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Audioguidetext zum

SCHILLERS WOHNHAUS

Text/Redaktion: Linon Medien

Klassik Stiftung Weimar | Schillers Wohnhaus Weimar | 09.2011 1

Inhalt

TITEL ...... AUDIOGUIDE-NUMMER

Einführung ...... 200

Gemälde M. Stieler, Schiller auf der Flucht, 1850 ...... 201

Gewölbenraum mit Dauerausstellung (Schiller in Thüringen/Bauerbach) ...... 202 Vertiefungsebene zu 202 ...... 20

Dauerausstellung (Schiller in Thüringen ab 1787) ...... 203 Vertiefungsebene zu 203 ...... 21

Eingangshalle ...... 204 Vertiefungsebene zu 204 ...... 22

Dienerzimmer ...... 205

Wirtschaftsraum mit Dauerausstellung (Haus- und Sozialgeschichte) ...... 206 Vertiefungsebene zu 206 ...... 23

Küche ...... 207

Wohn- und Esszimmer ...... 208 Vertiefungsebene zu 208 ...... 24

Gesellschaftszimmer/Salon ...... 209 Vertiefungsebene zu 209 ...... 25

Charlottes Zimmer ...... 210 Vertiefungsebene zu 210 ...... 26

Charlottes Schlafzimmer ...... 211

Schlafzimmer der Töchter ...... 212 Vertiefungsebene zu 212 ...... 27

Empfangszimmer ...... 213 Vertiefungsebene zu 213 ...... 28

Gesellschaftszimmer...... 214 Vertiefungsebene zu 214 ...... 29

Arbeitszimmer ...... 215 Vertiefungsebene zu 215 ...... 30

Schlafzimmer ...... 216

Ankleidezimmer ...... 217

Dauerausstellung Wilhelm Tell ...... 218 Vertiefungsebene zu 218 ...... 31

Studiolo ...... 219

Medienraum und Dauerausstellung (Schillers Tod) ...... 220

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200: Einführung

zwei Gebäuden, wie Sie am Fenster er- kennen können Durch das graue Hinter- haus gelangen Sie in das gelb verputzte zweigeschossige Wohnhaus der Familie Schiller. Dort sind die Zimmer zum Teil noch mit originalen Möbeln und Acces- soires ausgestattet. Wir begleiten Sie mit unserer Audioführung durch alle Wohn- und Ausstellungsräume. Die Führung dauert etwa eine Stunde. In dieser Zeit können wir nicht auf alle Exponate einge- hen, wenn Sie etwas vermissen, finden Sie auf jeden Fall alles in der Hausmono- graphie. Wir beginnen beim Zugang zu Schillers Wohnhaus, rechts an dem gro- ßen Gemälde. Drücken Sie dort bitte die Nummer 201. Wir wünschen Ihnen viel Freude auf den Spuren von ! Guten Tag und herzlich willkommen in Schillers Wohnhaus in Weimar.

Hier hat Friedrich von Schiller seit 1802 gelebt, und hier ist er 1805 auch gestor- ben. Das Anwesen Schillers besteht aus

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201: Gemälde M. Stieler, Schiller auf der Flucht, 1850

wurde an dessen Eliteschule in Stuttgart gedrillt, zum Mediziner ausgebildet und trat dann als Regimentsarzt in den herzog- lichen Dienst. Schon als Schüler entdeckte Schiller seine Leidenschaft für das Schrei- ben und verfasste heimlich sein erstes Dra- ma: „Die Räuber“. Es wurde 1782 in Mannheim mit überwältigendem Erfolg uraufgeführt und machte den 22-Jährigen auf einen Schlag berühmt. „Die Räuber“ kosteten den jungen Dichter aber auch, wie er selbst später sagte, „Familie und Vater- land“. Denn Schiller hatte sich für die Auf- führung ohne Beurlaubung aus Stuttgart entfernt, was ein schwerer Verstoß war: Mannheim lag schon in der Kurpfalz, dem Nachbarstaat Württembergs. Deutschland An einen Baum gelehnt sitzt Friedrich bestand zu dieser Zeit nämlich noch aus Schiller, blass und erschöpft, neben ihm unzähligen kleinen Territorien, die alle von kniet sein Freund Andreas Streicher. Die einem eigenen Herrscher regiert wurden. Szene spielt im Herbst 1782: Schiller Ein weiterer unerlaubter Theaterbesuch muss aus seinem Heimatland Württem- Schillers in Mannheim wurde entdeckt und berg fliehen, denn sein Landesherr, Her- mit Arrest bestraft. Schließlich verbot der zog Karl Eugen, hat ihm das Schreiben Herzog seinem Zögling weiter zu dichten. verboten. Aber Schiller kann und will da- Schiller blieb also keine Wahl, er ent- rauf nicht verzichten! Wie kam es dazu? schloss sich zur Flucht. Sein Weg führte Friedrich Schiller, 1759 als Sohn eines ihn schließlich nach Thüringen, wo er den Offiziers im schwäbischen Marbach gebo- Großteil seines restlichen Lebens verbrach- ren, stand seit seinem 14. Lebensjahr un- te – viele Jahre davon hier in Weimar. ter der strengen Obhut des Herzogs: Er

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202: Gewölberaum mit Dauerausstellung (Schiller in Thüringen/Bauerbach)

Wir betreten Schillers Anwesen über das als „Dr. Ritter“ aus. Schiller blieb sieben Hinterhaus, in dem sich die Wirtschafts- Monate in Bauerbach. und Lagerräume befanden. Hier war früher Dort fand er die nötige Ruhe, um an neuen die Waschküche untergebracht. Der ei- Dramen zu arbeiten, darunter berühmte gentliche Wohnbereich der Familie lag im Werke wie „Kabale und Liebe“ und „Don Vorderhaus. Karlos“. Dann führte sein Weg ihn noch Aber dazu später – im Augenblick sind wir einmal nach Mannheim, doch auch dort mit Schiller noch auf der Flucht aus Würt- konnte und wollte der Dichter nicht blei- temberg, die ihn nach Thüringen führte ben. Schließlich nahm er eine Einladung und in Bauerbach endete. Dort traf der nach Sachsen an und lebte zwei Jahre in Dichter im Dezember 1782 ein, wenige und . 1787 kam Schiller Wochen nachdem er seine Heimat für im- zum ersten Mal nach Weimar, um dort mer verlassen hatte. Henriette von Wolzo- zwei Jahre zu bleiben. Und hier verbrachte gen, die Mutter eines Schulkameraden, er auch seine letzten Lebensjahre von 1799 gewährte ihm auf ihrem Gutshof in Bauer- bis 1805. bach großzügig Unterschlupf. Schiller, Warum der Dichter in Mannheim nicht ohne Anstellung und damit ohne jegliche glücklich wurde, in Sachsen hingegen finanzielle Mittel, wurde als Deserteur schon – und was das mit Beethoven zu tun gesucht. Daher gab er sich in Bauerbach hat, hören Sie unter 20.

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20: Vertiefungsebene zu 202

Im Sommer 1783, ein halbes Jahr nach kreis verbrachte. Körner war ein vermö- seiner Flucht, erhielt Schiller einen Jah- gender Mann und unterstützte den ver- resvertrag als Theaterdichter in Mann- schuldeten Schriftsteller, wo er nur konn- heim und verließ das thüringische Bauer- te. Befreit von allen finanziellen Sorgen, bach. Wirklich froh wurde er trotz dieser schöpfte Schiller neuen Mut und schrieb Perspektive, das Schreiben zu seinem Be- eines seiner berühmtesten Gedichte, die ruf machen zu können, in Mannheim al- Ode „An die Freude“, das mit den Versen lerdings nicht: Die Arbeit brachte nicht beginnt: den erhofften Erfolg und sein Vertrag wurde nicht verlängert. Außerdem bekam „Freude, schöner Götterfunken, Schiller Probleme wegen einer Liebesaf- Tochter aus Elisium, färe mit einer verheirateten Adligen Zu Wir betreten feuertrunken all dem erkrankte er auch noch schwer an Himmlische, dein Heiligthum“. einer grassierenden Seuche, dem „kalten Fieber“, das ihn auf Jahre hin schwächen Knapp 40 Jahre später, 1823, vertonte sollte. Die Einladung einiger Verehrer aus Ludwig van Beethoven Schillers Ode in Sachsen, die den jungen Dichter nicht seiner weltbekannten 9. Sinfonie. 1972 einmal persönlich kannten, kam ihm da- machte der Europarat die Melodie zu her sehr gelegen: 1785 machte er sich auf seiner Hymne. Die offizielle Fassung der den Weg nach Leipzig und Dresden, wo „Europahymne“ ist allerdings eine Instru- er die beiden folgenden Jahre bei Christi- mentalversion, um keine europäische Spra- an Gottfried Körner und dessen Freundes- che zu bevorzugen.

