80 Sitzungsprotokoll des deutschen Bundestages vom 07.11.1962, S. 38. URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/04/04045.pdf [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 81 Vgl. Herbert: Geschichte Deutschlands, S. 758. 82 Vgl. ebd., S. 758. 83 Vgl. ebd., S. 758. 84 Vgl. ebd., S. 758. 19

2.1.2 Die SPD in den frühen 1960ern

Nicht nur die Bundesrepublik befand sich in den frühen sechziger Jahren in einer Phase des Übergangs, auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands machte große Veränderungen durch, sowohl in personeller als auch in programmatischer Hinsicht.

Bereits im Mai 1945 hatte die SPD begonnen, ihre politische Arbeit wieder aufzunehmen. Die alten Fahnen wurden wieder hervorgeholt, Treffen von Ortsvereinen abgehalten und Mit- gliedsbeiträge eingesammelt.85 Schon nach wenigen Monaten waren die Strukturen wieder- hergestellt. Im Westen zählte die Partei 700.000 Mitglieder.86 Dabei konnte diese Wieder- gründung kein Neuanfang im eigentlichen Sinne sein. Die Partei, die im nationalsozialisti- schen Deutschland verboten gewesen war, musste notgedrungen da weitermachen, wo sie 1933 aufgehört hatte. Der Parteivorstand bestand größtenteils aus Politikern, die bereits in der Weimarer Republik für die SPD aktiv gewesen waren.87 Programmatisch galt noch das Hei- delberger Programm von 1925. Dieses Programm ging wieder stärker in eine marxistische Richtung als das Görlitzer Programm von 1921.88 So wird darin eine zunehmende Konzentra- tion des Kapitels konstatiert, etwas abgeschwächt von einer Verelendung des Proletariats aus- gegangen und die Arbeiterklasse als zentraler Bezugspunkt sozialdemokratischer Politik ge- nannt. Schließlich wird die Vergesellschaftung der Produktionsmittel gefordert.89 Die demo- kratische Staatsform wird darin eher instrumentell betrachtet, denn grundsätzlich bejaht.90 Das Heidelberger Programm erinnert mit seiner Zweiteilung in einen grundsätzlichen Teil und ein Aktionsprogramm zudem stark an das Erfurter Programm von 1891. Maßgeblich beeinflusst war das Heidelberger Programm von Rudolf Hilferding und Karl Kautsky, der bereits am Er- furter Programm mitgeschrieben hatte.91

Diese SPD, die in den Anfangsjahren der Bundesrepublik noch stark an die SPD der Weima- rer Republik erinnerte, sollte sich aber bald ändern. Die Partei geriet in den fünfziger Jahren zunehmend in die Krise. Sie verlor bis 1954 300.000 Mitglieder und drohte zu vergreisen,

85 Vgl. Walter, Franz: Die SPD, S. 118. 86 Vgl. ebd., S. 118f. 87 Vgl. ebd., S. 119. 88 Vgl. Dowe, Dieter: Das Heidelberger Programm von 1925. In: Faulenbach, Bernd/ Helle, Andreas (Hrsg.): Menschen, Ideen, Wegmarken. Aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie. Berlin 2013, S. 88-92, hier S. 90. 89 Vgl. Münkel, Daniela (Hrsg.): ››Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität‹‹ Die Programmgeschichte der Sozial- demokratischen Partei Deutschlands. Berlin 2007, S. 339. 90 Vgl. Dowe: Das Heidelberger Programm, S. 91. 91 Vgl. ebd., S. 90. 20 zwei Drittel waren älter als 45.92 Bei den drei Bundestagswahlen bis 1957 pendelten ihre Er- gebnisse um die 30 %. Damit lag sie weit hinter der Union und war weit entfernt von der Übernahme der Regierungsverantwortung. In früheren Jahren konnte sich die SPD in solchen Krisenzeiten in das sozialdemokratische Milieu zurückziehen und dort neue Kräfte schöpfen. 1957 existierte dieses Milieu jedoch nicht mehr. Wichtige sozialdemokratische Hochburgen lagen im Osten und gehörten nun zur DDR. Arbeitervereine und Kulturverbände gab es kaum noch. Das Milieu wuchs auch nicht mehr nach, denn die nachwachsenden Generationen wa- ren nicht mehr empfänglich für eine proletarische Alternativ- und Gegenkultur.93 Überkom- mene Gewissheiten von einem historisch notwendigen Siegeszug des Sozialismus hatten an- gesichts der prosperierenden Wirtschaft, des steigenden Lebensstandards einer aufkommen- den Konsumgesellschaft und dem abschreckenden Beispiel des Staatssozialismus‘ an Glaub- würdigkeit und Strahlkraft eingebüßt.

Während mit Erich Ollenhauer noch bis zu dessen Tod Ende 1963 ein Mann der alten SPD an der Spitze der Partei stand, drängte seit 1957 zunehmend eine neue Generation in die Füh- rungsspitze. Im Herbst 1957 wurden Ollenhauer drei stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion an die Seite gestellt: Carlo Schmid, Fritz Erler und Herbert Wehner. Alle drei galten als Modernisierer.94 Auf dem Parteitag 1958 beschlossen die Delegierten gegen den Willen von Ollenhauer die Institution des Geschäftsführenden Parteivorstandes abzu- schaffen und durch ein elfköpfiges Präsidium zu ersetzen, das hauptsächlich aus Bundestags- abgeordneten bestand. Damit wurde der Einfluss der Fraktion deutlich gestärkt.95 Bei ihrem Engagement wurden die Modernisierer von der aufkommenden Mediengesellschaft gestützt. Die um ihr altes Milieu beraubte Sozialdemokratie konnte kritische Kommentare zu einem verkrusteten Pateiapparat nicht mehr gleichgültig hinnehmen oder einfach ignorieren, wie es ihr in früheren Zeiten möglich gewesen war, denn mit dem Ende des sozialdemokratischen Milieus hatte auch ein Zeitungssterben sozialdemokratischer Presse begonnen.96 Eine Konse- quenz dieser Entwicklung war die Nominierung des jungen und telegenen Willy Brandts zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahlen 1961. Der amtierende Regierende Bürgermeis- ter erhielt damit den Vorzug vor dem Parteivorsitzenden Ollenhauer, der in der SPD als schwer verkäuflich galt.97 Auch wenn Brandt heute besonders vom linken Flügel der Par- tei verehrt wird, galt er damals als Erneuerer und wurde im sozialdemokratischen Koordina-

92 Vgl. Walter: Die SPD, S. 122. 93 Vgl. ebd., S. 136f. 94 Vgl. ebd., S. 139. 95 Vgl. ebd., S. 140. 96 Vgl. ebd., S. 140f. 97 Vgl. ebd., S. 142. 21 tensystem als rechts verortet.98 Im Wahlkampf 1961 ließ er die Medien an seinem Privatleben teilhaben, wurde als deutsche Ausgabe Kennedys gezeichnet und kam im Fernsehen erwar- tungsgemäß gut an.99 Franz Walter kommt daher zum Schluss, Brandt sei „der erste Medien- kanzlerkandidat in Deutschland“100 gewesen. Dieter Dowe sieht in der Nominierung Brandts sogar die „Wende zu einer modernen, attraktiven und fest im Westen verankerten SPD.“101 vollbracht. Bei der Bundestagswahl 1961 konnten Brandt und die SPD ihr Ergebnis zwar auf 36% steigern, blieben jedoch in der Opposition.102

Die personelle Erneuerung wurde von einer programmatischen begleitet. Außen- und deutsch- landpolitisch markiert die Rede Herbert Wehners vom 30. Juni 1960 einen Wendepunkt. Nach dem Scheitern ihres Deutschlandplans 1959 bekannten sich die Sozialdemokraten damit zur Westbindung der Bundesrepublik und zur Existenz der Bundeswehr.103 Dies galt damals als sensationell, hatte jedoch einen Vorlauf in der sogenannten Gemeinsamkeitsstrategie der SPD, mit der die Partei seit Ende der 1950er Jahre eine gemeinsame Außenpolitik einer brei- ten Parlamentsmehrheit anstrebte, da Außenpolitik nicht als innenpolitisches Instrument diene und es in wichtigen weltpolitischen Fragen keine Alternative mehr gäbe.104 Der SPD gelang es mit dieser Wende zudem, Angriffe der Union, die der SPD eine nationale Unzuverlässig- keit vorwarfen, ins Leere laufen zu lassen.105 Die Rede Wehners war also weniger sensationell als sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Sie war vielmehr der Abschluss einer längeren Entwicklung der SPD, die auch parteiintern keine größeren Querelen mehr zur Folge hatte.106

Inhaltlich noch einschneidender als das Bekenntnis zur Westbindung war das Godesberger Programm, das im November 1959 das Heidelberger Programm von 1925 ablöste. Es gilt weithin als Meilenstein der sozialdemokratischen Programmgeschichte.107 Mit dem Godes- berger Programm löste sich die Sozialdemokratie vom Marxismus und dem Klassenkampf. Sie orientierte sich jetzt nicht mehr an historisch notwendigen Entwicklungen, sondern an

98 Vgl. ebd., S. 144. 99 Vgl. ebd., S. 143f. 100 Ebd., S. 143. 101 Potthoff, Heinrich: Herbert Wehners Rede am 30. Juni 1960. In: Faulenbach, Bernd/Helle, Andreas (Hrsg.): Menschen, Ideen Wegmarken. Aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie. Berlin 2013, S. 238-246, hier S. 244. 102 Vgl. Der Bundeswahlleiter: Wahl zum 4. Deutschen Bundestag am 17. September 1961. URL: http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/fruehere_bundestagswahlen/btw1961.html [zuletzt abge- rufen: 16.08.2015]. 103 Vgl. Potthoff: Wehners Rede, S. 242. 104 Vgl. ebd., S. 243f. 105 Vgl. ebd., S. 242. 106 Vgl. ebd., S. 244f. 107 Vgl. Münkel: ››Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität‹‹, S. 217. 22 einem demokratischen Sozialismus, den sie ideengeschichtlich aus der christlichen Ethik, dem Humanismus und der klassischen Philosophie ableitete, nicht jedoch aus dem Marxismus.108 Der Sozialismus wird dabei nicht mehr als Endziel betrachtet, sondern als eine „dauernde Aufgabe – Freiheit und Gerechtigkeit zu erkämpfen, sie zu bewahren und sich in ihnen zu bewähren.“109 Dem folgt ein Bekenntnis zur Demokratie, das nicht mehr instrumenteller Na- tur ist: „Wir streiten für die Demokratie. Sie muß die allgemeine Staats- und Lebensordnung werden, weil sie allein Ausdruck der Achtung vor der Würde des Menschen und seiner Ei- genverantwortung ist.“110 Auch im Abschnitt zur Wirtschafts- und Sozialordnung kappt das Godesberger Programm die marxistischen Wurzeln der SPD. Ziel ist nun nicht mehr die Ver- gesellschaftung der Produktionsmittel. Stattdessen lautet die Losung: „Wettbewerb so weit wie möglich. Planung soweit wie nötig!“111 In diesem Sinne „bejaht die Sozialdemokratie den freien Markt […]“112 und betrachtet freien Wettbewerb und Unternehmerinitiative als „wich- tige Elemente sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik.“113 Im Abschnitt Religion und Kirche versucht das Godesberger Programm, das Verhältnis zu den Kirchen zu bereinigen. Die SPD strebt demnach eine „freie Partnerschaft“114 mit den Kirchen an und „bejaht ihren öffentlich- rechtlichen Schutz.“115 Diese Neuerungen werden mit einem Bekenntnis zur Werte-Trias: „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“ zusammengefasst.116

Der Wissenschaftliche Sozialismus war damit von einem werteorientierten Sozialismus abge- löst worden. Mit dem Programm von Bad Godesberg wird daher weithin der Übergang der SPD von der Arbeiterpartei zu Volkspartei verbunden, auch wenn dies eine Entwicklung war, die bereits – wie beschrieben – vor Godesberg begonnen hatte. Obwohl das Programm mit 324 gegen 16 Stimmen angenommen wurde, hatte es eines Kraftaktes bedurft, es durchzuset- zen. So waren Interventionen Ollenhauers und Wehners notwendig, um die Delegierten zu überzeugen, für das neue Programm zu stimmen. Insbesondere an der neuen Religionspolitik wäre das Programm fast noch gescheitert.117 Franz Walter vertritt zudem die Position, dass es weniger die Überzeugung der Delegierten war, die das Godesberger Programm ermöglicht hätte, sondern vielmehr die Loyalität zum Vorsitzenden Ollenhauer. Insofern ermöglichte

108 Vgl. Godesberger Programm. Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von 1959. In: Münkel: ››Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität‹‹, S. 220. 109 Ebd., S. 220. 110 Ebd., S. 220. 111 Ebd., S. 225. 112 Ebd., S. 224-225. 113 Ebd., S. 224. 114 Ebd., S. 231. 115 Ebd., S. 231. 116 Ebd., S. 220. 117 Vgl. Walter: Die SPD, S. 146f. 23 gerade ein Wert der alten SPD ihre Erneuerung.118 Die Historiker Peter Brandt und Detlef Lehnert gehen sogar noch weiter, indem sie konstatieren, dass bei der Programmkommission nicht nur politische Überzeugungen am Werk waren, sondern auch taktische Erwägungen eine Rolle spielten: „Das Programm sollte zweifellos auch der Verbesserung des Bildes der SPD in der Öffentlichkeit dienen.“119 Über die Bedeutung des Programms herrscht indes ein Dissens. Während Dieter Dowe die Position vertritt, das Godesberger Programm habe „der Sozialde- mokratie erhebliche Freiräume [verschafft]“120 und sei eine wichtige Voraussetzung für die Öffnung hin zu bürgerlichen Wählern und den Eintritt in die Große Koalition von 1966 gewe- sen121, meint Franz Walter, das Programm habe schon wenige Wochen nach seiner Verab- schiedung keine Rolle mehr gespielt122, und sei für den Weg hin zur Regierungsübernahme von weit geringerer Bedeutung als der Generationswechsel in der SPD-Führung gewesen.123

Wenn auch Uneinigkeit über das Ausmaß der Auswirkungen von Bad Godesberg besteht, so kann zumindest festgehalten werden, dass das Programm Ausdruck des Wandels der SPD ist. Neben dem Generationenwechsel und der sich verändernden Parteistruktur markiert es den Übergang von der noch stark an die Weimarer Republik erinnernden SPD hin zur modernen Volkspartei SPD. Franz Walter umschreibt diese Übergangszeit mit den Worten „Abschied von der Traditionskompanie“124. Dieser Abschied ist aber nicht als Bruch zu verstehen, son- dern als eine Entwicklung, die jedenfalls wenn man an die Parteibasis denkt, nicht mit Bad Godesberg oder der Kanzlerkandidatur Willy Brandts ihren Abschluss fand, sondern die im Jubiläumsjahr 1963 noch im vollen Gange war. Den Planungen zum Jubiläum ist dieser Übergangscharakter anzumerken. Es sind dort sowohl Aspekte der alten als auch der neuen SPD zu finden.

118 Vgl. ebd., S. 147f. 119 Brandt, Peter/Lehnert, Detlef: ››Mehr Demokratie wagen‹‹. Geschichte der Sozialdemokratie 1830-2010. Berlin 2013, S. 186. 120 Dowe, Dieter: Das Godesberger Programm in der sozialdemokratischen Programmgeschichte. In: Faulen- bach, Bernd/Helle, Andreas (Hrsg.): Menschen, Ideen, Wegmarken. Aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie, S. 233-238, hier S. 237. 121 Vgl. ebd., S. 237. 122 Vgl. Walter: Die SPD, S. 149. 123 Vgl. ebd., S. 149f. 124 Ebd., S. 139. 24

2.1.3 Was fand statt?

Die Aktivitäten der SPD zum 100-jährigen Bestehen zogen sich über das gesamte Jubiläums- jahr 1963 hinweg. Dies war aber kein Ausdruck von Planlosigkeit, sondern vielmehr der schieren Anzahl an Veranstaltungen geschuldet. Nach SPD-Angaben fanden in mehreren tau- send Organisationseinheiten Veranstaltungen zum Jubiläum statt.125 Diese Angabe mag über- trieben sein, aber ein Blick auf die Anzahl an Festschriften, die allein von Untergliederungen wie Bezirksverbänden bis hin zu Ortsvereinen anlässlich lokaler Feierstunden veröffentlicht wurden, beweist immerhin, dass in der gesamten Bundesrepublik flächendeckend Jubilä- umsveranstaltungen stattfanden.126 Neben diesen eher lokal bis regional bedeutenden Veran- staltungen fanden überregionale Veranstaltungen statt. Am 12. Mai beging die SPD den Fest- akt des Parteivorstandes in Hannover und vom 30. August bis 1. September wurde das Deutschlandfest in Hamburg gefeiert; das ganze Jahr über tourte eine von der SPD organisier- te Wanderausstellung, die die hundertjährige Geschichte der Sozialdemokratie veranschau- lichte, durch die Republik. Planung und Ablauf dieser Veranstaltungen werden im Folgenden beschrieben. Die lokalen und regionalen Veranstaltungen können hier keine Beachtung fin- den. Dies würde nicht nur den inhaltlichen Rahmen sprengen, sondern auch den Blick auf das Wesentliche verstellen, da die Festschriften und Reden der kleineren Veranstaltungen keine überregionale Wirkung entfalteten.

Die Feierstunde des Parteivorstandes in Hannover wurde mit dem 12. Mai kurz vor den Ge- burtstag der SPD am 23. Mai gelegt. So konnte ihr Ablauf pünktlich zum Jahrestag in der Parteipresse und den deutschen Medien diskutiert werden. Etwa 4.000 Gäste wohnten dem Festakt nach Parteiangaben bei.127 Dabei erhielt der bereits erwähnte Modernisierer Carlo Schmid, ein „Vater des Grundgesetzes“, Mitglied des Parteivorstandes, Bundespräsident- schaftskandidat und späterer Bundesminister, den Vorzug als Hauptreferent vor dem Partei-

125 Vgl. Bonner Depesche vom 23. Mai 1963: Referenten-Material zu „100 Jahre Sozialdemokratie“. AdsD Ak- tenbestand 100 Jahre SPD (Wettbewerbe etc.). Signatur: 2PVB000047. 126 Siehe Online-Katalog der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. 127 Vgl. SPD-Rundschau. Mitteilungsblatt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Bezirk Hannover vom Juni 1963: „Die ersten hundert Jahre der SPD“. AdsD Aktenbestand 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVC000043. 25 vorsitzenden Erich Ollenhauer.128 Außerdem wurden Grußadressen des Bundespräsidenten Heinrich Lübke und des Bundeskanzlers Konrad Adenauer verlesen.129

Das Deutschlandfest in Hamburg, das gut drei Monate später stattfand, hatte im Gegensatz zur Feststunde des Parteivorstandes eher Event-Charakter. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einer kulturpolitischen und einer gesundheitspolitischen Konferenz. In den folgenden Tagen wurde sie fortgeführt mit einer Filmvorführung130 und mehreren politischen Foren, einer Kundgebung sowie einem Tanzabend und schließlich mit einem gesamtdeutschen Trachten- fest beschlossen. Außerdem residierte die Wanderausstellung während des Deutschlandfestes in Hamburg.131 Das Treffen wurde beworben mit einem Logo, das ein übliches deutsches Nummernschild zeigte, bei dem als Ortskennzeichen SPD stand, gefolgt von der Zahl 1963.132 Außerdem bemühte sich die SPD um einen Sonderpoststempel, der wie das Logo gestaltet sein sollte.133

Die Wanderausstellung zur Geschichte der Sozialdemokratie machte neben Hannover noch in 19 weiteren Orten halt.134 Geplant waren sogar einmal 23 Orte.135 Auf diese Weise brachte die SPD ihre Geschichte direkt zu den Menschen vor Ort. Die Ausstellung wollte aber nicht nur die Vergangenheit zeigen, sondern auch in die Zukunft weisen. Dies wird etwa in der futuris- tisch anmutenden Außengestaltung deutlich. So fand die Ausstellung in einem Kugelpavillon statt; von Einwohnern West-Berlins, wo die Ausstellung eröffnet wurde, spöttisch Brandt- Blase getauft.136 In einem Antwortschreiben von Karl Garbe an seine Parteifreundin Käte Maas, die den Ausstellungsraum als zu klein kritisiert hatte, begründet er die Konstruktion mit dem Ziel unpolitische Neugier wecken zu wollen.137 Garbe sieht diese Konstruktion als ge- lungen an, indem er im Anschluss auf die ungewöhnlich hohen Besucherzahlen von 250.000

128 Vgl. Brief von Karl Anders an Herbert Wehner vom 28. Januar 1963. AdsD Aktenbestand: SPD- Parteivorstand 2/PVBB000047. Siehe auch: Vorwärts: Hundert Jahre Sozialdemokratie. Festvortrag Prof. Carlo Schmids in Hannover. In: Vorwärts vom 15. Mai 1963, S. 3. 129 Vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 14. Mai 1963. AdsD Aktenbe- stand: 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVC000043. 130 Der gezeigt Film zur Geschichte der SPD ist leider nicht mehr zugänglich. 131 Vgl. Programmbroschüre: 3. Deutschlandtreffen der SPD. Hamburg vom 30. August bis 1. September 1963. AdsD Aktenbestand: 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVC000043. 132 Vgl. Programm, Zeitplan, Wegweiser zum 3. Deutschland-Treffen der SPD. AdsD Aktenbestand: 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVC000043. 133 Vgl. Brief von Hermann Nippgen an Karl Garbe und Hans Riethmüller vom 21. Juni 1963. AdsD Aktenbe- stand: 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVC000043. 134 Vgl. Brief von Karl Garbe an Käte Maas vom 3. September 1963. AdsD Aktenbestand: 100 Jahre SPD (Wettbewerbe etc.). Signatur: 2PVBB000047. 135 Vgl. Brief von Karl Anders an Knut Schumann vom 19. Februar 1963. AdsD Aktenbestand: SPD- Parteivorstand 2/PVBB000047. 136 Vgl. SPD Rundschau: Die ersten hundert Jahre der SPD. In: SPD-Rundschau. Mitteilungsblatt der Sozialde- mokratischen Partei Deutschlands. Bezirk Hannover vom Juni 1963 (Nr. 6), S. 3. 137 Vgl. Brief von Karl Garbe an Käte Maas vom 3. September 1963. 26 in fünf Städten verweist.138 Dabei nennt Garbe leider nicht die einzelnen Städte, auf die er sich hier bezieht. Präzise Besucherzahlen sind hingegen von insgesamt vier Orten erhalten und sprechen eine deutliche Sprache. In Hannover besuchten 35.000, in Frankfurt 42.000, in Dortmund 21.000 und in Hamburg 40.000 Menschen die Ausstellung, wie ein internes Do- kument belegt.139 Allein in diesen vier Städten erreichte die Ausstellung demnach 138.000 Interessierte. Diese Zahl ist sehr zuverlässig, da sie aus einem internen Dokument stammt und hier somit keine übertriebenen Angaben zur besseren Selbstdarstellung zu vermuten sind. Demnach war die Ausstellung über den eigenen Mitgliederkreis hinaus attraktiv und muss somit als Erfolg bezeichnet werden. Die oben erwähnte Korrespondenz zwischen Karl Garbe und Käte Maas ist darüber hinaus interessant, weil sie zeigt, wie die Macher der Ausstellung die hundertjährige Geschichte der SPD erzählen wollten. So möchte Garbe darstellen, wie die Geschichte der SPD „ein integrierender Bestandteil der deutschen Geschichte“140 sei. Die Geschichte der SPD sei demnach nicht als isolierter Vorgang zu erzählen141, sondern so vielen Leuten wie möglich zu zeigen, [d]aß in dieser 100jährigen Geschichte eine Partei das konti- nuierliche, aktive Element des sozialen und demokratischen Fortschritts war […]“142 Diese Ausführungen Garbes sind von großem Erkenntniswert, weil die Texte und Bilder der Aus- stellung nur fragmentarisch erhalten sind.

Außer den zentralen Veranstaltungen und der Wanderausstellung betrieb die SPD im Jubilä- umsjahr 1963 insbesondere durch Veröffentlichungen über den ihr nahestehenden Dietz- Verlag Geschichtspolitik. Dabei hoben SPD und Dietz-Verlag drei Publikationen anlässlich des hundertjährigen Bestehens besonders hervor: ein von Georg Eckert herausgegebener Bildband 1863 – 1963. Hundert Jahre deutsche Sozialdemokratie. Bilder und Dokumente, eine historische Monographie von Karl Anders Die ersten hundert Jahre. Zur Geschichte ei- ner demokratischen Partei und ein Handbuch von Franz Osterroth und Dieter Schuster Chro- nik der deutschen Sozialdemokratie.143 Darüber hinaus gab es noch einige wenige andere Pub- likationen des Dietz-Verlages, die sich aber nicht unmittelbar mit der Geschichte der Sozial-

138 Vgl. ebd. 139 Vgl. Schrieb von Horst Burghardt an Alfred Nau und Karl Garbe vom 4. September 1963. AdsD Aktenbe- stand: 100 Jahre SPD (Wettbewerbe etc.). Signatur: 2PVB000047. 140 Brief von Karl Garbe an Käte Maas vom 3. September 1963. 141 Vgl. ebd. 142 Ebd. 143 Vgl. J.H.W. Dietz Verlag: 1863-1963. Hundert Jahre deutsche Sozialdemokratie. Bücher aus dem Verlag J.H.W. Dietz. AdsD Aktenbestand: 100 Jahre SPD. Signatur 2PVCA000043. 27 demokratie befassten und deren Rezensionen von der Partei nicht im selben Maße verfolgt wurden.144

Aber nicht nur die SPD deutete anlässlich des Jubiläums die Geschichte der Sozialdemokratie. Politische Gegner setzten sich mit der SPD des Jahres 1963 und ihrer Vergangenheit ebenso auseinander. Dabei schufen sie Gegenerzählungen sowohl von links, wie etwa die SED, als auch von rechts, wie etwa die Arbeitgeberverbände. Außerdem beteiligten sich Intellektuelle, Wissenschaftler und Journalisten mit eigenen Deutungen an der geschichtspolitischen Ausei- nandersetzung. Diese bedeutenden Akteure gilt es im Folgenden genauer zu untersuchen.

2.2 Akteure

Die geschichtspolitisch bedeutendsten Akteure sind nach Edgar Wolfrum im Allgemeinen Politiker. Im Besonderen ist dies von der geschichtspolitischen Bearbeitung eines Parteijubi- läums zu erwarten. Im Anschluss werden die Journalisten betrachtet, die schon aufgrund der großen Reichweite ihrer Artikel bedeutend sind. Danach wird untersucht, wie Wissenschaft- ler, insbesondere Historiker, als Akteure in dieser geschichtspolitischen Auseinandersetzung auftraten. Sie haben zwar eine geringere Reichweite als Journalisten, können aber aufgrund ihrer divergierenden Methode ein wirksames Korrektiv zu den Erzählungen der Politiker und politischen Aktivisten bilden. Zuletzt werden Intellektuelle untersucht, die aufgrund ihrer Be- deutung für gesellschaftliche Debatten nicht unterschätzt werden sollten.

2.2.1 Politiker

Politiker beteiligten sich vornehmlich durch das ihnen gängigste Medium, die Rede, an der Schaffung von Narrativen zur hundertjährigen Geschichte der SPD. Die wichtigsten Reden wurden dabei auf der Feierstunde gehalten, bzw. nicht gehalten. Die SPD stellte insbesondere die Rede von Carlo Schmid in den Fokus. Obwohl 1896 geboren, war der Jurist kein Mann der alten Weimarer SPD. Er war zwar bereits als Student zwischen 1919 und 1923 politisch aktiv, aber wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg Mitglied der SPD. Für diese gehörte er

144 Schmidt-Küster, Gustav: Dokumentation. Unsere Bücher im Spiegel von Presse und Funk. AdsD Aktenbe- stand: 100 Jahre SPD 1963. PVCA000043. 28 dem Parlamentarischen Rat und dem Bundestag an. 1959 kandidierte er erfolglos für das Amt des Bundespräsidenten.145 Der über Parteigrenzen hinweg respektierte Politiker galt in der SPD als Modernisierer146, der bereits Anfang 1946 forderte, die SPD müsse aufhören, eine Klassenpartei zu sein147 und maßgeblichen Anteil an der Ausarbeitung des Godesberger Pro- gramms hatte.148 Es ist durchaus beachtlich, dass seiner Rede mehr Aufmerksamkeit zu Teil wurde als der des Parteivorsitzenden Erich Ollenhauer.

Eher hinter den Kulissen wirkten Mitglieder des Parteivorstands, ohne deren organisatorisches Geschick die Jubiläumsfeierlichkeiten nicht möglich gewesen wären. Zwar wurde das Präsi- dium stets über die Planungen unterrichtet, aus den Dokumenten geht jedoch klar hervor, dass im Wesentlichen zwei höhere Funktionäre mit dieser Aufgabe betraut waren. Da wäre erstens der 1927 geborene Karl Garbe, der ab 1961 Leiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit beim SPD-Parteivorstand war, und als Verwaltungsratsmitglied beim ZDF als Kenner der Medien in Deutschland bezeichnet werden kann.149 Garbe, der auch Wahlkämpfe organisierte, ist der Schöpfer des Spruchs vom „Genossen Trend“150 und somit kein ganz unbekannter Zeitgenos- se. Auch Garbe gehörte im Gegensatz zu einem großen Teil der Mitglieder von 1963 nicht zur alten SPD; zum Ende des Zweiten Weltkrieges war er gerade erst 18 Jahre alt geworden.

Karl Garbe arbeitete in den Vorbereitungen eng mit Karl Anders zusammen, zu dem er, wie aus Briefen hervorgeht, wohl auch persönliche Kontakte unterhielt.151 1907 unter dem Namen Kurt Wilhelm Naumann geboren, durchlebte Karl Anders ein wechselvolles Leben. 1929 wurde er Mitglied der KPD, für die er auch nach seiner Flucht aus Deutschland 1934 im Exil weiterarbeitete. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete einige Jahre als Deutschlandreporter für den BBC, 1953 bis 1957 war er Geschäftsführer und Verlagsleiter der . 1961 kam er in die zentrale Wahlkampfleitung der SPD.152 Während Garbe eher organisatorisch tätig war, war Karl Anders für die inhaltliche Ausarbeitung des Jubiläumsjahres verantwortlich. Er konzipierte die Wanderausstellung inhaltlich und schrieb

145 Vgl. Archiv der sozialen Demokratie: Bestände und Findmittel. Personen. Carlo Schmid. URL: http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_s/schmid-ca.htm [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 146 Walter: Die SPD, S. 139. 147 Vgl. Archiv der sozialen Demokratie: Carlo Schmid. 148 Vgl. ebd. 149 Vgl. Archiv der sozialen Demokratie: Bestände und Findmittel. Personen. Karl Garbe. URL: http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_g/garbe-ka.htm [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 150 Dietl, Heinz: Karl Garbe wird 85. In: General-Anzeiger-Bonn vom 21.04.2012. URL: http://www.general- anzeiger-bonn.de/lokales/kultur/bonner-journalist-und-publizist-feiert-am-sonntag-seinen-geburtstag- article742104.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 151 Vgl. Brief von Karl Anders an Karl Garbe vom 27.10.1962. 152 Vgl. Archiv der sozialen Demokratie: Bestände und Findmittel. Personen. Karl Anders. URL: http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_a/anders-ka.htm [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 29 in enger Abstimmung mit dem SPD-Parteivorstand eines der anlässlich des Jubiläums veröf- fentlichten Bücher. Auch Karl Anders war kein Mann der Weimarer SPD. Zwar war er ab Ende der zwanziger Jahre politisch aktiv, allerdings für die mit der SPD verfeindete KPD. Erst in der Bundesrepublik wurde Anders Mitglied der SPD. Von kommunistischen Ideen hatte er sich bis 1963 aber weit entfernt, vielmehr ist er um eine ausdrückliche Distanzierung von marxistischen Gedankengut und den Staaten des „Ostblocks“ bemüht, wie das erwähnte Buch von 1963 zeigt, das in Kapitel 2.4 ausführlich diskutiert wird. Daher kann auch Anders dem Flügel der Modernisierer zugeordnet werden.

Die Geschichtspolitik zum hundertjährigen Jubiläum der deutschen Sozialdemokratie war also von Seiten der SPD inhaltlich wie organisatorisch von Akteuren geprägt, die zu den Moderni- sierern gezählt werden können. Auch wenn die SPD des Jahres 1963 noch im Abschied von der „Traditionskompanie“ begriffen war, spielte diese alte SPD in den Vorbereitungen keine große Rolle mehr. Nicht einmal die Rede des Parteivorsitzenden Erich Ollenhauer, der klar zu dieser älteren Generation zu zählen ist, fand größere Aufmerksamkeit. Das soziale Gedächtnis einer Weimarer SPD, fehlte somit weitgehend. Die Zeit der Weimarer Republik selbst war aber durch Akteure wie Carlo Schmid und Karl Anders, die beide in den zwanziger Jahren politisiert worden waren, noch in der Erzählgemeinschaft, dem sozialen Gedächtnis präsent. Dass ausgerechnet die sogenannten Modernisierer, denen ein eher geringes Interesse an den Traditionen der SPD unterstellt wird, die Feierlichkeiten zum Jubiläum organisierten, mag auf den ersten Blick verwundern. Aber gerade diese Kräfte, die ihre Partei endlich in die Regie- rung führen wollten, waren auf gute Wahlergebnisse angewiesen. Aus der Tatsache, dass die Modernisierer die Feierlichkeiten federführend organisierten, lässt sich daher die Erwartung ableiten, dass sie die Gestaltung des Jubiläumsjahres stärker an die deutsche Wählerschaft adressierten als dies bei Vertretern der Generation der „Traditionskompanie“ der Fall gewesen wäre. Diese These gilt es im Kapitel 2.3 zu beweisen.

Weitere Politiker, die als Akteure an der Geschichtspolitik zum hundertjährigen Jubiläum der deutschen Sozialdemokratie mitwirkten, waren der Bundespräsident Heinrich Lübke und der Bundeskanzler Konrad Adenauer. Beide wollten trotz großen Bemühens der SPD nicht auf der Feierstunde des Parteivorstandes in Hannover sprechen. Sie ließen lediglich freundliche Grußbotschaften verlesen, in denen sie hervorhoben, warum auch sie die Geschichte der nun

30 hundertjährigen Partei würdigen wollten.153 Damit unterscheidet sich das Verhalten der Ver- treter konkurrierender Parteien deutlich von denen des Jahres 2013.

2.2.2 Weitere Akteure

Die deutschen Zeitungen begleiteten das Jubiläum der deutschen Sozialdemokratie. Dabei verfassten Journalisten Artikel sowohl über die Veranstaltungen der SPD als auch über die Geschichte der Sozialdemokratie selbst. Die Bandbreite reichte von wohlwollenden bis hin zu kritischen Kommentaren, was in einer pluralen Presselandschaft wie der Bundesrepublik auch zu erwarten war. Da Zeitungen von einem großen Teil der politisch interessierten Bevölke- rung gelesen wurden, sind sie ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Geschichtspolitik. Je höher die Auflage einer Zeitung, desto interessanter ist sie daher für die vorliegende Arbeit. Außerdem sind Zeitungen, die eine klar pointierte Position vertreten und damit die Erzählung der SPD unterstützen oder angreifen, beachtenswert. Daher werden die Artikel der auflagen- stärksten deutschen Tages- und Wochenzeitungen im Kapitel 2.4 auf ihre Narrative hin unter- sucht. Dies sind die Tageszeitungen Bild, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Frankfurter Allge- meine Zeitung und die Wochenzeitungen Der Spiegel und die Zeit. Außerdem wird die Son- derausgabe der SPD-Mitgliederzeitung Vorwärts sowie das Zentralorgan der SED, das Neue Deutschland, und die DDR-Zeitung Berliner Zeitung betrachtet. Zudem fließt ein Artikel der Zeitschrift der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in die Analyse mit ein.

Einer ganz anderen Herangehensweise als Journalisten und Politiker folgten Wissenschaftler, wenn sie sich mit der Geschichte der Sozialdemokratie auseinandersetzten. Im Gegensatz zu diesen erreichen sie mit ihren Arbeiten zwar weniger Menschen, aber aufgrund ihrer hohen Autorität wird ihren Aussagen ein höherer Wahrheitsgehalt zugesprochen. So kommt es zu einem geschichtspolitischen Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Politik, da sie sich zwar in ihrer Herangehensweise unterscheiden, aber ein Wirkungszusammenhang zwi- schen beiden Sphären besteht.154 Die Wissenschaftler sind daher in geschichtspolitischen De- batten in pluralen Gesellschaften ein wichtiger Akteur, weil sie ein Korrektiv zu den Erzäh- lungen der Politik bilden können. Mit der Geschichte der Sozialdemokratie setzten sich im Allgemeinen und zum Jubiläumsjahr im Besonderen allerdings größtenteils Historiker mit

153 Vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 14. Mai 1963. 154 Vgl. Wolfrum: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, S. 21. 31 einem klaren politischen Standpunkt auseinander. Da wären zum einen Historiker aus dem Umfeld der SPD, zum anderen solche, die ausdrücklich enttäuscht über die Entwicklung der Partei waren, wie etwa Wolfgang Abendroth. Aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums wurden jedoch verhältnismäßig wenig wissenschaftliche Werke veröffentlicht. Dies fällt insbesondere im Vergleich zum 150-jährigen Jubiläum auf, an dem sich Historiker, wie noch zu zeigen sein wird, weitaus reger beteiligten.

Noch zurückhaltender als Wissenschaftler verhielten sich Schriftsteller und Intellektuelle zum 100-jährigen Jubiläum. Wo sie sich in die geschichtspolitische Auseinandersetzung einbrach- ten, taten sie dies in Zeitungsartikeln. Als solche werden sie in der Analyse der Zeitungsarti- kel behandelt.

Die Einbindung von Eliten aus Kultur und Wissenschaft für die SPD, wie sie insbesondere im Bundestagswahlkampf 1972 in Form der von Günter Grass getragenen sozialdemokratischen Wählerinitiative für Willy Brandt wirksam wurde155, war 1963 noch fern. Auch im Vergleich zum 150-jährigen Jubiläum wirkt, wie später zu zeigen sein wird, die Bedeutung der Akteure Wissenschaftler, Intellektuelle und Schriftsteller bescheiden.

2.3 Adressaten

Die wichtigste Frage, die zum Wie der Geschichtspolitik zu den sozialdemokratischen Jubilä- en zu beantworten gilt, ist die nach den Adressaten der Geschichtspolitik. Waren es die Mit- glieder der SPD, die mit identitätsstiftendem und ermutigendem Blick auf die eigene Ge- schichte erreicht werden sollten, oder war es die Öffentlichkeit, vielleicht sogar bereits mit dem Blick auf die Bundestagswahl 1965, der die SPD als eine verlässliche, konstante, demo- kratische Kraft präsentiert werden sollte? Freilich sind dies nur zwei äußere Pole auf einer Achse der Geschichtspolitik. Es ist kaum anzunehmen, dass ausschließlich die Parteimitglie- der oder die Öffentlichkeit die Adressaten der Geschichtspolitik darstellten. Welche Seite aber wog schwerer, welcher Adressat stand im Vordergrund der Planung? Dies zu beantworten, verrät uns den eigentlichen Zweck der Geschichtspolitik der SPD zu ihrem 100-jährigen Jubi- läum. Darüber hinaus kann anhand dieser Zielrichtung die SPD des Jahres 1963 besser cha- rakterisiert werden. Wie in Kapitel 2.1 dargelegt wurde, war die SPD dieser Zeit in einer

155 Vgl. Faulenbach, Bernd:: Willy Brandt. München 2013, S. 78. 32

Übergangsphase. Wie sehr sich in der SPD bereits der Anspruch Volkspartei sein zu wollen, durchgesetzt hatte, lässt sich anhand der Adressaten aufzeigen. Je mehr die deutsche Öffent- lichkeit als Adressat im Fokus der Planungen stand, umso mehr zeigte sich hier bereits die neue SPD. Je mehr der Adressat die eigene Mitgliedschaft war, umso mehr zeigte sich hier noch einmal die alte SPD, die sich noch immer nicht ganz von der Sehnsucht nach der wohli- gen Wärme des sozialdemokratischen Milieus gelöst hatte.

