MITTEILUNGEN DER DEUTSCHEN MATHEMATIKER- VEREINIGUNG 2020 28 2

RICHARD-RADO-PREIS 2020 … MATHEMATISCHE KOMPLEXITÄTSREDUKTION … MARIE-FRANÇOISE ROY IM GESPRÄCH … 150 JAHRE JAHRBUCH ÜBER DIE FORTSCHRITTE DER MATHEMATIK … DIE TRANSFORMATION VON ZBMATH MITTEILUNGEN DER DMV online

Als Mitglied der DMV können Sie alle in den neuesten Mit- 3. Klicken Sie auf den blau hinterlegten Link in der nun ge- teilungen erschienenen Beiträge als PDF-Datei herunterla- öffneten Seite, um auf die de Gruyter-Webseite weiterge- den, sobald Sie sich auf mathematik.de angemeldet haben. leitet zu werden: Beginnend mit diesem Jahrgang können die einzelnen Aus- gaben der Mitteilungen jetzt auch als Gesamt-PDF-Datei ab- gerufen werden. Beiträge in den Mitteilungen, deren Erscheinen mehr als zwölf Monate zurückliegt, sind unter www.degruyter.com/ view/journals/dmvm/dmvm-overview.xml frei zugänglich.

So funktioniert es:

1. Rufen Sie mathematik.de auf, klicken Sie auf das Per- 4. Sie sind nun auf der de Gruyter-Plattform angemeldet sonensymbol, anschließend auf „Login“ und geben Sie und haben uneingeschränkten Zugriff auf die Mitteilun- dann in der Maske Ihren Benutzernamen und Ihr Pass- gen. Wählen Sie „Neuestes Heft“ für die aktuelle Ausgabe wort ein. (Wenn Sie sich erstmals anmelden, müssen Sie oder „Hefte“, um einen Beitrag in einer anderen Ausgabe sich hier zuerst registrieren.) abzurufen.

2. Öffne Sie Ihr „Profil“ und klicken Sie auf „DMV- 5. Wählen Sie die gewünschte Datei aus – im folgenden Mitteilungen online“: Screenshot ist es die Gesamtdatei des Heftes: Editorial

Im Film Truman Show werden Dutzende Menschen dafür Spanischen Bürgerkrieg ist Pablo mit zwei Gefährten gefan- bezahlt, einem einzigen Mann vorzugaukeln, die greifba- gen und erwartet seine Hinrichtung. Man bietet ihm sein re Welt, in der er lebt, sei die Realität. In einem Online- Leben und die Freiheit, wenn er das Versteck eines Freundes Semester muss man sich ganz alleine einreden, dass es hin- verrät. ter den virtuellen Vorlesungen und Übungen eine Realität Pablo lehnt ab. Aber kurz vor der Hinrichtung gibt er mit echten Studierenden gibt. Offen gestanden warte ich ein falsches Versteck an. Wenig später lässt man ihn frei. Er immer öfter darauf, dass ein Scheinwerfer während einer erfährt, dass man seinen Freund an dem von ihm angegebe- BigBlueButton-Vorlesung auf meinen Küchentisch fällt. nen Ort aufgegriffen hat – ein Versteck, in das der Freund Für gewöhnlich verstehe ich erst vor kurzer Zeit gewechselt hatte. nicht, weshalb Fachzeitschriften Soweit eine herzlich unglaubwür- noch gedruckt werden sollen. Aber dige Geschichte nach dem Motto: in diesen Tagen ist es eine Tugend Wie man’s macht, macht man’s falsch. der Mitteilungen, als gedruckte Hef- Und das von einem ziemlich begna- te mit den Händen greifbar zu sein. deten Autor und scharfsinnigen Ana- (Der virtuelle Zugriff auf die Mittei- lytiker des menschlichen Daseins. lungen ist übrigens ein wenig kom- Die Geschichte ist so unglaubwürdig, fortabler geworden: ab jetzt können dass, wenn sie sich wirklich ereig- Sie auch auf ganze Hefte zugreifen. net hätte, niemand Pablos Geschichte Auf der Seite gegenüber haben wir glauben würde. Wie wahrscheinlich das Verfahren für Sie noch einmal ist es, dass er unter allen Orten dieser zusammengestellt.) Welt unbeabsichtigt genau zum tref- Wir versuchen, die greifbaren fenden Zeitpunkt das Versteck nennt, Hefte der Mitteilungen zu nutzen, um in das sein Freund gerade geflüchtet virtuelle oder ausgefallene Treffen ist? und den für uns Mathematiker so Ist es nicht wahrscheinlicher und wichtigen Austausch zu unterstüt- auch verständlich, dass Pablo sich zen oder zu ersetzen. In diesem Heft doch für sein eigenes Leben ent- finden Sie eine virtuelle Preisverlei- schied? Und dass die Qual der Ent- hung, und Magdeburg stellt sich als Mathematik-Standort scheidung und der dringende Wunsch, er könne beides vor. Wir freuen uns darauf, mehr solche Vorstellungen zu – seine Freiheit gewinnen und den Freund nicht verraten – drucken. ihn irgendwann glauben ließen, er habe das falsche Ver- Im Frühjahr habe ich an der TU Braunschweig eine der steck genannt und nicht gewusst, dass es das richtige war? letzten Klausuren vor dem Lockdown schreiben lassen. Ein Abgeschnitten von der Welt unterliegen wir leichter der Student trug dabei eine Gesichtsmaske. Am Abend erhielt Selbsttäuschung. Wir brauchen die anderen, um vernünftig ich von ihm eine E-Mail, in der er sich bedankte, dass er zu bleiben. Und sei es nur als Beispiel dafür, wie wir nie so mitschreiben durfte und fragte, weshalb – anders als in werden wollen. seiner Heimat – hierzulande kaum jemand Masken trage. Auch mathematische Beweise brauchen prinzipiell und Wenn ich meine Überlegungen zu Masken von damals mit praktisch eine Gemeinschaft von Menschen, die sie nach- heute vergleiche, wird mir wieder einmal klar, wie sehr wir vollzieht. Dass ein mathematischer Satz einen Beweis auch oder gerade als rationale Menschen auf die Meinung braucht und nicht einfach gilt, weil eine Autorität oder der anderen angewiesen sind. ein Kreis von Eingeweihten ihn für richtig hält, bedeutet Das heißt nicht, dass man alles genauso sehen muss wie doch letztlich, dass dieser Satz nur Mathematik ist, weil die anderen. Zum Beispiel verstehe ich überhaupt nicht, er im Prinzip jedem anderen erklärt werden kann. Auch weshalb in Zeiten von permanenten Videokonferenzen der wenn es in der Realität oft nur wenige sind, denen man Corona-Bart Verbreitung findet: „Er fand es komisch, dass die mathematischen Argumente tatsächlich erklären könn- ein Mensch sich bei lebendigem Leibe die Haare ins Ge- te, muss ein real existierender Beweis auch von der realen sicht wachsen lässt“, heißt es in Jean-Paul Sartres Erzählung mathematischen Community verstanden werden. Die Mauer über den Helden Pablo. Er befindet sich in einer Isolation, die ungleich bedrohlicher ist als die meine: Im Sebastian Stiller

DOI ./dmvm--  Inhalt

Editorial 

Die Orte der DMV-Jahrestagungen seit  

Grußwort des Präsidenten Friedrich Götze 

Diskussion 

News, Tipps und Termine Thomas Vogt 

Richard-Rado-Preis  für Lisa Sauermann Éva Tardos 

Zwei graphentheoretische Probleme Lisa Sauermann 

Das DFG-Graduiertenkolleg GRK  „Mathematische Komplexitätsreduktion“ 

Geometrie optimaler Versuchspläne Thomas Kahle, Frank Röttger und Rainer Schwabe 

„Ein Teil des Graduiertenkollegs zu sein, hat unzählige Vorteile“ Katharina Vorwerk im Gespräch mit Johanna Bethge, Esther Mariucci und Henry Maximilian Wahl 

Frauen in der Mathematik Thomas Vogt im Gespräch mit Marie-Françoise Roy 

 DOI ./dmvm-- Logbuch Mathematik Thilo Kuessner 

Mathe studiert – und dann? Kristina Vaillant fragt Jens Ehm 

 Jahre – Ein Rückblick auf das „Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik“ Silke Göbel, Wolfram Sperber und Bernd Wegner 

Die Transformation von zbMATH zu einer offenen Plattform für die Mathematik Klaus Hulek und Olaf Teschke 

Wahl von DMV-Präsidiumsmitgliedern ab  Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten 

Einladung zur Mitgliederversammlung der DMV 

Einladung zur Jahrestagung der DMV 

Neue Mitglieder und Todesfälle Habilitationen und Promotionen 

DMV-Ansprechpartner/innen vor Ort 

Die DMV 

Impressum 

Lakritz-Rechtecke Matthias Lutz und Brigitte Lutz-Westphal 

Titelseite Lisa Sauermann (Foto: Privat)

 Die Orte der DMV-Jahrestagungen seit 

2003 Rostock

2015 Hamburg

1990 Bremen

Berlin 1992 1998 2007 (DMV-GDM)

Poznan 2014 (DMV-ptm)

Braunschweig 2016 (DMV-GAMM) 1991 Bielefeld

Paderborn (DMV-GDM) 2018 Duisburg Halle- 1994 Wittenberg 2002

K¨oln 2000 Dresden 2011 1996 Jena 2020 Bonn 2006 Chemnitz

1999 Mainz

2008 Erlangen 2004 2012 Saarbr¨ucken Heidelberg

2019 Karlsruhe

1995 M¨unchen 1993 Ulm (DMV-GDM) Linz (DMV-OMG)¨ 2001 2010 Wien (DMV-OMG)¨

2017 1997 Salzburg (DMV-OMG)¨

2009

Graz (DMV-OMG)¨

2013

Innsbruck (DMV-OMG)¨ 2005

Klagenfurt (DMV-OMG-SIAM)¨ (Darstellung: Christoph Eyrich Umrisskarte: Wikimedia Commons CC BY-SA . DE)

 DOI ./dmvm-- Grußwort des Präsidenten

Liebe DMV-Mitglieder, ren Teilnahmegebühren betragen  Euro. Ich hoffe, dass ich das Sommer-Semester war für viele an Schulen und Uni- damit Ihr Interesse geweckt habe, an dieser Jahrestagung versitäten in der Lehre tätige Mathematiker durch die Her- im Online-Format teilzunehmen (siehe auch S. ). ausforderungen der Vorlesungen und der Organisation des Im übrigen kann die DMV im September dieses Jahres Prüfungsbetriebs auf Online-Plattformen geprägt. Man- ihr -jähriges Bestehen feiern und uns an die Wiederverei- che Fachbereiche beklagen mittlerweile auch einen starken nigung der beiden deutschen Mathematischen Gesellschaf- Rückgang an Bewerbungen für studentischen Hilfskraft- ten in Ost und West vor  Jahren erinnern, nachdem es stellen für das kommende Semester. Viele Tutoren wurden im Jahre  eine Abspaltung der Mathematischen Gesell- offenbar durch ihre Erfahrungen bei der Kommunikation schaft der DDR gegeben hatte. Die Wiedervereinigung war mit ihren Studenten in den Online-Übungsgruppen dieses  (Friedrich Hirzebruch war in diesem Jahr Präsident) Semesters abgeschreckt, sich erneut zu bewerben. auch Anlass für die Einrichtung der Cantor-Medaille der Obwohl die Vortragstätigkeit von DMV zum Gedenken an Georg Can- Gästen in der Forschung pande- tor, der die Gründung der DMV  miebedingt sehr eingeschränkt ist, initiiert hatte. hat die mathematische Gemeinschaft In diesem Heft finden Sie nicht dies in vielen Fällen durch zahlreiche nur Éva Tardos’ Laudatio auf Lisa Online-Vorträge von Wissenschaftler- Sauermann anlässlich der Verleihung Innen aus aller Welt, die jetzt fast alle des Richard-Rado-Preises , son- unter denselben Bedingungen arbei- dern auch einen Beitrag, in dem Li- ten, mehr als wettgemacht. Bestehen- sa Sauermann einen Einblick in ihre de wissenschaftliche Kontakte bilden eindrucksvollen Ergebnisse zu lan- nun den Keim für international be- ge offenen Fragen der Graphentheo- setzte virtuelle Seminar-Reihen, die, rie gibt. Wir gratulieren ihr zu ih- sofern es der Unterschied der Zeitzo- rer großartigen Leistung. Ihre Biogra- nen erlaubt, Gelegenheit zum fach- phie macht auch deutlich, wie jun- lichen und persönlichen Austausch ge Talente durch Erfolge bei Mathe- bieten. matik-Olympiaden und ähnlichen Auch Tagungszentren reagieren Wettbewerben in der Mathematik ih- auf die neue Situation. So hat das Mathematische For- re Berufung finden. schungsinstitut Oberwolfach seine Tagungen in einem Zum wichtigen Thema ,Frauen in der Mathematik‘ le- Hybrid-Format wieder aufgenommen. Das wegen der pan- sen Sie in diesem Heft außerdem ein Interview mit Marie- demiebedingten Einschränkungen in der wissenschaftli- Françoise Roy (Universität Rennes). Die Mitteilungen set- chen Zusammenarbeit neu eingerichtete Oberwolfach Re- zen ferner die Reihe der Vorstellungen mathematischer For- search Fellows-Programm – für jeweils bis zu vier Personen – schungsprojekte in Deutschland fort: Nach den Exzellenz- erfreut sich schon einer regen Nachfrage (vgl. auch S. ). Clustern in , Bonn, Heidelberg und Münster stellt In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal sich in diesem Heft das DFG-Graduiertenkolleg „Mathema- an die Jahrestagung der DMV erinnern, die vom . bis tische Komplexitätsreduktion“ (GRK ) an der Otto-von- . September  als Online-Veranstaltung auf der Zoom- Guericke-Universität Magdeburg vor. Plattform stattfindet. Sie bietet neben den vertrauten Sektio- Es freut mich, Ihnen an dieser Stelle mitteilen zu kön- nen ein sehr breites Spektrum von über  Mini-Symposien nen, dass das Präsidium der DMV unsere Kollegin Ilka Agri- aus allen Teilen der Mathematik. Die Veranstalter unter cola (Universität ) zur DMV-Präsidentin ab  der lokalen Leitung von Peter Stollmann, Uta Freiberg, gewählt hat. Meinen herzlichen Glückwunsch! Christian Sevenheck und Vladimir Shikman werden neben Abschließend möchte ich nicht versäumen, Sie noch auf der Eröffnung mit der Verleihung der neuen Minkowski- die Vorstellung der Kandidaten und Kandidatinnen für die Medaille der DMV sowie den Sektions-, Symposia- und Wahlen für das Präsidium der DMV ab  hinzuweisen. Plenar-Vorträgen auch die auf klassischen Tagungen so wich- tige Kommunikation der Teilnehmer untereinander durch Beste Grüße und bleiben Sie gesund! einen virtuellen Konferenz-Treffpunkt abbilden. Die regulä- Ihr Friedrich Götze

DOI ./dmvm--  Diskussion

Leserbrief zu „IQB-Bildungstrend : Stabile müssten. Und wenn man bedenkt, dass viele mathemati- Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften?“ schen Inhalte ja gar nicht mehr getestet werden, dann sieht Mitteilungen der DMV .– () es noch ungünstiger aus. Eigentlich müsste das jetzt einen kleinen Schock analog zum „PISA-Schock“ auslösen: Der Titel hätte auch anders lauten können. Das Fragezei- chen am Ende kann man beim Überfliegen leicht übersehen. Wie kann es sein, dass die großen Reformen mit dem Paradig- Stattdessen wäre eine Überschrift „Abwärtstrend bei den menwechsel und der Kompetenzorientierung sowie den Model- Leistungen in Mathematik an Gymnasien“ genauso wahr lierungsaufgaben gerade an Gymnasien keine empirisch nach- und vielleicht angemessener gewesen. weisbaren Erfolge bringen? Was wurde falsch gemacht? Im Text heißt es zwar, dass die empirisch gemessenen Aber die Situation wird nur schöngeredet, und sogar die Leistungen im Durchschnitt insgesamt stabil blieben, aber Mitteilungen verstecken die schlechte Nachricht irgendwie es heißt auch, dass in Mathematik und Naturwissenschaften im Kleingedruckten. Nur aus Sicht derer, die ohnehin eine an den Gymnasien ein negativer Trend vorherrschte (nicht einheitliche Schule favorisieren und das Gymnasium am in allen, aber in vielen Bundesländern). Daraus folgt lo- liebsten abschaffen würden, ist das erfreulich. Aber dass gisch, dass sich die nicht-gymnasialen Schulformen positiv, gerade das den Übergang Schule–Hochschule erleichtert, ist die Gymnasien aber negativ entwickelt haben. Wie das bei wohl extrem unwahrscheinlich. den Kandidaten für die Oberstufen der Gesamtschulen war, bleibt offen. Wolfgang Kühnel, Universität Stuttgart Aus Sicht der DMV sind aber gerade im Hinblick auf den Übergang Schule–Hochschule die Mathematikkenntnisse der Gymnasiasten von Belang, eine Verbesserung der ande- ren allein kann doch keine Begeisterung auslösen. Neu ist das Problem ohnehin nicht. Bereits im Bericht zu PISA  steht auf Seite  (Hervorhebungen von mir; als Autorin dieses Teils zeichnet u. a. Frau Reiss verantwortlich):

Insbesondere am Gymnasium ist die Situation in Bezug auf die Mathematik verbesserungsfähig: Die durchschnittliche mathematische Leistung insbeson- dere an dieser Schulart [!] ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken [!], die Leistungsspitze ist kleiner [!] geworden. In PISA  schaffen es nur noch  Prozent der Gymnasiastinnen und Gymna- siasten, die Anforderungen der oberen beiden Kom- petenzstufen erfolgreich zu bewältigen, während es  noch  Prozent und  sogar  Prozent wa- ren. Es sei angemerkt, dass die Bildungsbeteiligung hier keine Rolle spielen dürfte, [. . . ]

Ein gestiegener Anteil von Gymnasiasten wird also nicht verantwortlich gemacht, dieser lag bei etwa einem Drittel aller PISA-Testpersonen. Man fügt auch eilfertig hinzu, dass das G-Gymnasium selbstverständlich auch keine Schuld haben könne. Es ist nämlich ein fester Glaubenssatz bei der empirischen Bildungswissenschaft, dass G-Abiturienten in Mathematik dasselbe können wie G-Abiturienten. Man hat es angeblich empirisch nachgewiesen. Die Tabellen im Bericht zum IQB-Bildungstrend  zeigen recht drastische Zahlen, die eigentlich beunruhigen

 DOI ./dmvm-- News, Tipps und Termine Thomas Vogt

Gewählt

Das DMV-Präsidium wählte auf seiner Sitzung am Götze, Professor für Mathematik an der Universität Biele- . Mai  Ilka Agricola zur neuen DMV-Präsidentin feld. ab . Die Professorin für Mathematik an der Univer- Nach der Mathematik-Professorin Ina Kersten, die sität Marburg wird im Januar  die Nachfolgerin Mitte der er Jahre DMV-Präsidentin war, wird Ilka des bis Ende  amtierenden Präsidenten Friedrich Agricola die zweite Frau sein, die der DMV vorsteht. oto: Thorsten Richter F Ilka Agricola

Ausgezeichnet

Der Richard-Rado Preis  der Fachgruppe Diskrete teten). Als sie im Jahr  als einzige Teilnehmerin die Mathematik für herausragende Dissertationen in Dis- volle Punktzahl erreichte und eine Goldmedaille bekam, kreter Mathematik geht an Lisa Sauermann, die an der war sie die erfolgreichste IMO-Teilnehmerin aller Zeiten. Stanford University zum Thema „Modern Methods in (Ihr Rekord mit  Goldmedaillen und einer Silbermedaille Extremal Combinatorics“ promovierte. Lisa Sauermann, ist im Jahr darauf gebrochen worden.) Nach dem Abitur Jahrgang , wurde schon als Schülerin des Dresdner studierte Lisa Sauermann Mathematik in Bonn. Ihre Pro- Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums bekannt, weil sie motion machte sie  bei Prof. Jacob Fox in Stanford. auf der Internationalen Mathematik-Olympiade (IMO) Ein Interview mit Lisa Sauermann erscheint in den regelmäßig Medaillen für Deutschland holte (wir berich- Mitteilungen -. oto: Petra Lein/MFO F Lisa Sauermann

DOI ./dmvm--   natfrdeOypauwh ulfiir.DsTurnier, Das qualifiziert. Olympiaauswahl die für Anhalt ofc MO etEd Juni Ende seit (MFO) wolfach urfgh sdrm i iabi nAgrtmnund Algorithmen an Mitarbeit die darum, es geht Aufruf o e itrrn assice Übergriff rassistischer Hintergrund dem Vor Hbi-omt.FrdeEnatn e Abstandsregeln der Einhaltung die Für (Hybrid-Format). n idi e oebrugb veröff Novemberausgabe der in wird und (AMS) Gesellschaft die Mathematischen an Amerikanischen Juni der im ging dazu Brief zu Ein Modellierung boykottieren. und Mathematik Bereich im Polizei der mit Zusammenarbeit die aufgerufen, dazu ler/-innen Naturwissenschaft- andere hunderte und haben Mathematiker/-innen USA den in Afroamerikaner auf lizei entinhe,fidti etme ugudder aufgrund September im findet teilnehmen, dern über aus Nachwuchstalente jährlich dem an Sachsen- und Rheinland-Pfalz Hamburg, Berlin, aus Bayern, Jugendliche sechs sich haben Auswahlverfahren gen Mathematik- Olympiade Internationale die für Team deutsche Das und Mitarbeiterinnen Gästen, von Sicherheit die und sein dabei live online können Mathematiker und rinnen Mathematike- weitere im zusammensetzen, Mathematik Schwarzwald der Mekka im Beweisen und storming zu Ober- in Forschungsinstitut Mathematische das fängt emp- Corona-Zwangspause mehrwöchigen einer Nach  esnndre ihsidmwee u Brain- zum wieder seitdem sich dürfen Personen  IO th.Nc ie mehrstufi- einem Nach steht. (IMO)  idreseGse Bis Gäste. erste wieder nlct ndem In entlicht. Bibliotheks- e Po- der e  Notices Län- n ösagbuedsMFO des Hörsaalgebäude und Ausgewählt Boykottiert Geöffnet www.mathematik.de/dmv-blog. le) uiKgnky(Klasse Kaganskiy Juri Alzey), eknudHnenfren i esilitdss ge- so das ist Beispiel Ein fördern. Handeln und Denken rassistisches die einzustellen, Modellen mathematischen e (Klasse bel (Klasse lizadeh cüe ihre ihdsTce ü i rt digitale erste die IMO: für Ticket das sich sicherten Schüler sechs Diese statt. virtuell komplett Corona-Pandemie Trägervereins des Forschung, Mathematische Gesell- für der schaft Vorsitzender und DMV der Präsident Friedrich Götze, sagt sind“, Bedeutung herausragender Mathema- von der tik in Nachwuchs den für insbesondere im MFO Workshops da genehmigen, zu Oberwolfach nach Reiseanträge bitten, Forschungs- darum der dringend in administration und Dekanaten den in Kollegen Kolleginnen und die möchte „Ich gesorgt. ist Mitarbeitern i rmnlttshnehh a.LnszrPtto auf Petition zur Links war. Vergangenheit erhöht der schon in Kriminalität wo die Logik, die so dort, nämlich den, wer- begangen Verbrechen mit Wahrscheinlichkeit Community höherer oder Stadt einer in Vorhinein wo im abzuschätzen, versucht, Algorithmen von Hilfe der mit nannte (Klasse Noaghiu MFO. des oisBauer Tobias ae idafBssatrDaten alter Basis auf wird Dabei policing. predictive abr) aiiinHuk(Klasse Hauck Maximilian Hamburg), , adbr) enr hita Grab- Christian Lennart Magdeburg), , München). , (Klasse

Foto: Christoph Eyrich aruh,HsenGho- Hossein Bayreuth), , eln n Christian und Berlin) , , Termine

. Die DMV-Studierendenkonferenz „Stukon“ in Leip- turelle Angebote und Möglichkeiten für Diskussionen zig, geplant für den . und . Juli , wurde auf in kleineren Gruppen sind geplant. Die Tagungsge- Juli  verschoben. bühren sind moderat. Bitte nehmen Sie teil und mel- den Sie sich an auf www.tu-chemnitz.de/mathematik/ . Die DZLM-Jahrestagung, geplant für den . Septem- dmv/. ber  in Potsdam, findet nicht statt. Ersatzweise bietet das DZLM eine Webinar-Reihe an, . Das . Heidelberg Laureate Forum findet in diesem siehe dzlm.de. Jahr nicht statt, sondern ist nun vom . bis . Sep- tember  geplant. . Die diesjährige DMV-Jahrestagung findet corona- bedingt vom . bis . September online statt. Die . Die für den . Dezember  in Bremen geplante Kolleginnen und Kollegen an der TU Chemnitz set- Gaußvorlesung wird auf das Wintersemester  zen alles daran, dass wir auch in virtuellem Rah- ebenda verschoben. men ein schönes Jahrestreffen haben: Der Eröffnungs- zeremonie, den Mini-Symposien und Sektionen, Plenarvorträgen und der Mitgliederversammlung am . .  können Sie im virtuellen Tagungszentrum Weitere News, Tipps, Termine auf live beiwohnen. Auch gemeinsame Kaffeepausen, kul- mathematik.de sowie auf Facebook und Twitter

Vorgestellt

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja “ vorgestellt. Der nunmehr achte Bildungsbericht Karliczek, und die Präsidentin der Kultusministerkonfe- beschreibt die Gesamtentwicklung des deutschen Bil- renz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin, dungswesens. Schwerpunkt des aktuellen Berichts ist „Bil- Dr. Stefanie Hubig, haben am . Juni  gemeinsam dung in einer digitalisierten Welt“. Der Bildungsbericht mit dem Sprecher der Autorengruppe, Prof. Dr. Maaz erscheint alle zwei Jahre. (DIPF, Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bil- Die wichtigsten Ergebnisse des aktuellen Berichts für dungsinformation), den Bericht „Bildung in Deutschland  auf www.bildungsbericht.de.

Eröffnet

Am . Juni  wurde die interaktive Ausstellung auch als physische Wanderausstellung in mehreren deut- „I AM A.I. – künstliche Intelligenz erklärt“ in einem schen Städten zu sehen. Konzipiert wurde I AM A.I. von neuen, digitalen Format unter www.i-am.ai eröffnet. IMAGINARY in Kooperation mit internationalen Partnern. In spannenden „Pfaden“ geht die Ausstellung mit Bil- Die Carl-Zeiss-Stiftung finanziert die physische Ausstel- dern, Videos und Experimenten den Kernfragen rund um lung und das digitale Ausstellungskonzept. Für Schul- Künstliche Intelligenz nach. Die Inhalte richten sich dabei klassen werden kostenfreie virtuelle Führungen durch die an alle Neugierigen ab  Jahren. Ab  ist I AM A.I. Ausstellung angeboten.

Eingerichtet

Das DMV-Medienbüro bietet einen neuen News-Feed für und aus der DMV erhalten möchten, registrieren Sie sich Nachrichten aus der Mathematik an. Wenn Sie regelmäßig bitte mit Namen und E-Mail für den RSS-Feed der DMV und schnellstmöglich Neuigkeiten aus der Mathematik unter www.mathematik.de/rss.

Thomas Vogt Medienbüro Mathematik, Freie Universität Berlin, Institut für Mathematik, Königin-Luise-Straße –,  Berlin Tel. ()   [email protected] ·

 Richard-Rado-Preis  für Lisa Sauermann Laudatio

Éva Tardos

Ich freue mich, die Verleihung des Richard-Rado-Preises n-Knoten-Graphen auf diese Weise entstehen können. Es  an Lisa Sauermann bekanntgeben zu können. Lisa stellte sich heraus, dass die Antwort ungefähr n3,n4 bzw. ist ein aufsteigender Stern in der Kombinatorik, ihre n6 ist. Die oberen Schranken waren seit mehr als  Jah- Dissertation hat zahlreiche wegweisende Resultate in der ren bekannt, und in ein paar wenigen Fällen auch einige extremalen Kombinatorik erbracht. Außerdem hat Lisa, Ad-hoc-Konstruktionen, die belegen, dass die Schranken wie ich erfahren habe, einen beachtlichen Werdegang: Als richtig sind. Doch bei vielen Fällen blieb die Frage offen, Mitglied der deutschen Mannschaft bei der Internationa- ob diese Schranken scharf sind. Lisas Dissertation gibt len Mathematik-Olympiade hat sie vier Gold- und eine ein allgemeines Verfahren an die Hand, um für eine um- Silbermedaille gewonnen und im Jahr  als Einzige die fangreiche Klasse solcher Probleme untere Schranken volle Punktzahl geschafft. Diesen Preis erhält sie jedoch anzugeben. für ihre Dissertation, und deshalb möchte ich mich nun Das Besondere an Lisa ist neben der Stärke ihrer Er- dieser zuwenden. gebnisse (und die beiden oben erwähnten sind nur ein Lisas Dissertation enthält eine Reihe bahnbrechender Auszug aus den vielen überzeugenden Ergebnissen ih- Ergebnisse, die verschiedene seit  Jahren offene Fragen rer Dissertation), dass sie bei diesen kombinatorischen beantworten. Um Ihnen einen Eindruck von der Art der Problemen ihre Stärken aus einem breiten Spektrum von ihr gelösten Probleme zu vermitteln, nenne ich einige mathematischer Gebiete, insbesondere der Wahrschein- davon: Eines ist die Frage, wie viele Kanten in einem n- lichkeitstheorie, der algebraischen Geometrie und der Knoten-Graphen benötigt werden, um einen Teilgraphen Differentialtopologie, ausspielen kann. Während die An- mit einem Minimalgrad von mindestens k zu garantieren. wendung der Wahrscheinlichkeitstheorie in der extremen So formuliert, ist eine scharfe Schranke nicht allzu schwer Kombinatorik auf die Arbeiten von Erdős zurückgeht, ist k 2 zu zeigen: (k 1)(n k + 2) + − .Offen war, wie viele Kan- die Verwendung der algebraischen Geometrie und der − − 2 ten benötigt werden, um einen solchen Teilgraphen mit Differentialtopologie wesentlich jünger. Die Probleme deutlich weniger als n Knoten zu garantieren. Dieses Pro- der Geometrie, die ich soeben aufgeführt habe, geben blem ist seit der Arbeit von Erdős, Faudree, Rousseau und einen Vorgeschmack auf die Beziehung zur Algebra: Die Schelp aus dem Jahr  ungelöst, und die Vermutung, umfangreiche Klasse von Problemen, bei denen Lisas dass nur eine zusätzliche Kante dies garantiere, erklärte Verfahren zur Bestimmung der unteren Schranke funktio- Erdős  im besonderen Fall von k = 3 zu einem sei- niert, sind Probleme, bei denen die Kanten im Graphen ner bevorzugten offenen Probleme in der Kombinatorik. durch Vorzeichen von Polynomen definiert sind. Lisa ist Lisas Lösung wurde ,  Jahre später, im Journal of eine führende Expertin für diese Methoden, von denen Combinatorial Theory, Ser. B, veröffentlicht. ich erwarte, dass sie in Zukunft zu Standardwerkzeugen Eine andere Art von Fragen der extremen Kombinatorik auf diesem Gebiet werden. Eine verblüffende Leistung für betrifft Graphen, die sich aus bestimmten geometrischen eine Dissertation! Strukturen ergeben, wie zum Beispiel Schnittgraphen von Strecken oder Kreisscheiben in einer Ebene oder von verschlungenen Kreisen in drei Dimensionen. Die Frage, Herzlichen Glückwunsch zu dieser mit der sich Lisa beschäftigte, ist, wie viele verschiedene bemerkenswerten Arbeit!

Prof. Éva Tardos, Department of Computer Science,  Gates Hall, Cornell University, Ithaca, NY , USA [email protected]

Éva Tardos hat an der Eötvös-Universität in Budapest promoviert und lehrt heute an der Universität Cornell. Sie ist gewähltes Mitglied der amerikanischen National Academy of Engineering, National Academy of Sciences und der American Academy of Arts and Sciences sowie externes Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Sie wurde unter anderem mit der IEEE John von Neumann-Medaille, dem Gödel-Preis, dem Dantzig-Preis und dem Fulkerson-Preis geehrt.

 DOI ./dmvm-- Zwei graphentheoretische Probleme Lisa Sauermann

In meiner Dissertation geht es um verschiedene Probleme in extremaler Kombinatorik. Dieser Beitrag diskutiert zwei Resultate, die sich beide um graphentheoretische Fragestellungen drehen.

Die extremale Kombinatorik ist ein sehr lebendiges Gebiet  Teilgraphen mit Minimalgrad k der Mathematik, mit engen Verbindungen zu anderen Ge- bieten wie der Wahrscheinlichkeitstheorie, der diskreten Probleme der extremalen Kombinatorik beschäftigen sich Geometrie und der analytischen Zahlentheorie, sowie auch häufig mit der maximalen oder minimalen Größe kombina- zur theoretischen Informatik. Die Ursprünge der extrema- torischer Konfigurationen unter bestimmten Bedingungen. len Kombinatorik liegen mehr als hundert Jahre zurück, Ein einfaches Beispiel ist die folgende Frage: Was ist die ma- und das Gebiet hat sich seither fortlaufend weiterentwickelt. ximale Anzahl von Kanten, die ein n-Knoten-Graph haben Während kombinatorische Probleme traditionell mithilfe kann, ohne einen Kreis zu enthalten? Ein Graph ohne einen rein kombinatorischer Methoden gelöst wurden, nutzte man Kreis wird als Wald bezeichnet, und es ist ein einfacher Fakt in der extremalen Kombinatorik im Laufe der Zeit immer (und einer der ersten Sätze in einem einführenden Kurs mehr Mittel aus anderen Bereichen der Mathematik. Dies in Graphentheorie), dass jeder Wald mit n Knoten höchs- begann mit der Verwendung probabilistischer Methoden, tens n 1 Kanten hat. Das bedeutet, dass jeder Graph mit − insbesondere durch Erdős, doch mittlerweile werden Metho- n Knoten und mindestens n Kanten einen Kreis enthalten den aus vielen weiteren Gebieten der Mathematik eingesetzt. muss. Meine Doktorarbeit untersucht verschiedene Probleme in In einem Kreis hat jeder Knoten Grad 2. Daher enthält extremaler Kombinatorik und verwendet Techniken aus jeder Graph mit n Knoten und mindestens n Kanten einen mehreren anderen Gebieten, insbesondere aus der Wahr- Teilgraphen, in dem jeder Knoten Grad mindestens 2 hat. scheinlichkeitstheorie und der Algebra. Doch was geschieht, wenn wir für eine feste Zahl k > 2 In diesem Beitrag möchte ich zwei Ergebnisse aus mei- einen Teilgraphen finden möchten, in dem jeder Knoten ner Dissertation vorstellen. Das erste beweist eine 25 Jahre Grad mindestens k hat? alte Vermutung von Erdős, Faudree, Rousseau und Schelp Wenn man eine ausreichend große Anzahl von Kanten [] hinsichtlich der Existenz von Teilgraphen mit Minimal- in einem n-Knoten-Graphen hat, ist es auch hier stets der grad k in einem Graphen mit ausreichend vielen Kanten. Fall, dass der Graph einen Teilgraphen besitzt, in dem je- Einen Spezialfall dieser Vermutung nahm Erdős in eine der Knoten Grad mindestens k hat (d. h. der Minimalgrad Liste seiner Lieblingsproblemen in der Graphentheorie [] des Teilgraphen ist mindestens k). Der folgende Fakt, ge- auf. zeigt  von Erdős, Faudree, Rousseau und Schelp [], Das zweite in diesem Beitrag diskutierte Ergebnis be- präzisiert dies. trifft die Anzahl der n-Knoten-Graphen in bestimmten alge- Fakt . Jeder Graph mit n k 1 Knoten und mindestens braisch definierten Graphenklassen (wobei die Kanten der k 2 ≥ − (k 1)(n k + 2) + − Kanten enthält einen Teilgraphen mit Graphen mittels der Vorzeichen einer gegebenen endlichen − − 2 Minimalgrad mindestens k. Liste von Polynomen definiert sind). Viele solcher Graphen- klassen treten natürlicherweise in der diskreten Geometrie Es ist nicht schwierig, diese Aussage per Induktion nach auf, zum Beispiel die Klasse der Schnittgraphen von Stre- n zu beweisen. cken in der Ebene (oder Kreisscheiben in der Ebene). Der Erdős et al. beobachteten auch, dass ihre Schranke in Satz von Warren [] (eine Variante eines Satzes von Milnor Fakt  scharf ist. In der Tat erhält man, wenn man einen [] und Thom []) impliziert eine obere Schranke für die vollständigen Graphen mit k 2 Knoten und einen Weg mit − Anzahl der n-Knoten-Graphen in einer solchen algebraisch n k + 2 Knoten nimmt und Kanten von jedem Knoten des − definierten Graphenklasse. Für untere Schranken waren vollständigen Graphen zu jedem Knoten des Weges hinzu- bisher jedoch nur Ad-hoc-Konstruktionen für bestimmte fügt, einen Graphen mit n Knoten und (k 1)(n k + 2) + k 2 − − Graphenklassen bekannt. In meiner Dissertation habe ich − 1 Kanten, und dieser Graph hat keinen Teilgraphen 2 − ein allgemeines Resultat bewiesen, das eine untere Schran- mit Minimalgrad mindestens k (siehe die linke Seite von ke für die Anzahl der n-Knoten-Graphen in vielen solchen Abbildung ). Graphenklassen zeigt. Diese untere Schranke stimmt im Darüber hinaus stellten Erdős et al. auch fest, dass für Wesentlichen mit der oberen Schranke überein, die sich aus jedes n k +1 ein Graph mit n Knoten und (k 1)(n k +2)+ k 2 ≥ − − dem Satz von Warren ergibt. Der Beweis meines Resultats −2 Kanten existiert, der keinen Teilgraphen mit Minimal- verwendet Werkzeuge aus der algebraischen Geometrie und grad mindestens k mit weniger als n Knoten hat. Ein solcher der Differentialtopologie. Graph ergibt sich, wenn man einen vollständigen Graphen

DOI ./dmvm--  Kk 2 Pn k+2 Kk 2 Cn k+2 − − − −

Abbildung . Der Graph auf der linken Seite hat keinen Teilgraphen mit Minimalgrad mindestens k. Der Graph auf der rechten Seite besitzt keinen Teilgraphen mit Minimalgrad mindestens k mit weniger als n Knoten.