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203: Dauerausstellung (Schiller in Thüringen ab 1787)

Die verschiedenfarbigen Paneele in diesem und brauchte Kontakte und Förderer. Die Ausstellungsraum dokumentieren Schillers anderen Autoren seiner Zeit, wie Goethe Stationen in Thüringen seit 1787. In die- oder Wieland, bezogen – als Minister oder sem Jahr kam der bald Dreißigjährige von Erzieher am Hof – ein festes Gehalt und Dresden aus zum ersten Mal nach Weimar waren damit existenziell abgesichert. – und blieb für zwei Jahre. Die Residenz- Auf Goethe traf Schiller erst ein Jahr spä- stadt war klein und beschaulich, aber der ter, 1788, in Rudolstadt bei der Familie von Dichter hoffte, hier Herzog Carl August Lengefeld, aus der auch Schillers spätere wiederzutreffen. Der hatte ihm drei Jahre Frau Charlotte stammte. Dieses erste Tref- zuvor in Mannheim den Titel eines Wei- fen der beiden Dichter verlief eher kühl. marischen Rates verliehen – so begeistert Dennoch verhalf Goethe ihm zu einer Stel- war er über eine Leseprobe aus dem Drama le als Geschichtsprofessor an der Universi- „“ gewesen. Finanziell hatte tät Jena, wo sich Schiller dann 1789 auch dieser Titel zwar nichts eingebracht, aber niederließ. In Jena trafen sich die beiden erste Bande nach Weimar waren damit ge- Dichter 1794 wieder und schlossen Freund- knüpft. Und die wollte Schiller nun auffri- schaft – eine Freundschaft, die so eng und schen. Außerdem war er begierig, Goethe, so fruchtbar war, dass sie eine eigene Lite- Herder und Wieland kennen zu lernen, die raturepoche begründete: die Weimarer „drei Weimarischen Riesen“, wie er sie Klassik. nannte. Endgültig nach Weimar zog Schiller aber Solche Beziehungen waren für ihn immens erst 1799. 1802 kaufte er dieses Haus. wichtig. Denn der heimatlose Dichter war Doch fast hätte es ihn noch einmal fortge- einer der ersten in Deutschland, der sich zogen aus der Enge der Kleinstadt. Mehr als freier Berufsschriftsteller versuchte, dazu hören Sie unter 21.

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21: Vertiefungsebene zu 203

Am 10. Februar 1802, wenige Wochen vor Gesundheit machte ihm zu schaffen – auch seinem Einzug in dieses Haus, schreibt die Weimarer Hofgesellschaft wurde ihm Schiller an seinen Verleger Göschen in zu eng, wie er im Frühjahr 1804 seinem Leipzig: Schwager gestand:

„Ich habe dieser Tage endlich einen alten „(...) es gefällt mir hier mit jeden Tag Wunsch realisirt, ein eigenes Haus zu schlechter (...). Es ist überall beßer als hier besitzen. Denn ich habe nun alle Gedan- (...).“ ken an das Wegziehen von Weimar auf- gegeben und denke hier zu leben und zu Kurz darauf reiste Schiller nach Berlin, um sterben.“ zu erkunden, ob er sich auch außerhalb als Schriftsteller etablieren konn- Nun scheint der Dichter angekommen zu te. Tatsächlich wurde er in Berlin begeis- sein: Er hat ein Haus, eine Familie und tert aufgenommen und erhielt auch ein Erfolg. Doch das war nur eine Seite der überaus lukratives Angebot. Doch Schiller Medaille. Um sich all das leisten zu kön- ging nicht fort aus Thüringen, sondern han- nen, musste Schiller unermüdlich arbeiten. delte mit dem Herzog eine bessere Besol- Davon zeugen auch seine berühmten Dra- dung aus und blieb hier in Weimar und in men-und Finanzpläne, die Sie hier hinten diesem Haus. Neben wirtschaftlichen rechts sehen. Dabei mutete sich der Dichter Überlegungen waren seine Freunde und ein Arbeitspensum zu, dem er gesundheit- Gesprächspartner – allen voran Goethe – , lich nicht gewachsen war. Schon 1791 hat- aber auch sein schlechter Gesundheitszu- te sich Schiller eine schlimme Lungenent- stand ausschlaggebend für seine Entschei- zündung zugezogen, an deren Folgen er dung. Nur ein Jahr später, im Mai 1805, zeitlebens schwer litt. Doch nicht nur seine starb Friedrich Schiller.

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204: Eingangshalle

Durch den Innenhof sind Sie nun in das man in alle Wohn- und Wirtschaftsräume, eigentliche Wohnhaus Schillers gelangt in den Garten und hinaus auf die Straße. und stehen in der Eingangshalle. Hier im Die große Holztür war ursprünglich der Erdgeschoss befanden sich weitere Wirt- Haupteingang. Durch sie gingen der Dich- schaftsräume und ein Zimmer für den Die- ter, seine Familie und Freunde ein und aus. ner. Im ersten Stock lag die Wohnetage der Ein häufiger Gast war Goethe, den Schiller Familie. Das Dachgeschoss hatte Friedrich vor dieser Tür am 1. Mai 1805 ein letztes Schiller ganz für sich. Dort konnte er in Mal traf, acht Tage vor seinem Tod. Ruhe arbeiten und seine Gäste empfangen. Während heute vor der Eingangstür eine In welcher Reihenfolge Sie die einzelnen belebte Geschäftsstraße verläuft, ging es Stockwerke besichtigen, können Sie selbst hier vor 200 Jahren wesentlich ruhiger zu. entscheiden. Die meisten originalen Mö- Das Haus wurde 1777 direkt neben der bel, Bilder und Accessoires aus Schillers ehemaligen Stadtmauer gebaut, und auch Besitz befinden sich oben in der Mansarde, als Schiller hier 1802 einzog, war das Ge- vor allem in seinem Arbeits-und Sterbe- lände nach Süden, zur heutigen Straße hin, zimmer. Die Schriftstücke und Zeichnun- noch unbebaut. Wenn er aus dem Fenster gen, die Sie im Haus sehen, sind in der blickte, sah er also reichlich Grün: Vor Regel Faksimiles, also Kopien. Die Origi- dem Haus lag die Esplanade, eine baumbe- nale werden größtenteils in den Depots der standene Allee, dahinter blühten Gärten. Klassik Stiftung Weimar aufbewahrt. Die Eingangshalle, in der Sie stehen, hat Friedrich Schiller ließ in diesem Haus eini- mit ihren zahlreichen Zugängen eine Art ges nach seinem Geschmack umgestalten. Verteilerfunktion. Von hier aus gelangt Mehr dazu erfahren Sie unter 22.

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22: Vertiefungsebene zu 204

Das Haus an der Esplanade stand erst 25 sprünglich waren. Im ersten Stock reichten Jahre, als Schiller es im Februar 1802 die Tapetenreste für eine solche Rekon- kaufte. Die Umbau- und Renovierungsar- struktion leider nicht aus. Dort wurden die beiten, die er vornehmen ließ, waren meist Funde aus anderen Räumen als Vorlage praktischer Art: Zum Beispiel wurde das genommen. Treppenhaus an seine heutige Stelle ver- Die Handwerksarbeiten im Haus nahmen legt, damit man das Vorder- und das Hin- viel Zeit in Anspruch – erst im August terhaus über eine gemeinsame Treppe er- 1802, ganze vier Monate nach dem Einzug, reichen konnte. Für die Wohnräume such- waren sie vollendet, wie Schiller berichtet: ten Schiller und seine Frau Charlotte farbig gemusterte Papiertapeten und Bordüren „Die Veränderungen in unserem neuer- aus, die damals gerade in Mode kamen. kauften Hauße, welche beträchtlich waren, Reste davon hat man in den 1980er Jahren haben uns indessen viele Unruhe und Ge- bei der Restaurierung der Mansarde gefun- räusch gemacht, erst in dieser Woche wird den und nachgedruckt, so dass die Wände es von Arbeitsleuten leer und wir genießen der Empfangs- und Arbeitsräume Schillers nun erst die Annehmlichkeiten einer be- heute wieder so aussehen, wie sie ur- quemen und gesunden Wohnung.“