Ein erster Blick auf das Quellenmaterial lässt vermuten, dass es noch ganz die alte SPD war, die 1963 ihr hundertjähriges Jubiläum beging. Im ganzen Bundesgebiet feierten zahlreiche Untergliederungen bis hin zu Ortsvereinen hundert Jahre SPD. Diese lokalen Veranstaltun- gen, so ist zu vermuten, waren nur sehr begrenzt über die eigene Mitgliedschaft und den enge- ren Sympathisantenkreis hinaus attraktiv. Des Weiteren stand mit Erich Ollenhauer noch ein Mann der alten SPD an der Spitze der Partei. Als Parteivorsitzender hätte ihm eigentlich eine zentrale Rolle in den Feierlichkeiten zukommen müssen. Der eher blasse und wenig öffent- lichkeitswirksame Politiker entfaltete nach innen eine integrative Kraft, die Modernisierer und Traditionalisten im Übergang der SPD zur Volkspartei zusammenhielt. Dabei stand er noch für die alten Werte der SPD. Von einem Mann wie Ollenhauer wäre daher zu erwarten gewe- sen, dass er die Gelegenheit des hundertjährigen Jubiläums nutzen würde, die Mitgliedschaft mit Blick auf die große Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung zusammenzuschwei- ßen.

Wenn also der Adressatenkreis des engeren Umfelds insbesondere durch die Veranstaltungen der Untergliederungen durchaus angesprochen wurde, so überwiegt doch bei einer detaillier- ten Auswertung der Quellen klar der Adressat der bundesdeutschen Öffentlichkeit.

So war die Rolle Erich Ollenhauers bei den zentralen Feierlichkeiten eher gering. Bei der Fei- erstunde des Parteivorstands in Hannover wurde die Rede des auch in liberalen und konserva- tiven Kreisen respektierten Carlo Schmid weit stärker herausgehoben als die von Erich Ollen- hauer. Auch ansonsten spielte Ollenhauer keine bedeutende Rolle. Neben Carlo Schmid kön- nen auch die weiteren Akteure, wie oben dargelegt, dem Kreis der Modernisierer zugeordnet werden. In Kapitel 2.2 wurde die These aufgestellt, dass ihr Engagement im Rahmen des Jubi- läums von dem Bestreben geleitet war, damit eine größere Wählerschaft für die SPD zu gene- rieren. Diese naheliegende Vermutung lässt sich anhand von Dokumenten des Parteivorstands belegen. Zwei der drei zentralen Veranstaltungen, die Wanderausstellung und das Deutsch- landfest, waren klar an einen über die Partei hinausreichenden Adressatenkreis gerichtet.

33

2.3.1 Die Adressaten der Wanderausstellung

Die Zielvorgabe der Wanderausstellung war es, viele hunderttausend Besucher anzuziehen.156 Das Design des Ausstellungsraums in Kugelform sollte unpolitische Neugier wecken, also dezidiert eine breite Öffentlichkeit ansprechen.157 Ziel war es, die Ausstellung „auf begrenz- tem Raum so vielen Leuten als möglich“158 zu zeigen. Dabei wurde in der Planung darauf Wert gelegt, dass die ausgestellten „Dokumente jener Zeit den entsprechenden Rahmen fin- den, in dem sie nicht allzu fremdartig anmuten.“159 Karl Anders, der für die inhaltliche Pla- nung der Ausstellung verantwortlich war, wies die Kritik altgedienter Parteifreunde an der Ausstellung zurück, indem er betonte, „daß eine Partei nicht eine Ghetto-Ideologie haben darf, will sie als regierende Partei dem Ganzen dienen […]“160 Besonders in diesem Statement wird deutlich, worum es den Akteuren bei der Wanderausstellung ging und damit auch wer ihr Adressatenkreis war. Die „Ghetto-Ideologie“, von der Karl Anders spricht, lässt sich leicht mit dem sozialdemokratischen Milieu übersetzen, in das sich die SPD viele Jahrzehnte lang in Krisenzeiten zurückziehen konnte, das aber 1963 keinen Bestand mehr hatte. Stattdessen soll- te die Ausstellung in die Zukunft weisen, eine Zukunft, in der die SPD Regierungsverantwor- tung übernehmen würde, nicht mehr als Klassenpartei, sondern als eine „dem Ganzen dienen- de“ Volkspartei.

2.3.2 Die Adressaten des Deutschlandtreffens

Das Deutschlandtreffen im August 1963 hatte, wie oben dargestellt, Event-Charakter. Neben politischen Foren, organisierten die Veranstalter einen Film- und einen Tanzabend und sogar ein gesamtdeutsches Trachtenfest. Beworben wurde das Fest mit einem stilisierten Nummern- schild. Hier ist auffallend wenig sozialdemokratische Symbolik zu sehen. Nicht die alte „Blut-

156 Vgl. Brief von Karl Anders an das Vorwärts z.Hd. Knut Schumann vom 19.02.1963. AdsD Aktenbestand: 100 Jahre SPD (Wettbewerbe etc.). Signatur: 2PVB000047. 157 Vgl. Brief von Karl Garbe an Käte Maas vom 3. September 1963. AdsD Aktenbestand: 100 Jahre SPD (Wettbewerbe etc.). Signatur: 2PVB000047. 158 Ebd. 159 Schrieb von Karl Garbe an Herbert Wehner vom 28.01.1963. AdSD Aktenbestand: 100 Jahre SPD (Wettbe- werbe etc.). Signatur: 2PVB000047. 160 Brief von Karl Garbe an Käte Maas vom 3. September 1963. AdsD Aktenbestand: 100 Jahre SPD (Wettbe- werbe etc.). Signatur: 2PVB000047. 34 fahne“ stand im Vordergrund, sondern eine sozialdemokratische Thematisierung Deutsch- lands, wie im schon im Namen und im gesamtdeutschen Trachtenfest deutlich wird. Die SPD trat hier dem 1963 noch nicht ganz überwundenen Vorwurf der „vaterlandslosen Gesellen“ entgegen und präsentierte sich als patriotische Partei, ohne ins Nationalistische abzugleiten. Diese Konzeption passte zum historischen Kontext dieser Jahre. Die SPD verfolgte seit Ende der 1950er die sogenannte Gemeinsamkeitsstrategie, also eine gemeinsame Außenpolitik mit den Unionsparteien und ließ so Vorwürfe einer vermeintlichen nationalen Unzuverlässigkeit der Sozialdemokraten ins Leere laufen.161 Angesprochen wurde also nicht nur die eigene Mit- gliedschaft, sondern vor allem die bundesdeutsche Öffentlichkeit. Dies schlägt sich auch in einer genauen Beobachtung der Resonanz der Veranstaltung in Funk und Fernsehen durch die Organisatoren nieder. So dokumentierte der Parteivorstand detailliert, zu welchen Zeiten wel- che Fernseh- und Radiosender Beiträge über das Deutschlandtreffen sendeten.162

Zwei der drei zentralen Veranstaltungen waren demnach klar an eine breite deutsche Öffent- lichkeit über die eigene Mitgliedschaft hinaus adressiert. Aber auch bei der zentralen Feier- stunde des Parteivorstands in Hannover behielten die Organisatoren diese im Blick, indem sie Carlo Schmid und nicht Erich Ollenhauer als Hauptreferenten auftreten ließen. Zudem hatten sie versucht mit dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler höchste Repräsentanten des bundesdeutschen Staates für das Fest zu gewinnen, was ihm sicherlich eine größere öffentli- che Resonanz beschert hätte.

2.3.3 Die Adressaten der Publikationen

Bei den Publikationen fällt die Gewichtung der Adressierung differenzierter aus. Die zum hundertjährigen Jubiläum erschienenen SPD-nahen Veröffentlichungen sind überschaubar und nur begrenzt für Außenstehende interessant.

Die von Franz Osterroth und Dieter Schuster herausgegebene Chronik der deutschen Sozial- demokratie ist als Handbuch für eine breite Leserschaft uninteressant, da hier lediglich Daten und Fakten nachgeschlagen werden können. Selbst für SPD-Mitglieder war dies keine geeig- nete Bett-Lektüre. Adressat war hierbei eher der wissenschaftliche Betrieb.

161 Siehe Kapitel 2.1.2. 162 Referat Funk, Fernsehen, Film beim Parteivorstand der SPD: Das 3. Deutschland-Treffen in Funk und Fern- sehen vom 23.08.1963. AdSD Aktenbestand: 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVCA000043. 35

Der von Georg Eckert herausgegebene Bildband 1863 – 1963. Hundert Jahre deutsche Sozi- aldemokratie. Bilder und Dokumente war schon eher für eine breite Leserschaft von Interesse. Großflächige historische Aufnahmen der verschiedenen Epochen werden hier verbunden mit kurzen, leicht verständlichen Einführungstexten. Georg Eckert sollte sich, so schlugen es Karl Anders, Herbert Wehner und Willi Eichler in einer gemeinsamen Sitzung vor, dafür um ein Vorwort des Bundespräsidenten bemühen.163 Ein solches Bemühen, falls es denn tatsächlich stattgefunden haben sollte, war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Das Geleitwort schrieb schließlich der Parteivorsitzende Erich Ollenhauer. Allein die Idee zeigt aber, dass die SPD- Führung hohe bis höchste politische Repräsentanten, auch der politischen Konkurrenz, für ihre Geschichtspolitik zum hundertjährigen Jubiläum gewinnen wollte. Für das Zufriedenstel- len der eigenen Mitgliedschaft wäre dies nicht nötig gewesen.

Lediglich Karl Anders‘ historische Abhandlung Die ersten hundert Jahre. Zur Geschichte einer demokratischen Partei war als Lesestoff für eine interessierte Öffentlichkeit geeignet. Dieses populärwissenschaftlich gehaltene Werk verfolgt, wie bereits der Titel andeutet, ein klares Narrativ, das es im folgenden Kapitel näher zu beleuchten gilt. Als populärwissen- schaftliches Buch bewegt es sich selbst in dem geschichtspolitischem Spannungsfeld zwi- schen Wissenschaft und Politik. Es ist daher für diese Arbeit von besonderem Interesse. Edgar Wolfrum skizziert Geschichtspolitik als Überzeugungsstrategie, als Machtinstrument, mit dem man durch die Geschichte Überzeugungskraft schafft.164 Karl Anders‘ Buch versucht sich dieser Überzeugungsstrategie zu bedienen. Es richtet sich klar an eine breitere Öffent- lichkeit. Dies wird nicht nur in dem im Buch entfalteten Narrativen deutlich, sondern geht für dieses, wie für die anderen beiden Werke, auch aus Dokumenten des Parteivorstands der SPD hervor. Der sozialdemokratische Verleger des J.H.W. Dietz-Verlages, Gustav-Schmidt- Küster165, erstellte für den Parteivorstand eine Zusammenschau der Presse-Reaktionen auf die anlässlich des 100-jährigen Jubiläums erschienenen drei Werke. Schmidt-Küster zog ein weitgehend positives Fazit über den Erfolg der Bücher:

„[d]as überwältigende Presseecho und ihr guter Absatz haben gezeigt, daß es sich im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit der Partei lohnt, repräsentative, politisch-historische Bücher, die sich

163 Vgl. Eichler, Willi (Protokollant): Gedächtnisprotokoll über die Besprechung mit Herbert Wehner und Karl Anders über die Pläne über die 100-Jahr-Feier der SPD vom 15.11.1962, S. 1. AdSD Aktenbestand: 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVCA000043. 164 Vgl. Wolfrum: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, S. 26. 165 Vgl. Vgl. Archiv der sozialen Demokratie: Bestände und Findmittel. Personen. Gustav Schmidt-Küster. URL: http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_s/schmidt-kuester-gu.htm [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 36

mit der Geschichte und den gegenwärtigen Problemen der SPD beschäftigen und die Fragen unserer Zeit aus der Sicht des demokratischen Sozialismus beleuchten, zu veröffentlichen.“166

Schmidt-Küster konstatierte weiter ein großes Bedürfnis der Öffentlichkeit nach „sachlicher Aufklärung und objektiver Unterrichtung“, das durch die Publikationen nicht nur befriedigt, sondern sogar wachgerufen werden könnte.167 Diese Worte des Dietz-Verlegers beweisen, dass die in enger Abstimmung mit der SPD herausgegebenen Werke durchaus an eine breite Öffentlichkeit und nicht nur an SPD-Sympathisanten adressiert waren. Der Dietz-Verlag schien mit dem Ergebnis zufrieden gewesen zu sein, auch wenn Schmidt-Küster noch ab- schließend anmerkte, dass ein mehrbändiges Geschichtswerk der Partei dringend gebraucht werde.168

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass der Adressat sowohl der zentralen Veranstaltungen als auch der Publikationen schwerpunktmäßig die breite deutsche Öffent- lichkeit war. Zwar wurden insbesondere mit den lokalen Feierlichkeiten, aber auch mit den Publikationen ebenso die Parteimitglieder angesprochen, es ging den Organisatoren jedoch ausdrücklich darum, mit dem Jubiläum über diesen Kreis hinaus zu wirken. Freilich ging die- se Stoßrichtung manchen noch nicht weit genug. Der sozialdemokratische Verleger Pitt Se- verin etwa, der Broschüren und eine Illustrierten-Reportage zur Mitgliederwerbung erstellen sollte, beschwerte sich über die Konzeption des hundertjährigen Jubiläums. Er kritisierte das Manuskript von Karl Anders, es sei in miserablem Deutsch geschrieben und stecke voller strotzender Widersprüche.169 Des Weiteren beklagte er die mangelnde Präsenz von Willy Brandt im Hinblick auf die Bundestagswahl 1965: „Kommt denn, verdammt nochmal, nie- mand bei Ihnen auf die Idee, daß der Wahlkampf für 1965 unbedingt vorgestern hätte begon- nen werden müssen, und daß es sinnlos ist, ihn erst 1965 zu starten.“170 Mit dieser geharnisch- ten Kritik schießt Severin Pitt zwar über das Ziel hinaus. Den Organisatoren ging es, wie ge- zeigt worden ist, sehr wohl darum, die SPD bereits für den Wahlkampf 1965 in Stellung zu bringen. Sie mag aber insoweit berechtigt sein, als dass es der SPD nur begrenzt gelang, diese Strategie auch erfolgreich umzusetzen. So konnte sie hohe Repräsentanten des Staates weder als Redner noch für ein Geleitwort zu einer Publikation gewinnen. Auch die Veranstaltungen, mögen die Besucherzahlen im Falle der Wanderausstellung auch in die hunderttausende ge-

166 Vgl. Schmidt, Küster, Gustav: Unsere Bücher im Spiegel von Presse und Funk. AdSD Aktenbestand: 100 Jahre SPD. Signatur: 2PVCA000043. 167 Vgl. ebd. 168 Vgl. ebd. 169 Vgl. Brief von Severin Pitt an Karl Garbe vom 08.02.1963 170 Ebd. 37 gangen sein, hatten wahrscheinlich wenig Einfluss auf die Bundestagswahl 1965. Immerhin aber spricht das Zusammenspiel von Akteuren und Adressaten der Geschichtspolitik der SPD 1963 dafür, dass die Partei, nachdem sie 1959 bereits programmatisch den Übergang zur Volkspartei gewagt hatte, nun auch in ihrer Geschichtspolitik den Wandel hin zu einer Volks- partei eingeleitet hatte. Inwiefern dieser Wandel sich auch in den durch die SPD geschaffenen Erzählungen niederschlug, und welche Gegenerzählungen es dazu gab, ist das Thema des nächsten Kapitels.

2.4 Narrative

Die Geschichte der Sozialdemokratie wurde angesichts des hundertjährigen Jubiläums von verschiedenen Seiten auf vielfältige Weise inhaltlich gedeutet. Die SPD schuf dabei eine weitgehend konsistente Erzählung, die verschiedene Narrative miteinander verwob. Diese Erzählung lässt sich in den Reden der oben vorgestellten Veranstaltungen und Publikationen wiederfinden. Zudem bietet sich ein Blick in das Mitgliedermagazin Vorwärts an, das sich aufgrund seines Erscheinens in beiden hier diskutierten Jubiläen, für einen Vergleich auf- drängt.

Die Narrative, die in den SPD-Erzählungen vorherrschend sind, lassen sich auch in Erzählun- gen weiterer Akteure wiederfinden. Daher werden Zeitungsartikel und Grußworte von politi- schen Repräsentanten, die denen der SPD ähneln, hier mitaufgeführt.

Aber längst nicht alle Journalisten, und schon gar nicht Vertreter konkurrierender politischer Parteien oder Akteure aus Interessensverbänden, die der SPD eher ablehnend gegenüberstan- den, folgten den Erzählungen der SPD. Sie schufen sich teils stark von der SPD-Erzählung und untereinander unterscheidende Gegenerzählungen.

Im Folgenden wird zuerst die SPD-Erzählung, anschließend die Gegenerzählungen analysiert. Abschließend werden die beiden auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin verglichen.

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2.4.1 Erzählungen

2.4.1.1 Die Rede von Carlo Schmid

Die wahrscheinlich wichtigste Rede, die im Rahmen des hundertjährigen Jubiläums von Sei- ten der SPD gehalten wurde, war die des Hauptreferenten der zentralen Feierstunde des Par- teivorstandes in Hannover, Carlo Schmid. In dieser Rede gibt Carlo Schmid einen Abriss der Geschichte der SPD und verknüpft diese mit den gegenwärtigen Aufgaben, die er für die So- zialdemokratie sieht. Gleich zu Beginn seiner Rede betont Schmid den Wandel seiner Partei, wobei sie sich aber „nie von der Grundrichtungslinie entfernt“171 habe. Diese Grundrichtungs- linie ist nach Schmid die Aufgabe,

„die Welt so zu verändern, daß Idee und Wirklichkeit des Menschen auch in der Realität seiner Existenz wieder zur Deckung kommen können, indem der Mensch in der Arbeit, dieser tägli- chen Neuschöpfung der Bedingungen unserer Existenz durch uns selbst, Wesensbejahung zu finden und damit der Selbstentfremdung zu entgehen vermöge, in die uns alle die Folgen einer vom hemmungslosen und seelenlosen Kapitalismus unbewältigten industriellen Revolution ge- stürzt haben.“ 172

Dies seien auch die Gedanken Marx‘ und Engels‘ gewesen, die so prägend für die deutsche Sozialdemokratie gewesen seien. Beide hätten bei dem angesetzt, was uns als Menschen aus- zeichnet, der Arbeit.173 Für Schmid bleibt dabei aber klar Lassalle, „und nicht Karl Marx […] der Gründer der Sozialdemokratie als einer durch das Parlament wirkenden politischen Partei der Arbeiterschaft.“174 Auch wenn Schmid in seiner ganzen Rede hinweg respektvoll von Marx spricht, so lässt er doch keinen Zweifel daran, dass er dessen Gedanken für überholt hält. Er verwirft den Materialismus, die marxistische Geschichtsphilosophie, das Klassen- kampfkonzept und überhaupt jede revolutionäre Strategie zur Verwirklichung des Fortschritts und des Rechts.175 Dagegen ist Lassalle nach wie vor aktuell für Schmid. Es gelte den sozia- len Rechtsstaat zum Kulturstaat auszubauen, wie es Lassalle bereits hundert Jahre zuvor for- muliert habe.176

171 Festrede von Professor Carlo Schmid. In: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.): Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 14.05.1963, S. 739-744, hier S. 739. 172 Ebd., S. 739 173 Vgl. ebd., S. 740. 174 Ebd., S. 740. 175 Vgl. ebd., S. 743f. 176 Vgl. ebd., S. 744. 39

Um diese lassalleanische Staatsbejahung ordnet Schmid das historische und gegenwärtige Verhältnis der SPD nicht nur zum Staat, sondern auch zur Demokratie, zur Arbeit, zum Volk und zur Nation an. Im Grunde betont Schmid bei all diesen Begriffen eine Kontinuität sozial- demokratischer Politik.

Die Sozialdemokraten wären seit Lassalles Zeiten „demokratisch-sozialistische Gruppen“177 gewesen, die unter teils großen Opfern stets für die Demokratie in Deutschland gekämpft hät- ten. Ein ganzes Unterkapitel widmet Schmid allein der Aufzählung der Opfer, die die Sozial- demokraten im Kampf für die Demokratie zwischen 1933 und 1963 erbracht hätten,178 – die- ser bildet somit das wichtigste Narrativ der Rede Schmids. Der Demokratie ist auch das Ver- ständnis von Arbeit und Verteilung untergeordnet. Zwar müsse „jeder einen seiner Arbeit und seinen Bedürfnissen entsprechenden vollen Anteil am Sozialprodukt erhalten“179, aber wichti- ger sei die betriebliche Mitbestimmung180, die Wirtschaftsdemokratie.

Der opferreiche Kampf für Demokratie war nach Schmid zudem ein patriotischer Akt, denn er sei auch ein „Kampf für die Selbstbestimmung des deutschen Volkes im Zeichen der Frei- heit“181 gewesen. Insbesondere die „großen Patrioten und Sozialdemokraten“ 182 Friedrich Ebert und Kurt Schumacher werden in der Rede herausgestellt. Voller Lob spricht Schmid von Ebert, der seine Hauptaufgabe „in der Erhaltung des Bestandes Deutschlands, in seiner Demokratisierung und der Verwirklichung der Postulate sozialer Gerechtigkeit“ 183 sah, sowie von Schumacher, der alles eingesetzt habe, „um die deutsche Arbeiterschaft gegen die Versu- chungen des totalitären Ostens immun zu machen […]“184 und der „verhindert hat, daß wir eine Verfassung ohne ausreichende Befugnisse der Bundesgewalt bekamen […].“185 Diese beiden Personen sind nicht willkürlich ausgewählt, sondern bilden aufgrund ihrer Biographien eine Art antikommunistische Gelenkstelle zwischen den Motiven Demokratie und Nation. So passt es auch, dass für Schmid demokratische Partei und Volkspartei ganz im Sinne Lassalles Synonyme zu sein scheinen, wodurch Schmid den Übergang der SPD zur Volkspartei bereits in den unmittelbaren Nachkriegsjahren ansetzen kann.186 Dieses Abgrenzungsbedürfnis ge- genüber dem Kommunismus überrascht kaum angesichts des historischen Kontextes, in die-

177 Ebd., S. 741. 178 Vgl. ebd., S. 743. 179 Ebd., S. 744. 180 Vgl. ebd., S. 744. 181 Ebd., S. 743. 182 Ebd., S. 743. 183 Ebd., 743. 184 Ebd. S. 743. 185 Ebd., S. 743. 186 Vgl. ebd., S. 743. 40 sen Jahren der Kuba-Krise und des Mauerbaus. Die Vehemenz aber mit der Schmid hier die SPD als patriotische Kraft präsentiert, nicht nur als eine vaterländische Partei, sondern als „die vaterländische Partei“187, ist dann doch bemerkenswert.

2.4.1.2 Karl Anders: Die ersten hundert Jahre. Zur Geschichte einer demokratischen Partei

Die Verbindung der Narrative vom Kampf für die Demokratie mit dem der SPD als vaterlän- discher Partei, die Schmid wie eine rote Linie durch die Geschichte der Sozialdemokratie flicht, bestimmt auch das Werk Die ersten hundert Jahre. Zur Geschichte einer demokrati- schen Partei von Karl Anders. Bereits der Titel verdeutlicht hier die zentrale Stellung des Demokratie-Narrativs. Die Demokratie ist für Anders das „Leitmotiv“188 in der Geschichte der SPD, denn sie „war stets eine demokratische Partei, und sie ist stolz darauf.“189 Dabei hätte sie „oft allein gelassen im Kampf um Demokratie ihren Mann [gestanden]“190 Eine Her- ausforderung für Anders‘ Demokratie-Deutung stellen dabei das Erfurter Programm und die stark marxistisch geprägte SPD jener Zeit dar. Anders löst das Problem, indem er betont, dass trotz der durch die staatlichen Repressionen provozierten Aufnahme des Marxismus in das Erfurter Programm die Praxis der Partei demokratisch geblieben sei.191 Die „revolutionäre Kraftmeierei“ sei eine Episode geblieben.192 Anders bezieht sich konsequenterweise weit stärker auf Lassalle als auf Marx. Dabei ist er bemüht den Einfluss, den Ersterer auf die Sozi- aldemokratie gehabt habe, hervorzuheben, und den Einfluss des Letzteren zu relativieren. Anders fasst diese Deutung zusammen, indem er festhält: „Der tote Lassalle hatte in ihr auch später noch mehr Einfluß als der lebende Marx.“193 Lassalle ist für Anders aber nicht nur der Erfinder der demokratischen Massenpartei194, sondern auch für die Sozialdemokratie zu An- ders‘ Zeiten hochaktuell, weil er bereits 1859 begründet habe, warum die nationale Frage zu- gleich eine demokratische sei.195

187 Ebd., S. 744. 188 Anders, Karl: Die ersten hundert Jahre. Zur Geschichte einer demokratischen Partei. Hannover 1963, S. 50. 189 Ebd., S. 71. 190 Ebd., S. 71. 191 Vgl. ebd., S. 55. 192 Vgl. ebd., S. S. 55. 193 Ebd., S. 34. 194 Vgl. ebd., S. 13. 195 Vgl. ebd., S. 15. 41

Auf diese Weise kann auch Anders das Demokratie-Narrativ mit dem Vaterland-Narrativ ver- binden. Noch stärker als Schmid betont Anders den Kampf der deutschen Sozialdemokratie für ihr Vaterland, widmet dem sogar ein ganzes Kapitel mit dem Namen: Was ist des Deut- schen Vaterland?196 Wie Schmid hebt Anders das Engagement der Sozialdemokraten gegen den Kommunismus hervor. Im Gegensatz zu Schmid, der aber eher von einem antitotalitaris- tischen Standpunkt argumentiert, bedient sich Anders einer Rhetorik, die stark an die politi- sche Rechte erinnert. So wäre laut Anders,

„[d]er Zusammenbruch (1945) […] das Ende der Nation geworden, hätten nicht Sozialdemo- kraten ein Bollwerk gegen den kommunistischen Versuch gebildet, Deutschland ganz zu er- obern. Ohne die Sozialdemokratische Partei gäbe es heute selbst den freien Teil Deutschlands nicht mehr. Es gäbe keine Bundesrepublik als Hoffnung und Voraussetzung für die Wiederver- einigung.“197

Indes gibt Anders im Gegensatz zu Schmid keine Begründung, worin nun genau der Ver- dienst der Sozialdemokraten in der Rettung des freien Teil Deutschlands vor den Kommunis- ten gelegen habe. Stattdessen stellt er rhetorische Fragen, die noch deutlicher nach dem Anti- kommunismus der Rechten klingen als obiges Zitat: „Was wäre aus Deutschland, aus der Bundesrepublik geworden, wenn die sozialdemokratischen Dämme gegen die bolschewisti- sche Flut damals nicht gehalten hätten?“198

Das Narrativ vom Kampf für das Vaterland verbindet Anders mit einer Deutung der SPD als einer „Partei des Friedens, der Völkerversöhnung […]“199, die aber „nie eine prinzipiell pazi- fistische Partei gewesen“200 sei. Dabei interpretiert Anders sowohl den deutsch-französischen Krieg von 1870/1871 wie auch den Ersten Weltkrieg als Verteidigungskriege, die in Erobe- rungskriege umgeschlagen seien, was jeweils zur Ablehnung der Sozialdemokraten geführt habe.201 Genau diese Haltung, so Anders,

„bewies die Vaterlandsliebe der Sozialdemokratie. Als der Krieg durch die Annexionsgelüste der Unbelehrbaren in die Niederlage und Katastrophe geführt hatte, waren es Sozialdemokra- ten, die weder Kopf noch Mut verloren und den deutschen Staat retteten.“202

196 Vgl. ebd., S. 15-30. 197 Ebd., S. 30. 198 Ebd., S. 88. 199 Ebd., S. 39. 200 Ebd., S. 39. 201 Vgl. ebd., S. 20f., 29. 202 Ebd., S. 29. 42

Hiermit gelingt es Anders nicht nur die beiden wichtigsten Narrative vom Kampf für die De- mokratie und das Vaterland miteinander zu verbinden, sondern er verknüpft diese auch noch mit dem Narrativ der Friedenspartei. Zugleich verteidigt er die Haltung der SPD zu den Kriegskrediten 1914 gegen Vorwürfe, die SPD trage eine Mitschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Neben den beiden eng verwobenen Hauptmotiven, des Kampfes für die Demokratie und das Vaterland, geht Anders auf das Verhältnis der SPD zum Christentum ein, wobei er sich erneut positiv auf Lassalle bezieht, der nie antireligiöse Propaganda betrieben habe.203 Vielmehr ha- be „[d]as Urchristentum mit seiner Idee der Gleichheit und der Brüderlichkeit […] lange Zeit bei den sozialen Kämpfen der jungen Arbeiterklasse Pate gestanden.“204 Aber auch zu seiner Zeit sieht Anders Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und SPD. Wie bei den Christen, sei auch bei den Sozialdemokraten die Menschheit der Bezugspunkt.205 Ein Bezugspunkt, den Anders als Konstante in der Geschichte der Partei sieht: „Hundert Jahre Geschichte der Partei sind der unablässige Versuch, dem Menschsein des Menschen eine Chance zu geben.“206

Darüber hinaus hebt Anders die Rolle der Frauen in der Geschichte der Sozialdemokratie her- vor. Ob dabei die Genossinnen von Karl Anders mit seinen Ausführungen zufrieden waren, darf allerdings bezweifelt werden, offenbart er an dieser Stelle doch ein fragwürdiges Frauen- bild. So würdigt Anders weniger das politische, als vielmehr das häusliche Engagement sozi- aldemokratischer Frauen. Denn, „gute Sozialdemokraten, die als Frauen viel für die Partei taten, hatten oft keine andere Parteifunktion, als sorgende Hausfrau für den stets tätigen Mann da zu sein und ihre Familie intakt zu halten.“207 Für Anders ist diese Erkenntnis aber kein Grund, die mangelnden Partizipationsmöglichkeiten für Frauen in der Geschichte der Sozial- demokratie zu problematisieren. Er würdigt vielmehr dieses Zurückgeworfensein sozialdemo- kratischer Frauen auf Reproduktionstätigkeiten, indem er feststellt, „daß die Sozialdemokratie keine hundert Jahre hätte bestehen können ohne die Selbstlosigkeit, das Verständnis und die Opferbereitschaft der zahllosen Frauen, die ihren Männern Mut und Kraft gaben.“208

Anders‘ Versuch die Geschichte der Sozialdemokratie mit dem Leitmotiv der Demokratie zu verbinden wirkt zuweilen bemüht. In seiner Gewichtung und Anordnung der SPD vor dem Ersten Weltkrieg liest sich sein Buch in Teilen wie eine Rechtfertigung. Dies mag der anti-

203 Vgl. ebd., S. 75. 204 Ebd., S. 73. 205 Vgl. ebd., S. 78. 206 Ebd., S. 78. 207 Ebd., S. 110. 208 Ebd., S. 110. 43 kommunistischen Stimmung der frühen 1960er Jahre geschuldet sein, wirkt aber wenig sou- verän. Dass Anders sich dabei von der antitotalitaristisch geprägten Ablehnung des Kommu- nismus entfernt und die Rhetorik der antikommunistischen Rechten übernimmt, zeigt wie groß das Abgrenzungsbedürfnis der SPD zum Kommunismus war und wie dringlich ihr der Nachweis einer patriotischen Gesinnung erschien.

2.4.1.3 Das Handbuch von Franz Osterroth und Dieter Schuster und der Bildband von Georg Eckert

Das Handbuch von Osterroth und Schuster legt selbst keine Deutung der Geschichte vor. Es sollte vielmehr lediglich als Nachschlagewerk dienen.209 Dennoch ist es Bestandteil der Ge- schichtspolitik. Mit seiner umfangreichen Sammlung an Daten und Fakten dient es als Institu- tion des Speichergedächtnisses, das alle bedeutenden Daten der SPD-Erzählung beinhaltet, aber auch für konkurrierende Deutungen herangezogen werden kann.

In dem schon in seinen äußeren Maßen überaus umfangreichen Bildband 1863 – 1963. Hun- dert Jahre deutsche Sozialdemokratie werden zahlreiche Bild- und einige Textdokumente aus der Geschichte der SPD vorgestellt. Dabei soll das Buch

„einen tiefen und anschaulichen Eindruck von der Spannweite sozialdemokratischen Wirkens, von dem Reichtum an Persönlichkeiten, die auf den verschiedenen Gebieten tätig wurden, von der Größe ihrer Leistungen und Erfolge, aber auch von der Schwere ihrer Aufgaben und von der Härte der Opfer, die sie zu bringen bereit waren [vermitteln].“210

Dabei ist die Geschichte der Sozialdemokratie, so Ollenhauer im Geleitwort, „mehr als die Geschichte einer politischen Partei.“211 Denn an allen politischen Problemen hätten die Sozi- aldemokraten rege Anteil genommen.212

Der Bildband kann demnach als ein Werk gesehen werden, in dem die Erinnerungsorte der SPD-Erzählung zusammengefasst werden und das damit die kohärente Deutung der SPD mit ihren verschiedenen, ineinander verwobenen Narrativen unterstützt.

209 Vgl. Schuster, Dieter: Vorwort. In: Ders./ Osterroth, Franz (Hrsg.): Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Hannover 1963, S. 5-6, hier S. 5. 210 Ollenhauer, Erich: Zum Geleit. In: Eckert, Georg (Hrsg.): 1863 – 1963. Hundert Jahre deutsche Sozialdemo- kratie. Bilder und Dokumente. Hannover 1963, ohne Seitenzahl. 211 Ebd. 212 Vgl. ebd. 44

2.4.1.4 Der Vorwärts

Das Mitgliedermagazin der SPD, der Vorwärts, begleitete selbstverständlich die großen Ver- anstaltungen der Partei im Jubiläumsjahr 1963 und veröffentlichte zusätzlich Artikel zur Ge- schichte der Sozialdemokratie. Die Redaktion brachte eine Sonderausgabe heraus, die sich ganz der hundertjährigen Geschichte widmete und thematisierte in einigen der wöchentlichen Ausgaben des Jahres 1963 das Jubiläum. Die Höhepunkte lagen im Mai zur zentralen Feier- stunde und im Vorfeld und Nachgang des Deutschlandtreffens im August.

Für das Wochenmagazin schrieb der Parteivorsitzende Erich Ollenhauer zwei Artikel im Jahr 1963. Willy Brandt, der Kanzlerkandidat von 1961 und bei folgenden Wahlen, verfasste einen Artikel. Die restlichen Artikel wurden von Redaktionsmitgliedern verfasst oder waren Berich- te, die sich insbesondere der Feier in Hannover und dem Deutschlandtreffen in Hamburg widmeten. Letzteres wurde sogar durch eine komplette Ausgabe dokumentiert. Außerdem wurden die Reden Carlo Schmids in Hannover und Willy Brandts in Hamburg abgedruckt.

In den Vorwärts-Artikeln wird die Geschichte der SPD mit den Narrativen Kampf für die Demokratie, das Vaterland, die Gerechtigkeit für die Arbeiterklasse und den Frieden gedeutet. Wie auch bei Anders und Schmid werden dabei die verschiedenen Narrative gekonnt zu einer Gesamterzählung verwoben. Je nach Autor und Anlass unterscheiden sich die Artikel aber in der Gewichtung der einzelnen Narrative.

Erich Ollenhauer, der als Parteivorsitzender in besonderem Maße die sozialdemokratische Identität der Parteimitglieder stärken musste, misst der Geschichte, auch der weiter zurücklie- genden, ein große Bedeutung bei. Dabei besteht bei Ollenhauer ein leichtes Übergewicht des Demokratie-Narrativs. In einer im Vorwärts zusammengefassten Rede, die er anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung in Bochum hielt, wird er mit dem Satz zitiert: „Diese Partei ist immer eine demokratische Partei gewesen.“213 Mit demokratisch ist hier keineswegs eine radikale Vorstellung einer sozialistischen Demokratie gemeint. Das politische System der Bundesre- publik scheint in dieser Deutung hingegen nahe an die überzeitlichen Vorstellungen der Sozi- aldemokratie heranzukommen, wenn Ollenhauer verkündete, „daß die Grundvorstellung die- ser Partei die parlamentarische Demokratie und der freiheitliche Sozialismus sind.“214 Noch konkreter wird Ollenhauer in dieser Deutung in einem Artikel, der am 8. Mai im Vorwärts

213 Vorwärts: Aufruf zur Mitarbeit für eine bessere Welt. Erich Ollenhauer. Rückblick auf ein Jahrhundert. Auf- takt in Bochum. In: Vorwärts vom 24.04.1963, S. 1. 214 Ebd., S. 1. 45 veröffentlicht wurde. In Bezug auf die SPD im Kaiserreich schreibt er darin: „Im politischen Leben stand das allgemeine, gleiche, freie und geheime Wahlrecht im Vordergrund des Kampfes um eine demokratische und freiheitliche staatliche Ordnung.“215 So verwundert es auch nicht, dass Ollenhauer nicht von Marx und Engels spricht – allerdings auch nicht von Lassalle – dafür umso mehr vom demokratischen Sozialismus. Dabei stellt Ollenhauer häufig, insbesondere in einem Artikel anlässlich des Deutschlandtreffens, dem Adjektiv demokratisch das Adjektiv freiheitlich bei.216

An zweiter Stelle nach dem Demokratie-Narrativ steht bei Ollenhauer das Friedens-Narrativ. So seien „hundert Jahre Sozialdemokratie gleichzusetzen […] mit hundert Jahren Kampf um den Frieden und um die Völkerverständigung.“217 Das Ziel einer friedlichen Welt sei aller- dings noch nicht erreicht und so gelte es, sich für Abrüstung und das Selbstbestimmungsrecht einzusetzen.218

Neben diesen beiden Narrativen kommt auch der Einsatz der deutschen Sozialdemokratie für die Gerechtigkeit für die Arbeiterklasse und für das Vaterland in Ollenhauers historischen Ausführungen nicht zu kurz. Der Parteivorsitzende führt aus, dass es die Sozialdemokratie war, die die elementarsten Rechte in Staat und Wirtschaft erkämpft habe, das Koalitionsrecht, den Achtstundentag, den Sozialstaat.219 Die SPD habe also die entscheidende „Idee, daß es um den Menschen geht, um die Menschwerdung des Proletariats, das der moderne Kapitalis- mus geschaffen hat“220 nie aufgegeben. Aber nicht nur um die Menschwerdung des Proletari- ats habe sich die Sozialdemokratie verdient gemacht, dem Verantwortungsbewusstsein der Sozialdemokratie „verdankt das deutsche Volk in der Geschichte des letzten Jahrhunderts zweimal zum entscheidenden Teil die Rettung seiner staatlichen und nationalen Existenz: 1918 und 1945.“221

Während Ollenhauer detailliert die 100-jährige Geschichte betrachtet, nutzt Brandt das 100- jährige Jubiläum eher für die Tagespolitik, wobei er Ausflüge in die Vergangenheit der Partei unternimmt, und die Geschichte als Argument für die Gegenwart heranzieht. Dies gelingt Brandt besonders gut bei dem bei ihm klar im Vordergrund stehenden Vaterland-Narrativ.