mit k 2 Knoten und einen Kreis mit n k +2 Knoten nimmt Eine solche Färbung wird in einem iterativen Prozess − − und Kanten von jedem Knoten des vollständigen Graphen konstruiert, wobei bei jedem Iterationsschritt die Techniken zu jedem Knoten des Kreises hinzufügt, wie auf der rechten von Mousset, Noever und Škorić [] angewendet werden. Seite von Abbildung  dargestellt. Doch um den iterativen Prozess weiterführen zu können, Was geschieht, wenn wir einen Teilgraphen mit weniger muss man eine viel bessere Kontrolle darüber haben, was als n Knoten mit Minimalgrad mindestens k finden möch- genau bei jedem Schritt geschieht. 4 3 ten? Es ist nicht schwer zu zeigen, dass dafür eine zusätzli- Mein Beweis zeigt, dass Vermutung  mit εk = 10− k− k 2 che Kante, d. h. insgesamt (k 1)(n k +2)+ − +1 Kanten, stimmt. Andererseits kann man Beispiele finden, die für − − 2 ausreichend ist. den größtmöglichen Wert von εk in Vermutung  eine obere Erdős et al. vermuteten aber, dass eine zusätzliche Kante Schranke von ε O(k 2) zeigen. Meiner Meinung nach ist k ≤ − nicht nur die Existenz eines Teilgraphen mit Minimalgrad es ein interessantes Problem, das Wachstumsverhalten des mindestens k mit weniger als n Knoten garantiert, sondern größtmöglichen Wertes für εk in Vermutung  zu bestim- sogar die Existenz eines solchen Teilgraphen mit deutlich men: weniger als n Knoten: Frage . Was ist der größte Wert für εk, für den Vermutung  Vermutung . Für jedes k 2 existiert ε > 0, sodass jeder zutri t? ≥ k ff Graph mit n k 1 Knoten und mindestens (k 1)(n k + k 2 ≥ − − − 2) + − + 1 Kanten einen Teilgraphen mit höchstens (1 ε )n 2 − k Knoten und mit Minimalgrad mindestens k enthält. Erdős nahm diese Vermutung im Spezialfall k = 3 in  Zählen algebraisch definierter Graphen eine Liste seiner Lieblingsprobleme in der Graphentheorie auf [, S. ]. Fortschritte in Richtung der Vermutung  Nehmen wir an, wir haben n Strecken in der Ebene, die von machten sowohl Erdős et al. in ihrem ursprünglichen Arti- 1 bis n nummeriert sind. Dann können wir ihren Schnittgra- kel [], in dem sie die Existenz eines solchen Teilgraphen phen als den Graphen mit Knotenmenge 1,...,n definieren, { } mit höchstens n ε √n Knoten bewiesen, als auch Mousset, in dem zwei Knoten genau dann durch eine Kante verbun- − k Noever und Škorić [], die die Schranke zu n ε n/ logn den sind, wenn sich die entsprechenden Strecken schneiden. − k verbesserten. Abbildung  veranschaulicht dies. In meiner Dissertation habe ich Vermutung  bewiesen. Auf die gleiche Weise können wir Schnittgraphen an- Ich habe dabei die Ideen von Erdős et al. und von Mous- derer geometrischer Objekte definieren, zum Beispiel von set et al. genutzt und erweitert. Die Details des Beweises Kreisscheiben in der Ebene oder von d-dimensionalen Ku- sind leider ziemlich technisch. Die Grundidee besteht darin, geln in Rd. Schnittgraphen wurden intensiv untersucht und einigen der Knoten des Graphen in solcher Weise Farben sind in verschiedenen praktischen Anwendungen von Be- zuzuordnen, dass man beim Entfernen aller Knoten einer deutung (z. B. im Database Mining [], bei der Modellie- Farbe stets einen Teilgraphen mit Minimalgrad mindestens rung von Rundfunknetzwerken [] und sogar in der Genetik k erhält. Wenn man dabei ausreichend viele Knoten färbt [, ]). (aber die Anzahl der Farben nur von k abhängt), dann muss Es gibt noch viele weitere Graphenklassen, die aus der eine der Farbklassen aus mindestens εkn Knoten bestehen, diskreten Geometrie abgeleitet werden können. Zum Bei- und man erhält beim Entfernen dieser Farbklasse einen spiel können wir für n disjunkte (starre) Kreise in R3, die Teilgraphen mit Minimalgrad mindestens k mit höchstens von 1 bis n nummeriert sind, ihren Verschlingungsgraphen (1 ε )n Knoten. als den Graphen auf der Knotenmenge 1,...,n definieren, − k { }

 in dem zwei Knoten genau dann durch eine Kante verbun- In meiner Dissertation habe ich eine untere Schranke den sind, wenn die dazugehörigen Kreise in R3 ineinander für die Anzahl der Graphen mit Knotenmenge 1,...,n in { } verschlungen sind. einer solchen Graphenklasse bewiesen (unter der Annahme Eine sehr naheliegende Frage hinsichtlich dieser Gra- bestimmter Bedingungen für die gegebene endliche Liste phenklassen lautet: Wie viele Graphen (mit der Knoten- von Polynomen, die zur Definition der Kanten verwendetet menge 1,...,n ) enthält jede dieser Graphenklassen? Mit wird). Diese untere Schranke entspricht im Wesentlichen { } anderen Worten: Wie viele Graphen mit der Knotenmenge der oberen Schranke, die sich aus dem Satz von Warren 1,...,n können sich als Schnittgraphen von n nummerier- ergibt, ist also im Grunde scharf. { } ten Strecken in der Ebene ergeben? Und wie viele können Die folgenden Aussagen, die die oben gestellten Fragen sich als Schnittgraphen von n nummerierten offenen Kreis- beantworten, ergeben sich als einfache Anwendungen die- scheiben in der Ebene ergeben? Oder als Verschlingungsgra- ses Resultats: Die Anzahl der Graphen mit Knotenmenge phen von n nummerierten disjunkten Kreisen in R3? 1,...,n , die als Schnittgraphen von n nummerierten Stre- { } Für diese Fragen ist eine algebraische Perspektive hilf- cken in der Ebene dargestellt werden können, ist n(4+o(1))n. reich. Für jede dieser Graphenklassen können wir die ent- Die Anzahl der Schnittgraphen von n nummerierten offe- sprechenden geometrischen Objekte (z. B. die Strecken oder nen Kreisscheiben in der Ebene ist n(3+o(1))n. Und die Anzahl Kreisscheiben in der Ebene) durch Punkte in Rd für ge- der Verschlingungsgraphen von n nummerierten disjunk- eignetes d parametrisieren. Die jeweiligen geometrischen ten (starren) Kreisen in R3 ist n(6+o(1))n. Es ergeben sich Beziehungen (z. B. Überschneidungen oder Verschlingun- auch zahlreiche weitere Anwendungen für die Anzahl der gen) können wir dann durch polynomielle Bedingungen Graphen mit Knotenmenge 1,...,n in vielen anderen Gra- { } charakterisieren. Zum Beispiel entspricht eine offene Kreis- phenklassen, die in der diskreten Geometrie auftreten. scheibe in der Ebene einem Punkt (x,y,r) R3 mit r > 0 Die obere Schranke (die sich aus dem Satz von War- ∈ (wobei (x,y) der Mittelpunkt und r > 0 der Radius ist), und ren ergibt) war bereits seit mehr als dreißig Jahren be- zwei den Punkten (x,y,r) und (x0,y0,r0) entsprechende of- kannt. Für einige dieser Anwendungen war auch die un- fene Kreisscheiben überschneiden sich genau dann, wenn tere Schranke bekannt, aber alle bekannten unteren Schran- (x x )2 + (y y )2 (r + r )2 < 0. Für andere Graphenklas- ken wurden durch (manchmal recht komplizierte) Ad-hoc- − 0 − 0 − 0 sen (z. B. für Schnittgraphen von Strecken in der Ebene) Konstruktionen für spezifische Familien von geometrischen benötigt man mehr als ein Polynom, um die gewünschten Objekten gezeigt. Zum Beispiel bewies Fox durch eine spe- geometrischen Beziehungen zu charakterisieren. Aber für zifische Konstruktion für Strecken in der Ebene, dass die viele Klassen von Graphen, die in der diskreten Geometrie Anzahl der Schnittgraphen von n nummerierten Strecken auftreten, können die gewünschten geometrischen Bezie- in der Ebene mindestens n(4+o(1))n beträgt. McDiarmid und hungen mittels der Vorzeichen einer endlichen Liste von Müller [] zeigten mittels einer spezifischen Konstruktion Polynomen algebraisch charakterisiert werden. für Kreisscheiben in der Ebene, dass die Anzahl der Schnitt- Mit dieser algebraischen Perspektive impliziert der Satz graphen von n nummerierten offenen Kreisscheiben in der von Warren [] (eine Variante eines Satzes von Milnor [] Ebene mindestens n(3+o(1))n beträgt. Keine dieser Konstruk- und Thom []) eine obere Schranke für die Anzahl der tionen lässt sich ohne Weiteres auf andere Graphenklassen Graphen mit Knotenmenge 1,...,n in jeder der oben be- verallgemeinern. Im Gegensatz dazu ist das Ergebnis in { } trachteten Graphenklassen. Allgemeiner gesagt erhält man meiner Dissertation deutlich allgemeiner, und impliziert eine solche obere Schranke für jede Klasse von Graphen, insbesondere diese zuvor bekannten unteren Schranken für bei der die Kanten algebraisch mittels der Vorzeichen einer spezifische Fälle als einfache Anwendungen (und impliziert gegebenen endlichen Liste von Polynomen definiert sind. außerdem neue untere Schranken für viele andere Fälle,

      

  

Abbildung . Die linke Seite zeigt eine Konstellation von fünf Strecken, die von 1 bis 5 nummeriert sind. Der entsprechende Schnittgraph ist auf der rechten Seite dargestellt.

 zum Beispiel für viele andere Klassen von Schnittgraphen [] P. Erdős, Some of my favorite solved and unsolved problems in und auch für verschiedene Familien von in der diskreten graph theory. Quaestiones Math.  (), –. Geometrie auftretenden Teilmengenordnungen). [] P. Erdős, R. J. Faudree, C. C. Rousseau, and R. H. Schelp, Sub- graphs of minimal degree k. Discrete Math.  (), –. Die exakte Formulierung dieses Resultats in meiner Dis- [] C. McDiarmid and T. Müller, The number of disk graphs. Euro- sertation ist leider etwas technisch (und wahrscheinlich pean J. Combin.  (), –. nicht sehr aufschlussreich), sodass darauf hier verzichtet [] J. Milnor, On the Betti numbers of real varieties. Proc. Amer. Math. wird. Zusätzlich zu kombinatorischen Argumenten verwen- Soc.  (), –. det der Beweis des Resultats Mittel aus der algebraischen [] F. Mousset, A. Noever, and N. Škorić, Smaller subgraphs of mini- Geometrie und der Differentialtopologie. mum degree k. Electron. J. Combin.  (), Paper .,  pp. [] J. P. Spinrad, Efficient Graph Representations. Fields Institute Monographs, , American Mathematical Society, Providence, RI, . References [] R. Thom, Sur l’homologie des variétés algébriques réelles. In Dif- ferential and Combinatorial Topology, pages –, Princeton [] S. Benzer, On the topology of the genetic fine structure. Proc. University Press, . Natl. Acad. Sci. USA  (), –. [] H. E. Warren, Lower bounds for approximation by nonlinear [] P. Berman, B. DasGupta, S. Muthukrishnan, and S. Ramaswami, manifolds. Trans. Amer. Math. Soc.  (), –. Efficient approximation algorithms for tiling and packing prob- lems with rectangles. J. Algorithms  (), –. [] B. N. Clark, C. J. Colbourn, and D. S. Johnson, Unit disk graphs. Discrete Math.  (), –.

Dr. Lisa Sauermann, Stanford University, Department of Mathematics, Building , Stanford, California , USA [email protected]

Lisa Sauermann ist derzeit Szegö Assitant Professor an der Stanford University in Kalifornien. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in extremaler Kombinatorik. Sie hat ihren Bachelorabschluss im Jahr  an der Universität Bonn abgelegt und  an der Stanford University promoviert.

 Das DFG-Graduiertenkolleg GRK  „Mathematische Komplexitätsreduktion“

Das DFG-Graduiertenkolleg GRK  Polynome und semialgebraische Mengen, insbesonde- zum Thema „Mathematische Kom- re auch konvexe Mengen wie Spektraeder und Polytope, plexitätsreduktion“ (MathCoRe, spielen wichtige Rollen in den Forschungsarbeiten im www.mathcore.ovgu.de) wurde zum Graduiertenkolleg. Das spiegelt sich im (links gezeigten) April  an der Otto-von-Guericke MathCoRe-Logo wieder, welches aus Schnittkurven des Universität Magdeburg eingerichtet. Elliptops Die Förderung durch die Deutsche For-     schungsgemeinschaft umfasst  Promotionsstellen und 1 x x   1 2   R3    eine Postdoktorandinnenstelle. Sprecher des Graduierten- (x1,x2,x2) : x1 1 x3ist positiv semidefinit  ∈    kollegs ist Prof. Dr. Sebastian Sager.  x2 x3 1  Übergreifendes thematisches Ziel des Graduierten- kollegs ist die Entwicklung und die Untersuchung von mit zwei zueinander parallelen Ebenen gebildet ist. Ansätzen zur Reduktion von Komplexität auf drei Ebenen: Frank Röttger hat in diesem Frühjahr die Reihe der im der mathematischen Modellierung realer Probleme, der Graduiertenkolleg fertig gestellten Promotionen eröffnet. strukturellen Beschreibung mathematischer Objekte und Im folgenden, gemeinsam mit seinen beiden Betreuern der algorithmischen Lösung mathematischer Aufgaben- Rainer Schwabe und Thomas Kahle verfassten Beitrag stellungen. Dabei decken die beteiligten Arbeitsgruppen zur Geometrie optimaler Versuchspläne gibt er einen Ein- ein breites Spektrum von Disziplinen in den Bereichen blick in das zwei klassische mathematische Disziplinen Numerik, Stochastik, Optimierung, Systemtheorie, Kombi- verbindende Gebiet seiner Dissertation, die Algebraische natorik, Algebra und Geometrie ab. Statistik.

Geometrie optimaler Versuchspläne

Thomas Kahle, Frank Röttger und Rainer Schwabe

Fast jede Entscheidung ist mit Unsicherheiten behaftet und die Wissenschaft soll uns ermöglichen, Risiken zu bewerten und optimal zu handeln. Im Graduiertenkolleg „Mathematische Komplexitätsreduktion“ wird auch die Theorie der statistischen Versuchsplanung untersucht, die helfen soll, Experimente und Datengewinnung möglichst effizient und informativ zu gestalten.

Komplexität soll sichtbar gemacht und dann reduziert wer- gung. Die Gegengewichte und Objekte können dabei auf den, wodurch wir Risikokompetenz erlangen und auch un- beiden Seiten platziert werden. Die Balkenwaage funktio- ter Unsicherheiten methodisch vorgehen können. Wir wol- niert bekanntlich so, dass man durch Ausgleich beider Sei- len die Möglichkeiten und Prinzipien zunächst in einem ten feststellen kann, dass auf beiden Seiten ungefähr die kleinen Beispiel einführen. gleiche Kraft wirkt, die Objekte in den beiden Schalen al- Es sollen acht Objekte O1,...,O8 mit unbekannten Ge- so ungefähr das gleiche Gewicht haben. Bei jeder Wägung wichten g1,...,g8 mittels einer Balkenwaage vermessen wer- machen wir einen kleinen Fehler, weil wir die Waage nicht den. Dazu stehen uns kalibrierte Gegengewichte zur Verfü- perfekt austarieren können. Diese Fehler sind zufällig. Wir

DOI ./dmvm--  nehmen an, die Wägungen sind unabhängig und identisch (E bezeichnet hier die Einheitsmatrix), also kann H ein- verteilt, haben den Mittelwert Null und eine Varianz von σ 2. fach durch Transponieren und Division durch  invertiert T T Man kann nun einfach die Gewichte g1,...,g8 bestimmen, werden: g = 1/8(H Y H ). Nun hat der transformierte T − 2 indem O1,...,O8 nacheinander auf der Waage platziert und Fehlerterm 1/8H  den Mittelwert 0 und die Varianz σ /8 mittels der Gegengewichte gewogen werden. Dazu sind acht – eine wesentliche Verbesserung. Der Schätzer für die Ge- T Wägungen nötig. Wir interessieren uns für die Genauigkeit wichte ist gˆ = 1/8H Y . Um also z. B. das Gewicht g1 von O1 unserer Messung. Da wir mit zufälligen Fehlern modelliert zu schätzen, bestimmt man haben, nehmen wir Statistik zur Hand und betrachten Schät- zer, also Abbildungen, die die Daten des Experiments in uns Y1 + Y2 + Y3 + Y4 Y5 Y6 Y7 Y8 gˆ1 = − − − − . interessierende Größen umrechnen. Beim direkten Wiegen 8 sind die Schätzungen ganz einfach die Messwerte. Die Schät- zer sind Zufallsvariablen, deren Varianz ein Maß für die Hadamardmatrizen sind nur eine der vielen Verbindungen Güte des Experiments sein soll. Beim direkten Wiegen hat zwischen der Versuchsplanung und Algebra sowie Kom- der Schätzer jedes Gewichts eine Varianz von σ 2. binatorik. Viele dieser Verbindungen sind (im Gegensatz Die Versuchsplanung fragt nun: Kann man hier noch et- zum obigen Beispiel) nicht-linear. In den letzten Jahrzehn- was verbessern? Es leuchtet ein, dass man die Fehler ausmit- ten wurden hier viele Fortschritte theoretischer und algo- teln kann, wenn man mehrfach wiegt. Daher wollen wir rithmischer Natur gemacht. Im Graduiertenkolleg „Mathe- die Güte aber auf die Anzahl Wägungen beziehen und hier matische Komplexitätsreduktion“ in Magdeburg arbeiten einfach als acht fixieren. In den er Jahren hat sich der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiede- US-amerikanische Statistiker und Ökonom Harold Hotel- nen Disziplinen gemeinsam. Die Doktorarbeit von Frank ling folgenden Plan zur Verringerung der Varianz ausge- Röttger [] ist in der Algebraischen Statistik verortet, also dacht []. Er nutzt seine acht Wägungen wie in Tabelle . dem mathematischen Gebiet, in dem nicht-lineare Algebra Dabei gleicht er jeweils die beiden Seiten aus und bestimmt und Datenanalyse zusammenkommen. so effektiv die Differenz der Gewichte der Objekte in der Für nicht-lineare Modelle sind viele aus der linearen linken und der rechten Schale. Wir nennen diese acht Mess- Theorie vertraute Eigenschaften nicht mehr gegeben. Ho- T tellings Plan, zum Beispiel, hängt nicht von den Gewich- werte Y = (Y1,...,Y8) . ten der Objekte ab. Egal wie schwer die einzelnen Objekte 2 sind, Tabelle  bleibt immer gleich und das Ergebnis σ Tabelle . Hotellings Wägungsplan 8 für die Varianz immer gültig. Es stellt sich heraus, dass für Wägung Links Rechts nicht-lineare Modelle der optimale Versuchsplan, also das Analogon von Tabelle , von den zu bestimmenden Größen  O1,...,O8 Nichts abhängt. Diesem Henne-Ei-Problem stellen wir uns mit geo-  O1, O2, O3, O8 O4, O5, O6, O7  O1, O4, O5, O8 O2, O3, O6, O7 metrischen Methoden. Wir unterteilen den Parameterraum  O1, O6, O7, O8 O2, O3, O4, O5 in Optimalitätsregionen, in denen die Abhängigkeit des opti-  O2, O4, O6, O8 O1, O3, O5, O7 malen Versuchsplans von den Parametern genau angegeben  O2, O5, O7, O8 O1, O3, O4, O6 werden kann.  O3, O4, O7, O8 O1, O2, O5, O6 Wir illustrieren ein nicht-lineares Modell in einem  O , O , O , O O , O , O , O 3 5 6 8 1 2 4 7 Beispiel. Vor knapp  Jahren hat sich Ernst Zermelo mit der Bestimmung der Stärken von Schachspieler*innen beschäftigt []. Ihn ärgerte, dass ein Jeder-gegen-Jeden- Wir beobachten: Jedes Objekt wird achtmal gewogen und ei- Schachturnier nur eine Rangfolge der Spieler*innen ausgibt, ne kurze Rechnung zeigt, dass sich die Varianz der Schätzer aber nicht die relativen Spielstärken bestimmt. Außerdem verringert. Dazu beobachtet man, dass sich der Erwartungs- ist bei einem Turnierabbruch keine Wertung möglich. Er wert der Größen Y linear aus g = (g ,...,g )T berechnet, i 1 8 wollte ein System entwickeln, in dem jede Partie neue Infor- jeweils versehen mit einem Messfehler  = ( ,..., )T . Es 1 8 mation über die Spielstärken liefert und ließ sich dazu von gilt Y = Hg +  wobei der statistischen Physik inspirieren. Dabei nutzt man ein einfaches Wahrscheinlichkeitsmodell für den Ausgang von  1 1 1 1 1 1 1 1   Schachpartien. Es wird angenommen, dass Spieler*innen  1 1 1 1 1 1 1 1 m    − − − −  je eine unbekannte Spielstärke π1,...,πm haben. Die Wahr-  1 1 1 1 1 1 1 1  − − − −  scheinlichkeit, dass dann i gegen j gewinnt, ist modelliert  1 1 1 1 1 1 1 1 H =  − − − −  als πi .  1 1 1 1 1 1 1 1 πi +πj   − − − −  In seiner Arbeit bestimmt Zermelo den Maximum Likeli-  1 1 1 1 1 1 1 1 − − − −  (abgekürzt MLE für  1 1 1 1 1 1 1 1 hood-Schätzer maximum likelihood − − − −  1 1 1 1 1 1 1 1 estimator) für die πi. Maximum Likelihood-Schätzung ist − − − − ein auf einem Plausibilitätsansatz beruhendes Verfahren, eine Hadamardmatrix ist. Dabei bedeutet ein Eintrag „1“ in bei dem als Schätzung genau die Werte für πi gewählt der i-ten Zeile und j-ten Spalte von H, dass das Objekt Oj werden, unter denen die Wahrscheinlichkeit am größ- bei der i-ten Wägung in der linken Waagschale, und „ 1“, ten ist, dass genau die gleichen Spielergebnisse eintreten − dass es in der rechten Waagschale liegt. Es gilt HT H = 8E wie beobachtet. Mathematisch sucht man das Maximum

 der Likelihoodfunktion aber auch in der Psychologie, in der Marktforschung oder !w bei technischen Experimenten. Y π ij L(π) = i , Die zentrale Idee von Fisher ist es, eine statistische π + π i,j i j Information zu betrachten, die heutzutage als „Fisher- Information“ bezeichnet wird. Diese Idee ging auch in die wobei w zählt, wie oft das Ereignis „i gewinnt gegen j“ ij Entwicklung der Informationstheorie durch Shannon ein. eintritt. Für lineare Modelle, wie im einführenden Beispiel mit der Aus der Sicht der statistischen Versuchsplanung stellt Balkenwaage, ergibt sich die Varianz des MLE als Inverse sich nun die Frage, welche Spiele überhaupt gespielt werden der Fisher-Information, sodass der Begriff Information eine sollten, um die maximale Information über die Spielstärken heuristische Deutung erhält: Umso größer die Informati- zu erhalten, also etwa, dass die Varianz des MLE möglichst on eines Experiments ist, desto präziser ist der Schätzer. klein wird. Für GLM besteht diese Beziehung zumindest asymptotisch, Aus technischen Gründen geht man gerne zu logarith- d. h. für große Anzahlen von Beobachtungen. Die genaue mischen Koordinaten über und setzt β = log(π ). Dann i i Definition der Fisher-Information lassen wir hier außen vor, erhält man ein logistisches Regressionsmodell sie kann in [] gefunden werden. Interessant ist, dass es 1 sich um eine Matrix handelt und die daraus resultieren- P(i gewinnt gegen j) = .   den Optimierungsprobleme oft klassische Matrixanalysis 1 + exp (βi βj ) − − betreffen. Dieses Modell wird als Bradley–Terry Modell bezeichnet, Zur Illustration betrachten wir nun erneut das Bradley– m nach Ralph A. Bradley und Milton E. Terry, die übrigens Terry Modell für m Schachspieler*innen. Dann gibt es 2 beide Doktoranden von Hotelling waren. Sie verwendeten mögliche Spielansetzungen. Ein Versuchsplan besteht darin, dieses Modell  in ihrer Arbeit []. Historisch verortet eine vorher festgelegte Anzahl zu spielender Partien auf die sich das Modell in der discrete choice theory, also der Theorie möglichen Paarungen aufzuteilen. Ein Versuchsplan kann der diskreten Wahlmöglichkeiten. Diese geht auf Gustav dann verstanden werden als eine Abbildung ξ, die jeder Theodor Fechner zurück, welcher damit bereits um  Paarung (i,j) einen nicht-negativen Wert ξ = ξ(i,j) 0 P ij ≥ Fragestellungen in der Psychophysik untersuchte. Aktuel- zuweist, so dass ij ξij = 1. Wir interpretieren ξij als den le Anwendungen betreffen beispielsweise die Komposition Anteil der Partien, die zwischen i und j gespielt werden, an von Fruchtsaftgetränken, Wahlangebote bei Krankenversi- der Gesamtanzahl aller Partien, wobei wir diskrete Effekte cherungen oder die Ausstattung von Transportmitteln, also bei wenigen Partien nicht berücksichtigen. Dieser Ansatz Bereiche, in denen man einzelne Komponenten wählen oder geht auf eine Arbeit von Kiefer zurück [], und solche Ver- abwählen kann und dann eine Präferenzordnung bestim- suchspläne werden auch als approximativ bezeichnet. Ihr men möchte. Vorteil ist, dass reelle Variablen einfacher optimiert werden Das Bradley–Terry Modell fügt sich in die allgemeinere können. Um aus einem approximativen Versuchsplan ein Klasse der in den er Jahren von John Nelder und Robert Schachturnier mit endlich vielen Partien zu erzeugen, muss Wedderburn etablierten verallgemeinerten linearen Modelle also gerundet werden. Die dabei auftretenden Verzerrungen (abgekürzt GLM für generalized linear models) ein. Diese lassen wir hier auch außen vor. GLM sind zentral für die Modellierung von Anwendungen und umfassen auch die klassischen linearen Modelle. ξ12 In der Doktorarbeit von Frank Röttger [] geht es unter   anderem um die Analyse von nicht-linearen Modellen und ξ14 Schätzern mithilfe algebraischer Statistik. Hier interessieren ξ ξ 13 ξ23 24 wir uns insbesondere dafür, wie optimale Versuchspläne für GLM mithilfe von polynomieller Algebra bestimmt werden   können. ξ34 Die optimale Auswahl der Versuchseinstellungen eines Abbildung . Graphische Darstellung des Versuchsplans ξ für m = 4 Experiments ist dabei die zentrale Frage der statistischen Versuchsplanung. Erste Arbeiten zur statistischen Versuchs- planung stammen bereits aus dem . und frühen . Jahr- Ein optimaler Versuchsplan ξ∗ ist dann ein approxima- hundert (zum Beispiel durch Kirstine Smith []), allerdings tiver Versuchsplan, welcher die Fisher-Information geeig- wird im allgemeinen das Buch The Design of Experiments [] net maximiert. Die Fisher-Information ist eine (Hesse’sche) von Ronald Fisher aus dem Jahre  als erstes grund- Matrix, weshalb zur Optimierung ein sogenanntes Krite- legendes Werk genannt. Fisher war zu dieser Zeit an der rium gewählt wird, welches maximiert wird. In Überein- Rothamsted Experimental Station beschäftigt, dem ältesten stimmung mit gängigen Ansätzen in der Literatur verwen- noch existierenden Agrarforschungsinstitut der Welt. Die den wir das D-Kriterium – die Determinante der Fisher- statistische Versuchsplanung ist überall dort von herausra- Informationsmatrix. Diese Wahl ist nicht vollkommen will- gender Bedeutung, wo Experimente aus wirtschaftlichen, kürlich, denn die Maximierung der Determinante der Fisher- ethischen oder terminlichen Gründen besonders effizient Information und damit die Minimierung der Determinante gestaltet werden müssen, also z. B. in der Agrarforschung, der (asymptotischen) Varianz des MLE ist äquivalent zur Mi- in der medizinischen und pharmazeutischen Entwicklung, nimierung des Volumens des zugehörigen asymptotischen

 5 β2 0

5 − 5

0 β3

5 5−

0 β1

5 − Abbildung . Optimalitätsregionen für m = 4

Konfidenzellipsoids, d. h. eines Vertrauensbereichs für die Bei vier Spieler*innen sind insgesamt sechs verschiedene unbekannten relativen Spielstärken. Paarungen möglich. Diese sind durch Linien im Graphen Praktischerweise ist die Determinante eine konkave der Abbildung  dargestellt. Die Knoten bezeichnen dort Funktion. Dies macht sich der Äquivalenzsatz von Kiefer– die Spieler*innen. In einem Jeder-gegen-Jeden-Zwei-Mal- Wolfowitz [] zunutze, welcher die Optimalität eines Ver- Turnier würden somit insgesamt  Partien gespielt werden. suchsplan mit Hilfe notwendiger Bedingungen erster Ord- Dabei kommt es auch zweimal zur „uninteressantesten“ nung charakterisiert. Im Prinzip funktioniert das bekannte Paarung Markus gegen Heinz, von der schon heuristisch Optimierungsverfahren „Ableitung Null setzen“. Wegen der kaum neue Information zu erwarten ist. Sollte Heinz ge- Konkavität ist das dann auch hinreichend. Aus diesen Be- winnen, hätten wir zwar viel neue Information, aber das ist dingungen ergeben sich Gleichungen und Ungleichungen eben sehr unwahrscheinlich. in den Parametern. Die statistische Versuchsplanung fragt nun, welche Alles zusammengenommen wollen wir also sehen, wie  Partien angesetzt werden sollten, um möglichst viel über die Lösung (der optimale Versuchsplan) eines Optimie- die aktuellen Spielstärken zu lernen. Wir wissen bereits, rungsproblems (Information maximieren!) von den unbe- dass der optimale Versuchsplan von den wirklichen Spiel- kannten Parametern (Spielstärken) β1,...,βm abhängt. Da- stärken abhängt, aber glücklicherweise haben wir mit den bei ändern sich sowohl die Zielfunktion als auch der Opti- ELO-Zahlen Vorabinformation. Das ist auch in vielen ande- mierungsbereich in Abhängigkeit von den βi. Es zeigt sich ren Situationen der Fall, oder aber man führt zunächst einen aber, dass die Bedingungen von Kiefer und Wolfowitz (nach Pilotversuch durch, um eine grobe Voreinschätzung für die einer weiteren Umformulierung) polynomielle Ungleichun- Größen der Parameter zu bekommen. Solche Information gen und Gleichungen sind. Damit können wir Algebra in kann dann mit geometrischer Information über die Opti- Stellung bringen. Hieraus ergibt sich die geometrische Ein- malitätsregionen kombiniert werden, um einen passenden sicht: Versuchsplan zu wählen. Es gibt durch Polynome beschriebene Optimalitätsregionen In unserer Arbeit [] haben wir unter anderem den im Parameterbereich, sodass in jeder Region der optimale Ver- Fall m = 4 im Detail untersucht und beschrieben, für welche suchsplan ξ durch eine Formel ausgedrückt werden kann, die Parameter welcher Versuchsplan optimal ist. Da Spielstär- die Parameter β in die optimalen Gewichte ξij umrechnet. ken relativ sind, können sie auf eine*n der Spieler*innen Um das zu illustrieren, analysieren wir ein fiktives bezogen werden, und es ist nur ein drei-dimensionaler Para- Schachturnier mit den vier Spieler*innen: meterraum nötig. Dieser ist in Abbildung  in Optimalitäts- regionen zerlegt, wobei der Übersichtlichkeit halber nicht . Markus, ELO:  alle Regionen dargestellt sind. Die fehlenden Regionen sind . Angelika, ELO:  aber symmetrisch zu den dargestellten Regionen. Dabei gibt . Tamara, ELO:  es vier Typen von Regionen, welche durch unterschiedliche . Heinz, ELO:  Farben gekennzeichnet sind. Die ELO-Zahlen sind Vorabschätzungen der Parameter, Mar- In der orangen Region sind Versuchspläne mit sechs po- kus ist also bisher ein viel stärkerer Spieler als Heinz. Für sitiven ξij optimal. Diese Region umschließt den Ursprung den heutigen Turnierausgang ist das aber zunächst irrele- β = 0, der die Situation beschreibt, dass alle Spieler*innen vant. Wir wollen im Turnier möglichst viel neue Informati- gleich stark sind. Das bedeutet: Sind die Spielstärken sehr on gewinnen. ähnlich, dann macht es Sinn, alle möglichen Paarungen

 anzusetzen. Allerdings können sich deren Häufigkeiten un- 1/3 1/3 1/3 M A T H terscheiden. In der grünen Region werden nur fünf von sechs möglichen Paarungen angesetzt. Hier wird auf die Paarung zwischen der besten und schlechtesten Spieler*in Abbildung . Graphische Darstellung eines optimalen saturierten Ver- verzichtet. In der blauen Region sind nur noch vier und in suchsplans für das fiktive Schachturnier der roten Region die minimale Anzahl von drei Paarungen vorgesehen. Dabei spielt bei vier verschiedenen Paarungen entweder die beste Spieler*in nur gegen die zweitbeste oder EffD die schlechteste Spieler*in gegen den zweitschlechtesten. 1.0 Im Fall von nur drei verschiedenen Paarungen treten nur

Spieler*innen mit benachbarter Spielstärke gegeneinander 0.9 an. Man kann es sich dadurch leicht klar machen, dass bei m Spieler*innen mindestens m 1 verschiedene Paarungen an- − 0.8 gesetzt werden müssen. Ist der Graph in Abbildung  näm- lich nicht zusammenhängend, gibt es mehrere Gruppen von Spieler*innen, die durch das Turnier gar nicht miteinander 0.7 verglichen werden. Man zeigt leicht, dass die Determinante der Information von solchen Plänen einfach null ist. 0.6 Eine mathematisch interessante Struktur entsteht in den roten Regionen bzw. für Versuchspläne mit der minima- β1 0 2 4 6 8 len Anzahl von verschiedenen angesetzten Partien. Hier konnten wir für eine beliebige Anzahl von Spieler*innen Abbildung . Effizienz des konstanten Versuchsplans. Die vertikalen zeigen, dass diese Versuchspläne nur dann optimal sein kön- Trennlinien markieren die Übergange zwischen den verschiedenen Optimalitätsregionen. nen, wenn der zugehörige Graph ein Pfad ist, und auch die Optimalitätsregionen konkret angeben. Es gilt dabei, dass Versuchspläne mit einer minimalen Anzahl von genutzten Paarungen die durchgeführten Partien immer gleich oft plan doppelt so viele Beobachtungen benötigt werden, um ansetzen. In unserem Beispiel betragen diese Gewichte al- die gleiche Information wie mit dem optimalen Versuchs- so 1/3. Dieser Versuchsplan kann praktisch so umgesetzt plan zu gewinnen. Für das Bradley–Terry-Modell haben werden, dass jede der drei Paarungen im Turnier viermal wir die Effizienz des konstanten Versuchsplans, also des angesetzt wird. Jeder-gegen-Jeden-gleich-oft-Turniers mit dem optimalen Diese Versuchspläne werden als saturierte Versuchs- Versuchsplan entlang einer Geraden im Parameterraum be- pläne bezeichnet. Für das Beispiel mit vier Spieler*innen rechnet, die alle vier Regionen in Abbildung  trifft. Die 6 gibt es genau 3 = 20 saturierte Versuchspläne, doch nur Effizienz fällt asymptotisch gegen 1/2, d. h. führt man bei  können optimal sein. Diese sind genau die saturierten sehr unterschiedlichen Spielstärken ein Jeder-gegen-Jeden- Versuchspläne, deren graphische Darstellung einem Pfad Turnier durch, so braucht man fast doppelt so viele Beobach- entspricht. Ein Beispiel ist der Graph in Abbildung . tungen wie mit dem optimalen Versuchsplan. Dies stimmt Unser fiktives Schachturnier ist am informativsten, überein mit den drei von sechs möglichen Paarungen, die in wenn jeweils Markus und Angelika, Angelika und Tamara, Abbildung  ausgewählt wurden. Die anderen drei Paarun- sowie Tamara und Heinz vier Partien spielen. Auf dieses gen haben in diesem Fall nur sehr wenig Information. Für Ergebnis wäre man auch intuitiv gekommen, aber die Geo- größeres m fällt der Unterschied größer aus. metrie der Versuchsplanung liefert genaue Parameterwerte, ab denen ein anderer Versuchsplan informativer ist. Wären Um interdisziplinäre Ergebnisse wie die hier vorgestellten die Spielstärken sehr eng beieinander, wäre ein Jeder-gegen- zu erreichen, ist ein reger Austausch zwischen verschie- Jeden-Turnier optimal. Die Theorie bestätigt also unter ande- denen Gebieten der Mathematik nötig. Im DFG Graduier- rem die Intuition, dass eine Partie zwischen zwei möglichst tenkolleg  „Mathematische Komplexitätsreduktion“ in gleich starken Spieler*innen informativer ist, als eine, deren Magdeburg arbeiten Mathematiker*innen mit verschiede- Ergebnis von vornherein klar ist. nen Hintergründen gemeinsam an spannenden Problemen In unserem Fall hatten wir sehr gute Vorabinformation. aus Anwendungen. Unser Beispiel hier berührt Statistik, Was aber, wenn die Vorabinformation schlecht ist? In diesem Optimierung und auch reelle algebraische Geometrie. Das Fall stellt sich die Frage, welchen Fehler man macht, wenn diverse Magdeburger Forschungsumfeld stellte sich dabei man einen nicht-optimalen Versuchsplan verwendet. Dazu als optimaler Standort für diese Arbeit heraus. betrachtet man die relative Qualität von Versuchsplänen, die Effizienz. Sie bemisst den relativen Informationsverlust eines Versuchsplans im Vergleich mit dem jeweiligen op- Literatur timalen Versuchsplan. Damit kann man abschätzen, ob es sich eher lohnt, den Versuchsplan zu verändern, oder [] R. A. Bradley and M. E. Terry. Rank analysis of incomplete block noch in weitere Datenpunkte zu investieren. Beispielsweise designs. I. The method of paired comparisons. Biometrika, :– bedeutet eine Effizienz von 1/2, dass mit diesem Versuchs- , .