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205: Dienerzimmer

später zogen die Schillers nach Weimar – zunächst in eine Wohnung gleich um die Ecke von hier –, und Rudolph kam mit. Fast 20 Jahre lang, bis zum Tod des Dich- ters 1805, blieb der Diener ihm treu. Ob er wirklich in diesem Zimmer gewohnt und geschlafen hat, wie die jetzige Einrich- tung nahelegt, ist nicht erwiesen. Aus dem gesamten Erdgeschoss sind keine origina- len Möbel erhalten. Rudolphs Stube könnte In diesem Zimmer wohnte vermutlich auch im Hinterhaus gewesen sein, in einem Schillers Diener Georg Gottfried Rudolph. der oberen Geschosse, also näher an den Seine Aufgaben waren vielfältig: Er emp- Wohnräumen Schillers. Überliefert ist je- fing die Besucher des Hauses, kümmerte denfalls, dass er sich fürsorglich um seinen sich um die Post, machte selbst Botengän- Herrn gekümmert hat. Nächtelang wachte ge und heizte im Winter das Haus. Ru- Rudolph an Schillers Bett, wenn dieser dolph war aber auch als Kopist und Schrei- krank war. Und auch als Friedrich Schiller ber für seinen Herrn tätig, wofür er extra starb, war er in seiner Nähe. bezahlt wurde. Auf dem Schreibschrank hier liegen Faksimiles einiger handschrift- Wie der Dichter wenige Monate vor sei- licher Seiten von ihm. Schiller beauftragte nem Tod aussah, zeigt das Porträt rechts seinen Diener sogar mit der Abschrift noch neben der Tür. Hier ist er bereits deutlich nicht veröffentlichter Manuskripte – ein von der Krankheit gezeichnet. Die Vorlage großer Vertrauensbeweis! Überhaupt wur- zu diesem Gemälde stammt von Conrad de Rudolph im Laufe der Jahre für den Westermayr, der Schiller noch persönlich Dichter unverzichtbar. Schiller erwähnte kannte. Er war einer der Gelehrten und ihn 1797 zum ersten Mal, als die junge Künstler, die den Sarg des Dichters zu Gra- Familie noch in Jena wohnte. Zwei Jahre be trugen.

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206: Wirtschaftsraum mit Dauerausstellung (Haus- und Sozialgeschichte)

Etwa 5.000 Reichstaler kostete dieses Haus wie der Dichter mehrfach beklagte. Er inklusive der Umbauarbeiten – eine Menge musste nicht nur für sich, Charlotte und Geld für einen freien Schriftsteller. Schiller die Kinder sorgen, sondern auch mehrere verdiente damals rund 1.500 Reichstaler Bedienstete bezahlen: Da waren sein ei- im Jahr mit seiner schriftstellerischen Tä- gener Leibdiener Rudolph und eine Jung- tigkeit, hinzu kam eine Besoldung des Her- fer für Charlotte, ein Kindermädchen half zogs von einigen Hundert Talern. Mit die- bei der Betreuung der Kinder und eine sem Einkommen gehörte Schiller zu den Küchenhilfe unterstützte die Hausherrin gut situierten Einwohnern Weimars, sein im Haushalt. Bei Bedarf wurden zusätz- Diener Rudolph bekam zum Vergleich 40 lich eine Amme oder eine Köchin hinzu- Reichstaler jährlich bei freier Kost und gezogen. Nicht gerade wenig Personal, Logis. Dennoch musste sich der Dichter aber das verlangte allein schon die soziale hoch verschulden, um sich ein Haus in die- Stellung der Familie; denn Charlotte war ser exquisiten Lage nahe der Esplanade eine Geborene von Lengefeld, also eine leisten zu können. Ganz anders Goethe: Er, Adlige. Und auch Schiller wurde 1802 in der hohe Minister und Vertraute des Her- den Adelstand erhoben. Um das Haus zogs, bekam das große Haus am Frauen- rasch abzubezahlen, verfasste der Dichter plan von Carl August geschenkt. einen strikten Finanz-und Arbeitsplan. Wie akribisch Schiller seine Ein-und Und tatsächlich schaffte er es, den über- Ausgaben im Blick hatte und auf welche wiegenden Teil der Schulden vor seinem Luxusartikel er nicht verzichten mochte – Tod zu tilgen. davon erzählen die Dokumente auf den Ausstellungstafeln in diesem Raum. Denn Wie schwierig es war, bis Schiller vom die Schillers waren bei weitem keine Schreiben leben konnte, und warum das „einfachen Leute“. Ihr Lebensstandard Geld trotzdem oft nicht reichte, hören Sie war durchaus hoch – und Weimar teuer, unter 23.

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23: Vertiefungsebene zu 206

Als Schiller 1782 aus Württemberg floh, Doch nach und nach gelang es Schiller, den war er mittellos – genau 20 Jahre später Großteil seiner Einkünfte aus seiner kaufte er dieses Haus. Ein gewaltiger schriftstellerischen Tätigkeit zu bestreiten. Sprung, doch der Weg zum erfolgreichen Sein Arbeitspensum war allerdings enorm, Schriftsteller war äußerst steinig. Lange denn er hatte sich ein Stück pro Jahr vorge- Zeit war der Dichter auf die finanzielle nommen. Sein Verleger Cotta in Stuttgart Unterstützung von Freunden und Gönnern zahlte 650 Reichstaler für jedes Werk, spä- angewiesen, wie den Körners in Dresden. ter, als der Dichter immer erfolgreicher Seit seiner Hochzeit mit Charlotte von wurde, sogar 900. Zusätzlich erhielt Schil- Lengefeld 1790 bezog Schiller von Herzog ler Tantiemen für seine veröffentlichten Carl August ein kleines, später erhöhtes Werke und Einkünfte von den Bühnenauf- Jahresgehalt. Dafür hatte sich Charlotte führungen. von Stein, Goethes berühmte Freundin und Doch auch wenn sich seine finanzielle La- eine enge Vertraute der Familie von Len- ge entspannte, reichte sein Einkommen für gefeld, eingesetzt, um Charlotte nach ihrer das kostspielige Weimar und seinen hohen Heirat mit einem Bürgerlichen einen eini- Lebensstandard oft nicht ganz aus. 2.000 germaßen angemessenen Lebensstandard Reichstaler im Jahr wären nötig, „um mit zu gewährleisten. Der Herzog zahlte Schil- Anstand hier zu leben“, stellte Schiller ler zunächst 200 Reichstaler im Jahr – viel 1804 fest. Er brauche für sich und seine zu wenig, um eine Familie ernähren zu Familie rund 10 Mal soviel wie sein Vater können, geschweige denn ein Haus zu kau- als Stabshauptsmann in Württemberg ver- fen. Zum Vergleich: Goethe verdiente da- dient hat, schrieb er seiner Schwester mals 1.800 Reichstaler! Christophine.

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207: Küche

In der Küche sehen Sie Möbel, Geschirr, Töpfe und weitere Utensilien, wie sie in der Zeit um 1800 für einen gehobenen Haushalt üblich waren. Von der originalen Ausstattung ist leider nichts erhalten ge- blieben. Bei der Restaurierung in den 1980er Jahren konnte allerdings die Stelle gesichert werden, an der sich der Herd mit dem offenem Rauchfang befand. Auch der rote Kalkanstrich an den Wänden hat die ursprüngliche Farbe. Die Falltür im hinteren Teil der Küche – direkt bei der Tür führt in den Keller des Hauses . Hier lagerten die Weinvorräte, die durchaus beachtlich waren, wie die Auflis- tung in einem Vorratsbuch von 1804 ver- rät: Rund 200 Flaschen, darunter allein „61 Malaga, 35 Bourgogne, 22 Champagne (...), 34 Frankenwein [und] 5 Rum“. Die vollständige Liste können Sie im Ausstel- lungsraum neben der Küche studieren. Dort hängen auch ein paar Backrezepte, die hier Hier, in der Küche, ging es sicher recht im Haus bestimmt so manches Mal für ei- betriebsam zu – schließlich war Schillers nen wohligen Duft gesorgt haben – und Haushalt mit Frau, vier Kindern und eini- den Dichter an seine Heimat erinnerten: gem Personal nicht gerade klein. Von der Seine Mutter hatte ihm die Rezepte aus Küche aus blickte man direkt in den Gar- Schwaben geschickt. ten. Recht groß war dieser Flecken Grün allerdings nicht: Dort, wo heute die Fassa- de des Schillermuseums aufragt, stand da- mals bereits das nächste Haus.