215 Ollenhauer, Erich: Wir sind die Kommenden. In: Vorwärts vom 08.05.1963, S. 1. 216 Vgl. Ollenhauer, Erich: Wir sind eine lebendige politische Gemeinschaft. Zum 3. Deutschlandtreffen. In: Vorwärts vom 29.08.1963, S. 1. 217 Vorwärts: Aufruf zur Mitarbeit, S. 1. 218 Vgl. Ollenhauer: Wir sind die Kommenden, S. 1. 219 Vgl. ebd., S. 1. 220 Ebd., S. 1. 221 Ebd., S. 1. 46

War die SPD des Jahres 1963 noch immer nicht ganz vom Vorwurf der „vaterlandslosen Ge- sellen“ freigesprochen, litt Willy Brandt in besonderem Maße an Verleumdungen solcher Art. Brandt, der als junger Sozialist, dem Nationalsozialismus ins Exil entflohen war, war spätes- tens seit seiner Zeit als Kanzlerkandidat 1961 Opfer einer diffamierenden Kampagne, die ihm seine Exilzeit als Vaterlandsvorrat zum Vorwurf machte. Der CSU-Politiker Franz-Josef Strauß verstieg sich gar zu der Aussage: „Eines wird man Herrn Brandt doch fragen dürfen: Was haben Sie zwölf Jahre lang draußen gemacht? Wir wissen, was wir drinnen gemacht ha- ben.“222 Vor diesem Hintergrund lassen sich seine Einlassungen zu den Verdiensten der Sozi- aldemokratie für Deutschland und das deutsche Volk auch als geschickte Vorwärtsverteidi- gung verstehen. Geradezu als Appell an seine Gegner könnte man so eine Stelle aus seiner in Hamburg gehaltenen und im Vorwärts abgedruckten Rede verstehen:

„Viele, die es vorher anders sahen oder sagten, wissen heute, daß die Sozialdemokraten eine Partei sind, deren Verdienste um das deutsche Volk unbestreitbar sind und mit der man ernst- haft über Fragen der Regierungsverantwortung sprechen muß.“223

Nicht nur in der Hamburger Rede, auch in einem Vorwärts-Artikel vom 28. August mit dem vielsagenden Titel „Dienst am deutschen Volk“ bedient Brandt das Vaterland-Narrativ:

„Gerade aus Anlaß des hundertjährigen Bestehens der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands sind ihre geschichtsbildende Kraft und ihre Verdienste um das ganze Volk ausführlich gewürdigt worden.“224

Ohne das Wort Volkspartei direkt zu nennen, betont Brandt dabei auch, dass die Verdienste der SPD dem ganzen Volk zu Gute kämen und nicht nur einer Partei oder einer Klasse, denn „[w]as für die Vergangenheit zutrifft, gilt erst recht für heute und für die Zukunft: was unsere Partei tut, tut sie nicht für sich, sondern für Deutschland, nicht für einzelne, sondern für al- le.“225 Dieser Kampf der SPD für das deutsche Vaterland und das deutsche Volk seien aber kein ausschließlich außenpolitischer. Das Schicksal des deutschen Volkes „entscheidet sich in gleichem Maße mit der Frage, was wir aus unserem Staat im Innern machen, ob es uns gelingt nicht nur den individuellen Lebensstandard zu sichern, sondern auch den gemeinschaftlichen Lebensstandard zu heben.“226 Es geht Brandt also um „Aufstieg für alle“227, wie er es formu- liert. Brandt, der, insbesondere in der Hamburger Rede, erkennbar als Wahlkämpfer in spe

222 Zitiert nach Faulenbach: Willy Brandt, S. 22. 223 Vorwärts: An der Schwelle des zweiten Jahrhunderts. Willy Brandts große programmatische Rede beim Kon- greß des 3. Deutschland-Treffens der SPD in Hamburg. In: Vorwärts vom 04.09.1963, S. 4-5, hier S. 4. 224 Brandt, Willy: Dienst am deutschen Volk. In: Vorwärts vom 28.08.1963, S. 1-2, hier S. 1. 225 Ebd., S. 1. 226 Ebd., S. 1. 227 Ebd., S. 2. 47 spricht, verbindet hier also das Vaterland-Narrativ mit dem Kampf der SPD um soziale Ge- rechtigkeit. Diese Aussage wendet Brandt auch historisch, indem er die angesprochenen Ver- dienste konkretisiert:

„Wir treten nicht mit leeren Händen vor unser Volk. Vom Arbeitsschutz und der gesellschaftli- chen Gleichstellung der Frau bis zum Schutz der Jugend und der sozialen Sicherung im Alter trägt das Gesicht unseres Volkes unauslösliche Züge sozialdemokratischer Gedanken und Ar- beit.“228

An dieser Stelle verbindet Brandt das Gerechtigkeits-Narrativ geschickt mit dem Demokratie- Narrativ, wenn er diesen Abschnitt mit dem Fazit beschließt: „Aus rechtlosen Arbeitern sind selbstbewußte Bürger unseres Staates geworden.“229 Selbst als Dienst am Vaterland präsen- tiert Brandt hier die Erfolge der SPD um die soziale Emanzipation der Arbeiterklasse, indem er sich auf August Bebel beruft, den er mit den Worten zitiert: „Dieses unser Vaterland wol- len wir zu einem Lande machen, wie es nirgends in der Welt in ähnlicher Vollkommenheit und Schönheit besteht.“230

Darüber hinaus bedient Brandt das Demokratie-Narrativ nur am Rande. Dafür ist er in seiner historischen Deutung hier eindeutig. Wie Schmid, Anders und Ollenhauer sieht Brandt im Kampf für die Demokratie eine historische Kontinuität der Sozialdemokraten. Die deutsche Sozialdemokratie habe bei allen Irrtümern und Fehlern „immer den Weg nach vorn gesucht: hin zu einer umfassenden tief verwurzelten Demokratie.“231

Die Extra-Ausgabe des Vorwärts zum 100-jährigen Parteijubiläum folgt der Gesamterzäh- lung, bestehend aus den miteinander verbundenen Narrativen Kampf für Demokratie, Gerech- tigkeit für die Arbeiterklasse und das Vaterland. Auf sehr bilderreichen Seiten wird die Ent- stehung der Sozialdemokratie beschrieben, ihr internationalistischer Charakter hervorgehoben und von den Verfolgungen berichtet. Es finden sich kurze Beiträge zum Einsatz der Sozial- demokratie für die Rechte der Frauen, zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, zur Wirtschaftspolitik und zum Blick der Sozialdemokratie auf den deutschen Staat und das Volk. Den Abschluss bilden Beiträge zum Wirken der SPD in der Bundesrepublik.232

Das Demokratie-Narrativ wird insbesondere im Kapitel „Verfolgt – doch nie besiegt“ entfal- tet. Die Hälfte des Kapitels nimmt dabei die Unterdrückung der Sozialdemokraten im Kaiser-

228 Vorwärts: An der Schwelle, S. 4. 229 Ebd., S. 4. 230 Ebd., S. 4. 231 Ebd., S. 4. 232 Vgl. Cube, Alexander von: 100 Jahre SPD. Sonderausgabe des Vorwärts. Bielefeld 1963. 48 reich vor allem durch das Sozialistengesetz ein.233 Die andere Hälfte des Kapitels widmet sich den Verfolgungen von Sozialdemokraten durch das Regime des nationalsozialistischen Deutschlands und durch die Kommunisten in der DDR.234

Das Narrativ vom Kampf der Sozialdemokraten für die Emanzipation der Arbeiterklasse wird im Vorwärts Extra stark mit den Gewerkschaften verbunden, die sonst eher wenig Erwähnung in der SPD-Erzählung finden. So wird Wilhelm Liebknecht von 1893 zitiert, als er über den gemeinsamen Kampf von Partei und Gewerkschaft spricht.235 Außerdem gibt es einen kurzen Beitrag über die Gewerkschaften in der Bundesrepublik und das Ziel der betrieblichen Mitbe- stimmung.236 Die naheliegende Möglichkeit, das Gerechtigkeits-Narrativ hier mit dem Demo- kratie-Narrativ über den Begriff der Wirtschaftsdemokratie zu verbinden, wird aber nicht ge- nutzt.

Auch das Vaterland-Narrativ kommt im Vorwärts Extra nicht zu kurz. In enger Verbindung mit dem Demokratie-Narrativ wird es mit Zitaten von Bebel und Ebert entfaltet.237 So wird das berühmte Bebel-Zitat, wonach die Sozialdemokraten die Verteidiger des Vaterlands seien, abgedruckt.238 Die entscheidende Stelle ist dabei: „‚Wir verteidigen das Vaterland nicht für, sondern gegen euch.‘“239 Während der Monarch nach dem verlorenen Krieg die Flucht ergrif- fen habe, hätten die Sozialdemokraten Verantwortung für Deutschland übernommen.240 Auf einer Doppelseite wird im Folgenden der Kampf der SPD gegen die „Feinde der Republik“ dargestellt.241

2.4.1.5 Weitere Vorwärts-Artikel

Die weiteren Artikel, die anlässlich des hundertjährigen Jubiläums im Vorwärts erschienen, beteiligen sich nicht an der Deutung der Vergangenheit, wie etwa die Berichte von den thema- tischen Foren des Deutschland-Treffens, oder nur am Rande wie ein Streitgespräch über die Frage: „Wie modern ist die SPD?“ oder Grußadressen von Schwesterparteien der SPD. Die

233 Vgl. ebd., S. 6. 234 Vgl. ebd., S. 7. 235 Vgl. ebd., S. 9. 236 Vgl. ebd., S. 9. 237 Vgl. ebd., S. 12-13. 238 Vgl. ebd., S. 12. 239 Vgl. ebd., S. 12. 240 Vgl. ebd., S. 12. 241 Vgl. ebd., S. 12-13. 49 wenigen Aussagen, die in diesen Artikeln zur Geschichte der SPD gemacht werden, sollen hier der Vollständigkeit halber noch kurz erwähnt werden.

Als „kritischer Freund“ lobt Helmut Lindemann die SPD dafür, dass sie „in der Bundesrepub- lik zur Schutzpatronin alles dessen geworden ist, was ein radikaler Liberaler als unveräußerli- che Werte eines freiheitlichen Gemeinwesens betrachtet.“242 Als Liberaler und parteiunab- hängiger Mitarbeiter des Vorwärts hätte er sich aber gewünscht, dass sich die SPD in den Jah- ren nach 1945 schneller und entschiedener von ihren in weiten Teilen überholten Traditionen abgewandt hätte, als erst 1959 mit dem Godesberger Programm.243

Die Einordnung des Godesberger Programms in die Geschichte der Sozialdemokratie stellt eine zentrale Kontroverse in einer Debatte zwischen Ulrich Lohmar und Karl Anders dar. Während für Lohmar darin die programmatische Hinwendung der SPD zur Freiheit vollzogen wird, denn

„[d]as Godesberger Programm lehnt die Diktatur des Proletariats ab, ebenso die Existenz und Herrschaft einer einzigen Partei, auch der eigenen. Das ist eine klare Abgrenzung gegenüber manchen Aussagen früherer Programme244“, möchte Anders diesen „Wendepunkt von 180 Grad“245, nicht sehen, denn er kenne „kein ein- ziges Programm der Sozialdemokratie aus den 100 Jahren ihrer Existenz, das sich für die Dik- tatur des Proletariats oder die Herrschaft der eigenen Partei ausspricht.“246 Ganz so überzeugt scheint Anders aber von der programmatischen Reinheit nicht zu sein, sieht er sich doch ver- anlasst, die demokratische Praxis der Partei hervorzuheben, indem er fragt: „Und zählt die lange Zeit aktiver sozialdemokratischer Politik, die peinlichst demokratisch war, weniger als ‚Bilder‘?“247 Wenn sich auch der Großteil der Auseinandersetzung zwischen Lohmar und Anders um den Einfluss der Demoskopie auf die Entscheidungsfindung in Parteien dreht, so zeigt der kurze Ausflug in die historische Bewertung des Godesberger Programms doch, wie angreifbar das Demokratie-Narrativ der SPD ist. Nicht umsonst verwendet Anders das erste Drittel seiner Entgegnung auf diese bei Lohmar eher nebensächliche Ausführung.

242 Lindemann, Helmut: Als kritischer Freund der SPD. Betrachtung eines Unabhängigen zum Parteijubiläum. In: Vorwärts vom 08.05.1963, S. 2. 243 Vgl. ebd., S. 2. 244 Lohmar, Ulrich: Wie modern ist die SPD? In: Vorwärts vom 28.08.1963, S. 11. 245 Anders, Karl: Wie modern kann die SPD sein? In: Vorwärts vom 28.08.1963, S. 11. 246 Ebd., S. 11. 247 Ebd., S. 11. 50

2.4.1.6 Zeitungsartikel der unabhängigen Presse

Das hundertjährige Jubiläum der SPD fand, das wird der Vergleich zum 150-jährigen noch zeigen, bemerkenswert wenig Referenz in der deutschen Presselandschaft. Zwar berichteten die Zeitungen über die zentralen Feierlichkeiten, mit Bewertungen und insbesondere histori- schen Deutungen hielten sich die Journalisten aber zurück. Demnach kann es nicht verwun- dern, dass hier nur wenige Zeitungsartikel vorgestellt werden, die SPD-nahen Erzählungen ähneln.

Die Bild

Die Bild veröffentliche am 22. Mai eine Sonderseite zum 100-jährigen Jubiläum der SPD. „Zwei große Deutsche“ lautete die Überschrift dieser von Horst Fust und Klaus Blume erstell- ten Seite.248 Gemeint waren die Politiker Kurt Schumacher und Ernst Reuter. Für die Bild war die „100-Jahr-Feier […] ein würdiger Anlaß, dieser zwei großen Deutschen zu gedenken.“249 Die Entscheidung für die beiden Politiker war dabei wohl überlegt, beide sind herausragende Figuren des sozialdemokratischen Antikommunismus der frühen Bundesrepublik. Kurt Schumacher, für den die Kommunisten nur rotlackierte Nazis waren, Ernst Reuter, der als Oberbürgermeister Berlins die Völker der Welt aufrief, angesichts der Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion, diese Stadt nicht preiszugeben. Die Bild greift somit das Demokratie- Narrativ der SPD auf. Über Kurt Schumacher schreibt sie: „Er hat für das heutige Bundesge- biet […] den Weg in die Diktatur einer von Moskau kommandierten Einheitspartei blo- ckiert!“250 Diese Sichtweise erinnert frappierend an die Deutungen Karl Anders‘, der, wie oben dargestellt, behauptete, ohne das Bollwerk der Sozialdemokraten, hätten die Kommunis- ten auch den freien Teil Deutschlands erobert.251 Wie auch bei Anders ist in der Bild der An- tikommunismus führender Sozialdemokraten die Gelenkstelle zwischen Demokratie-Narrativ und Vaterland-Narrativ. So schreibt die Bild etwa über Reuter: „Nicht nur für Deutschland, sondern auch für die SPD hat Reuter Großes getan.“252 Weitaus umfassender würdigt die Bild aber den Einsatz Schumachers für sein Vaterland. Für sie war er nicht nur „ein großer Patri-

248 Vgl. Fust, Horst/Blume, Klaus: Zwei große Deutsche. In: Bild vom 22.05.1963, ohne Seitenzahl. 249 Ebd. 250 Ebd. 251 Anders: Die ersten hundert Jahre, S. 88. 252 Fust/Blume: Zwei große Deutsche. 51 ot“253, der sich „im Dienst der Nation verzehrt[e]“254, sondern sogar ein Nationalist im besten Sinne.255 Und obwohl von Krieg und Konzentrationslager gezeichnet, „seine Vaterlandsliebe blieb wie durch ein Wunder unversehrt“256, bewundert die Bild. In den sehr emotional gehal- tenen Beiträgen über zwei bereits verstorbene, in den Erinnerungen der Menschen aber noch präsenten SPD-Politikern, geht die Bild jedoch nicht näher auf die Zeit vor dem Ersten Welt- krieg ein. Auch die Verdienste der SPD um Gerechtigkeit für die Arbeiterklasse thematisiert die Zeitung nicht.

Süddeutsche Zeitung

In der Süddeutschen Zeitung wurde zwar ausdrücklich von den Reden und Foren des Deutschlandtreffens berichtet257, auch das Glückwunschschreiben Adenauers und der 50. To- destag August Bebels wurden betrachtet258, eine umfassendere historische Deutung findet sich jedoch nur in einem längeren Essay und einem Kommentar. Der Essay liest sich dabei ganz anders als die vorherrschende SPD-Erzählung von 100 Jahren. Dies mag verwundern, ange- sichts dessen, dass der Autor Günter Gaus 1976 selbst Mitglied der SPD wurde259, also wahr- scheinlich bereits 1963 nicht weit von ihr entfernt gewesen sein dürfte. Allerdings schafft Gaus hier auch keine Gegenerzählung. Vielmehr beschreibt er die Entwicklung der Partei von ihren Anfängen an als eine Partei, die in ständigem Konflikt zwischen programmatischer Überzeugung und tagespolitischem Pragmatismus stand.260 Dabei geht Gaus insbesondere auf die Personen Lassalle, Bebel, Liebknecht und Bernstein ein.261 Dennoch bestätigt Gaus in manchen Passagen die SPD-Erzählung. So ist für Gaus Friedrich Ebert „der beherzte Staats-

253 Ebd. 254 Ebd. 255 Vgl. ebd. 256 Ebd. 257 Vgl. Würtz, Georg: Das Deutschlandtreffen der SPD. In: Süddeutsche Zeitung vom 30. August 1963, S. 1-2; Würtz, Georg: SPD fordert besseres Bildungswesen. In: Süddeutsche Zeitung vom 31. August/01. September 1963, S. 1; Süddeutsche Zeitung: Die SPD wirbt. In: Süddeutsche Zeitung vom 02. September 1963, S. 3; Be- nirschke, Hans: Harold Wilson ist kein bequemer Partner. In: Süddeutsche Zeitung vom 30. August 1963, S. 6; Süddeutsche Zeitung: Wilson für Truppenabzug aus Mitteleuropa. In: Süddeutsche Zeitung vom 02. September 1963, S. 1-2. 258 Vgl. Schmidt, Josef: Adenauer gratuliert den Sozialdemokraten. In: Süddeutsche Zeitung vom 13. Mai 1963, S. 1-2; Süddeutsche Zeitung: SPD begeht den 50. Todestag Bebels. In: Süddeutsche Zeitung vom 12. August 1963, S. 4. 259 Schmidt, Barbara/Zündorf, Irmgard: Biographie Günter Gaus. In: LeMO-Biographien. Lebendiges Museum Online. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. URL: https://www.hdg.de/lemo/biografie/guenter-gaus.html [zuletzt abgerufen: 16.08.15]. 260 Vgl. Gaus, Günter: Die hundertjährige Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. In: Süddeutsche Zeitung vom 22./23. Mai 1963, S. 6-7, hier: passim. 261 Vgl. ebd., passim. 52 mann, der den Bestand des Reiches nach der Niederlage sicherte.“262 Auch Kurt Schumacher, „der einen unübersehbaren Trennungsstrich gegenüber dem totalitären Kommunismus gezo- gen hat“263, wird von Gaus wie in der SPD-Erzählung gewürdigt. Zumindest zentrale Erinne- rungsorte übernimmt Gaus also. Darüber hinaus finden sich, wie später zu zeigen sein wird, auch Aspekte einer Gegenerzählung in diesem Essay. Größtenteils bewegt sich der Text aber neben dem Konflikt zwischen Erzählung und Gegenerzählung.

Auch das Kommentar, das sogenannte Streiflicht, zum hundertjährigen Jubiläum ist nicht die typische SPD-Erzählung, weil sie einer vermeintlichen Kontinuität in der Geschichte der So- zialdemokratie widerspricht. So heißt es in dem Kommentar: „Sie selbst hat zu ihrer eigenen Vergangenheit Distanz gewonnen.“264 Genau das Gegenteil aber wurde in der SPD-Erzählung postuliert. Für das Streiflicht lässt sich diese Distanz etwa darin feststellen, dass die SPD nicht mehr Karl Marx und Friedrich Engels mit ihrem Kommunistischen Manifest als Geburtsstun- de ihrer Partei betrachtet, sondern Ferdinand Lassalle mit seinem ADAV.265 Die Bewertung der Person Lassalles ähnelt dafür der in der SPD-Erzählung. Das Streiflicht bezeichnet ihn als Patrioten und hebt seinen Einsatz für das allgemeine Wahlrecht hervor.266 Somit folgt zwar die Süddeutsche Zeitung nicht der SPD-Erzählung von der Geschichte der Sozialdemokratie, bestärkt aber das Demokratie-Narrativ und das Vaterlands-Narrativ, indem sie die Verdienste Lassalles, Eberts und Schumachers herausstellt. In ihrer ausführlichen Berichterstattung über das Deutschlandfest ist die Süddeutsche Zeitung zudem ein wichtiges Medium für die tages- politisch gestalteten Teile der SPD-Geschichtspolitik.

Die Welt

Noch intensiver als die Süddeutsche Zeitung berichtete die Welt vom Deutschlandtreffen. Allerdings mangelt es in der Welt an historischen Essays oder Kommentaren zur Geschichte der Sozialdemokratie. Lediglich zwei historische Artikel wurden veröffentlicht. Einer er- schien zum Charakter Ferdinand Lassalles, in dem es hauptsächlich um dessen Persönlichkeit, nur ganz am Rande aber um dessen Wirken für die Sozialdemokratie geht.267 Ein anderer Ar-

262 Ebd., S. 7. 263 Ebd., S. 7. 264 Süddeutsche Zeitung: Das Streiflicht. In: Süddeutsche Zeitung vom 11./12. Mai 1963, S. 1. 265 Vgl. ebd., S. 1. 266 Vgl. ebd., S. 1. 267 Sethe, Paul: Revolutionär mit Staatsbewußtsein. In: Die Welt vom 18. Mai 1963, S. 20. 53 tikel behandelt hingegen die Sicht der SPD des Jahres 1963 auf ihren Stammvater.268 Aller- dings wird darin eher eine Gegenerzählung aufgegriffen, wie weiter unten zu zeigen sein wird. Die Welt unterstützte also mit keinem einzigen Artikel die SPD-Erzählung, was ange- sichts ihrer konservativ-liberalen Ausrichtung aber auch nicht verwundern kann.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschränkt sich im Jubiläumsjahr weitgehend auf Berichte von den zentralen Veranstaltungen der SPD.269 Durch ihre Wiedergabe der Feier- lichkeiten, bei denen sie auch die wichtigen Reden zusammenfasste, machte sie aber die Ge- schichtspolitik der SPD einem breiteren Adressatenkreis zugänglich und wirkte so unterstüt- zend. Der längere Aufsatz, den die Zeitung zum Jubiläum veröffentlichte, übernahm zudem weitgehend die Narrative der SPD-Erzählung. In diesem Artikel beschreibt der Autor Günther Gillessen zwar, wie schwer es dem reformistischen Flügel gefallen sei, den Sieg im „hundert- jährige[n] Krieg“270 davonzutragen271, dennoch bestätigt er in seinem Gang durch die Partei- geschichte die historische Deutung der SPD-Erzählung. So würdigt Gillessen insbesondere den Verdienst der Sozialdemokratie für die Demokratie in Deutschland. Sie habe die Arbeiter zur Demokratie statt zum Anarchismus erzogen, sie habe nach dem verlorenen Ersten Welt- krieg den Karren aus dem Dreck gezogen und mit ihrer Ablehnung des Ermächtigungsgeset- zes eine moralische Leistung erbracht.272 Damit folgt Gillessen nicht nur dem Demokratie- Narrativ der SPD-Erzählung, er verbindet es auch mit denselben Etappen und Ereignissen. Besonders deutlich wird die Übernahme des Demokratie-Narrativs in Gillessens Zusammen- fassung dieser Verdienste: „Die Sozialdemokraten haben oft auf der besseren Seite gestanden, und nicht selten allein.“273 Das ist ziemlich treffend die Beschreibung des Narrativs vom oft einsamen, opferreichen Kampf für Demokratie. Auch darüber hinaus erinnern Gillessens Aus- führungen an die SPD-Erzählung. So verbindet er das Demokratie-Narrativ mit dem Vater- landsnarrativ. In ihrem Einsatz für Demokratie hätten sich die „als ‚vaterlandslose Gesellen‘,

268 Nellessen, Bernd: Marx ist tot, es lebe Lassalle. Die Sozialdemokraten hängen die Bilder ihrer Ahnengalerie um. In: Die Welt vom 13.05.1963, S. 3. 269 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Kurze Nachrichten. SPD feiert Jubiläum in Hannover. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 09.05. 1963, S. 3; Frankfurter Allgemeine Zeitung: Ollenhauer über die Idee der Arbei- terbewegung. „Die Sozialdemokratie keine Traditionskompanie“. Beginn der Hundertjahrfeiern der SPD. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.04.1963, S. 3. 270 Gillessen, Günther: Die Last einer Utopie. Hundert Jahre Sozialdemokratische Partei. In: Frankfurter Allge- meine Zeitung vom 18.05.1963, S. BuZ1. 271 Vgl. ebd. 272 Vgl. ebd. 273 Ebd. 54 als ‚Reichsfeinde‘ verschrienen Sozialdemokraten als wahre Patrioten [erwiesen], wann im- mer das Land sie brauchte.“274 Neben diesen Verdiensten der SPD um Demokratie und Vater- land, zählt Gillessen ihre wichtigsten Erfolge um Gerechtigkeit für die Arbeiter auf: die sozia- le Gesetzgebung und die Umwandlung des alten Ordnungsstaates in einen modernen Wohl- fahrtsstaat.275

Der Spiegel

Der Spiegel verfasste keinen einzigen Artikel, der sich anlässlich des hundertjährigen Jubilä- ums mit der Geschichte der Sozialdemokratie befasste. Dementsprechend folgte er nicht der Erzählung aus dem Umfeld der SPD, schuf aber auch keine Gegenerzählung.

Die Zeit

Die zweite in dieser Arbeit berücksichtigte Wochenzeitung, Die Zeit, befasste sich intensiver mit dem Jubiläum. Allerdings druckte auch diese Zeitung lediglich zwei Artikel ab, die sich mit der Geschichte auseinandersetzten. Einer davon ist der weiter oben besprochene Artikel des SPD-Bundestagsabgeordneten Lohmar, der auch im Vorwärts erschien und dort von Karl Anders beantwortet wurde.276 Der zweite Artikel ist von Horst Krüger und befasst sich mit der Frage, was 1963 und darüber hinaus noch Aufgaben der Linken sein könnten, welche Ziele erfüllt wurden, welche noch zu erfüllen sind und welche neu ausgegeben werden müssten.277 Krüger kritisiert darin die Position, die Linke, zu denen Krüger vor allem die SPD und die Gewerkschaften, aber auch Intellektuelle, Studenten und Journalisten zählt, sei überflüssig geworden, altmodisch und überholt.278 Dennoch sieht auch Krüger die SPD in einer Krise, denn die Linke sei in ein fatales Dilemma geraten: „Sie muß einerseits gewisse Erfolge des Neokapitalismus akzeptieren, sie muß sich andererseits deutlich aus dem Windschatten des östlichen Marxismus heraushalten.“279 Aus diesem Dilemma erwachse die Frage, so Krüger, nach dem weiteren Gebrauchswert der Linken und damit auch der SPD, die der Autor noch

274 Ebd. 275 Vgl. ebd. 276 Vgl. Lohmar, Ulrich: Wie modern ist die SPD? Die Partei vor ihrem zweiten Jahrhundert – Kritische Analyse eines sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten. In: Die Zeit vom 09.08.1963, S. 4. 277 Vgl. Krüger, Horst: Hat die Linke noch eine Chance? Erfüllte und unerfüllte Forderungen – 100 Jahre später. In: Die Zeit vom 17.05.1963, S. 8. 278 Vgl. ebd., S. 8. 279 Ebd., S. 8. 55 nicht hinreichend beantwortet sah.280 Im Folgenden wagt er sich selbst daran, Vorschläge für eine solche antwortgebende Neuausrichtung der Linken zu formulieren.281 Dafür deutet er die hundertjährige Geschichte, und versucht darin die Aufgabenstellung der Linken herauszule- sen.282 Dabei schließt sich Krüger einem der dominanten Narrative der SPD-nahen Erzählung an, dem des Kampfes für die Demokratie. Wie nahezu alle bereits vorgestellten Sozialdemo- kraten sieht auch Krüger darin eine Kontinuität in der Geschichte der Linken: „Immer hat die Linke kollektive Irrationalität bekämpft, Vernunft gegen Gefühl, Wissenschaft gegen Vorur- teile, Demokratie gegen autoritäre Bestrebungen gesetzt.“283 Hier wird deutlich, dass die Auf- klärung für Krüger die Klammer des Einsatzes für die Demokratie durch die Linke bildet. Er macht dies auch an anderer Stelle deutlich, wenn er schreibt: „Linker Geist ist also fortgesetz- te Aufklärung.“284 Damit ist für Krüger klar, dass der historische Auftrag der Linken noch nicht erfüllt war. Zwar sei die Emanzipation der Arbeiterklasse gelungen, es herrsche aber nach wie vor eine enorme Ungerechtigkeit im Bildungssystem, die „Konsum-Ideologie“285 habe die Arbeiter in neue „Verhältnisse der Ohnmacht und Abhängigkeit, der Berauschung und Verdummung“286 gestürzt.

2.4.2 Gegenerzählungen

Der Erzählung der SPD von 100 Jahren Sozialdemokratie, von 100 Jahren Kampf für Demo- kratie, Vaterland und Emanzipation der Arbeiterklasse, stellten Akteure mit sehr unterschied- lichen Hintergründen Gegenerzählungen entgegen. Politiker, Journalisten und Wissenschaftler sowie Vertreter von Interessensverbänden, die nicht der SPD-Erzählung folgen wollten, setz- ten sich mit ihren Gegenerzählungen aber nicht nur von der SPD ab, sondern unterschieden sich auch untereinander. Grundsätzlich lassen sich die Gegenerzählungen in zwei, in sich recht homogene Gruppen unterteilen. Das Unterscheidungskriterium ist dabei, angesichts der politischen Bedeutung der Geschichtspolitik nicht überraschend, politischer Natur. So gab es eine Gegenerzählung von links, insbesondere vertreten von Politik, Presse und Wissenschaft in der DDR, aber auch von linken Intellektuellen Westdeutschlands, und eine Gegenerzählung

280 Vgl. ebd., S. 8. 281 Vgl. ebd., S. 8. 282 Vgl. ebd., S. 8. 283 Ebd., S. 8. 284 Ebd., S. 8. 285 Ebd., S. 8. 286 Ebd., S. 8. 56 von rechts, insbesondere vertreten durch konservativ-liberale Zeitungen, aber auch durch Inte- ressensverbände wie dem Arbeitgeberverband.

2.4.2.1 Gegenerzählung von links

Die SPD hatte 1963 aus der Bundesrepublik keine wirkmächtige Gegenerzählung von links zu befürchten. Links von ihr existierte seit dem KPD-Verbot von 1956 keine bedeutende Partei mehr, die das Erbe der Arbeiterbewegung und der frühen SPD für sich in Anspruch hätte nehmen können. Dennoch existierten im Westen Deutschlands Gegenerzählungen von links, etwa durch Wissenschaftler wie Wolfgang Abendroth, der bis zu seinem Ausschluss 1961 selbst Mitglied der SPD gewesen war. Darüber hinaus wurde die SPD-Erzählung aus der DDR angegriffen, die als „Arbeiter- und Bauernstaat“ von der SED regiert wurde, und die sich ebenfalls in die Tradition bestimmter Teile der SPD stellte. Die Gegenerzählung von links lässt sich dabei mit zwei Begriffen charakterisieren, die sich wie ein roter Faden durch sie hindurchziehen: Verdammung und Inanspruchnahme.

Das Verdammungs-Narrativ arbeitet sich an der SPD des Jahres 1963 im Allgemeinen und an ihren Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der ADAV-Gründung ab. So werfen, das lässt sich in etlichen Zeitungsartikeln der DDR-Presse nachvollziehen, die SED und Journalisten der SPD vor, die Geschichte zu verfälschen, in dem sie Lassalle zum Gründervater der deutschen Sozialdemokratie machten. Nach Ansicht der SED und der von ihr kontrollierten Presse, ent- stand diese nämlich vielmehr bereits 1847 mit dem Bund der Kommunisten von Karl Marx und Friedrich Engels. Dieser Vorwurf der Fälschung durchzieht dabei durchweg die entspre- chenden Presseartikel der DDR und kommt auch in Reden von führenden SED-Politikern wie Walter Ulbricht zum Ausdruck. So kritisiert etwa Kurt Voigtländer in der Berliner Zeitung die Rede von Carlo Schmid als „Fälschung“287 und konkretisiert diesen Vorwurf mit den Worten:

„Wenn daher die rechten sozialdemokratischen Führer den 100. Jahrestag der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins zur Geburtsstunde der deutschen Sozialdemokratie proklamieren, so können sie das eben nur tun, indem sie sich auf die den Arbeiterinteressen widersprechenden Auffassungen Ferdinand Lassalles orientieren. Sie müssen vor der Arbeiter- schaft und den sozialdemokratischen Mitgliedern zu einem solchen Dreh greifen, eben das zur

287 Voigtländer, Kurt: Tragikomödie in Hannover. In: Berliner Zeitung vom 19.05.1963, S. 5. 57

Tradition zu erklären, was in Wirklichkeit mit den echten Traditionen der deutschen Arbeiter- bewegung nichts zu tun hat.“288

Doch warum diese „Fälschung“ der eigenen Vergangenheit, die Voigtländer hier am Werk sieht? Für den Autor liegt die Antwort in der Politik der SPD des Jahres 1963. Sie habe sich spätestens mit dem Godesberger Programm in das Schlepptau des Monopolkapitals bege- ben289, das die Bevölkerung Westdeutschlands daran hindern wolle, sich ein wahres Bild über die Lehre des Marxismus zu verschaffen.290 Voigtländer geht hier sogar soweit, den vermute- ten Versuch der SPD, den Marxismus aus den Köpfen der Arbeiter zu drängen, mit der Zer- schlagung der marxistischen Arbeiterbewegung durch Hitler und die „imperialistische Reakti- on“ zu vergleichen.291 Diese Parallele dränge sich geradezu auf, so Voigtländer.292 Dem schließt sich auch das Mitglied des Politbüros der SED, Friedrich Ebert, an. Er kritisiert in Zusammenhang mit einer bundesdeutschen Debatte, in der CDU-Politiker eine Einschränkung des Streikrechts forderten, das Verhalten der SPD: „Also Ermächtigungsgesetze gegen die Gewerkschaften wie unter der faschistischen Diktatur vor 30 Jahren – das ist der von der sozi- aldemokratischen Führung tolerierte politische Kurs der Machthaber Westdeutschlands.“293

Dieses Verdammungs-Narrativ ist stets ähnlich aufgebaut. Der SPD wird vorgeworfen, die Geschichte zu verfälschen. Lassalle wird extrem kritisch gesehen, stattdessen Karl Marx und Friedrich Engels als Gründerväter der deutschen Sozialdemokratie betrachtet. Diese Fäl- schung passe zur SPD des Jahres 1963, die nicht mehr die Interessen der deutschen Arbeiter vertrete, sondern die des westdeutschen Kapitals. Neben der Berliner Zeitung wird dieses Narrativ insbesondere vom SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ gepflegt. Überschriften und Untertitel der in dieser Zeitung erschienenen Artikel zum 100. Jahrestag der SPD spre- chen Bände: „SPD-Führung macht die Partei zum Untertan des Ausbeuterstaates. Veranstal- tung zum angeblich 100. Jahrestag der Sozialdemokratie“294; „Von einer kuriosen Absicht, die Geschichte zu polieren“295; „Das Elend falscher Historienmacher. Randglossen zu Versuchen

288 Ebd., S. 5. 289 Vgl. Voigtländer, Kurt: Seine Idee lebt und siegt. In: Berliner Zeitung vom 05.05.1963, S. 5. 290 Vgl. ebd., S. 5. 291 Vgl. ebd., S. 5. 292 Vgl. ebd., S. 5. 293 Neues Deutschland: Die Bedeutung der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. Rede des Genossen Friedrich Ebert, Mitglied des Politbüros, auf der Festveranstaltung in Leipzig. In: Neues Deutschland vom 22./23. 05. 1963, S. 3-4, hier S. 3. 294 Neues Deutschland: SPD-Führung macht die Partei zum Untertan des Ausbeuterstaates. In: Neues Deutsch- land vom 13.05.1963, S. 2. 295 Gutermuth, Rolf: Carlo Schmid, der Stadthauptmann. In: Neues Deutschland vom 14.05.1963, S. 2. 58 rechter SPD-Führer, die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung zurechtzubiegen“296; „Der falsche Schmid von Godesberg. Über das vergebliche Bemühen des alten Carlo Schmid, den jungen Marx zum Kronzeugen der rechten SPD-Führer zu erklären“297; „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Wie die Ultras in der SPD-Führung den Bonner NATO-Staat besingen“298.