 [] R. A. Fisher. The Design of Experiments. Oliver and Boyd, . [] F. Röttger. Geometry of Optimal Design and Limit Theorems. Disser- [] H. Hotelling. Some improvements in weighing and other experi- tation. Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, . mental techniques. Ann. Math. Statist., ():–,  . [] K. Smith. On the standard deviations of adjusted and interpolated [] T. Kahle, F. Röttger, and R. Schwabe. The semi-algebraic geometry values of an observed polynomial function and its constants and of optimal designs for the Bradley–Terry model. arXiv:., the guidance they give towards a proper choice of the distribution Jan . of observations. Biometrika, (/):–, . [] E. Zermelo. Die Berechnung der Turnier-Ergebnisse als ein Maxi- [] J. Kiefer. Optimum experimental designs. Journal of the Royal mumproblem der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Statistical Society: Series B (Methodological), ():–, . Mathematische Zeitschrift, :–, . [] J. Kiefer and J. Wolfowitz. The equivalence of two extremum problems. Canadian Journal of Mathematics, :—, .

Prof. Dr. Thomas Kahle, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, FMA-IAG, Universitätsplatz ,  Magdeburg [email protected] Dr. Frank Röttger, Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, Inselstraße ,  Leipzig [email protected] Prof. Dr. Rainer Schwabe, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, FMA-IMST, Universitätsplatz   Magdeburg [email protected]

Thomas Kahle ist Professor für Algebra an der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg. Nach der Promotion in Leipzig war er als Postdoc unter anderem in Stockholm, Cambridge und Berkeley. Er beschäftigt sich mit kommutativer Algebra, Kombinatorik, algebraischer Statistik und mathematischer Biologie. Zusammen mit Petra Schwer sendet er den Podcast „Pi ist genau 3“.

Frank Röttger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig. Nach dem Studium an der Universität Münster promovierte er von  bis  als Fellow des Graduiertenkollegs „Mathematische Komplexitätsreduktion“ bei Thomas Kahle und Rainer Schwabe an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seine Forschungsinteressen liegen in der Schnittstelle von Algebra, Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie, unter anderem in der Versuchsplanung und der probabilistischen Kombinatorik.

Rainer Schwabe ist Professor im Ruhestand für Statistik an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Sein Forschungsgebiet ist optimale und adaptive Versuchsplanung, insbesondere für Anwendungen in Medizin und Psychologie. Nach Studium und Forschungsstellen an der Freien Universität Berlin war er als Medizinischer Biometriker am Universitätsklinikum in Tübingen praktisch tätig. Danach war er maßgeblich treibende Kraft bei der Einrichtung von Statistikstudiengängen und dem Ausbau statistischer Beratung in Magdeburg.

 „Ein Teil des Graduiertenkollegs zu sein, hat unzählige Vorteile“

Katharina Vorwerk im Gespräch mit Johanna Bethge, Esther Mariucci und Henry Maximilian Wahl vom DFG-Graduiertenkolleg MathCoRe an der OVGU Magdeburg

Die thematische Ausrichtung des GK liegt auf der ma- den Projekten weiter zu arbeiten, bei denen der Schlüssel thematischen Komplexitätsreduktion: Welche Bedeu- zunächst die mathematische Abstraktion und Redukti- tung bzw. welche Auswirkungen hat dieser Fokus auf on komplexer Modelle war, mit dem Ziel, effektiver und Ihre Forschungsthemen und ihre Arbeit? effizienter aus Daten zu lernen.

Johanna Bethge [JB]: Ich komme aus dem Bereich der Es gibt im GK eine Doppelbetreuung der Promovieren- Systemtheorie und Regelungstechnik. In diesem Bereich den. Empfinden Sie das als Anregung und als ein Mehr spielt die Mathematik und die Komplexität von Systemen an Impulsen oder führt das eher zum Gegenteil, weil ohnehin eine große Rolle. Häufig werden die Feinheiten jeder Betreuer und jede Betreuerin sich jeweils auf den eines Systems nicht bis ins kleinste Detail abgebildet. Das anderen verlässt? würde zu komplexen Problemen führen, die nicht mehr lösbar sind. In sehr vielen Fällen ist dies ohnehin ein un- JB: Ich empfinde das definitiv als positive Anregung. Wäh- mögliches Unterfangen, da Wissen fehlt. Ziel ist es also, rend mein Hauptbetreuer, Prof. Rolf Findeisen, aus der für ein konkretes Problem, zum Beispiel die Optimie- Kybernetik und Systemtheorie kommt, kann mir meine rung des Verkehrsflusses im innerstädtischen Bereich an Co-Betreuerin, Prof. Claudia Kirch, bei Methoden und Kreuzungen, alle entscheidenden Eigenschaften hinrei- Beweisen aus der Statistik zusätzliche Impulse geben. Da chend genau abzubilden. Im Rahmen meiner Promoti- mein Thema Regelungstechnik und stochastische Prozes- on beschäftige ich mich also sowohl mit der Reduktion se kombiniert, ist das für mich ein klares Plus. Darüber von Systemmodellen als auch der Rechenzeit. Immer mit hinaus gibt es ja auch noch die Mentoren, die ebenfalls dem Fokus, dass Garantien wie Lösbarkeit, Stabilität des fachliche Anregungen geben. geschlossenen Regelkreises, und ähnliches auch unter Unsicherheiten gegeben sind. HW: Auch mir hat die Doppelbetreuung hilfreiche Impul- se gegeben. Zum Beispiel bei einem Benchmarkpaper, an Henry Maximilian Wahl [HW]: Ich arbeite in der numeri- dem ich zusammen mit beiden Betreuern gearbeitet habe. schen Mathematik und hier insbesondere mit strömungs- Die Ratschläge der beiden haben sich sehr gut ergänzt. mechanischen Modellen. Da das Verhalten strömender Fluide sehr komplex ist und die bei der Diskretisierung Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Mentorin- zu lösenden Systeme sehr groß sind, kommt man ohne nen und Mentoren? Komplexitätsreduktion nicht weit. Mit meinem Promoti- onsthema zu Teilchen in Strömungen ist auch noch eine JB: Aus meiner Sicht, sind die Mentoren hervorragende weitere Ebene dazu gekommen. Diesen Sachverhalt mo- Ansprechpartner für fachliche Diskussionen, aber auch dellierbar und simulierbar zu machen, bestimmt somit für Fragen zu guter wissenschaftlicher Praxis. Mit unse- den Kern meiner Arbeit. rem Mentor, Maximilian Merkert, treffen wir uns regelmä- ßig und diskutieren, zum Beispiel, wann ein geeigneter Esther Mariucci [EM]: Das Leitmotiv meiner Forschung Zeitpunkt vorliegt, Preprints zu veröffentlichen oder wel- ist es, tiefe Strukturen mathematischer Modelle zu verste- che Möglichkeiten es zur Literaturverwaltung gibt. Aber hen. Die kann man interpretieren in Begriffen der Quan- auch als Ansprechpartner für persönliche Probleme im tifizierung von Unsicherheit, der Informationstheorie Zusammenhang mit der Promotion steht unser Mentor oder der Geometrie des Raums bestimmter stochastischer uns jederzeit zur Verfügung. Prozesse. Ziel ist es, Konsequenzen für die Lösung hoch- dimensionaler statistischer Probleme zu erkennen und HW: Da ich mir sogar mein Büro mit meinem MathCoRe- systematische Schemata zur Konstruktion äquivalenter, Mentor teile, haben wir ein sehr enges Arbeitsverhältnis. aber besser handhabbarer Modelle reduzierter Komplexi- Ich kann ihm jederzeit Fragen stellen und erhalte unmit- tät zu identifizieren. In diesem Sinn passen meine eigenen telbare Unterstützung, wenn ich mit mir unbekannten Forschungsinteressen ausgezeichnet zum Fokus des Gra- Sachverhalten konfrontiert werde, die einem im Laufe duiertenkollegs und es war für mich nur konsequent, an einer Promotion über den Weg laufen.

DOI ./dmvm--  HW: In unseren wöchentlichen Seminaren finde ich es faszinierend, wie es Zusammenhänge zwischen verschie- denen Themen verschiedener Fellows im GK gab, von denen ich überrascht war, z. B. zwischen Algebra und Stochastik oder Optimierung und Geometrie. EM: Meine Expertise liegt in der Mathematischen Statistik mit Forschung im Grenzbereich von Statistik, Wahrschein- lichkeitstheorie und Numerik. Während meiner Zeit im Graduiertenkolleg hatte ich die Gelegenheit, meinen Hori- zont zu erweitern, so dass ich derzeit auch mit Experten in den Neurowissenschaften zusammenarbeite.

Was macht für Sie den Unterschied zwischen der Promo- tionsphase und ihrer unmittelbar davor abgeschlosse- nen Studienzeit aus? Und welche Rolle spielt dabei die Johanne Bethge Mitgliedschaft im GK?

JB: In meiner Masterarbeit habe ich zu einem relativ klar EM: Ich sehe als Mentorin meine wichtigste Aufgabe dar- definierten Thema selbstständig geforscht und die theo- in, den von mir betreuten Doktorandinnen und Dokto- retischen Ergebnisse durch Experimente bestätigt. Meine randen zu verstehen zu geben, dass sie mich immer kon- Betreuerin war als Mentorin für fachliche Diskussionen taktieren können, wenn sie das Gefühl haben, etwas laufe da. Der Hauptunterschied zur Promotion liegt wohl darin, nicht gut, wenn sie einen Ratschlag benötigen oder auch dass das Thema nun vielfältiger und veränderlicher ist Erfahrungen teilen möchten. Es ist besonders wichtig, und, dass ich konkrete Problemstellungen selbst festlegen dass sie wissen, dass sie frei mit mir sprechen können und darf und auch muss. Dadurch erhalte ich ein vertieftes alles Besprochene vertraulich bleibt. Üblicherweise treffen Wissen in einem Themengebiet, während wir im Studium wir uns als Gruppe und wir besprechen, woran gerade ge- breiter aufgestellt waren. Ansonsten hat sich aber eigent- arbeitet wird, über Schwierigkeiten und Erfolge, geplante lich gar nicht so viel verändert. Reisen, Vorträge, aber auch über Zweifel, Sorgen oder die HW: Mein Studium habe ich in Göttingen absolviert. Mit Zukunft. Denn manchmal geht es auch um persönliche dem Beginn meiner Promotion war ich dann in einer neu- Themen wie die Frage, wie herausfordernd und belastend en Stadt, in der ich niemanden kannte. Durch das GK das Verfolgen einer akademischen Karriere sein kann, wie hatte ich sofort einen lebendigen Alltag und Kontakt mit schwierig es ist, einen Kompromiss zwischen akademi- vielen Leuten aus anderen mathematischen Bereichen, scher Kariere und Privatleben zu finden oder wie man mit die auch gerade ihre Promotion anfingen oder vielleicht einer länger andauernden Fernbeziehung während der schon ein Jahr hinter sich hatten und Ansprechpartner für Postdoc-Zeit klarkommt. Ich will ein Gefühl dafür vermit- Fragen zur Uni oder zum Leben in der neuen Stadt waren. teln, an welchen Punkten es nicht ungewöhnlich ist, sich überfordert zu fühlen, und, dass man nicht zu hart zu sich Was wäre anders verlaufen bei Ihrer Promotion bzw. selbst sein muss. Die Promotionszeit ist eine schöne und Postdoc-Zeit außerhalb des GK? intensive Zeit, voller Emotionen, positive und negative. HW: Ich denke, dass man außerhalb des GK sehr schnell Diese Emotionen mit jemandem teilen zu können, bietet und einfach in einer eigenen Themenblase hätte landen eine gute Möglichkeit, sie in positive Energie umzusetzen. können. Das breite Spektrum des GK führt auf natürliche So gewinnt jeder! Weise dazu, dass man ständig neue und fremde Themen Das GK überspannt ein weites mathematisches Spek- zu sehen bekommt und stets über den eigenen Tellerrand trum von Numerik, Optimierung, Stochastik, Algebra, blickt. Des Weiteren ist es sehr hilfreich, viele andere Dok- Kombinatorik und Geometrie. Bei welchen fachfremden toranden zu kennen, die in derselben Situation sind wie Gebieten sind für ihre eigene Arbeit anregende oder man selbst und mit denen man sich so auch über gemein- auch einfach intellektuell spannende Aspekte aufge- same Probleme gut austauschen kann. taucht? EM: Ein Teil des Graduiertenkollegs zu sein, hat unzähli- JB: In der aktuellen Forschung lassen sich die Themenfel- ge Vorteile. Unter dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt der oft nicht mehr klar abgrenzen, so dass Aspekte aus bietet es einen starken Anreiz, mit Leuten unterschiedli- vielen Bereichen in meine Forschung einfließen. Insofern chen Hintergrunds zu interagieren. Das ist belebend für fällt es mir schwer, von komplett fachfremden Gebieten die Forschung, die von Austausch und Ideen zehrt. Ich er- zu sprechen. Im GK treffe ich aber auf viele interessante innere mich ganz gut, dass ich als Doktorandin, insbeson- Themen. Eine Kollegin beschäftigt sich beispielsweise mit dere im ersten Jahr, nicht sehr begeistert war, Seminare der Quantifizierung von Unsicherheiten, eine andere mit besuchen zu müssen, von denen ich nur einen Bruchteil der Relaxierung von Optimierungsproblemen. Das sind verstand. Ich habe das damals als Zeitverschwendung spannende Anregungen für meine eigene Arbeit. empfunden. Im Rückblick bin ich aber sehr froh, mich

 gezwungen zu haben, daran teilzunehmen. Es ist faszinie- rend, wie weit man sein Gehirn trainieren kann, auch weit von der eigenen Expertise entfernte Inhalte zu verstehen und wie manchmal nebulöse Passagen klarwerden und bisweilen nach Jahren mit Wucht ins Gedächtnis zurück- kommen. Wenn ich nicht Teil dieses Graduiertenkollegs gewesen wäre, hätte ich keine Gelegenheit gehabt, die Vorteile zahlreicher Aktivitäten wie den Seminaren zu ver- schiedenen Themen der Komplexitätsreduktion oder auch den Soft-Skill-Kursen zum wissenschaftlichen Schreiben und Vorträgen zu genießen. Wahrscheinlich hätte ich ohne das Graduiertenkolleg auch mehr Schwierigkeiten gehabt, Reise- und Gästemittel aufzubringen, und das wäre sehr schade gewesen, da diese Art von Austausch eine wichtige Antriebskraft für exzellente Forschung darstellt. Esther Mariucci Es gibt recht viele Stellenangebote sowohl für Promo- vierende als auch für Postdocs: Warum haben Sie sich für das GK in Magdeburg entschieden? auf das GK aufmerksam, das den Fokus meiner Arbeit dann auf die mathematische Komplexitätsreduktion HW: Meinen Betreuer und ein paar Fellows habe ich auf legte. einer vom GK unterstützten Sommerschule in Havanna kennengelernt und mich mit allen sehr gut verstanden. Welche Verpflichtungen haben Sie als Promovierender Danach habe ich dann einen Vorstellungsvortrag hier in durch die Mitgliedschaft im GK? Magdeburg gehalten und damit die Gelegenheit gehabt, JB: Wir dürfen und müssen einmal im Jahr einen Vortrag auch die Stimmung vor Ort kennen zu lernen. Und ich im wöchentlichen Seminar zu unserer eigenen Forschung war begeistert! Alle waren überaus freundlich zu mir und halten. Und natürlich sollen wir auch aktiv an den Dis- haben mich als Gast mit einbezogen, sodass ich mich hier kussionen zur Forschung der anderen Fellows, Postdocs von Anfang an sehr wohl gefühlt habe. und PIs teilnehmen. Zudem sind wir angehalten, ins- EM: Am Ende habe ich mich für das Angebot des Gradu- gesamt vier Kompaktkurse zu belegen. Diese haben un- iertenkollegs entschieden, weil zum einen der Vertrag eine terschiedliche mathematische Schwerpunkte, und wir lange Laufzeit hatte und mir Stabilität garantierte, aber haben die Möglichkeit, zwischen mehreren Angeboten zu vor allem, weil mir das Umfeld sehr gefiel: Als ich zum In- wählen. terview in Magdeburg war, hatte ich auch die Gelegenheit, HW: Die Hauptverpflichtungen sind unser wöchentliches einige Doktorand*innen zu treffen und mich mit ihnen zu Seminar, das jährliche Kolloquium und die Kompaktkurse. unterhalten. Sie sprachen ziemlich enthusiastisch über Ih- Die Seminare sind besonders gut, da wir so stets in Kon- re Zeit in Magdeburg und ich hatte den klaren Eindruck, takt miteinander bleiben und den Fortschritt der anderen dass sie nicht übertrieben, sondern tatsächlich glücklich sehen können. Am Kolloquium hat mir besonders gut ge- waren. Das hat mich bewogen, über das Angebot ernsthaft fallen, dass man mehr Raum für persönliche Gespräche nachzudenken. Ich hatte dann mehrmals die Gelegenheit, hatte, um auf einzelne Themenbereiche, die für einander mit dem Sprecher des Graduiertenkollegs, Prof. Sager, die interessant sind, genauer einzugehen. Bedingungen zu besprechen. Diese Gespräche habe ich immer als äußerst klar, flexibel, und zielgerichtet emp- Welche Angebote des GK schätzen Sie besonders, wel- funden. Ich hatte das Gefühl, mit Leuten zu tun zu haben, che sind ggf. unnötig oder sollten verändert werden? denen ich trauen konnte, denen das Projekt sehr am Her- zen lag, aber ebenso auch die Zukunft der involvierten JB: Das wöchentliche Seminar gibt uns die Möglichkeit Nachwuchswissenschaftler*innen. Das waren die Gründe, zum fachlichen Austausch und ermöglicht es uns natür- wegen derer ich das Angebot angenommen habe, und sie lich auch, in Kontakt zu bleiben. Wichtige Ergebnisse im haben sich nie als falsch herausgestellt. Bereich der mathematischen Komplexitätsreduktion wer- den zusammen diskutiert und der Kontakt zu Kollegen JB: Ich habe bereits an der Otto-von-Guericke-Universität und konkreten Themen ist unkompliziert hergestellt. So Magdeburg studiert. Da ich bei der Anfertigung meiner können wir immer wieder gemeinsam über den Teller- Bachelor- und auch Masterarbeit, aber auch durch Hiwi- rand hinaussehen. Jobs bereits gute Erfahrungen in der Arbeitsgruppe von Prof. Findeisen gesammelt hatte, wollte ich dort auch gern HW: Ich fand insbesondere Zusatzangebote wie den Work- promovieren. Bei der Themendiskussion kamen wir auf shop „Presentation Skills“ sehr hilfreich, da diese Kom- die Reduktion von Modellen unter Berücksichtigung von petenz immer benötigt wird, man aber nur selten die Unsicherheiten zu sprechen, und wie dafür Garantien ge- Gelegenheit bekommt, strukturiert und genau zu lernen, geben werden können. Prof. Findeisen machte mich dann wie man es richtig machen sollte.

 EM: Neben den thematisch fokussierten Seminaren, verschiedenen Gebieten und so weiter, sondern es ist auch den jährlichen Retreats, den Kompaktkursen, dem entscheidend für die Verbesserung der eigenen Sichtbar- Mentor*innen-Programm oder der Möglichkeit, Konfe- keit und die Etablierung der eigenen Person im sozialen renzen und Workshops zu besuchen, finde ich es hoch- Gefüge der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Ich arbeite interessant und großzügig, dass die Mitglieder Trainings- inzwischen an mehreren Projekten, die ich von Magde- möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Vorträge, ihres burg aus mit internationalen Kollegen gestartet habe. Ich Schreibens und so weiter haben. Ich habe auch das Semi- denke nicht, dass diese Projekte ohne die großzügigen nar über gute wissenschaftliche Praxis als sehr hilfreich Möglichkeiten, Gäste einzuladen, zu Stande gekommen empfunden. wären.

Wenn Sie frei wählen könnten und die entsprechenden JB: Ja, definitiv! Die Reisemittel ermöglichen es uns, auf Vorkenntnisse geschenkt bekämen, welches mathemati- nationale und internationale Konferenzen und Tagungen sche Gebiet außer ihrem eigenen fänden Sie am attrak- zu fahren und an Workshops teilzunehmen. So konnte tivsten für die Forschung? ich meine Forschungsergebnisse bereits in den USA vor- stellen oder mich persönlich mit anderen Forschern in JB: Das ist schwer zu sagen! Grundsätzlich finde ich mein China austauschen. Der intensive Kontakt zu anderen eigenes Thema natürlich am spannendsten. Sonst hät- Forscherinnen und Forschern ist sehr wichtig und bietet te ich mich ja nicht dafür entschieden. Neben der Mo- immer wieder neue Anregungen und Möglichkeiten zur dellreduktion finde ich aber auch die Optimierung sehr Kooperation. spannend, da die verwendeten Methoden einen entschei- denden Einfluss auf die Regelgüte und Garantien haben. HW: Auch mir haben diese Mittel sehr geholfen. Ich konn- te an mehreren internationalen Konferenzen teilnehmen. EM: Idealerweise hätte ich mich noch mehr in angewand- Meines Erachtens ist das die beste Gelegenheit, andere ter Forschung engagiert. Vor allem bin ich immer sehr Forscherinnen und Forscher kennenzulernen, gemeinsam fasziniert gewesen von Anwendungen in der Medizin oder Themen zu diskutieren und Kooperationen aufzubauen. an der Grenze zur Psychoanalyse. Wie international ist das GK? Wie sehr haben die Angebote des GK wie Seminare und Kompaktkurse Ihre Forschungsarbeit beeinflusst? JB: Das GK MathCoRe ist sehr international aufgestellt, die Doktoranden, Postdocs und Professoren kommen JB: Die Seminare und Kompaktkurse geben immer wieder aus vielen unterschiedlichen Nationen, zum Beispiel aus neue Anregungen und Ideen. Natürlich passen die vorge- Griechenland, England, den USA, Polen oder Belarus und stellten Methoden und Themen nicht immer zur eigenen natürlich auch aus Deutschland. Durch die Seminare und aktuellen Problemstellung. Dennoch waren auch für mich Kolloquien entsteht ein wissenschaftlicher, aber auch schon Ideen für eine andere Herangehensweise dabei. interkultureller Austausch, was ich sehr schätze! EM: Ich begrüße sehr die interdisziplinäre Seite des Gra- HW: Fast  Prozent der Fellows haben einen interna- duiertenkollegs. Insbesondere habe ich einige Inspiration tionalen Hintergrund und die meisten sind erst für die aus der daher rührenden Vielfältigkeit gezogen. Das wird Promotion nach Magdeburg gekommen. Daher finden im durch die Organisation von Veranstaltungen ermöglicht, GK auch alle Veranstaltungen und die gesamte Kommuni- bei denen sich Menschen unterschiedlichster Hintergrün- kation auf Englisch statt. de treffen und sich gegenseitig ihre Arbeit vorstellen. EM: Sehr international, das sehe ich genauso! Mehr als Haben die im GK verfügbaren Reise- und Gästemittel  Prozent der Postdocs und  Prozent der Doktorand- Ihnen geholfen? Innen kommen aus dem Ausland. Wir haben oft hochkarä- tige internationale Gäste, die weltweit führende Experten EM: In der Tat sind diese Reise- und Gästemittel eine au- auf ihren Gebieten sind. Nicht zuletzt möchte ich beto- ßergewöhnliche Stärke des Graduiertenkollegs! Als ich nen, dass nicht nur die wissenschaftlichen Aktivitäten in beispielsweise in Frankreich gearbeitet habe, war eine englischer Sprache stattfinden, sondern auch dann, wenn ungeschriebene Regel, dass Doktorand*innen und Post- ich Unterstützung des Sekretariats benötige, kommuni- doktorand*innen wissenschaftliche Konferenzen und zieren wir auf Englisch, und mir wird sehr effektiv und Workshops nur besuchen konnten, wenn sie Vortragende freundlich geholfen. Das ist großartig, und kann nicht waren. Ich habe die Gründe dafür zwar verstanden, fin- als selbstverständich hingenommen werden. Ich habe in de solche Regelungen aber trotzdem sehr schade. Dank der Vergangenheit an mehreren deutschen Universitäten meiner Mitgliedschaft im Graduiertenkolleg konnte ich Dokumente ausfüllen müssen, womit ich oft genug in mehrere Konferenzen besuchen und auch an einer äu- deutscher Sprache klarkommen musste, weil die Mitar- ßerst interessanten Sommerschule in Paris teilnehmen. beiter*innen in der Verwaltung nicht englischsprachig Ich möchte wirklich betonen, wie wichtig und wertvoll es waren. für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ist, zu reisen. Nicht nur für die Inspiration, das Aufkommen Gibt es Anwendungen und Kooperationen außerhalb neuer Ideen, die Aneignung des state-of-the-art, das Ver- der Mathematik, etwa mit Ingenieurwissenschaften ständnis der Wichtigkeit der einzelnen Expert*innen auf oder Industriepartnern?

 aus verschiedenen Kugeln, die in einem dickflüssigen Fluid fallen gelassen werden. Wir untersuchen, wie gut unsere numerischen Methoden diese Experimente simu- lieren können. Das ist insbesondere deswegen spannend, weil es nur wenige Vergleichsdaten aus echten Experimen- ten gibt, anhand dessen man numerische Methoden testen kann.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

JB: In erster Linie wünsche ich mir natürlich eine erfolg- reiche Promotion mit guten Forschungsergebnissen. An- schließend möchte ich gern in der Forschung bleiben und neue Herausforderungen annehmen. Hierfür könnte ich mir eine akademische Stelle vorstellen, aber auch eine Henry Maximilian Wahl Position in der industriellen Forschung und Entwicklung bietet für mich interessante und spannende Herausforde- rungen. JB: Ja, definitiv. Zusammen mit einem anderen Fellow ar- HW: Auch ich möchte natürlich meine Promotion erfolg- beiten wir in einem Projekt mit einem Industriepartner. reich abschließen. Wie es danach weitergeht, wird davon Hier sollen die theoretisch und mathematisch fundierten abhängen, welche Stellen zur Verfügung stehen. Einer- Methoden Anwendung finden. Das bietet für uns die Mög- seits würde ich sehr gerne in der akademischen Forschung lichkeit, zu sehen, dass die erarbeiteten und verwendeten bleiben, andererseits kann ich mir einen Wechsel in die Methoden auch praktischen Nutzen haben, und natürlich Industrie auch gut vorstellen. liefert dies auch unserem Industriepartner die gewünsch- ten Ergebnisse. Aus der Kooperation ist sogar ein Paper EM: Mein nächstes Ziel ist die Habilitation in naher Zu- entstanden. kunft, Danach hoffe ich, auf eine Professur berufen zu werden. HW: Auch ich arbeite zum Beispiel mit Dr. Thomas Hage- meier aus dem Institut für Strömungsmechanik und Ther- modynamik hier an der Uni Magdeburg zusammen. Wir Fotos haben von ihm sehr präzise Versuchsdaten eines Fluid- S. , S. : Jana Dünnhaupt/ OVGU Magdeburg Struktur-Kopplung-Experimentes bekommen, bestehend S. : Privat

Katharina Vorwerk Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecherin der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Universitätsplatz ,  Magdeburg [email protected]

Johanna Bethge ist seit dem . April  Doktorandin im Graduiertenkolleg MathCoRe. Zuvor erwarb sie einen Masterabschluss in Systemtechnik und Technischer Kybernetik an der OVGU Magdeburg. Unter der Betreuung von Rolf Findeisen und Claudia Kirch promoviert sie zum Thema „Learning supported predictive control under uncertainties“.

Ester Mariucci ist seit dem . Dezember  Postdoktorandin im Graduiertenkolleg MathCoRe. Sie promovierte in  an der Université Grenoble Alpes zum Thema „Asymptotic equivalence, in the Le Cam sense, between different statistical models“. Ihre aktuellen Arbeitsthemen umfassen die Statistik stochastischer Prozesse, den Einfluss von Sampling-Raten und Anwendungen in den Neurowissenschaften.

Henry Maximilian Wahl ist seit dem . Oktober  Doktorand im Graduiertenkolleg MathCoRe. Zuvor erwarb er einen Masterabschluss in Mathematik an der Georg-August-Universität Göttingen. Unter der Betreuung von Thomas Richter und Jan Heiland promoviert er zum Thema „Nicht-sphärische Teilchen in Fluiden“.

 Frauen in der Mathematik Thomas Vogt im Gespräch mit Marie-Françoise Roy

Seit Jahrzehnten engagiert sich Marie-Françoise Roy neben ihrer Forschung und Lehre in Algebraischer Geometrie auch für die Frauenrechte in der Mathematik. Dabei lässt sich die inzwischen emeritierte Professorin der Universität Rennes nicht nur von ihren Beobachtungen in ihrem professionellen Umfeld leiten, sondern versucht systematisch zu erfassen, welche Probleme es genau gibt und wie sie sich möglicherweise aus der Welt schaffen lassen. Jüngstes Beispiel für ihre Arbeit und eines der größten Projekte, das sie koordiniert hat, ist eine Umfrage unter   Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit zur Situation von Frauen in der Forschung namens „Gender Gap in Science – A Global Approach to the Gender Gap in Mathematical, Computing, and Natural Sciences: How to Measure It, How to Reduce It?“ Kürzlich wurden die ersten Ergebnisse publiziert, was die DMV-Mitteilungen zum Anlass nahmen, mit der engagierten Mathematik-Professorin zu sprechen.

Die NGO „Verein für Frauen in der Mathematik“ wur- Der Internationale Tag der Frauen in der Mathematik de in den Vereinigten Staaten vor fast  Jahren () wurde zum ersten Mal am . Mai  begangen. gegründet. EWM, das europäisches Pendant dazu, wur- de von einer Gruppe gegründet, der Sie  angehör- Offiziell heißt die Initiative „. Mai zur Feier von Frau- ten . . . en in der Mathematik“, und es ist kein offizieller inter- nationaler Tag in der Liste der UNO. Tatsächlich ha- ben wir jetzt einen offiziellen Internationalen Tag der Es gibt weitere regionale Organisationen für Frauen in Mathematik (International Day of Mathematics, IDM), der Mathematik, wie IWM, also Indian Women in Ma- und zwar am . März (Pi-Tag), der von der UNESCO- thematics, welche  gegründet wurde, oder AWMA, Generalversammlung beschlossen und im Jahr  ein- die African Women in Mathematics Association, gegrün- geführt wurde [siehe Interview in Heft -, Anm. d. det . Darüber hinaus haben sich in letzter Zeit viele Redakt.]. Ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis ist Aktivitäten in lateinamerikanischen Ländern entwickelt, eines der Ziele des IDM. Der . Mai ist übrigens der insbesondere in Brasilien, Chile und Mexiko. CWM, das Geburtstag der iranischen Mathematikerin Maryam Komitee der Internationalen Mathematischen Union für Mirzakhani, der ersten und einzigen weiblichen Fields- Frauen in der Mathematik, dessen Vorsitz ich innehabe, Medaillengewinnerin, die leider sehr jung verstorben ist. listet auf seiner Website mehr als  verschiedene Länder Aus diesem Grund wurde auf dem ersten Welttreffen für auf, in denen es spezifische Initiativen für Frauen in der Frauen in der Mathematik (CWM) in Rio auf Vorschlag Mathematik gibt; entweder unabhängige Organisationen des Frauenkomitees der Iranischen Mathematischen Ge- oder Komitees nationaler mathematischer Gesellschaften. sellschaft die weltweite Feier für Frauen in der Mathema- tik am . Mai beschlossen. Der . Mai ist übrigens auch das Geburtsdatum von Florence Nightingale, der briti- schen Sozialreformerin, Statistikerin und Begründerin der modernen Krankenpflege. Und am . Mai  schrieb die französische Mathematikerin Sophie Germain einen berühmten Brief an Karl Friedrich Gauß über ihren Plan zum Beweis von Fermats letztem Satz. Bei der diesjährigen . Mai-Feier ist die Zahl der Ver- anstaltungen von  im letzten Jahr auf  in diesem Jahr gestiegen und das trotz der Unsicherheiten im Zu- sammenhang mit der Corona-Pandemie. Viele dieser Ver- anstaltungen fanden online statt.

Können Sie bitte ein Beispiel nennen?

 Die Koordinationsgruppe vom . Mai hatte eine Verein- barung mit zalafilms, so dass wir kostenlose Vorführun- gen des wundervollen Films Secrets of the Surface für alle anbieten konnten, die sich auf unserer Website angemel- det haben. Dieser einfühlsame Film von George Csicsery oto: Université de Rennes F beschreibt die mathematische Vision von Maryam Mir- Marie-Françoise Roy zakhani. Die Resonanz war mit mehr als   Anmel-

 DOI ./dmvm-- dungen aus  verschiedenen Ländern überwältigend. Bitte erzählen Sie uns noch mehr von Ihrem For- Dank mehrerer Freiwilliger konnten Untertitel in meh- schungsprojekt zur Geschlechterlücke in der Wissen- reren Sprachen angeboten werden, z. B. Italienisch, Por- schaft. tugiesisch, Spanisch und Türkisch, und die bereits von zalafilms angebotenen Untertitel in Farsi und Franzö- Unser Projekt trägt aus drei sich ergänzenden Perspekti- sisch konnten verbessert werden. Maryam Mirzakhani ven zur Analyse bei: ist im Iran eine Ikone, weit über die mathematische Ge- Die globale Umfrage unter Wissenschaftler*innen be- ◦ meinschaft hinaus; dies spiegelt sich auch in der Tatsache fasst sich mit Fragen zu fehlenden Vorbildern, zu Aus- wider, dass mehr als / der Anmeldungen aus dem Iran grenzungsgefühlen, zu Belästigung, niedriger Teilnah- kamen. me und Vorbehalten. Die Studie zum Publikationsmuster liefert über die ◦ Warum ist „Frauen in der Mathematik“ immer noch ein Autorschaft Erkenntnisse zum Frauenanteil in der For- so großes Thema? schung und zu den Autor*innen in renommierten Zeit- schriften. Das hängt sehr von den Indikatoren ab, die Sie betrachten. Die Datenbank guter Praxisbeispiele bietet den konzep- ◦ Wenn Sie den Anteil weiblicher Autoren in der Mathema- tionellen Rahmen für deren Analyse, um ihre Effektivi- tik weltweit betrachten, so gibt es in den letzten  Jahren tät und Wirkung zu offenbaren. einen kontinuierliche Anstieg; derzeit sind etwa  % der Autoren von mathematischen Arbeiten weiblich. Um es kurz zu machen möchte ich sagen, dass an der Um- Aber wenn Sie die Publikationen in den Spitzenzeit- frage weltweit   Wissenschaftler*innen teilgenom- schriften anschauen, sieht die Situation ganz anders men haben, von denen  % männlich und  % weiblich aus: Trotz des wachsenden Frauenanteils unter den Au- waren. Die Ergebnisse bestätigen, dass die Geschlechter- tor*innen stagniert der Frauenanteil in Top-Zeitschriften. lücke in der Wissenschaft äußerst real ist: Sie besteht über Darüber hinaus ist die Situation in der Mathematik und alle Regionen, Disziplinen und Karrierestufen hinweg. in der theoretischen Physik viel schlechter als in anderen Die Erfahrungen von Frauen sowohl im Ausbildungs- als Disziplinen wie Astronomie, Astrophysik oder Chemie, auch im Beschäftigungsbereich sind durchweg weniger wo eine positive Veränderung zu beobachten ist. positiv als die der Männer: Über ein Viertel der Frauen gab an, persönlich sexuelle ◦ Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Belästigung in der Schule oder am Arbeitsplatz erlebt zu haben. Frauen gaben mehr als  Mal häufiger als Das ist eines der Ergebnisse unseres jüngsten Forschungs- Männer an, persönlich belästigt worden zu sein. projekts [] zur ,Geschlechterlücke in der Wissenschaft: Es besteht weiterhin ein Lohngefälle zwischen Frauen ◦ Wie man sie messen und wie man sie verringern kann‘. und Männern. Die Elternschaft hat signifikant unter- Die Geschlechterlücke beschreibt den Unterschied zwi- schiedliche Auswirkungen auf das Leben von Frauen im schen Frauen und Männern „in Bezug auf den Grad ih- Vergleich zu Männern. rer Teilhabe, ihres Zugangs, ihrer Rechte, ihres Lohns und ihrer Leistungen“. Nach statistischen Angaben Für weitere Einzelheiten möchte ich auf unsere Projekt- der UNESCO sind weniger als  % der weltweiten For- seiten gender-gap-in-science.org verweisen (siehe scher*innen weiblich, was die Existenz einer deutlichen auch []). Geschlechterlücke in der Wissenschaft zeigt. Um diese Was ist das Besondere an Ihrer Studie im Vergleich zu Lücke zu verstehen und zu verringern, ist es notwendig, anderen oder bisherigen? die verschiedenen Faktoren zu identifizieren, die Frau- en davon abhalten, eine Karriere in der Wissenschaft Unsere Studie über Publikationsmuster ist wichtig, weil einzuschlagen. erfolgreiche akademische Karrieren stark an eine pro-

 duktive wissenschaftliche Bilanz gebunden sind und wis- Fördern Sie eine respektvolle, kollegiale Arbeits- ◦ senschaftliche Publikationen eine Schlüsselrolle für die atmosphäre. Beobachten Sie die Unterstützung, das wissenschaftliche Reputation spielen. Das Verständnis der Wohlergehen und die Betreuung von Akademikerinnen. Publikationspraktiken in verschiedenen Disziplinen ist Erstellen Sie einen Leitfaden, um sexuelle Belästigung ◦ von größter Bedeutung. und Diskriminierung im beruflichen Umfeld zu verhin- Indem wir frühere Studien in Mathematik um Astro- dern, zu melden und dagegen vorzugehen. nomie, Theoretische Physik und teilweise auch Chemie Setzen Sie sich mit den Auswirkungen der Elternschaft ◦ erweitert haben, konnten wir Millionen von Publikationen auf die berufliche Laufbahn von Frauen auseinander. von  bis heute analysieren. Wegen ihrer Spezifität Führen Sie bei Kandidat*nnen in Einstellungs- und und Vollständigkeit wählten wir zbMATH, ADS und arXiv Beförderungsprozessen eine angemessene Berücksichti- als Datenquellen. gung von Kinderbetreuungszeiten ( Monate pro Kind Unsere Ergebnisse geben einen tiefen Einblick in die empfohlen) ein. In der Praxis gilt dies hauptsächlich für Dynamik des wissenschaftlichen Publizierens: Der Frau- Frauen. enanteil bei den Publikationen in den Disziplinen ist Gewähren Sie ggf. ein reines Forschungsjahr nach dem ◦ stetig gestiegen. Allerdings stagniert der Frauenanteil in Mutterschafts- oder Erziehungsurlaub. Erkennen und Spitzenzeitschriften in Mathematik und Theoretischer akzeptieren Sie die Existenz von diskontinuierlichen Physik und liegt unverändert bei etwa  %, während er Karrieren und familiären Verpflichtungen und berück- in Astronomie und Chemie gestiegen ist. Wir stellen fest, sichtigen Sie diese in Ihrer Einstellungs- und Finanzie- dass es in den theoretischen Disziplinen und Teildiszipli- rungspolitik. nen weniger Autorinnen gibt, während in den angewand- Gewährleisten Sie Transparenz bezüglich Gehältern, ◦ ten und den gemeinschaftlichen Bereichen ein größerer Lehrdeputat, Boni, Einstellung, Förderung und Beförde- Frauenanteil zu verzeichnen ist. rung und beobachten sie Fortschritte oder Schwierigkei- In unserer Datenbank für gute Praxis haben wir eine ten von Wissenschaftlerinnen. Auswahl von Initiativen zur Verringerung der Geschlech- Versuchen Sie, geschlechtsspezifische Gehaltsunter- ◦ terlücke in vielen Ländern und Disziplinen zusammen- schiede zu verringern. Gewährleisten Sie, dass Frauen gestellt, Parameter entwickelt, die gute Praxis charakteri- und Männer in Einstellungsgremien und bei Weiterbil- sieren, und diese auf alle Programme angewandt, um zu dungsmaßnahmen paritätisch vertreten sind und auch erklären, warum sie „funktionieren“. bezüglich unbewusster Voreingenommenheit geschult werden. Machen Sie Gleichstellungs- und Geschlechter- Gibt es eine Geschlechterlücke in Mathematik und den fragen zur Aufgabe einer engagierten Person. Naturwissenschaften in allen Ländern der Welt gleicher- Heißen Sie Familien willkommen und schaffen Sie eine ◦ maßen? kinderfreundliche Umgebung. Unterstützen Sie Eltern. Weisen Sie Eltern ein angemessenes Lehrdeputat zu. In unserem Projekt haben wir regionale Unterschiede und Kümmern Sie sich bei Konferenzen um die Bedürfnisse Unterschiede zwischen mehr und weniger entwickelten von Personen, die mit Kindern teilnehmen, und stat- Ländern sehr genau untersucht. Und unsere wichtigste ten Sie die Familienzimmer in den Gästehäusern so Schlussfolgerung ist, dass die Situation überall sehr ähn- aus, dass alle Grundbedürfnisse erfüllt sind (z. B. mit lich ist. In allen Regionen, in allen eingangs genannten Kinderspielzeug, Hochstühlen und Wickeltischen für Disziplinen und auf allen Entwicklungsstufen berich- Babys). ten Frauen deutlich häufiger als Männer über Diskrimi- Institutionalisieren Sie die Gleichstellung der Ge- ◦ nierung aufgrund ihres Geschlechts. Frauen berichten schlechter. Bestimmen Sie eine Person oder eine Abtei- auch seltener als Männer, von Kollegen respektvoll be- lung, die innerhalb der Organisation für Genderfragen handelt zu werden. Bei der Untersuchung nach Beschäfti- und Gleichstellung zuständig ist, und achten Sie auf ein gungssektoren berichten Personen, die in der Industrie, in ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei allen Aktivi- Nichtregierungsorganisationen und in Primar- und Sekun- täten. Führen Sie Initiativen zur Förderung von Frauen darschulen tätig sind, häufiger von einer respektvollen ein. Beziehen Sie Männer in die Identifizierung von Behandlung durch Kollegen als jene, die im akademischen Barrieren und deren Beseitigung ein. Verstöße gegen Bereich oder im staatlichen Sektor arbeiten. Gleichstellungspläne sollten – zum Beispiel finanziel- le – Konsequenzen haben. Was kann, was sollte in den kommenden Jahren getan Zielen Sie bei Öffentlichkeitsarbeit und Bildungspro- ◦ werden? grammen auf die Verkleinerung der Geschlechterlücke. Passen Sie solche Programme entsprechend an und Wir haben sorgfältig Empfehlungen für den ausbilden- bewerten Sie ihre Wirksamkeit. Entwickeln Sie bei den Bereich, für Eltern und für lokale Organisationen künftigen Lehrpersonen ein geschlechtsspezifisches sowie für Gewerkschaften weltweit zusammengestellt. Bewusstsein und bieten Sie Schulungen in kritischem Mit lokalen Organisationen meinen wir alle Arten wissen- Denken an. schaftlicher oder pädagogischer Einrichtungen im Wissen- schaftsbetrieb, in Konferenzzentren, in der industriellen Brauchen wir eine Quote auf bestimmten Ebenen im Forschung u. a. Hier ist, was wir empfehlen: akademischen Bereich?