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208: Wohn-und Esszimmer

in denen er sich ganz zurückzog, die Nacht über schrieb und bis Mittag schlief. Die Möbel in diesem Raum stammen nicht aus Schillers Besitz. Überhaupt ist von der originalen Ausstattung der ersten Etage kaum etwas überliefert, denn dieser Stock wurde bis 1984 als Literaturmuseum ge- nutzt. Als man die Räume später wieder im Stil der Schillerzeit einrichtete, griff man auch auf Hinweise in Briefen zurück. So Hier in der ersten Etage, im Wohnbereich erwähnte der Dichter einmal ein neues der Familie Schiller, ging es sicherlich mit- „Theetischgen mit einen lakiertem Blech“ unter recht lebhaft zu. Friedrich und Char- für Charlotte. Es könnte so ähnlich ausge- lotte Schiller hatten bereits drei Kinder, als sehen haben wie das hier zwischen den sie das Haus im Jahr 1802 bezogen: Karl, Fenstern. der älteste Sohn, war damals neun Jahre Vom Geschirr, das die Familie Schiller alt, Ernst sechs und Caroline gerade drei. verwendet hat, blieben einige Stücke erhal- Die zweite Tochter, Emilie, kam zwei Jah- ten. Sie sind in der hohen Glasvitrine aus- re nach dem Einzug zur Welt. gestellt: zum Beispiel die Sektkelche und Dieser Raum war das Wohn-und Esszim- die Porzellankanne, in der Kaffee serviert mer. Hier spielten die Kinder, hier saß die wurde – damals ein echter Luxus. Das gilt Familie gesellig beisammen, und hier wur- auch für Tee, den man mit der speziellen de auch gemeinsam gegessen. Nicht selten Maschine daneben zubereitete. waren Charlottes Mutter und ihre Schwes- ter mit Mann und Rechts neben der Vitrine sehen Sie ein Sohn zu Gast. Schiller selbst war bei den Porträt Friedrich Schillers und links seine Mahlzeiten im Kreis der Familie jedoch jüngere Schwester Caroline, genannt Na- nicht immer dabei. An manchen Tagen nette. Wenn Sie wissen möchten, welchen fesselte ihn seine Krankheit ans Bett, dann hohen Stellenwert die Familie für den wieder gab es intensive Phasen der Arbeit, Dichter hatte, drücken Sie bitte 24.

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24: Vertiefungsebene zu 208

nichts als Eigentum besessen. (...) Ich seh- ne mich nach einer bürgerlichen und häus- lichen Existenz, und das ist das Einzige, was ich jetzt noch hoffe.“

Schiller konnte als Deserteur lange nicht in seine Heimat zurückkehren. Erst 1793, ganze elf Jahre nach der Flucht, besuchte er mit der hochschwangeren Charlotte sei- ne Familie in Ludwigsburg, wo auch sein erster Sohn Karl geboren wurde. Der württembergische Herzog ließ ihn gewäh- ren, immerhin hatte es sein ehemaliger Zögling mittlerweile als Schriftsteller zu einiger Berühmtheit gebracht. In Ludwigs- burg sah Schiller seine kleine Schwester Nanette ein letztes Mal, denn wenig später starb sie mit nur 19 Jahren. Ihr Bildnis hier hat Schillers andere Schwester, Chris- tophine, gemalt. Sie war eine begabte „Dilettantin“, eine Hobbykünstlerin, wür- de man heute sagen – genauso wie Schil- Nach seiner Flucht aus Stuttgart im Jahr lers Frau: Von Charlotte stammt die Ra- 1782 musste Schiller viele Jahre ohne El- dierung mit dem Bauernhaus links neben tern und Geschwister auskommen, was der Tür zum nächsten Raum. Sie träumte ihm sehr schwer fiel. Die Trennung prägte sogar davon, die Schriften ihres Mannes ihn zeitlebens und weckte in ihm den tie- zu illustrieren: fen Wunsch, selbst eine Familie zu grün- den, wie er 1788 seinem Freund Körner „Wenn ich doch zu Deine Werke die Plat- schrieb: ten machen könnte, in Zukunft, es wäre gar artig, nicht wahr“, schrieb Charlotte 1790, „Ich bin bis jetzt ein isolierter fremder kurz vor der Hochzeit. Dazu gekommen ist Mensch in der Natur herumgeirrt und habe es allerdings nicht.

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209: Gesellschaftszimmer/Salon

ging Frau von Stein am Weimarer Hof ein und aus. Das blieb Charlotte Schiller lan- ge Jahre verwehrt – obwohl auch sie eine Adlige war. „Lolo“, wie Schiller seine Frau liebevoll nannte, stammte aus altem, wenn auch nicht vermögendem Adel. Durch ihre Heirat mit dem bürgerlichen Friedrich Schiller ging dieser Status ver- loren. So kam es, dass Charlottes Schwes- ter Caroline, die mit dem Adligen Wil- Dieses Zimmer diente als Salon, hier wur- helm von Wolzogen verheiratet war und den die Gäste empfangen. Wie der reprä- deren Porträt Sie hier links neben der Tür sentative Raum ursprünglich eingerichtet sehen, in Weimar Zutritt zum Hof hatte, war, ist leider nicht überliefert. Vielleicht Charlotte hingegen nicht. Das änderte standen hier einige der gediegenen Möbel, sich erst im Jahr 1802, als Schiller den die Charlottes Mutter dem jungen Ehepaar Adelstitel verliehen bekam, worüber er zur Hochzeit geschenkt hatte. Möglich ist sich wenig später in einem Brief amüsiert aber auch, dass Schiller und seine Frau äußert: eine neue, modernere Einrichtung wählten, wie es das zeittypische Kastensofa heute „Lolo ist jetzt recht in ihrem Element, da andeutet. sie mit der Schleppe am Hof herum- Besonders häufig zu Besuch war Charlot- schwänzelt“. te von Stein, die in Weimar zu den ange- sehenen Persönlichkeiten gehörte und Dass Schiller eine ganze Weile in beide eine wichtige Vertraute der Familie von Schwestern von Lengefeld verliebt war – in Lengefeld war. Der Nachwelt bekannt ist die ruhige Charlotte und die eher exzentri- sie vor allem als enge Freundin Goethes. sche Caroline –, ist ein offenes Geheimnis. Als Hofdame der Herzogin Anna Amalia Mehr dazu hören Sie unter 25.

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25: Vertiefungsebene zu 209

Werk Goethes! Charlotte wurde in ihrer Ausbildung auf eine Laufbahn als Hofda- me vorbereitet. Sie war ebenfalls sehr ge- bildet und künstlerisch interessiert, jedoch noch etwas kindlicher als Caroline. Schiller verbrachte im Sommer 1788 fast jeden Tag mit den beiden Schwestern. In glühenden Briefen wandte er sich an Caro- line und Charlotte zugleich. Als er sich schließlich für eine der beiden entscheiden Schiller lernte das Schwesternpaar im De- musste, fiel seine Wahl auf Charlotte. Den zember 1787 in deren Elternhaus in Ru- Grund dafür schrieb er ihr Ende 1789 in dolstadt kennen. Er war gerade 28 Jahre einem Brief: alt, Caroline 24 und Charlotte erst 21. Sei- nem Freund Gottfried Körner, hier rechts „Caroline ist mir näher im Alter und darum der Tür im Porträt, vertraute Schiller schon auch gleicher in der Form unsrer Gefühle nach der ersten Begegnung an: und Gedanken. Sie hat mehr Empfindun- gen in mir zur Sprache gebracht als Du „Beide Geschöpfe sind, ohne schön zu meine Lotte – aber ich wünschte nicht um seyn, anziehend und gefallen mir sehr.“ alles, daß dieses anders wäre, daß Du an- ders wärest als Du bist. Was Caroline vor Caroline war damals bereits verheiratet – Dir voraus hat, mußt Du von mir empfan- sehr unglücklich allerdings. Wenige Jahre gen; Deine Seele muß sich in meiner Liebe später ließ sie sich scheiden, heiratete entfalten, und mein Geschöpf mußt Du Schillers ehemaligen Schulkameraden Wil- seyn.“ helm von Wolzogen und zog nach Wei- mar, gar nicht weit entfernt von diesem Wenig später heirateten Friedrich Schiller Haus. Caroline war eine außergewöhnliche und . Caroline Frau, geistvoll, gebildet und sehr begabt. war darüber vermutlich enttäuscht, blieb Als sie anonym einen Roman veröffent- den beiden aber zeitlebens eng verbun- lichte, hielt man den später sogar für ein den.