In abgeschwächter Form findet sich das Verdammungs-Narrativ auch in Westdeutschland wieder. So schrieb der Jurist und Politologe Wolfgang Abendroth, der bis zu seinem Aus- schluss Ende Dezember 1961 Mitglied der SPD war, anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der SPD ein Buch mit dem vielsagenden Untertitel: „Das Problem der Zweckentfremdung einer politischen Partei durch die Anpassungstendenzen von Institutionen an vorgegebene Machtverhältnisse.“299 Darin wird die SPD des Jahres 1963 und ihre jüngere Vergangenheit zwar nicht in Bausch und Bogen verdammt, wie von der SED, aber auch Abendroth be- schreibt die SPD als eine Partei, die sich von ihren Wurzeln entfernt habe. Den Hauptgrund für diese Entwicklung sieht Abendroth im Anwachsen einer breiten Schicht von Berufspolit- kern und bezahlten Parteifunktionären, deren vornehmliches Interesse darin bestanden hätte, die Partei zu erhalten. Dieses falsch verstandene Verantwortungsbewusstsein habe dazu ge- führt, dass der ursprüngliche Sinn der Organisation zunehmend in den Hintergrund getreten sei.300 Mit dem Tod August Bebels sei dieser Prozess an der Parteispitze angekommen gewe- sen, da auf den Volkstribun ein Parteibürokrat gefolgt sei.301 Im Gegensatz zur SED glaubt Abendroth aber nicht, „daß für die Partei, die jetzt ihr hundertjähriges Jubiläum gefeiert hat, bereits alles verloren sei.“302 Vielmehr bestände noch Hoffnung, dass sich die Entwicklung der Anpassung an vorgegebene Machtverhältnisse noch umkehren lasse303, die SPD „wieder in die Richtung gedrängt wird, die ihre Anfänge ihr aufgegeben haben“304, sei es durch die Gewerkschaftsbewegung, innere Diskussionen oder durch den äußeren Druck von Konkur- renzbildungen.305

296 Müller, Werner: Das Elend falscher Historienmacher. Randglossen zu Versuchen rechter SPD-Führer, die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung zurechtzubiegen. In: Neues Deutschland vom 16.05.1963, S. 5. 297 Siebenmorgen, Willi: Der falsche Schmid von Godesberg. Über das vergebliche Bemühen, den jungen Marx zum Kronzeugen der rechten SPD-Führer zu erklären. In: Neues Deutschland vom 21. 05.1963, S. 4. 298 Kolbe, Helmut: Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. In: Neues Deutschland vom 30.05.1963, S. 4. 299 Vgl. Abendroth, Wolfgang: Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie. Das Problem der Zweckent- fremdung einer politischen Partei durch die Anpassungstendenz von Institutionen an vorgegebene Machtverhält- nisse. Frankfurt am Main 1964. 300 Vgl. ebd., S. 39-40. 301 Vgl. ebd., S. 40. 302 Ebd., S. 76. 303 Vgl. ebd., S. 76. 304 Ebd., S. 78. 305 Vgl. ebd., S. 77-78. 59

Während Abendroth also teilweise das SED-Narrativ der Verdammung teilte, beschränkte sich diese aber nicht auf die Verdammung der „rechten“ SPD von 1963, die die Geschichte der Arbeiterbewegung verfälsche und aufgehört habe, die Interessen der Arbeiter zu vertreten. Das Verdammungs-Narrativ ist leicht zu verbinden mit der Inanspruchnahme des Erbes der frühen SPD. So wird in der DDR-Presse zwar Lassalle für seine theoretischen Ansichten und politischen Ziele kritisiert, gleichzeitig wird ihm aber zu Gute gehalten, sich um die Gründung des ADAV und damit um die Rekonstituierung der politischen Organisation der deutschen Arbeiterklasse verdient gemacht zu haben. Außerdem habe sich aus dem ADAV in der Aus- einandersetzung mit dem Lassalleanismus eine oppositionelle Strömung um Wilhelm Lieb- knecht herausgebildet. Liebknecht und Bebel, auf die sich SED und DDR-Presse ausdrücklich positiv beziehen, hätten sodann einer „proletarischen Position“ in der Masse der Mitglieder des bis dahin „kleinbürgerlich-demokratischen“ ADAV zum Durchbruch verholfen.306 Somit stellte sich auch die SED in die Tradition des ADAV und seiner Nachfolger. Allerdings bezog sie sich dabei nur auf die revolutionären Traditionen der historischen Sozialdemokratie aus- drücklich positiv, die sie insbesondere in der Linie der sogenannten Eisenacher, der Sozial- demokratischen Arbeiterpartei (SDAP), und den Führungsfiguren August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegeben sah. So schreibt etwa Voigtländer unter der Zwischenüberschrift „DDR setzt Tradition fort“307:

„Allein die von Bebel und Liebknecht geführte deutsche Sozialdemokratie war die Fortsetzung jener proletarischen Bewegung, die mit der Gründung des Bundes der Kommunisten im Jahr 1847 eingeleitet wurde. Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gab nur ein kurzes Zwischen- spiel in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung.“308

Während die SED in Wilhelm Liebknecht und insbesondere August Bebel einen positiven Bezugspunkt sah, verurteilte sie genau diejenigen SPD-Politiker, deren Wirken von der SPD besonders gewürdigt wurde. Eduard Bernstein, Kurt Schumacher und auch Karl Kautsky wa- ren in dieser Deutung „Helfer der Reaktion.“309 Auf dieser Grundlage feierte auch die SED den 100. Jahrestag der Gründung des ADAV, ohne in diesem „Zwischenspiel“ aber wie die SPD ihre Geburtsstunde zu sehen. Dabei beanspruchte sie das Erbe der als positiv empfunde- nen Teile der historischen Sozialdemokratie für sich. So fasste das Neue Deutschland die Re- de des bereits erwähnten SED-Politikers Friedrich Ebert anlässlich des Festakts u.a. mit dem

306 Vgl. etwa: Neues Deutschland: Die Bedeutung der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, S. 3. 307 Voigtländer: Tragikomödie, S. 5. 308 Ebd., S. 5. 309 Siebenmorgen: Der falsche Schmid, S. 4. 60

Stichpunkt „DDR – wahre Heimat aller revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiter- klasse“310 zusammen. Gleichzeitig sprach Ebert der SPD ab, das Erbe der historischen Sozial- demokratie zu vertreten, denn „[n]icht die Festredner von Hannover – die streikenden Metall- arbeiter begingen den 100. Jahrestag würdig.“311

Verdammung und Inanspruchnahme, diese beiden Narrative verbinden sich zu einer konsis- tenten Gegenerzählung von links. Die SPD des Jahres 1963 sei demnach unwürdig, den 100. Geburtstag der deutschen Sozialdemokratie zu feiern, weil sie nicht mehr die Interessen der Arbeiterklasse vertrete und zudem nicht 1863, sondern 1847 das Gründungsjahr der deutschen Sozialdemokratie sei. Stattdessen seien die DDR und die SED die wahren Erben der aufrech- ten und revolutionären Sozialdemokratie. Die Geschichtspolitik der DDR zeichnete sich hier durch einen legitimatorischen und distinktiven Zugriff der Machthaber der DDR auf die Ge- schichte der Arbeiterbewegung aus. Die SED konnte auf den Zugriff auf das Erbe der Arbei- terbewegung nicht verzichten, um ihre herausgehobene Position im „Arbeiter- und Bauern- staat“ zu rechtfertigen. Dabei lässt sich das staatlich verordnete, homogenisierende Erinnern beobachten, das in Diktaturen üblich ist. Damit ist aber noch nichts über den Wahrheitsgehalt der Gegenerzählung und im Umkehrschluss auch der SPD-Erzählung gesagt. Dies gilt umso mehr, weil sich, abzüglich der Verherrlichung von SED und DDR, Grundzüge des Verdam- mungs-Narrativs auch in westdeutschen Gegenerzählungen von Intellektuellen wie Wolfgang Abendroth wiederfinden.

2.4.2.2 Gegenerzählung von rechts

Die Gegenerzählung von links, die besonders in der DDR präsent war, wurde begleitet von einer Gegenerzählung von rechts, die von bundesrepublikanischen Akteuren ausging. Be- rühmte Politiker konnten diese dabei nicht vorantreiben. Der Bundeskanzler Konrad Adenau- er und der Bundespräsident Lübke hatten in ihren Grußadressen lobende Worte für die SPD gefunden und mussten als Repräsentanten des Staates mit Kritik an der SPD und ihrer Ge- schichte zurückhaltend sein. Das weitaus stärkere Statement lag ohnehin in ihrem Nichter- scheinen zu den Feierlichkeiten.

310 Neues Deutschland: Zusammenarbeit der Kräfte der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen Weg zur Lösung der nationalen Frage. Festakt des ZK und der Bezirksleitung Leipzig zum 100. Jahrestag der Gründung des All- gemeinen Deutschen Arbeitervereins. In: Neues Deutschland vom 22./23. Mai 1963, S. 1. 311 Ebd., S. 1. 61

Lediglich mit einiger zeitlicher Verzögerung verkündete der FDP-Vorsitzende Erich Mende beim traditionellen Stuttgarter Dreikönigstreffen der Partei, die SPD habe wohl dem deut- schen Volk ein Jahrhundert lang ein falsches Konzept verkündet, wenn ihr Wandel glaubhaft sei. Die SPD wehrte sich, ihr Konzept sei – im Gegensatz zu den Konservativen und Libera- len – von Anfang an die Demokratie gewesen.312 Doch genau das bezweifelte die gängige Gegenerzählung von rechts. Diese Gegenerzählung folgt einem Narrativ, das sich auf den Begriff der Abkehr bringen lässt. Demnach habe sich die SPD des Jahres 1963 von ihren Ur- sprüngen entfernt, sie habe sich von einer umstürzlerischen Partei zu einer demokratischen Partei gewandelt, von Marx als Gründungvater ab- und Lassalle zugewandt. Außer bei dem erwähnten Mende lässt sich diese Lesart des 100-jährigen Jubiläums in Zeitungsartikeln der Welt und im Ansatz bei der Süddeutschen Zeitung finden. So betitelt Bernd Nellessen seinen Artikel zur Hundertjahrfeier der SPD mit den Worten: „Marx ist tot, es lebe Lassalle. Die So- zialdemokraten hängen ihre Ahnengalerie um.“313 Nellessen ist überzeugt, dass die SPD noch in der Weimarer Republik Marx und nicht Lassalle als ihren Ahnherren gesehen hätten.314 Mit ihrem Hinweggreifen über die Eisenacher Linie wollten die Sozialdemokraten „nichts anderes besagen, als daß zumindest die Geburtsstunde des deutschen Sozialismus zugleich ein Protest gegen Karl Marx gewesen sei.“315 In den Augen Nellessens wird damit historisch nachvollzo- gen, was politisch bereits mit dem Godesberger Programm geschehen sei, die Abkehr von Marx und dem Marxismus. Damit widerspricht Nellessen der SPD-Erzählung, wonach ohne Zweifel Lassalle als Gründervater der SPD zu sehen sei. Ganz ähnlich argumentiert der Kommentar der Titelseite der Süddeutschen Zeitung, das sogenannte Streiflicht. Hierin wird die SPD als eine Partei beschrieben, die im Kaiserreich umstürzlerisch gewesen sei, mittler- weile aber „zur eigenen Vergangenheit Distanz gewonnen [hat].“316 Ebenso wie Nellessen konstatiert das Streiflicht, dass die Partei früher Marx an den Anfang der Parteigeschichte gestellt habe, nun aber die Ideen Lassalles die von Marx überwunden hätten.317 Selbst Günter Gaus gesteht in seinem Essay ein, dass der Bezug auf Lassalle keineswegs eine historische Selbstverständlichkeit ist. Die in den Nachkriegsjahren vollzogene Abkehr der SPD von alten

312 Sozialdemokratischer Pressedienst: Hundert Jahre falsches Konzept der SPD? Nachhilfeunterricht für Dr. Erich Mende. In: Sozialdemokratischer Pressedienst vom 22.01.1965, S. 5-6, hier S. 5. 313 Nellessen: Marx ist tot, S. 3. 314 Vgl. ebd., S. 3. 315 Ebd., S. 3. 316 Süddeutsche Zeitung: Das Streiflicht. In: Süddeutsche Zeitung vom 11./12.05.1963, S. 1. 317 Vgl. ebd. 62

Ideologien betrachtet er dabei als schmerzhaften Prozess, den er mit dem Verlassen einer liebgewordenen Heimat vergleicht.318

Zwar ist mit der konstatierten Abkehr von einem alten Geschichtsbild noch nichts gesagt über den Kampf der Sozialdemokratie für Demokratie, aber der Schritt ist danach nicht mehr weit, galt doch der Marxismus als undemokratische Ideologie der Staaten des Ostblocks. Dies wird spätestens mit einem Blick in die Zeitschrift der Bundesvereinigung der Arbeitgeber deutlich. Darin wurde ein Leitartikel zum 100-jährigen Jubiläum der SPD veröffentlicht, der insbeson- dere das Agieren der Sozialdemokratie in der Zeit des Kaiserreichs kritisch sieht. Der Autor beschreibt die SPD dieser Zeit nicht als eine demokratische Kraft, sondern im Gegenteil, als „eine Partei betont sozialrevolutionärer Zielsetzung […]“319, die sich sogar, wie im Fall der Pariser Kommune, gegenüber Aufständen gegen frei gewählte Regierungen solidarisch zeig- te.320 Das Gothaer Programm, das wie schon Liebknecht festgestellt habe, alle Elemente des Kommunismus enthalten habe, hätte alle politischen Gruppierungen rechts von der SPD her- ausgefordert. In diesem Zusammenhang rechtfertigt der Autor auch das Sozialistengesetz. Schließlich sei das Attentat auf den Kaiser, das dem Gesetz vorrausging, auch „auf die unbe- streitbar extreme Agitation der Sozialdemokratie zurückzuführen.“321 Die Maßnahme hätte sich außerdem lediglich gegen die nichtparlamentarische Sozialdemokratie gerichtet und auf das Notwendigste beschränkt.322 Aber nicht nur die SPD des Kaiserreichs, auch die SPD der Weimarer Republik kritisiert der Autor. Sie hätte noch keine „allgemeingültige Form der Inte- ressenvertretung gefunden [gehabt]“323 und sich in ihrem Festhalten als Klassenpartei selbst darum gebracht, „im nationalen Existenzkampf des deutschen Volkes die führende Rolle zu spielen […]“324 Erst für die SPD seiner Zeit fand der Autor lobende Worte: „Erst in unseren Tagen, unter Schumacher und Wehner, hat die SPD das belastende Erbe politischen Prophe- tentums mit all seinen Verführungen abgeworfen. Und die Wählerschaft hat ihr das dankbar quittiert.“325

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Gegenerzählung von rechts eher unbe- deutend war. Führende Politiker von CDU, CSU und FDP agierten eher zurückhaltend, wodurch sich eine rechte Gegenerzählung nur in einigen Zeitungsartikeln und von Seiten des

318 Vgl. Gaus: Die hundertjährige Geschichte, S. 7. 319 Der Arbeitgeber: Hundert Jahre SPD. In: Der Arbeitgeber vom 05.09.1963, S. 445-446, hier S. 446. 320 Vgl. ebd., S. 445. 321 Ebd., S. 445. 322 Vgl. ebd., S. 445. 323 Ebd., S. 446. 324 Ebd., S. 446. 325 Ebd., S. 446. 63

Arbeitgeberverbandes finden lässt. Das beschriebene Abkehr-Narrativ kann dabei als bloße Feststellung gesponnen werden, aber auch mit einer sehr kritischen Sicht auf die Geschichte der Sozialdemokratie einhergehen.

2.4.3 Erzählungen und Gegenerzählungen im Vergleich

In diesem Kapitel sollen nun die Ergebnisse aus der Untersuchung der geschichtspolitischen Auseinandersetzung um das 100-jährige Jubiläum zusammengeführt werden. In einem syn- chronen Vergleich werden im Folgenden die Erzählung und die Gegenerzählungen miteinan- der verglichen und so die zentrale Frage, die im Sinne Edgar Wolfrums an Geschichtspolitik zu stellen ist, beantwortet:

„Welche Geschichtsdeutungen werden wann und von wem auserkoren und thematisiert und von vom akzeptiert, wie werden diese durchgesetzt, und wie sind die Grundzüge der dominan- ten Narrative zu beschreiben; aber auch: welche Gegenerzählungen können gefunden wer- den?“326

1963 wurde von Seiten der SPD eine umfassende Deutung der Geschichte der Sozialdemokra- tie betrieben. Nach allgemeinem Verständnis kann diese Deutung als Meistererzählung, also als „eine kohärente, mit einer eindeutigen Perspektive ausgestattete […] Geschichtsdarstel- lung, deren Prägekraft nicht nur innerfachlich schulbildend wirkt, sondern öffentliche Domi- nanz erlangt“327, betrachtet werden. In dieser Meistererzählung ist die Geschichte der Sozial- demokratie die des anderen, guten, besseren Deutschlands, jenseits von und gegen Diktatur, Militarismus und Imperialismus, für Demokratie, Patriotismus, Völkerverständigung.

Die verschiedenen Narrative, die diese Erzählung tragen, sind dabei um das Demokratie- Narrativ angeordnet, das als das narrative Zentrum betrachtet werden kann. Nicht nur weil es in der SPD-Erzählung klar im Vordergrund steht, sondern weil es als eine Art Gelenk alle anderen Narrative der SPD-Erzählung miteinander verbindet. So wird die viel beschworene Vaterlandsliebe der SPD, ihr Patriotismus, mit ihrem Eintreten für die Demokratie belegt, weil der Kampf für Demokratie auch einen Dienst an der Nation darstellte, wie Willy Brandt

326 Wolfrum: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989, S. 26. 327 Jarausch, Konrad/Sabrow, Martin: ››Meistererzählung‹‹ – Zur Karriere eines Begriffs. In: Dies. (Hrsg.): Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach 1945. Göttingen 2002, S. 9-32, hier S. 16. 64 sagen würde328, oder den „Kampf für die Selbstbestimmung des deutschen Volkes im Zeichen der Freiheit“ beinhalte, wie Carlo Schmid in seiner Hannoveraner Rede verdeutlichte329, oder weil schon Ferdinand Lassalle erkannt habe, dass die nationale Frage eine demokratische sei, wie Karl Anders erklärte.330 Auch der Kampf für die Gerechtigkeit für die Arbeiterklasse ist in der SPD-Erzählung mit dem Demokratie-Narrativ verbunden. Der Schlüssel liegt dabei in der Rolle des Staates, den die SPD ganz im Lassalleanischen Sinne zu einem sozialen Rechts- staat geformt und aus rechtlosen Arbeitern selbstbewusste Staatsbürger gemacht habe. Auch die Frage von Krieg und Frieden lässt sich in die Erzählung von der Sozialdemokratie als Ver- treterin des guten, anderen, besseren, des demokratischen, sozialen, weltoffenen Deutschlands einordnen. Waren es stets die Militaristen, Anhänger der Monarchie oder gar Faschisten, die Deutschland in den Krieg führten, war auf der anderen Seite die SPD stets bereit ihr Vaterland zu verteidigen, wobei sie Eroberungskriege jedoch immer ablehnte. Nach den Weltkriegen habe die SPD gar Deutschland gerettet, sei es vor dem Bürgerkrieg oder vor den „Bolschewis- ten“.

Um die Überzeugungskraft dieser Erzählung zu erhöhen, verbanden die SPD und ihr Umfeld die Narrative mit bestimmten Erinnerungsorten, die eine wichtige Rolle in der Konstruktion von Meistererzählungen bilden. Immer wieder genannt werden die Gründung der Weimarer Republik, verbunden mit der Person Friedrich Eberts, die Rede Otto Wels‘ gegen das Ermäch- tigungsgesetz sowie das Wirken Kurt Schumachers. Gerade die Gründung der Weimarer Re- publik eignet sich hervorragend um die SPD-Erzählung zu stützen. So wurde mit großem Ein- satz der Sozialdemokratie eine demokratische Republik errichtet, in der elementare soziale Verbesserungen wie der 8-Stunden-Tag erreicht wurden, der Erste Weltkrieg beendet und die Besetzung Deutschlands verhindert. Auch die Rede von Otto Wels, die überdies weit über die Parteigrenzen hinaus gewürdigt wurde, ist ein hervorragender Erinnerungsort. Wohl kein zweites Ereignis in der Geschichte lässt die Erzählung von der SPD als Repräsentantin des anderen, demokratischen Deutschlands glaubwürdiger werden. Während vor dem Reichstag bereits die Schläger der SA warteten, retteten im Reichstag die Sozialdemokraten um Otto Wels die Ehre der deutschen Demokratie, wohingegen die bürgerlichen Parteien der Vorlage zustimmten. Auch Kurt Schumacher fehlte in kaum einer Deutung der Geschichte der Sozial- demokratie. Seine Biographie eignete sich ebenfalls herausragend, um die SPD-Erzählung zu stützen. Der bis zu seinem Tod 1952 amtierende Vorsitzende der SPD war im sozialen Ge-

328 Vgl. Vorwärts: An der Schwelle des zweiten Jahrhunderts, S. 4. 329 Festrede von Professor Carlo Schmid, S. 743. 330 Vgl. Anders: Die ersten hundert Jahre, S. 15. 65 dächtnis der SPD von 1963 noch überaus präsent, ein Großteil der Mitglieder war bereits zu seiner Zeit Mitglied der Partei gewesen. Der Politiker, der im Ersten Weltkrieg einen Arm und als Folge seiner Internierung im Konzentrationslager ein Bein verlor, wurde besonders für seinen strikten Antikommunismus gewürdigt. Seine Geschichte passte hervorragend, um in der Hochphase des Kalten Krieges die SPD als die vaterländische Partei des demokratischen Deutschlands zu präsentieren. So werden auch die Personen, die ikonengleich in den SPD- Erzählungen besonders präsent sind, sämtlich als große Patrioten und Demokraten vorgestellt. Neben den erwähnten Ebert, Wels und Schumacher sind das der Gründervater Ferdinand Las- salle und der langjährige Vorsitzende August Bebel.

Nachdem nun geklärt ist, welche Deutung der Geschichte der Sozialdemokratie von der SPD auserkoren wurde, wie die Grundzüge der dominanten Narrative dieser Erzählung zu be- schreiben sind und wie die SPD versuchte, diese inhaltlich überzeugend zu veranschaulichen, gilt es nun zusammenzufassen, wie die SPD sie organisatorisch durchzusetzen versuchte.

Die SPD veranstaltete viele lokale, einige regionale und zwei zentrale Veranstaltungen. Dabei war mit der Feier des Parteivorstands in Hannover eine historisch gehaltene Feierstunde anbe- raumt, während das Deutschlandtreffen in Hamburg eher Eventcharakter besaß. Für die Feier des Parteivorstands versuchte die Partei hohe Repräsentanten der Republik als Gastredner zu gewinnen. Dies hätte auch ihren Anspruch Volkspartei zu sein untermauert. Sie scheiterte allerdings mit dem Versuch; lediglich schriftliche Grußadressen wurden verlesen, was aber in zeitgenössischen Augen bereits als ein Zeichen neuer Akzeptanz der SPD gewertet wurde.331

In Hamburg versuchte die Partei das Narrativ von der vaterländischen Partei zu unterstrei- chen. Nicht nur der Name „Deutschlandtreffen“ sollte Land und Partei miteinander in Verbin- dung bringen, auch das Kulturprogramm mit gesamtdeutscher Trachtenschau war geeignet, die Unkenrufe von den „vaterlandslosen Gesellen“ Lügen zu strafen.

Eine weitere überregionale Veranstaltung stellte die Wanderausstellung dar, die als histori- sche Ausstellung das Potential hatte, auch im wissenschaftlichen und pädagogischen Bereich die SPD-Erzählung zu vermitteln.

Einige Publikationen sowie begleitendes Programm von Preisverleihungen für journalistische Beiträge bis hin zur Thematisierung des Jubiläums im Mitgliedermagazin rundeten das Ange- bot der SPD ab.

331 Vgl. etwa Süddeutsche Zeitung: Ein neuer Stil für die Union. In: Süddeutsche Zeitung vom 13. Mai 1963, S. 3. 66

Aber war die SPD damit erfolgreich? Von wem wurde ihr Angebot akzeptiert? Der Adressa- tenkreis der SPD war klar erkennbar breiter als der eigene Mitglieder- und Sympathisanten- kreis. Vielmehr sollte eine breite Öffentlichkeit angesprochen werden, ohne dabei die eigene Mitgliedschaft zu vernachlässigen. Dies wird deutlich in der Konzeption des Jubeljahrs, im Buhlen um Repräsentanten der Republik, in Großveranstaltungen mit Eventcharakter wie dem Deutschlandtreffen und aus der politischen Notwendigkeit einer Partei, die Volkspartei sein möchte. Ist dieser Adressat aus den oben genannten Argumenten bereits der naheliegende Schluss, so kann diese begründete Vermutung mit internen Dokumenten belegt werden. Aus diesen Dokumenten wird auch ersichtlich, wie professionell die Partei bereits 1963 das Jubi- läumsjahr gestaltete. Inhaltlich und organisatorisch waren in der Öffentlichkeitsarbeit versier- te und im Umgang mit Medien sehr vertraute Akteure mit der Vorbereitung beauftragt. So stellten sich auch in ihrer Geschichtspolitik gewisse Erfolge ein. Inhaltlich wurde die SPD- Erzählung weitgehend übernommen. Allerdings war die öffentliche Aufmerksamkeit für das 100-jährige Jubiläum eher gering. Im Ablauf der Feierlichkeiten und dem öffentlichen Echo zeigt sich, dass die SPD selbst bereits viel mehr Volkspartei sein wollte, als sie in der Öffent- lichkeit als solche akzeptiert wurde.

Zur Deutung der SPD-Erzählung von 100 Jahren Sozialdemokratie gab es aber auch Gegener- zählungen, was insbesondere in demokratischen Gesellschaften auch für Meistererzählungen üblich ist.332 Dabei gab es zwei relativ homogene Gruppen, eine Gegenerzählung von links und eine von rechts. Die linke Gegenerzählung wurde in der offiziellen Geschichtspolitik der DDR vertreten, aber auch vereinzelt durch Linke aus der Bundesrepublik. Sie deutete die Ge- schichte der SPD als eine Geschichte der Abkehr von ihren ursprünglichen Zielen und Wer- ten. Unverkennbar folgt diese Gegenerzählung einer narrativen Struktur des Niedergangs. Dabei wird in den Publikationen der DDR die Geschichte der SPD seit 1914 in einem derart schlechten Licht gezeichnet, dass sich diese Deutung mit dem Begriff Verdammung beschrei- ben lässt. Demnach habe die SPD sich nicht nur von ihren ursprünglichen Zielen entfernt, sondern stehe 1963 sogar auf der Seite des Kapitals und gegen die Arbeiterklasse. Außerdem griff die SED die SPD-Erzählung als vermeintliche Fälschung an. Nicht Lassalle sei der Gründervater der SPD, sondern Karl Marx und Friedrich Engels. Die Gründung des ADAV 1863 sei nur ein Zwischenspiel gewesen. Die wahre Geburtsstunde der Sozialdemokratie sei die Gründung des Bundes der Kommunisten. Mit der Negierung des SPD-Gründungsmythos konnte die linke Gegenerzählung das Verdammungs-Narrativ mit dem Narrativ der Inan-

332 Vgl. Jarausch/Sabrow: : ››Meistererzählung‹‹, S. 21. 67 spruchnahme, wonach die SED und die DDR für das wahre Erbe der deutschen Sozialdemo- kratie stünden, zu einer eigenen Meistererzählung verbinden. Darin stehen SED und DDR für die progressiven und revolutionären Traditionen der deutschen Sozialdemokratie, die SPD hingegen für Revisionismus und Reaktion. Besonders deutlich trat dabei die semantische Komponente dieser Meistererzählung333 hervor. Die Geschichte eines Niedergangs struktu- riert sich darin um ein geregeltes Sprachinventar, bei dem kaum ein Text ohne die Begriffe Fälschung, Verrat oder rechte SPD auskommt.

Durchgesetzt wurde diese Meistererzählung innerhalb der DDR über die offizielle Ge- schichtspolitik des Staates, der keine abweichenden Deutungen in der Öffentlichkeit zuließ. Die SED veranstaltete sogar selbst einen kleinen Festakt in Leipzig, wo sie ihre Deutung der Geschichte der Sozialdemokratie stark machte. Die Presse berichtete ganz im Sinne der SED, sowohl von dieser Veranstaltung als auch von den Feierlichkeiten der SPD in Westdeutsch- land. In ihren historischen Kommentaren und Essays folgte sie vollständig der SED- Erzählung. Mangelnde Presse- und Meinungsfreiheit und das System der Blockparteien ließen alternative Deutungen mit größerer Öffentlichkeitswirksamkeit in der DDR kaum zu. In der Bundesrepublik war die Gegenerzählung der SED allerdings unbedeutend. Sie wurde weder von den Medien, noch vom wissenschaftlichen Betrieb aufgegriffen. Lediglich das Verdam- mungsnarrativ, aber auch das nur in sehr abgeschwächter Form, wurde von linken Intellektu- ellen geteilt, die den Weg der SPD seit spätestens Bad Godesberg nicht mehr mitgehen woll- ten.

In der Bundesrepublik war die Gegenerzählung von rechts über Zeitungsartikel etwas präsen- ter. Das zentrale Narrativ dieser Gegenerzählung war die Abkehr der SPD von ihren alten Zielen. Das zentrale Narrativ der SPD-Erzählung, wonach die Sozialdemokratie in ihrer hun- dertjährigen Geschichte stets eine Kämpferin für die Demokratie in Deutschland war, wird darin bestritten. Demnach habe die SPD erst nach 1918 bzw. 1945 den Weg zur Demokratie gefunden. Vorher sei sie eine Partei des Umsturzes, der sozialen Revolution, gewesen, die sich noch bis in die Weimarer Republik eher auf Marx, denn auf Lassalle berufen habe. Die Ähnlichkeit dieser Gegenerzählung von rechts mit der von links ist evident. In beiden Fällen wird eine Abkehr der SPD von ihren alten Zielsetzungen und auch ihrer alter Geschichtsdeu- tung postuliert. Der inhaltliche Unterschied liegt lediglich darin, dass die Gegenerzählung von rechts diese Entwicklung begrüßt, während die Erzählung von links diese verdammt. Darüber hinaus ist ein entscheidender Unterschied zur Gegenerzählung von links, dass die Gegener-

333 Vgl. Jarausch/Sabrow: ››Meistererzählung‹‹, S. 17. 68 zählung von rechts nicht Teile des Erbes der Geschichte der Sozialdemokratie für sich bean- spruchte. Die Gegenerzählung von rechts hatte keine distinktive Funktion. Dies machte deren Auseinandersetzung mit der SPD-Erzählung weit weniger verbissen, weil hier kein Identitäts- konflikt vorlag. Dementsprechend war der Versuch, die Gegenerzählung von rechts durchzu- setzen, begrenzt. Daran hatten die Akteure, die diese Gegenerzählung vornehmlich trugen, Journalisten, kein besonderes Interesse. Da Politiker als Akteure weitgehend ausfielen, fanden so keine Kongresse, die die eigene Gegenerzählung propagieren, statt; ebenso wenig erschie- nen Bücher. Die Gegenerzählung von rechts kann daher als Teil des Speichergedächtnisses betrachtet werden. Mit ihren kritischen Einwänden erfüllte sie die Aufgabe eines Korrektivs zur SPD-Erzählung.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl die Erzählung der SPD als auch die Gegenerzählung von links als Meistererzählungen eingestuft werden können. Die Gegener- zählungen, sowohl von links wie von rechts, deuten dabei die Geschichte der Sozialdemokra- tie genau gegenteilig wie in der SPD-Erzählung. Lassalle vs. Marx, Partei des demokratischen Sozialismus vs. Partei der sozialen Revolution, Kontinuität vs. Bruch sind hier die großen Konfliktlinien. Besonders erbittert war die geschichtspolitische Auseinandersetzung zwischen der SPD und der SED, die sich um das Erbe der Sozialdemokratie und der Arbeiterbewegung stritten. In der geschichtspolitischen Auseinandersetzung setzte sich die SPD-Erzählung in der Bundesrepublik weitgehend durch. Die Gegenerzählungen blitzten lediglich in einem Zei- tungsartikel und wenigen wissenschaftlichen Publikationen auf. Mit ihren zentralen Festver- anstaltungen und der größeren Anzahl an Publikationen bestimmte die SPD das 100-jährige Jubiläum, auch wenn sie damit vielleicht nicht so viele Menschen erreichte, wie sie ge- wünscht hätte. Dennoch zeigt sich in der Geschichtspolitik der SPD zur 100-Jahr-Feier wie fortgeschritten der Wandel der SPD von der Traditionskompanie zur Volkspartei bereits war.

3 Die Geschichtspolitik 2013

3.1 Historischer Hintergrund

Da das 150-jährige Jubiläum der SPD gerade einmal zwei Jahre zurückliegt, wäre es zu früh, es in einen größeren historischen Kontext einzuordnen. Dennoch kann die politische Lage des 69

Jahres 2013 und die Situation der SPD diskutiert werden. Außerdem wird in diesem Unterka- pitel auch dargestellt, was stattfand, welche Feierlichkeiten die SPD organisierte und welche Publikationen herausgegeben wurden.

3.1.1 Das Bundestagswahljahr 2013

Im Gegensatz zum hundertjährigen Jubiläum 1963 fand das 150-jährige Jubiläum in einem Bundestagswahljahr statt. Die Feierlichkeiten der SPD mussten sich daher zwangsläufig in der Hochphase des Wahlkampfes bewegen. Der historische Rahmen, der das Jubiläumsjahr 1963 prägte, hatte sich dramatisch verändert. Der Kalte Krieg war vorüber, die Mauer gefal- len, Deutschland wiedervereint. Der große historische Gegenspieler, der mit der Sozialdemo- kratie um das Erbe der Arbeiterbewegung konkurrierte, der Kommunismus in den Staaten des Ostblocks, war gescheitert. Mit der Linkspartei gab es nun nur noch eine eher kleine Konkur- renzpartei, die in der Tradition der Arbeiterbewegung und historischen Sozialdemokratie stand. Die SPD hingegen war in ihrem Status als Volkspartei längst akzeptiert, es herrschte im Gegenteil die Sorge, die SPD könne aufgrund anhaltend schlechter Wahlergebnisse diesen Status verlieren. Als Regierungspartei war sie jedenfalls längt Normalität geworden, ihre Re- gierungsfähigkeit musste sie niemandem mehr unter Beweis stellen.

Es gibt aber auch kleinere Gemeinsamkeiten in der Ausgangslage von 1963 und 2013. Auch im Jahr 2013 war die SPD in der Opposition. Dabei schien es 2013 ebenso schwer vorstellbar, dass die SPD in den nächsten Jahren wieder einmal den Regierungschef stellen könnte. Die grundsätzliche Frontstellung, Regierungspartei oder Oppositionspartei, zumal in einem Bun- destagswahljahr, sollte nicht unterschätzt werden, weil die tagespolitische Konstellation na- turgemäß einen großen Einfluss auf die Geschichtspolitik hat.

3.1.2 Die SPD im Jahr 2013

Das Jubiläum der SPD 1963 fand nur vier Jahre nach der Verabschiedung des Godesberger Programms statt, das Jubiläum 2013 sechs Jahre nach Verabschiedung des Hamburger Pro- gramms. Im Gegensatz zum Godesberger Programm markiert aber das Hamburger keinen Umbruch in der Programmgeschichte der SPD. Es ist geleitet von den Grundwerten Freiheit, 70

Gerechtigkeit und Solidarität334 und verortet die SPD weiterhin in der Tradition des demokra- tischen Sozialismus.335 Als Ziele ihrer Politik gibt die SPD im Hamburger Programm eine friedliche und gerechte Welt, das soziale und demokratische Europa, die solidarische Bürger- versicherung und den demokratischen Staat, die Gleichstellung der Geschlechter, nachhaltiges und qualitatives Wachstum, gute Arbeit für alle, einen vorsorgenden Sozialstaat, bessere Bil- dung, eine kinderfreundliche Gesellschaft und die Stärkung der Familien an.336 Als program- matischer Hintergrund für die Geschichtspolitik 2013 ist auch die historische Zusammenfas- sung der Geschichte der SPD interessant. Laut Hamburger Programm war die SPD beides: „Emanzipationsbewegung der Arbeiter und Demokratiebewegung, die den Obrigkeitsstaat überwinden sollte.“337 So kommt das Programm dann auch bezüglich der Demokratie zu dem Schluss: „Demokratiegeschichte ist in Deutschland von der Geschichte der Sozialdemokratie nicht zu trennen.“338 Bezüglich der Emanzipation der Arbeiter hält es fest, dass die Sozialde- mokratie „zusammen mit den Gewerkschaften aus verachteten Proletarierinnen und Proletari- ern gleichberechtigte und selbstbewusste Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gemacht [hat].“339 Diese historische Deutung weist eine offenkundige Kontinuität zur Geschichtspoli- tik der SPD von 1963 auf.

Wenn programmatisch also kein Bruch mit der SPD von 1963 zu erkennen ist, so kann von der Zusammensetzung der Mitgliedschaft umso mehr von einer großen Veränderung gespro- chen werden. Zu Beginn des Jubiläumsjahrs hatte die SPD nur noch 477.000 Mitglieder340 und damit den tiefsten Stand seit der Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg er- reicht.341 Ein Großteil der Mitglieder von 1963 war 2013 aus der Partei ausgeschieden, sei es durch Austritt oder Tod. Dafür hatte die SPD neue Genossen aus den neuen Bundesländern integriert. Diese neuen Mitglieder hatten ganz andere politische Wurzeln als die aus dem

334 Vgl. Hamburger Programm. Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, S. 14f. URL: http://www.spd.de/linkableblob/1778/data/hamburger_programm.pdf [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 335 Vgl. ebd., S. 16f. 336 Vgl. ebd., S. 2, 67f. 337 Ebd., S. 12. 338 Ebd., S. 12. 339 Ebd., S. 12. 340 Vgl. Niedermayer, Oscar: Mitgliederentwicklung der CDU und SPD seit 1990. URL: http://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/138672/mitgliederentwicklung-cdu-und-spd-ab- 1990 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 341 Vgl. Die Welt: Mitgliederzahl der SPD sinkt auf Rekordtief. URL: http://www.welt.de/politik/deutschland/article113893266/Mitgliederzahl-der-SPD-sinkt-auf-Rekordtief.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 71

Westteil Deutschlands, viele von ihnen waren an der friedlichen Revolution gegen die SED- Herrschaft beteiligt gewesen.342

Die drei wichtigsten Führungspersönlichkeiten der SPD des Jahres 2013 waren der Parteivor- sitzende Sigmar Gabriel, der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. Alle drei Politiker hatten ihren Durchbruch in der Zeit der rot- grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder. Sigmar Gabriel war Nachfolger von Schröder als Ministerpräsident Niedersachsens, nach seiner Abwahl eine kurze Zeit Pop- Beauftragter der Bundesregierung und später Umweltminister in der Großen Koalition unter Angela Merkel.343 Peer Steinbrück war von 2002 bis 2005 Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen und von 2005 bis 2009 Finanzminister.344 Frank-Walter Steinmeier diente ab 1999 als Chef des Kanzleramts unter Gerhard Schröder, 2005 wurde er Außenminister in der schwarz-roten Bundesregierung.345

Mit ihren Wahlergebnissen konnte die Partei ebenso wenig zufrieden sein wie mit der Mit- gliederentwicklung. Bei den Bundestagswahlen 2009 erreichte die SPD mit 23,0 % ebenfalls einen historischen Tiefstwert.346 Bei den repräsentativen Wahlumfragen des Jahres 2013 kam die SPD nicht über 30% hinaus und erlangte dann bei der Bundestagswahl mit 25,7 % erneut ein schlechtes Ergebnis.

Die SPD des Jahres 2013 stand demnach programmatisch in der langen Tradition der Nach- kriegs-SPD, die Unterschiede zu 1963 sind eher gering. Personell dominierten Politiker, die bereits unter Rot-Grün bedeutende Ämter bekleidet hatten. In das Jubiläumsjahr ging die SPD als Oppositionspartei mit eher trüben Aussichten auf eine Regierungsübernahme im Herbst. Auch wenn die Situation der Partei aufgrund ihrer Wahl- und Umfrageergebnisse sowie des Mitgliederschwunds krisenhafte Züge trug, hatte sie sich doch von den schlimmsten Turbu- lenzen im Zuge der Hartz-Gesetze und vorzeitigen Neuwahlen 2005 erholt.

342 Vgl. etwa Faulenbach, Bernd: Geschichte der SPD. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 2012, S. 112-115. 343 Vgl. Gabriel, Sigmar: Lebenslauf & Einkommen. URL: http://www.sigmar-gabriel.de/Lebenslauf/ [zuletzt abgerufen 28.07.15]; außerdem Tuma, Thomas: Weltkrise privat. Wenn Siggi Popp rockt. URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/weltkrise-privat-wenn-siggi-pop-rockt-a-655668.html [zuletzt abgeru- fen: 16.08.2015]. 344 Steinbrück, Peer: Lebenslauf. URL: http://www.peer-steinbrueck.de/peer-steinbruck/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 345 Steinmeier, Frank-Walter: Zur Person. URL: http://www.frank-walter-steinmeier.de/zur-person/ [zuletzt ab- gerufen: 16.08.2015]. 346 Vgl. Der Bundeswahlleiter: Endgültiges amtliches Endergebnis der Bundestagswahl 2009. URL: http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_09/presse/75_EndgueltigesErgebnis.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 72

3.1.3 Was fand statt?

Die Feierlichkeiten 2013 weisen große Parallelen zu denen des Jahres 1963 auf. Es gab zum 150-jährigen Jubiläum sowohl lokale als auch überregionale Veranstaltungen. Besonders bei den überregionalen Veranstaltungen fallen die Gemeinsamkeiten ins Auge. Am 23. Mai fand der große Festakt „150 Jahre SPD“ in Leipzig statt.347 Damit wurde ein alter Traum Ollenhau- ers wahr, der 1963 selbstbewusst verkündet hatte, dass das SPD-Jubiläum im freien Leipzig wiederholt werde.348 Aus dem Deutschlandtreffen von 1963 in Hamburg wurde 2013 das Deutschlandfest in Berlin, das im August in der Hochphase des Bundestagswahlkampfs statt- fand. Wie schon 1963 tourte auch 2013 eine Wanderausstellung zum Jubiläum durch die gan- ze Republik, dieses Mal allerdings von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert.