 Dazu habe ich natürlich meine persönliche Meinung, aber definierten Ziele für nachhaltige Entwicklung, und eines da Sie mich als CWM-Vorsitzende interviewen und diese davon, das Ziel Nr. , ist die Gleichstellung der Geschlech- Frage sehr kontrovers diskutiert wird, ziehe ich es vor, sie ter. Dort heißt es: nicht zu beantworten. Viele Wissenschaftlerinnen, aber auch Männer guten Willens, befürchten, dass eine Frauen- Die Gleichstellung der Geschlechter ist nicht nur ein quote am Ende negative Folgen haben und Stereotype grundlegendes Menschenrecht, sondern eine notwen- und Diskriminierung verstärken könnte, während ande- dige Grundlage für eine friedliche, wohlhabende und re meinen, dass sie sich für eine größere Vielfalt in der nachhaltige Welt. Wissenschaft als sehr nützlich erweisen kann. Die Rele- vanz der Quote hängt in jedem Fall von der spezifischen Ich wünsche mir, dass dies von Mathematikerinnen und Situation in jedem Land und jeder Organisation ab. Mathematikern weltweit umfassend und in all seiner Tiefe verstanden wird. Denn ich denke, dass die Geschlechter- Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, die Geschlechter- lücke in der Mathematik nur über ein breit angelegtes lücke in der Mathematik zu schließen, welcher wäre Verständnis verkleinert werden kann. das? Das Thema, das für den Internationalen Tag der Mathe- matik  gewählt wurde, „Mathematik für eine bessere Projektwebseite Welt“, spricht wirklich mein Herz und meinen Verstand an. Wir brauchen ein spezifisches Bewusstsein und An- [] Gender Gap In Science. A Global Approach to the Gender Gap strengungen, um die Geschlechterkluft in der Mathematik in Mathematical, Computing, and Natural Sciences: How to Mea- sure It, How to Reduce It? gender-gap-in-science.org/project/ zu schließen, aber diese Sache ist Teil eines viel globale- ren Ziels, nämlich der Entwicklung der Mathematik als Beitrag zur Nachhaltigkeit der menschlichen Zivilisation Illustrationen: Léa Castor und des Lebens auf unserem schönen Planeten. Ich bezie- Übersetzung aus dem Englischen von Marc Oprisiu he mich sehr oft auf die  von den Vereinten Nationen und Thomas Vogt, DMV-Medienbüro

Marie-Françoise Roy, seit  Professorin für Mathematik an der Universität Rennes in Frankreich und mittlerweile emeritiert, engagiert sich seit Jahrzehnten für Frauen in der Mathematik: Sie war eine der Gründerinnen und erste Präsidentin von Femmes et Mathématiques (), Mitgründerin von European Women in Mathematics (EWM) und deren Vorsitzende (convenor –). Seit  ist sie Vorsitzende des Komitees für Frauen in der Mathematik der IMU, kurz CWM. Von  bis  war sie Präsidentin der Société Mathématique de France (SMF).

Thomas Vogt, Medienbüro Mathematik, FU Berlin, Institut für Mathematik, Königin-Luise-Straße –,  Berlin [email protected]

 Logbuch Mathematik

Thilo Kuessner

Die Mengenlehre? Ganz einfach! Wenn in einem Raum drei sind und vier rausgehen, muss einer wieder rein, damit keiner drin ist. Lothar Späth

Eine besondere Sumpfblüte der Bildungsreform. Gerhard Mayer-Vorfelder

Sparen heißt, Geld, das man hat, nicht auszugeben. Bei uns geht es aber darum, Geld, das wir nicht haben, nicht auszugeben, und das nennt man Realismus. Ich darf dies vielleicht in der Sprache der Mengenlehre erläutern: Wenn man aus eine Kasse, in der  Mark drin sind,  Mark rausnimmt, muss man erst wieder  Mark reintun, damit nichts mehr drin ist. Manfred Rommel

Macht Mengenlehre krank? Geschweifte Klammern und Ellipsen, in die im- Der SPIEGEL hat eine wöchentliche Kolumne „Zeitreise – mer neue und immer andere Mengen geschrieben der SPIEGEL vor  Jahren“, in der jeweils die interessan- oder gezeichnet werden, füllen viele Hefte. Väter testen Artikel des  Jahre zurückliegenden Heftes aus und Mütter, die pflichtbewußt den Bestseller El- heutiger Sicht kommentiert werden. Im Heft / tern lernen die neue Mathematik oder ein anderes wurde also an Heft / erinnert. Das hatte in der der fünf Dutzend Elternbücher gelesen oder einen Rubrik „Schulen“ die damals an nordrhein-westfälischen Kurs an der Volkshochschule besucht haben, sind Grundschulen neu erprobten Lehrpläne vorgestellt. ihren Kindern wenigstens in der Erkenntnis voraus, daß es Mengen in Unmengen gibt: unter anderem Grund-, Teil-, Vereinigungs-, Ergänzungs-, Schnitt-, Die „starke bäuerlich-handwerklich-kaufmänni- Unterschieds-, Null-, Verbindungs-, Rest-, Produkt- sche Ausrichtung“ des bisherigen Rechenunter- Lösungsmengen. richts genügt nach jüngsten pädagogischen For- Aber selbst allabendlich strebend bemühten Eltern schungen nicht mehr den modernen Anforderun- fällt es oft schwer, mit ihren Sprößlingen mitzu- gen. Denn das Rechnen mit Zahlen, das vor allem halten oder ihnen zu helfen, wenn sich die Begriffe schematisches Denken erfordert, wird im Berufsle- verwirren. ben mehr und mehr von Maschinen erledigt. Von Mächtigkeit reden Achtjährige und meinen Die neue Mathematik, die auf der sogenannten nicht Könige oder Kanzler, sondern Mengen von Mengenlehre basiert, soll dagegen logisches und Haselnüssen und Rosinen. Und wenn sie sagen, analytisches Denken fördern. Die Erstkläßler bei- irgend etwas sei irgend etwas anderem „eineindeu- spielsweise müssen eine Menge von eckigen und tig“ zuzuordnen, dann stottern sie nicht, sondern runden, roten und blauen, großen und kleinen sind stolz darauf, daß sie dem Vater auch dann Figuren nach Form, Farbe und Größe sortieren. überlegen sind, wenn er Abitur und Doktortitel be- Durch diese Methode, die von Schuljahr zu Schul- sitzt. Laut Mengenlehre-Gegner Hans Stahl (Stutt- jahr anspruchsvoller wird, soll bei den Schülern gart) „sehen die Kinder früh, zu früh, ihre Eltern – so die nordrhein-westfälischen Richtlinien – die hilflos und unwissend. Damit schwindet die Ach- „Fähigkeit des Ordnens [. . . ] des Erfassens von tung, die Kinder können nicht mehr ihre Eltern Strukturen entwickelt werden“. fragen, deren Vorbild verblaßt“.

Klare Kampflinien gab es immerhin zwischen den akade- So also in Heft /. Ziemlich mischen Disziplinen: genau vier Jahre danach schaffte es die Mengenlehre dann sogar auf das Während Ärzte, Ärztekammern und -verbände vor- Titelbild von Heft /. Doch der erst nur vereinzelt gegen die Mengenlehre kämp- Enthusiasmus war dem Entsetzen fen, hat sich eine andere akademische Sparte fast gewichen. vollzählig mit den empörten Eltern verbündet. Es Mengenlehre: „3 + 5 = 5 + 3“ war der sind die Universitätsprofessoren für Mathematik, Leitartikel des Heftes überschrieben. die von der Art, wie Mengenlehre derzeit an deut- Es ging um Proteste und Prozesse gegen die Mengenlehre schen Grundschulen betrieben wird, nicht viel an Grundschulen. mehr als nichts halten.

 DOI ./dmvm-- Mengenlehre sei zwar, argumentiert die „Deut- sprechen kann. Der Aufbau dieser Grundlagen ist heute mein sche Vereinigung für mathematische Logik“, eine Tagesgeschäft mit jungen Erwachsenen. „wichtige mathematische Disziplin“, aber für die Schule kaum geeignet. Dort könne es allenfalls ei- Philosoph: Der Wegfall der Mengenlehre war ein Kardinal- ne „Gebrauchsmengenlehre“ geben, die „eher eine fehler. Die Struktur der Computer, das Verständnis für Lo- Sprache als ein eigener mathematischer Stoff“ sei gikbausteine wird durch die Mengenlehre sehr erleichtert. und deshalb im Zusammenhang mit anderen Stof- Warum gibt es so wenig Systemanalytiker? fen „allmählich und zwanglos eingeführt werden“ solle. Inalidu: Ich habe Mengenlehre zwar als Grundschüler lustig Die Gegenpartei bilden, nahezu ebenso geschlos- gefunden, vor allem die vielen bunten Bildchen, die man ma- sen, die Professoren für Didaktik der Mathematik, len konnte. Allerdings habe ich damit nicht Rechnen gelernt, die an den Pädagogischen Hochschulen tätig sind. sondern malen. Bis heute kann ich nicht Kopfrechnen, das Sie sind auch als Schulbuch-Autoren bemüht, der Einmaleins haben wir nicht gelernt, alle Grundrechenarten Grundschule das neue Gebiet zu eröffnen, um An- fehlen weitgehend. Zum Glück konnte meine Generation Ma- schluß an die weiterführenden Schulen zu halten. the im Abi noch abwählen. Vielleicht wäre es zusätzlich zu klassischer Mathe ganz gut gewesen. So war es nicht wirklich Es lohnt, den langen Artikel in Gänze zu lesen. gut für „Mathe-minderbegabte“ Schüler. Wie immer kommt es eben sehr auf die konkrete Ausgestaltung an. Soweit ich mich erinnere, hat bei uns die Verknüpfung mit den „richtigen“ Leserkommentare Zahlen einfach gefehlt, so dass für mich Mengenlehre zwar In den scienceblogs haben wir aus Anlaß des -jährigen auch einfach und intuitiv war, aber eben nicht als „Mathema- Jubiläums diejenigen Leser, die damals zur Schule gingen, tik“ erkennbar. Das Umsetzen der netten gemalten Dreicke gebeten, ihre Erfahrungen aus heutiger Perspektive zu oder dicken und dünnen Scheiben (für ein Kind ganz konkrete schildern. Die Ergebnisse fand ich recht überraschend. Dinge) auf abstrakte Zahlen hat irgendwie nicht funktioniert. Einige Antworten: Da ich kein Mathe-Talent habe, habe ich die durch mangelnde Übung fehlenden Grundlagen kaum mehr nachgeholt. Zahlen sind für mich immer eher fremd geblieben. Auch bei tollen rinja: Ich profitiere in meinem Job als Softwareentwickler Methoden wird es halt immer Kinder geben, die damit nicht wunderbar von der in der Grundschule erlernten Mengenleh- so gut klarkommen. (Das gilt natürlich für alle Methoden). re. Ich habe mich oft gefragt, warum meine jüngeren Kollegen mit SQL (Sprache zur Datenabfrage) so gar nichts anfangen können. Im Gegensatz dazu ist für mich das Konzipieren von Thomas: Es ist wie immer: Mathematik wird im „Volksmund“ Abfragen, und somit von Teil-, Schnitt-, Unter- und sonstigen mit „Rechnen“, mit dem Verknüpfen von Zahlen, gleichge- Mengen etc. quasi intuitiv möglich. Ich kann mich auch erin- setzt. Als Kind der er wurde ich auch mit der Mengenlehre nern, dass mir der damalige Matheunterricht mit seinen bun- in der Grundschule „belästigt“ . . . und fand sie toll. Ich hatte ten Plättchen und den zugehörigen Schablonen zum Zeichnen nicht wirklich Probleme, die Konzepte dahinter zu verstehen der Formen sehr viel Spass gemacht hat. Sicher mehr Spass als (auch wenn ich als Kind noch nicht begriff, was das wohl alles meinem Sohn das dauernde Rechnen macht. soll. Aber man lernt es eben), aber mit einiger Verzögerung hat es mir geholfen, viele weiter Konzepte zu verstehen . . . , so PhD, DiplPhys: Ich habe damals Mengenlehre in der ersten Sachen wie „Formale Sprachen“, „Entscheidbarkeit“, „Kom- Klasse gehabt, und es als unheimlich nützlich empfunden. plexitätstheorie“ . . . , alles, was ein Informatikdiplomstudium Jetzt lehre ich an einer FH und würde mir wünschen, wir der er/er Jahre ausmachte. Ich war schon ziemlich er- hätten den Mengenlehre-Unterricht beibehalten. Mir wurde schüttert, als meine Tochter dieses, in meinen Augen wichtige damals eine Grundlage gelegt, wie man Probleme strukturiert, Rüstzeug der Mathematik in den frühen ern nicht mehr sortiert, in Teilaufgaben zerlegt, wie man mit Mathematik in der Grundschule gelehrt bekam.

 Peggy Sylopp: Mengenlehre war ein super Fach, ich habe die Lernspiele bei Schulanfängern und Gruppenarbeit wür- Legomaplättchen geliebt! Ich erinnere mich gut daran, wie den so wenig in Frage gestellt wie offener Unterricht all- ich immer wieder über den Rand der Plättchen strich, um gemein. Schulbücher seien weiterhin bunt und enthielten haptisch in „glatt“ oder „gezackt“ zu unterteilen. Das Ordnen viele Bilder, Begriffe sollten nicht vorgegeben, sondern und Sortieren der Plättchen hat mir später im Informatikstu- erarbeitet werden. Die Bezeichnung des Faches als „Ma- dium beim Verstehen von Sortier-Algorithmen geholfen. Ich thematik“ sei geblieben, eine Rückkehr zum alten Fach habe vor kurzem Mathe-Grundkurs in der . Klasse unter- „Rechnen“ habe nie ernsthaft zur Debatte gestanden. richtet und musste feststellen, dass die meisten Schüler*innen Interessant ist auch, was man in der Arbeit zur Ge- keine Vorstellung von Mengen haben. Das fällt ganz schön auf schichte der Reform liest: die Füße, wenn es um die Grundlagen von Funktionen, sprich Abbildungen von Mengen, geht. Sehr schade, dass Mengenleh- Ende  und damit nach dem ersten abgeschlos- re abgeschafft wurde. senen Schuljahr, in dem die Reform in der Praxis implementiert worden war, ergriff eine wohl bei- user unknown: Ich hatte es in den ern in der Grundschule. spielslose Protestwelle gegen die Neue Mathematik Erst viel später hörte ich, dass es als Irrweg verspottet wurde, die Bundesrepublik. Dabei war die Reform des konnte mich dem aber nicht anschließen. Auch ich habe es Mathematikunterrichts an den weiterführenden beim Lernen von SQL gleich wiedererkannt. Geschadet hat es Schulen kein Thema, der Unmut richtete sich al- natürlich nicht (wie sollte es?), aber ich weiß natürlich nicht, lein gegen die „Mengenlehre“ in der Grundschule. was es verdrängt hat, was ich sonst gelernt hätte. [. . . ] Ein Jahr später waren sämtliche Massenmedi- Stephanie: Also ich habe  in Hessen nahe Frankfurt noch en auf eine hysterische Debatte aufgesprungen, an Mengenlehre gehabt und es war für mich sehr intuitiv und der praktisch die gesamte Öffentlichkeit der Bun- schön zu lernen. Heute bin ich echt froh, es gelernt zu haben, desrepublik Anteil nahm. Einen Eindruck von der so dass mir vieles beim Programmieren leicht fällt. Situation vermittelt Der Spiegel vom . März , der der Reform unter der bemerkenswerten Schlag- zeile „Macht Mengenlehre krank?“ seine Titelseite Geschichte eines Scheiterns widmete. Es ist natürlich möglich, dass die Leserschaft der science- [. . . ] blogs keine repräsentative Stichprobe der Grundgesamt- Neben den Anschaffungskosten für Material und heit ist; die Antworten scheinen ja auch überwiegend von der häufig geäußerten Sorge, eine Kürzung der Lesern mit einem Bezug zu Informatik und Programmier- Arithmetik zugunsten der neuen Inhalte würde sprachen zu stammen. unweigerlich zu schwächeren Rechenleistungen Vielleicht wäre das mal ein Thema für erziehungswis- führen, war ein Argument, vermutlich ausgelöst senschaftliche Master- oder Doktorarbeiten: herauszufin- durch fehlendes eigenes Verständnis der neuen ma- den, wie damalige Schüler ihren Mathematikunterricht thematischen Inhalte, dass Eltern ihren Kindern heute einschätzen und inwieweit – subjektiv in der Ei- nicht mehr bei den Hausaufgaben helfen konnten. gensicht oder möglichst objektiv in der Außensicht – die Ob dies überhaupt in großem Umfang nötig war, erlernten und eventuell nicht erlernten Fähigkeiten ihnen bleibt indes unklar. In dem im Spiegel wiederge- genutzt oder auch geschadet haben. gebenen Zitat eines „Mengenlehre-Gegner[s], die Besser als der reale Unterricht lassen sich die theoreti- Kinder [sehen] früh, zu früh, ihre Eltern hilflos und schen und unterrichtskonzeptionellen Hintergründe der unwissend. Damit schwindet die Achtung, die Kin- damaligen Reform anhand von Quellen, also erziehungs- der können nicht mehr ihre Eltern fragen, deren wissenschaftlicher und psychologischer Fachliteratur und Vorbild verblaßt“ kommen jedoch tieferliegende ge- vor allem damaliger Schulbücher und Lehrermaterialien sellschaftliche Überzeugungen zum Ausdruck, die rekonstruieren. Eine vor zwei Jahren an der Universität sich gegen die emanzipatorischen Ziele der Reform Hildesheim verfaßte Dissertation Die „Mengenlehre“ im richten und in der öffentlichkeitswirksamen Verteu- Anfangsunterricht – Historische Darstellung einer gescheiter- felung der „Mengenlehre“ ein eher zufälliges Ventil ten Unterrichtsreform in der Bundesrepublik Deutschland" finden. Wie hoch in jedem Fall das Informations- leistet dies durch Vergleich dreier damaliger Lehrwerke. bedürfnis über das, was im Mathematikunterricht Die Autorin Tanja Hamann konstatiert, die Mengenlehre geschah, in der Elternschaft war, belegen der Erfolg sei als gescheitert anzusehen, weil „die Nähe der Umset- speziell für Eltern geschriebener Bücher über die zung von Reformkonzepten zu den Ideen und Zielen, die Neue Mathematik, die Tatsache dass entsprechende ihren ursprünglichen Ausgang markieren“, nicht gegeben Volkshochschulkurse Anklang fanden und auch die sei, sie „vielmehr durch eine Fülle an Anpassungen und  eigens zum Thema vom Niedersächsischen Verkürzungen, auf den verschiedenen Ebenen“ gekenn- Kultusministerium herausgegebenen Hilfen zur zeichnet gewesen wäre. Dennoch sei nicht alles, was im Durchführung von Elternabenden. Zuge der Reform neu war, aus dem Unterricht verschwun- [. . . ] den. Die Geometrie gehöre erst seit den ern zum Der heute so absurd anmutende Spiegel-Titel war festen Kanon der Grundschule. Das Nachdenken darüber, weder reine Ironie noch bewußte Provokation, son- welche Methode am geeignetsten ist, habe sich etabliert, dern gab wieder, was einige Ärzte tatsächlich öf-

 fentlich kolportierten, dass nämlich die mit den der Nichtexistenz ihrer Stadt aus, was gewisse Fragen neuen Inhalten einhergehende Überforderung – für zur Selbstreferentialität aufwirft: Wenn bewiesen worden die es ihrerseits keine Belege gibt – Kinder krank wäre, dass es Bielefeld gar nicht gibt, hätte die dann nicht- mache. Wie ernst diese Aussagen genommen wur- existierende Stadt trotzdem noch das Preisgeld auszahlen den, wird deutlich angesichts der Tatsache, dass die dürfen? Frage vermeintlicher Gesundheitsschädigung es bis Soweit ist es jedoch nicht gekommen. Wie die Stadt im in die Parlamente schaffte und bei einer Anhörung September mitteilte, ist keiner der rund  Teilnehmer in Baden-Württemberg  ein eigens eingelade- erfolgreich gewesen. ner Kinderpsychologe beschwichtigen mußte. [. . . ] Unter den Beweisen waren auch ein paar harte Es verdient hier noch unbedingte Erwähnung, dass Nüsse: Da wurde die Existenz Bielefelds mit Argu- die Erwachsenen die Diskussion um die „Mengen- menten aus der Quantenphysik angezweifelt und lehre“ unter sich ausmachten, während Grund- komplizierte mathematische Formeln ließen eine schulkinder – und damit die Hauptabnehmer der ganze Großstadt auf dem Papier verschwinden. Reform – nie systematisch zum Mathematikunter- Aber wir blieben ruhig – und übersetzten mit Un- richt befragt wurden. Es finden sich jedoch diverse terstützung von Wissenschaftlern der Universität Quellen, die darauf hinweisen, dass die Kinder Bielefeld und des Stadtarchivs Bielefeld auch das mitnichten überfordert waren, die neuen Inhalte komplizierteste Fachchinesisch. viel schneller beherrschten als die Erwachsenen Zur Erinnerung an die Bielefeld-Verschwörung wurde – mithin wohl auch häufig keiner Hausaufgaben- ein  Kilogramm schwerer Gedenkstein neben dem hilfe bedurften – und generell Freude an ihrem Leineweber an der Altstädter Nicolaikirche aufgestellt. Mathematikunterricht empfanden. Noch  konstatierten  Prozent der betroffenen Eltern in Aufwändiges Baden-Württemberg, der Unterricht mache ihren Kindern Spaß, während  Prozent angaben, ihre Als Nicolas Bourbaki mit seinen Lehrbüchern die reine Kinder empfänden Widerwillen. Mathematik auf eine gemeinsame Grundlage stellen woll- te, ging er nicht davon aus, dass Mathematik komplett formalisiert werden könne. Dementsprechend machte er Selbstbezügliches sich keine Gedanken, welcher Ansatz mit Blick auf For- Ein Leser der scienceblogs hatte auf die Frage nach Erfah- malisierbarkeit der effizienteste wäre. So erwähnte er in rungen mit der Mengenlehre noch eine offenkundig nicht einem seiner Bücher, dass es hunderte, wenn nicht tausen- ganz ernstgemeinte Antwort. de Symbole benötige, wollte man seine Definition der Eins formalisieren. Jolly: Wenn ich mich richtig erinnere, wurde Mengenlehre an Berühmt wurde das durch einen Text des Logikers unserer Schule wieder abgeschafft, nachdem unter -Klässlern A. R. D. Mathias aus den er Jahren (veröffentlicht  ein Streit ausbrach, ob es sowas wie eine Menge geben kann, in The Mathematical Intelligencer). Der hatte seinen Kol- die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten, der legen Robert Solovay die genaue Anzahl der benötigten von den Grundschullehrern nicht geschlichtet werden konnte. Symbole ausrechnen lassen, es waren 4523659424929. Selbstreferentialität gibt es nicht nur in der Mengenlehre Und für die Berechnung von 1 + 1 = 2 benötigt man bereits oder beim Beweis des Gödelschen Unvollständigkeits- 19516572617436743593 Symbole. satzes, sondern auch in Bielefeld. Dessen Stadtmarketing Mathias ging es in seinem sehr leidenschaftlich ge- lobte im vergangenen August eine Million für den Beweis schriebenen Artikel nicht darum, die Unmöglichkeit einer

 vollständigen Formalisierung der Mathematik aufzuzei- Die Mengenlehre bietet ein Risk Assessment für ma- gen, sondern im Gegenteil Bourbaki für sein Desinteresse thematische Theorien, eine Generous Arena, wo die an Grundlagenfragen zu kritisieren, die ihn einen für die Zweige der Mathematik in einem einheitlichem Formalisierung wenig geeigneten Ansatz hatte wählen Rahmen und mit einem Shared Standard folgenden lassen. Beweisen ausgebaut werden können, und einen Bei Bourbaki war die Mengenlehre die Grundla- Meta-mathematical Corral, in dem formale Techni- ge der Mathematik, einem von Hilbert vorgeschla- ken auf die gesamte Mathematik auf einmal ange- genen, vergleichsweise komplizierten Ansatz für wendet werden können. die Logik erster Ordnung folgend. In einer späte- [. . . ] ren Ausgabe der Mengenlehre () wählte Bourba- Was war also falsch an mengentheoretischen ki einen anderen Zugang über „Kuratowski-Paare“, Grundlagen? Der erste Einwand ist, dass sich die mit dem die formale Realisierung aber noch viel auf- Kategorientheorie mit unbegrenzten Kategorien wändiger würde: die Definition der  benötigte nun befasst, wie der Kategorie aller Gruppen oder der              Kategorie aller Kategorien oder der Kategorie al-       Symbole. ler mathematischen X, aber nichts dergleichen Aktuell wieder in die Diskussion gekommen ist die kann im Universum der Mengen gefunden werden. Geschichte jetzt durch eine Frage von John Baez auf Math- Grothendieck hat dieses Problem überwunden, overflow und die darauf erfolgte nochmalige Überprü- indem er eine immer größere Folge von ,lokalen fung mit einem Haskell-Programm von Alex Nelson: Universen‘ postuliert und feststellt, dass jede kate- gorientheoretische Aktivität in einem ausreichend For what it’s worth, computing the size of  was großen dieser Universen ausgeführt werden kann. nearly instantaneous, whereas computing the size In mengentheoretischen Begriffen bedeutet dies, of “1 + 1 = 2” took about  minutes and  seconds. unerreichbare Kardinalzahlen hinzuzufügen, die kleinsten der großen Kardinalzahlen jenseits der ZFC-Mengenlehre. Mit anderen Worten, das Risiko Mengen oder Kategorien? von Grothendiecks Kategorientheorie ist nicht grö- Mengenlehre hat im . Jahrhundert – nicht erst durch ßer als das von ZFC + unerreichbaren Kardinalzah- Bourbaki – die Mathematik vereinheitlicht und auf eine len. Wenn Risk Assessment das grundlegende Ziel gemeinsame Grundlage gestellt, sowie einen Rahmen für ist, ist die Mengenlehre immer noch in Ordnung. die Analyse von Fragen der Konsistenz und Beweisbarkeit Ersatz für die Kategorien ist auch in der Generous geschaffen. Befürworter anderer Grundlagen argumen- Arena der Mengenlehre verfügbar, so dass Shared tieren, dass beispielsweise die Kategorientheorie besser Standard und Metamathematic Corral ebenfalls in widerspiegele, wie Mathematiker tatsächlich denken, wie Ordnung zu sein sollten. sie wirklich Mathematik betreiben oder welche mathema- [. . . ] tischen Strukturen wesentlich sind. (Dagegen argumen- Obwohl im Universum der Mengen Ersatz für vie- tiert beispielsweise Timothy Chow in einer Diskussion les zu finden ist, ist dieses Universum als Ganzes auf Mathoverflow, dass die vorgeschlagenen alternativen riesig, seine Konstruktionstechniken sind wild und Grundlagen vielleicht gut seien für die Homotopietheorie, wahllos, so dass es Horden nutzloser Strukturen aber nicht so geeignet für die numerische Lösung partiel- enthält und – das ist der wichtige Punkt – keine ler Differentialgleichungen oder die Berechnung kleiner Möglichkeit, die mathematisch vielversprechen- Ramsey-Zahlen. Andererseits könne man natürlich ein- den Strukturen unter den anderen auszuzeichnen. fach annehmen, dass die gesamte Mathematik „sicher“ ist [. . . ] Die Hoffnung bestand darin, Grundlagen zu und man bei Bedarf immer einen Weg fände, Methoden finden, welche die Mathematiker zu den wichtigen aus einem Zweig der Mathematik in einem anderen zu Strukturen führen und diese strikt unter Bezugnah- verwenden. Mit dieser Einstellung könne man sich dann me auf ihre mathematisch wesentlichen Merkmale einfach darum kümmern, Grundlagen für die Art von charakterisieren. Eine solche Grundlegung wäre tat- Mathematik zu finden, die einem wichtig ist; wenn mei- sächlich nützlich für Mainstream-Mathematiker in ne Grundlagen für die Mathematik meinem Kollegen zu ihrer täglichen Arbeit. Sie wäre nicht für diese weit- umständlich sind, dann ist das sein Problem und nicht gehend irrelevant wie die Mengenlehre; sie würde meins.) Essential Guidance liefern. Ihre Befürworter argu- In einem im November im Sammelband Reflections on mentierten, dass die Kategorientheorie genau dies the Foundations of Mathematics veröffentlichten Artikel für die algebraische Geometrie und die algebrai- “What do we want a foundation to do? Comparing set- sche Topologie geleistet habe. [Meine Übersetzung, theoretic, category-theoretic and univalent approaches” ebenso wie die folgenden Zitate.] versucht Penelope Maddy die Suche nach „richtigen“ Grundlagen systematisch anzugehen, also zunächst zu Maddy argumentiert dagegen, dass ja auch nicht gefordert fragen, was man von „Grundlagen der Mathematik“ er- würde, alle Mathematiker sollten wie Mengentheoretiker warten sollte. Unter diesen Aspekten sollen die Theorien denken. Natürlich sollten algebraische Geometer oder dann verglichen werden. algebraische Topologen nicht in mengen- statt kategorien-

 theoretischen Begriffen denken. Andererseits wäre es unvernünftig, wenn Analytiker oder Mengentheoretiker in kategorientheoretischen Begriffen denken sollten. Das habe durchaus auch Mac Lane so gesehen. Beide Grund- legungen hätten ganz unterschiedliche Ziele. Die Men- genlehre biete Risk Assessment, Generous Arena, Common Standard und Meta-mathematical Corral und erledige die- se Aufgaben auch im Kontext kategorientheoretischer Grundlagen. Die Kategorientheorie biete Essential Gui- dance, aber nur für die Zweige der Mathematik mit eini- germaßen algebraischem Charakter. Das . Jahrhundert bringe nun neue Kritik an der Mengenlehre und einen neuen Kandidaten für ihre Rolle: „univalente Grundlagen“.

Das Programm der univalenten Grundlagen be- steht darin, die Homotopietheorie zur Interpretati- on der Typentheorie von Martin–Löf zu verwenden und das sogenannte „Univalenzaxiom“ hinzuzufü- gen, welches grob gesagt den Effekt hat, isomorphe das neue Ziel, als Argument für univalente Grund- Strukturen zu identifizieren. Das Ergebnis soll lagen. Das Versprechen ist, dass gewöhnliches ma- „unvereinbar mit konventionellen Grundlagen“ thematisches Denken einfach und direkt in CIC (Awodey) und „eine völlig neue Grundlage“ der ausgedrückt werden wird und die Gültigkeit von Mathematik (Voevodsky) sein. Beweisen dann automatisch in COQ überprüft wer- den kann, und dass die Homotopietypentheorie Vladimir Voevodksy hat  in einem sehr persönlichen einen Rahmen für zuverlässiges Proof Checking Text erzählt, wie ihn zahlreiche Fehler in eigenen und bietet. von ihm verwendeten Arbeiten motivierten, nach neu- „[. . . ] Ich weiß, wenn ich etwas getan habe, dann habe en Wegen zu suchen. Das habe ihn zu den univalenten ich es getan und muss nicht später noch einmal darauf Grundlagen geführt. zurückkommen, noch muss ich mir Sorgen machen, ob meine Argumente zu kompliziert sind oder wie ich an- Dieses formale System ist keines, in dem irgendein dere von ihrer Richtigkeit überzeugen kann. Ich kann Mathematiker tatsächlich etwas beweisen wollen einfach dem Computer vertrauen.“ (Voevodsky) würde. Unser Vertrauen in einen formalen Beweis Ich denke, wir können uns alle einig sein, dass dies beruht normalerweise auf unserem Vertrauen in ein sehr attraktives Bild ist, selbst wenn es sich nur den informellen Beweis, kombiniert mit unserer auf Bereiche der Mathematik anwenden ließe, die informierten Überzeugung, dass alle informellen für diese Art der Konzeptualisierung geeignet sind. Beweise formalisiert werden können. Dagegen sind die Anforderungen an die Beweisprüfung ganz an- dere: man braucht ein System, das formale Beweise darstellen kann, ein Werkzeug, das in der täglichen Anmerkungen mathematischen Arbeit eingesetzt werden kann. . Die Zitate finden sich in zahlreichen Sprüchesammlungen im In- ternet und auch in verschiedenen Zeitungsartikeln. Den Ursprung oder Belege für die Echtheit der Zitate konnte ich aber nicht ausfin- Maddy diskutiert verschiedene Beweisprüfungsverfahren dig machen. und welche Rolle Homotopietypentheorie oder andere . www.spiegel.de/spiegel/print/d-.html Grundlagen dort spielen können. . tinyurl.com/ynjvzhw . tinyurl.com/yymjj . www.bielefeldmillion.de Zusammenfassend scheinen Risk Assessment, Meta- . www.dpmms.cam.ac.uk/~ardm/bourbaki.pdf mathematical Corral, Generous Arena und Shared . tinyurl.com/yghtod . tinyurl.com/ymvnsv weiterhin das Feld der mengentheoreti- Standard . Doi ./----13 schen Grundlagen zu sein. Es bleibt Proof Checking, . www.ias.edu/ideas//voevodsky-origins

Dr. Thilo Kuessner Miltenbergstraße ,  Augsburg mathlog@googlemail.com (Fotos: Christoph Eyrich)

 Mathe studiert – und dann?