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210: Charlottes Zimmer

Dieser Raum war Charlottes Privatzimmer. meinem hypochondrischen Uebel ohne Hierhin zog sich die Hausherrin zum Sti- diesen Umstand fast unmöglich wäre.“ cken, Lesen und Schreiben zurück. Die Anordnung der Möbel orientiert sich an Als Friedrich Schiller 1805 starb, gaben einer Skizze, die Schiller kurz nach dem die vier Kinder Charlotte Trost, Halt – Einzug gezeichnet hat. Einige Stücke stam- und eine Aufgabe: Die Kleinste, Emilie, men aus dem Besitz seiner Tochter Caroli- war gerade erst neun Monate alt. Unter- ne. Ein Bild der jungen Charlotte von Len- stützt wurde Charlotte auch vom Weima- gefeld sehen Sie an der Wand hinten neben rer Hof: Die Großherzogin Maria dem Fenster. Es zeigt sie im Jahr 1788, in Pawlowna, hier über dem Sofa rechts im dem sie Schiller näher kennen – und lieben Bild, griff der jungen Witwe unter die – lernte. Charlotte war klug, belesen und Arme, nicht nur finanziell. Später richtete vielseitig interessiert. Sie hat nicht nur ge- Maria Pawlowna im Schloss sogar einen malt und gezeichnet, sondern auch selbst Gedächtnisraum für Schiller ein – wie für Erzählungen und Gedichte geschrieben, Goethe, Herder und Wieland. Sie sollten von denen einige sogar veröffentlicht wur- nicht versäumen, diese „Dichterzimmer“ den. Doch viel wichtiger war es Charlotte, zu besichtigen. Nach Schillers Tod ordne- ihrem Mann den Rücken frei zu halten. Sie te Charlotte Schillers umfangreichen war der stille Mittelpunkt der Familie, was Nachlass – seine Briefe, Manuskripte und Schiller sehr zu schätzen wusste: Notizen. Einige authentische Erinne- rungsstücke an den großen Dichter sehen „(...) ihr liebes Leben und Weben um mich Sie in dem Vitrinenschrank neben der Tür herum, die kindliche Reinheit ihrer Seele – wie die Tasse, die Knöpfe oder auch und die Innigkeit ihrer Liebe gibt mir echte „Schillerlocken“. selbst eine Ruhe und Harmonie, die bey Mehr dazu hören Sie unter 26.

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26: Vertiefungsebene zu 210

links mit dem „S“ für „Schiller“. Minna Körner ließ damals vier dieser unzer- brechlichen Becher mit den Initialen der Freunde gravieren. Denn Schiller hatte mit einem Rotweinglas einmal so heftig angestoßen, dass Minnas Glas dabei zer- brach. Übermütig opferte der Dichter da- raufhin Wein und Gläser den Göttern und rief: „Keine Trennung! keiner allein! sei uns ein gemeinsamer Untergang beschie- den!“ Als Friedrich Schiller am 9. Mai 1805 Tatsächlich blieb Schiller seinem Freund starb, schnitt man ihm einige Haarlocken Körner ein Leben lang eng verbunden. In ab. Die handschriftlichen Zusätze versi- vielen Briefen berichtete er ihm über sein cherten die Echtheit der Locken, links Leben, seine Arbeit und vieles, was ihn heißt es zum Beispiel: bewegte. Heute erlauben uns diese Briefe einen einzigartigen Einblick in das Denken „Daß diese kleine Locke Schillers in Tod, und Fühlen Friedrich Schillers. Körner war von Herrn Profeßor Jagemann abgeschnit- es auch, der im Gedenken an seinen ver- ten wurde, um mir diese Heilige Reliquie storbenen Dichterfreund die erste Gesamt- zu geben, bezeuge ich mit meinem Namen. ausgabe seines Werkes herausgab. Charlot- Marie Körner, Mutter Theodors, Berlin im te erlebte die Anfänge der Schillervereh- Januar 40.“ rung in diesem Haus noch selbst mit. 1813 schrieb sie in einem Brief: Marie – genannt Minna – war die Frau von Schillers langjährigem Freund Gott- „Alle Nationen sind zu mir gekommen, um fried Körner, dem vermögenden Juristen das Haus zu sehen, aus dem inneren Ruß- und Schriftsteller, der den Dichter in den land kamen Offiziere und wollten Bücher ersten Jahren nach seiner Flucht in haben, die er geliebt und gebraucht hätte. Leipzig und Dresden aufgenommen und (...) Preußen, Liefländer, Oesterreicher ka- finanziell unterstützt hatte. Aus dieser men zu mir und weinten mit mir ...“ Zeit stammt auch der Silberbecher vorne

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211: Charlottes Schlafzimmer

Diese kleine Stube war Charlottes Schlaf- schichtsprofessor an der Universität Jena zimmer. Schiller ließ den Raum im Som- und wollte, wie er selbst zugab, „alle An- mer 1804 neu herrichten, als sich seine schläge von Studenten und Profeßoren Frau zur Geburt der Tochter Emilie bei mich zu überraschen“ verhindern. Das ist ihrem Hausarzt in Jena aufhielt. Neben den ihm auch gelungen. zwei tapezierten Eckschränken fällt beson- Charlotte waren 15 gemeinsame Ehejahre ders die originalgetreue Tapete auf, die mit Schiller vergönnt. Jahre, in denen sie aussieht, als wäre sie aus Stoffbahnen dra- ihre eigenen künstlerischen Interessen piert. stark zurückstellte, weil die Pflichten ei- Dass Charlotte und Friedrich Schiller über ner Mutter und Frau an der Seite eines getrennte Wohn-und Schlafräume verfüg- Dichters ihre Zeit beanspruchten. „Ich ten, entsprach ganz den standesgemäßen habe seinen Geist, seine volle rege Tätig- Gepflogenheiten ihrer Zeit. Die kleine Pin- keit unterhalten, indem ich nur für ihn selzeichnung am Bettende stammt übrigens lebte“, schrieb sie kurz nach dem Tod von Charlotte. Dargestellt ist, wie sie auf ihres Mannes im Jahr 1805. Charlotte der Rückseite notiert hat, die „Kirche in blieb auch danach mit den Kindern in die- Wenigen Jena wo ich getraut worden.“ sem Haus wohnen. Die gesamte erste Eta- Die Hochzeit am 22. Februar 1790 fand ge war zeitlebens ihr Refugium, während ohne viel Aufhebens statt: Nur Charlottes sie andere Zimmer vermietete. 1826 starb Mutter und ihre Schwester Caroline wohn- Charlotte während eines Besuchs bei ih- ten der Zeremonie bei – wie es sich Schil- rem Sohnes Ernst in Bonn, dort liegt sie ler gewünscht hatte. Er war damals Ge- auch begraben.

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212: Schlafzimmer der Töchter

mit sich brachte, vor allem, wenn Freunde, wie Goethes Sohn August oder Caroline von Wolzogens Sohn Adolph, zu Besuch waren. Schiller zog sich daher zum Arbei- ten gerne in seine ruhige Mansarde zurück, wo ihn seine Kinder aber jederzeit besu- chen durften. Denn Schiller war Familien- mensch, der die Geborgenheit im Kreise seiner Lieben schätzte und brauchte. So berichtet ein Bekannter, wie der Dichter einmal auf einer Reise ganz unruhig wegen Emilie, Schillers jüngstes Kind, nannte seiner kleinen Tochter Caroline wurde: diesen Raum rückblickend das „sehr lange schmale Cabinet, worin wir Töchter schlie- „Er eilte nach Weimar, und als ich einige fen“. Die beiden Söhne hatten ihr Schlaf- Wochen nachher ihn besuchte, kam er mir zimmer vermutlich im Hinterhaus. Ein im Vorhaus mit dem lieblichen Ideale von Kinderzimmer, wie wir es heute kennen, Mädchen auf dem Arme entgegen und sag- war dieser Raum allerdings nicht: Eigene te: Sehen Sie, das ist das kleine närrische Zimmer, in denen die Kinder nicht nur Geschöpf, das mich nicht ruhig bei Ihnen schlafen, sondern auch spielen, Hausaufga- lassen wollte.“ ben machen und ihre Freunde einladen, gab es damals nicht. Um 1800 wandelte Ein Profilbild von Caroline sehen Sie über sich der Umgang mit Kindern gerade erst dem Bett rechts, daneben hängt ein Porträt und neue pädagogische Konzepte entstan- ihres Bruders Ernst. Besonders schön sind den. Kinder wurden nun nicht mehr wie die originalen Spielsachen von Schillers kleine Erwachsene behandelt – und auch Kindern in dem aufgeklappten Nähtisch- nicht mehr so gekleidet. chen zwischen den Fenstern, die man erst Charlotte und Friedrich Schiller pflegten 1987 unter den Wandregalen in Schillers einen liebevollen Umgang mit ihren Kin- Arbeitszimmer entdeckt hat. dern und verzichteten – anders als ihre Fast 200 Jahre lagen die kleinen Bälle, Pa- Verwandten – auf Schläge und unnötige pierschnipsel und Zeichnungen dort völlig Härte. Gespielt haben die Kinder wohl drü- unbemerkt. Mehr dazu hören Sie unter 27. ben im Wohnraum, was so manchen Lärm