Im Folgenden werden der Aufbau und Ablauf dieser Veranstaltungen beschrieben. Leider kann dabei nicht wie für das hundertjährige Jubiläum die innere Organisation nachvollzogen werden. Dafür würden interne Dokumente benötigt, die aus naheliegenden Gründen noch nicht zugänglich sind. Aus den gleichen Gründen wie bei der Betrachtung des Jubiläums von 1963 entfällt auch hier die Einbeziehung von kleineren Veranstaltungen.

Der große Festakt der Bundespartei wurde auf den Tag genau 150 Jahre nach der Gründung des ADAVs gelegt. In Leipzig konnte er nun im wiedervereinigten Deutschland am histori- schen Ort der Parteigründung stattfinden. Neben dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel hiel- ten François Hollande, französischer Präsident und Mitglied der französischen Schwesterpar- tei, sowie Bundespräsident Joachim Gauck Festreden.349 Eröffnet wurde die Veranstaltung von der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Hannelore Kraft.350 Unter den 1.600 Gästen war auch die gesamte Staatsführung Deutschlands vertreten, so Bun- deskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle.351 Mit Helmut Schmidt und Gerhard Schröder waren zudem die noch lebenden ehemaligen Bundeskanzler der SPD zu Gast.352

347 Vgl. SPD: Seit 150 Jahren auf dem Weg zu einem besseren Land. URL: http://www.150-jahre- spd.de/meilensteine/99574/2013_festakt_leipzig.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 348 Vgl. Die Welt: Ollenhauer: Leider nicht in Leipzig. In: Die Welt vom 13. Mai 1963, S. 1-2, hier S. 1. 349 Vgl. SPD: Ein Fest der Demokratie. URL: http://www.spd.de/aktuelles/100144/20130523_150jahre_leipzig.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 350 Vgl. ebd. 351 Vgl. ebd. 352 Vgl. ebd. 73

Auch die Vorsitzenden der anderen im Bundestag vertretenen Parteien wohnten dem Festakt bei. Kulturell begleitet wurden die Festreden von musikalischen Beiträgen des Leipziger Symphonieorchesters, einer A-Capella-Gruppe und Breakdance-Einlagen sowie kurzen Vor- trägen der Schauspieler Iris Berben und David Kross.353 Der Festakt von 2013 ähnelt somit in der Konzeption der zentralen Feierstunde des Parteivorstands von 1963.

Das Deutschlandfest, das am Wochenende des 17. und 18. August begangen wurde, bezeich- nete die SPD selbst als die zentrale Feier zum 150-jährigen Jubiläum der Partei.354 Noch of- fenkundiger als beim Äquivalent von 1963, dem Deutschlandtreffen, standen hier nicht die historischen Abhandlungen zur Parteigeschichte im Vordergrund. Das politische Programm bestand auf den Hauptbühnen aus lediglich einem einstündigen Block am Samstag mit Reden von Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel und eines halbstündigen gemeinsamen Frühstücks der Parteispitze mit den Bürgern am Sonntag.355 Allerdings fand das Geschehen an einem historisch bedeutenden Ort, der Straße des 17. Juni, vor dem Brandenburger Tor statt. Stein- brück begründete diese Ortswahl auch historisch. Dafür führt er die historischen Ereignisse der Ausrufung der Republik durch Scheidemann, den Fackelzug der Nationalsozialisten durch das Brandenburger Tor 1933, den Fall der Berliner Mauer 1989 und die Blockade eines Neo- nazi-Aufmarsches 2005 an.356

Den größten Teil des Deutschlandfestes nahmen Auftritte von Musikern verschiedener Genres ein. Dabei konnte die SPD durchaus bekannte Künstler für ihr Fest gewinnen, etwa Nena, Dick Brave, die Prinzen, Roland Kaiser, Samy Deluxe und Konstantin Wecker.357

Etwas historischer gehalten als das Programm der Hauptbühnen, waren die Veranstaltungen bei den Ständen der Jusos, der Jugendorganisation der SPD, und des Lesezelts. Dort fanden Vorträge und Lesungen zur Geschichte der Jusos, zu Schlüsseltexten der Sozialdemokratie, zur Geschichte der Geschichte der SPD und zur Regierungszeit Willy Brandts statt.358 Außer- dem gab es eine Reihe von Ständen diverser SPD-Untergliederungen, Gewerkschaften und Unternehmen.359 Im Programm herausgehoben wurden die Stände der Jusos, von „Mitma-

353 Vgl. ebd. 354 Vgl. SPD: „Deutschlandfest“ der SPD. URL: http://www.150-jahre-spd.de/87540/berlin_17.08.- 18.08.2013_unser_deutschlandfest.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 355 Vgl. ebd. 356 Steinbrück, Peer: Reden. Peer Steinbrück am 17.08.2013 beim Deutschlandfest der SPD in Berlin, 2:26-6:20. URL: http://www.peer-steinbrueck.de/reden/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 357 Vgl. SPD: Deutschlandfest. Programm. URL: http://www.150-jahre- spd.de/linkableblob/106744/data/deutschland_programmheft.pdf [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 358 Vgl. ebd. 359 Vgl. ebd. 74 chen.SPD.de“, des Interessenverbands der privaten und kommunalen Waldbesitzer Deutsch- lands mit dem Namen „Die Waldeigentümer“ und von Volkswagen.360 Auch für Kinder wur- de mit Lesungen den Samstagnachmittag über etwas geboten.361 In der Debattenarena stellten sich mehrere SPD-Spitzenpolitiker den ganzen Samstag über der Diskussion mit den Gästen des Deutschlandfests.362

Nach SPD-Angaben besuchten rund 500.000 Menschen das Fest.363 Das Deutschlandfest hatte damit weit größere Ausmaße als das Deutschlandtreffen 1963. Es ähnelt ihm aber frappant in seiner Konzeption als Eventveranstaltung.

Wie schon 1963 gab es auch 2013 eine Wanderausstellung. Sie tourte unter dem Titel „150 Jahre deutsche Sozialdemokratie: Für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ durch insgesamt 24 Orte in Deutschland.364 Damit machte sie zwar in mehr Städten Halt als die Wanderaus- stellung 1963, musste aber mit den neuen Bundesländern auch eine größere Fläche abde- cken.365 Die Wanderausstellung wurde in Berlin im Paul-Löbe-Haus des Bundestags am 13. September 2012 eröffnet, in Wuppertal wurde sie am 1. Dezember 2013 beschlossen. Damit konnte die Wanderausstellung nahezu das gesamte Jubiläumsjahr in verschiedenen Orten be- sucht werden. Eine besonders prägnante visuelle Gestaltung wie 1963 mit dem Kugelpavillon hatte die Wanderausstellung nicht zu bieten. Besucherzahlen liegen leider nicht vor und wären aufgrund des kostenlosen Eintritts auch schwer zu erheben gewesen. Das beachtliche Medien- echo, das der Ausstellung widerfuhr366, die professionelle Organisation, insbesondere aber die erhöhte politische Aufmerksamkeit im Wahljahr sprechen jedoch dafür, dass die Besucher- zahlen das Potential weitgehend ausschöpften. Informiert wurden die Besucher aber nicht, wie der Titel der Ausstellung andeutete, über die Zeit ab 1863, sondern schon über die Vorge- schichte, beginnend mit der Revolution von 1848. Wer die Ausstellung verpasst hatte oder noch mehr wissen wollte, hatte die Möglichkeit den ergänzenden Begleitband Deutsche Sozi-

360 Vgl. ebd. 361 Vgl. ebd. 362 Vgl. ebd. 363 Vgl. SPD: 500.000 feiern 150 Jahre SPD! URL: http://www.spd.de/aktuelles/107270/20130819_deutschlandfest_zusammenfassung.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 364 Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung: Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie. Wanderausstellung. URL: http://www.geschichte-der-sozialdemokratie.de/wanderausstellung.html?no_cache=1 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 365 Vgl. ebd. 366 Vgl. Friedrich-Ebert-Stifung: Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie. Wanderausstellung. Medienecho. URL: http://www.geschichte-der-sozialdemokratie.de/wanderausstellung/medienecho.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 75 aldemokratie in Bewegung. 1848 – 1863 – 2013367, hrsg. von den Historikern Anja Kruke und Meik Woyke zu erwerben.

Dieser Begleitband war natürlich nicht die einzige Publikation, die von der SPD oder ihrem Umfeld anlässlich des 150-jährigen Jubiläums veröffentlicht wurden. Im Gegenteil, im Ver- gleich zum 100-jährigen Jubiläum, wurden weit mehr Bücher herausgegeben, teils mit wis- senschaftlichem Anspruch, teils eher populärwissenschaftlich oder als Lesebuch. Die Summe an Publikationen ist so groß, dass hier eine Auswahl erfolgen muss. Der Vorwärts gab in sei- ner Sonderausgabe zum 150-jährigen Jubiläum seinen Lesern Buchtipps, in denen neben älte- ren Büchern auch die aus SPD-naher Sicht wichtigsten Veröffentlichungen zum Jubiläum gelistet sind.368 Sich an dieser Liste zu orientieren erscheint sinnvoll, weil hier die bedeuten- den Werke aufgezählt sind, die die SPD-nahe Erzählung zur Geschichte der Partei stützen. Die wichtigsten Publikationen von SPD-Seite zum 150-jährigen Jubiläum waren demnach der Sammelband Menschen, Ideen, Wegmarken. Aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie369, der von Bernd Faulenbach und Andreas Helle herausgegeben wurde; die Monographie ››Mehr Demokratie wagen‹‹ Geschichte der Sozialdemokratie 1830-2010370 von Peter Brandt und Detlef Lehnert; der bereits angesprochene Begleitband Deutsche Sozialdemokratie in Bewe- gung. 1848 – 1863 – 2013; außerdem der Sammelband Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialde- mokratische Geschichten von Franz Walter und Felix Butzlaff.

Die SPD ergänzte das umfassende Angebot an Büchern mit weiteren Medienangeboten. So wurde der Film „150 Jahre SPD – der Film: ‚Wenn du was verändern willst…‘“ gedreht und an alle Mitglieder kostenlos mit der Jubiläums-Sonderausgabe des Vorwärts versandt.371 Aber auch Nicht-Mitglieder konnten den Film online auf der Videoplattform YouTube oder auf der Website 150-Jahre-SPD schauen.372 Darüber hinaus setzte die SPD unterstützend neue Medi- en ein. Dabei kam der eben angesprochenen Website 150-Jahre-SPD die zentrale Rolle zu. Dort konnten die Besucher außer dem Jubiläumsfilm kurze Clips sehen, die sowohl die Feier-

367 Vgl. Kruke, Anja/Woyke, Meik (Hrsg.): Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung. 1848 – 1863 – 2013. Bonn 2013. 368 Vgl. Nahles, Andrea (Hrsg.): Vorwärts Extra: 150 Jahre Sozialdemokratie. Der lange Weg zu einem besseren Land. Berlin 2013, S. 130. 369 Vgl. Faulenbach, Bernd/Helle, Andreas (Hrsg.): Menschen, Ideen, Wegmarken. Aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie. Berlin 2013. 370 Vgl. Brandt, Peter/Lehnert, Detlef: ››Mehr Demokratie wagen‹‹ Geschichte der Sozialdemokratie 1830 – 2010. Berlin 2013. 371 Vgl. Höck, Carl-Friedrich: Auf Spurensuche. Ein Film zum 150. Jubiläum zeigt die lebendige Vielfalt der SPD. In: Vorwärts Extra, S. 138. 372 Vgl. SPD: 150 Jahre SPD – der Film. „Wenn du was verändern willst…“ URL: https://www.youtube.com/watch?v=EmiXG2Mz2Qg [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]; SPD: Die Filme zu 150 Jahre SPD und 25 Jahre Gründung SDP. URL: http://www.150-jahre-spd.de/Filme/101102/150_jahre_spd_- _die_filme_neu.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 76 lichkeiten dokumentierten als auch Grußworte übermittelten. Sie konnten sich über die Mei- lensteine der sozialdemokratischen Geschichte in Form einer Zeittafel informieren, die bis zur Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zurückreichte. Außerdem kartierte die Website bedeutende historische Orte und Termine zum Jubiläum. Unter dem Reiter Aktionen wurde eine Vielzahl auch regionaler Aktivitäten zum 150-jährigen Jubiläum dokumentiert.373

Daneben gab es noch eine Website der Friedrich-Ebert-Stiftung zum 150-jährigen Jubiläum, das Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie.374 Diese reichhaltig bestückte Website bot u.a. einen Überblick über die Wanderausstellung: eine Termin- und Ortsübersicht, Rezensio- nen und Kommentare, Bilder und einen virtuellen Rundgang.375 Bei einem interaktiven Quiz über Erinnerungsorte der Sozialdemokratie konnten sich die Besucher in ihren Kenntnissen zu dieser Geschichte messen.376 Der Service-Bereich war vor allem für Lehrer interessant. Hier konnten sie Unterrichtsmaterialien zur Geschichte der Sozialdemokratie herunterladen. Das Angebot reichte dabei von Quellen bis zu ganzen Unterrichtsentwürfen.377

3.2 Akteure

Dieses Kapitel wird im Folgenden auf die Rolle der Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Schriftsteller im 150-jährigen Jubiläum der deutschen Sozialdemokratie eingehen. Leider kann die vorliegende Arbeit auch hier keine Quellenbestände heranziehen, wie dies in der Untersuchung der Geschichtspolitik von 1963 möglich war. Dieser Blick „hinter die Kulis- sen“ bleibt versperrt. Diskussionen über die Planungen, Gedanken der Akteure zur Konzepti- on, etwaige Dispute und insbesondere Intentionen und damit auch der relative Erfolg der Ge- schichtspolitik bleiben verborgen. Allerdings lassen sich auch aus den äußeren Umständen begründete Vermutungen über das Handeln und die Zielsetzung der Akteure ableiten.

373 Vgl: SPD: 150 Jahre SPD. Aktionen. URL http://www.150-jahre-spd.de/aktionen/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 374 Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung: Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie. URL: http://geschichte-der- sozialdemokratie.de/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 375 Vgl. ebd. 376 Vgl. ebd. 377 Vgl. ebd. 77

3.2.1 Politiker

Bei den Politikern lassen sich einige Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zum hundert- jährigen Jubiläum feststellen. Über die naheliegende Tatsache hinaus, dass auch 2013 das wichtigste Medium der Politiker die Reden waren, liegen diese insbesondere in der Auswahl der Bühnen und Redner.

Wie schon 1963 gab es 2013 mit dem Festakt in Leipzig und dem Deutschlandfest in Berlin zwei zentrale Veranstaltungen, bei denen eine größere Zuhörerschaft den Reden beiwohnte und über die ausführliche Presseberichte geschrieben wurden. Dabei spielte der Parteivorsit- zende ebenso wie 1963 nicht die überragende Rolle. Mit François Hollande hatte die SPD auch 2013 einen Gastredner einer europäischen Schwesterpartei. Auf dem Deutschlandfest 2013 stand der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Mittelpunkt, wie schon beim Deutsch- landtreffen 1963 Willy Brandt. Wie die interne Aufgabenverteilung der politischen Mitarbei- ter aussah, lässt sich mangels Zugriff auf interne Dokumente leider nicht klären.

Neben den Parallelen lassen sich aber auch Unterschiede finden. So war es der SPD 2013 gelungen die Bundeskanzlerin als Gast, und den Bundespräsidenten gar als Redner zu gewin- nen. Durch beider Anwesenheit konnte die SPD so die höchsten Repräsentanten des deut- schen Staats, im Falle der Bundeskanzlerin sogar die Vorsitzende der größten Konkurrenzpar- tei, der CDU, in ihre Geschichtspolitik miteinbeziehen.

3.2.2 Weitere Akteure

Journalisten widmeten sich dem SPD-Jubiläum 2013 weitaus umfassender als dem von 1963. Berichte erfolgten sowohl über die Veranstaltungen als auch über die Geschichte der Sozial- demokratie. Insgesamt erschienen viel mehr und längere Zeitungsartikel als noch 1963. Die Artikel zum hundertjährigen Jubiläum spiegelten in ihrer Kommentierung der sozialdemokra- tischen Geschichte dabei die plurale Presselandschaft Deutschlands wider. In den vergange- nen fünfzig Jahren hatte sich diese aber weiterentwickelt. Zu berücksichtigen ist insbesondere die neue Stellung der Tageszeitung Neues Deutschland. War sie 1963 noch die Zeitung der Staatspartei der DDR, so war sie nun als eine Zeitung aus dem Umfeld und im Besitz der

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LINKEN von anderem Charakter und geringerer Relevanz. Sie hat allerdings eine hohe Aus- sagekraft über die Konstanz bzw. Veränderung der Gegenerzählung von links.

Wie bereits angesprochen, erschienen 2013 viele wissenschaftliche Publikationen zur 150- jährigen Parteigeschichte aus dem SPD-Umfeld. Unter den Autoren befanden sich gestandene Historiker, insbesondere aus dem Umfeld der SPD bzw. der Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch Politologen wie Franz Walter und Felix Butzlaff beteiligten sich an der Deutung der Ge- schichte. In dieser geschichtspolitischen Akteurslage zeigt sich sehr deutlich eine Besonder- heit dieses sozialdemokratischen Jubiläums. Da ein Großteil der Wissenschaftler parteipoli- tisch gebunden war, kann die Korrektivfunktion der Wissenschaft in der geschichtspolitischen Auseinandersetzung in Zweifel gezogen werden. Es wäre jedoch unfair, den sozialdemokrati- schen Historikern diese Möglichkeit als Korrektiv zu den Erzählungen der Politiker zu wir- ken, grundsätzlich abzusprechen. Insbesondere das SPD-Mitglied Walter, aber auch andere Autoren, zeigen, dass sie sich in ihren Werken teils merklich von den Reden der SPD- Politiker abheben. Im Übrigen gilt diese Bemerkung auch für einen großen Teil der verblei- benden Wissenschaftler bzw. wissenschaftlichen Akteure. Als Mitglieder oder Sympathisan- ten der LINKEN, oder als Teil des linken SPD-Flügels oder der Jusos, sind sie alles andere als neutral. In dieser besonderen Spannungssphäre zwischen Wissenschaft und Politik, besteht folglich eine Kontinuität zum hundertjährigen Jubiläum. Allerdings hat sich auch hier eine Professionalisierung eingestellt. Autoren wie Karl Anders, die nicht wirklich als Historiker zu bezeichnen sind, wären 2013 als Verfasser der zentralen historischen Monographie nicht denkbar gewesen.

Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle wurden beim 150-jährigen Jubiläum von Seiten der SPD stärker in ihre Geschichtspolitik eingebunden als noch beim hundertjährigen. So brachte die SPD das Buch Durchgefressen und durchgehauen heraus, indem 31 Schriftsteller in ver- schiedener literarischer Form der SPD zum Geburtstag gratulierten.378 Dabei ließ sie auch kritische Stimmen zu Wort kommen, so etwa den Sozialphilosophen Oskar Negt, dessen Bei- trag sich durch eine solidarisch-kritische Betrachtung der SPD hervorhebt.379 Besonders stark setzte die Partei allerdings auf Musik. Dabei war sie bemüht, verschiedene Geschmäcker ge- nerationenübergreifend anzusprechen. Auf dem Festakt in Leipzig etwa traten das Leipziger Symphonieorchester, wie auch eine A-Capella-Gruppe und Breakdance-Tänzer auf. Damit

378 Vgl. Helfer, Joachim/Wettig, Klaus (Hrsg.): Durchgefressen und durchgehauen. Schriftstellerinnen und Schriftsteller gratulieren der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum 150. Geburtstag. Göttingen 2013. 379 Vgl. Negt, Oskar: Ein neues Gotha wäre sinnvoll! In: Helfer/Wettig (Hrsg.) Durchgefressen und durchgehau- en, S. 183-192. 79 war das Event sowohl für ältere als auch jüngere Teilnehmer interessant. Noch deutlicher wird dies bei den unzähligen Auftritten diverser Musiker beim Deutschlandfest in Berlin, die nahezu jedes Musik-Genre abdeckten und aus nahezu allen Altersgruppen stammten. Bemer- kenswert ist dabei, dass die Partei durchaus prominente Künstler gewinnen konnte, womit sie das Deutschlandfest noch attraktiver gestaltete.

3.3 Adressaten

An die Untersuchung der Akteure des 150-jährigen Jubiläums schließt sich die Frage nach den Adressaten dieser Akteure an. Hierbei tritt am entschiedensten das Quellenproblem zu Tage. Wer der Adressat einer Geschichtspolitik ist, kann mit Sicherheit nur beantwortet wer- den, wenn die Intentionen der Akteure bekannt sind. Aufgrund des mangelnden Zugriffs auf interne Dokumente fehlt hier also die letzte Sicherheit. Allerdings können aufgrund des Hin- tergrunds der Akteure, des Aufbaus der Veranstaltungen und Publikationen und des Kontexts der Feierlichkeiten zumindest begründete Vermutungen zu den Adressaten gemacht werden.

Da das Jubiläum 2013 in einem Bundestagswahljahr stattfand, wäre zu erwarten, dass die Ak- tivitäten der SPD stark darauf ausgerichtet waren, den Wahlkampf der SPD zu beflügeln. Die These ist demnach, dass der Adressat der SPD stärker die breite Öffentlichkeit war als die eigene Mitgliedschaft.

3.3.1 Die Adressaten des Festakts in Leipzig

Beim Festakt in Leipzig waren zwar mit 1.600 Besuchern eher wenige Teilnehmer zugegen, eine größere Berichterstattung war ihm aber schon aufgrund der Reden von Bundespräsident Gauck und des französischen Staatspräsidenten Hollande sicher. Beim Festakt in Leipzig fällt es am schwersten den genauen Adressaten auszumachen. Mit Leipzig wurde der historische Gründungsort der deutschen Sozialdemokratie gewählt, mit dem 23. Mai das Gründungsda- tum. Berühmte „Devotionalien“ wie die Blutfahne waren ebenfalls zu besichtigen.380 Damit

380 Vgl. SPD: Fotoalbum 150 Jahre SPD in Leipzig. URL: https://www.flickr.com/photos/spdde/8811477918/in/album-72157633633298078/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 80 hatte die SPD gleich drei memoriale Zeichensysteme im Sinne Aleida Assmanns genutzt, die für Institutionen und Körperschaften identitätsstiftend wirken. Außerdem hielt mit Sigmar Gabriel der Parteivorsitzende die Hauptrede, der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sprach nicht. In Gabriels Rede ging es dabei kaum um Tagespolitik, im Fokus stand die Geschichte der Partei und welche Lehren daraus für die Gegenwart zu ziehen seien.381 Mit den Altkanz- lern Schmidt und Schröder sowie älteren Führungsfiguren wie Franz Müntefering und Vertre- tern der ausländischen Schwesterparteien kam generationenübergreifend eine Art sozialde- mokratische Familie zusammen. Insofern spricht vieles dafür als Adressaten dieser Veranstal- tung die SPD-Mitglieder und -Sympathisanten auszumachen.

Allerdings war sich die SPD der großen Öffentlichkeitswirkung des Festakts sicher bewusst. Und so durfte dann auch der Wahlkampf nicht gänzlich fehlen, als Gabriel die Europapolitik Angela Merkels kritisierte.382

Dennoch, in einem unmittelbaren Sinne war der Adressat dieser Veranstaltung wohl weniger die deutsche Wählerschaft. Vielmehr galt es hier das Selbstvertrauen und die sozialdemokrati- sche Identität zu stärken. Natürlich heißt das nicht, dass die SPD das Ereignis nicht auch ge- nutzt hätte, um sich den Wählern zu vermarkten.

3.3.2 Die Adressaten des Deutschlandfests in Berlin

Genau gegenteilig ist der Adressatenkreis des Deutschlandfests in Berlin. Diese Veranstaltung hatte klar den Charakter einer Wahlkampfveranstaltung. Hauptredner war hier Peer Stein- brück, der vor dem Brandenburger Tor hauptsächlich eine Wahlkampfrede hielt, auch wenn er angesichts des Anlasses nicht ganz um historische Ausführungen herum kam. Über den Cha- rakter als Wahlkampfveranstaltung ist sich auch die Presse weitgehend einig, auch wenn das Deutschlandfest offiziell keine solche sein durfte, da dies am Brandenburger Tor verboten gewesen wäre.383

Es ist aber nicht nur die Rede Steinbrücks und das Datum etwa einen Monat vor der Bundes- tagswahl, das dafür spricht, dass der Adressatenkreis über die SPD-Mitgliedschaft hinausging.

381 S.u. Kapitel 3.4.1. 382 S.u. Kapitel 3.4.1. 383 Vgl. beispielhaft Maier, Anja: Wer braucht schon junge Wähler. taz vom 18. August 2013. URL: http://www.taz.de/!5061132/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 81

Das große Angebot an teils prominenten Musikern verschiedener Musikrichtungen, die Fest- meile, überhaupt der Volksfestcharakter mit den von Seiten der SPD erhofften hunderttausen- den Besuchern lässt nur den Schluss zu, dass der Adressat des Deutschlandfests die breite Öffentlichkeit, insbesondere die potentielle Wählerschaft, war.

Somit kann von einer gewissen Arbeitsteilung ausgegangen werden. Während der Festakt in Leipzig eher ein Ritual zur Stärkung der sozialdemokratischen Identität war, stellte das Deutschlandfest die SPD als zuverlässige, altehrwürdige aber auch moderne Kraft, als eine gute Wahl für die Bundestagswahl dar.

3.3.3 Die Adressaten der Wanderausstellung

In der Wanderausstellung „150 Jahre deutsche Sozialdemokratie: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ spielte Wahlkampf hingegen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die Ausstel- lungsmacher um die Leiterin des Archivs für soziale Demokratie, Anja Kruke, benennen in einem virtuellen Rundgang durch die Wanderausstellung den Adressatenkreis:

„Wer sich mit der Geschichte der SPD beschäftigen und deren zentrale Ereignisse und die von ihr gesetzten politischen Akzente in Erinnerung rufen will, erhält mit dieser Schau Gelegenheit dazu.“384

Adressat der Wanderausstellung ist demnach jeder, der an der Geschichte der Sozialdemokra- tie interessiert ist. Auch wenn die Wanderausstellung bis 2013 reicht, dürfte sie nur sehr be- grenzt wahlkämpferischen Gebrauchswert gehabt haben. Da die Ausstellung im Gegensatz zu der von 1963 von einem Team von Historikern, also professioneller, konzipiert worden war, erfüllte sie weitaus besser einen aufklärerischen Auftrag. Als öffentlicher Träger der politi- schen Bildung war die Friedrich-Ebert-Stiftung aber auch eher in der Lage dazu als 1963 der Parteifunktionär Karl Anders.

Allzu kritische Töne über die Geschichte der SPD können von einer Ausstellung, die von der SPD-nahen Stiftung organisiert wurde, aber nicht erwartet werden. Deutlich wird dies etwa in der Zusammenfassung des Ausstellungsprogramms im virtuellen Rundgang:

384 Friedrich-Ebert-Stiftung: Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie. Virtueller Rundgang zur Wanderaus- stellung, 07:04-07:17. 82

„Gezeigt wird das spannende Auf-und-ab einer Partei, die verboten wurde, deren Mitglieder verfolgt wurden und der es getragen von der tiefen Überzeugung für eine gerechtere und sozia- le Welt seit nunmehr 150 Jahren gelingt, sich selbst und das Land in Bewegung zu halten.“385

3.3.4 Die Adressaten der Publikationen

Bei einer solchen Vielzahl an Publikationen wie 2013 ist ein einheitlicher Adressatenkreis kaum zu erwarten. Dies bestätigt ein genauerer Blick auf die Publikationen.

Die oben angesprochenen Bücher, die zum 150-jährigen Jubiläum erschienen, waren, das be- legt die Annonce im Mitgliedermagazin Vorwärts, auch an die Mitgliedschaft adressiert.386 Die Autoren der Bücher waren sich dieses Adressaten bewusst. So schreiben etwa Bernd Fau- lenbach und Andreas Helle in einem Nachwort über den Grund sich mit der Geschichte der Sozialdemokratie auseinanderzusetzen:

„Von allergrößter Bedeutung aber – und dies dürfte auch dieser Band zeigen – ist Geschichte für die Sozialdemokratie als Weg, sich der eigenen Identität zu vergewissern, die gewiss eine Identität im Wandel ist, doch Selbstbewusstsein und Orientierung verschafft.“387

Der Adressatenkreis ging aber darüber hinaus. Wer heute eine wissenschaftliche Arbeit ver- fasst, wird kaum darum herum kommen, auf einige dieser Bücher zu verweisen.

Mit dem Film „150 Jahre SPD“ erreichte die SPD ihre Mitgliedschaft, indem sie ihn dem Mitgliedermagazin Vorwärts beilegte. Sie stellte ihn aber auch kostenlos auf den Websites zum Jubiläum zur Verfügung, so dass auch Nicht-Mitglieder den Film sehen konnten.

3.3.5 Die Adressaten ergänzender Angebote

Mit diesen Websites ergänzte die SPD ihre Geschichtspolitik mit zeitgemäßen Angeboten, die jedem zugänglich waren, der sich für die Feierlichkeiten und die Geschichte der Partei inte- ressierte, Mitglieder wie Nicht-Mitglieder. Über das Angebot von Unterrichtsmaterialien ver-

385 Ebd., 1:41-1:59 386 Vgl. Vorwärts: Buchtipps. In: Vorwärts Extra, S. 130. 387 Faulenbach, Bernd/Helle, Andreas: Nachwort. In: Dies. (Hrsg.): Menschen, Ideen, Wegmarken, S. 427-428, hier 427. 83 suchte die Partei zudem Lehrer in ihre Geschichtspolitik miteinzubeziehen, die so als Multi- plikatoren für eine Vermittlung der Geschichte der Sozialdemokratie dienen konnten.388 Dabei sind die Materialien so gestaltet, dass sie Grundsätze der politischen Bildung wie das Kontro- versitätsgebot berücksichtigen,

3.4 Narrative

In gedruckten Publikationen und erst recht in den Veranstaltungen war die SPD-nahe Erzäh- lung von der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie dominant. Bis zu einem gewissen Grad wirkten dabei Wissenschaftler als Korrektiv, trotz oder gerade wegen ihres sozialdemo- kratischen Hintergrunds. Auch die Presseartikel folgten nicht einheitlich den Narrativen der SPD. Aus der Partei selbst gab es vom linken Flügel Kritik an der Erzählung der SPD und damit einhergehend eine eigene Deutung der Geschichte. Außerdem wurden von linker und rechter Seite konkurrierende Deutungen gesponnen, die sich nicht nur von der SPD-nahen Erzählung absetzten, sondern sich auch untereinander unterschieden.

3.4.1 Erzählung

3.4.1.1 Die Leipziger Rede von Sigmar Gabriel

Als Parteivorsitzendem lag es an Sigmar Gabriel beim Festakt in Leipzig die historische Deu- tung der SPD von ihrer Geschichte den Gästen und Vertretern der Presse vorzutragen. Gabriel betrachtet in dieser Rede die SPD als eine positive Konstante in der Geschichte Deutschlands:

„Die SPD steht für die gute Kontinuität in der deutschen Geschichte:

• Sie strebte nach Freiheit, wenn andere die Freiheit ersticken wollten. • Sie lebte die Demokratie, als andere sie als undeutsch und verbürgerlicht diffamierten. • Sie trat für gleiche Menschen- und Bürgerrechte ein, als andere die unterschiedliche Wer- tigkeit von Menschen propagierten.

388 Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung: Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie. Lehrmaterial. URL: http://www.geschichte-der-sozialdemokratie.de/service/lehrmaterial.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 84

• Sie verteidigte die Demokratie, als andere Diktaturen errichteten oder ihre Errichtung zu- ließen. • Niemand hat diese politische Überzeugung eindringlicher formuliert als Otto Wels in sei- ner Rede gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz: ‚Kein Ermächtigungsgesetz - so Wels - gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.‘“389

Die gute Kontinuität besteht demnach im Kampf für die Demokratie in Deutschland. Damit nutzt Gabriel das Demokratie-Narrativ, das schon 1963 im Zentrum stand. Darin wird der opferreiche, einsame Kampf von Sozialdemokraten gewürdigt: „Es waren vor allem Sozial- demokratinnen und Sozialdemokraten, welche die deutsche Demokratie mit ihrer Freiheit und ihrem Leben verteidigt haben.“390 Die Geschichte der Sozialdemokratie wird dabei als Teil der Geschichte Deutschlands gesehen, in der die Sozialdemokratie das Gute war. So kann Gabriel voller Stolz verkünden: „Die SPD ist seit 150 Jahren das Rückgrat der deutschen De- mokratie! Sie ist die demokratische Konstante in der deutschen Geschichte.“391 Das Narrativ vom Kampf der Sozialdemokratien für die Demokratie setzt hier allerdings andere Schwer- punkt als das Narrativ von 1963. Die Unterdrückung von Sozialdemokraten in der DDR wird zwar angesprochen, aber weit weniger prominent vorgetragen als noch im Narrativ 1963. Dies kann angesichts der fehlenden tagespolitischen Bedeutung kaum überraschen. Zudem feierte die SPD das 25-jährige Jubiläum der Gründung der Ost-SPD, der SDP, gesondert.392 Noch randständiger wird in der Rede Gabriels das Engagement der Sozialdemokraten im deutschen Kaiserreich behandelt. Lediglich in einem Satz fragt Gabriel danach, wie die SPD das Kaiser- reich und die Sozialistengesetze Bismarcks überdauern konnte.393 Auch dies ist nicht überra- schend. Aus dem sozialen Gedächtnis der Akteure und Adressaten der SPD-Geschichtspolitik des Jahres 2013 ist diese Zeit bereits verschwunden. Auch für das politische Gedächtnis kommt dieser Zeit nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu. Ihre Funktionalität im Sinne des Funktionsgedächtnisses ist heute weit weniger ausgeprägt, als etwa die Erinnerung an den Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Aber nicht nur das Demokratie-Narrativ nutzt Gabriel, auch für Frieden und Gerechtigkeit hätten die Sozialdemokraten ihre ganze Geschichte über gekämpft.394 Die Motive Frieden und

389 Gabriel, Sigmar: Festakt „150 Jahre SPD“ in Leipzig – Rede von Sigmar Gabriel. URL: http://www.sigmar- gabriel.de/reden/festakt-150-jahre-spd-in-leipzig---rede-von-sigmar-gabriel [zuletzt abgerufen: 31.05.2015]. 390 Ebd. 391 Ebd. 392 Vgl. etwa SPD: 25 Jahre Sozialdemokratie in Ostdeutschland – Sternstunde der Demokratie. URL: http://www.spd.de/aktuelles/termine/122022/20141007_25_Jahre_Sozialdemokratie_in_Ostdeutschland.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 393 Vgl. ebd. 394 Vgl. Gabriel: Festakt „150 Jahre SPD“. 85

Gerechtigkeit stehen in Gabriels Rede aber am Rand, sind dem Demokratie-Narrativ klar un- tergeordnet. So konkret Gabriel Verdienste der SPD um die Demokratie benennt, so vage bleibt er in der Konkretisierung ihrer Verdienste um Frieden und Gerechtigkeit. Lediglich den Kniefall Brandts in Warschau hebt Gabriel als bedeutenden Schritt der Versöhnung hervor.395

Verblüffend ist hingegen, welche Personen er in seiner Rede würdigt und welche nicht. So nennt Gabriel zwar mit August Bebel, Friedrich Ebert, Otto Wels und Kurt Schumacher jene sozialdemokratischen Ikonen, die bereits 1963 herausgehoben wurden. Ausgerechnet auf den Gründer des ADAV, Ferdinand Lassalle, geht Gabriel aber mit keinem einzigen Wort ein. Auch über Marx und Engels spricht der Parteivorsitzende nicht. Dies könnte zu der Vermu- tung veranlassen, die distinktive Funktion der Gründerväter habe für die Geschichtspolitik der SPD an Relevanz verloren. Wahrscheinlicher scheint jedoch, dass der Frage, ob nun Marx und Engels oder Lassalle die wahren Gründerväter der deutschen Sozialdemokratie waren, keine große Bedeutung mehr zukam. Lassalle hatte, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus seinen Platz in der Geschichtspolitik der SPD zum 150-jährigen Jubiläum, nur eben nicht in der Rede Gabriels. Dafür würdigt er mit Marie Juchacz, die als erste Frau eine Rede im deut- schen Reichstag gehalten hatte396, und Elisabeth Selbert, die als eine von vier Frauen am Grundgesetz der Bundesrepublik mitgeschrieben hatte397, zwei sozialdemokratische Politike- rinnen.398

3.4.1.2 Die Rede von Joachim Gauck beim Festakt

Die Rede, die Bundespräsident Gauck beim Festakt in Leipzig hielt, hätte so auch von einem Vertreter der SPD gehalten werden können, so uneingeschränkt positiv würdigt er die Ver- dienste der Partei. Dies mag daran liegen, dass es sich nicht gehört, das Geburtstagskind an seinem runden Feiertag zu kritisieren, dennoch ist es aufschlussreich, wie groß die Schnitt- menge in der Bewertung der Geschichte der Sozialdemokratie zwischen dem parteilosen Bundespräsidenten und dem Parteivorsitzenden der SPD ist.