Im Juli ist noch Corona-Saison, Jens Ehm erreicht man online im Homeoffice und nicht an seinem Arbeitsplatz im Rechenzentrum des Stahlwerks in Bremen. Auf dem Werksgelände, zwischen Weser und Autobahn gelegen, läuft derweil weiterhin dünngewalzter Stahl von den Bändern, allerdings wird nur noch der größere der beiden Hochöfen befeuert, denn die Produktion ist mangels Nachfrage gedrosselt. Im Stahlwerk, das zum Konzern ArcelorMittal gehört, leitet der promovierte Mathematiker das Digital Lab.

Guten Morgen, Herr Ehm, das Digital Lab gibt es erst hin muss. Algorithmisch gesehen war das ein Logistik- seit zwei Jahren, und ich habe gelesen, dass es den Auf- problem, nämlich den optimalen Weg durch eine Menge trag hat, digitale Technologien im Stahlwerk Bremen von Punkten zu finden. einzuführen. Gab es die nicht schon vorher? In Ihrer Doktorarbeit haben Sie ebenfalls an einem Op- Ja, klar. Digitalisierung an sich ist nicht neu, aber es gibt timierungsproblem gearbeitet. diesen Begriff der Industrie .. Der Grundgedanke ist, dass sich durch die Kombination verschiedener Tech- Richtig, das baute auf dem auf, was ich in der Diplomar- beit gemacht hatte. Das Thema war die integrierte Pla- nologien ganz neue Möglichkeiten eröffnen, von denen man sagt, dass sie das Potenzial haben, die Produktion nung von Produktion und Transport. Das ist ein industrie- zu revolutionieren, so wie früher der Webstuhl oder das relevantes Thema, weil es in der Industrie in der Regel Fließband. Technologien wie Big-Data-Plattformen ein- so ist, dass Produktion und Logistik jeweils für sich und zuführen und zu erklären, wofür man die braucht, genau unter bestimmten Kriterien geplant werden. Man will das ist jetzt mein Job. Maschinen möglichst gut auslasten, möglichst geringe Kosten haben, man will das Personal möglichst gut aus- lasten, wenn es da ist. Dann sollen die fertiggestellten Sie haben Technomathematik an der Universität Bre- Produkte weitertransportiert werden, zum Kunden oder men mit Schwerpunkt Produktionstechnik studiert. zu einem anderen Werk, und das plant man wieder un- War ihr Weg zum Manager im Stahlwerk dadurch prak- ter bestimmten Gesichtspunkten. Beispielsweise sollen tisch vorgezeichnet? die LKWs besonders gut ausgelastet sein, oder die her- gestellten Produkte früh genug am Hafen stehen, weil Die Stahlbranche ist erst relativ spät in meinen Fokus die Liegezeiten für die Schiffe teuer sind. Ich habe unter- geraten. Während des Studiums habe ich als studenti- sucht, wie viel Einsparpotenzial darin steckt, wenn man sche Hilfskraft immer an Forschungsthemen gearbeitet, von vornherein alles, was da stattfindet, plant – und zwar zunächst bei Fraunhofer MEVIS in Richtung Bildverarbei- unter der Annahme, dass die Planung für die Produktion tung. Danach bei den Thermodynamikern im Fachbereich und vielleicht auch für den Transport nicht ideal ist, dass Produktionstechnik der Uni Bremen. Da ging es um einen aber das Gesamtoptimum für die Firma besser sein kann. neuen Werkstoff und die Modellierung der Eigenschaf- ten. Leitfähigkeit durch Nanopartikel, das war damals, Wenn man sich die Abläufe im Stahlwerk in Bremen vor zehn Jahren, ein ganz heißes Thema. Ich habe das Stu- in groben Zügen vor Augen führt – der Brennstoff für dium genutzt, um alles Mögliche auszuprobieren. Und den Betrieb der Hochöfen wird per Zug unter ande- erst gegen Ende habe ich gemerkt, dass ich in dieser Rich- rem aus dem Ruhrgebiet angeliefert, auf dem sieben tung, der Kombination von Mathematik und Forschung Quadratkilometer großen Werksgelände wird aus Roh- nicht weitermachen möchte, sondern dass ich, auch wenn eisen Flachstahl hergestellt, der dann zu Brammen und Technomathematik schon die angewandte Seite der Ma- anschließend zu warm- oder kaltgewalztem und feuer- thematik ist, noch näher an den eigentlichen Prozessen verzinktem Feinblech weiterverarbeitet und an die ver- arbeiten möchte. In meiner Diplomarbeit habe ich dann schiedenen Unternehmen der Automobil-, Maschinen- eine Maschinensteuerung programmiert für ein Unter- und Geräteindustrie, Rohr-, Bau-, und Verpackungsin- nehmen in Berlin, das Roboter entwickelt und vertreibt, dustrie geliefert wird – dann kann man sich vorstellen, die winzige Mengen Flüssigkeit auf Glasträger aufbrin- dass das, was Sie erforscht haben, eine wichtige Frage- gen. Die Tropfen sind so klein, dass man sie gerade noch stellung für einen Stahlkonzern ist. mit bloßem Auge erkennen kann. Die Maschinen sollten schneller werden und meine Aufgabe war es, einen Algo- Ja, es war das Thema meiner Präsentation beim Bewer- rithmus zu schreiben, der den Weg optimiert, so dass die bungsgespräch, und es wurde als sehr relevant betrachtet. Maschine wirklich nur dort hinfährt, wo auch ein Tropfen Das war ein guter Einstiegspunkt, um in Verhandlungen

 DOI ./dmvm-- zu treten. Wie essenziell diese Planung aber in allen Be- reichen der Produktion und des Transportes ist, das ist mir erst richtig bewusst geworden, seitdem ich selbst in der Industrie tätig bin. Wobei ich sagen muss, in meiner jetzigen Tätigkeit im Digital Lab verfolge ich das nur noch am Rande.

Wie arbeiten Sie und Ihre Kollegen im Digital Lab?

Wir screenen den Markt, wir schauen, welche neuen Tech- nologien es gibt und vor allem: Welche sind für uns re- levant? Wir nutzen keine Technologien, nur weil sie neu sind.

Haben Sie ein Beispiel?

RFID-Tags beispielsweise, die sind seit  Jahren auf dem Markt, man kann reihenweise fertige Lösungen kaufen.

Eine Art Etikett, das mit Hilfe elektromagnetischer Wel- len erkannt werden kann.

Ja, das ist für uns wichtig, nicht weil es neu ist, sondern weil wir damit hier neue Dinge tun können – beispiels- weise Transparenz schaffen. Mit RFID kann man auto- oto: ArcelorMittal Bremen matisiert erkennen, wo sich ein bestimmtes Teil gerade F befindet und ob ich jetzt gerade das Teil habe, das ich brauche. Im Warmwalzwerk zum Beispiel, dort wo aus der Stahlbramme ein Coil gemacht wird, ein filigranes aufgewickeltes Stahlband, ist das extrem wichtig. Der Stahl läuft dort durch sehr viele Walzen, bei mehreren Wie lange dauert so ein Prozess von der Auswahl über hundert Grad Celsius und bei hohem Druck. Sie sind die Erprobung bis zum Einsatz? daher sehr beansprucht und müssen alle paar Stunden Unsere Maßgabe ist, dass ein Proof of Concept drei Mona- getauscht werden, kontinuierlich, denn das Werk läuft te dauert, nicht länger. Das heißt, man bewertet Themen ununterbrochen, an sieben Tagen  Stunden. Die Walzen relativ schnell, aber nicht notwendigerweise umfassend. werden für ihre nächste Verwendung mit einem speziel- Man probiert danach vielleicht eine andere Lösung aus len Schliff genau vorbereitet. Daher ist es extrem wichtig, oder man macht weiter, klärt aber noch diese oder jene immer die richtige Walze zur richtigen Zeit am richtigen Frage und dann folgt eine Machbarbarkeitsstudie, oder Ort zu haben. Das sicherzustellen, darauf wird sehr viel man sagt, das ist ein gutes Thema, daraus machen wir ein Aufwand verwendet. Bisher wurden die Walzen per Hand Projekt. So ein Projekt beginnt mit einer ersten Idee, dann beschriftet, ebenso die Lager, auf die sie gesetzt werden. trifft man sich mit den Verantwortlichen im Unternehmen Durch die hohe Belastung der Walzen sind die Nummern und holt noch weitere Expertise von außen dazu, viel- oft schlecht zu lesen, da sieht dann eine  schnell mal aus leicht jemand der einen ähnlichen Anwendungsfall hatte, wie eine . Wenn aber eine Walze fehlt, steht die ganze um auszuloten, worum es überhaupt geht. Wir wollen Anlage still. Daher haben wir entschieden, dort ein RFID- nicht irgendeinen, sondern den vielversprechendsten Weg System einzuführen. Das heißt, die einzelnen Elemente wählen. Dann gibt es mehrere Treffen und man startet das werden mit einem RFID-Tag versehen und an den Stellen Proof of Concept. Wenn daraus ein Projekt wird, dauert der Walzstraße, an denen ich wissen möchte, ob ich das es in der Regel auch noch mal ein paar Monate oder ein richtige Stück habe, kann das automatisiert überprüft halbes Jahr. Insgesamt also etwa ein Jahr, wobei das eher werden. Der Kranfahrer muss nicht mehr umständlich schnell ist für ein großes Projekt. Eingaben per Hand machen. Das verhindert Fehler wie zum Beispiel Zahlendreher. Zu guter Letzt kann man mit Sie haben vorhin gesagt, dass Sie die Fragen zur inte- so einem RFID-gestützten Lagerverwaltungssystem den grierten Planung nur noch am Rande verfolgen, inwie- Materialfluss automatisiert und lückenlos nachvollzie- fern hat Ihre Arbeit noch mit Mathematik zu tun? hen. Trotzdem war diese Einführung wegen der hohen Walztemperaturen und weil der RFID-Funk nicht so gut Ab und zu kommt sie ins Spiel. Es geht dann fast immer in einer metallischen Umgebung funktioniert, für uns mit um Optimierungen an bestehenden Prozessen oder an einem Risiko verbunden. Daher haben wir uns in klei- Anlagen. In der Automatisierungsabteilung haben wir nen Schritten genähert, wir nennen diese Vorgehensweise eine Gruppe, die sich mit mathematischer Modellierung Proof of Concept, diese Arbeitsweise ist bei den Digitali- und Simulationsmodellen beschäftigt, was auch bei The- sierungsthemen vorgegeben. men wie Künstliche Intelligenz und Big Data, eine Rolle

 spielt. Das heißt, dort gibt es großes Potenzial unter den Prozesstransparenz, ist das das eine. Wenn ich aber jeman- Mitarbeiten, und das Potenzial müssen wir nicht nur er- dem im Lab die verschiedenen Tags zeige und sage, der kennen, sondern gemeinsam diskutieren und nutzen. Auf aus Plastik, der funktioniert nicht, aber wir haben den der Managementebene müssen wir diese Themen durch- aus Metall, sieh mal, wie der hält. Und dann bekommen dringen und den Werkzeugkasten kennen. Dafür möchte Mitarbeiter den Handscanner, probieren den aus und ich die Algorithmus- und Optimierungsthemen, die ich merken, wow, diese Information kann ich auf dem Bild- mal gelernt habe, nicht missen. schirm sehen, das wird mir bei der Arbeit helfen. Diesen Moment zu erzeugen, das ist es, woran mir am meisten Sie arbeiten also viel mit Mathematikern zusammen? liegt. Weil ich merke, dass man wirklich etwas bewegen Ja, auch wenn ich mich selbst nicht in die Mathematik kann, dass man von einer ablehnenden Haltung zu einem vertiefe. Und im Digital Lab selbst sind wir zwei Techno- Wow-Effekt kommt. mathematiker, die beiden anderen haben Elektrotechnik und Informationstechnologie studiert. Wie bereiten sich Studierende am besten vor, wenn sie in so einer klassischen Industriebranche wie der Stahl- Wenn Sie an Ihren Arbeitsalltag denken, was sind Ihre industrie arbeiten möchten? Haupttätigkeiten? Das ist eine ganz gute Mischung. Es gibt viele Bespre- Zu den Grundkenntnissen, die man sich aneignen sollte, chungen – das gehört zum Projektgeschäft – mit Kollegen gehört Programmieren und auch etwas Optimierungs- aus dem operativen Betrieb, weil es ja immer um Anwen- wissen. Im Studiengang Technomathematik kommt man dungsfälle geht. Das sind Lagerarbeiter, Lagerleiter und um diese Themen gar nicht drum herum und auch in der Projektingenieure, die vor Ort die Projekte leiten, und modernen Mathematik wird das vermittelt, aber man soll- die Kollegen aus der Automatisierungsabteilung, die das te das schon forcieren. Bei den Themen, die man selbst vor Ort umsetzen. Das Digital Lab hat außerdem alle drei wählen kann, beispielsweise bei Abschlussarbeiten, würde Monate einen Austausch mit dem gesamten Vorstand ich versuchen, an den spannenden Themen dran zu sein, des Unternehmens. Dort präsentieren wir den Stand der und das ist heute die Künstliche Intelligenz. Denn zu den Digitalisierung und die aktuell laufendenden Projekte. Hype-Themen von heute suchen die Unternehmen mor- Es gibt einen großen Kommunikationsbedarf, weil alle gen und übermorgen auch Expertise. Und wenn man sich wissen wollen, was gerade im Bereich Digitalisierung zumindest mal im Rahmen eines Projekts damit beschäf- passiert. Ein Teil unserer Arbeit ist auch Recherche und tigt hat, dann erleichtert das den Einstieg. Und im Laufe die Vernetzung mit Digitalisierungseinheiten in anderen des Studiums – in den Mathematikstudiengängen ist das Unternehmen aus Bremen und darüber hinaus. noch nicht so verbreitet – in die Industrie hineinzuschau- en als Praktikant, als Werkstudent oder im Rahmen einer Gibt es Aufgaben, an denen Ihnen besonders viel liegt? Abschlussarbeit, das würde ich absolut empfehlen. Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich denke, dass Di- gitalisierung nur funktioniert, wenn ein gemeinsames Ist Mathematik für Sie nur Beruf oder auch Berufung? Verständnis entsteht. Es gibt Schlagwörter, mit denen vie- le nichts anfangen können. Und das erzeugt aus meiner Wenn es Berufung wäre, dann hätte ich wahrscheinlich Sicht oftmals eine ablehnende Reaktion, so wie: Was ist nach dem Studium nicht den Wechsel in Richtung In- denn daran neu, das hatten wir alles schon! Aber digitale genieurwissenschaften gemacht. Ich finde aber, in der Lösungen funktionieren nur und bringen nur einen Bene- Mathematik stecken viele Dinge, die sehr gut in anderen fit, wenn sie von vielen Leuten verstanden werden. Und Disziplinen aufgehoben sind. Zum Beispiel die Exaktheit. dieses Erklären, das ist ein großer Teil unseres Jobs. Aus Wenn man zum Beispiel den Begriff Industrie . wirklich dem Grunde haben wir das Digital Lab auch vor Ort ein- definieren und mit Leben füllen will, dann tut es der Sa- gerichtet, und dort zeigen wir die Funktionsweise vorher che gut, mit dem Anspruch der Exaktheit daranzugehen. schon mal im kleinen Maßstab und machen sie buchstäb- Insofern möchte ich die Mathematik auf gar keinen Fall lich begreifbar. Wenn ich sage, wir schaffen eine neue missen.

Das Gespräch führte Kristina Vaillant, freie Journalistin in Berlin. www.vaillant-texte.de

  Jahre – Ein Rückblick auf das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik Silke Göbel, Wolfram Sperber und Bernd Wegner

Das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik (JFM) – ist mehr als ein historischer Zeitzeuge für die Entwicklung der Mathematik in der zweiten Hälfte des . und ersten Hälfte des . Jahrhunderts. Als integraler Bestandteil der Datenbank zbMATH bieten die Daten des JFM einen Zugang zur mathematischen Literatur ab der Mitte des . Jahrhunderts. Das Jahrbuch hat eine bewegte Geschichte. Es entstand aus einer privaten Initiative, geriet durch den ersten Weltkrieg in eine tiefe Krise, wurde dann von der Preußischen Akademie der Wissenschaften übernommen, die das Jahrbuch noch bis zum Ende des zweiten Weltkriegs unter sich ständig verschlechternden Rahmenbedingungen und zunehmenden politischen Restriktionen weiterbetrieben hat. Der Artikel beschreibt die Enstehungsgeschichte und die Entwicklung des JFM von  bis heute und würdigt das Wirken der Mathematiker, die federführend daran beteiligt waren. Einen Schwerpunkt bildet die konzeptionelle Diskussion und die Entwicklung der Anforderungen an mathematische Literaturdokumentationsdienste, die heute, im digitalen Zeitalter, vor gänzlich neuen Herausforderungen stehen. Zusätzlich zu den Daten des JFM liegt einiges an Originaldokumenten und Sekundärliteratur in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) vor. Aber nicht alles wurde dokumentiert und vieles ist verschollen, etwa die Daten des JFM für das Jahr . Wir weisen an mehreren Stellen im Artikel darauf hin.

Roschaer Monatsschrift (), Journal des scavans () und Philosophical Transactions of the Royal Society (). Im . Jahrhundert führte das Anwachsen der wissenschaftli- chen Publikationen, insbesondere das Aufkommen wissen- schaftlicher Journale, in den Universitäten und Akademi- en und ihren Bibliotheken zu vielfältigen Initiativen, die Literatur zu sichten, zu ordnen, zu analysieren und den Wissenschaftlern zugänglich zu machen. Einige Zeitschrif- ten gingen später dazu über, kurze Mitteilungen, Referate genannt, über neu erschienene Bücher oder Arbeiten hin- zuzufügen, um den Wissenschaftlern schneller neue For- schungsergebnisse zu vermitteln. Die wachsende Anzahl der Publikationen machte neue Dokumentationsformate, insbesondere wissenschaftliche Referatezeitschriften, erfor- derlich.  erschien das Jahrbuch für Physiker, Chemiker, Mineralogen, Techniker, Pharmaceuten, Fabrikanten, Oekono- men und alle Freunde der Naturwissenschaften und Technologie, in dem in Form von Aufsätzen neue naturwissenschaftliche Erkenntnise beprochen und vorgestellt wurden. Das Refera- teorgan der Fortschritte der Physik von  bis  listete die physikalischen Publikationen eines Jahres in systemati- scher Form (nahezu) vollständig auf. Dieses diente dann als Vorlage für das hier vorgestellte JFM.

Wie es begann – Die Gründung des JFM durch Die Vorgeschichte Carl Ohrtmann und Felix Müller

Die ersten Veröffentlichungen mathematischen Inhalts in Der Mathematiklehrer Carl Ohrtmann schlug seinem Europa waren mit der Hand geschriebene Bücher; im Mit- Freund und Kollegen Felix Müller vor, einen Doku- telalter kamen dann gedruckte Bücher, Flugblätter und mentationsdienst für Mathematik, ähnlich den Fortschritten Zeitschriften hinzu. Als erste Zeitschriften kennt man die der Physik, zu gründen. Dieses Jahrbuch sollte die wichtigs-

DOI ./dmvm--  ten bibliographischen Angaben über neu erschienene mathe- sen ihre Vorstellungen vom Jahrbuch folgendermaßen, sie- matische Veröffentlichungen eines Jahres und kurze Berich- he []: te anderer Mathematiker darüber enthalten. Felix Müller Das Ziel, das uns vorschwebte, war einerseits: Dem- war sofort begeistert von Ohrtmanns Idee, die Entwicklung jenigen, der nicht in der Lage ist, alle auf dem um- der Mathematik in einem eigenständigen Journal zu doku- fangreichen Gebiete der Mathematik vorkommen- mentieren, und sagte seine Mitarbeit zur Gründung eines den Erscheinungen selbstständig zu verfolgen, ein Jahrbuches zu. Ohrtmann und Müller trafen sich daraufhin Mittel zu geben, sich wenigstens einen allgemeinen einige Male, um die Literatur des Jahres  zu sichten Überblick über das Fortschreiten der Wissenschaft und zu sortieren. Insbesondere die Königliche Bibliothek zu verscha en; anderseits: dem gelehrten Forscher sowie die Bibliothek der Gewerbeakademie wurden von ih- ff seine Arbeit bei Au ndung des bereits Bekannten nen anfangs genutzt, um Zeitschriftenverlage in Berlin und ffi zu erleichtern. potentielle Referenten in Deutschland anzuschreiben. Bei der Adressbeschaffung wurden sie von führenden Berliner Das setzt Vollständigkeit der Erfassung relevanter Publika- Mathematikern, insbesondere Carl Wilhelm Borchardt, Karl tionen, objektive Berichterstattung, systematische Einord- Weierstraß und Leopold Kronecker, unterstützt. Diese ver- nung und Aktualität voraus. Nahezu Vollständigkeit wurde mittelten zudem Georg Reimer als Verleger des JFM, der mit zunächst vor allem für die mathematischen Publikationen den Besonderheiten mathematischer Texte, insbesondere aus Deutschland angestrebt. Das Referieren der Arbeiten dem mathematischen Formelsatz, vertraut war. durch andere Mathematiker sicherte die Objektivität der Ohrtmann und Müller, beide promoviert, waren als Berichte. Die systematische Zuordnung der Arbeiten wurde Oberlehrer im Schuldienst am Königlichen Realgymnasium durch die Kapiteleinteilung des Jahrbuchs, für die die Her- (später Friedrich-Wilhelms-Gymnasium) in Berlin tätig. Für ausgeber verantwortlich zeichneten, gewährleistet. Ziel der die Absolventen eines Studiums der Mathematik gab es zu Herausgeber war es, zeitnah die mathematischen Publika- der Zeit noch nicht viele Berufsmöglichkeiten. Versicherun- tionen eines Jahrgangs zu dokumentieren und inhaltlich zu gen oder einige große Industriefirmen benötigten Mathe- erschließen. Aktualität war für die Herausgeber ebenfalls matiker mit Kenntnissen in Angewandter Mathematik. An ein wichtiges Kriterium für die Relevanz des Jahrbuchs. Alle den Universitäten waren Professoren- oder Dozentenstellen diese Aspekte sind auch heute noch für die mathematischen für das Fach Mathematik rar. So zogen die meisten, zum bibliografischen Datenbanken wichtig. Im Laufe der Zeit Teil auch außergewöhnlich begabte Mathematiker, zunächst sind neue Kriterien hinzugekommen, und die Relationen die sichere Beamtenlaufbahn an Schulen vor. Viele Lehrer, zwischen den Kriterien haben sich verschoben. Die konzep- insbesondere auch Ohrtmann und Müller, waren jedoch wei- tionellen Aspekte mathematischer Literaturdokumentati- terhin an aktuellen Forschungsergebnissen auf dem Gebiet onsdienste werden in einem eigenen Abschnitt diskutiert. der Mathematik interessiert. Das JFM stellt eine Pionierleistung für den Umgang mit Wann die Idee des JFM tatsächlich Gestalt annahm, lässt mathematischen Forschungsergebnissen dar. Heute würde sich aus den Unterlagen nicht mit Sicherheit rekonstruie- man vom Jahrbuch als einem ersten Werkzeug des „Mathe- ren. In einem Vortrag des späteren JFM-Herausgebers Emil matical Knowledge Management“ sprechen. Lampe [] wird das Jahr  als Anfangszeitpunkt benannt. Ihren eigenen Beitrag und ihre Rolle wollten die Heraus- Allerdings verweist Felix Müller in seinem Artikel „Das Jahr- geber nicht überbewertet wissen, siehe []: buch über die Fortschritte der Mathematik. –“[], auf den Dezember  als Geburtsstunde des Jahrbuchs. Wir übergeben hiermit dem gelehrten Publikum das Der von Müller benannte Zeitpunkt, die Weihnachtsferien erste Heft unseres Jahrbuches. Nicht weil wir uns für im Dezember , erscheint angesichts des heutigen üb- die Fähigsten zur Herausgabe desselben hielten, son- lichen Vorlaufzeiten der Referateorgane eher unrealistisch, dern weil wir selbst häufig den Mangel eines solchen zumal Müller auch auf die Zeitverzögerungen des Erschei- empfunden, haben wir die Bearbeitung unternom- nens infolge des deutsch-französischen Krieges hinweist. men. Andererseits ist ein Brief von Müller an seinen ehemaligen Ohrtmann leistetet viele Jahre den Hauptbeitrag zum Jahr- Lehrer Leo Königsberger ein Indiz für . In dem Brief buch. Er war für die ersten  Jahrgänge verantwortlich, der vom . .  bittet Müller seinen ehemaligen Lehrer um . stand vor der Drucklegung. Er opferte alle Zeit, die ihm Unterstützung für das Jahrbuch-Projekt. In der Vorrede neben seiner beruflichen Tätigkeit an der Königlichen Real- steht zu Beginn: „Trotzdem jedoch die Arbeit zu Anfang schule blieb. Als Hobby leistete er sich nur Spaziergänge des vorigen Jahres begonnen wurde, war es nicht möglich, frühmorgens im Tiergarten und an den Wochenenden in das Erscheinen früher zu bewerkstelligen.“ Es spricht also Umgebung. Auch als sich die Vorboten einer schwe- einiges dafür, dass die Geburtsstunde des Jahrbuchs auf das ren Erkrankung einstellten, arbeitete er mit aller Kraft am Jahr  datiert werden sollte. Jahrbuch weiter. Als er  nach längerem Krankheitslager Der erste Band des Jahrbuchs mit  Einträgen er- starb, würdigte der Oberlehrer Ernst Loew (Biologe) in sei- schien im Februar . Er enthielt die bibliographischen ner „Gedächtnisrede“ [] Ohrtmanns Fähigkeiten, Pflicht- Angaben und Referate über Verö entlichungen aus dem ff bewusstsein und Durchhaltevermögen: Jahr . Dies umfasste  deutsche,  französische,  englische,  italienische sowie  mathematische Zeit- Der letzte Wunsch seines Lebens war, einen Blick auf schriften aus anderen Ländern. Die Herausgeber umris- sein stilles einsames Arbeitszimmer zu werfen. Der

 Felix Müller, Albert Wangerin und Emil Lampe (v. l. n. r.)

Raum, in welchem er sein inneres Sein und Erkennen vom Verlag ein Honorar gewährt. In der Staatsbibliothek immer klarer ausgestaltet hatte, dieser bildete sich Berlin findet man einen Brief vom . Juni  von Ohrt- zuletzt in seinem Auge ab. Dann sank er bewußtlos mann an Reimer, in dem er auf eine Summe von  Talern hin und entschlummerte sanft. verzichten würde, wenn „pro Woche  Bogen fertig gedruckt werden“. So sehr lag ihm am Gelingen dieses Projektes. Die Gedächtnisrede bringt dem Leser nicht nur Ohrtmanns Die Erstellung neuer Werkzeuge zum besseren Zugang Persönlichkeit nahe, sondern verdeutlicht auch die damali- zur mathematischen Literatur entsprach dem allgemeinen gen Ansichten über Pflicht und Bedeutung von Forschung Zeitgeist. In Deutschland gaben Leo Königsberger und und Wissenschaft. Gustav Zeuner aus Unzufriedenheit mit dem vom JFM ver- Der zweite der Gründungsväter des JFM, Felix Mül- folgten Konzept der Fremdreferate einen eigenen biblio- ler, beschäftigte sich neben dem Tagesgeschäft auch theo- graphischen Dokumentationsdienst heraus, das Repertori- retisch mit verschiedenen Aspekten mathematischer Do- um der literarischen Arbeiten aus dem Gebiete der reinen und kumentationsdienste. Von ihm erschienen neben der be- angewandten Mathematik. Dieser erschien allerdings nur reits zitierten Arbeit weitere allgemeine Publikationen zu in zwei Bänden. Sie enthielten von den Autoren verfass- diesem Thema: „Über die Bedeutung der Zeitschriften te Zusammenfassungen ihrer Forschungsergebnisse und für die mathematische Literatur und die mathematisch- beschränkten sich auf wenige Arbeiten. In anderen europäi- historische Forschung“ [], „Zur Frage über die Abkürzun- schen Ländern wurden ebenfalls Dokumentationsdienste gen der Titel mathematischer Zeitschriften“ [], „Versuch für die mathematische Literatur aufgebaut, insbesondere einer Gruppierung der neueren mathematisch-historischen in Frankreich, einem wichtigen Zentrum mathematischer Schriften“ []. Forschung in der zweiten Hälfte des . Jahrhunderts. Seit Felix Müller war seit  Oberlehrer und wurde   erschien das Bulletin des sciences mathématiques et astro- Professor am Luisengymnasium in Berlin. Er wurde  nomique [] unter der Leitung von Gaston Darboux, das emeritiert und lebte dann als Privatmann in Oberloschwitz ursprünglich Referate, Buchbesprechungen und Original- bei Dresden und später auf dem Weißen Hirsch bei Dresden. artikel enthielt, aber später nur noch Originalartikel publi- Er war Mitglied der Leopoldina. zierte. Unter der Leitung von Henry Poincaré erschien ab Zu den beiden Gründern des Jahrbuches gesellte sich  das Répertoire bibliographique des sciences mathémati-  Albert Wangerin als weiterer Mitarbeiter. ques [].  stellt es sein Erscheinen ein. Hinzu kamen Wangerin war zu diesem Zeitpunkt Lehrer am Sophien- die von Baldassare Boncompagni – herausgege- gymnasium in Berlin.  wurde er a. o. Professor an der benen Bände des Bullettino di bibliografia e di storia delle Universität Berlin und  als Professor an die Universität scienze matematiche e fisiche [] in Italien. Eine Ausnahme- Halle berufen. Wangerin blieb weiterhin Förderer und Mit- stellung nahm der Dokumentationsdienst Revue semestrielle herausgeber des Jahrbuches bis . Er verfasste in diesen des publications mathématiques [](–) aus den Jahren  Referate. Niederlanden ein, der mit „Berufsreferenten“ arbeitete und In der Regel kamen die Herausgeber wöchentlich zu einen ähnlichen Ansatz wie das Jahrbuch verfolgte []. einer mehrstündigen Sitzung zusammen, um die Arbeits- verteilung zu besprechen. Unverzichtbar war die Mitarbeit von Ohrtmanns Frau Die Entwicklung des JFM bis  Luise, die über den Zeitraum von  Jahren die Sekretariats- aufgaben wie etwa das Verschicken der Anfragen und Ar- Diese Ära wird durch die Mathematiker Lampe, Korn tikel übernahm. Über Frau Ohrtmann ist wenig bekannt. und Lichtenstein geprägt. Schon in den ersten Jahren gab Wahrscheinlich führte sie ihre Tätigkeit ohne jegliche Be- es eine Verzögerung der Herausgabe durch den deutsch- zahlung aus. Da die Familie Ohrtmann keine Kinder hatte, französischen Krieg /. Diese führte dazu, dass der nannte Luise Ohrtmann das Jahrbuch häufig „ihr Kind“. zweite Band des JFM erst  erschien. Er enthielt  Die Arbeit am JFM erfolgte zum größten Teil auf freiwil- Einträge aus den beiden Jahren  und , die in einem liger Basis. Nur den Herausgebern („Schriftleitern“) wurde Band zusammengefasst wurden.

 Max Henoch, Arthur Korn, Leon Lichtenstein (v. l. n. r.)

Nach dem Tod von Ohrtmann übernahm Emil Lampe einmal eingestellt werden, war das Geld für andere mit  einen großen Teil von dessen Arbeit. Er hatte bereits der Mathematik zusammenhängende Zwecke bestimmt, de- jahrelang als Helfer von Leopold Kronecker beim Journal ren Verwendung die Physikalisch-Mathematische Klasse für Mathematik Erfahrungen in der Herausgabe einer Zeit- der Preußischen Akademie der Wissenschaften festlegen schrift gesammelt. Von  bis  war er Oberlehrer sollte. Das Stiftungsvermögen war aber erst  verfüg- an der Friedrich-Werderschen Gewerbeschule in Berlin. Zu- bar und ging wohl in der Inflation verloren. Unterstützt sätzlich lehrte er von  bis  an der Kriegsakademie. wurde das Jahrbuch auch von der Berliner Mathematischen  wurde er als Professor an die Technische Hochschule Gesellschaft. Detaillierte Hinweise oder schriftliche Unter- in Charlottenburg berufen. Im Nachruf von Arthur Korn [] lagen dazu existieren aber nicht mehr. Es ist nicht klar, in wurde die Referententätigkeit von Emil Lampe als zentraler welcher Form die Unterstützung gewährt wurde: finanziell Bestandteil seiner wissenschaftlichen Tätigkeit herausge- oder durch das Anwerben von Referenten. stellt. Das äußert sich insbesondere in der immensen Anzahl Mit Beginn des Jahres  trat Georg Wallenberg als seiner Referate über nahezu alle mathematischen Gebiete: Mitherausgeber der Jahrbuch-Redaktion bei. Er studierte  , die größte Anzahl von Referaten eines Referenten vom WS / bis zum WS / in Heidelberg und im Jahrbuch. Außerdem veröffentlichte er  wissenschaft- von  bis  in Berlin bei Lazarus Fuchs. Die Promoti- liche Arbeiten und zwei allgemeine Artikel zu theoretischen on erfolgte  in Halle an der Saale. Er war Studienrat und Aspekten der Behandlung mathematischer Literatur: „Ue- von  bis  a. o. Professor an der Technischen Hoch- ber die Herstellung eines allgemeinen bibliographischen schule Berlin-Charlottenburg. Erich Salkowski, der ab  Repertoriums“[], „Rückblick und Ausblick“ []. Emil Lam- Mitherausgeber wurde, war zunächst Oberlehrer am Kaiser- pe war auch anderweitig für die Verbreitung und Bekannt- Wilhelm-Realgymnasium, dann Privat-Dozent und Profes- machung mathematischer Erkenntnisse aktiv: er war Mit- sor an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. initiator der Gründung des Mathematischen Vereins an der Nach dem Tod von Emil Lampe übernahm Arthur Korn Universität Berlin und später der Berliner Mathematischen  kommisarisch für ein Jahr die Herausgabe des JFM. Gesellschaft, die  gegründet worden ist. Ihm folgten Leon Lichtenstein („eine unvergleichbare Ab  arbeitete Max Henoch, ein Freund Emil Lam- Arbeitskraft“, wie sich später ausdrück- pes, an der Herausgabe des JFM mit. Henoch war herzkrank, te) und ein größeres Team von Mathematikern: Hans Hahn, konnte jedoch studieren und sein Studium mit der Promoti- Erich Hecke, Gustav Herglotz, Otto Hölder, Alfred Loewy, on bei Karl Weierstraß und Ernst Kummer abschließen. Ludwig Neder, Oskar Perron, George Polya, Gabor Szegö, Eine berufliche Tätigkeit war aber zu anstrengend für Hermann Weyl. Die breitere personelle Aufstellung trug ihn. So wurde er Mitarbeiter des Jahrbuchs. Als er  der Tatsache Rechnung, dass das ursprüngliche Ziel des starb, gründete sein Vater die Max-Henoch-Stiftung mit JFM, die Entwicklung der Mathematik zu dokumentieren, einer Kapitalausstattung von   Reichsmark, um die zunehmend mehr Kapazitäten erforderte. Herausgabe des JFM finanziell zu unterstützen. In der Stif- Der erste Weltkrieg hatte auf das Erscheinen das Jahr- tungsurkunde [] heißt es: buchs gravierende Auswirkungen: die Literaturbeschaffung wurde immer schwieriger, die Kontakte zu ausländischen Auf seinen Wunsch stellte sein Vater beim Tode des Referenten brachen teilweise ab. Das führte zu jahrelangen geliebten Sohnes der Redaktion die Mittel zur Ver- Verzögerungen bei der Herausgabe des Jahrbuchs. Ande- fügung, einen Gehülfen für die rein mechanischen rerseits betonten führende Mathematiker aus aller Welt äußeren Arbeiten, die – wie wir gesehen – in den wiederholt, dass die Literaturinformationsdienste wichti- ersten  Jahren von Frau Ohrtmann ausgeführt wur- ger Bestandteil der mathematischen Kultur sind. So stellt den, zu gewinnen. Ludwig Bieberbach in seiner richtungsweisenden Rede vor der Akademie  das Jahrbuch in eine Reihe mit Kleins Bei den Stiftungsgeldern sollten möglichst ausschließlich Erlanger Programm. Das gemeinsame Band beider Aktivitä- die Zinsen ausgegeben, nur im Ausnahmefall das Kapital ten bestand für Bieberbach im Streben nach „ System und angegriffen werden. Sollte die Herausgabe des JFM später Synthese“ (siehe []) des mathematischen Wissens.

 Georg Feigl, Hans Freudenthal (v. l. n. r.)