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27: Vertiefungsebene zu 212

kenswert, hier im mittleren Fach hinten zu sehen: Sie zeigt einen Mann in einem lan- gen schwarzen Mantel im Profil. Gut mög- lich, dass damit Johann Wolfgang von Goethe gemeint ist – die Ähnlichkeit ist jedenfalls frappierend. Goethe war häufig Gast im Haus und Schillers Kindern daher bestens vertraut. Ein schönes Stück ist auch das kleinteilig bemalte Blatt im Wandbord darüber. Die Beschriftung auf der Rückseite verrät, um Die Spielsachen verschwanden vermutlich was es sich handelt: nach 1810 unter den Wandregalen in Schil- lers Arbeitszimmer. Damals bezog Schil- „Post-und Reisespiel / verfertigt von Ernst lers zweitältester Sohn Ernst – nun bereits von Schiller“ steht dort zu lesen. Schillers 14 Jahre – den Raum oben in der Mansar- Sohn hat dieses Spiel also selbst gezeichnet de, in dem ihn seine zwei kleinen Schwes- und es sich vermutlich auch ausgedacht. tern sicher häufiger besuchten. Unter diesen einzigartigen Fundstücken ist eine Kinderzeichnung besonders bemer-

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213: Empfangszimmer

zum nächsten Zimmer. 1789 lernten sich die beiden kennen und schätzen. Sie disku- tierten mitunter bis in die frühen Morgen- stunden und hielten regen Briefkontakt. Für Humboldt war Schiller „der vielleicht ... ideenfruchtbarste Kopf ..., der überhaupt existiert“.

Genauso intensiv waren natürlich die Zusammenkünfte mit Goethe. Seine Büste steht auf der Kommode zwischen den Wir befinden uns nun in der Mansarde des Fenstern. Seit 1794 verband die beiden ei- Hauses, die Schiller ganz für sich hatte. ne tiefe Freundschaft. Goethe, der nur we- Über dem Kastensofa empfängt uns der nige Minuten entfernt am Frauenplan Hausherr selbst – so wie er früher hier wohnte, war ein stets gern gesehener Gast auch seine Besucher begrüßt hat. Das Ge- in Schillers Haus. Die beiden waren einan- mälde ist eine Kopie des wohl bekanntes- der die ten Schiller-Porträts von Anton Graff. Es wichtigsten Gesprächspartner und inspi- zeigt Schiller als 26-Jährigen – als er in rierten sich gegenseitig, was Goethe sehr dieses Haus zog, war er bereits 43. In den zu schätzen wusste: Jahren dazwischen hatte der Dichter so manches erreicht. Die Bühnen rissen sich „Das günstige Zusammentreffen unserer um seine Stücke und Schiller hatte viele beyden Naturen hat uns schon manchen Verehrer, die ihn persönlich kennen lernen Vortheil verschafft und ich hoffe dieses wollten. Doch zu Besuchern, die ihm nur Verhältniß wird immer gleich fortwirken. unnötig Zeit stahlen, konnte der Dichter Sie haben mir eine zweyte Jugend ver- äußerst reserviert, ja sogar recht unfreund- schafft und mich wieder zum Dichter ge- lich sein. macht, welches zu seyn ich so gut als auf- Ganz anders verhielt er sich hingegen bei gehört hatte.“ Freunden und interessanten Gesprächspart- nern, wie zum Beispiel Wilhelm von Hum- Mehr zu dieser einzigartigen Freundschaft, boldt, der preußische Diplomat und Grün- die den Beginn der Weimarer Klassik mar- der der Universität in Berlin. Sein Porträt kiert, hören Sie unter 28. sehen Sie rechts neben dem Durchgang

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28: Vertiefungsebene zu 213

Begegnung im Rückblick nannte – nahm seinen Lauf. Die beiden Dichter fühlten sich eng ver- bunden, korrespondierten, diskutierten, stritten – und arbeiteten miteinander: An Zeitschriften wie den Horen oder dem Mu- sen-Almanach. Auch ihr literarisches Schaffen profitierte von dem engen Mitei- nander: So entstanden Schillers große Dra- men „Wallenstein“ und „Wilhelm Tell“ unter reger Anteilnahme Goethes. Und 1788 begegneten sich Schiller Goethe zum Schiller ermunterte Goethe zur Fortsetzung ersten Mal – blieben aber auf Distanz, ob- des „Faust“ und war ihm während der Ar- wohl Schiller damals ein Zeitlang in Wei- beiten am Roman „Wilhelm Meisters Lehr- mar weilte. Fürchtete Goethe etwa seine jahre“ stets ein kritischer Gesprächspartner. Konkurrenz? Die Ablehnung des Älteren 1799 zog Schiller nach Weimar, war dem verletzte den jungen Schiller enorm. Erst Freund noch näher. „Goethen sehe ich alle sechs Jahre später, im Sommer 1794 ent- Tage“, schrieb Schiller an seinen Freund spann sich nach einer Sitzung der Natur- Körner. Oft saßen die beiden bis tief in die forschenden Gesellschaft in Jena zwischen Nacht hinein zusammen, mitunter bis ins beiden Dichtern eine Diskussion über Goe- Morgengrauen. Schillers Tod 1805 bereite- thes Theorie der Urpflanze, die wie eine te dem engen Schaffensbündnis ein jähes Initialzündung wirkte: Zwar wurden Ende – Goethe ist untröstlich: schnell die grundsätzlich verschiedenen philosophischen Ansichten deutlich, doch „[Ich] verliere nun einen Freund und in der Bann war gebrochen und das demselben die Hälfte meines Daseyns.“ „glückliche Ereigniß“ - wie Goethe die

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214: Gesellschaftszimmer

Sie Schillers Eltern und links neben der Tür zum Empfangszimmer Charlotte im Alter von 27 Jahren. Darunter hängen drei kleinformatige Bildnisse von den alten Dresdner Freunden, den Eheleuten Chris- tian Gottfried und Minna Körner und de- ren Schwester Dora Stock. An der gegen- überliegenden Wand hängt links der Tür ein Kupferstich, den Johann Gotthard Müller den Eheleute Schiller 1801 schenkte. Dargestellt ist „Die Schlacht bei Hier im Gesellschaftszimmer führte Schil- Bunker Hill“ von 1775, eine Darstellung ler die von ihm so geliebten philosophi- aus dem Amerikanischen Unabhängig- schen Gespräche mit Gleichgesinnten. Hier keitskrieg. Auf der Kommode zwischen studierte er neue Stücke mit den Schau- Tür und Fenster steht ein Abguss der be- spielern ein und las aus eigenen Werken. rühmten Porträtbüste von Johann Hein- Hier entspannte Schiller aber auch im rich Dannecker, einem Jugendfreund. Sie Kreise seiner Freunde oder beim Schach- gilt als eine der herausragendsten Bild- und Kartenspiel. Und hier musizierte Char- hauerarbeiten des deutschen Klassizis- lotte mitunter für ihren Mann, denn mus, mit der auch Dannecker selbst sehr „Schiller liebte sehr die Musik und hatte zufrieden ist: sie gern in einem Nebenzimmer, wenn er in seiner Arbeitsstube auf und ab ging und „Dein Bild [macht] einen unbegreiflichen sich einer dichterischen Stimmung über- Eindruk in die Menschen [...]: die Dich ließ. Dies bewog meine Schwester, noch gesehen, finden es vollkommen ähnlich, weiteren Unterricht im Klavierspielen zu die Dich nur aus Deinen Schriften kennen, nehmen“, Das wusste.Caroline von Wolzo- finden in diesem Bild mehr als ihr Ideal gen zu berichten. sich schaffen konnte.“ Spieltisch, Gitarre und Tafelklavier er- zählen von diesen vergnüglichen Momen- Auch in Weimar war Schiller längst eine ten in geselliger Runde. Schiller genoss Berühmtheit – und ein gern gesehener die Geborgenheit in der Familie und im Gast. Mehr über Schillers gesellschaftli- Freundeskreis. Über der Sitzgruppe sehen chen Umgang erfahren Sie unter der Num- mer 29.