395 Vgl. ebd. 396 Vgl. Deutscher Bundestag: Vor 95 Jahren: Erste Rede einer Frau im Reichstag. URL: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/49494782_kw07_kalenderblatt_juchacz/215672 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 397 Vgl. Lange, Erhard: Dossier Grundgesetz und Parlamentarischer Rat. Elisabeth Selbert (SPD) im Parlamenta- rischen Rat. URL: http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/grundgesetz-und-parlamentarischer- rat/39146/elisabeth-selbert-spd [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 398 Vgl. Gabriel: Festakt „150 Jahre SPD“. 86

So steht auch bei Gauck der Kampf der Sozialdemokraten für die Demokratie in Deutschland an prominenter Stelle:

„Vor allem haben die Sozialdemokraten diese Demokratie länger und tapferer verteidigt als die meisten anderen Demokraten. Sie haben die Ideale von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität hoch gehalten und aufbegehrt gegen jene, die Unfreiheit und Krieg entfesselten.“399

Als Beispiele hierfür nennt Gauck den Einsatz der Sozialdemokratie für das allgemeine und gleiche Wahlrecht, das Binden der Arbeiterbewegung an die Demokratie durch eine Politik der Reform statt der Revolution.400 Unvergessen seien auch die Verdienste der SPD um die Einführung der Demokratie in der Weimarer Republik, ihre Verteidigung gegen die National- sozialisten und das Ermächtigungsgesetz und ihr Anteil am Gelingen der Bundesrepublik als funktionierender demokratischer und sozialer Bundesstaat.401 Gauck, der sich als evangeli- scher Pfarrer und Bürgerrechtler 1989 an Protesten gegen die SED-Diktatur beteiligte402, be- tont dabei den Unterschied zwischen reformorientierten Sozialdemokraten und unterdrückeri- schen Kommunisten. Er lobt Lassalle dafür, dass seine Antwort auf Not und Unfreiheit nicht neuerliche Unterdrückung durch die zuvor Unterdrückten war, sondern „Emanzipation […] durch Teilhabe an verbrieften Rechten, aber immer wieder auch Selbst-Ermächtigung.“403 Er betrachtet die Durchsetzung der Erkenntnis des reformerischen Parteitheoretikers Eduard Bernstein, dass die Demokratie Mittel und Zweck zugleich sei, als „eines der wirklich größten historischen Verdienste seiner Partei“404, während auf der anderen Seite die kommunistische Weltbewegung die alte Ohnmacht durch eine neue ersetzt hätte.405 Auch Kurt Schumacher wird von Gauck dafür gelobt, dass er der Versuchung einer Vereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten widerstanden habe.406

Neben diesem ausführlich vorgetragenen Demokratie- Narrativ, lassen sich in Gaucks Rede aber auch Passagen finden, die an die Emanzipation der Arbeiterklasse erinnern. Er konsta-

399 Bundespräsidialamt: Bundespräsident Joachim Gauck zur Festveranstaltung „150 Jahre Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ am 23. Mai 2013 in Leipzig, S. 3. URL: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Downloads/DE/Reden/2013/05/130523-150-Jahre- SPD.pdf;jsessionid=6246C9707BE48D141586D6700AC56D6E.2_cid388?__blob=publicationFile [zuletzt abge- rufen: 16.08.2015]. 400 Vgl. ebd., S. 2. 401 Vgl. ebd., S. 3. 402 Haunhorst, Regina/Zündorf, Irmgard: Biografie Joachim Gauck. In: LeMO-Biographien. Lebendiges Muse- um Online. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/joachim-gauck [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 403 Bundespräsidialamt: Bundespräsident Joachim Gauck zur Festveranstaltung „150 Jahre Sozialdemokratische Partei Deutschlands“, S. 2. 404 Ebd., S. 2. 405 Vgl. ebd., S. 2. 406 Vgl. ebd., S. 3. 87 tiert: „In der Gründungszeit der Sozialdemokratie stand selbstverständlich der Kampf für glei- che Rechte der unterdrückten Arbeiterschaft im Vordergrund.“407

Gauck verweist dabei wieder auf Ferdinand Lassalle, dessen „Credo – Veränderung der Ge- sellschaft durch emanzipatorische Politik, die Massenteilhabe ermöglichen sollte.“408 Als konkrete Erfolge dieser emanzipatorischen Bestrebungen nennt Gauck im selben Atemzug die Förderung der Bildung, die Einführung der allgemeinen Schulpflicht und das Wirken der Ar- beiterbildungsvereine.409 Während also der Parteivorsitzende Gabriel in Leipzig nur vage vom Einsatz der Sozialdemokraten für Gerechtigkeit spricht, wird Gauck konkreter. Mit der Wür- digung des Wirkens Lassalles und der Wortwahl wie „Emanzipation“ der Arbeiterklasse wirkt Gaucks Rede sogar sozialdemokratischer als die des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden.

3.4.1.3 Der Begleitband zur Wanderausstellung

Der Begleitband zur Wanderausstellung Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung. 1848 – 1863 – 2013 ist schon aufgrund seines Umfangs von knapp 300 Seiten umfassender als es die Wanderausstellung selbst sein konnte. Eine Betrachtung des Begleitbandes gibt somit auch Auskunft über die geschichtspolitische Stoßrichtung der Wanderausstellung. Die Herausgeber Anja Kruke und Meik Woyke beschreiben in ihrer einleitenden Bemerkung den Aufbau des Sammelbands. Sogenannte Meilensteine bieten einen grundlegenden Überblick, der durch Essays vertieft wird. Außerdem werden zentrale Quellen der Geschichte der Sozialdemokratie abgedruckt.410 Es ist unmöglich hier alle 36 Beiträge zu diskutieren. Die Einleitung der Her- ausgeber kann aber einen Eindruck des Bandes und der grundsätzlichen Konzeption der Wan- derausstellung vermitteln.

Das Augenfälligste dieses Sammelbandes ist sicher die Jahreszahl 1848. So gesehen wäre die Sozialdemokratie 2013 nicht 150 Jahre, sondern 165 Jahre alt geworden. Kruke begründet diese Periodisierung, indem sie die gescheiterte Revolution von 1848 als „Weckruf“ der Ar- beiterbewegung bezeichnet.411 Sie geht sogar noch weiter in die Vergangenheit zurück und betrachtet die Französische Revolution von 1789 als überaus bedeutend für die Entwicklung

407 Ebd., S. 2. 408 Ebd., S. 2. 409 Vgl. ebd., S. 2. 410 Vgl. Kruke, Anja/Woyke, Meik: Lange Entwicklungslinien: Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung. In: Dies. (Hrsg.): Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung. 1848 – 1863 – 2013. Bonn 2013, S. 8-13, hier S. 10. 411 Vgl. ebd., S. 11. 88 der Sozialdemokratie, weil deren Wertetrias von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sich zum Kern der deutschen Sozialdemokratie entwickelt habe.412 Damit stellen Kruke und Woyke die Sozialdemokratie ausdrücklich in die Tradition von zwei der bedeutendsten demokratischen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Herausgeber lassen sich demnach in ihrer Struktur vom dominanten Demokratie-Narrativ leiten. Untermauert wird dies mit einem histo- rischen Plakat der SPD zur Wahl der Nationalversammlung 1919, das sowohl auf dem Titel- blatt als auch in der Einleitung abgedruckt ist.413 Die Herausgeber verdeutlichen in ihrer zu- sammenfassenden Interpretation die demokratische Aussage des Plakats, das eine weibliche Person mit roter Fahne als Verkörperung der Freiheit zeigt:

„In dynamischer, nach vorne weisender Bewegung verkörpert sie die Idee, dass mit der Wahl zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung die Verankerung progressiver Freiheitsrechte in Deutschland weitergeht und damit die Errungenschaften der Novemberrevolution gesichert werden.“414

Mit der Novemberrevolution und ihre Institutionalisierung durch die SPD ist damit eine dritte bedeutende demokratische Revolution bereits in der Einleitung genannt. Diese Periodisierung ist gut begründet und durchaus legitim. Sie stellt aber eine Entscheidung dar. Als Eckdaten hätten auch andere bedeutende Wendepunkte gewählt werden können.

3.4.1.4 Menschen, Ideen, Wegmarken – Der Sammelband von Faulenbach und Helle

Auf über 400 Seiten, in 54 Beiträgen verschiedener Autoren, entfaltet sich hier eine Geschich- te der Sozialdemokratie. Folgt man den Herausgebern Bernd Faulenbach und Andreas Helle, so kann dieses Buch schwerlich auf seine Narrative hin untersucht werden. Denn „[h]ier wird nicht versucht, eine ››Meistererzählung‹‹, eine stringente Narration, der Geschichte der Sozi- aldemokratie zu liefern, sondern Geschichte in Einzelbeiträgen darzustellen.“415 Diesen einlei- tenden Worten könnte man nun entgegen, dass die willkürliche Auswahl an Themen, die die Herausgeber in ihrer Einleitung zugeben, vielleicht doch nicht so willkürlich ist, steht doch im Hintergrund, so Faulenbach und Helle, „durchgängig die Frage nach dem, was die Sozialde-

412 Vgl. ebd., S. 11. 413 Vgl. ebd., S. 12. 414 Ebd., S. 12. 415 Faulenbach, Bernd/Helle, Andreas: Zur Einführung. In: Dies. (Hrsg.): Menschen, Ideen, Wegmarken. Aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie. Berlin 2013, S. 11-12, hier S. 11. 89 mokratie ausmacht, also die Frage nach der Identität beziehungsweise die nach Identitätsver- gewisserung und -erneuerung.“416

Insofern wäre zu erwarten, dass die Beiträge in diesem Buch den SPD-nahen Narrativen fol- gen, zumindest diesen nicht wesentlich widersprechen, zumal viele Autoren mit der Histori- schen Kommission der SPD verbunden sind.417 Tatsächlich bestätigt dies die Bewerbung des Buches durch den SPD-eigenen Vorwärts-Verlag, in dem es erschienen ist:

„Nichts weniger wird hier sichtbar als die Wandlung eines bigotten, militaristischen, obrig- keitsgläubigen Landes zu dem Deutschland, das Besucher aus aller Welt heute erleben können: weltoffen, friedlich und voller Entfaltungsmöglichkeiten.“418

Es sei gut, dass dieses Buch geschrieben worden sei, so der Rezensent des Vorwärts, Uwe Knüpfer, da in Deutschland immer noch zu wenig Straßen nach Demokraten wie Otto Wels, Ernst Heilmann und Elisabeth Selbert benannt seien.419 Wie Knüpfer hier das Buch mit dem Benennen von Straßennamen nach gegen den Nationalsozialismus engagierten Politikern in Verbindung bringt, macht offenkundig, dass doch auch dieses Buch eine geschichtspolitische Bedeutung hat.

Der Sammelband orientiert sich dabei augenfällig am Narrativ von den Sozialdemokraten als engagierte und verlassene Kämpfer für die Demokratie und Freiheit in Deutschland, die oft große Opfer für ihr Wirken erbrachten: „Welche Widerstände zu überwinden waren auf dem langen Weg zum ,modernen Deutschland‘ und welche Opfer gebracht werden mussten, auch daran erinnert dieses Buch.“420

Neben der Bestätigung der SPD-nahen Narrative widerspricht Menschen, Ideen, Wegmarken auch populären Gegenerzählungen von der Geschichte der Sozialdemokratie. So rezensiert Knüpfer „Nebenbei räumt das Buch mit Mythen auf“ wie Knüpfer es ausdrückt, wie zum Bei- spiel, dass die SPD erst 1959 zur Volkspartei geworden sei. Das Buch stelle klar, dass bereits „Ferdinand Lassalle und seine Nachfolger versprachen, ALLE Menschen von jeder Art Klas- senherrschaft befreien zu wollen.“421 Außerdem räume das Buch mit der Propaganda auf,

416 Ebd., S. 11. 417 Vgl. ebd., S. 11. 418 Knüpfer, Uwe: Wegmarken aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie. URL: http://www.vorwaerts.de/artikel/wegmarken-150-jahren-deutscher-sozialdemokratie [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 419 Vgl. ebd. 420 Ebd. 421 Ebd. Hervorhebung im Original. 90

„Sozialdemokraten seien vom wahren Weg zum Sozialismus abgewichen.“422 Knüpfer ver- weist hier auf, wie das Kapitel Gegenerzählungen (3.4.2) zeigen wird, die eingängigste Ge- generzählung von links, wonach sich die SPD von ihren Wurzeln entfernt oder diese sogar verraten habe, und rechts, wonach die SPD erst mit dem Godesberger Programm zu einer wirklich demokratischen Partei geworden sei.

3.4.1.5 ››Mehr Demokratie wagen‹‹ - die Monographie von Brandt und Lehnert

Bei der Monographie von Peter Brandt und Detlef Lehnert wird bereits im Titel deutlich, wo- rin sie den roten Faden in der Geschichte der Sozialdemokratie sehen. Der berühmte Brandt- Satz „Mehr Demokratie wagen“ könne als Motto dieser Geschichte betrachtet werden, denn „[d]ie Sozialdemokratie entstand aus der Zielsetzung, die Freiheitsbewegung des 19. Jahrhun- derts auf demokratischer Basis fortzuführen und mit Gleichheitsforderungen zu verbinden.“423 Dabei stellen Lehnert und Brandt im Laufe der 150-jährigen Parteigeschichte zwar einen er- heblichen Wandel in Programmatik und politischer Praxis fest, an ihrem Wesenskern in Op- position wie Regierung eine Gesellschaft der Freien und Gleichen anzustreben, habe sie je- doch festgehalten.424

Auch Brandt und Lehnert beginnen vor dem Jahr 1863. Mit dem Jahr 1830 lassen sie die Vor- geschichte aber nicht wie Kruke und Woyke mit der deutschen Revolution beginnen, sondern mit dem Wirken der Arbeitervereine im Exil.425 In dieser Periodisierung spiegelt sich eine größere Beachtung der sozial-ökonomischen Verhältnisse wider. Denn nach Lehnert und Brandt war die „unmittelbare Erfahrung einer ökonomischen Verelendung des außerhalb ge- sicherter agrarischer oder handwerklicher Erwerbsmöglichkeiten stehenden Proletariats […] für diese Generation von Frühsozialisten prägend.“426 Die Perioden von 1890-1919/1920 so- wie von 1949/50-1980 sehen die Autoren dabei als goldene Zeiten für die Sozialdemokratie. Die Gründe suchen sie allerdings nicht in idealistischen Wegmarken wie dem Godesberger Programm und der aufrechten demokratischen Haltung der Sozialdemokratie, sondern viel- mehr in der demographisch-soziologischen Entwicklung: „In beiden Fällen profitierte sie da- bei wesentlich von ökonomischen Expansionsphasen, die nicht nur die Arbeiterbevölkerung

422 Ebd. 423 Brandt, Peter/Lehnert, Detlef: ››Mehr Demokratie wagen‹‹, S. 9. 424 Vgl. ebd., S. 275. 425 Vgl. ebd., S. 10. 426 Ebd., S. 10. 91 mehrten, sondern auch ihre Verhandlungs- und Konfliktposition stärkten.“427 Aussagen dieser Art finden sich selten in der SPD-Geschichtspolitik. Lehnert und Brandt werden hier ihrer Rolle als Korrektiv wirksam, indem sie auf eine Romantisierung vergangener Erfolge weitge- hend verzichten und stattdessen die Erfolge und Misserfolge in der Geschichte der Sozialde- mokratie sachlich einordnen. Das Demokratie-Narrativ der SPD-nahen Geschichtspolitik be- stätigen sie dabei allerdings.

3.4.1.6 Mythen, Ikonen, Märtyrer – der Sammelband von Walter und Butzlaff

Der Sammelband Mythen, Ikonen, Märtyrer sticht aus der Reihe an SPD-nahen Publikationen heraus. Es ist das einzige Buch, das sich wissenschaftlich mit der Erinnerungskultur der SPD auseinandersetzt. Als solches folgt der Band weder der SPD-nahen Erzählung noch den Ge- generzählungen. Aufgrund seiner Dekonstruktion zahlreicher Erinnerungsorte der SPD- Erzählung, was Franz Walter besonders eindrücklich in seinem Aufsatz über Ferdinand Las- salle gelingt,428 kann er als geschichtspolitisches Korrektiv des Akteurs Wissenschaft und Teil des Speichergedächtnisses gefasst werden.

3.4.1.7 Der Vorwärts

Das Vorwärts Extra zum 150-jährigen Jubiläum ist in fünf große inhaltliche Kapitel aufge- teilt: Arbeit, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden.429 Damit sind die drei Grundwer- te der Partei abgedeckt, erweitert um die Arbeit, die für die SPD noch heute ein wichtiger Bezugspunkt ist und den Frieden, den zu gewahrt zu haben, die Partei vielfach ihrem eigenen Einsatz zurechnet. In diese fünf Kapitel sind Glückwünsche, sogenannte Testimonials, von Politikern konkurrierender Parteien, internationalen Schwesterparteien, Staats- und Regie- rungschefs, Vertretern von Verbänden, Gewerkschaften, Kirchen und Künstlern gestreut.430

427 Vgl. ebd., S. 266. 428 Vgl. Walter, Franz: Ferdinand Lassalle zwischen Kult und Kitsch. In: Ders./Butzlaff (Hrsg.): Mythen, Ikonen, Märtyrer, S. 15-25. 429 Vgl. Vorwärts Extra, S. 4-5. 430 Vgl. ebd., S. 6. 92

Nicht in allen Artikeln wird aber detailliert auf die Geschichte der Sozialdemokratie einge- gangen, in jenen Artikeln, wo eine Deutung stattfindet, orientiert diese sich aber klar an be- reits bekannten Narrativen. Am bedeutendsten ist dabei auch im Vorwärts Extra das Demo- kratie-Narrativ, dem der größte Raum gegeben wird. Nahezu alle Artikel des Kapitels Freiheit bedienen es. Diese Erzählung ist nur konsequent, heißt es doch in den das Kapitel einleiten- den Worten: „Die Sozialdemokratie war und ist zu allererst eine Befreiungsbewegung. Sie verträgt sich mit keiner Form von Diktatur.“431 Der opferreiche und oft einsame Kampf der Sozialdemokraten für die Demokratie wird hier vornehmlich anhand der Zeit des Nationalso- zialismus gezeigt. Einem Porträt von Julius Leber, der bereits in der Endphase der Weimarer Republik gegen die Nationalsozialisten kämpfte und von diesen schließlich im Januar 1945 ermordet wurde,432 folgt ein Artikel über die historische Rede von Otto Wels gegen das Er- mächtigungsgesetz.433 Auch der sozialdemokratischen Widerstandskämpferin Hilde Ephraim wird gedacht.434 Der Artikel über Kurt Schumacher hingegen betont mehr dessen Einsatz ge- gen den Kommunismus und insbesondere gegen die Vereinigung von SPD und KPD.435 Das Demokratie-Narrativ beschränkt sich allerdings nicht auf die Artikel im Kapitel Freiheit, es wird auch in den anderen Kapiteln entfaltet. Im Kapitel Arbeit etwa wird klargestellt: „Für Ferdinand Lassalle ist der Kampf für den Arbeiterstand gleichbedeutend mit dem Kampf für Demokratie.“ 436 Im Kapitel Solidarität werden dem Leser in einem Artikel über den sozial- demokratischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus die Einsamkeit und Opferbereit- schaft dieser Widerstandskämpfer vorgestellt.437 Der Artikel zitiert dafür aus einer Erklärung des SPD-Vorstands im Londoner Exil 1945, in der es hieß:

„Die deutsche Sozialdemokratie hat einen ununterbrochenen Kampf gegen die Hitlerherrschaft geführt. […] Wir blieben allein. Die Diktatur erstickte die Stimme der Freiheit in den Konzent- rationslagern. Die Welt schwieg. Nur die Tapfersten kämpften weiter. Sie opferten Freiheit und Leben.“438

Diesem Demokratie-Narrativ schließen sich im Vorwärts Extra auch Politiker anderer Partei- en in den kurzen Testimonials an, bis hin zur Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem bayri-

431 Ebd., S. 46. 432 Vgl. Pollähne, Lothar: Porträt. Julius Leber. In: Vorwärts Extra, S. 52. 433 Vgl. Vogel, Hans-Jochen: Unbeugsam und mutig – selbst im Angesichts des Terrors. In: Vorwärts Extra, S. 56. 434 Vgl. Lölhöffel, Helmut: Vom Gleis 17 in den Tod. In: Vorwärts Extra, S. 58. 435 Vgl. Sonne, Werner: Er widersetzte sich Stalins Agenten. In: Vorwärts Extra, S. 59-60. 436 Vgl. Vorwärts: Arbeiter sind wir alle. In: Vorwärts Extra, S. 32-33, hier S. 32. 437 Vgl. Hafkemeyer, Jörg. ››Wir blieben allein.‹‹ In: Vorwärts Extra, S. 88. 438 Ebd., S. 88. 93 schen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. So attestiert Merkel: „Immer war die SPD […] eine streitbare und unbeugsame Stimme der Demokratie in Deutschland.“439

Dieses Engagement betrachtet Merkel auch als Dienst an der Nation: „Für diesen gar nicht hoch genug einzuschätzenden Dienst an unserem Land gebühren der SPD mein Respekt und meine Anerkennung.“440 Die Verbindung des Demokratie-Narrativs mit dem Vaterland- Narrativ findet hier aber nur unvollständig statt. Im Gegensatz zu 1963 findet sich keine Be- zeichnung der SPD als der vaterländischen Partei oder die Charakterisierung von großen sozi- aldemokratischen Personen als Patrioten. Dennoch wird die Geschichte der Sozialdemokratie als die Geschichte des demokratischen, weltoffenen, eben des besseren Deutschlands ge- zeichnet. Ein Bezug zur Nation ist demnach auch beim 150-jährigen Jubiläum gegeben. Dabei arbeitet der Vorwärts stark mit Bildern, insbesondere mit der schwarz-rot-goldenen National- flagge, wie etwa in der „Zeitreise“ in Bildern zu Anfang des Magazins deutlich wird, wo das erste Bild das Hambacher Fest, das letzte ein Fahnenmeer bei einem Public-Viewing der Fuß- ball-Weltmeisterschaft 2006 darstellt.

Dem Demokratie-Narrativ schließt sich Seehofer an, der im Namen der CSU der SPD zu ih- rem Jubiläum gratuliert und den Kampf für Freiheit, Menschenrechte, Gerechtigkeit und De- mokratie als gemeinsamen Auftrag der beiden Parteien benennt.441 Auch die damalige Partei- vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, gratuliert der SPD, und nennt nicht nur ihren Verdienst um den Sozialstaat, sondern auch um die Demokratie „wahre Jahrhundertleistungen“442.

Erstaunlich blass bleibt das Vorwärts Extra in seiner Darstellung vom Kampf der SPD für die Rechte der Arbeiter. Im Kapitel Arbeit sind zwar Artikel über die soziale Frage im 19. Jahr- hundert443 und den Streik im Bergbau 1889 über Arbeiter und Arbeiterklasse im Kaiser- reich444 zu lesen, aber eine ausführliche Betrachtung der Verdienste der SPD um die Emanzi- pation der Arbeiterklasse fehlt. Selbst der Artikel zum Gothaer Programm besagt lediglich, dass der Programmpunkt, Ausbeutung in jeder Gestalt, die Beseitigung aller sozialen und po- litischen Ungleichheit bis heute unerfüllt geblieben sei, während die SPD die demokratischen Forderungen seit 1919 weitgehend habe durchsetzen können.445 In diesem Kapitel werden somit zwar die Bedingungen, unter denen sich der Aufstieg der Sozialdemokratie vollzog,

439 Merkel, Angela: Testimonial. In: Vorwärts Extra, S. 36. 440 Ebd., S. 36. 441 Vgl. Seehofer, Horst: Testimonial. In: Vorwärts Extra, S. 37. 442 Roth, Claudia: Testimonial: in: Vorwärts Extra, S. 74. 443 Vgl. Bömelburg, Helen: Ihr Reichen, erschrecket vor diesem Elende! In: Vorwärts Extra, S. 34-37. 444 Rudolph, Karsten/Seiffert, Joana: Auch der Kaiser kann nichts tun. In: Vorwärts Extra, S. 40. 445 Grebing, Helga: Eine Vision wird wahr. In: Vorwärts Extra, S. 44. 94 beschrieben, nur am Rande allerdings ihr Wirken um diesen elenden Bedingungen ein Ende zu machen. Auch im Kapitel Solidarität wird man hier nicht fündig, ebenso wenig im Kapitel Frieden. In ersterem wird anhand verschiedener historischer Beispiele gezeigt wie die SPD ihren Grundwert Solidarität in die Praxis übersetzte, sei es in Willy Brandts Wirken gegen das Elend in der Dritten Welt oder der Umweltschutzpolitik, die die SPD bereits in den 1960ern für sich entdeckt habe, also noch vor Gründung der Grünen. Ein zusammenhängendes Narra- tiv, das durch die 150-jährige Parteigeschichte führt, wird dabei nicht gesponnen.

Dies gelingt schon eher im Kapitel Frieden. Vom deutsch-französischen Krieg 1870/71, über den Ersten Weltkrieg, bis hin zum Kosovo-Krieg 1999 und Irak-Krieg 2003 wird in diesem Kapitel die Haltung der Sozialdemokraten dargelegt. Dabei wird eine historische Kontinuität beschrieben, wonach die SPD zwar immer gegen Militarismus und Angriffskriege, aber nie- mals „naiv pazifistisch“446 gewesen sei. Interessant ist dahingehend insbesondere die Deutung des Ersten Weltkriegs. 1963 rechtfertigte Karl Anders das Verhalten der SPD im Ersten Welt- krieg, indem er postulierte, die SPD habe nach dem Umschlagen des Verteidigungskrieges in einen Annexionskrieg, die Gefolgschaft verweigert und so den Staat gerettet.447 Diese Deu- tung, dass der Erste Weltkrieg von Seiten des Deutschen Reichs in den ersten Jahren ein Ver- teidigungskrieg war, kann eine Sozialdemokratie im Jahr 2013 nur noch schwerlich argumen- tieren. Stattdessen versucht der Autor Reinhard Rürup im Kapitel zum Ersten Weltkrieg Ver- ständnis für die Position der damaligen Sozialdemokraten zu wecken, indem er argumentiert, auch die sozialdemokratischen Parteien der anderen Länder hätten für Kriegskredite ge- stimmt, und die Rhetorik der SPD nur einen Verteidigungskrieg, keinen Eroberungskrieg zu unterstützen, habe sich wohltuend von der Kriegsbegeisterung in Deutschland abgehoben.448 Auch wenn sich Anders und Heinemann also in der Bewertung des Ersten Weltkriegs vonei- nander unterscheiden, besteht eine offensichtliche Kontinuität der beiden Deutungen der SPD als nicht-pazifistische Friedenspartei der Völkerversöhnung. In dieses Narrativ reihen sich auch die verbleibenden Artikel im Kapitel Frieden des Vorwärts Extra ein, die sich um das Engagement der SPD für ein vereintes Europa und die Ostpolitik Brandts, die die deutsche Einheit 1990 erst ermöglich habe, drehen.

Im Vorwärts Extra werden nur zwei Narrative konsequent entfaltet. Im Vordergrund steht dabei das Demokratie-Narrativ, das in den meisten historischen Artikeln genutzt wird. Aber auch das Narrativ von der SPD als Partei des Friedens findet im entsprechenden Kapitel sei-

446 Heimann, Horst: Gegen Kriegshetze und Säbelrasseln. In: Vorwärts Extra, S. 100-101, hier S. 100. 447 Siehe Kapitel 2.4.1.2. 448 Rürup, Reinhard: Die Stunde der Gefahr. In: Vorwärts Extra, S. 102-103, hier S. 103. 95 nen Platz. Die SPD als die Partei, deren historische Aufgabe es war, die Emanzipation der Arbeiterklasse voranzutreiben und für Gerechtigkeit zu streiten, diese Deutung lässt sich hin- gegen kaum im Vorwärts Extra finden.

3.4.1.8 Der Film „150 Jahre SPD – Wenn du was verändern willst…“

In nicht einmal 90 Minuten wagt der Film, den die SPD anlässlich des 150-jährigen Jubiläums drehte, einen Ritt durch die Geschichte der Partei. Hohe sozialdemokratische Funktionäre sowie historische Persönlichkeiten und junge Parteimitglieder kommentieren darin die Ge- schichte, die in insgesamt vier Kapiteln, in vier Epochen aufgeteilt ist.449 Die Kommentare werden unterstützt von umfangreichen Bild-, Ton- und Filmdokumenten.

Dabei folgt der Film der gängigen SPD-Erzählung von der Geschichte der Sozialdemokratie als der des besseren Deutschlands oder wie es ein junges Parteimitglied in der letzten Szene des Films zusammenfasst: „Seit 150 Jahren wird daran gearbeitet, eine bessere Welt zu ma- chen.“450 Allerdings ist der Film nicht in einem vergleichbaren Ausmaß wie etwa Sigmar Gabriel in seiner Leipziger Rede bemüht, diese Kontinuität der Parteigeschichte zu vermitteln. Stattdessen präsentiert der Film die gängigen Erinnerungsorte der SPD-nahen Erzählung, wie es nur dieses Medium kann: als Zusammenspiel aus Bild, Ton und Film. So wird etwa die Ausrufung der Republik durch Scheidemann gezeigt,451 Friedrich Ebert für seine Verdienste um die Weimarer Republik gewürdigt,452 die Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungs- gesetz eingespielt,453 Bilder des ausgemergelten Kurt Schumachers gezeigt454 und eine beson- ders lange Episode dem Kniefall Willy Brandts in Warschau gewidmet.455 Auch die beiden Ikonen Marie Juchacz und Elisabeth Selbert, die für das Engagement der Sozialdemokratie für die Befreiung der Frau stehen, kommen nicht zu kurz.456

Mit dem Film: „Wenn du was verändern willst…“ ist es der SPD gelungen, ein für Mitglieder spannendes Angebot zu schaffen. Für das Fernsehen ist er aber als historische Dokumentation

449 Vgl. SPD-Parteivorstand: 150 Jahre SPD – der Film: „Wenn du was verändern willst…“, Startmenü. 450 Ebd., Startmenü. 451 Vgl. ebd., 14:33-14:47. 452 Vgl. ebd., 16:03-16:33. 453 Vgl. ebd., 23:05-24:12. 454 Vgl. ebd., 34:09-35:10. 455 Vgl. ebd., 51:14:60:58. 456 Vgl. ebd., 16:35-18:13 (Marie Juchacz); 36:19-37:44 (Elisabeth Selbert). 96 weniger geeignet, da er zu einseitig ist und keine historischen Szenen nachstellt, sondern le- diglich mit Originaldokumenten arbeitet. Auch die Klickzahlen bei der Videoplattform Y- ouTube liegen lediglich bei knapp über 20.000 (Stand 19.07.2015).

3.4.1.9 Zeitungsartikel der unabhängigen Presse

Bild

Die Bild widmete dem 150-jährigen Jubiläum weit mehr Aufmerksamkeit als noch dem hun- dertjährigen. Sie berichtete ausführlich über die Großereignisse, den Festakt in Leipzig und das Deutschlandfest in Berlin. Außerdem erstellte sie eine Chronik mit wichtigen Ereignissen der Parteigeschichte. Sie veröffentlichte ein Interview mit Kanzlerkandidat Steinbrück und ein Glückwunschschreiben in der Kolumne „Post von Wagner“. Die Bild ist nicht bekannt für tiefergehende historische Beiträge, und so findet sich auch zum 150-jährigen Jubiläum der Partei keiner. In der Berichterstattung findet jedoch zwangsweise eine Selektion der wichtigs- ten Passagen in den Reden statt. So kann die Bild bestimmte Deutungen einer breiteren Leser- schaft zugänglich machen oder ihr vorenthalten.

In seiner Kolumne „Post von Wagner“ gratuliert der Journalist Franz-Josef Wagner der SPD zu ihrem Jubiläum und würdigt die SPD, der das Frauenwahlrecht, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Gewerkschaften zu verdanken seien.457 Als seine größten SPD- Helden bezeichnet Wagner: „Otto Wels, der gegen Hitler stimmte. Willy Brandt, der im War- schauer Ghetto kniete. Helmut Schmidt, der den RAF-Terror besiegte.“458

Damit betont Wagner Verdienste der SPD um die Demokratie in Deutschland. Auch der Kniefall Brandts, an den die SPD selbst gerne erinnert, um ihren historischen Beitrag zur Ver- söhnung zu belegen, findet bei Wagner Erwähnung. Von einer wirklich historischen Narration ist Wagner mit seinem Glückwunschschreiben aber weit entfernt. Er greift jedoch historische Bezüge auf, die sich vor allem in der SPD-nahen Geschichtspolitik finden lassen, womit er die Geschichtspolitik der SPD unterstützt.

In Berichten zum Festakt in Leipzig gibt die Bild neben kleineren Pannen und Nebensäch- lichkeiten wie Schröders eingegipsten Arm, Auszüge aus den die Geschichte thematisierenden

457 Vgl. Wagner, Franz-Josef: Post von Wagner. In: Bild vom 24.05.2013, S. 2. 458 Ebd. 97

Reden wieder. Darin wird Gauck zitiert, der die SPD dafür lobte, auf Reform statt auf Revolu- tion gesetzt zu haben, sowie Gabriel, der die SPD als Rückgrat der Demokratie in Deutsch- land seit 150 Jahren beschrieb.459

In den Berichten zum Deutschlandfest gab die Bild keine historischen Ausführungen zur Par- teigeschichte wieder, sondern beschränkte sich auf Streitigkeiten im Genehmigungsverfahren, Vorankündigungen und die Kinderlesestunde des Parteivorstands und Steinbrücks.460

Süddeutsche Zeitung

Weit intensiver widmete sich die Süddeutsche Zeitung dem 150-jährigen Jubiläum. Neben Berichten von lokalen Aktivitäten im Großraum München, wurden Artikel über die zentralen Veranstaltungen und auch historische Aufsätze veröffentlicht. Dabei folgten einige der SPD- nahen Erzählung ihrer Geschichte. So wird das darin vorherrschende Demokratie-Narrativ nicht nur in den Berichten von den Veranstaltungen wiedergegeben, sondern auch mit eigenen Artikeln bestätigt. Anders als Karls Marx und Friedrich Engels hätten Lassalle und sein ADAV die Gesellschaft nicht mit einem revolutionären Umsturz verändern, sondern den Staat und die Gesellschaft von innen demokratisieren wollen. Dies habe dann die SPD in späteren Jahrzehnten auch getan, heißt es in der Historienseite vom 18. Mai.461 In einer Zitate- Sammlung aus 150 Jahren SPD können die Leser dies dann anhand berühmt gewordener Aus- sprüche nachvollziehen. Der Großteil der Zitate dreht sich um die Demokratie: Die Ausrufung der Republik durch Scheidemann, die Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz, die letzten Worte des Widerstandskämpfers Julius Leber vor seiner Hinrichtung, mehrere Zi- tate Kurt Schumachers, die sich gegen die Agitation der Nationalsozialisten richteten oder

459 Vgl. Bild: 150 Jahre deutsche Sozialdemokratie. Warum hat Altkanzler Schröder einen verletzten Finger? URL: http://www.bild.de/politik/inland/spd/150-jahre-spd-was-macht-kanzlerin-merkel-bei-der-geburtstagsfeier- 30516462.bild.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. Ebenso: Bild: Ex-SPD-Chef Vogel blafft Moderatorin an. Festakt mit 1600 Gästen im Leipziger Gewandhaus. URL: http://www.bild.de/politik/inland/spd/150-jahre-spd- hans-jochen-vogel-blafft-moderatorin-an-feier-in-leipzig-30506222.bild.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 460 Vgl. Bruns, Hildegard: Riesen-Krach ums Deutschlandfest der SPD. Bezirks-Stadtrat verweigerte Gabriel & Co. Feier auf der Straße des 17. Juni. URL: http://www.bild.de/regional/berlin/essen-und-trinken- festivals/riesen-krach-ums-deutschlandfest-der-spd-31835242.bild.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]; dpa: SPD-Deutschlandfest mit Nena und Peer Steinbrück. URL: http://www.bild.de/news/aktuell/spddeutschlandfest- mit-nena-und-peer-steinbrueck-31871200.bild.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]; Bild: Peer gibt den Mär- chenonkel. URL: http://www.bild.de/politik/inland/peer-steinbrueck/gibt-den-maerchenonkel-150-jahre-spd- 31883094.bild.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 461 Vgl. Süddeutsche Zeitung: 23. Mai 1863. In: Süddeutsche Zeitung vom 18. Mai 2013, S. V2/9. 98 klarstellten, dass Sozialismus und Freiheit zusammengehörten und Willy Brandts „Wir wollen mehr Demokratie wagen“.462

Diese Deutung der Geschichte der Sozialdemokratie anhand von Personen findet sich in zwei weiteren Artikeln wieder. Einer behandelt „[z]ehn Fakten und Genossen-Geschichten jenseits von Warschauer Kniefall und Agenda 2010“463, etwa die Orgelkompositionen des 17-jährigen Helmut Schmidts.464 In geschichtspolitischer Hinsicht interessanter ist ein Artikel unter dem Titel „Gesichter der deutschen Sozialdemokratie.“ Hier sind um eine Collage mit Porträts 15 bedeutender Sozialdemokraten, kurze Steckbriefe zu ihrer Geschichte abgedruckt.465 Darunter sind der Gründer Ferdinand Lassalle ebenso wie Kurt Schumacher und Herbert Wehner.466 Allerdings sind auch weitgehend in Vergessenheit geratene Personen darunter. Besonders zwei Namen fallen mit dem geschichtspolitischen Blickwinkel auf: Marie Juchacz und Elisa- beth Selbert,467 also jene zwei Frauen, die von Seiten der SPD-Erzählung hervorgehoben wer- den. Beide werden von Sigmar Gabriel in seiner Rede in Leipzig erwähnt. Juchacz ist zudem ein eigener Artikel im Vorwärts Extra gewidmet, Selbert ein Aufsatz in Menschen, Ideen, Wegmarken.468 Die Süddeutsche Zeitung übernimmt damit an dieser Stelle das SPD-Narrativ einer feministischen Partei nicht nur inhaltlich, sondern übernimmt dabei auch die beiden zu- gehörigen Ikonen. Auch die vielleicht größte Ikone der Geschichte der Sozialdemokratie darf dabei nicht fehlen. In einem der wenigen Aussprüche aus der Zitate-Sammlung, der nicht di- rekt von Demokratie handelt, wird August Bebel als erster Frauenrechtler bezeichnet und ei- nes seiner berühmtesten Zitate wiedergegeben: „Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter.“469

Eine eher ungewöhnliche Deutung findet sich zum Ende des Jahres 2013 in einem Feuilleton- Artikel. Hier wird die „[g]roße Koalition mit der Gesellschaft als Leitmotiv der SPD- Geschichte“470 herausgearbeitet. Anlässlich der Frage, ob die SPD einer neuerlichen großen

462 Vgl. Süddeutsche Zeitung: Zitate aus 150 Jahren SPD. „Freiheit und Leben kann man uns nehmen – die Ehre nicht!“ In: Süddeutsche Zeitung vom 22. Mai 2013. URL: http://www.sueddeutsche.de/politik/zitate-aus-jahren- spd-freiheit-und-leben-kann-man-uns-nehmen-die-ehre-nicht-1.1674180 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 463 Pantel, Nadia: Genossen, wie sie niemand kennt. In: Süddeutsche Zeitung vom 23.05.2013, URL: http://www.sueddeutsche.de/politik/genossen-wie-sie-niemand-kennt-zehn-dinge-ueber-die-spd-die-sie-nicht- wussten-1.1677010 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 464 Vgl. ebd. 465 Vgl. Fried, Nico: 150 Jahre SPD. Gesichter der deutschen Sozialdemokratie. In: Süddeutsche Zeitung vom 23.05.2013, S. 6. 466 Vgl. ebd. 467 Vgl. ebd. 468 Vgl. Notz, Gisela: Elisabeth Selbert und die Gleichberechtigung im Grundgesetz. In: Faulenbach/Helle (Hrsg.): Menschen, Ideen, Wegmarken, S. 208-217. 469 Vgl. Süddeutsche Zeitung: Zitate, S. 2. 470 Seibt, Gustav: Historische Kompromisse. In: Süddeutsche Zeitung vom 05.12.2013, S. 11. 99

Koalition als Junior-Partner beitreten würde, blickt der Autor auf historische Kompromisse, die die SPD eingegangen sei. Dabei geht es dem Autor aber weniger um Kompromisse mit politischen Kontrahenten, als vielmehr mit den politischen Verhältnissen, die Entscheidungen gegen ihre eigene Programmatik erforderten, sei es den Kriegskrediten zum Ersten Weltkrieg zuzustimmen, obwohl die SPD eigentlich gegen den Krieg war oder die Hartz-Reformen zum Preis der Abspaltung eines linken Teils der Partei zu beschließen.471 Dieser Kompromissbe- reitschaft bekundet der Autor seinen Respekt: „In den meisten Fällen hat sie dabei die ihre moralische, also gesinnungsethische Parteiräson einer verantwortungsethischen Lagebeurtei- lung untergeordnet.“472 Diese Erzählung erinnert stark an das Vaterland-Narrativ von 2013, das 1963 in der offiziellen SPD-Erzählung eher blass bleibt. Zwar verzichtet auch der Autor dieses Artikels auf Begriffe wie die vaterländische Partei oder Patrioten, aber inhaltlich sind die Parallelen unübersehbar. Demnach sei die SPD immer bereit gewesen das Wohl des Lan- des über das Wohl der Partei zu stellen. Die Frage zum Schluss hin aufgeworfene, ob Deutschland ohne die Agenda 2010 heute wirtschaftlich miserabel dastände, ist so die konse- quente Fortführung seiner Frage, ob Deutschland 1919 ohne das Handeln der SPD im Bürger- krieg versunken wäre.473 Eine Frage, die in der SPD-Erzählung 1963 mit „Ja“ beantwortet worden ist.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Frankfurter Allgemeine, eine eher konservative Zeitung, berichtete neben lokalen Veran- staltungen im Großraum Frankfurt über die zentralen Veranstaltungen in Leipzig und Berlin sowie die Wanderausstellung.474 Darüber hinaus wurden zwei historische Essays abgedruckt. Der eine, vom ehemaligen Vorsitzenden des DGB, Dieter Schulte, geschrieben, folgt dabei ganz der SPD-nahen Erzählung. Das Jubiläum fasst der Autor darin mit den Worten zusam- men: „150 Jahre SPD – unbeirrbar auf demokratischen und sozialem Kurs im Interesse des

471 Vgl. ebd. 472 Ebd. 473 Vgl. ebd. 474 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Für Ferdinand Lassalle gewinnen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. Juni 2013, S. 39; Frankfurter Allgemeine Zeitung: SPD Obertshausen feiert Doppeljubiläum. In: Frank- furter Allgemeine Zeitung vom 07. Juni 2013, S. 60; Frankfurter Allgemeine Zeitung: 150 Jahre Mainzer SPD. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Mai 2013, S. 42; Minkmar, Nils: 150 Jahre Seit‘ an Seit‘. In: Frank- furter Allgemeine Zeitung vom 24. Mai 2013, S. 31; Sattar, Majid: Alles was Rang und Namen hat. In: Frankfur- ter Allgemeine Zeitung vom 24. Mai 2013, S. 3; Sattar, Majid: Luftballons fliegen lassen. In: Frankfurter Allge- meine Zeitung vom 19. August 2013, S. 2; Riebsamen, Hans: Seit‘ an Seit‘ mit dem arbeitenden Menschen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06. Juni 2013, S. 35. 100 ganzen Landes […]“475 Damit spricht Schulte in einem Satz gleich drei Narrative der SPD- nahen Erzählung an. Einige Zeilen später greift er diese Aussage noch einmal auf und konkre- tisiert sie:

„Die SPD hat in den entscheidenden Momenten der deutschen Geschichte auf der richtigen Seite gestanden. Nichts, was unser Land heute im Guten prägt, nichts, was unsere gesellschaft- liche und unsere staatliche Ordnung gerechter, freier, sozialer und menschlicher gemacht hat, ist ohne ihr Zutun entstanden: der Rechtstaat, die Parlamentarische Demokratie, der Sozial- staat, der soziale Aufstieg durch Bildung breiter Schichten und die Gleichberechtigung.“476

Spätestens hier wird deutlich, dass zwischen Schultes und Gabriels Deutung von der Ge- schichte der Sozialdemokratie kein Blatt Papier passt; beide erzählen sie die Geschichte der SPD als die Geschichte des guten Deutschlands.