Nach Beendigung des ersten Weltkrieges gerieten die Vertrag zwischen der Akademie und dem Verlag de Gruyter deutschen Literaturinformationsdienste in den Fokus der abgeschlossen. De Gruyter war seit  Rechtsnachfolger deutschen Wissenschaftspolitik. Den mathematisch-natur- des Verlages Georg Reimer. Dort wurde auch detailliert ver- wissenschaftlichen Dokumentationsdiensten wurde eine einbart, welche Partei wie viel Geld zur Verfügung stellen zentrale Rolle zugemessen, um die starke Position Deutsch- sollte. Der Verlag hatte  Reichsmark pro Band beizutra- lands in der Mathematik und den Naturwissenschaften vor gen, dazu eine Prämie für die fristgemäße Fertigstellung der Beginn des ersten Weltkriegs wieder zu erreichen. Zur Un- Bände. Der Schriftleiter sollte von der Akademie bestimmt terstützung und Koordinierung dieser Aktivitäten wurde werden und nur dieser gegenüber verantwortlich sein.  die Reichszentrale für naturwissenschaftliche Bericht- Durch die finanzielle Unterstützung der Preußischen erstattung gegründet. Die Initiative zur Gründung der Akademie der Wissenschaften entspannte sich die personel- Reichszentrale ging dabei von der Preußischen Akademie le Situation beim Jahrbuch. Zum . Januar  wurde Ge- der Wissenschaften aus, die dann im weiteren eine wichtige org Feigl als hauptamtlicher Schriftleiter bestellt.  wur- Rolle bei der Reorganisation der mathematisch-naturwis- de Hans Freudenthal Mitarbeiter des Jahrbuchs. Allerdings senschaftlichen Literaturinformation spielte. Insbesondere wechselte Freudenthal noch im selben Jahr an an die Univer- Max Planck in seiner Funktion als Sekretär der Physikalisch- sität Amsterdam und wurde Assistent von L. E. J. Brouwer. Mathematischen Klasse der Preußischen Akademie der Wis- Er blieb aber bis  dem JFM insofern treu, als er weiter- senschaften setzte sich immer wieder für die finanzielle hin viele Referate schrieb (insgesamt ). Nachfolger von Unterstützung des JFM ein [], was dann ab  von der Hans Freudenthal wurde der spätere Schriftleiter Helmut Preußischen Akademie der Wissenschaften und ab  von Grunsky. Die bessere finanzielle Ausstattung des Jahrbuchs der Reichszentrale für naturwissenschaftliche Berichterstattung spiegelte sich auch in einer verbesserten Vollständigkeit erfolgte. Hinzu kamen unregelmäßige Zuwendungen von wider. Band  () umfasste  Referate. der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaften, die die Am . Mai  gab Max Planck einen Jahresbericht Herausgeber nach ihrem Gutdünken verwenden konnten. über den Fortgang der Arbeiten in den „Berichten über die Also konnten Mitarbeiter des Jahrbuchs auch für Verwal- wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie“ [] tungsarbeiten bezahlt werden und mehr internationale Li- ab, für die das Jahrbuch eine ihrer wichtigsten wissenschaft- teratur beschafft werden. Beispielsweise arbeitete die später lichen Aktivitäten war. bekannt gewordene Hilda Pollazek-Geiringer, verheiratete Allein durch die Nominierung des Schriftleiters hatte Geiringer von Mises, als Assistentin von Leon Lichtenstein die Akademie entscheidenden Einfluß auf die inhaltlichen in der Redaktion des JFM und verfasste  Referate. Ob wei- Zielsetzungen und die redaktionelle Arbeit. tere Mathematiker, etwa Herman (Chaim) Müntz, der von Die Rede von Ludwig Bieberbach, siehe [], der am  bis  die beachtliche Zahl von  Referaten für . .  den Vorsitz der Jahrbuch-Kommision der Akade- das JFM lieferte, offiziell als Jahrbuch-Mitarbeiter angestellt mie von Max Planck übernahm, markiert einen tiefen Ein- waren, ist nicht bekannt. schnitt. In seiner Rede umriss Bieberbach die inhaltlichen Bis weit in die zwanziger Jahre hinein hatte das JFM Ziele und definiert die Prioritäten für der Weiterführung die Zeitverzögerung, die durch den . Weltkrieg entstanden des Jahrbuchs. Bieberbach unterstrich in seinem Vortrag war, nicht aufholen können. , die Bedeutung des Jahrbuchs und hob dessen Ausnahme- und Ludwig Bieberbach, alle drei zur damaligen Zeit Pro- stellung hervor. Er hielt dabei aber im wesentlichen an der fessoren der Friedrich-Wilhelms-Universität, wandten sich ursprünglichen Erscheinungsweise des Jahrbuchs fest, das deshalb  an die Physikalisch-Mathematische Klasse der aber zu dieser Zeit sowohl in Deutschland als auch interna- Preußischen Akademie der Wissenschaften mit der Bitte auf tional schon unter heftiger Kritik stand. Im Zentrum der Übernahme des JFM als akademisches Unternehmen []. Kritik standen die mangelnde Aktualität und geringe Inter- Deren Vorstandsvorsitzender Max Planck sagte seine Un- nationalität des Jahrbuchs. Bieberbach erkannte die Kritik terstützung zu und legte der Akademie am . Juni  nur teilweise an. Er blockierte damit eine Neuausrichtung einen Vorschlag zur Bildung einer Kommision für das JFM und war damit wesentlich verantwortlich für die schwin- unter seiner Leitung vor []. Am . Januar  wurde ein dende Akzeptanz des Jahrbuchs.

 Korrespondenzen die Initiative und gründeten  als Al- ternative zum JFM das Zentralblatt für Mathematik und ihre Grenzgebiete (ZfM). Das ZfM setzte seine Prioritäten auf Aktualität und In- ternationalität, es erschienen mehrere Ausgaben pro Jahr. Es waren auch Englisch, Französisch und Italienisch als Sprachen für die Referate zugelassen. Die deutschen Mathematiker, insbesondere die Deut- sche Mathematiker-Vereinigung, waren angesichts dieser Entwicklung gespalten. Der Konflikt zwischen den Referate- journalen war auch ein Ausdruck der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen mathematischen Konzepten und Schulen, insbesondere der mehr international ausgerichte- ten Göttinger und der eher national orientierten Berliner Schule. Eine Zusammenarbeit oder sogar Einigung auf eine gemeinsame Zeitschrift kam in den Folgejahren nicht zu- stande. JFM und ZfM strebten beide eine Zusammenarbeit mit der holländischen Referate-Zeitschrift Revue semestri- elle des publications mathématiques an. Diese entschied sich – nicht zuletzt durch die Einflussnahme von Hans Freuden- thal – für eine Zusammenarbeit mit dem JFM. Konkretes Resultat war der im Jahr  erschienene JFM-Band /I, der gemeinsam mit der Revue semestrielle des publications mathématiques herausgegeben wurde und in dem Jan Arnol- dus Schouten als Mitherausgeber fungierte. Der Vertrag wurde aber von der Revue semestrielle des Die Gründung des Zentralblatts, die Entwicklung bis publications mathématiques aus finanziellen und politischen  und die Einstellung des Jahrbuchs Gründen  gekündigt und die Kooperation eingestellt. Genaueres findet sich dazu in []. Nach dem ersten Weltkrieg setzte eine internationale Dis-  wurde Nachfolger von Georg kussion über die bibliographischen Dokumentationsdienste Feigl. Weitere Mitarbeiter, die für unterschiedlich lange Zeit- ein. Vor allem die amerikanischen Mathematiker sahen in räume Arbeiten für das Jahrbuch erledigten, kann man aus der Vorherrschaft deutschsprachiger Dienste eine Benach- den Akten des Archivs der Akademie der Wissenschaften er- teiligung und suchten nach Alternativen. Unter anderem sehen. Leider waren aber keine schriftlichen Arbeitsverträge wurde über die Gründung eines eigenen Dokumentations- auffindbar, meist wurden nur die ausgezahlten Gehälter an- dienstes diskutiert, was aber zunächst verworfen wurde. gegeben. Einige Wissenschaftler aus dieser Liste überbrück- Ende der zwanziger Jahre verdichteten sich die Anzeichen, ten wohl nur kurzzeitig finanzielle Engpässe in ihrer Zeit dass der Springer-Verlag einen eigenen mathematischen Do- als Studenten, Doktoranden oder Staatsexamenskandidaten. kumentationsdienst plant. Der Springer-Verlag hatte die In den Akten werden folgende Mitarbeiter genannt: Lilly Absicht, die Reihe seiner Dokumentationsdienste, die vom Görke (geb. Buchheim; –), Dora Koch (–; Verlag seit Anfang des Jahrhunderts mit Schwerpunkt Me- ?) (–), Wilhelm Specht (– dizin herausgegeben wurden und unter dem Namen Zen- ), Edmund Scholz (–), Maximiliam Pinl (– tralblatt firmierten, zu erweitern. Die Vorbereitungen liefen ), Karl Molsen (), Hanna Neumann (geb. Caemmerer, unter strenger Geheimhaltung und wurden der Jahrbuch- ), Wolfgang Hahn (–), Erwin Schultz (– Redaktion erst im Sommer  bekannt. Als Reaktion auf ), Herbert Jehle (–), Helmut Wielandt (–), die Aktivitäten des Springer-Verlags wurden daraufhin Eri- Fritz Dueball (–), Witold Szablewski (–), ka Pannwitz ( Referate, –) und Hans Pietsch Alfred Stöhr (), Rudolph Kochendörffer (), Wolf- ( Referate, –) eingestellt. Durch diese Personal- gang Wichmann (), Gerhard Kropp (), Wolfgang verstärkungen konnte der zeitliche Rückstand bei der Her- Gröbner (), Wassilij Höffding (–), Max Zacha- ausgabe des Jahrbuchs zwar deutlich aufgeholt, aber nicht rias (–), Wolfgang Franz (), Elisabeth Schulen- beseitigt werden. berg (–), Raschko Zaycoff (), Günther Pickert Für die Herausgeber des Jahrbuches hatten die Grundsät- (–), Hermann von Schelling (–), Arthur ze „Vollständigkeit“ und „systematische Darstellung“ aller Bischof (). Die Mehrzahl dieser Hilfskräfte, darunter Artikel bezogen auf einen Jahrgang Priorität. Das führte relativ viele Doktoranden von Erhard Schmidt und Isaac aber im Laufe der Jahre dazu, dass mit dem Anwachsen Schur, machten nach dem . Weltkrieg eine Karriere als Wis- der mathematischen Literatur die Bearbeitungszeit immer senschaftler. Isaac Schur war dem Jahrbuch noch aus seiner länger wurde. Der Springer-Verlag und Mathematiker aus Zeit als Mitglied der Jahrbuch-Kommission der Akademie Göttingen, namentlich Otto E. Neugebauer und Richard besonders verbunden. Als er  aus Deutschland nach Courant, ergriffen deshalb nach längeren Diskussionen und Palästina flüchten musste, nahm er alle Bände des JFM mit.

 Helmut Grunsky, Christian Pauc, Hermann Ludwig Schmidt (v. l. n. r.)

Er soll sie abends zum Einschlafen gelesen haben, berichtete Oberkommandos der Wehrmacht mit dem Präsidenten der Alfred Brauer . Preußischen Akademie der Wissenschaften und untergeord- Während der Naziherrschaft versuchten die Redaktions- neten Angestellten wurden drei Offiziere ausgewählt. Auf mitglieder zunächst weiterzuarbeiten wie zuvor. Im Laufe einer Besprechung wurde festgesetzt: Es der Jahre wurde Grunsky aber immer mehr unter Druck gesetzt, Juden und „politisch unzuverlässige“ Mitarbeiter wurde darauf hingewiesen, daß sich im übrigen die zu entlassen. Ein mahnender Brief von Bieberbach zum Zusammenarbeit in gesellschaftlichen Formen voll- Jahreswechsel / an Grunsky ist erhalten, in dem ziehen soll, damit die kriegsgefangenen Offiziere Bieberbach beklagt, dass es noch zu viele jüdische Referen- nicht das Bewusstsein einer Einengung haben, son- ten gäbe. Bieberbach war zu dieser Zeit Vorsitzender der dern vollkommen frei wissenschaftlich arbeiten kön- mathematisch-naturwissenschaftichen Klasse der Preußi- nen. schen Akademie der Wissenschaften und Herausgeber des JFM. Nicht lange nach diesem Brief kündigte Grunsky seine Die ausgesuchten französischen Offiziere waren Professor Arbeit beim Jahrbuch auf, und der Nationalsozialist Harald Dr. Jean Leray, Offizierslager XVII A; Leutnant Professor Geppert wurde Schriftleiter des Jahrbuchs und „General- Christian Pauc, Offizierslager XVII Y; Oberleutnant Profes- redakteur“ der beiden deutschen Referate-Zeitschriften sor Dr. Frédéric Roger, Offizierslager XVIII. ZfM und JFM. Trotz vieler Verhandlungen, an denen auch Jean Leray lehnte es ab, in Berlin zu arbeiten. Er hatte die Deutsche Mathematiker-Vereinigung beteiligt war und in dem Lager, in dem er sich befand, eine Universität für die in diesem Zusammenhang auch Mitherausgeber des Jahr- die gefangenen Offiziere aufgebaut, die er nicht im Stich buchs wurde, konnte jedoch über eine Zusammenlegung lassen wollte. Letztlich blieb es dann nur bei Christian Pauc der beiden Dokumentationsdienste keine Einigung erzielt und Frédéric Roger, die bereit waren, für das Jahrbuch zu werden. Die Redaktionen arbeiteten weiter unabhängig von- arbeiten (Erlass vom . November ). Sie wurden in das einander, unterstützten sich aber während des Krieges bei „kleine Stammlager III D Falkensee“ gebracht, und fuhren der schwieriger werdenden Beschaffung von Zeitschriften von dort jeden Morgen (erst mit, später ohne Bewachung) und Büchern und übernahmen gegenseitig teilweise auch zur Preußischen Akademie der Wissenschaften (Arbeitszeit Referate (). Es kam auch vor, dass das ZfM ein Referat – Uhr). in Französisch druckte, während man im JFM eine deutsche Am . Mai  wurden die beiden Franzosen in ein Übersetzung finden konnte. „Zivildienstverhältnis“ überführt und die Akademie wurde Da während des Krieges Wissenschaftler für das Jahr- angewiesen, für sofortige Unterkunft zu sorgen. Es wurden buch fehlten, versuchte Geppert, französische Kriegsgefan- Verträge geschlossen, dass die beiden eine Vergütung von gene für die Arbeit in der Redaktion zu gewinnen. Er fuhr  Reichsmark für die Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfs-  nach Paris und bat den französischen Mathematiker arbeiter beim Jahrbuch bekommen sollten. Der Lohn sollte Gaston Julia um Vermittlung. Mehrmals äußerte Julia aus- bis zum . .  fest bleiben (welche Ironie des Datums!!). drücklich als Vorbedingung für seine Unterstützung, dass Am . Juni  stellte Geppert einen Antrag an die sein Bruder Roger Julia freigelassen wird. Er nannte Geppert Preußische Akademie, die Ehefrauen von Pauc und Roger zunächst vier Wissenschaftler, die bereits früher mit deut- vom . Juli bis Ende September  als Volontärinnen (oh- schen Kollegen zusammengearbeitet haben, und derzeit in ne Bezahlung) für das Jahrbuch anzustellen. Dem wurde Gefangenschaft waren: Jean Leray, Jean Ville, Christian Pauc, zugestimmt und deren Vertrag bis zum . .  verlän- Jean Favard. gert. Am . Dezember  traf Pauc das Schicksal wie viele Während des . Weltkrieges wurden französische Offi- andere Berliner. Er verlor bei einem Brand seine Wohnung ziere und generell westliche Kriegsgefangene besser behan- und hat fast alle persönlichen Sachen eingebüßt. Im Novem- delt als viele der Gefangenen aus dem Osten. Sie wurden ber  beantragten beide, an einer anderen Universität zwar auch in Lagern untergebracht, durften aber für ver- innerhalb Deutschlands arbeiten zu dürfen. Pauc wurde von schiedene Arbeiten die Lager mit Bewachung verlassen und Otto Haupt eine planmäßige Assistentenstelle in Erlangen bekamen Lohn. Nach einem aufwändigen Briefwechsel des angeboten. Gleichzeitig bekam Frédéric Roger vom Rektor

 der Universität Freiburg, Prof. Dr. Wilhelm Süss, eine Stelle Verlag (Ost) wollte mindestens das Jahrbuch übernehmen, an der Universität Freiburg. Beide haben aber den Wunsch wenn nicht beide Referatorgane zusammen. Gegen die Über- geäußert, weiterhin an der Redaktion des Jahrbuchs freiwil- nahme des Jahrbuches sprach aber ein alter Vertrag des de lig mitwirken zu können. Gruyter-Verlages mit dem Jahrbuch. Die Verhandlungen der Nach dem Krieg  kehrte Pauc wieder nach Frank- Akademie mit dem Springer-Verlag verliefen zügig, so dass reich zurück, hatte aber zunächst Probleme eine adäquate das Zentralblatt schon am . .  wieder erscheinen konn- Stelle zu finden, da er mit den Deutschen „fraternisiert“ te, während sich die Akademie und der de Gruyter-Verlag hatte. Von  bis  lehrte er an der Universität Kap- nicht einigen konnten. stadt, bevor er  nach Nantes wechseln konnte. Seine Am . .  schrieb Erhard Schmidt in einem Tätig- Zeit in Deutschland sah er aber nicht negativ (siehe da- keitsbericht des Forschungsinstituts für Mathematik u. a. zu []). Pauc arbeitete nach dem Krieg noch einige Jahre über die Situation beim Jahrbuch und äußerte die Hoffnung, beim Zentralblatt mit. Vom weiteren Schicksal Frédéric Ro- dass das Jahrbuch vom Jahre  wieder erscheint. Am gers ist nichts bekannt; nach einer mündlichen Mitteilung . Februar  wurde Hermann Ludwig Schmidt die Re- von Christophe Eckes überlebte er aber den Krieg. daktion des Jahrbuchs übertragen. Vorher hatte er einige Was die Auswahl der Artikel für das Jahrbuch und den Male mit dem de Gruyter-Verlag verhandelt, der sich aus Inhalt der Referate betrifft, ist bis in den . Weltkrieg hinein technischen Gründen jedoch zu dieser Zeit nicht in der Lage kaum ein Einfluss der Nationalsozialisten zu erkennen. Ar- sah, den Druck des Jahrbuches zu übernehmen. Am . Mai beiten von jüdischen Autoren, etwa R. Courant, W. Döblin,  kündigte der Direktor der Deutschen Akademie Josef A. Einstein, F. Hausdorff, H. Rademacher, wurden weiterhin Naas den Vertrag mit dem de Gruyter-Verlag zum Jahres- objektiv besprochen. schrieb : „Es gibt ende  und das Jahrbuch wurde eingestellt. Die mathe- keinen Fall, in dem eine Arbeit deshalb kurz besprochen matische Welt reagierte unterschiedlich auf das Ende des oder ohne Referat geblieben wäre, weil der Verfasser Jude Jahrbuchs. Man sah ein, dass einerseits das Erscheinen von war.“ Auch Hermann Weyl sagte nach dem Krieg: „It is true drei ähnlichen mathematischen Referateorganen in man- that even during the war the Jahrbuch continued reviewing cher Hinsicht nicht nötig war (seit  wurden in direkter the papers of foreign and Jewish mathematicians in an ob- Konkurrenz zum Zentralblatt die Mathematical Reviews in jective and decent manner“ []. Nur in einigen einzelnen den USA herausgegeben). Andererseits lobten einige Ma- Referaten, vor allem aus dem Abschnitt Pädagogik in den thematiker besonders die Gründlichkeit des Jahrbuchs, die Bänden ,  und  sind die politischen Ansichten dieser Systematik und fanden eine Konkurrenz gerade angebracht. Zeit zu erkennen. Aus politischen Gründen waren Referate zu Artikeln mit Titeln wie „Der mathematische Unterricht im Dritten Reich“, „Mathematik im Dienste der nationalpo- Zur konzeptionellen Entwicklung des Jahrbuchs litischen Erziehung“ oder „Verdeutschung mathematischer Fachausdrücke“ unvermeidbar. Ab  wurde auf das Ka- Vollständigkeit und Aktualität pitel Pädagogik im JFM verzichtet. Die angestrebte (möglichst) vollständige Erfassung der ma- Der letzte ausgelieferte Band des JFM war der erste Halb- thematischen Literatur wurde bereits im Vorwort des ersten band des Bandes  (). Im Laufe der Jahre  und Jahrbuchs [] als ein wesentliches Ziel benannt. Was heißt  kehrten einige ehemalige Mitarbeiter nach Berlin zu- Vollständigkeit? Bis ins . Jahrhundert wurden aktuelle rück, die sofort mit dem Ordnen und Aufräumen begannen. mathematische Forschungsergebnisse in Form von Publi- Insbesondere Frau Dr. Schulenberg und Frau Henschel sind kationen der mathematischen Community mitgeteilt. Das hier zu nennen. Herrmann Ludwig Schmid, der Direktor Ziel Vollständigkeit wäre dann erreicht, wenn man alle ma- des Mathematischen Instituts der Universität Berlin, verfass- thematischen Publikationen erfasst und ausgewertet hat. In te am . August  ein Memorandum über den Stand der Praxis ist die vollständige Erfassung der Mathematik- der Arbeiten am Jahrbuch. Teile der Jahrbuchbände von  relevanten Publikationen insbesondere in mathematischen bis  waren noch aufzufinden. H. L. Schmid regte auch Anwendungsgebieten unrealistisch. Man beschränkte sich gleich an, zügig mit drei Mitarbeitern weiterzuarbeiten. Er daher auf die Auswertung der ausgewiesenen mathemati- wollte eine so große Lücke, wie es sie nach dem . Welt- schen Zeitschriftenserien sowie Monographien und Lehrbü- krieg gegeben hatte, vermeiden. In einem weiteren Brief cher und ausgewählter Zeitschriftenserien aus anderen Wis- vom . .  schlug er außerdem Dr. Rudolf Kochendörf- senschaften. Selbst dieses konnte in den ersten Bänden nur fer als Mitarbeiter vor. In dieser Zeit war es nicht einfach, mit Abstrichen erreicht werden. Im ersten Band wurden von geeignete Mitarbeiter zu finden. Stellenbewerber mussten (etwa)  relevanten Zeitschriften weltweit  ausgewertet. nachweisen, keine Nazis gewesen zu sein. Die Organisation Durch die Vorgehensweise, die mathematischen Publikatio- des Jahrbuches lag weiterhin bei einer Kommission des For- nen jahrgangsweise zusammenzufassen, war die angestrebte schungsinstituts für Mathematik der Deutschen Akademie Vollständigkeit eine der Hauptursachen für die zeitliche Ver- der Wissenschaften (die Preußische Akademie war  zögerung des Erscheinens der JFM-Bände. Auf Vorschlag umbenannt worden). von Max Planck wurden ab dem Jahrbuch Band  die Es musste nun geklärt werden, welches Referateorgan Publikationen eines Jahres auf zwei Halbbände verteilt. Das mit welchem Verlag weiter geführt werden sollte. Der führte zu mehr Flexibiltät und einer Verkürzung der Span- Springer-Verlag (West) bestand auf der Fortsetzung seiner ne zwischen dem Erscheinen einer Publikation und der Arbeit mit dem Zentralblatt. Der neu gegründete Akademie- Besprechung im Jahrbuch. Damit konnte der Rückstand

 in der Aktualität gegenüber dem Zentralblatt aber nicht vid Hilbert (Königsberg und Göttingen, ), Felix Klein ausgeglichen werden. Der vom Zentralblatt verfolgte An- (München, ), Oskar Perron (München, ) und Hermann satz, Arbeiten so schnell wie möglich zu dokumentieren, Weyl (Göttingen und Zürich, ). Hier müssen natürlich trug besser zur erforderlichen Aktualität bei. Die mathema- auch Emmy Noether (Göttingen,  Referate –) und tischen Forschungskapazitäten wurden in der ersten Hälf- Dorothy Maud Wrinch (Cambridge,  Referate –), te des . Jahrhunderts weltweit massiv ausgebaut, und erwähnt werden, die zu den ersten Referentinnen des JFM mathematische Methoden und Ergebnisse fanden unmit- zählten. Die Referenten wurden im Jahrbuch teilweise abge- telbar Eingang in innovative Technologien und Produkte, kürzt sowie mit Titel und Wohnort angegeben. was der Forderung über schnelle Information zu aktuellen Die Referententätigkeit war zwar mit einer hohen Wert- Forschungsergebnissen hohe Priorität verlieh. schätzung verbunden. Die Besprechung der Arbeiten er- forderte allerdings einen beträchtlichen Aufwand. Die Re- Systematik im Jahrbuch: Kapiteleinteilung, Referate, ferate wurden aber nicht als eigenständige Publikationen Registerbände angesehen. Viele Mathematiker waren daher zögerlich, als Ein weiteres zentrales Anliegen des JFM war die systema- Referenten in einem Dokumentationsdienst mitzuarbeiten, tische inhaltliche Einordnung der Publikationen. Das vom was auch heute noch zutrifft. JFM verwendete dreistufige Schema der Kapitelüberschrif- Die Referate waren meist kurze, sachliche Einträge über ten, das maßgeblich von den Herausgebern in enger Abstim- den mathematischen Inhalt. Es gab aber auch lange Berich- mung mit fachlichen Experten verantwortet wurde, ermög- te, die über mehrere Seiten gingen. Dabei handelte es sich lichte eine sachbezogene Einordnung der Referate von un- oft um Referate über Bücher oder besonders herausragende terschiedlichem Präzisionsniveau. Die Besprechungen der Publikationen. Emil Lampe formulierte  Richtlinien Arbeiten enthielten auch Zitate von früheren Publikationen, zur Anfertigung der Referate []: die für die jeweilige Arbeit von Relevanz waren. Zusätz- lich wurden Hinweise auf deren Besprechungen im JFM Das Jahrbuch soll den Leser darüber belehren, was angegeben. Die inhaltliche Vernetzung war ein wichtiges in den Abhandlungen steht, nicht was der Referent Hilfsmittel, um sich über die Entwicklung eines Sachgebiets über den Inhalt denkt. Zum Zwecke der eigenen For- oder Teilen davon zu informieren. Allerdings stellten die Ka- schung soll der Benutzer des Jahrbuches erfahren, ob pitelüberschriften im Jahrbuch im engeren Sinn noch kein ein Aufsatz neue Gedanken enthält . . . Nur offenbare Klassifikationssystem dar. Es fehlen formale Klassenbezeich- Unrichtigkeiten sind in nicht verletzender Form zu ner, in denen sich auch die hierarchische Strukturierung der bezeichnen. inhaltlichen Aspekte widerspiegelt. Zudem wurden die Ka- pitelüberschriften häufig modifiziert, was der Entwicklung Die Bewertung fehlerhafter Arbeiten fiel zum Teil aber dras- der Mathematik entsprach, aber eine inhaltliche Suche er- tisch aus, wie die folgenden Beispiele zeigen: schwerte. Eine Gruppierung der Publikationen nach inhalt- JFM ..: „Falscher Schluss aus dem Besondern lichen Kriterien war eine wesentliche Voraussetzung für die ◦ auf das Allgemeinere . . . “ nachhaltige Akzeptanz und Bedeutung des JFM. Die syste- JFM ..: „Der dritte Abschnitt enthält im Wesent- matische Zuordnung der Publikationen zu mathematischen ◦ lichen vier neue Beweise; die vier Beweise sind falsch . . . “ Gebieten war kein Alleinstellungsmerkmal des Jahrbuchs, JFM ..: „Es lohnt nicht der Mühe, alle falschen, das Zentralblatt verwendete ein ähnliches Schema. ◦ längst widerlegten Behauptungen, die das Programm ent- Die beiden Jahrbuch-Gründer waren sich einig, dass hält, aufzuführen; jedenfalls muss man vor allzu großer möglichst nur Fremdreferate im Jahrbuch erscheinen soll- Vertrauensseligkeit den Behauptungen des Verfassers ge- ten. Das erforderte den Aufbau eines Referentenpools. In genüber ernstlich warnen . . . “ den ersten Bänden stammten die Referenten vorwiegend JFM ..: „Der Verfasser kennt nichts von der Lite- aus Deutschland. Aber bereits ab dem zweiten Band enga- ◦ ratur über den Gegenstand, so dass er von der falschen gierten sich auch Mathematiker aus anderen europäischen Voraussetzung ausgeht, die . . . “ Ländern. Die Anzahl der „Herren Referenten“ (mit Band  JFM ..: „Falsch! Herr W. verwechselt notwendige (), der im Jahre  erschien, wurde der Sprachge- ◦ und hinreichende Bedingungen . . . “ brauch dann in „Mitarbeiter“ geändert) stieg pro Band von JFM ..: „Eine Arbeit, in der viel Mühe ganz ver- anfangs  bis auf ca.  in den dreißiger Jahren. ◦ geblich aufgewandt worden ist . . . “ Viele nahmhafte Mathematiker beteiligten sich als Refe- JFM ..: „Mangel an wissenschaftlicher Strenge renten am Jahrbuch. Aus dem Ausland sind etwa zu nennen: ◦ und Gründlichkeit . . . Der Verf. lebt in seiner Gedanken- Enea Bortolotti (, Florenz), Bohumil Bydzovsky (, welt und fordert, dass alle übrigen Gelehrten sich ihm Prag), Arthur Cayley (, Cambridge), Gustav Eneström anbequemen sollen . . . “ (, Stockholm), Hans Freudenthal (, Amsterdam), JFM ..: „Es ist tief bedauerlich, dass ein derarti- Rudolf Fueter (, Zürich), James Glaisher (, Cam- ◦ ges Buch erscheinen durfte . . . “ bridge), Sophus Lie (, Christiania und Leipzig), Gino Loria (, Genua), Paul Mansion (, Gent), Nikolaj Die von Lampe formulierten Richtlinien machen die Schwie- Sincov (, Leningrad), Gabor Szegö (, Stanford), rigkeit öffentlicher kritischer Bewertungen in den Refera- Francesco Tricomi (, Turin), Gulio Vivanti (, Mai- teorganen deutlich. Technische Arbeiten erfordern einen land), aus Deutschland: Alfred Clebsch (Göttingen, ), Da- hohen Aufwand, um die Ergebnisse zu verifizieren, und die

 Bernd Wegner, Keith Dennis (v. l. n. r.)

Tragweite neuer Ansätze ist oft nicht unmittelbar zu erken- Grenzen gekommen war und dass die Reorganisation, ins- nen, so dass kritische Referate, wenn sie nicht auf offensicht- besondere die Umstellung auf die halbjährliche Erschei- lichen Fehlern beruhen, der besonderen Aufmerksamkeit nungsweise, unzureichend war. Allerdings sind vom ZfM der Herausgeber bedürfen. Eine ausgewogene Berichterstat- und den Mathematical Reviews (MR) viele Ansätze des Jahr- tung über die Publikationen ist aber entscheidend für die buchs in modifizierter Form aufgegriffen, implementiert Reputation des Dienstes. In gewisser Weise hat das JFM mit und erweitert worden, insbesondere die systematische Er- kritischen Beiträgen auch eine Art öffentlicher Bewertung fassung, der mathematischen Literatur bis  übernommen, die über eine Auflistung, Beschreibung und Systematisierung der aktuellen Literatur hinausgeht und von der mathemati- Das JFM nach  schen Leserschaft durchaus geschätzt und anerkannt wurde: „The most important aid to judge contemporaneous work is Die Geschichte des JFM war aber mit der Einstellung der furnished by a German publication known as the Jahrbuch Herausgabe des Jahrbuchs noch nicht zu Ende. Selbst in der über die Fortschritte der Mathematik“, schrieb  der Zeit, wo es das ZfM und die MR nur als bibliographische Amerikaner G. A. Miller []. Dokumentationsdienste auf Papier gab, wurde die Einbe- Die Referententätigkeit erfolgte zunächst ohne Ent- ziehung der JFM-Referate in die Referate von ZfM und MR gelt. In späteren Jahren wurde eine Reichsmark als Auf- fortgesetzt: Zitate, die in die Zeit fielen, in der es nur das wandsentschädigung für die Anfertigung eines Referates JFM gab, wurden durch einen Hinweis auf das entsprechen- gezahlt. de Referat im JFM ergänzt. Beide Dienste führten entspre- Des Weiteren enthielt jeder Band auch ein Inhaltsver- chende Hinweise im Impressum auf, die MR längere Zeit zeichnis, Verzeichnis der Autoren und Referenzen, sowie mit einem JFM-unfreundlichen Tenor. ein Zeitschriftenverzeichnis. Das Zeitschriftenverzeichnis Mit dem Übergang von ZfM und MR in das digitale Zeit- war wichtig, da die meisten Zeitschriftennamen abgekürzt alter gab es eine Wiederbelebung der alten Datenbestän- wurden. de des JFM.  schlugen die damaligen Chefredakteure des ZfM, Bernd Wegner (TU Berlin), und der Mathemati- Internationalität cal Reviews, Keith Dennis (Universität Cornell, USA), vor, Das Jahrbuch war zwar eine deutsche Unternehmung, was das JFM zu digitalisieren und in einer Datenbank allge- durch die herausgehobene Stellung der mathematischen mein zugänglich zu machen. Die Bereitstellung der JFM- Forschung in Deutschland historisch auch berechtigt war. Daten als Datenbank würde die Suche und das Auffinden Von Anfang an wurden aber, wie oben dargelegt, die ma- der mathematischen Literatur aus der zweiten Hälfte des thematischen Publikationen weltweit ausgewertet und im . Jahrhunderts und der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahr- Jahrbuch angezeigt. Bis  hatten sich aber die Kräftever- hunderts wesentlich vereinfachen. Die Digitalisierung des hältnisse in der mathematischen Forschung mit dem breiten JFM war Teil einer größeren Idee, eine digitale Bibliothek Ausbau mathematischer Forschung in den USA, Japan und der Mathematik aufzubauen, die später von der Interna- der Sowjetunion entscheidend verändert. Das JFM über- tional Mathematical Union aufgegriffen und verallgemei- nahm die Titel der Arbeiten zwar in der Originalsprache, nert worden ist, siehe []. Mit finanzieller Unterstützung die Referate eschienen aber immer auf Deutsch. Das ZfM der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurde  hingegen akzeptierte auch Referate in anderen Sprachen, das Projekt „Electronic Research Archive for Mathematics“ was die Sprachbarriere vor allem für die englischsprachigen (ERAM) gestartet, an dem die TU Berlin, die Staats- und Uni- Mathematiker aufhob. Auch hinsichtlich des Referenten- versitätsbibliothek (SUB) Göttingen und das FIZ Karlsruhe pools unterschieden sich JFM und Zentralblatt deutlich. beteiligt waren. Der Referentenpool des ZfM war internationaler und jünger Ziele des Projekts waren einerseits die Erfassung und als der des JFM. Aufarbeitung sämtlicher Daten aus dem gedruckten JFM Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der ur- in einer Datenbank, die Digitalisierung wichtiger mathe- sprüngliche Ansatz des Jahrbuchs im Jahr  an seine matischer Publikationen und Dokumente und die Vernet-

 zung zwischen JFM Daten und Volltexten. Inzwischen ent- hält das an der SUB Göttingen aufgebaute digitale Archiv (www.gdz-cms.de) eine Reihe der früheren Jahrgänge re- nommierter Zeitschriften wie etwa die Mathematische An- nalen, die Mathematische Zeitschrift oder die Commentarii Mathematici Helvetici, sowie Nachlässe bedeutender deut- scher Mathematiker. Alle bibliographischen Daten und Referate aus dem ge- druckten Jahrbuch wurden von Schreibbüros in Berlin, Prag und Sofia manuell erfasst und in der Redaktion des ZfM in einer Datenbank zusammengeführt. Als Format wurde TEX verwendet, was auch die Voraussetzung für mathematik- spezifische Retrievalfunktionalitäten ist, insbesondere bei der Formelsuche. Die digitale Erfassung der JFM-Daten ist inzwischen abgeschlossen. Diese Datenbank ist im Web [] unter der Herausgeberschaft der European Mathematical Society frei zugänglich. Außerdem wurden alle Daten in die Datenbank zbMATH [], die Online-Version des ZfM, eingefügt.  wurde das JFM Digitalisierungsprojekt mit dem Die Aufarbeitung der JFM-Daten, die auf der freiwilligen „ PAM Division Award“ von der Special Libraries Asso- Mitarbeit vieler Mathematiker beruhte, erwies sich als auf- ciation (Physics-Astronomy-Mathematics Division) „for its wändiger als gedacht und wird heute partiell (insbesondere significant contribution to the field of mathematics“ gewür- durch Hinzufügen der Links und Erstellung von Autor- digt. profilen) im Rahmen der Weiterentwicklung der Datenbank Die Aufarbeitung, Vervollständigung und Erweiterung zbMATH weitergeführt. der JFM-Daten war in vielerlei Hinsicht langwierig und Wir möchten uns bei allen Wissenschaftlern (zeitweise aufwändig und ist noch nicht vollständig beendet. haben bis zu  Wissenschaftler am Projekt mitgearbeitet) bedanken, die bei der Digitalisierung und Aufbereitung der Die JFM Einträge waren nicht entsprechend dem heu- JFM Daten mitgewirkt haben. ◦ te verwendeten Klassifikationsschema MSC klassifiziert, sondern nur in Kapitel sortiert, und enthielten keine Ver- schlagwortung. Im Projekt sollten die Enträge durch eine Epilog Klassifikation gemäß der heute verwendeten MSC und Schlagwörter (in Englisch) ergänzt werden. Mit dem JFM ist  ein erstes Instrument für mathemati- Der Einfluss wichtiger Publikationen auf die moderne sches Wissensmanagement entstanden, das die damaligen ◦ Mathematik sollte durch eine Neubewertung der Arbei- Möglichkeiten des Printmediums ausschöpfte. Das JFM ent- ten erweitert werden. stand aus dem Enthusiasmus einiger Mathematiker, die die Die Autorennamen im JFM beschränkten sich meistens Notwendigkeit und den Nutzen eines solchen Dienstes für ◦ auf die Nachnamen, Transliterationen der Autorennamen die mathematische Community sahen. Die Akzeptanz des erfolgten nach unterschiedlichen Regeln. Diese Angaben JFM und dessen Nützlichkeit hat sich nicht zuletzt in dessen sollten so weit wie möglich vervollständigt und verein- Erscheinen bis zum Ende des zweiten Weltkriegs erwiesen. heitlicht werden. Mit der Digitalisierung des JFM stehen nun weltweit al- Die Quellenangaben, insbesondere die Zeitschriftentitel, len Nutzern dessen Daten im Internet zur Verfügung. Die ◦ entsprechen nicht den heutigen Standards und wechsel- mathematische Literatur stellt bis heute den Kern des ma- ten im Laufe der Zeit. Die Quellenangaben sollten stan- thematischen Wissens dar und ist im wesentlichen heute dardisiert werden. digital verfügbar, weltweit verteilt auf viele Provider. Die Die JFM-Referate waren überwiegend in deutscher Spra- Datenbank zbMATH ist dabei ein effizientes Zugangswerk- ◦ che, während die Titel in der originalen Sprache und zeug zur mathematischen Literatur. Mit der Integration der Schreibweise angegeben waren. Hier sollte eine Überset- JFM-Daten in zbMATH steht der mathematischen Commu- zung der Titel ins Englische erfolgen. nity ein einzigartiges Werkzeug zur Verfügung, die Entwick- Eine Schwierigkeit für das Einfügen der JFM-Daten in lung der Mathematik seit der Mitte der . Jahrhunderts bis ◦ eine gemeinsame Datenbank ergab sich aus der unter- heute zu verfolgen. schiedlichen Struktur der JFM- und ZfM-Daten, so dass Heute steht das Referatewesen vor neuen grundlegen- eine Transformation der Datenstruktur erforderlich war. den Herausforderungen und Änderungen. Im Internet wer- Die Literaturreferenzen im JFM sollten in Hypertext- den neue Forschungsergebnisse vorab als Preprints oder, ◦ Links überführt und ergänzt werden. Das umfasst zwei in begutachteter Form, in von Verlagen und Gesellschaften Arten von Links: Interne Links (von JFM-Einträgen herausgegegeben Journalen bereitgestellt. Die großen In- auf andere JFM-Einträge) und externe Links (von JFM- ternetsuchmaschinen wie Google machen mathematische Einträgen auf die digitalisierten Volltexte). Publikationen weltweit zeitnah auffindbar, aber es mangelt