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29: Vertiefungsebene zu. 214

So, wie Schiller zahlreiche Besucher in Und sogar Herzogin Anna Amalia, die an- seiner Mansarde bewirtet hat – von nahen fänglich ein problematisches Verhältnis zu Freunden wie Goethe und Carl Ludwig Schiller hatte, lud ihn schließlich zu ihren von Knebel über bis geselligen Runden im Wittumspalais ein, hin zu seinen Verlegern Cotta und nur wenige Meter von hier. So vermerkte Göschen und Künstlern wie Georg Melchi- er am 3. November 1803 in seinem Kalen- or Kraus – , wurde auch er zu geselligen der: „Thee und Spiel bei der Herzogin Zusammentreffen in Weimar geladen. Da- Amalie.“ Es wurde musiziert, gedichtet von gab es einige, denn Weimar war klein- und gezeichnet. städtisch und jede Zerstreuung und Ab- Aber auch Besuche im nahen Theater und wechslung willkommen. Häufig zu Gast Ballveranstaltungen bereiteten Schiller gro- war Schiller beim Mittwochskränzchen, ßes Vergnügen. So kam es vor, dass er, das 1801 von Goethe ins Leben gerufen sofern es sein Gesundheitszustand erlaubte, wurde. In einem Brief an seinen Freund die ganze Nacht mit Freunden feierte und Körner berichet Schiller: dabei so manche Champagnerflasche ge- leert wurde: „Göthe hat eine Anzahl harmonirender Freunde zu einem Clubb oder Kränzchen „Wir blieben in der Nacht bis 3 Uhr zusam- vereinigt, das alle 14 Tage zusammen- men [...]. – Den folgenden Tag sprach ich kommt und soupiert. Es geht recht ver- ihn im Schauspielhause auf seiner Loge. gnügt dabei zu [...] es wird fleißig gesun- Da sprach er noch von der Freude, die er gen und poculiert. Auch soll dieser Anlaß am vorigen Abend gehabt hätte, und ver- allerlei lyrische Kleinigkeiten erzeugen, zu sprach, dieselbe Gesellschaft nächstens auf denen ich sonst bei meinen größeren Ar- seinem Zimmer zu bewirten [...] beiten niemals kommen würde.“

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215: Arbeitszimmer

Und in den eingebauten Regalen unter den Dachschrägen brachte er seine Bibliothek unter. Heute steht hier aus konservatori- schen Gründen nur eine Auswahl an Zweit- ausgaben, die Originale befinden sich in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek.

Obwohl oft krank, plante Schiller weit im Voraus und steckte sich hohe Ziele: Sein Arbeitspensum war enorm – ein Drama pro Jahr nahm er sich vor. Die Verleger zahlten Jetzt stehen Sie in Schillers Refugium: sei- gut, Schillers Stücke wurden überall ge- nem Arbeitszimmer. Hierhin zog er sich spielt. Seinem Schwager Wilhelm von zurück, um zu schreiben, nachzudenken Wolzogen schrieb er 1804: und zu lesen – und das, wenn ihn eine Idee packte, tage-und nächtelang. Hier sind wir „Meine beste Freude ist meine Thätigkeit, Schiller auch am nächsten, denn die Aus- sie macht mich glücklich in mir selbst und stattung des Raums mit Möbeln, Alltagsge- unabhänig nach aussen, und kann ich nur genständen und Grafiken entspricht weit- mein fünzigstes Jahr mit ungehinderten gehend dem Zustand zu seinen Lebzeiten: Geisteskräften erreichen [...].“ An diesem Schreibtisch hat Schiller geses- sen und seine Schreibfeder in dieses glä- Doch es sollte anders kommen. Das Blatt serne Tintenfass getunkt. Auch der mar- auf dem Schreibtisch zeigt wohl Schillers morne Briefbeschwerer, die Tischuhr und letzte Zeilen. Sie stammen aus dem unvoll- die Tabakdose gehörten zu seinem persön- endeten Drama „“. Am Abend lichen Besitz. Hier sind auch seine letzten des 9. Mai 1805 starb Schiller hier in die- Dramen „Die Braut von Messina“ und der sem Bett an den Folgen einer Lungenent- „Wilhelm Tell“ entstanden. Die Tapeten – zündung. Er wurde nur 45 Jahre alt. Sie sehen originalgetreue Nachdrucke –, hat Schiller selbst ausgesucht. Er hat auch Mehr über die Erinnerungskultur rund um einige praktischen Umbauten vornehmen Schiller hören Sie unter der Nummer 30. lassen: Das Fenster in der Giebelwand soll- te für mehr Licht am Schreibtisch sorgen.

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30: Vertiefungsebene 215

Nationalsozialisten Schiller als „deutschen Dichter“. Der „Wilhelm Tell“ wurde unter Propagandaminister Joseph Goebbels sogar zum „Führerdrama“ stilisiert. Doch die Hauptfiguren sind weitaus mehr als natio- nale Führerpersönlichkeiten. Sie sind Kämpfer für die Freiheit und eine bessere Welt. Schillers Tell wird dafür sogar zum Tyran- nenmörder. Nach ersten Attentatsversuchen auf Hitler, verbot man daher auf seinen Die Schillerverehrung nahm schon unmit- persönlichen Befehl hin weitere Auffüh- telbar nach seinem Tod Züge einer Heili- rungen des „Tell“. Niemand sollte zwi- genverehrung an: „Mir ist, als beträte ich schen dem Freiheitskämpfer Tell und den einen Tempel, so oft ich in das Schiller- Hitler Attentätern eine Verbindung herstel- sche Haus gehe.“, bemerkte 1806 Heinrich len. Voß der Jüngere, ein enger Vertrauter des Ab 1941 bedrohten erste schwere Bomben- Dichters. Und Goethe dachte bereits 1817 angriffe deutsche Städte. Die Nazis be- über eine literarische Gedenkstätte für schlossen, die Schiller-Originalmöbel aus- Schiller nach, die allerdings erst 1847 rea- zulagern und durch Kopien zu ersetzen, lisiert wurde, als die Stadt Weimar Schil- denn das Schillerhaus sollte trotz allem lers Wohnhaus kaufte. Zeitzeugen wurden geöffnet bleiben. Es waren Häftlinge des befragt, um das Mansardengeschoss wie- nahe gelegenen KZs Buchenwald, die diese der so authentisch wie möglich einzurich- Möbel-Kopien anfertigen mussten. ten. Mit diesem Literaturmuseum, dem Selten kamen sich die humanistischen Ide- ersten im deutschsprachigen Raum, wür- ale der Weimarer Klassik und die Barbarei digte Weimar einen seiner großen Dichter. des Nationalsozialismus so nah, selten wur- Bis heute steht Schillers Werk für das Rin- de die verlogene Inanspruchnahme vergan- gen nach Freiheit und Gerechtigkeit, dafür gener Kulturleistungen durch die Nazis so wird es hoch geschätzt, leider aber auch deutlich. von manchen missbraucht. So feierten die

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216: Schlafkammer

berichtet es Berta von Brawe, eine Freun- din von Schillers Witwe Charlotte. Sie be- wohnte das Mansardegeschoss in den Jah- ren 1823 bis 1826. Durch die Vermietung der Räume verschaffte Charlotte sich nach Schillers Tod zusätzliche Einnahmen. Denn Schiller hatte zwar den überwiegen- den Teil des Hauses abbezahlt, eine Rest- schuld jedoch war geblieben. Und auch einige andere Ausgaben fielen auch an. Zum Beispiel für die Ausbildung der Söh- Durch eine unscheinbare Tapetentür sind ne. Großherzogin Maria Pawlowna ge- Sie in Schillers kleine Schlafkammer ge- währte Charlotte dafür 200 Taler jährlich, langt. An der Schmalseite dieses Raumes während des Studiums sogar 400. Charlotte stand wohl früher sein Bett. Durch das zeigte sich dankbar über die, wie sie sagt, Fenster zum Innenhof drang nur wenig „Liebe und Fürsorge unserer geliebten Licht. Wilder Wein und Efeu sollen sich Großfürstin“,die „wie eine Mutter ... für bis hier herauf gerankt haben. Karl Sorge getragen“ habe. Weitere finan- zielle Hilfe kam von Karl von Dalberg, der Im Garten stand ein weißer Fliederbaum, als Freund der Familie Pate des älteren der bis zum Fenster des Schlafzimmers Sohnes Karl war. Sein Portrait haben Sie hinaufreichte. Der Duft der Fliederblüten im Empfangszimmer gesehen, gleich rechts soll Schillers Nerven gestärkt haben.“ neben der Tür zum Flur. Schon zu Schillers Lebzeiten half er mit erheblichen Geldzu- wendungen, ohne die Schiller die auf dem Haus lastenden Schulden nicht hätte tilgen können.