Der zweite historische Essay in der Frankfurter Allgemeinen folgt nicht so deutlich der SPD- nahen Erzählung, unterstützt aber dennoch die Geschichtspolitik der SPD, indem er die typi- sche Gegenerzählung von rechts zurückweist. Er greift die Frage: „Wozu noch SPD?“477 auf, und beantwortet sie in der Loslösung der SPD von den postmaterialistischen Illusionen der 1970er und 1980er Jahre.478 In den Zeiten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise und neu- er Formen zwischenstaatlicher Konkurrenz werde die SPD immer noch gebraucht.479 Der Schlachtruf müsse deshalb lauten: „Mehr SPD wagen!“480

Die Welt

Die konservativ-liberal ausgerichtete Welt kann sich ebenfalls nicht vorwerfen lassen, nicht ausführlich zu den zentralen Veranstaltungen des Parteijubiläums berichtet und Kommentare zur Geschichte der Partei veröffentlicht zu haben. Zwar steht sie der SPD eher kritisch gegen- über, dennoch wurden in manchen Artikeln Narrative der SPD-Erzählung wiedergegeben. Zum einen in den Berichten, etwa von der Wanderausstellung,481 dem Festakt in Leipzig482

475 Schulte, Dieter: Das Land braucht eine selbstbewusste SPD. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Mai 2013, S. 10. 476 Ebd., S. 10. 477 Altenbockum, Jasper von: Mehr SPD wagen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Mai 2013, S. 1. 478 Vgl. ebd., S. 1. 479 Vgl. ebd., S. 1. 480 Ebd., S. 1. 481 Vgl. Stoldt, Till: Vorwärts Genossen, auf zur neuen Zeit! In: Die Welt vom 19.01.2013. URL: http://www.welt.de/112873796 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 482 Vgl. Sturm, Daniel Friedrich: Illustre Gäste beim Geburtstag der alten Tante SPD. In: Die Welt vom 20.05.2013. URL: http://www.welt.de/politik/deutschland/article116358391/Illustre-Gaeste-beim-Geburtstag- 101 und dem Deutschlandfest in Berlin.483 Außerdem durften der Parteivorsitzende Sigmar Gab- riel und die Generalsekretärin Andrea Nahles Gastbeiträge verfassen, die, wie zu erwarten, verbreitete SPD-Narrative wiedergeben. Gabriel griff hier seiner Rede in Leipzig vorweg. Teilweise wortgleich gab er schon hier die Demokratie als das Leitmotiv in der Geschichte der SPD an:

„Sie ist über alle gesellschaftlichen Umbrüche, wirtschaftlichen Wandel und politische Revolu- tionen hinweg die demokratische Konstante in Deutschland. Nicht selten bis in den Tod ver- folgt, angefeindet, diffamiert, aber eben auch oft mit Begeisterung gewählt: Über eineinhalb Jahrhunderte hinweg hat die SPD dafür gekämpft, dass Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in einer Demokratie zur Lebensweise aller Menschen werden.“484

Andrea Nahles setzt sich mit einer Kritik am Wahlkampf-Motto der SPD „Das WIR entschei- det“ auseinander, wobei sie betont, dass Freiheit einer der drei Grundbegriffe in der 150- jährigen Geschichte der SPD sei: „Seit 150 Jahren. Freiheit von Gewalt, Unterdrückung, Gän- gelung. Dafür kämpft die SPD seit ihrer Gründung.“485 In den folgenden Zeilen blitzt bei der künftigen Arbeitsministerin aber auch das Gerechtigkeits-Narrativ auf, in dem sie darauf ver- weist, dass es nicht nur eine Freiheit von etwas gäbe, sondern auch die Freiheit zu etwas be- deutend sei: „Für das Recht auf gute Bildung zum Beispiel, für unterschiedliche Lebensent- würfe, für Emanzipation, Gleichstellung. Für gleiche Chancen, für Gerechtigkeit.“486

Die beiden SPD-Politiker bilden damit einen Kontrast zu den essayistischen Artikeln, die in der Welt vornehmlich eine rechte Gegenerzählung entfalteten, freilich nicht, ohne unbestritte- ne Verdienste der SPD um die deutsche Demokratie zu würdigen: die Übernahme von Ver- antwortung in der Weimarer Republik, der Kampf gegen die Nationalsozialisten, insbesonde- re die Rede Wels‘ und den Warschauer Kniefall Brandts.487

Der Spiegel der-alten-Tante-SPD.html [zuletzt abgerufen: 09.06.2015]; Sturm, Daniel Friedrich: Und alle applaudieren der SPD. In: Die Welt vom 24.05.2013. URL: http://www.welt.de/116469167 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 483 Vgl. Stur, Daniel Friedrich: Für Brösel bricht Steinbrück sein Bier-Versprechen. In: Die Welt vom 17.08.2013. URL: http://www.welt.de/119124558 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 484 Gabriel, Sigmar: Ein besseres Land kommt nicht von allein. In: Die Welt am Sonntag vom 19.05.2013, S. 19. 485 Nahles, Andrea: Quatsch mit Gedicht. In: Die Welt vom 13.04.2013. URL: http://www.welt.de/115252953 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 486 Ebd. 487 Vgl. Schmid, Thomas: 150 Jahre SPD. In: Die Welt am Sonntag vom 19.05.2013, S. 17; Schmid, Thomas: SPD hat Glauben an eine bessere Welt verloren. In: Die Welt vom 22.05.2013. URL: http://www.welt.de/116405162 [zuletzt abgerufen: 16.08.2105]; Krauel, Torsten: Die SPD könnte wieder deut- sche Geschichte prägen. In: Die Welt vom 23.05.2013. URL: http://www.welt.de/116432448 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 102

Das wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazin Spiegel begleitete das SPD-Jubiläum in seiner Printausgabe mit einem Interview der Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder und in seiner Online-Ausgabe mit Beiträgen zu der Feierlichkeit in Leipzig sowie Geburtstagswünschen von zehn Prominenten zur Geschichte der Partei.

In der Printausgabe werden die beiden Altkanzler zur Geschichte der Sozialdemokratie ge- fragt: „[W]o liegen die größten Erfolge, und wo liegen die größten Fehler, die die Sozialde- mokratie in Deutschland gemacht hat?“488 Schmidt antwortet mit der Rede Otto Wels‘ gegen das Ermächtigungsgesetz. Schröder pflichtet ihm bei und bringt das Demokratie-Narrativ auf den Punkt: „Es war eine Rede gegen staatliche Willkür und für Freiheit und Demokratie. Und das sind ja die Werte, für die die SPD gelitten hat und wofür ihre Leute gestorben sind.“489 Im Folgenden ergänzt Schröder noch die Aussöhnung Deutschlands mit dem Osten, die durch Willy Brandt und Helmut Schmidt vorangetrieben worden sei.490 Konsequenterweise be- zeichnen die beiden dann auch das Scheitern der Weimarer Republik als größte Niederlage der Partei.491 Auf die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten 1914 angesprochen, ant- worten die beiden unterschiedlich, aber mit den in dieser Arbeit bereits oft wiedergegeben Erwiderungen. Der ältere der beiden, Schmidt, bezeichnet die Zustimmung als Fehler, den aber auch die europäischen Schwesterparteien begangen hätten,492 der jüngere Schröder hin- gegen nutzt die Frage als Vorlage, um das Vaterland-Narrativ zu bedienen:

„Die SPD ist immer nach dem Motto ‚Erst das Land, dann die Partei‘ verfahren. Sie hat sich immer für das Land mehr eingesetzt als für die eigene Existenz. Das ist ihr häufig nicht ge- dankt worden. Die SPD ist eine patriotische Partei im besten Sinne des Wortes.“493

Diese Antworten sind überaus interessant. Schröder vermengt hier die Ausprägungen des Va- terlands-Narrativ von 2013, die in der typischen Phrase von „Zuerst das Land, dann die Par- tei“ zum Ausdruck kommt, mit dem Begriff des Patriotismus, wie er in zahlreichen Reden und Büchern des Vaterlands-Narrativ von 1963 zu finden ist, aber nicht in denen des Jahres 2013. Altkanzler Schmidt, der bereits 1963 Mitglied der SPD war, antwortet hingegen ganz in der Deutung des 150-jährigen Jubiläums, wonach die Zustimmung zu den Kriegskrediten ein

488 Der Spiegel: „Willy verstand nichts von Wirtschaft.“ In: Der Spiegel vom 06.05.2013, S. 28-32, hier S. 29. 489 Ebd., S. 29. 490 Vgl. ebd., S. 30. 491 Vgl. ebd., S. 30. 492 Vgl. ebd., S. 30. 493 Ebd., S. 30. 103

Fehler war, den auch viele andere Sozialisten begingen. Damit argumentiert Schmidt iden- tisch wie Rürup im Vorwärts Extra.494

In der Online-Ausgabe des Spiegels wurden zwei historische Kommentare zur Geschichte der SPD veröffentlicht. Der Historikers Heinrich August Winklers orientierte sich dabei an der SPD-Erzählung. Zwei Narrative stehen im Zentrum seines Aufsatzes. Zum einen das Demo- kratie-Narrativ, das Winkler von Bernstein, der die SPD aufgefordert habe, eine demokra- tisch-sozialistische Reformpartei sein zu wollen, über Ebert und Scheidemann, die im Bünd- nis mit gemäßigten Kräften des Bürgertums aus Deutschland eine Demokratie gemacht hät- ten, bis hin zu Kurt Schumacher mit seinem Nein zu einer Vereinigung von SPD und KPD, spinnt.495 Zum anderen greift Winkler im Zusammenhang mit der Agenda 2010 die neuere Ausprägung des Vaterland-Narrativs auf. Im selbstlosen Dienst am Land, auch auf Kosten der Partei, sieht Winkler eine Konstante sozialdemokratischer Politik. Auf den üblichen Topos kann oder will er dabei nicht verzichten: „Das Wort ‚Erst das Land, dann die Partei‘, die De- vise aller sozialdemokratischen Bundeskanzler, mag sehr deutsch klingen, aber es bleibt trotzdem richtig.“496

In den weiteren Artikeln des Spiegels zum 150-jährigen Jubiläum, den Berichten der Feier- lichkeiten und den gesammelten Glückwünschen zehn Prominenter, wird insbesondere das Demokratie-Narrativ transportiert ohne tief in die Geschichte einzutauchen. So wird Gabriels Leipziger Rede wiedergegeben, in der er die Idee der Freiheit als Leitmotiv der sozialdemo- kratischen Geschichte beschreibe.497 Die Verdienste der SPD um die Demokratie in Deutsch- land stellen fünf von zehn Prominenten heraus, die sich sonst in ihren Beiträgen zuweilen sehr unterscheiden.498

Die Zeit

494 Siehe oben, S. 80. 495 Vgl. Winkler, Heinrich August: Worauf die Sozialdemokraten stolz sein können. URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/150-jahre-spd-historiker-winkler-gratuliert-den-sozialdemokraten-a- 900579.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 496 Ebd. 497 Vgl. Gathmann, Florian/Medick, Veit: Festakt zum 150. Geburtstag der SPD. Große Koalition für einen Tag. URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/150-jahre-spd-beim-festakt-feiern-alle-mit-a-901561.html [zu- letzt abgerufen: 16.08.2015]. 498 Vgl. Gathmann, Florian/Medick, Veit: 150 Jahre SPD. Herzlichen Glückwunsch, du alte Tante. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/150-jahre-spd-a-901086.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 104

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte bemerkenswert wenige Artikel zum 150- jährigen Jubiläum der Partei. Lediglich zwei Beiträge, die sich explizit mit der Geschichte der Partei auseinandersetzen, wurden veröffentlicht. Beide entziehen sich weitgehend den gängi- gen Narrativen, den üblichen Strukturen der Erzählung und Gegenerzählungen. Der Beitrag des Historikers Arno Herzig beschreibt detailliert die Rolle Ferdinand Lassalles und die An- fänge seines ADAV. Darin kommt eine eher kritische Sicht des Autors auf den Gründer der deutschen Sozialdemokratie zum Ausdruck.499

Der Beitrag des Zeit-Redakteurs Jan Roß lehnt sich schon eher an die vorherrschende SPD- Erzählung an. In seinem Artikel, in dem Roß die Frage diskutiert, warum er als Nicht-Linker eigentlich die SPD liebt, obwohl er sie doch nie wählt, führt er die politischen Verhältnisse des Kaiserreichs an. Es war, so Roß, die Sozialdemokratie, die ein anderes und besseres Deutschland als den preußischen Obrigkeitsstaat repräsentierte:

„Es wäre die Aufgabe des liberalen Bürgertums gewesen, diese Mentalität und dieses Regime herauszufordern. Aber das deutsche Bürgertum war schwach und feige, und so ist die Sozial- demokratie (obwohl selbst nicht ohne patriarchalische, autoritäre Züge) zur wichtigsten Gegen- spielerin der politischen Rückständigkeit geworden.“500

Dieser Verdienst ist es, der für Jan Roß sogar noch entscheidender ist, als das Nein der SPD zum Ermächtigungsgesetz.501 Damit übernimmt Roß das Demokratie-Narrativ der SPD- Erzählung, verlegt den zeitlichen Schwerpunkt aber in das Kaiserreich, in eine Zeit, die in der SPD-Erzählung von 2013 nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.

Auf ihrer Internetpräsenz ergänzt Die Zeit dieses eher dürftige Angebot allerdings noch um zwei Bilderreihen, die zumindest berühmte Dokumente der Geschichte der SPD zeigen, etwa ein Foto des Warschauer Kniefalls Willy Brandts502 oder die Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz.503

499 Herzig, Arno: Auf kühner Bahn. In: Die Zeit vom 08.05.2013. http://www.zeit.de/2013/20/spd-gruendung- jubilaeum [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 500 Roß, Jan: Die Kraft von unten. In: Die Zeit vom 23.05.2013. URL: http://www.zeit.de/2013/22/spd-150- jahre-sozialdemokratie [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 501 Vgl. ebd. 502 Vgl. Die Zeit: Bebels Bart, Brandts Kniefall, S. 18. URL: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-05/fs- spd-150-jahre-2/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 503 Vgl. ebd., S. 10. 105

3.4.2 Gegenerzählungen

Die dominante Stellung der SPD-Erzählung in der Deutung der Geschichte der Sozialdemo- kratie ist in den letzten Seiten deutlich geworden. Die SPD konnte mit ihren zentralen Feier- lichkeiten, der großen Anzahl an Publikationen und einer zum Jubiläum grundsätzlich gewo- genen Presse, die Geschichtspolitik bestimmen. Aber die vorliegende Arbeit fragt ganz im Sinne Wolfrums auch nach Gegenerzählungen. Und die gab es, wenn sie auch aufgrund ihres Verbreitungsgrades als minoritär bezeichnet werden müssen.

3.4.2.1 Gegenerzählung von links

Die Gegenerzählung von links zum 150-jährigen Jubiläum der Sozialdemokratie lässt sich unter die zwei Begriffe Verdammung und Inanspruchnahme einordnen.

Die an der Verdammung orientierten Gegenerzählungen betrachten die Geschichte der Sozi- aldemokratie als die eines Entfernens der SPD von ihren sozialdemokratischen Wurzeln oder gar als immer wiederkehrender Verrat an der Arbeiterklasse. So antwortete die Vorsitzende der LINKEN, Katja Kipping, auf die Frage, was sie im Zusammenhang mit der 150-jährigen Geschichte der SPD am meisten an ihr bewundere, „ihre unglaubliche Unverfrorenheit, vor Wahlen links zu blinken und danach rechts abzubiegen.“504 Und so kann Kipping angesichts des 150. Geburtstags der Partei konstatieren: „Die SPD hat sich von ihren Wurzeln ent- fernt.“505 Dies ist exakt die Gegenposition zur gängigen These der SPD-Erzählung, wonach sich die SPD im Laufe der Zeit zwar gewandelt, aber nie von ihren Wurzeln entfernt habe.

Kippings Ko-Vorsitzender, Bernd Riexinger, schließt sich dieser Einschätzung in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel an. Zwar möchte er „der SPD am 23. Mai höflich gratulie- ren“506, erinnert aber daran, dass August Bebel 1869 ankündigte, „nicht zu ruhen, ‚bis dieses System in Grund und Boden zerschlagen und zertrümmert ist‘.“507 Während Bebel damit den

504 Hollstein, Miriam: „Die Unverfrorenheit der SPD ist beeindruckend“. Interview mit LINKE-Chefin Kipping. In: Die Welt vom 24.05.2013. URL: http://www.welt.de/politik/deutschland/article116485105/Die- Unverfrorenheit-der-SPD-ist-beeindruckend.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 505 Ebd. 506 Riexinger, Bernd: Große Namen, große Traditionen und eine trostlose Partei. In: Der Tagesspiegel vom 22.05.2013. URL: http://www.tagesspiegel.de/meinung/andere-meinung/zum-150-jaehrigen-jubilaeum-der-spd- grosse-namen-grosse-traditionen-und-eine-trostlose-partei/8236692.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 507 Ebd. 106

Kapitalismus gemeint habe, ginge es der SPD heute nur noch um ‚Finanzkapitalismus‘.508 Während Wilhelm Liebknecht, ein weiterer Gründervater der SPD, für die Tradition des Frie- dens und des Pazifismus‘ in der Arbeiterbewegung stünde, habe die SPD „seit der Wiederver- einigung allen Kriegseinsätzen der Bundeswehr im Ausland zugestimmt […].“509 Außerdem sei die SPD mit der Agenda 2010 für den größten Sozialabbau in der Geschichte der Bundes- republik verantwortlich.510

Und auch der Ex-Vorsitzende der LINKEN und vormalige Vorsitzende der SPD, Oskar La- fontaine, wünschte sich zum 150. Geburtstag der SPD in der Bild, „dass sie zurückkehrt zu den Zielen und Werten, die sie stark gemacht und ihr die unverwechselbare Identität als die Stimme der kleinen Leute gegeben haben.“511

Weitaus milder fiel das Urteil des Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag, Gregor Gysi, aus. In einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung „der Freitag“ schildert er in einem nüchtern und sachlich gehaltenen Stil seine Sicht auf die 150-jährige Geschichte der Sozial- demokratie.512 Den größten Raum nehmen dabei Konflikte zwischen verschiedenen Strömun- gen in der SPD ein.513 Wenn auch diese Sicht auf die Geschichte der SPD als Ganzes kaum unter den Begriff Verdammung fallen kann, so konstatiert auch Gysi zumindest seit dem Amtsantritt der rot-grünen Regierung 1998 ein Entfernen der SPD von ihren Wurzeln.514 So schließt auch Gysi ähnlich wie sein Genosse Lafontaine mit dem Wunsch, die SPD möge zu ihren alten Werten zurückkehren: „Vielleicht kommt die Zeit, da die SPD den Geist sozialer Gerechtigkeit noch einmal entdeckt. Ich würde es begrüßen.“515

Den gegenteiligen Stil zu Gysi pflegten junge Aktivisten des LINKEN-nahen Studentenver- bandes dielinke.SDS, die vor dem Festakt in Leipzig unter dem Motto: „150 Jahre SPD – kein Grund zum Feiern!“ protestierten.516 Auf ihren Schildern erinnerten sie an „weniger glanzvol- le Momente“517 in der Geschichte der SPD. „94 Jahre Mord an Rosa und Karl“ war darauf etwa zu lesen, „20 Jahre Abschaffung des Asylrechts“, „14 Jahre Kosovo-Krieg“ und noch

508 Vgl. ebd. 509 Ebd. 510 Vgl. ebd. 511 Bild: Hier gratulieren die SPD-Chefs ihrer Partei. URL: http://www.bild.de/politik/inland/spd/hier- gratulieren-die-spd-chefs-ihrer-partei-zum-geburtstag-30513990.bild.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 512 Vgl. Gysi, Gregor: Bau auf, bau ab. In: der Freitag vom 23.05.2013. URL: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/bau-auf-bau-ab [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 513 Vgl. ebd. 514 Vgl. ebd. 515 Ebd. 516 dielinke.SDS Leipzig: 150 Jahre SPD – kein Grund zum Feiern! URL: http://sdsleipzig.blogsport.de/2013/05/25/150-jahre-spd-kein-grund-zum-feiern/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 517 Ebd. 107 einiges mehr.518 Die Studenten spitzten die Kritik, wonach sich die SPD von ihren Wurzeln entfernt habe, polemisch zu. Diese sieht nicht mehr bloß eine Entfremdung, sondern andau- ernden Verrat:

„Denn wann immer sich die SPD in die Tradition der Arbeiterbewegung zu stellen versucht, wie es die Festredner_innen und Gratulant_innen auf der Feier heute taten, werden wir sie da- ran erinnern, dass die SPD seit 1914 konsequent auf der Seite der Herrschenden steht und die Arbeiterklasse stets aufs Neue verraten hat.“519

An diesem Zitat wird deutlich, warum diese Form der Gegenerzählung unter dem freilich et- was zugespitzten Begriff Verdammung eingeordnet werden kann. Zumindest seit 1914 lässt diese Kritik im Grunde kein gutes Haar an der SPD.

Dies trifft auch auf die bei Spiegel-Online veröffentlichten „Glückwünsche“ der Schriftstelle- rin und ehemaligen Grünen-Linksaußen Jutta Ditfurth zu. Die ersten 50 Jahre der Sozialde- mokratie bezeichnet sie als „interessant“520, weil die SPD dort noch der politische Ausdruck der Arbeiterbewegung gewesen sei,521 aber, so Ditfurth, „[m]it den Kriegskrediten von 1914 und dem Verrat der Novemberrevolution 1918/19 war die SPD als fortschrittliche Kraft am Ende.“522

Der Journalist Jakob Augstein hingegen geht nicht ganz so hart mit der SPD ins Gericht, for- dert aber ebenfalls von der SPD im Wahljahr 2013 zu ihren Wurzeln zurückzufinden. Entwe- der die Partei mache weiter wie gewohnt und müsse sich damit abfinden bei Wahlen unter 30 % zu bleiben,523 „[o]der die Partei besinnt sich darauf, was Sozialdemokratie eigentlich be- deutet: Emanzipation.“524 Ein sozialistisches Europa wäre, so Augstein, ein solcher Weg, den auch August Bebel gegangen wäre.525

Die verbleibenden Gegenerzählungen können unter einen zweiten Begriff eingeordnet wer- den, der Inanspruchnahme. Darunter sind Versuche zu verstehen, die Geschichte der Sozial- demokratie für sich selbst zu beanspruchen. Insbesondere durch die konkurrierende Partei DIE LINKE wurde diese Gegenerzählung vertreten. Die Bandbreite der Deutungen reichte dabei von einer Art Erbengemeinschaft mit der heutigen SPD, wonach beide in der Tradition

518 Ebd. 519 Ebd. 520 Gathmann/Medick: „Herzlichen Glückwunsch, du alte Tante! 521 Vgl. ebd. 522 Ebd. 523 Vgl. Augstein, Jakob: Keine Linken, nirgends! URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob- augstein-ueber-150-jahre-spd-keine-linken-nirgends-a-900785.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 524 Ebd. 525 Vgl. ebd. 108 der historischen SPD stünden, bis hin zu einer Art Alleinvertretungsanspruch des Erbes von 1863, da die SPD ihre sozialdemokratischen Wurzeln aufgegeben habe. Letztere Interpretati- on zeigt deutlich, dass Verdammung und Inanspruchnahme sich nicht ausschließen müssen, sondern sogar zusammenwirken können. Besonders eindrücklich macht das die Parteivorsit- zende der LINKEN Katja Kipping. Dem weiter oben aus dem Welt-Interview zitierten Satz: „Die SPD hat sich von ihren Wurzeln entfernt“ schließt sie die These an: „Jemand wie Lieb- knecht wäre heute bei der Linken, nicht in einer Partei, die Auslandseinsätze und Rüstungsex- porte unterstützt.“526 Auch in ihrer Rede beim Dresdner Parteitag der LINKEN im Juni 2013, bezweifelte sie, dass die Feier der SPD in Leipzig der angemessene Anlass war, dem 150. Jahrestag der Gründung des ADAV zu gedenken. Stattdessen seien die Proteste gegen die Krisenpolitik der Europäischen Union in Frankfurt ein besserer Ort dafür gewesen:

„Die würdigere Form, an der Tradition der Arbeiterbewegungen anzuknüpfen, wenn man will die bessere Geburtstagsparty, fand nicht bei der 150-Jahr-Feier der SPD statt, sondern in Frankfurt bei den Blockupy-Protesten, wo Zehntausende auf die Straße gingen, um die Demo- kratie gegen entfesselte Finanzmärkte zu verteidigen. In Frankfurt ging es um eine Art Traditi- onspflege, die nicht das Weiterreichen von Asche ist, sondern dort ging es um das Weiterrei- chen der Glut.“527

Die spielerische Frage, in welcher Partei, Ikonen der sozialdemokratischen Geschichte wohl heutzutage Mitglied wären, ist ohnehin populär in der LINKEN und ihrem Umfeld. Kippings Ko-Vorsitzender Riexinger etwa schließt seinen Gastbeitrag im Tagesspiegel mit den Worten: „Bebel, Haase und Liebknecht wären vielleicht in Leipzig, aber ganz sicher aber [sic] in Frankfurt dabei, und wenn sie in einer Partei wären, dann wäre es die Linke.“528 Während die beiden Vorsitzenden so das alleinige Erbe für sich beanspruchen und der SPD gleichsam ab- sprechen, gibt es aber auch Stimmen, die sowohl SPD als auch LINKE in der Tradition der frühen Sozialdemokratie sehen. Die größtenteils in Besitz der LINKEN befindliche Tageszei- tung „Neues Deutschland“ etwa fragte: „Wem gehört Lassalle, der LINKEN oder der SPD?“529 Einige Tage später beantwortete sie die aufgeworfene Frage mit einem Bericht von einer Konferenz der LINKEN-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema „150 Jahre

526 Hollstein: „Die Unverfrorenheit“. 527 Kipping, Katja: Eine starke LINKE ist die Garantie dafür, dass sozialen Worten soziale Taten folgen. Rede von Katja Kipping, Vorsitzende der Partei DIE LINKE auf dem Dresdner Parteitag. URL: http://www.die- linke.de/partei/organe/parteitage/archiv/3-parteitag-2-tagung/reden/katja-kipping-vorsitzende-der-partei-die- linke/ [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 528 Riexinger: Große Namen. 529 Vesper, Karlen: Wem gehört Lassalle? In: Neues Deutschland vom 13.04.2013. URL: http://www.neues- deutschland.de/artikel/818586.wem-gehoert-lassalle.html?sstr=panke [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 109

ADAV“ mit der Schlagzeile: „Lassalle gehört auch der LINKEN.“530 Dies war auch tatsäch- lich die Antwort, die die Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dagmar Enkelmann, auf der Veranstaltung der Stiftung gab. Sie wählte die Metapher eines Baumes, um ihre Position zu verdeutlichen: „Aus einer Wurzel wuchs ein Stamm mit mehreren Ästen, die sich nach links, rechts, in der Mitte verzweigten, sich unterschiedlich entwickelten, abstarben, neu bil- deten. Heute als SPD und Linkspartei wahrnehmbar.“531 Widerspruch regte sich da bei Helga Grebing, die als Mitglied der Historischen Kommission der SPD an der Veranstaltung teil- nahm, und die LINKE davor warnte, „sozialdemokratische Geschichte für politische Ausei- nandersetzung in der Gegenwart auszunutzen.“532 Sie forderte: „‚Bitte instrumentalisieren Sie dafür nicht die Geschichte.‘“ 533 Diese Kritik mag berechtigt sein, wirkt jedoch nicht sehr kon- sequent, wenn sie nicht auch gleichzeitig der SPD gegenüber angebracht wird.

Bei Zeitungen und Schriftstellern findet man diese Sicht, wonach 2013 auch DIE LINKE 150. Geburtstag feierte, nicht. Mit dieser Variante der Gegenerzählung stand DIE LINKE isoliert da. Lediglich die Aussage der Baum-Metapher lässt sich beim linken Flügel der SPD wieder- finden. In ihrer Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft (spw) beklagen Vertreter dieses Flügels das weitgehende Ausblenden von historischen Konflikten in der Sozialdemo- kratie. In den Publikationen des Parteivorstands kämen diese kaum vor, „oder wenn, dann nur aus der Perspektive der Mehrheit erzählt.“534 Insbesondere beklagen die Autoren, dass das sozialistische Erbe und die Geschichte der USPD völlig fehlten535 und fragen: „Was hindert die SPD des Jahres 2013 daran, auch dieses Erbe als eigenen Schatz anzuerkennen?“536

3.4.2.2 Gegenerzählung von rechts

War die linke Gegenerzählung weit davon entfernt, die Deutungshoheit über die Geschichte der Sozialdemokratie zu erlangen, so muss man die Gegenerzählung von rechts fast schon suchen. Politiker von CDU, CSU und FDP nutzten die Gelegenheit des Jubiläums nicht dafür,

530 Skaun, Wulff: Der Mann, den Marx liebte. In: Neues Deutschland vom 27.04.2013, S. 7. 531 Skaun, Wulff: Lassalle gehört auch der LINKEN. Konferenzbericht. URL: http://www.sachsen.rosalux.de/nc/news/39444/lassalle-gehoert-auch-der-linken.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 532 Vgl. ebd. 533 Ebd. 534 Geißler, Pascal u.a: Brüche und Kontinuitäten – 150 Jahre Diskursgeschichte der SPD-Linken. Einleitung zum Heftschwerpunkt. In: spw 194 (2013), S. 15-19, hier S. 16. 535 Ebd., S. 16-17. 536 Vgl. ebd., S. 17. 110 die historischen Erfolge der SPD kleinzureden oder noch Kritik an ihrer früheren Programma- tik zu äußern. Sie beschränkten sich vielmehr darauf, ihr anständig zu gratulieren, wie etwa Angela Merkel, die das nicht nur als Bundeskanzlerin, sondern auch als Vorsitzende der CDU tat.537 Auch der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verzichtet in seinem Vorwärts-Beitrag auf eine Gegenerzählung, ja überhaupt auf eine historische Ausführung. Selbst für den ausgespro- chen wirtschaftsliberalen Think-Tank „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ ist das Jubi- läum der SPD „ein guter Anlass sich an die gemeinsamen Werte zu erinnern.“538 Eine Gegen- erzählung, die die Geschichtspolitik der SPD von einem eher rechten Standpunkt angreift, lässt sich lediglich in einigen Zeitungsartikeln finden. Hier allerdings folgen sie allesamt der- selben roten Linie. Die SPD werde demnach nicht mehr gebraucht, sie habe ihre historische Aufgabe erfüllt. Ihr wird vorgeworfen, sie hänge an einer überkommenen, materialistisch ge- prägten Politik der Umverteilung fest und folge damit einem überholten Gerechtigkeitsbegriff. Als rechts kann diese Gegenerzählung nicht nur deshalb betrachtet werden, weil sie von Jour- nalisten und Medien vertreten wird, die politisch eher rechts von der Sozialdemokratie zu verorten sind, sondern auch weil ihr Narrativ die Bedeutung der sozialen Frage negiert, die für linke Politik unverzichtbar ist. Dieses Narrativ lässt sich unter dem Begriff der Überflüssig- keit fassen.

Von den hier untersuchten Zeitungen lässt es sich in Artikeln der Welt und der Frankfurter Allgemeinen wiederfinden. So kritisiert etwa Thomas Schmid in der Welt, dass die SPD des Jahres 2013 sich als Partei der sozialen Gerechtigkeit verstehe, dabei solle nicht das Soziale, sondern das Politische ihr Leitstern sein.539 Damit spiele die SPD ihre falsch verstandene Frühgeschichte nach. Denn in dieser Zeit habe sie die Interessen der Handwerker und Arbeiter vertreten, die wirklich von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen gewesen seien.540 Heu- te aber müsse die SPD wieder Volkspartei sein wollen, wie schon im Zuge des Godesberger Programm. So schließt dann Schmid mit der Frage: „Warum kehrt die SPD nicht frohgemut zum Gründungsgeist und zu Lassalle, Ebert und Aristoteles zurück?“541 Diese Frage erinnert frappierend an das Verdammungs-Narrativ der Gegenerzählung von links. Während die linke Gegenerzählung ein Zurück zur Partei der sozialen Gerechtigkeit und zu den Personen Bebel und Liebknecht fordert, verlangt das Überflüssigkeits-Narrativ ein Zurück zur Volkspartei und zu den Personen Ebert und Aristoteles. Das Überflüssigkeits-Narrativ kann somit als eine

537 S.o. 538 Vgl. Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Anzeige. In: Vorwärts Extra, S. 139. 539 Schmid, Thomas: 150 Jahre SPD. In: Die Welt am Sonntag vom 19.05.2013, S. 17. 540 Vgl. ebd., S. 17. 541 Ebd., S. 17. 111

Art Spiegelung des Verdammungs-Narrativs gesehen werden. Beide stellen den Zweck der gegenwärtigen SPD in Frage und fordern ein Zurück der SPD in eine je verschieden gedeutete Vergangenheit.

Die Sicht von Thomas Schmid wird in der Redaktion der Welt offenbar geteilt. So liest sich der Essay von Torsten Krauel ganz ähnlich. Auch er kritisiert den Gerechtigkeitsbegriff der SPD, der immer noch einem alten Obrigkeitsempfinden nachhänge.542 Krauel geht sogar noch über Schmid hinaus, indem er fordert, diese SPD müsse überhaupt erst noch Volkspartei wer- den.543 Aber dafür müsse die SPD beginnen „um Ideale statt nur um Brotkörbe“544 zu kämp- fen.

Am deutlichsten bringt diese Sicht vielleicht der Journalist Ulf Poschardt auf den Punkt. In seinem Essay verweist er auf Georg Büchner, einen Schriftsteller und Aktivisten des Vor- märz, um zu verdeutlichen, dass der materialistische Gerechtigkeitsbegriff der SPD in die Vergangenheit gehöre. So bilanziert Poschardt zu der Steuerkonzeption des SPD- Wahlprogramms: „Die Idee des Kriegs gegen die Paläste war mit dem Abschaffen der Hütten, wie sie zu Büchners und Bebels Zeiten noch anzutreffen waren, ad absurdum geführt.“545 Für die Zukunft der SPD sieht Poschardt damit keine guten Aussichten, wenn er im Vorfeld der Bundestagswahl prophezeit: „Auf dem Fels der Genossen wird keine Kirche der Gegenwart mehr gebaut, sondern ein Museum der Umverteilung.“546

3.4.3 Erzählung und Gegenerzählungen im Vergleich

In diesem Kapitel sollen nun die Untersuchung der Erzählung und der Gegenerzählungen von 2013 in einem synchronen Vergleich zusammengeführt werden. Auch für 2013 gilt es dabei die zentrale Frage Edgar Wolfrums an Geschichtspolitik zu beantworten:

„Welche Geschichtsdeutungen werden wann und von wem auserkoren und thematisiert und von vom akzeptiert, wie werden diese durchgesetzt, und wie sind die Grundzüge der dominan- ten Narrative zu beschreiben; aber auch: welche Gegenerzählungen können gefunden werden?“

542 Krauel, Torsten: 150 und ein bisschen weise. In: Die Welt vom 23.05.2013, S. 2. 543 Vgl. ebd., S. 2. 544 Ebd. 545 Poschardt, Ulf: Wir sind weg! In: Die Welt vom 25.06.2013. URL: http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article117423270/Wir-sind-weg.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 546 Ebd. 112

Die SPD thematisierte im 150. Jahr der Gründung des ADAV die Geschichte der Sozialde- mokratie als eine Meistererzählung, wonach diese Geschichte die des guten Deutschlands sei. Denn, so drückte es der Parteivorsitzende Gabriel aus: „Die SPD steht für die gute Kontinuität in der deutschen Geschichte.“ Diese gute Kontinuität wird dabei im Kampf der Sozialdemo- kratie für die Demokratie begründet. In seiner Leipziger Rede zählt Gabriel dafür gleich fünf Beispiele auf, die er noch einmal mit der Zusammenfassung: „Die SPD ist seit 150 Jahren das Rückgrat der deutschen Demokratie! Sie ist die demokratische Konstante in der deutschen Geschichte.“ auf den Punkt bringt. Das dominante Narrativ der SPD-Erzählung ist demnach der Kampf der SPD für Demokratie. Es wird vor allem mit dem Widerstand gegen den Natio- nalsozialismus, aber auch mit dem Wirken von Sozialdemokraten in der friedlichen Revoluti- on der DDR verknüpft. Das lange zurückliegende Engagement der Sozialdemokratie im Kai- serreich spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Diese Phase wird gewissermaßen übersprungen zu Gunsten von 1848. Die Bedeutung der demokratischen Revolution für die Entstehung der Sozialdemokratie nimmt einen prominenten Platz insbesondere in den Buch- veröffentlichungen ein.