 an Vollständigkeit. Auch die sachliche Erschließung und Ausgewählte Artikel über das Jahrbuch Standardisierung der Daten lässt bei Google zu wünschen übrig. Vor allem in Anwendungsbereichen ist die Anzahl [] Audin, Michèle: La guerre des recensions. Autour d’une note mathematischer Publikationen weiter stark im Wachsen. d’André Weil (.) Math. Semesterber. , No. , p. – ()(Zbl.) Darüber hinaus haben sich vielfältige Informationsdienste [] Hans Aldebert; Heinz Bauer; Jean Boclé: Christian Pauc – a für die Mathematik etabliert, die Daten über mathematische French mathematician as a pioneer of German-French friendship. Objekte wie etwa Gruppen, spezielle Polynome und Ideale (Christian Pauc – ein französischer Mathematiker als Wegbereiter oder Zahlenfolgen bereitstellen. Mathematische Software der deutsch-französischen Freundschaft.) Mitt. Dtsch. Math.-Ver. schließlich ist zu einer neuen eigenständigen Säule des ma- , No. , p. – ()(Zbl.) thematischen Wissens und seiner Anwendungen geworden. [] Heinrich Begehr et al.: Mathematik in Berlin. Band , Band . Aachen: Shaker Verlag,  p. ()(Zbl., Zbl. Bei der aktuellen Informationsflut, auch bei mathema- ) tischen Publikationen, sind eine systematische Erfassung, [] Leo Corry: From Algebra () to Modern Algebra (): chan- eine tiefere inhaltliche Erschließung, die über die biblio- ging conceptions of a discipline – a guided tour using the Jahr- graphischen Daten hinausgeht und bis zur Formelanalyse buch über die Fortschritte der Mathematik. p. – () reicht, und die (semantische) Vernetzung mit relevanten (Zbl.) Informationen, seien es Publikationen, Software, mathema- [] Gabriele Dörflinger: Felix Müller; das Jahrbuch über die Fort- schritte der Mathematik. Heidelberger Texte zur Mathematikge- tische Modelle oder andere Forschungsdaten, neue Heraus- schichte. () forderungen für Datenbanken für mathematische Doku- [] Christophe Eckes: Organiser le recrutement de recenseurs mentationsdienste. français pour le Zentralblatt à l’automne : les premiers li- ens entre Harald Geppert, Helmut Hasse et Gaston Julia sous l’occupation.. Revue d’Histoire des Mathématiques Rev. Hist. Math. , No. , p. – ()(Zbl) [] Hans Becker, Bernd Wegner: ERAM - Digitisation of Classical Mathematical Publications. in Research and Advanced Technolgy for Digital Libraries, th Conference ECDL , p. –. [] Silke Göbel, Bernd Wegner: Das Zentralblatt als Zugang zur ma- thematischen Literatur von  bis heute. Mitt. Dtsch. Math.- Verzeichnis der Quellen Ver.  (), p. – ()(Zbl.) [] Silke Göbel: Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik and Zentralblatt MATH – Reporting on more than  years Arbeiten der Herausgeber des JFM of mathematics. Eur. Math. Soc. Newsl. , p. – () (Zbl.) [] Helmut Grunsky: Collected papers. Edited by Oliver Roth and [] Silke Göbel:  years of Zentralblatt für Mathematik. Glimp- Stephan Ruscheweyh. With an introduction by Christian Pom- ses into the history of Zentralblatt für Mathematik. (-jähriges merenke and a contribution by Reinhard Siegmund-Schultze. Jubiläum des Zentralblatt für Mathematik. Einblicke in die Ge- Lemgo: Heldermann Verlag,  p. ()(Zbl.) schichte des Zentralblattes.) Mitt. Dtsch. Math.-Ver. , No. , [] Arthur Korn: Emil Lampe: Jahrbuch über die Fortschritte der – ()(Zbl.) Mathematik. Band . Berlin: G. Reimer, p. I–VII (/) [] Eugen Jahnke: Nachruf auf Emil Lampe. Arch. der Math. u. Phys. [] Emil Lampe: Dr. Max Henoch: Jahrbuch über die Fortschritte der ()  (–), p. – ()(JFM ..) Mathematik. Band . Berlin: G. Reimer. p. – () [] Walter Ledermann, Peter M. Neumann: The life of Issai Schur [] Emil Lampe: Ueber die Herstellung eines allgemeinen biblio- through letters and other documents, in Joseph, Anthony et al., graphischen Repertoriums. Deutsche Math. Ver. , p. – Studies in memory of Issai Schur, p. xlv–xc ()(Zbl. ()(JFM ..) ) [] Emil Lampe: Rückblick und Ausblick. Jahrbuch über die Fort- [] G. A. Miller: Some thoughts on modern mathematical research. schritte der Mathematik. Band . Berlin: G. Reimer. p. – Science , p. – ()(JFM ..) () [] G. A. Miller: Group theory reviews in the Jahrbuch über die [] Ernst Loew: Gedächtnisrede für Karl Ohrtmann. Jahresbe- Fortschritte der Mathematik, Bull. Am. Math. Soc. , – richt/Königliche Realschule zu Berlin. p. – (/) ()(JFM ..) [] Carl Ohrtmann, Felix Müller, Vorrede. Jahrbuch über die Fort- [] Eduardo L. Ortiz, Allan Pinkus, Herman Müntz: a mathe- schritte der Mathematik. Band . Berlin: G. Reimer. p. I–IV () matician’s odyssey. Math. Intell., , No., p. –,() [] Felix Müller: Das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. (Zbl.) –. Bibl. Math.  (), p. – ()(JFM ..) [] Maximilian Pinl: Feigl zum Gedächtnis. Jahresber. Dtsch. Math.- [] Felix Müller: Über die Bedeutung der Zeitschriften für die mathe- Ver., p. – ()(Zbl) matische Literatur und die mathematisch-historische Forschung. [] Reinhard Siegmund-Schultze: Mathematische Berichterstattung Berl. Math. Ges. Ber. , p. – ()(JFM ..) in Hitlerdeutschland – Der Niedergang des Jahrbuches über die [] Felix Müller: Zur Frage über die Abkürzungen der Titel ma- Fortschritte der Mathematik. Göttingen: Vandenhoeck & Ru- thematischer Zeitschriften. Bibl. Math.  (), p. – () precht. (),  p. (Zbl.) (JFM ..) [] Reinhard Siegmund-Schultze, The failed fusion of two mathema- [] Felix Müller: Zur Frage der Begründung einer mathemati- tical reviewing journals – – An episode from the history schen Zentralbibliothek. Bibl. Math. (), p. – () of Dutch–German mathematical relations. CWI Q., No. –, (JFM ..) p. –,  (Zbl.) [] Felix Müller: Gedenktagebuch für Mathematiker. Leipzig: G.B.G. [] Wolfram Sperber: Mathematical research data and information Teubner.  p. ()(JFM ..) services, in Greuel, Gert-Martin (ed.) et al., Mathematical softwa- [] Felix Müller: Versuch einer Gruppierung der neueren re – ICMS . th international conference, Berlin, , mathematisch-historischen Schriften (–). Zs. f. math. u. July –, . Proceedings. Cham: Springer. Lecture Notes in naturw. Unterr. , p. – ()(JFM ..) Computer Science , p. – ()(Zbl)

 [] Roland Wagner-Döbler, Jan Berg: Nineteenth-century mathema- Bildnachweise tics in the mirror of its literature: A quantitative approach. Hist. Math. , No. , p. – ()(Zbl.) S. : [Felix Müller] Felix Müller, Gedenktagebuch für Mathematiker. . Aufl., Teubner, Leipzig  Weitere Internetressourcen [Albert Wangerin] Virtuelles Museum des Instituts für Mathematik der Martin-Luther-Universtät Halle-Wittenberg zur Geschichte der Mathematik in Wittenberg und Halle, [] Bullettino di bibliografia e di storia delle scienze matematiche e disk.mathematik.uni-halle.de/history/wangerin fisiche, archive.org/stream/bullettinodibiblroma/ [Emil Lampe] Rudolf Dührkoop, Die Königliche Technische Hochschule bullettinodibiblroma_djvu.txt zu Berlin, Kamera-Bildnisse. Berlin  [] Bulletin des sciences mathématiques et astronomique, S. : www.numdam.org/journals/BSMA/ [Max Henoch] Foto: F. Jacobeit. Aus einem Album der Mathemati- [] Jahrbuch Datenbank, www.emis.de/MATH/JFM/ schen Gesellschaft Hamburg. Oberwolfach Photo Collection, [] planck.bbaw.de/onlinetexte/Max-Henoch-Stiftung_Statut.pdf g Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach [] planck.bbaw.de/onlinetexte/Nachweise_zum_Wirken_Max_ [Arthur Korn] Pressestelle der TU Berlin, Planck.pdf Kopie aus dem Bundesarchiv Koblenz [Leon Lichtenstein] Professorenkatalog der Universität Leipzig, [] planck.bbaw.de/planckiana/downloads/II-VII-_r.pdf www.mathematik.uni-leipzig.de/preprints/p..pdf, [] planck.bbaw.de/planckiana/downloads/II-VII-_v.pdf Wikimedia Commons, commons.wikimedia.org/wiki/File:Leon_ [] planck.bbaw.de/planckiana/downloads/II-VII-_.pdf Lichtenstein.png [] Répertoire bibliographique des sciences mathématiques, S.  fr.wikipedia.org/wiki/Répertoire_bibliographique_des_ [Georg Feigl] Stefan Fabel, Geschichte der Mathematik auf einer sciences_mathématiques CD-ROM, Facharbeit LK Mathematik, Miller Gymnasium / [] Revue semestrielle des publications mathématiques, sfabel.tripod.com/mathematik/images/Feigl.jpeg archive.org/details/revuesemestrielunkngoog/ [Hans Freudenthal] Foto: Gerd Fischer, . Oberwolfach Photo Collection, Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach [] WDML, www.mathunion.org/ceic/library/world-digital- mathematics-library-wdml S.  [Helmut Grunsky] Würzburger Ausstellungen zur Mathema-  [ ] zbMATH, www.zbmath.org tik und ihrer Geschichte, Ausstellung zum . Geburtstag von Prof. Dr. Helmut Grunsky . . –. . , www.history.didaktik.mathematik.uni-wuerzburg.de/ausstell/ grunsky/Bild.html [Christian Pauc] H. Aldebert, H. Bauer und J. Boclé, Christian Pauc – Ein französischer Mathematiker als Wegbereiter der deutsch-französischen Freundschaft. Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung  (), S. – Doi ./dmvm-- [Hermann Ludwig Schmid] Berliner Mathematische Gesellschaft, Privatbesitz von P. Roquette S.  [Bernd Wegner] Mathematik im Blickpunkt. FIZ Karlsruhe,  [Keith Dennis] www.ams.org/images/Dennis.jpg

Dr. Silke Göbel Am Großen Wannsee a,  Berlin [email protected] Dr. Wolfram Sperber Doßstraße b,  Berlin [email protected] Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegner [email protected]

Silke Göbel war von  bis  Mitarbeiterin in der Redaktion des Zentralblattes zbMATH. Sie studierte an der FU Berlin Mathematik und an der Humboldt-Universität zu Berlin Information und Dokumentation. Ihre Doktorarbeit verfasste sie über Strukturen in reellen Banachräumen. Später erweiterte sie ihre Interessen auf die Geschichte der Mathematik und Informationswissenschaft. Sie war federführende Mitarbeiterin im Projekt Digitalisierung des Jahrbuches über die Fortschritte der Mathematik (Electronic Research Archive of Mathematics [ERAM]). Wolfram Sperber war nach dem Mathematik-Studium in Leipzig (–) wissenschaftlicher Mitarbeiter von – an der IH Cottbus (heute BTU Cottbus-Senftenberg);  Promotion zu Problemen der optimalen Steuerung an der Bergakademie Freiberg; – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karl-Weierstrass-Institut der Akademie der DDR (numerische Lösung partieller DGl.); ab  Arbeit in Projekten zur elektronischen Information und Kommunikation in der Mathematik, u. a. im Jahrbuch-Projekt und im Math-Net-Projekt am ZIB Berlin, der SUB Göttingen und der TU Berlin; – Fachredakteur und Projektarbeit beim FIZ Karlsruhe, Zentralblatt für Mathematik, u. a. im swMATH Projekt; seit  im Ruhestand. Bernd Wegner war ab  Professor für Mathematik an der TU Berlin. Chefredakteur beim Zentralblatt für Mathematik von  bis ; einige Zeit Chefredakteur von MathEduc; Leitung von verschiedenen Projekten der DFG und ausländischer Partner sowie von Projekten im EFP, ERAM, EMANI, RusDMl u. v. m.

 Die Transformation von zbMATH zu einer offenen Plattform für die Mathematik Klaus Hulek und Olaf Teschke

Mit Beginn des Jahres  wird die bisher kostenpflichtige Datenbank zbMATH in eine Open Access-Plattform übergeführt werden. Damit steht dieser Dienst weltweit allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung. Diese Änderung des Geschäftsmodells wird es in Zukunft ermöglichen, die meisten Daten von zbMATH für Zwecke der Forschung und der Verknüpfung mit anderen nicht-kommerziellen Diensten unter den Bedingungen einer CC-BY-SA Lizenz frei zu nutzen. Im Folgenden beschreiben wir die Herausforderungen und die Vision, die sich für die Überführung von zbMATH in eine offene Plattform ergeben.

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Mathematik von eingeschränkt. Einer Empfehlung der Evaluierung von FIZ Beginn an Triebkraft und Nutznießer der Digitalisierung Karlsruhe  folgend, hat die Gemeinsame Wissenschafts- gewesen. Computer haben früh Einzug in mathematische konferenz des Bundes und der Länder  entschieden, Institute gehalten und dort Berechnungen und Resultate die Transformation von zbMATH zu einer Open-Access- ermöglicht, die zuvor unerreichbar waren. Die mathema- Plattform zu unterstützen. Die Herausgeber von zbMATH tische Forschungsliteratur gehörte zu den ersten Korpo- – das FIZ Karlsruhe, die European Mathematical Society ra, die elektronisch verfügbar gemacht wurden – sowohl und die Heidelberger Akademie der Wissenschaften – ha- durch neue elektronische Journale als auch umfangreiche ben dies begrüßt und verankern dieses Modell gegenwärtig Retrodigitalisierungsanstrengungen. Review-Datenbanken in einem neuen Herausgebervertrag. Damit wird die Daten- ermöglichen seit langem einen Überblick über den Stand bank zbMATH ab  frei zugänglich sein; darüber hinaus der Forschung, und umfangreiche Sammlungen mathema- sollen über offene Schnittstellen Daten zugänglich gemacht tischer Objekte wie Zahlenfolgen oder spezielle Funktionen werden. Durch die dadurch ermöglichte Vernetzung von sind seit mehr als zwanzig Jahren elektronisch verfügbar. Informationen soll die mathematische Community unter- Plattformen werden zum kollaborativen Arbeiten und zur stützt werden. Wir wollen hier die nächsten Schritte und schnellen Verbreitung und Diskussion von Ergebnissen weit- mögliche langfristige Perspektiven skizzieren. hin genutzt. Gleichzeitig ist die Mathematik wie kaum eine andere Wissenschaft auf Verlässlichkeit und Vollständigkeit ihres Status quo und Bedarf Wissenskorpus’ angewiesen. Die gegenseitige Abhängigkeit mathematischer Konzepte und Sätze führt dazu, dass Fehler Mathematische Information ist traditionell in erster Linie im Wissensbestand sich dramatisch fortpflanzen könnten. in Publikationen abgelegt. Darüber hinaus sind heute aber Regelmäßig sind auch zeitlich weit zurückliegende Resulta- mathematische Daten auch in Form von mathematischer te von hoher Relevanz; die Halbwertszeit mathematischen Software und Forschungsdaten, Community-Plattformen, Wissens ist erheblich und liegt deutlich über der der meis- nicht-textuellen Materialien oder Bildungsinhalten in viel- ten anderen Fachgebiete [,,]. Die wachsende Quantität, fältiger Form verfügbar. Sie zeichnen sich durch einen ho- aber vor allem auch Diversität der Ergebnisse bedeutet eine hen Formalisierungsgrad und Langlebigkeit aus, wobei die große Herausforderung für die Sicherung dieser Standards. Verknüpfung der Informationen eine hohe Qualität der Er- Darüber hinaus ist klar, dass eine enge Verknüpfung der schließung erfordert, nicht zuletzt bedingt durch die ma- verschiedenen digitalen Ressourcen von hohem Wert für die thematischen Formeln. Noch immer sind Publikationen das mathematische Forschung ist – sie würde sowohl ein deut- wichtigste Medium zum Austausch und zur Sicherung wis- lich effizienteres Arbeiten ermöglichen als auch die Chancen senschaftlicher Ergebnisse. Mit zbMATH und MathSciNet für völlig neue Erkenntnisse eröffnen. Viele wertvolle Res- gibt es zwei unabhängige, hochwertige Nachweissysteme sourcen sind historisch jedoch monolithisch gewachsen und und damit exzellente Zugriffsmöglichkeiten auf die publi- durch ihr Geschäftsmodell eher abgeschlossen angelegt, so zierte Literatur. Ein wachsender Anteil der mathematischen dass viele wünschenswerte Querverbindungen noch nicht Publikationen steht heute über das arXiv und die Euro- existieren und schwierig zu realisieren sind. pean Digital Mathematics Library EuDML Open Access zbMATH (früher Zentralblatt für Mathematik) stellt zur Verfügung. seit langer Zeit einen umfangreichen Service mit Informa- Die klassischen Publikationen werden durch eine stei- tionen über mathematische Publikationen, Autoren, Publi- gende Menge an Forschungsdaten ergänzt, die allerdings kationen, Referenzen und Software dar. Die Nachnutzbar- bisher noch weitgehend isoliert zur Verfügung stehen und keit dieser Daten für vernetzte Dienste oder zu Forschungs- kaum erschlossen sind. Dennoch werden sie von vielen Ma- zwecken war jedoch durch das Lizenzmodell bisher stark thematikerinnen und Mathematikern erzeugt und genutzt.

 DOI ./dmvm-- Beispiele sind die Zahlenfolgen in der On-Line Encyclope- Was behindert derzeit die Verwirklichung? dia of Integer Sequences, Funktionen in der NIST Digital Library of Mathematical Functions, die Calabi–Yau Daten Entsprechend stellt sich als wichtige Zukunftsaufgabe, die- oder die L-Functions and Modular Forms Database. Das se beschriebenen Ressourcen miteinander zu verbinden, Gebiet der mathematischen Modellierung und Simulation inhaltlich zu erschließen und eine kohärente, umfassende, benötigt und erzeugt Terabytes von Daten aus numerischen offene und nachhaltige Plattform aufzubauen. Diese Platt- Berechnungen. form muss Informationen verschiedenster Niveaus bein- Community-Plattformen spielen für die Generierung halten um einen umfassenden Wissenstransfer zu gewähr- und den Austausch von Informationen eine zunehmend leisten. Durch einen standardisierten Nachweis von For- wichtige Rolle. Ein exzellentes Beispiel ist das Diskussions- schungsdaten wird deren Reproduzierbarkeit erhöht, was forum MathOverflow. Besonders für den wissenschaftli- der Qualitätssicherung von Publikationen dient. Zudem chen Nachwuchs ist dies eine nicht zu unterschätzende In- wird eine systematische Zitierbarkeit von Forschungsdaten formationsquelle. Ein weiteres Beispiel sind die PolyMath- ermöglicht, dies wiederum sichert die Anerkennung der Projekte, in denen mathematische Fragestellungen in kol- darin enthaltenen Forschungsleistung. Es ist zudem essen- laborativer Form erforscht werden. Wikipedia oder Ima- ziell, hochgradig formalisierte mathematische Inhalte wie ginary erreichen ein breites Publikum jenseits der Fach- Formeln zu erschließen. Auch wenn diese Entwicklungen wissenschaft und tragen essentiell zur Verbreitung mathe- noch ganz am Anfang stehen, lassen sie das große Potenti- matischen Wissens, der Popularisierung von Mathematik al moderner Informationstechnologie für die Mathematik und wissenschaftlicher Bildung bei. erkennen. Gerade die letzten beiden Beispiele illustrieren eben- Solch ein freier Zugriff auf miteinander vernetzte und falls gut die Stärke von offenen Plattformen – kollaborativ annotierte Ressourcen wird in Zukunft die unverzichtbare können Informationen verschiedenster Natur und Schwie- Basis mathematischer Forschung sein. Dadurch erhalten Ma- rigkeit integriert, miteinander verknüpft, und der breiten thematikerinnen und Mathematiker Hilfe bei der Suche und Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Überhaupt hat Bewertung dieser Informationen, Zusammenhänge werden sich die mathematische Community von Beginn an für offe- verdeutlicht und können analysiert werden. Wesentliche nen Zugang zum Wissen engagiert, etwa durch eine umfang- Voraussetzung bleibt dabei die hohe Qualität aller verfügba- reiche Nutzung des arXiv, die frühzeitige Gründung von ren Informationen. Ein großer Teil der oben beschriebenen offenen Zeitschriften oder Initiativen wie TheCostofKnow- vorhandenen Informationen steht aktuell jedoch nicht frei ledge. Nach wie vor hat der offene Zugang zu mathema- zur Verfügung oder ist nicht oder nur gering erschlossen. tischem Wissen einen sehr hohen Stellenwert in der Com- Dadurch sind Informationen teilweise nicht auffindbar oder munity, wie die Umfrage [] zeigt – als wichtiger wird nur gehen auf Grund der fehlenden Vernetzung verloren. (und zwar mit deutlichem Abstand) die Qualitätssicherung Funktionen und Inhalte einer offenen Plattform müssen angesehen. Hier spielen auch die Erfahrungen aus dem Wan- weit über die derzeitigen Möglichkeiten abgeschlossener del der Publikationslandschaft eine Rolle, wie etwa Quali- Systeme wie zbMATH, MathSciNet, Google Scholar, Re- tätsprobleme durch kommerzielle Fehlanreize; vor allem searchgate oder WolframAlpha hinausgehen. Aktuell aber kommt hier der überragende Stellenwert gesicherter ist ein großer Teil der oben beschriebenen vorhandenen Resultate für darauf aufbauende mathematische Forschung Informationen weder frei verfügbar noch ausreichend er- zum Ausdruck. schlossen und dadurch teilweise nicht auffindbar, viele In- Zur Erfüllung dieser Bedürfnisse wird in Zukunft ein formationen gehen auf Grund der fehlenden Vernetzung möglichst umfangreicher und freier Zugriff auf die un- verloren. Durch die Verlinkung wird das vorhandene Wis- terschiedlichen, qualitätsgesicherten, verknüpften und er- sen gebündelt. Jeder einzelne Informationsservice liefert schlossenen Ressourcen unabdingbare Grundlage mathema- einzelne Bausteine an Informationen, die, korrekt analysiert, tischer Forschung sein. Eine umfassende Vision einer sol- zusammengeführt zu neuen Erkenntnissen führen werden. chen Infrastruktur wurde von der International Mathemati- Die Abbildung auf der folgenden Seite zeigt eine Auswahl cal Union (IMU) als Global Digital Mathematics Library [] möglicher unterschiedlicher Informationsquellen auf, die formuliert. Ein solcher Service würde Mathematikerinnen jeweils innerhalb der einzelnen Segmente und zusätzlich und Mathematiker bei der Suche, Einordnung und Bewer- untereinander vernetzt werden müssen. tung dieser Informationen unterstützen und ermöglichen, Diese Verknüpfungen sind nur der Anfang: durch of- Zusammenhänge zu erkennen und zu analysieren. Dabei fene Schnittstellen erhält die Community die Möglichkeit, muss auch die besondere Natur mathematischer Informa- vorhandene Daten für ihre eigene Forschung zu nutzen tion berücksichtigt werden: die Mathematik hat in Form und anschließend Forschungsergebnisse wieder auffindbar von mathematischen Formeln ihre eigene Sprache entwi- einzubringen. Dies können neben Publikationen oder For- ckelt, die in sehr kompakter Form eine hohe Präzision der schungsdaten auch Tools zur Nutzung oder Analyse der Aussage sichert. Häufig findet man die Informationen, die Daten sein. Damit leistet die Community selbst innovative in Formeln enthalten sind, in keiner anderen Form. Dies Beiträge für die Entwicklung eines umfassenden mathema- gilt für alle mathematikrelevanten Daten, in besonderem tischen Forschungssystems. Alle bisherige Erfahrung zeigt, Maß jedoch für Forschungsdaten, die wesentlich formel- dass durch eine solche Öffnung erhebliche und jetzt oft basiert sind und somit eine Formelsuche zur Erschließung noch unvorhersagbare Innovationspotentiale erschlossen benötigen. werden.

 Vernetzung mathematischer Informationen arXiv Referenzen eLibM NumDam Videos Evaluierungs- plattformen

Wissen- Bilder Bücher schafts- Publi- evalu- Artikel kationen ierung Orcid Institutionen

Rankings Lehrmaterialien MGP Wiki- Personen data Math Math.Modelle Overflow GND Research- Pers. Home- Formeln

gate page Community Forschungs- Plattformen daten Mathematik Formalisierte MathSciDoc Math. Software PolyMath Repositorien Verlage Bibliotheken

Vernetzung mathematischer Informationen

Der Entwicklung eines solchen Netzwerks standen bis- langfristige Wartung dieser Projekte. Eine Schlüsselaufgabe her verschiedene Hindernisse im Weg. Zum einen stehen his- wird es sein, wichtige Projektergebnisse unter Einbeziehung torisch gewachsene Geschäftsmodelle (die früher oft auch der zbMATH-Daten zu identifizieren, sie möglichst in das nötig waren, um die Ressourcen für die Qualitätsicherung zbMATH Open-Netzwerk zu integrieren und nachhaltig und Verbreitung wissenschaftlicher Information bereitzu- verfügbar zu machen. stellen) im Widerspruch zu offenen Lösungen. Weiterhin Publikationen sind nach wie vor der entscheidende Kern sind eine Reihe von Techniken, die für die automatisierte der mathematischen Forschung. In den letzten Jahrzehnten Verknüpfung, Indexierung und das Wissensmanagement in ist ein wachsender Anteil offen zugänglich geworden (sie- der digitalen Mathematik wünschenswert sind, noch nicht he [] für einen qualitativen und quantitativen Überblick). ausgereift oder in der idealen wünschbaren Mächtigkeit Viele Entwicklungen beschleunigen dies: der wachsende vorhanden (vom Formel-OCR bis zu automatisierten Verifi- Anteil der arXiv-Preprints [], die Einrichtung von moving kationstools). walls, offene Retrodigitalisierungsprojekte, transformative Viele Bereiche eines solchen vernetzten, kollaborativen Verlagsverträge und Initiativen wie Plan S. Das technische Systems werden ein umfangreiches Engagement erfordern, Niveau (wie auch die verwendete Lizenz) der Ergebnisse ähnlich dem, welches die Community seit Jahrzehnten für ist jedoch sehr unterschiedlich und reicht von einfachen das aufwändige Peer Review Verfahren von Artikeln leistet. Scans bis hin zu verfügbaren LATEX-Quellen, die bereits eine Das Engagement von Individuen oder Gruppen ist sicher Volltext-Formelsuche ermöglichen []. Die Integration die- die knappste und wertvollste Ressource. Es wird nur dann ser verschiedenen Ressourcen mit Hilfe offener zbMATH- aktiviert und eingebracht werden, wenn damit offensichtli- Daten wird die derzeitige Situation erheblich verbessern che Vorteile für die Forschung verbunden sind. und einen Rahmen schaffen, der volltextbezogene Dienste für die Indexierung und Suche verfügbar macht. Wie in [] dargelegt, werden mathematische Forschungs- Was sind die nächsten Schritte für zbMATH Open? daten zu einem Thema von extrem wachsender Bedeutung werden. Diese Daten sind jedoch von Natur aus sehr vielfäl- Dank der Unterstützung des Bundes und der Länder wird tig, und es ist eine große Herausforderung, sie gemäß den zbMATH ab  seine Dienste Open Access anbieten kön- FAIR-Prinzipien (Findability, Accessibility, Interoperability, nen und damit die bisherigen Einschränkungen aufgrund Reusability) nachhaltig verfügbar zu machen. Auch hier seines traditionellen Geschäftsmodells überwinden. Die wird ihre Integration in ein vernetztes System mit offenen meisten Daten werden über eine CC-BY-SA-Lizenz offen Publikationsdaten einen großen Schritt nach vorn bedeuten. zugänglich sein (mit Ausnahme von Inhalten Dritter wie Auffindbarkeit und Sichtbarkeit werden dadurch verbes- die Abstracts der Autoren, die mit einer anderen Lizenz sert und Mechanismen zur Qualitätssicherung ermöglicht. verbunden sind). Vor einigen Jahren hat zbMATH einen solcher Ansatz für Diese offenen Daten werden für die Forschung und Ent- mathematische Software begonnen und daraus den freien wicklung frei verfügbar sein. Es gibt bereits viele Projek- Dienst swMATH entwickelt. Ein vergleichbarer Dienst für te (z.B. für die Geschichte der Mathematik), die zbMATH- die Gesamtheit der mathematischen Forschungsdaten ist Daten verwenden. Solche Projekte und daraus resultierende eine Aufgabe, die weit über den zbMATH Open-Rahmen Dienste werden durch offene Daten wesentlich erleichtert. hinausgeht. Daher werden wir zunächst bereits technisch Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung von zbMATH- reife Ressourcen in zbMATH einbinden und diese Ergebnis- Daten im ISC-Projekt „Gender Gap In Science“, das von se für weitere vernetzte Aktivitäten verfügbar machen, wie der IMU koordiniert wird. Ein Teil der Projektergebnisse ist sie im derzeit gebildeten MaRDI-Konsortium (Mathemati- die Visualisierungsplattform Gender Publication Gap. Die cal Research Data Initiative) im Rahmen der nationalen nachhaltige Verfügbarkeit solcher Ergebnisse erfordert eine Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) vorgesehen sind.

 Wie im Fall der mathematischen Software wird das En- . www.wikipedia.org gagement zur Erstellung, Entwicklung und Pflege von For- . imaginary.org schungsdatensammlungen oft nicht ausreichend gewürdigt. . thecostofknowledge.com . scholar.google.de Eine vernetzte Plattform würde ihren Urhebern zudem sehr . www.researchgate.net helfen, Anerkennung für Beiträge zu erhalten, die nicht di- . www.wolframalpha.com rekt mit Publikationen in Zusammenhang stehen. Wenn . gender-gap-in-science.org . gender-publication-gap.f.htw-berlin.de die breite Verwendung in einem vernetzten System sichtbar . www.scienceeurope.org/our-priorities/open-access wird, wird es für die Mathematikerinnen und Mathematiker . www.go-fair.org/fair-principles/ wie auch für ihre Institutionen viel einfacher sein, die ent- . swmath.org, siehe auch [, ] sprechende Anerkennung für ihre Bemühungen zu erlangen . wias-berlin.de/mardi/ . www.dfg.de/foerderung/programme/nfdi/ und hoffentlich ausreichende Mittel für Dienstleistungen zu erhalten, die gegenwärtig oft auf freiwilliger und daher Literatur nicht immer nachhaltiger Basis erbracht werden. Ebenso hat sich die Rolle von nicht-textuellem Material [] A. Bannister, O. Teschke, An update on time lag in mathematical wie Videos erheblich verändert – die mathematische Kom- references, preprint relevance, and subject specifics. Eur. Math. munikation unter den Bedingungen des Kontaktbeschrän- Soc. Newsl. , – (). kungen haben dies besonders deutlich gemacht. Auch wenn [] A. Bannister, K. Hulek, O. Teschke, Das Zitationsverhalten in die Bedrohung durch SARS-COV- zurückgegangen sein mathematischen Arbeiten. Einige Anmerkungen. Mitt. Dtsch. Math.-Ver. , No. , – (). wird, werden die Erfahrungen der letzten Monate sehr wahr- [] S. Bönisch, G.-M. Greuel, W. Sperber, The software informati- scheinlich einen nachhaltigen Einfluss haben. Es erscheint on service swMATH – Release of the first online prototype. Eur. unwahrscheinlich (und auch nicht wünschenswert, da etwa Math. Soc. Newsl. , – (). die viel größere Bedrohung durch die globale Erwärmung [] T. Bouche, O. Teschke, K. Wojciechowski, Time lag in mathema- nach wie vor besteht), schnell wieder zum alten, dicht ge- tical references. Eur. Math. Soc. Newsl. , – (). drängten Konferenzkalender zurückzukehren. Stattdessen [] H. Chrapary, W. Dalitz, W. Neun, W. Sperber, Design, concepts, werden wir sicher die digitale Kommunikation in der Mathe- and state of the art of the swMATH service. Math. Comput. Sci. , No. –, – (). matik weit stärker nutzen. Die so geschaffenen Ressourcen [] K. Hulek et al., Mathematical research data – an analysis through erfordern jedoch die gleiche Integration, Vernetzung, nach- zbMATH references. Eur. Math. Soc. Newsl. , – (). haltige Bewahrung und Indexierung wie Forschungsdaten. [] NAS Committee on Planning a Global Library of the Mathe- Eine ähnliche Arbeit muss für die enorme Menge an matical Sciences. Developing a st Century Global Library for mathematischem Wissen geleistet werden, das von den Mathematics Research (). bereits erwähnten digitalen mathematischen Communi- [] G.-M. Greuel, A. Matt, A. Mey, IMAGINARY – Mathematics com- munication for the st century. Eur. Math. Soc. Newsl. , – ties zusammengetragen wird. Zwar wurden bereits erste (). Schritte unternommen, z. B. die Verknüpfung von Wikidata- [] K. Hulek, F. Müller, M. Schubotz, O. Teschke, Mathematical rese- Informationen in zbMATH-Autorenprofilen mit dem Vorteil arch data – An analysis through zbMATH references. Eur. Math. der Erstellung von Zeitleisten oder die Verknüpfung von Soc. Newsl. , – (). Publikationen mit MathOverflow-Diskussionen [], doch [] F. Müller, M. Schubotz, O. Teschke, References to research li- terature in QA forums – A case study of zbMATH links from wird noch viel mehr möglich sein, wenn die Kreativität MathOverflow. Eur. Math. Soc. Newsl. , – (). der Mathematikerinnen und Mathematiker mit geeigneten [] F. Müller, O. Teschke, Full text formula search in zbMATH. Eur. Werkzeugen unterstützt wird. Es liegt an uns allen, die da- Math. Soc. Newsl. ,  (). für nötigen Werkzeuge zu definieren, um die offenen Daten [] F. Müller, O. Teschke, Will all mathematics be on the arXiv zu nutzen und einzubinden – Ihre Vorschläge und Ihr Feed- (soon)? Eur. Math. Soc. Newsl. , – (). back an [email protected] sind willkommen! [] C. Neylon, D. M. Roberts, M. C. Wilson, Mark, Results of a world- wide survey of mathematicians on journal reform. Eur. Math. Soc. Newsl. , – (). Anmerkungen [] D. H. J. Polymath et al., The “Bounded gaps between primes” Po- . zbmath.org lymath project – A retrospective analysis. Eur. Math. Soc. Newsl. . mathscinet.ams.org , – (). . arxiv.org . eudml.org [] O. Teschke, Green, gold, platinum, nickel: On the status of open . OEIS, www.oeis.org access in mathematics. Eur. Math. Soc. Newsl. , – (). . DLMF, dlmf.nist.gov . hep.itp.tuwien.ac.at/~kreuzer/CY/ Eine englische Version dieses Artikels ist zuerst im Newsletter of the . LMFDB, www.lmfdb.org European Mathematical Society , – (), erschienen. Die Mit- . mathoverflow.net teilungen danken für die Genehmigung zum Druck der deutschsprachi- . polymathprojects.org gen Fassung.

Prof. Dr. Klaus Hulek, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Institut für Algebraische Geometrie, Welfengarten ,  Hannover [email protected] Dr. Olaf Teschke, FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur, Abteilung Mathematik, Franklinstraße ,  Berlin olaf.teschke@fiz-karlsruhe.de

 Wahl von DMV-Präsidiumsmitgliedern ab  Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten

Der Präsident der DMV ruft alle DMV-Mitglieder auf, sich werden für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Da an der Wahl von Präsidiumsmitgliedern für die Amtszeit ab Frau Ilka Agricola, derzeitiges Präsidiumsmitglied, vom dem . .  zu beteiligen. Präsidium für die Amtszeit ab dem . .  zur DMV- Bei der Wahl sind zunächst drei Präsidiumsplätze, die Präsidentin gewählt wurde, wird ihre Position mit der mit Funktionen versehen sind (Schatzmeister/in, Heraus- dritten Kandidatin/dem dritten Kandidaten für die wei- geber/in der DMV-Mitteilungen – gleichzeitig Mitglieder teren Präsidiumsplätze besetzt, und zwar für die verblei- im Vorstand der DMV – und Herausgeber/in des Jahresbe- bende Amtszeit bis . . , vgl. die DMV-Wahlord- richts), sowie zwei weitere Präsidiumsplätze zu besetzen. nung §(e). Im Jahr  wird es erneut Präsidiumswahlen Für die Funktionsplätze gibt es jeweils eine Kandidatin bzw. für die zum . .  frei werdenden drei Präsidiumsplätze einen Kandidaten. Für die weiteren zwei Präsidiumsplätze geben. gibt es zwei Kandidatinnen und einen Kandidaten. Die Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich hier vor. Die Kandidat/innen für die Funktionsplätze sowie die Die Wahlzettel liegen diesem Heft bei. zwei weiteren Kandidat/innen mit den meisten Stimmen

Etienne Emmrich

Geboren  in Magde- ter Diskretisierungsverfahren mit Blick auf Anwendungen burg. Studium in Magde- bei komplexen Fluiden und in der Elastodynamik. Ein burg in der Fachrichtung weiterer Gegenstand meiner Forschung sind nichtlokale Lehrer für Mathematik Effekte. und Physik, Semester in Neben der Forschung liegt mir die Ausbildung und Chemnitz und Amster- Betreuung von Studierenden besonders am Herzen. An- dam, Abschluss  als deren Mathematik nahezubringen ist und bleibt für mich Diplom-Mathematiker mit eine Aufgabe mit stets neuen Herausforderungen. Die einer Arbeit zu analyti- Gestaltung von Übergängen (Schule–Hochschule, Schule– schen und numerischen Beruf, Hochschule–Beruf) angesichts zunehmender Hete- Aspekten hyperbolischer rogenität und die Berücksichtigung der Bedürfnisse, der Erhaltungsgleichungen. Schwächen und Stärken des einzelnen Studierenden im Ab Oktober  Wissen- Massenbetrieb sehe ich auch weiterhin als eine der größ- schaftlicher Mitarbeiter an ten Herausforderung in der Lehre. Dies zeigt sich auch in der TU Berlin und dort Promotion  über Zeitdiskreti- der Arbeit der gemeinsamen Kommission von DMV, GDM sierungsverfahren für das inkompressible Navier-Stokes- und MNU zum Übergang Schule–Hochschule, in der ich Problem bei Rolf D. Grigorieff (Berlin) und Lutz Tobiska seit einiger Zeit mitarbeite. (Magdeburg). Danach Wissenschaftlicher Assistent bei Mitglied der DMV bin ich seit , Schatzmeister Harry Yserentant (Berlin) und Habilitation . Von seit . In meine Zeit als Schatzmeister fallen unter Oktober  bis Januar  Professor für Mathematik, anderem eine Satzungsänderung, eine Beitragserhöhung insbesondere Numerik, an der Universität Bielefeld. Seit und Änderung der Beitragskategorien, die Umstellung Februar  Professor für Mathematik, Arbeitsrichtung der Finanzbuchhaltung, die Neubesetzung der Geschäfts- Differentialgleichungen, an der TU Berlin. Von  bis stelle und manch anderes. Derzeit arbeiten wir an der  Geschäftsführender Direktor des Instituts für Mathe- Umstellung der Mitgliedsverwaltung. matik und seit  Dekan der Fakultät II – Mathematik Um in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik Einfluss und Naturwissenschaften. zu nehmen und zu gestalten, braucht es eine starke Ver- In meiner Forschung beschäftige ich mich mit nicht- tretung der Mathematik in Deutschland. Dafür halte ich linearen Evolutionsgleichungen, die die mathematische es für erforderlich, mit anderen Fachgesellschaften eng Beschreibung zeitabhängiger Prozesse erlauben. Im Vor- zusammenzuarbeiten. Als Beauftragter der DMV für die dergrund stehen dabei sowohl der Nachweis der Existenz Kontakte zur GAMM engagiere ich mich deshalb beson- verallgemeinerter Lösungen als auch die Analysis geeigne- ders für die Zusammenarbeit zwischen GAMM und DMV.