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217: Ankleidezimmer

unterhalt aber vor allem durch seine schriftstellerische Arbeit verdienen. Und der Erfolg gab ihm Recht, denn bald konn- te er sich mit seiner Familie ein recht ange- nehmes Leben, ja sogar einen gewissen Luxus leisten. 1802 gab er allein 75 Taler für Kleidung aus. Das entsprach etwa dem doppelten Jahresverdienst eines Hand- werksgesellen. Als Schiller noch im gleichen Jahr geadelt wurde, stiegen seine Ausgaben enorm: Der raumhohe Einbauschrank beherrscht Nicht nur Frack und Degen waren nun not- den schmalen Raum – das Ankleidezim- wendig, um am Hof standesgemäß aufzu- mer. In den Schrank passt einiges hinein – treten. Dort traf er 1803 auch den Schwe- für das Jahr 1804 ist sogar eine Kleiderliste denkönig Gustav IV. Der lobte Schillers erhalten. Vermerkt sind unter anderem: 33 Geschichtswerk zum Dreißigjährigen Krieg bunte Schnupftücher, 37 Hemden, über 30 und schenkte ihm einen Brilliantring. Doch Paar Strümpfe, 10 Röcke, 15 Hosen, 3 Paar Schiller beeindruckte all dieser Pomp am Stiefel, 4 Paar Schuhe. Eine recht beträcht- Hof letztendlich wenig: liche Ausstattung! Doch lange Zeit konnte „Wir Poeten sind selten so glücklich, dass Schiller von solch einem Lebensstandard die Könige uns lesen, und noch seltener nur träumen. Goethe hatte es da von vorn- geschiehts, dass sich ihre Diamanten zu herein leichter: 1798 bezog er allein für uns verirren. Ihr Herren Staats-und Ge- seine Arbeit am Weimarer Hof ein Jahres- chäftsleute habt eine große Affinität zu gehalt von 1.900 Talern. Auch Schiller diesen Kostbarkeiten; aber unser Reich ist erhielt als Hofrat zwar Zuwendungen vom nicht von dieser Welt.“ Weimarer Fürsten, musste seinen Lebens-

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218: Dauerausstellung Wilhelm Tell

„Durch dies hohle Gasse muss er kom- Er fing damit an, die Wände seines Zimmer men!“ Woran denken wir noch, wenn wir mit [...] Spezialkarten der Schweiz zu be- „Wilhelm Tell“ hören? Zuallererst wohl an kleben [...]. Dabei studierte er die Ge- den Apfelschuss. Zwei Darstellungen die- schichte der Schweiz, und nachdem er alles ser dramatischen Szene sehen Sie in der Material zusammengebracht hatte, setzte er Vitrine links neben dem Durchgang zum sich über die Arbeit, und buchstäblich ge- Medienraum. Es sind Bühnenskizzen Jo- nommen stand er nicht eher vom Platze hann Heinrich Meyers zur Uraufführung auf, bis der ‚Tell’ fertig war. des Tell in Weimar. Weil Wilhelm Tell Eine der Karten, die Schiller benutzt hat, seinem habsburgischen Landvogt nicht die hängt rechts neben dem Durchgang zum geforderte Achtung entgegenbringt, be- Medienraum. Die Uraufführung des fiehlt der ihm, seinem Sohn mit der Arm- „Wilhelm Tell“ am 17. März 1804 am brust einen Apfel vom Kopf zu schießen. Weimarer Hoftheater wurde ein riesiger Andernfalls, so droht er, müssten Vater Erfolg. Schillers Kritik an Gewaltherr- und Sohn gemeinsam sterben. Zwar gelingt schaft und Willkür war angesichts der na- der Schuss, doch wird er für Tell Anlass poleonischen Eroberungen von großer poli- zum Tyrannenmord. tischer Brisanz. Der im Drama geschilderte Schiller war fasziniert von der Legende um Freiheitskampf der Schweizer, die sich mit den Schweizer Nationalhelden. Sie zog ihn dem Rütlischwur gegen die Habsburger – wie er selbst sagt – „mit einer Kraft und Besatzer verbünden, fand großes Echo. Innigkeit“ an, wie es ihm „lange nicht be- Von Seite der Machthabenden wurde der gegnet“21 sei. In weniger als einem halben „Tell“ deshalb auch als Revolutionsdrama Jahr, zwischen August 1803 und Februar empfunden und nicht überall bejubelt. 1804, schrieb er das Drama. Davon erzählt Die Themen Selbstbestimmung und Ge- auch der Raum hier. Goethe, der regen An- rechtigkeit ziehen sich durch Schillers gan- teil an der Arbeit seines Dichterfreundes zes Werk – daher gilt er auch als DER bür- nahm, schildert Schillers Besessenheit gerliche Freiheitsdichter. Mehr dazu erfah- ganz plastisch: ren Sie unter der Nummer 31.

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31: Vertiefungsebene zu 218

Das Theater glich einem Irrenhause, rol- rechten Ständegesellschaft. Immer geht es lende Augen, geballte Fäuste, stampfende ihm um den Menschen und sein Recht auf Füße, heisere Aufschreie im Zuschauer- Freiheit und Selbstbestimmung. Dazu ge- raum! Fremde Menschen fielen einander hört aber auch das Scheitern. So endet der schluchzend in die Arme, Frauen wankten, „Wallenstein“ in „triumphaler Düsternis“, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war wie Hegel es ausdrückte. Denn der gefeier- eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, te Feldherr des Dreißigjährigen Krieges aus dessen Nebel eine neue Schöpfung kommt wegen eines Verrats zu Fall – und bricht. wird schließlich ermordet. Doch Publikum So stürmisch wurden Schillers „Räuber“ wie Kritiker waren sich einig: Sie sahen im 1782 bei der Uraufführung gefeiert. Er „Wallenstein“ das bisher größte Theaterer- prangert darin – sieben Jahre vor der Fran- eignis in Deutschland. zösischen Revolution – die adelige Will- Schiller bedient sich in seinen Dramen im- kürherrschaft an. Das traf den Nerv der mer wieder historischer Schlüsselereignis- Zeit. Das Publikum tobte, berauscht vom se. Den Grund dafür erläutert er in seiner eigenen erwachenden Selbstbewusstsein – berühmten Antrittsvorlesung in Jena 1789: und Schiller begründete damit seinen Ruf Fruchtbar und weit umfassend ist das Ge- als Freiheitsdichter, der ihn zur Ikone der biet der Geschichte; in ihrem Kreise liegt bürgerlichen Demokratiebewegung ge- die ganze moralische Welt. Es ist keiner macht hat. Auch in „Kabale und Liebe“, unter Ihnen allen, dem Geschichte nicht seinem beliebtesten Drama, kritisiert der etwas Wichtiges zu sagen hätte ... Dichter scharf die Missstände einer unge-

219: Studiolo

Sie befinden sich im Studiolo. Hier können Sie mit Feder und Tinte schreiben, in Büchern schmökern und spielen.

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220: Medienraum und Dauerausstellung (Schillers Tod)

Am 9. Mai 1805 starb Friedrich Schiller an hatten. Auch die Bestattung um Mitter- den Folgen einer akuten Lungenentzün- nacht war ein Privileg des Adels. 21 Jahre dung in diesem Haus. Die Zeichnung links später, 1826, wurden die Gebeine Schillers an der Wand zeigt ihn auf dem Totenbett. in einer Nacht- und-Nebel-Aktion aus dem Einen Tag später wurde sein Leichnam Grabgewölbe geholt und in der Fürsteng- obduziert. „Man hat ihn geöffnet und son- ruft bestattet. Die herzogliche Grablege, in derbare Desorganisation in seinem Innern der auch Goethes Sarg steht, können Sie gefunden“, bemerkte sein Schwager dazu. auf dem Historischen Friedhof in Weimar Tatsächlich waren Schillers Lunge, Herz besichtigen. Mittlerweile ist allerdings er- und andere Organe bereits so krankhaft wiesen, dass es nicht die Gebeine Schillers verändert, dass kein Arzt ihn mehr hätte waren, die man damals aus dem Kassenge- retten können. So kam es auch zu dem be- wölbe geholt hat. rühmten Kommentar am Ende des Obduk- tionsberichts, den Sie rechts sehen. Unser Rundgang durch Schillers Wohn- „Bei diesen Umständen muss man sich haus endet in diesem Raum. Wir danken wundern, wie der arme Mann so lange hat für Ihren Besuch und hoffen, dass wir leben können“, heißt es dort. In der Nacht Ihnen Leben, Alltag und Werk des großen vom 11. auf den 12. Mai wurde Friedrich Dichters und Dramatikers ein Stück näher von Schiller auf dem Jakobsfriedhof in bringen konnten. Für weitere Informatio- Weimar bestattet. Man versenkte seinen nen stehen Ihnen die Medienstationen hier Sarg im sogenannten Landschaftskassen- zur Verfügung. Und unten, in einem Raum gewölbe, einem Gemeinschaftsgrab für neben der Garderobe, können Sie sich ei- höher gestellte Personen, die – wie die Fa- nen Film über Schillers Leben ansehen. milie Schiller – kein eigenes Familiengrab Auf Wiedersehen!

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