Um das zentrale Demokratie-Narrativ werden weitere Narrative gruppiert. So habe sich die SPD auch um die Nation verdient gemacht. Dies lässt sich leicht mit dem Demokratie- Narrativ verbinden, da der Kampf für Demokratie auch für das Wohle Deutschlands gesche- hen sei. Diese Gleichung wird immer wieder mit dem Satz: „Zuerst das Land, dann die Partei“ verbunden, der stets leitend für die SPD gewesen sei. Ausgerechnet Gerhard Schröder, der mit seiner Agenda 2010 für diesen Satz berühmt geworden ist, lädt das Vaterland-Narrativ statt- dessen lieber mit dem Begriff des Patriotismus auf, der 2013 sonst nur ein weiteres Mal fällt.547 Allerdings hieß das Deutschlandfest nicht ohne Grund so, was auch innerparteilich durch die Jusos kritisiert wurde, die befürchteten, dass hier Nationalismus und Patriotismus geschürt werde.548 Ansonsten verknüpft die SPD ihre Geschichte vornehmlich über Bilder mit dem Vaterland. So finden sich insbesondere in der einführenden Bilderreihe des Vorwärts Extra, die den der Meistererzählung folgenden Titel „Auf dem Weg zum modernen Deutsch- land“ trägt, zahlreiche Deutschlandfahnen: vom Hambacher Fest bis zum Fahnenmeer eines Public-Viewing der Fußball-WM 2006.549

547 Erhard Eppler über den Warschauer Kniefall Brandts: „Wenn Patriotismus etwas ist, dann ist dies Patriotis- mus.“ Vgl. SPD-Parteivorstand: 150 Jahre SPD – der Film, 60:50-60:58. 548 Vgl. Jusos Berlin: Offener Brief. Ja zum Fest, aber Nein zum Namen „Deutschlandfest“! URL: http://www.jusosberlin.de/deutschlandfest [zuletzt abgerufen: 16.08.2015]. 549 Vgl. Vorwärts Extra, S. 10-29. 113

Außerdem gibt es ein relativ präsentes Friedens-Narrativ. So sei die SPD zwar nie eine pazi- fistische Partei, aber immer ein Akteur gegen Angriffskriege und für Völkerverständigung gewesen. Auch dieses Narrativ lässt sich leicht mit dem Demokratie-Narrativ verbinden, wa- ren es doch nie die Demokraten, die für Krieg eintraten. In die Meisterzählung von der Ge- schichte der SPD als der des guten Deutschlands fügt sich dieses Narrativ ebenfalls sehr gut ein.

Erstaunlich blass bleibt dagegen die Thematisierung der sozialen Emanzipation der Arbeiter- klasse, oder auch nur des Einsatzes der Sozialdemokratie für soziale Gerechtigkeit. So er- wähnt Gabriel lediglich zweimal in seiner Leipziger Rede, dass die SPD für Gerechtigkeit gekämpft habe, ohne dies zu konkretisieren. Selbst Bundespräsident Gauck argumentiert hier sozialdemokratischer als die Sozialdemokraten, wenn er auf Erfolge der SPD im Kaiserreich wie die Einführung der Allgemeinen Schulpflicht verweist. Auch in anderen Quellen tritt das Narrativ von der Gerechtigkeit und sozialen Emanzipation in den Hintergrund. Wo es aber wie im Vorwärts Extra aufblitzt, ist die Verbindung zum Demokratie-Narrativ offenkundig. So heißt es dort im Artikel zu Ferdinand Lassalle: „Für Ferdinand Lassalle ist der Kampf für den Arbeiterstand gleichbedeutend mit dem Kampf für Demokratie.“

Auch 2013 werden die verschiedenen Narrative dieser Meistererzählung mit Erinnerungsorten bestärkt. Die gängigsten Erinnerungsorte sind dabei die Rede von Otto Wels gegen das Er- mächtigungsgesetz, der leidgeplagte Kurt Schumacher und der Kniefall Willy Brandts in Warschau. Die Rede von Otto Wels ist das vielleicht deutlichste Beispiel für die SPD als de- mokratisches Rückgrat der deutschen Geschichte. Kurt Schumacher, sichtlich von Krieg und Verfolgung gezeichnet, steht ebenfalls für die Demokratie, weil er sowohl gegen die Feinde der Demokratie von rechts wie von links kämpfte. Willy Brandts Kniefall von Warschau ist dabei das vielleicht stärkste Symbol, das je ein Sozialdemokrat für die Aussöhnung Deutsch- lands mit seinen ehemaligen Feinden nach dem Zweiten Weltkrieg setzte. Dieses unvergesse- ne Bild des Friedensnobelpreisträgers eignet sich daher hervorragend zur Unterstützung des Friedens-Narrativs. Die Erinnerungsorte sind dabei stets eng mit einzelnen Personen und ih- rem Handeln verknüpft, die als pars pro toto für die ganze SPD stehen sollen. Neben den be- reits erwähnten Personen werden insbesondere Ferdinand Lassalle, Friedrich Ebert sowie die beiden Politikerinnen Marie Juchacz und Elisabeth Selbert hervorgehoben. Besonders die letzten beiden sind interessant. Nicht nur von Seiten der SPD, sondern auch in der Presse werden diese beiden eher unbekannten Politikerinnen der SPD gewürdigt. Der SPD gelingt es damit wesentlich besser, ihre Verdienste um die Emanzipation der Frauen hervorzuheben.

114

Inhaltlich schuf die SPD also eine stringente Meistererzählung. Wie aber versuchte sie diese organisatorisch durchzusetzen? Die Untergliederungen der SPD organisierten flächendeckend Veranstaltungen, die sich in ihrer inhaltlichen Gestaltung stark an den zentralen Feierlichkei- ten orientierten. Dies war sicher die pragmatischste Lösung und so auch geplant, wie ein Leit- faden des Sekretariats 150 Jahre SPD beweist.550 Im Fokus des öffentlichen und parteipoliti- schen Interesses standen aber ohnehin die zentralen Feierlichkeiten in Leipzig und Berlin. Beim Festakt in Leipzig, der am Jahrestag, dem 23. Mai, stattfand, wurden die historischsten Reden gehalten. Hier wurde von prominenter SPD-Seite ihre Deutung der Geschichte präsen- tiert. Es war der SPD darüber hinaus aber auch wichtig, Repräsentanten der Republik und anderer Parteien zu Gegen zu haben. Dieses Vorhaben gelang; Bundespräsident Gauck sprach eine sehr wohlwollende Rede, in der er die Narrative der SPD-Erzählung im Wesentlichen teilte. Bundeskanzlerin Merkel, die überdies im Mitgliedermagazin die Partei beglückwünsch- te, war als Gast vor Ort, ebenso die Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien. Auch Vertreter der beiden Kirchen sowie der jüdischen und muslimischen Religion gratulierten. Selbst der Arbeitgeberverband entzog sich nicht der Geschichtspolitik der SPD. An dieser Zusammensetzung der Feierlichkeiten lässt sich zweierlei ablesen. Erstens ging der Adressa- tenkreis weit über die eigenen Mitglieder hinaus, denn dafür wäre es nicht nötig gewesen, Repräsentanten konkurrierender Parteien einzuladen. Diese Konzeption dürfte zum überwie- genden Teil dem zeitlichen Hintergrund der nahenden Bundestagswahl geschuldet gewesen sein. Zweitens zeigt diese Veranstaltung, dass die SPD von der politischen Konkurrenz voll- auf akzeptiert war. Ein Nicht-Erscheinen von Merkel und Gauck wäre mit großer Wahr- scheinlichkeit als unanständig aufgefasst worden.

Das Deutschlandfest in Berlin war im Gegensatz zum Festakt in Leipzig auf den ersten Blick als an die breite Öffentlichkeit adressiert zu erkennen. Im Vordergrund stand dabei auch nicht die Geschichte der Sozialdemokratie. Der 150. Geburtstag war vielmehr nur der Aufhänger für eine Wahlkampfveranstaltung mit Event-Charakter, in deren Mittelpunkt der Kanzlerkan- didat Peer Steinbrück stand. Immerhin einige hunderttausend Menschen besuchten das Spek- takel. Ein messbarer Einfluss auf das Bundestagswahlergebnis kann jedoch nicht festgestellt werden.

Leider liegen für die Planungen des 150-jährigen Jubiläums noch keine internen Dokumente vor, daher lassen sich nur begrenzt valide Aussagen über die Intentionen der Akteure machen. Aus den äußeren Umständen der Konzeption, dem Kontext des Bundestagswahljahrs und dem

550 Vgl. SPD Sekretariat 150 Jahre SPD: Parteijubiläum 2013. Roter Faden für die Arbeit vor Ort. Berlin 2012. 115

Inhalt der Reden, kann jedoch die Vermutung begründet werden, dass in der Gesamtschau, also unter Berücksichtigung der zentralen Veranstaltungen, der Reden und der Publikationen die breite Öffentlichkeit der Adressat des Jubiläumsjahres war. Der 150. Geburtstag war zu allererst Munition im Bundestagswahlkampf. Zumindest inhaltlich setzte sich die SPD weit- gehend durch. Ihre Erzählung wurde von einem Großteil der Öffentlichkeit akzeptiert, sie wurde nicht nur von Bundeskanzlerin und Bundespräsident getragen, sondern auch in weiten Teilen von der Presse, die zentrale Narrative und dazugehörige Erinnerungsorte übernahm.

Dennoch tat sich sowohl in der Presse als auch bei weiteren Akteuren Widerspruch zur SPD- Erzählung auf. Dieser lässt sich wieder in zwei relativ homogene Gruppen einteilen: die Ge- generzählung von links und die Gegenerzählung von rechts.

Die Gegenerzählung von links wurden von unterschiedlichsten Akteuren vertreten: Von Poli- tikern der Partei DIE LINKE, von Journalisten wie Jakob Augstein, bis hin zu Intellektuellen und Schriftstellern wie Jutta Ditfurth. Die linke Gegenerzählung deutete die Geschichte der Sozialdemokratie als eine Geschichte der Abkehr der SPD von ihren ursprünglichen Zielen, bis hin zu einer Verdammung der gegenwärtigen SPD, und erhob gleichsam selbst den An- spruch auf das Erbe der SPD, weil man für die positiven Traditionen der Sozialdemokratie stünde. Diese beiden Narrative, Verdammung und Inanspruchnahme, verbinden sich zu einer Meistererzählung, in der die SPD des Jahres 2013 aufgehört hat, sozialdemokratisch zu sein und so ihren Anspruch auf das Erbe der Sozialdemokratie verwirkt hat oder zumindest mit anderen Linken teilen muss. Das Verdammungs-Narrativ findet sich in abgestufter Härte in allen untersuchten Beiträgen der LINKEN-Spitzenpolitiker. Aber auch einzelne Journalisten und Intellektuelle folgen diesem Narrativ. Das Verdammungs-Narrativ lässt die Abkehr der SPD von der Sozialdemokratie in den meisten Fällen bei der Zustimmung zu den Kriegskredi- ten 1914 beginnen. Besonders in diesem Zusammenhang ist auch gern von Verrat die Rede. Andere wie der LINKE-Fraktionschef Gysi sind gnädiger und erkennen erst in den rot-grünen Regierungsjahren ab 1998 eine endgültige Abkehr der SPD von ihren Wurzeln. Aus dieser Sicht auf die SPD und ihre eigene Geschichte macht DIE LINKE darüber hinaus einen Streit um das Erbe der Sozialdemokratie. Demnach sieht sie sich selbst als mindestens gleichberech- tigt mit der SPD, den 150. Geburtstag des ADAV als Gründung zu feiern. „Lassalle gehört auch der LINKEN“ heißt es dann, im Falle von Bebel und Liebknecht gar, dass sie heute wahrscheinlich in der LINKEN Mitglied wären. Auch die Feierlichkeiten der SPD kritisiert DIE LINKE dabei, wenn sie postuliert, die würdigere 150-Jahr Feier fände nicht in Leipzig,

116 sondern bei den „Blockupy“-Protesten gegen die europäische Krisenpolitik in Frankfurt am Main statt.

Wenn die Akteure der Linken und insbesondere der LINKEN also inhaltlich die SPD- Erzählung offensiv angriffen, so versuchten sie doch nicht ernsthaft ihre Gegenerzählung durch Feierlichkeiten oder Publikationen zu untermauern. Diese Aktivitäten beschränkten sich auf Konferenzen und Papiere der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Gegenerzählung von rechts ist 2013 weit schwächer vertreten als die von links. Politiker und Intellektuelle sind hier als Akteure nicht vertreten, lediglich in konservativ-liberalen Zei- tungen wird man fündig. Wie auch die linke Gegenerzählung setzt die rechte Gegenerzählung an der SPD des Jahres 2013 an. Die Gegenerzählung von rechts analysiert den Zustand dieser SPD allerdings genau umgekehrt. Demnach habe sich die SPD nicht von ihren Wurzeln ent- fernt, indem sie keine soziale Politik mehr betreibe, sondern hänge eben diesen überkomme- nen sozialdemokratischen Politikzielen nach. Eine SPD, die immer noch eine Politik der Um- verteilung verfolge, einen veralteten an Verteilung orientierten Gerechtigkeitsbegriff statt Chancengerechtigkeit vertrete, sei überflüssig geworden. Dieses Narrativ einer überflüssig gewordenen Partei lässt sich in allen rechten Gegenerzählungen finden. Dabei würdigt diese durchaus die Verdienste der SPD um die Demokratie in Deutschland. Wenn sie aber eine Zu- kunft haben wolle, müsse sie sich wieder stärker Fragen der Freiheit und der Politik, statt dem Sozialen zuwenden. Besonders positiv wird in dieser Gegenerzählung dann auch das Godes- berger Programm und die Kanzlerschaft Gerhard Schröders gewürdigt, die in der SPD- Erzählung von 2013 keine herausgehobene Stellung einnehmen. Eine ernsthafte Herausforde- rung der SPD-Erzählung stellte die Gegenerzählung von rechts somit nicht dar.

Zusammenfassend haben wir es also 2013 mit einer dominanten SPD-Erzählung, die weit über die eigene Partei hinaus Zustimmung erfuhr, und einer immerhin noch wahrnehmbaren Gegenerzählung von links zu tun. Die Gegenerzählung von rechts muss hingegen als minori- tär bezeichnet werden. Sowohl die SPD-Erzählung als auch die linke Gegenerzählung lassen sich dabei als Meistererzählungen klassifizieren. Obwohl der Streit um das Erbe der sozial- demokratischen Identität, die Konkurrenzsituation der beiden Parteien SPD und LINKE, na- turgemäß ein großes Konfliktpotential besaß, begegneten sich die beiden doch mit Respekt. Dennoch blieb der Streit um das Erbe nicht ganz ohne Reibereien. So wurde der ehemalige SPD-Vorsitzende und LINKEN-Politiker Oskar Lafontaine als einziger ehemaliger Vorsit- zender nicht zum Festakt in Leipzig eingeladen. Auch ein Glückwunschschreiben der LIN- KEN fehlte als einziges der im Bundestag vertretenen Parteien im Vorwärts Extra. 117

4 Die sozialdemokratischen Jubiläen 1963 und 2013 – Geschichtspo- litik im Vergleich

Nachdem nun die Untersuchung beider Jubiläen abgeschlossen und ein synchroner Vergleich der jeweiligen Erzählungen und Gegenerzählungen durchgeführt wurde, soll nun im Folgen- den die vorliegende Arbeit mit einem diachronen Vergleich abgeschlossen werden. Sowohl Veränderungen als auch Kontinuitäten sind dabei von Interesse. Zunächst werden die Erzäh- lung von 1963 und 2013 verglichen, dann die Gegenerzählungen von 1963 und 2013.

4.1 Erzählungen

Die Erzählung von 2013 weist eine bemerkenswerte Kontinuität zu der von 1963 auf. Hier zeigt sich die typische Langlebigkeit einer Meistererzählung. Demnach ist die Geschichte der Sozialdemokratie die des guten Deutschland. Im Zentrum steht das Demokratie-Narrativ, wo- nach die SPD oft allein und unter großen Opfern für die Demokratie kämpfte. Um dieses De- mokratie-Narrativ sind 1963 wie 2013 mit dem Vaterlands-Narrativ, dem Friedens-Narrativ und dem Gerechtigkeit-Narrativ weitere Narrative angeordnet. Unterschiede finden sich ledig- lich im Aufbau der Narrative, etwa den verwendeten Begriffen sowie der Gewichtung der Narrative und ihrer Erinnerungsorte.

So wird 2013 die Rolle der Sozialdemokraten bei der Revolution gegen das DDR-Regime mit in das Demokratie-Narrativ aufgenommen, dafür treten das Wirken der Sozialdemokratie im Kaiserreich und die Unterdrückung durch die Sozialistengesetze in den Hintergrund. Als be- deutendster Erinnerungsort 1963 wie 2013 kann aber jeweils die Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz betrachtet werden. Auch die Rolle der SPD bei der Gründung der Weimarer Republik und das Wirken von Kurt Schumacher spielen in beiden Erzählungen eine hervorgehobene Rolle. Dieser Befund kann nicht überraschen. Die Rede von Otto Wels hat sich nicht nur in das politische Gedächtnis der SPD unauslöschlich eingebrannt, sondern ist auch heute noch Bestandteil des nationalen Gedächtnisses. Sie findet sich in zahlreichen Schulbüchern und darf in kaum einem medialen Beitrag zum Ermächtigungsgesetz fehlen. 118

Das Modell Aleida Assmanns vom Funktionsgedächtnis macht den Gegenwartsbezug dieses Erinnerungsortes im Jahr 1963 wie 2013 offenkundig. In beiden Jahren erfüllte er für die SPD die Funktion der Distinktion, für die Bundesrepublik die Funktion der Legitimation. Daher überlebt dieser Erinnerungsort aufgrund seiner herausragenden Funktionalität in der Ge- schichtspolitik den langen Schatten des sozialen Gedächtnisses. Diese Funktionalität ist etwas weniger ausgeprägt auch bei der Gründung der Weimarer Republik als der ersten deutschen Demokratie und dem Wirken Kurt Schumachers als perfektes Bindeglied zwischen den ver- schiedenen Narrativen gegeben. Dahingegen hat das Engagement der Sozialdemokraten im Kaiserreich an Funktionalität eingebüßt und ist auch aus dem sozialen Gedächtnis ver- schwunden.

Die größte Veränderung innerhalb eines Narrativs fand zwischen 1963 und 2013 zweifellos im Vaterlands-Narrativ statt. Während die SPD des Jahres 1963 bemüht war, sich und ihre historischen Führungspersonen als Patrioten darzustellen, wird dieser Begriff 2013, mit der Ausnahme Gerhard Schröders, nicht benutzt. Stattdessen heißt es, die SPD zeichne sich dadurch aus, immer das Wohl des Landes über das der Partei zu stellen. Diese Veränderung lässt sich ebenfalls durch einen Rückgriff auf das Bild vom Funktionsgedächtnis erklären. Der Begriff Patriotismus ist 2013 dysfunktional geworden. 1963 hingegen stand die SPD immer noch unter dem Verdacht, nur aus „vaterlandslosen Gesellen“ zu bestehen. Vor allem der spä- tere Kanzler Willy Brandt wurde in einer beispiellosen Diffamierungskampagne von Seiten der CDU/CSU mit dem Vorwurf mangelnden Patriotismus‘ überzogen. Die SPD versuchte auch mit Hilfe ihrer Geschichtspolitik Legitimation als potentielle Regierungspartei zu erhal- ten. Daher ergab es Sinn, die Angriffe der politischen Konkurrenz zu kontern, indem man sich selbst als die vaterländische Partei ausgab, zumal die SPD dafür durchaus historische Vorla- gen hatte. Diese Auseinandersetzung bestand 2013 nicht mehr. Die SPD musste niemandem mehr ihre Vaterlandsliebe beweisen. Im Gegenteil, der Begriff Patriotismus war nicht mehr unumstritten, stand im Verdacht, nur eine unscharfe Trennung zum Nationalismus aufzuwei- sen, wie etwa die Diskussion um den Namen des Deutschlandfestes zeigt. Stattdessen galt es 2013, insgesamt 27 Jahre Regierungsverantwortung in der Bundesrepublik und drei Bundes- kanzler der SPD in die historische Deutung zu integrieren. Als Leitmotiv ihrer Regierungsjah- re erkor die SPD dafür den Spruch „Zuerst das Land, dann die Partei“ aus. Der Anspruch, Volkspartei sein zu wollen, die das Wohl der ganzen Nation über Partikularinteressen stellt, wird darin deutlich.

119

Trotz der Verantwortung für Militäreinsätze seit Ende der 1990er im ehemaligen Jugoslawien und in Afghanistan änderte sich am Friedensnarrativ wenig. Dies war auch nicht nötig, ließen sich doch diese Militäreinsätze gut in das Narrativ einer nicht-pazifistischen Partei, die aber Angriffskriegen und Annexionen ablehnend gegenübersteht, einordnen. Mit dem Kniefall des späteren Friedensnobelpreisträgers Willy Brandts in Warschau kam zudem ein eindrücklicher Erinnerungsort hinzu.

Nicht nur inhaltlich weist die Geschichtspolitik der SPD von 2013 eine große Kontinuität zu 1963 auf. Auch organisatorisch sind bemerkenswerte Parallelen zu erkennen. Sowohl 1963 als auch 2013 gab es eine Zweiteilung der Feierlichkeiten in einen Festakt des Parteivorstands in Hannover und ein Deutschlandtreffen in Hamburg 1963 und einen Festakt in Leipzig und ein Deutschlandfest in Berlin 2013. In beiden Fällen war der Festakt der Ort, an dem die histori- schen Reden gehalten wurden, das Deutschlandtreffen bzw. -fest die Veranstaltung mit Eventcharakter, bei denen die Kanzlerkandidaten im Vordergrund standen. 1963 wie 2013 bemühte sich die SPD um eine Einbindung von Bundeskanzler und Bundespräsident in den Festakt. Die Selbstverständlichkeit mit der die beiden hohen Repräsentanten des Staates die- sem Wunsch 2013 nachkamen, zeigt die große Veränderung, die die Beziehung der SPD zu ihrer politischen Konkurrenz in den 50 Jahren erlebt hatte, ließen sich doch Bundeskanzler und Bundespräsident 1963 lediglich für ein Grußschreiben gewinnen. Auch die Wanderaus- stellung, mit der die SPD 1963 in zahlreichen Städten ihre Geschichte präsentierte, war 2013 wieder im Programm. Diese großen Parallelen zu 1963 legen den Schluss nahe, dass sich die Organisatoren des 150-jährigen Jubiläums an der Organisation des 100-jährigen Jubiläums orientierten.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass inhaltlich wie organisatorisch die Ge- schichtspolitik der SPD zum 100- und 150-jährigen Jubiläum eine unbestreitbar große Konti- nuität aufweist. Veränderungen sind nur im Detail festzustellen und angesichts der veränder- ten Rahmenbedingungen bemerkenswert gering. Die bedeutenderen Veränderungen zeigen sich im Verhalten der politischen Konkurrenz. Hierbei zeigt sich, dass der „Abschied von der Traditionskompanie“ im Jahr 1963 in den Köpfen der SPD vielleicht schon vollzogen, aber noch nicht flächendeckend akzeptiert war. 2013 hingegen war dieser Wandel längst abge- schlossen und auch von der politischen Konkurrenz angenommen.

120

4.2 Gegenerzählungen

Auch die Gegenerzählungen von links weisen eine große Kontinuität zwischen 1963 und 2013 auf. Das ist nicht selbstverständlich, hat sich doch mit dem Untergang des Staatssozia- lismus die Grundlage linker Politik massiv verändert. Dennoch hat die Meistererzählung den Zusammenbruch der DDR überstanden. Demnach habe sich die SPD von ihren Wurzeln im 19. Jahrhundert entfernt, und könne keinen (alleinigen) Anspruch mehr auf das Erbe der alten Sozialdemokratie erheben. Getragen wird diese Gegenerzählung 1963 wie 2013 von zwei ineinandergreifenden Narrativen, die hier mit den Begriffen Verdammung und Inanspruch- nahme beschrieben werden. Das Verdammungs-Narrativ vergleicht die jeweils gegenwärtige SPD mit einer Sozialdemokratie, wie sie die Autoren in der Geschichte auszumachen glauben. Dabei wird üblicherweise der Schluss gezogen, die SPD habe sich von dieser Sozialdemokra- tie weit entfernt. Das Inanspruchnahme-Narrativ setzt am Verdammungs-Narrativ an und ver- sucht, das Erbe der Sozialdemokratie für sich selbst in Anspruch zu nehmen.

Die stoffliche Seite dieser Narrative veränderte sich in den 50 Jahren jedoch deutlich. So wur- de 2013 die Agenda 2010 in das Verdammungs-Narrativ mit aufgenommen. Darüber hinaus änderte sich insbesondere die Rhetorik des Verdammungs-Narrativs. So wurde die SPD nicht mehr als willfähriger Helfer des Monopolkapitals oder Untertan des Ausbeuterstaates be- schrieben. Dennoch finden sich auch in der Gegenerzählung von 2013 noch Begriffe wie Ver- rat. Dieser wird besonders gern mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten für den Ersten Weltkrieg verbunden, wie schon 1963. Dieser Erinnerungsort ist von besonderer überzeitli- cher Bedeutung. Sowohl von Seiten der SED wie auch der LINKEN erfüllte er die Funktion einer Delegitimierung der SPD, die die Arbeiterklasse verraten habe, wie auch der eigenen Legitimierung, weil diese Entscheidung die eigene Abspaltung nötig gemacht habe, wodurch ihm gleichsam eine distinktive Funktion zukommt. Damit bildet dieser Erinnerungsort eine ideale Schnittstelle zwischen Verdammungs- und Inanspruchnahme-Narrativ.

Zwar war die Deutung des Jahres 1914 im Inanspruchnahme-Narrativ des 100- wie 150- jährigen Jubiläums gleich, und auch auf die Personen Bebel und Liebknecht bezog man sich in beiden Jubiläumsjahren positiv. Insbesondere 2013 versuchte DIE LINKE die beiden Poli- tiker für sich zu vereinnahmen, wenn sie postulierte, die beiden wären heutzutage Mitglied der LINKEN. Dennoch änderte sich die Beschaffenheit des Inanspruchnahme-Narrativs in den 50 Jahren stärker als die des Verdammungs-Narrativs. Der entscheidende Unterschied lag

121 in der Sicht auf Ferdinand Lassalle. Wurde 1963 der SPD noch vorgeworfen, die Geschichte zu verfälschen, indem sie Lassalle zum Gründervater der Sozialdemokratie erklärte, berief sich DIE LINKE 2013 selbst auf ihn, als sie die Losung: „Lassalle gehört auch der LINKEN“ ausgab. Dafür treten Marx und Engels in der linken Gegenerzählung des Jahres 2013 zurück, obwohl die SPD-Geschichtspolitik mit ihrer Hervorhebung des Jahres 1848 eine gute Vorlage gab, die beiden in den Vordergrund zu rücken. Allerdings war die Funktionalität nicht mehr gegeben. Während die SED als marxistisch-leninistische Partei ein ureigenes Interesse daran hatte, die Bedeutung Marx‘ für die politische Organisierung der deutschen Arbeiterbewegung zu betonen, war es für DIE LINKE im Jubiläumsjahr wichtiger, den Jahrestag, der nur wenig mit Marx zu tun hatte, für sich selbst zu nutzen. Obwohl Formulierungen wie „Lassalle gehört auch der LINKEN“ ein gemeinsames Erbe von SPD und LINKEN implizieren, kam das Inan- spruchnahme-Narrativ auch 2013 nicht umhin, der SPD das Recht abzusprechen, eine würdi- ge Erbin der Sozialdemokratie zu sein. Die Parallelen der Gegenerzählung von links zwischen 1963 und 2013 sind dabei frappierend und reichen bis ins Phraseologische. So kommentierte etwa das Politbüromitglied Friedrich Ebert die Feierstunde in Hannover mit den Worten: „Nicht die Festredner von Hannover – die streikenden Metallarbeiter begingen den 100. Jah- restag würdig“. Ganz ähnlich bewertete die LINKEN-Vorsitzende Katja Kipping den Festakt in Leipzig. Ihrer Meinung nach fand „[d]ie würdigere […], wenn man will die bessere Ge- burtstagsparty, […] nicht bei der 150-Jahr-Feier der SPD statt, sondern in Frankfurt bei den Blockupy-Protesten […].“

Die organisatorischen Parallelen, die zwischen der SPD-Geschichtspolitik zum 100-jährigen und 150-jährigen Jubiläum zu beobachten sind, lassen sich bei der linken Gegenerzählung nicht feststellen. Die Ressourcen, die der SED 1963 zur Verfügung standen, konnte DIE LINKE nicht mehr nutzen. Ihre Geschichtspolitik wurde nicht mehr von einem ganzen Staat forciert. Dafür wurde das Verdammungs-Narrativ weit über ihre Parteigrenzen hinaus geteilt. Journalisten und Intellektuelle argumentierten hier wie DIE LINKE. Die Wirksamkeit der Gegenerzählung von links war in der Bundesrepublik daher 2013 weitaus höher als 1963, wo keine Politiker und kaum Journalisten, Wissenschaftler und Intellektuelle als Akteure in der Lage waren die Geschichtspolitik der SPD von links anzugreifen.

Die Gegenerzählung von rechts weist im Unterschied zur SPD-Erzählung und der Gegener- zählung von links kaum Parallelen zwischen dem 100-jährigen und 150-jährigen Jubiläum auf. Dies kann nicht verwundern, gab es zwar 1963 ein leitendes Narrativ, dass sich durch die wenigen Zeitungsartikel zog, die die Gegenerzählung von rechts trugen. Diese beschränkte

122 sich aber darauf, die SPD-Erzählung an ihrem verwundbarsten Punkt, dem Demokratie- Narrativ, anzugreifen. Eine große und kohärente Gegenerzählung, die die Geschichte der So- zialdemokratie auf bestimmte Leitbegriffe herunterbricht, wurde dabei nicht konstruiert, schon gar keine Gegenerzählung, die die dominante Erzählung der SPD öffentlich herausge- fordert hätte.

So verschwand auch das Abkehr-Narrativ der Gegenerzählung von 1963, weil es sich ledig- lich an der Geschichtspolitik der SPD von 1963 abarbeitete. Ob die SPD nun 1963 ihre Ah- nengalerie umhing oder nicht, war 2013 nicht mehr relevant. So kam zum 150-jährigen Jubi- läum ein neues Narrativ auf, das von der Überflüssigkeit der SPD handelte. Es kritisierte die SPD dafür, sich zu sehr ihrer falsch verstandenen Frühgeschichte anzunähern, statt die Politik von Bad Godesberg oder Gerhard Schröder weiterzuführen. Diese beiden Erinnerungsorte empfiehlt die Gegenerzählung von rechts der SPD als Beispiele für die Zukunft.

Auffällig sind bei der Gegenerzählung von rechts beider Jahre ihr jeweiliges Verhältnis zur Gegenerzählung von links. 1963 konstatierten beide Gegenerzählungen eine Abkehr der SPD von ihren alten Vorstellungen. Beide empfanden die Berufung der SPD auf Lassalle als Bruch. In der Gegenerzählung von links wurde dies als „Fälschung“, in der Gegenerzählung von rechts als „Umsortieren“ beschrieben. Die beiden Gegenerzählungen beschrieben also die Entwicklung der SPD gleich, nur dass diese Entwicklung von der Gegenerzählung von links verdammt, in der Gegenerzählung von rechts grundsätzlich begrüßt wurde. Dieses Verhältnis verkehrte sich 2013 ins Gegenteil. Während die Gegenerzählung von links, der SPD vorwarf, sich nicht mehr an ihre Politik der Gerechtigkeit früherer Zeiten zu orientieren, kritisierte die Gegenerzählung von rechts, dass die SPD eben dies täte.

5 Schlussbetrachtung und Ausblick

Das Ergebnis des diachronen und synchronen Vergleichs der Geschichtspolitik der sozialde- mokratischen Jubiläen 1963 und 2013 fällt zwiespältig aus. Manches bestätigte die Vermu- tungen, die ein Kenner der Geschichte der Sozialdemokratie über die Geschichtspolitik hegen musste, anderes überraschte. Ein wenig verblüffendes Ergebnis ist die inhaltliche Beschaffen- heit der Meistererzählung der SPD, die sich zwischen 1963 und 2013 kaum änderte, und die die Geschichte der Sozialdemokratie als die Geschichte des anderen, des besseren Deutsch- 123 land zeichnet. Bemerkenswert sind hingegen die organisatorischen Parallelen zwischen bei- den Jubiläen. Die Planungen von 2013 orientierten sich mit großer Wahrscheinlichkeit am Ablauf des 100-jährigen Jubiläums 1963.

Die Gegenerzählung von links, die als Meistererzählung eine Abkehr der SPD von ihren sozi- aldemokratischen Wurzeln postuliert, und 50 Jahre überdauerte war ebenfalls zu erwarten. Ungewollt komisch erscheint dabei die veränderte Sicht auf Lassalle, dem 1963 seine bedeu- tende historische Rolle abgesprochen wurde, um dann 2013 zu postulieren, er gehöre auch der LINKEN. Wenig überraschend ist die inhaltliche wie organisatorische Schwäche der Gegen- erzählung von rechts, die ohne distinktive Ambition die Jubiläen begleitete und so auch nicht zu einer Meistererzählung fand.

Die vorliegende Arbeit hat außerdem gezeigt, wie weit der „Abschied von der Traditions- kompanie“ 1963 bereits fortgeschritten war. Die Planung war nach damaligen Maßstäben professionell und auf einen Adressatenkreis weit über die eigene Mitgliedschaft hinaus ge- richtet. Die SPD wollte nun auch in ihrer Geschichtspolitik Volkspartei sein. Nahezu voll- ständig von sogenannten Modernisierern organisiert, hatte sich die SPD hier offenkundig endgültig vom sozialdemokratischen Milieu verabschiedet. Bei der politischen Konkurrenz war dies aber noch nicht ganz angekommen, blieb sie doch den Feierlichkeiten trotz großen Bemühens der SPD um ihre Anwesenheit fern. Die wohlmeinenden Grußadressen zeigen aber auch hier schon einen Wandel an, der zu den Feierlichkeiten des 150-jährigen Jubiläums mit den Besuchen Merkels und Gaucks beim Festakt in Leipzig längst vollendet war.

Es wird spannend sein, zu sehen, ob die große Kontinuität, die sich in der Geschichtspolitik des 100- und 150-jährigen Jubiläums zeigt, sich noch bis zum 200-jährigen Jubiläum 2063 erstrecken wird. Vielleicht wird dann ein Blick auf die internen Dokumente, die der vorlie- genden Arbeit nicht zugänglich waren, die Ergebnisse der vorangegangen Seiten weiter un- termauern können.

124

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Stur, Daniel Friedrich: Für Brösel bricht Steinbrück sein Bier-Versprechen. In: Die Welt vom 17.08.2013. URL: http://www.welt.de/119124558 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015].

Sturm, Daniel Friedrich: Illustre Gäste beim Geburtstag der alten Tante SPD. In: Die Welt vom 20.05.2013. URL: http://www.welt.de/politik/deutschland/article116358391/Illustre-Gaeste-beim- Geburtstag-der-alten-Tante-SPD.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015].

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Sturm, Daniel Friedrich: Und alle applaudieren der SPD. In: Die Welt vom 24.05.2013. URL: http://www.welt.de/116469167 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015].

Süddeutsche Zeitung: 23. Mai 1863. In: Süddeutsche Zeitung vom 18. Mai 2013, S. V2/9.

Süddeutsche Zeitung: Das Streiflicht. In: Süddeutsche Zeitung vom 11./12. Mai 1963, S. 1.

Süddeutsche Zeitung: Das Streiflicht. In: Süddeutsche Zeitung vom 11./12.05.1963, S. 1.

Süddeutsche Zeitung: Die SPD wirbt. In: Süddeutsche Zeitung vom 02. September 1963, S. 3.

Süddeutsche Zeitung: Ein neuer Stil für die Union. In: Süddeutsche Zeitung vom 13. Mai 1963, S. 3.

Süddeutsche Zeitung: SPD begeht den 50. Todestag Bebels. In: Süddeutsche Zeitung vom 12. August 1963, S. 4.

Süddeutsche Zeitung: Wilson für Truppenabzug aus Mitteleuropa. In: Süddeutsche Zeitung vom 02. September 1963, S. 1-2.

Süddeutsche Zeitung: Zitate aus 150 Jahren SPD. „Freiheit und Leben kann man uns nehmen – die Ehre nicht!“ In: Süddeutsche Zeitung vom 22. Mai 2013. URL: http://www.sueddeutsche.de/politik/zitate-aus-jahren-spd-freiheit-und-leben-kann- man-uns-nehmen-die-ehre-nicht-1.1674180 [zuletzt abgerufen: 16.08.2015].

Tuma, Thomas: Weltkrise privat. Wenn Siggi Popp rockt. URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/weltkrise-privat-wenn-siggi-pop-rockt-a- 655668.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015].

Vesper, Karlen: Wem gehört Lassalle? In: Neues Deutschland vom 13.04.2013. URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/818586.wem-gehoert- lassalle.html?sstr=panke [zuletzt abgerufen: 16.08.2015].

Vogel, Hans-Jochen: Unbeugsam und mutig – selbst im Angesichts des Terrors. In: Vorwärts Extra, S. 56.

Voigtländer, Kurt: Seine Idee lebt und siegt. In: Berliner Zeitung vom 05.05.1963, S. 5.

Voigtländer, Kurt: Tragikomödie in Hannover. In: Berliner Zeitung vom 19.05.1963, S. 5.

Vorwärts: An der Schwelle des zweiten Jahrhunderts. Willy Brandts große programmatische Rede beim Kongreß des 3. Deutschland-Treffens der SPD in Hamburg. In: Vorwärts vom 04.09.1963, S. 4-5, hier S. 4.

Vorwärts: Arbeiter sind wir alle. In: Vorwärts Extra, S. 32-33.

Vorwärts: Aufruf zur Mitarbeit für eine bessere Welt. Erich Ollenhauer. Rückblick auf ein Jahrhundert. Auftakt in Bochum. In: Vorwärts vom 24.04.1963, S. 1.

Vorwärts: Buchtipps. In: Vorwärts Extra, S. 130.

Vorwärts: Hundert Jahre Sozialdemokratie. Festvortrag Prof. Carlo Schmids in Hannover. In: Vorwärts vom 15. Mai 1963, S. 3. 137

Wagner, Franz-Josef: Post von Wagner. In: Bild vom 24.05.2013, S. 2.

Winkler, Heinrich August: Worauf die Sozialdemokraten stolz sein können. URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/150-jahre-spd-historiker-winkler-gratuliert- den-sozialdemokraten-a-900579.html [zuletzt abgerufen: 16.08.2015].

Würtz, Georg: Das Deutschlandtreffen der SPD. In: Süddeutsche Zeitung vom 30. August 1963, S. 1-2.

Würtz, Georg: SPD fordert besseres Bildungswesen. In: Süddeutsche Zeitung vom 31. Au- gust/01. September 1963.

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Anhang

Erklärung

Ich erkläre, dass ich die Arbeit selbstständig angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken, gegebe- nenfalls auch elektronischen Medien, entnommen sind, sind von mir durch Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht. Entlehnungen aus dem Internet sind durch Angabe der Quelle und des Zugriffsdatums sowie dem Ausdruck der ersten Seite belegt; sie liegen zudem für den Zeitraum von 2 Jahren entweder auf einem elektronischen Speichermedium im PDF- Format oder in gedruckter Form vor.

Freiburg, den 17. August 2015

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