 DOI ./dmvm-- Heike Faßbender

Geboren  in Lüden- Neben der Forschung liegt mir die Ausbildung und scheid. Studium der Ma- Betreuung von Studentinnen und Studenten besonders thematik mit Nebenfach am Herzen. Anderen (insbesondere auch Studierenden Wirtschaftswissenschaf- aus den Ingenieur- und Naturwissenschaften) Mathematik ten an der Universität Bie- nahezubringen ist und bleibt für mich eine Aufgabe mit lefeld,  Diplom mit stets neuen Herausforderungen. Neben der aktuell drän- Schwerpunkt im Bereich genden Frage, wie man dies digital gut umsetzen kann, Numerische Lineare Alge- beschäftigt mich schon seit langem die Frage nach der Ge- bra, anschließend Studium staltung des Übergangs Schule–Hochschule und wie die an der State University of Lehre im Massenbetrieb den immer weiter auseinander- New York at Buffalo, USA, driftenden Bedürfnissen der Stärken und Schwächen der  Master of Science mit Studierenden gerecht werden kann. Schwerpunkt Computer Seit vielen Jahren engagiere ich mich in diversen ma- Science. Von – an thematischen Fachorganisationen: u. a. bin ich seit  der Universität Bremen, dort  Promotion und  Mitglied im Council der European Mathematical Socie- Habilitation, beides im Bereich der Numerischen Linearen ty (EMS), – Präsidentin und – Vi- Algebra. Von – Professur an der TU München, zepräsidentin der Gesellschaft für Angewandte Mathe- seit  an der TU Braunschweig. matik und Mechanik (GAMM), seit  Schatzmeiste- – und seit  Institutsleitung, – rin des International Councils for Industrial and App- (Gründungs-)Dekanin der Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät, lied Mathematics (ICIAM), seit  Mitglied im Coun- – Vizepräsidentin für Lehre, Studium und Wei- cil der Society of Industrial and Applied Mathematics terbildung. Seit  Mitglied im Hochschulrat der Bergi- (SIAM). Daneben bin ich Mitorganisatorin zahlreicher schen Universität Wuppertal und im Akkreditierungsrat. wissenschaftlicher Tagungen, u. a. der DMV-GAMM- Seit  Mitglied des Scientific Council des Centre Euro- Jahrestagung  in Braunschweig (gemeinsam mit Vol- péen de Recherche et de Formation Avancée en Calcul ker Bach). Scientifique (CERFACS). Seit  nehme ich als Gast (in meiner Funktion als In meiner Forschung beschäftige ich mich mit Frage- (Vize-)Präsidentin der GAMM) an dem öffentlichen Teil stellungen aus dem Bereich der Numerischen Linearen der DMV-Präsidiumssitzung teil. Ich halte die Zusam- und Multilinearen Algebra, insbesondere mit (strukturier- menarbeit aller mathematischen Fachorganisationen in ten) linearen, polynomiellen und nichtlinearen Eigenwert- Deutschland für wichtig, um die jeweiligen Expertisen problemen und Matrixgleichungen, sowie Problemen aus zu bündeln und gemeinsam für eine (noch) bessere Sicht- dem Bereich der Modellreduktion. Zahlreiche der betrach- barkeit der Mathematik in der Öffentlichkeit und in der teten Fragestellungen haben ihren Ursprung in industriel- Politik einzutreten. Dafür würde ich mich gerne weiter len Anwendungen, aber auch fundamentale Probleme in einsetzen und kandidiere daher für einen der frei werden- der Matrixtheorie liegen in meinem Interessensspektrum. den Präsidiumsplätze.

Anke Pohl

Geboren  in Georgs- der Universität Göttingen.  Habilitation in Göttingen. marienhütte, aufgewach- – Professorin an der Universität Jena. Seit  sen in der Umgebung von Professorin an der Universität Bremen. Osnabrück. Studium der Mein Forschungsinteresse gilt dem mathematischen Mathematik mit den Ne- Quantenchaos, der harmonischen Analysis und Spektral- benfächern Informatik und theorie, den dynamischen Systemen und der Ergoden- Wirtschaftswissenschaften theorie sowie der Zahlentheorie. Insbesondere faszinieren an der TU Clausthal und mich die Wechselwirkungen zwischen diesen Gebieten, der Universität Bologna, die es uns erlauben, viele tiefliegende Ergebnisse zu er-  Abschluss mit Di- zielen wie z. B. mathematische Inkarnationen des Korres- plom. – wissen- pondenzprinzips zwischen klassischer Mechanik und schaftliche Mitarbeiterin Quantenmechanik. Ich bin (Mit-)Organisatorin zahlrei- an der Universität Pader- cher wissenschaftlicher Tagungen und Sommerschulen zu born,  Promotion im diesen Themen. Bereich der dynamischen Systeme und Ergodentheorie. Neben der Forschung ist mir auch die Lehre sehr wich- Danach wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck- tig. Hierbei ist es mir ein besonderes Anliegen, Studie- Institut für Mathematik in Bonn, an der ETH Zürich und renden nicht nur hochwertiges Fachwissen zu vermitteln,

 sondern ihnen auch zu ermöglichen, die Lebendigkeit und direkte Weise. Ebenso vielfältig gestalten sich daher die permanente Fortentwicklung der Mathematik zu erleben, Aufgaben der DMV als Interessenvertretung der Mathe- einen entdeckenden Zugang zur Mathematik zu entwi- matik und der Mathematiker*innen. Aus meiner Sicht ckeln und frühzeitig eigene Forschungserfahrungen zu sind dabei von besonderer Wichtigkeit: () die Stärkung sammeln. Zudem engagiere ich mich auf vielfältige Art des Bewusstseins der Gesellschaft für die Bedeutung und in der Nachwuchsförderung, z. B. durch Seminare und Schönheit der Mathematik, () die Interessenvertretung in Vortragsreihen für Schüler*innen und Studierende sowie der Bildungs- und Forschungspolitik und () die Vernet- als Vertrauensdozentin der Studienstiftung des deutschen zung mathematisch Interessierter. Ich möchte die DMV Volkes. gerne unterstützen, diese Aufgaben auch weiterhin erfolg- Mathematik hat eine große Bedeutung für alle Aspekte reich zu bewältigen und kandidiere daher für einen der unseres Lebens, manchmal auf eine verdeckte oder in- freiwerdenden Präsidiumsplätze.

Thomas Schick

Geboren  in Alzey, auf- sondere in ihren Wechselwirkungen mit der globalen gewachsen in Rheinhessen. Analysis und Operatoralgebren. Zudem interessiere ich Studium der Mathematik mich für die Anwendungen in der theoretischen Physik. und Physik in Mainz.  Über meine Forschung durfte ich als Sektionssprecher Diplom und Promotion auf dem ICM  in Seoul berichten. Seit  bin ich  bei Wolfgang Lück in ordentliches Mitglied der Göttinger Akademie der Wissen- Mainz.  bis  wis- schaften. senschaftlicher Assistent in Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses Münster, dort  Habili- liegt mir sehr am Herzen, insbesondere in der Betreuung tation. Seit  Professor zahlreicher Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten und für Geometrie in Göttin- Promotionen. Aktuell bin ich Sprecher des Graduierten- gen. Forschungsaufenthal- kollegs  „Fourieranalysis und Spektraltheorie“, vor- te und Gastprofessuren an her habe ich als Sprecher und stellvertretender Sprecher der Penn State University zweier anderer Graduiertenkollegs gewirkt. In der Lehre in State College, am MPI Bonn, ESI Wien, INI Cambridge, versuche ich, meine Begeisterung für die Mathematik auf Hausdorff Institut Bonn, in Marseille, Clermont-Ferrand, die Studis zu übertragen, dabei engagiere ich mich gerne Paris, Rom, Kopenhagen. auch im Service in der Grundausbildung der Physik. Mitorganisator zahlreicher wissenschaftlicher Tagun- Bereits seit  bin ich Mitglied der DMV und fungie- gen, darunter auch Sektionen der DMV-Jahrestagung. Mit- re seit vielen Jahren als lokaler Ansprechpartner in Göt- glied des wissenschaftlichen Beirats des Mathematischen tingen. Die DMV ist das wichtige Forum, in dem sich alle Forschungsinstituts Oberwolfach seit . Mitglied des mathematisch Interessierten begegnen und austauschen Fachkollegiums Mathematik der DFG –. Heraus- können sollen. Sie hat die Expertise und das Mandat, die geber der Mathematischen Annalen seit . Anliegen der Mathematik in Gesellschaft und Politik zu Der Schwerpunkt meiner Forschung liegt im Bereich vertreten. Hierfür bin bin gerne bereit, mich in Zukunft der geometrischen und algebraischen Topologie, insbe- im Präsidium der DMV für unser Fach einzusetzen.

Gudrun Thäter

Gudrun Thäter, geboren gy am ZMD. Hier erfuhr ich große Wertschätzung für die  in Weimar. Mathe- Beiträge der Mathematik und lernte jeden Tag von mei- matikstudium TU Dres- nen Kollegen, die Physiker und E-Techniker waren – eine den, Spezialisierung auf Erfahrung, die mich prägte. Numerische Analysis un-  kündigten wir unserer Regierung und wurden ter Christian Großmann. anschließend vom Wandel aller Lebensbereiche erfaßt. Diplom  mit Simula- Meine Familie verschlug es so  nach Paderborn, wo tionen von Ionenimplan- wir  Jahre lang blieben und unsere Kinder groß wer- tation für das Zentrum den sahen. Ab  arbeitete ich an der Uni Paderborn Mikroelektronik Dresden zu Strömungstheorie. Dort schloß ich  mit Herbert (ZMD). Geburten  Sohr meine Promotion zur Lq-Helmholtzzerlegung und und . – Ent- Regularität für den unendlichen Zylinder ab. – wicklungsingenieurin für war ich am Mathematischen Seminar der Landwirtschaft- Computer Aided Technolo- lichen Fakultät der Uni Bonn in die Ausbildung von Geo-

 däsie Studierenden eingebunden, bevor ich – ders greifbar ist die Arbeit als Brückenbauerin für mich ans Institut für Angewandte Mathematik der Uni Han- einerseits als Mitglied der Lattice Boltzmann Research nover wechselte. Dort war ich ab  Stipendiatin des Group zwischen Verfahrenstechnik und Mathematik und „Dorothea-von-Erxleben-Programmes“ und habilitierte andererseits im Graduiertenkolleg SiMET, das den Lebens-  zu „Natural Convection, Dissipation and Power-law zyklus von Akkumulatoren auf allen Skalen untersucht Rheology: Mathematical Models and Results“. – und simuliert. Gerade bauen wir für interdisziplinäre The- sammelte ich vielfältige Erfahrungen als Hochschuldo- men mit Mathematik am KIT einen besonderen Rahmen: zentin am Fachbereich Mathematik der Uni Dortmund. das KIT-Zentrum MathSEE (Mathematics in Sciences, Mit Aussicht auf eine Dauerstelle wechselte ich  als Engineering, and Economics), wo sich Mathematik und Akademische Mitarbeiterin mit besonderen Aufgaben forschende Anwender auf Augenhöhe begegnen und der an das Institut für Mathematik der Uni Heidelberg und wissenschaftliche Nachwuchs in den je unterschiedlichen zog mit meinem Mann nach Heidelberg. Anfang  Kulturen der Fächer hochwillkommen und geschätzt ist. ergriff ich die Möglichkeit, nach Karlsruhe an eine TU Um von der Vielfalt der Arbeit und der Menschen in zu wechseln und fand dort etwas später auch ein neues der Mathematik zu erzählen, schufen wir  den Pod- Zuhause für uns. Seitdem bin ich im Institut für ange- cast Modellansatz, in dem mein Kollege Sebastian Ritter- wandte und numerische Mathematik an der Schnittstelle busch und ich Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen von Modellbildung und Anwendungen der Mathematik führen. Als Nebenprodukt setzt sich in mittlerweile über tätig. Die Strömungstheorie bietet mir die Möglichkeit,  Folgen auch ein facettenreiches Bild der Rolle von mit sehr unterschiedlichen Kolleginnen und Kollegen Mathematik für uns und die Gesellschaft zusammen. Als in den Ingenieurfakultäten zusammen zu arbeiten und Herausgeberin der Mitteilungen werde ich dieses Mosaik durch d-Simulationen gibt es sogar Fragen, die wir im der Mathematik für uns als Mitglieder der DMV in den Zentrum für Medienkultur in Karlsruhe vorstellen. Beson- Mittelpunkt stellen.

Alexander Zimmermann

Geboren  und aufge- Algebren. Dabei geht es darum, abstrakte Gruppen bezie- wachsen bin ich in Stutt- hungsweise Algebren mittels Realisierungen als konkrete gart. Ich bin verheiratet Matrizengruppen beziehungsweise Matrizenalgebren und habe zwei erwachse- zu verstehen. Bei fester Gruppe beziehungsweise Alge- nen Kinder. Mein Studium bra untersuche ich nicht einzelne solcher Realisierungen, der Mathematik (Diplom) sondern eher die Gesamtheit all dieser Realisierungen in mit Nebenfach Physik in Form besonders strukturierter Kategorien. Die abstrakte Stuttgart schloss ich  Methode, die mich dabei besonders interessiert, entstand ab und wurde dort an- aus der algebraischen Geometrie und algebraischen Topo- schließend  mit einem logie, und entsprechend ergeben sich zahlreiche Beziehun- Thema zur ganzzahligen gen zu diesen und anderen Gebieten bis hin zu Aspekten Darstellungstheorie endli- der mathematischen Physik. cher Gruppen promoviert. Wir leben in einer spannenden Zeit. Unsere Wissen- Von  bis  war ich schaft entwickelt sich in rasender Geschwindigkeit, alte dort wissenschaftlicher teilweise seit Jahrhunderten offene Probleme werden ge- Mitarbeiter und erhielt ab November  bis September löst, und zahlreiche der neueren technologischen und  ein DFG Postdoktoranden-Stipendium. Von April gesellschaftlichen Entwicklungen entstehen aus sehr  bis September  war ich damit zu einem For- unterschiedlichen Disziplinen der Mathematik. Eini- schungsaufenthalt an der École Normale Supérieure in ge schöpfen ihre Methoden aus Bereichen der Mathe- Paris sowie an der Université Paris  Denis Didérot in der matik, die bis vor kurzem noch jeder technischen An- Arbeitsgruppe bei Michel Broué und Raphaël Rouquier, wendung fern lagen. So facettenreich wie die Mathema- wo ich in engem Kontakt mit Bernhard Keller stand. Im tik sollte auch das Themenspektrum des Jahresberichts September  wurde ich an die Université de Picardie sein. in Amiens/Frankreich zum Maître de Conférences beru- Herr Guido Schneider hat den Jahresbericht aus meiner fen. Die „Habilitation à Diriger des Recherches“ fand im Sicht sehr erfolgreich geleitet. Ich werde versuchen, den Dezember  statt. Im September  erhielt ich die Jahresbericht in dieser Richtung weiterzuentwickeln, und Berufung zum Professeur des Universités in Amiens. Es gemeinsam mit einem möglichst breiten Mitherausgeber- folgten dann  und  Beförderungen in die nun gremium fachlich variantenreich und verständlich über höchst mögliche Klasse Professeur Classe Exceptionnelle mathematische Entwicklungen zu berichten. Zudem fin- jeweils auf Entscheidung des nationalen Komitees CNU. den historische Artikel und die Buchbesprechungen ihren Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Arbeit ist wichtigen Platz. die Darstellungstheorie von Gruppen und assoziativen

 Einladung zur Mitgliederversammlung der DMV . September 

Im Auftrag des Präsidenten der Deutschen Mathematiker- Tagesordnung Vereinigung, Friedrich Götze, lade ich alle DMV-Mit- TOP : Genehmigung der Tagesordnung glieder herzlich ein, an unserer Mitgliederversammlung TOP : Bericht des Präsidenten während der Jahrestagung der DMV  teilzunehmen. TOP : Minkowski-Medaille Die Mitgliederversammlung findet dieses Mal online statt, TOP : Kassenbericht, Bericht der Kassenprüfer, und zwar am Mittwoch, dem . September , von Entlastung des Vorstands : bis : Uhr. TOP : Anstehende Jahrestagungen Anmeldung TOP : Verschiedenes Um an der Mitgliederversammlung teilzunehmen, schicken Sie bitte bis spätestens . September eine Ich freue mich darauf, Sie am . September zu begrüßen. Email an die Geschäftsstelle der DMV, dmv@wias- berlin.de, mit dem Betre „Anmeldung zur DMV- ff Daniel Grieser (Schriftführer der DMV) Mitgliederversammlung“ und dem Inhalt

Nachname, Vorname DMV-Mitgliedsnummer

Sie werden dann rechtzeitig vor der Sitzung die Einwahl- daten zugeschickt bekommen. Falls Sie keine ausreichen- de Internet-Verbindung haben, wird es möglich sein, dass Sie sich telefonisch einwählen.

Einladung zur Jahrestagung der DMV .–. September 

Die Fakultät für Mathematik der Technischen Universität ellen Tagungsgelände Vorträge in zwölf Sektionen und Chemnitz lädt Sie alle ganz herzlich zur Jahrestagung der  Minisymposien besuchen und sich in den Kaffeepausen DMV vom . . bis .  .  ein. Auch wenn diese im mit Kolleginnen und Kollegen verabreden. -ten Jahr des Bestehens der Deutschen Mathematiker- Den Abschluss bildet der öffentliche Vortrag von Vereinigung wegen der anhaltenden Pandemie nicht als Helmut Pottmann: „Mathematik Undercover: Design Präsenzveranstaltung durchgeführt werden kann, erwar- und Architektur“. ten Sie ein reichhaltiges mathematisches Programm und kulturelle und soziale Komponenten für virtuelle Treffen. Zur Eröffnung ist die Überreichung der neu geschaffe- Die Anmeldung ist bis zum Beginn der Veranstaltung nen Minkowski-Medaille an Moritz Kerz geplant. Neben möglich: www.tu-chemnitz.de/mathematik/dmv/ acht weiteren Plenarvorträgen können Sie auf dem virtu- registration.php.

 DOI ./dmvm-- INFORMATIONEN

Die Informationen in den folgenden Rubriken beruhen auf Meldungen der mathematischen Institute/Fachbereiche.

NEUE MITGLIEDER PROMOTIONEN Ibrahim Ahmad, Mönchengladbach Universität Bayreuth Philipp Bär, Aachen Steinecke, Annalisa: Begreifen der Integralrechnung: Konzeption Mike Bayer, Freigericht und empirsche Erprobung montessori-pädagogischer Lernmateria- Sebastian Fachet, Jena lien zur Förderung vielfältiger Grundvorstellungen. ... Max Ernst Hamscher, München Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. Moritz Kerz, Regensburg Fritsch, Kevin: Equivariant embeddings of strongly pseudoconvex Patrick Michael Leitloff, Walsrode CR manifolds. Loose, Marinescu, Heinzner ... Lea Sophie Meissner, Düsseldorf Wiemer, Friedrich: Security arguments and tool-based design of Hannes Nehls, Nordstrand block ciphers. Leander, May ... Dr. Markus Schmidtchen, Tettnang Libert, Andreas: Deformationsäquivalenz affiner normaler C*- Flächen. Flenner, Winkelmann ... Evi Schöne, Braunschweig Geisler, Sebastian: Bleiben oder Gehen? Eine empirische Untersu- Christopher Schwervan, Dortmund chung von Bedingungsfaktoren und Motiven für frühen Studienab- Prof. Dr. Anusch Taraz, Hamburg bruch und Fachwechsel in Mathematik. Törner, Dehling, Rolka Sebastian Vedder, Südlohn ... Simon Zoltan, Görgeteg Technische Universität Chemnitz Rebs, Christian: Asymptotic bounds and values for the norm of the Laplace operator and other partial differential operators on TODESFÄLLE spaces of polynomials. Böttcher, Kunis, Roch ... Herr Prof. em. Dr. Reinhard Mennicken (Mintraching- Technische Universität Dortmund Neuallkofen) ist am . .  verstorben. Artykov, Merdan: Limit theorems for random walks on non- Herr Prof. em. Dr. Klaus Böhmer (Marburg) ist am . .  compact Grassmann manifolds with growing dimensions. Voit, verstorben. Veselic ... [Korrigierte Meldung – in den Mitteilun- Herr Prof. em. Dr. Günter Köhler (Gerbrunn) ist am . .  gen - waren die Namen der Referenten versehentlich falsch verstorben. angegeben.] Herr Prof. em. Dr. Diethard Pallaschke (Troisdorf) ist am Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf . .  verstorben. Schell, André: Numerically trivial dualizing sheaves. Schroeer, Zibrowius ... Mueller, Christian: Multivariate generalized Ornstein– BERUFUNGEN/ERNENNUNGEN Uhlenbeck processes and connections to semiselfsimilarity pro- Dr. Milena Wrobel, Oldenburg, W-Juniorprofessur angenom- perties. Kern, Buecher ... men Hobus, Pascal Peter: The Stokes and Navier-Stokes-equations in Dr. Peter Ochs, Tübingen, W angenommen Triebel–Lizorkin–Lorentz Spaces and on uniform C,-domains. Saal, Farwig ...

Universität Duisburg-Essen HABILITATIONEN Eberle, Simon: On global solutions of the obstacle problem. Bauer, Sebastian (Duisburg): Asymptotic expansions in the Weiss, Shahgholian ... non-relativistic limit for electrodynamics and scalar gravitation. Geisen, Martina: Grund- und Förderschullehrpersonen im inklu- .. siven Mathematikunterricht. Scherer, Rolka ... Klimovsky, Anton (Duisburg): Stochastic models of inhomo- Holtmannspötter, Marita: Numerical analysis and optimal geneous complex systems: Emergence of multi-scale hierarchies. control of coupled parabolic PDE-ODE systems. Rösch, Meyer .. ...

DOI ./dmvm--  Kober, Bernhard: Stress-based finite element methods for va- Craib, Philip: Theorie und Numerik von Mehrskalenmethoden riational inequalities in concent mechanics. Starke, Krause für die rotierenden Flachwassergleichungen. Struckmeier, Klein ... ... Pieper, Daniel: Many-demes limit for interacting diffusions with Woike, Lukas Jannik: Higher categorical and operadic concepts applications in population genetics. Hutzenthaler, Wilke Beren- for orbifold constructions. A study at the interface of topology guer ... and representation theory. Schweigert, Virelizier, Scheimbauer Sapountzoglou, Niklas: Doubly nonlinear evolution equations. ... Wittbold, Emmrich ... Koppen, Vincent: Hopf-algebraic structures inspired by Kitaev models. Defects, comodule algebras and idempotents for non- Universität Hamburg semisimple Hopf algebras. Schweigert, Meusburger ... Saha, Arpan: Twists of quaternionic Kähler manifolds. Cortés, Conti ... Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg von Allwörden, Hannes: Stability of micro- and macroscopic traffic flow models on the transition from circular road to infinite Savarino, Fabrizio: Variational approaches for image labeling on lane. Gasser, Göttlich, Struckmeier ... the assignment manifold. Schnörr ...

DMV-Ansprechpartner/innen vor Ort Aachen: Gabriele Nebe Hildesheim: Jürgen Sander Augsburg: Bernhard Hanke Hohenheim: Georg Zimmermann Bamberg: Anna Susanne Steinweg Ilmenau: Carsten Trunk Bayreuth: Thomas Peternell Jena: Tobias Oertel-Jäger FU Berlin: Christian Haase Karlsruhe: Michael Plum HU Berlin: Jürg Kramer Kassel: Wolfram Koepf TU Berlin: Martin Skutella Konstanz: Oliver Schnürer WIAS Berlin: Wolfgang König Köln: Peter Littelmann FH Bielefeld: Claudia Cottin Landshut: Konstantin Ziegler U Bielefeld: Michael Röckner Leipzig: Hans-Bert Rademacher Bochum: Peter Eichelsbacher Lübeck: Jürgen Prestin Bonn: Daniel Huybrechts Lüneburg: Silke Ruwisch Braunschweig: Volker Bach Magdeburg: Volker Kaibel U Bremen: Anke Pohl Mainz: Martin Hanke-Bourgeois Chemnitz: Christoph Helmberg Mannheim: Leif Döring Cottbus: Friedrich Sauvigny Marburg: Volkmar Welker Darmstadt: Stefan Ulbrich LMU München: Helmut Schwichtenberg Dortmund: Ben Schweizer Münster: Michael Joachim Dresden: Andreas Thom Neubiberg: Cornelius Greither Duisburg: Rüdiger Schultz Neubrandenburg: Gerd Teschke Düsseldorf: Kai Köhler Oldenburg: Daniel Grieser Erlangen: Günter Leugering Osnabrück: Holger Brenner Essen: Hans Niels Jahnke Paderborn: Margit Rösler Flensburg: Hinrich Lorenzen Passau: Brigitte Forster-Heinlein Frankfurt am Main: Thorsten Theobald Potsdam: Christian Bär Freiberg: Michael Eiermann Regensburg: Guido Kings Freiburg: Sebastian Goette Rostock: Roger Labahn Garching bei München: Peter Gritzmann Saarbrücken: Jörg Eschmeier Gießen: Thomas Bartsch Siegen: Thorsten Raasch Greifswald: Michael Schürmann HfT Stuttgart: Peter Hauber Göttingen: Thomas Schick U Stuttgart: Timo Weidl Hagen: Winfried Hochstättler Trier: Jochen Wengenroth Halle: Rebecca Waldecker Tübingen: Carla Cederbaum TU Hamburg: Wolfgang Mackens Ulm: Günter Gramlich U Hamburg: Benedikt Löwe Weimar: Klaus Gürlebeck Hannover: Christine Bessenrodt Wuppertal: Jens Hornbostel Heidelberg: Gebhard Böckle Würzburg: Stefan Waldmann

 Kupferer, Benjamin Josef: Two ways to compute Galois coho- Universität Stuttgart mology using Lubin–Tate (φ,γ)-moduls, a reciprocity law and a Bonometti, Fabiano: Gluing silting objects along recollements of regulator map. Venjakob ... well generated triangulated categories. König, Hügel ... Lindner, Silvan: Optimization based coverage path planning for autonomous D data acquisition. Mombaur ... Horn, Marina: Towards a multi-level brachytrainer: Patient- specific model and phantom based environment for prostate bra- chytherapy. Mombaur ...

Johannes Gutenberg-Universität Mainz Besier, Marco: Rationalization questions in particle physics. van Straten, Weinzierl ...

DEUTSCHE MATHEMATIKER-VEREINIGUNG und Schülerinnen und Schüler EUR , Sonderbeitrag auf VORSTAND UND PRÄSIDIUM Präsident Prof. Dr. Friedrich Antrag (z. B. bei Arbeitslosigkeit) EUR , ermäßigt für Mit- Götze, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld, Universitäts- glieder der DPG/GI/GOR/GDM/MNU oder MUED EUR , straße ,  Bielefeld, Tel. + .  - goetze@math. EUR ermäßigt für Reziprozitätsmitglieder (im Ausland woh- uni-bielefeld.de Schatzmeister Prof. Dr. Etienne Emmrich, In- nend und Vollmitglied einer Mathematischen Gesellschaft, mit der stitut für Mathematik, MA -, Technische Universität Berlin, die DMV ein Reziprozitätsabkommen hat) EUR , ermäßigt Straße des . Juni ,  Berlin, Tel. + .   , für Senioren EUR , Zeitschriften (Jahresabo  jeweils [email protected] Schriftführer Prof. Dr. Daniel Grie- EUR ,), eine der folgenden Zeitschriften ist im Mitgliedsbei- ser, Universität Oldenburg, Institut für Mathematik, Carl-von- trag enthalten: Jahresbericht der DMV (Springer Verlag Heidel- Ossietzky-Straße –,  Oldenburg, Tel. + .  .   berg,  Hefte jährlich) Mathematische Semesterberichte (Springer [email protected] Herausgeber der Mitteilungen Verlag Heidelberg,  Hefte jährlich) Journal für Mathematik- Prof. Dr. Sebastian Stiller (verantwortlich), Technische Universität Didaktik (Springer Verlag Heidelberg,  Hefte jährlich) DMV- Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, Universitätsplatz ,  Server www.mathematik.de DOCUMENTA MATHEMATICA Braunschweig, [email protected] Weitere Präsidiumsmit- www.mathematik.uni-bielefeld.de/documenta/ Medienbüro glieder Prof. Dr. Ilka Agricola, Marburg (Nachwuchsförderung) der DMV Thomas Vogt, FU Berlin (mathematik.de) Netz- Prof. Dr. Bernhard Hanke, Augsburg (Gauß-Vorlesung) Prof. werkbüro der DMV Thomas Vogt, FU Berlin (mathematik.de) Dr. Moritz Kaßmann, Bielefeld (Industrie- und Unternehmens- Geschäftsstelle der DMV Geschäftsführerin Andrea Kirstein- kontakte) Prof. Dr. Wolfram Koepf, Kassel (Vorsitzender der Gaekel (mathematik.de) Bankverbindung Volksbank Freiburg Kommission Übergang Schule–Hochschule) Prof. Dr. Frank Loose,     (BLZ   ), IBAN: DE     , Tübingen (Kontakte in Schule und Hochschule) Prof. Dr. Guido BIC: GENODEFR Schneider, Stuttgart (Herausgeber des Jahresberichtes der DMV) Matthias Lippert, Remscheid (Fragen von Schule und Lehrkräfte- Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung e. V. ist durch den Frei- bildung) Prof. Dr. Günter M. Ziegler, FU Berlin (Leiter Medien- stellungsbescheid für  bis  des Finanzamtes für Körper- und Netzwerkbüro der DMV) Mitgliedsbeitrag  (inkl. Be- schaften Berlin I (Steuer-Nr. //) vom . .  wegen zug der Mitteilungen und einer gewählten Zeitschrift, Ausnahme: „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ als wissenschaft- Studierende und Schüler beziehen nur die Mitteilungen) regulär lichen Zwecken dienend und zu den in § Absatz  Nr.  KStG EUR , bis zur Vollendung des . Lebensjahres EUR , bezeichneten Körperschaften gehörig anerkannt worden. Verein- ermäßigt für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften seintrag: VR  beim Amtsgericht Stuttgart. Umsatzsteuer- EUR , ermäßigt für Studierende (Bachelor/Master/Diplom) Identifikationsnummer: DE .

IMPRESSUM Verleger Walter de Gruyter GmbH, Ber- math.tu-berlin.de Adresse der Redaktion Mitteilungen lin/Boston, www.degruyter.com Herausgeber Prof. Dr. Se- der DMV, Institut für Mathematik, FU Berlin, Arnimallee , bastian Stiller (verantwortlich), Institut für Mathematische Op-  Berlin, Tel. + .  .   [email protected] timierung, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braun- Grafische Gestaltung und Satz Christoph Eyrich, Berlin schweig, Universitätsplatz ,  Braunschweig, sebastian. Druck Grafisches Centrum Cuno, Calbe Erscheinungsweise [email protected] Prof. Dr. Michael Joswig, Fakultät II – Ma- vierteljährlich. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag der DMV thematik und Naturwissenschaften, Institut für Mathematik, enthalten. Manuskripte senden Sie bitte an den Herausgeber. MA -, TU Berlin, Straße des . Juni ,  Berlin, [email protected] Prof. Dr. Brigitte Lutz-Westphal, Bitte senden Sie Adressenänderungen und alle die Mitgliedschaft Institut für Mathematik, Freie Universität Berlin, Arnimal- betreffenden Zuschriften an die Geschäftsstelle der DMV, c/o lee ,  Berlin, [email protected] WIAS, Mohrenstraße ,  Berlin, Tel. + .  . -, Prof. Günter M. Ziegler, Institut für Mathematik, FU Berlin, Fax + .  . -, [email protected] Namentlich ge- Arnimallee ,  Berlin, [email protected] Re- kennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der daktion Christoph Eyrich, Silke Thiel, Thomas Vogt, mdmv@ Redaktion wieder.

 Lakritz-Rechtecke Die Seite für Kinder

Matthias Lutz und Brigitte Lutz-Westphal

Man kann aus solchen Lakritzstücken Rechtecke legen, beispielsweise so:

Was passiert, wenn man eines der Lakritzstücke isst? Kann man dann trotzdem wieder ein Rechteck aus den Stücken legen?

Und wenn man noch eins isst? Und immer so weiter? Mal gibt es nur eine lange Reihe, mal gibt es ein Rechteck aus mehreren Reihen und mal gibt es sogar verschiedene Rechtecke aus gleich vielen Lakritzstücken. Erforsche die unterschiedlichen Möglichkeiten!

Matthias Lutz ist Schüler der . Klasse der Evangelischen Schule Charlottenburg, Berlin.

Prof. Dr. Brigitte Lutz-Westphal, Didaktik der Mathematik, Fachbereich Mathematik und Informatik, Freie Universität Berlin, Arnimallee ,  Berlin [email protected] (Fotos: Christoph Eyrich)

 DOI ./dmvm-- DE GRUYTER STUDIES IN MATHEMATICS

NEW TITLES IN 2020

Mark M. Meerschaert, Alla Sikorskii Ulrich Knauer, Kolja Knauer STOCHASTIC MODELS FOR FRACTIONAL ALGEBRAIC GRAPH THEORY CALCULUS Morphisms, Monoids and Matrices De Gruyter Studies in Mathematics 43 De Gruyter Studies in Mathematics 41 2019. 2nd rev. and ext. ed., xii, 325 pages, 2019. 2nd rev. and ext. ed., xviii, 331 pages, 90 fig. 145 fig., 20 tables HC HC RRP € 129.95 [D] / US$ 149.99 / £ 118.00 RRP € 103.95 [D] / US$ 119.99 / £ 94.50 ISBN 978-3-11-055907-1 ISBN 978-3-11-061612-5 eBook eBook RRP € 129.95 [D] / US$ 149.99 / £ 118.00 RRP € 103.95 [D] / US$ 119.99 / £ 94.50 PDF ISBN 978-3-11-056024-4 PDF ISBN 978-3-11-061736-8 ePUB ISBN 978-3-11-055914-9 ePUB ISBN 978-3-11-061628-6

f Develops the theory of fractional calculus and anomalous f Discusses connections between graphs and semigroups/ diffusion using probability theory monoids f Revised and updated edition with a new chapter on f Studies several types of graph morphisms which are of numerical methods, including examples and computer codes interest for many applications f With applications in many applied contexts f New material includes characteristics and current results on Cayley graphs, and new figures

József Lörinczi, Fumio Hiroshima, Volker Betz Fumio Hiroshima, József Lörinczi FEYNMAN-KAC-TYPE THEOREMS AND FEYNMAN-KAC-TYPE THEOREMS AND GIBBS MEASURES ON PATH SPACE GIBBS MEASURES ON PATH SPACE Volume 1 Volume 2 FEYNMAN-KAC-TYPE FORMULAE AND APPLICATIONS IN RIGOROUS QUANTUM GIBBS MEASURES FIELD THEORY De Gruyter Studies in Mathematics 34/1 De Gruyter Studies in Mathematics 34/2 2020. 2nd rev. ed., xii, 563 pages 2020. 2nd rev. ed., xvi, 541 pages HC HC RRP € 99.95 [D] / US$ 114.99 / £ 91.00 RRP € 129.95 [D] / US$ 149.99 / £ 118.00 ISBN 978-3-11-033004-5 ISBN 978-3-11-040350-3 eBook eBook RRP € 99.95 [D] / US$ 114.99 / £ 91.00 RRP € 129.95 [D] / US$ 149.99 / £ 118.00 PDF ISBN 978-3-11-033039-7 PDF ISBN 978-3-11-040354-1 ePUB ISBN 978-3-11-038993-7 ePUB ISBN 978-3-11-040360-2

f Addresses both beginners and experts f Addresses both beginners and experts f Emphasis on the interdisciplinary character of the subject f Emphasis on the interdisciplinary character of the subject

degruyter.com Fakultät für Mathematik

Hauptvorträge

Nalini Anantharaman (U Strasbourg) Annalisa Buffa (EPF Lausanne) Cornelia Druțu (Oxford U) Jahrestagung 2020 online Daniel Huybrechts (U Bonn) Barbara Kaltenbacher (U Klagenfurt) Chemnitz (Emmy-Noether-Vorlesung) 14.-17. September Helmut Pottmann (KAUST und TU Wien) mytuc.org/wccc (Öffentlicher Vortrag) Andrew Stuart (Caltech)

Verleihung der ersten László Székelyhidi (U Leipzig) Minkowski-Medaille an Moritz Kerz (U Regensburg)