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Freunde und Förderer der Gesellschaft der Freunde der Stiftung Haus der Kunst München e.V.

Liebe Freunde der GdF, liebe Freunde des Haus der Kunst, liebe Leser, Uwe Achterholt u. Dagmar Blessing ADAC Rechtsschutzversicherungs-AG Anjuta Aigner-Dünnwald Allianz Versicherungs-AG Dr. Uta Alt ALLUDE Modedistributions-GmbH Karl Anselmino ARTinvestor Autobus Oberbayern GmbH Automag Buchner + Linse GmbH & Co. KG Dr. Barbara Bagusat 50 Jahre Gesellschaft der Freunde Haus der Kunst – das ist Emmarentia Bahlmann Dr. Michaela Barlach Dr. Friedrich M. und Evelyn Barnick Thomas und Alexandra Barthel BASF AG Dr. Johannes Bauer Anlass genug für ein besonderes und in der Geschichte unseres Bayerische Beamten Lebensversicherung a.G. Bayerische Immobilien GmbH & Co. KG Bayerische Landesbank Bayerische Rundfunkwerbung GmbH Förderkreises bisher einzigartiges Projekt. Kunsthandel Bellinger Dr. Sabine Benze Michael Berger Roland Berger & Partner GmbH Ingeborg Bergmann Dr. Francisca Bernheimer Konrad O. Bernheimer Marlies Biehler Rudolf Biehler Dr. Matthias und Noemie Bimler Edgar und Eva Binnemann Charlotte Bittner-Wirth Friedel Karl und Das Brainstorming dafür startete bereits im Oktober 2004; in Esther Bloch BMW AG Christoph und Alexandra Böninger Brigitte Böttger Eva Bonacker Horst und Marion Brandhoff Sylvia Braun Curtis Briggs unserer „Jubiläumsrunde“ wurden viele Ideen diskutiert, wie man und Dr. Janina Forell-Briggs Leonore Brunner BTU Treuhand-Union München GmbH Hedda B. Bühner und Marian Bielke Hubert Burda Media das Haus der Kunst und das Engagement seines Fördervereins Holding GmbH & Co. KG Dr. Andreas Busse Carola Cervinka Christie‘s (Deutschland) GmbH Kanzlei Clifford Chance Christina Çobanli Commerz- programmatisch, modern und facettenreich darstellen könne. Dank bank AG Prof. Dr. Horst Cotta Curators GmbH D. A. S. Rechtsschutzversicherungs-AG DaimlerChrysler AG Heidi Defforey Delbrück Bethmann des kreativen Inputs von Markus Rasp, der bereits für die Grafik Maffei AG Deutsche Bank AG Deutsche Bundesbank Karl Heinz Dietrich GmbH & Co. Franz Josef Doll Dresdner Bank AG Michael und Eva Duhnkrack des SZ-Magazins verantwortlich zeichnete, stand bald fest: Es sollte EADS Deutschland GmbH Arne Ehmann Eins Plus München GmbH & Co. KG Lo Eitle Angelika Engelhardt Anna Engelhorn Prof. Peter W. und Regine ein Magazin werden. Im Sommer des letzten Jahres gaben Vorstand Engelmeier Kurt-Friedrich Engländer Dr. Günther Engler E.ON Energie AG Stephan Erfurt Ernst & Young AG Ursula und Katharina Etschel EURO­ und Kuratorium dann ihre Zustimmung. Bald darauf stieß Nan HYPO AG Eva Felten Dr. Carl-Peter Fichtmüller Dr. Friedrich Karl Flick Erika Frey Antje Freyth Anneliese Friedmann Bernhard und Sabina Frohwitter Mellinger für die Bereiche Redaktion und Projektleitung zu unserem Dr. Richard Fuchs Thessa und Günter Funk Peter und Christina Gain Alexander Gedat Andreas Gegner Generali Versicherung AG Dr. Kathrin Giehl kleinen Magazin-Team. Ingvild Goetz Rupert Goetz Gorny & Mosch - Giessener Münzhandlung GmbH Johannes Griesbeck Andreas Grimm Dr. Katrin Grumme Dr. Alfred Gunzenhauser Leopold Hafner Olga Haindl Ernestine Haindl-Hieber Martina Hamberger-Sticken Dr. Dietmar Hantke Dr. Peter und Heidi Hartel Seitdem sind nur wenige Monate vergangen, nicht viel Zeit für Achim und Daniela Hartz Hasenkamp Int. Transporte GmbH & Co. KG Dr. Claus S. und Sylvia Hass Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA Hauser ein umfangreiches Magazin, das viele Fragen stellt, um noch mehr & Wirth Zürich London Katharina Hegewisch von Perfall Dr. Ulrike Helkenberg Stefan Hemmerle Herrmann & Schmidt Dienstleistung Regina Antworten zu bekommen. Hesselberger Dr. Wolfgang Heubisch Hirmer Verlag München Hannes F. Hofer Holbl Ingenieure Jochen und Susi Holy Renate Homberg Sandra Homberg Honert Funke Maute Neumayer, Partnerschaft Dr. Irmgard Huber Heinrich GmbH & Co. KG Arnim Humbert HypoVereinsbank Was es zum Ausdruck bringen möchte, ist bereits im Titel enthalten: AG Industrie- u. Handelskammer f. München u. Obb. Dr. Barbara Jäger Georg und Gabriele Jahn Carol Johnssen Prof. Dr. Anselm und Ursula Kampik Die Freude an Kunst, die Freundschaft und das Engagement für Dr. Achim Kann Alexandra Kapusta Stefan und Sassi Karg Dr. Joachim Kaske Gabriele Kaumanns Rupert Keim Dr. Hans-G. und Friederike Kelber unser lebendiges Haus der Kunst. Seit über fünf Jahrzehnten Hildrun Kerkmann Dr. Rudolf C. King Henrik Klagges Caroline Klapp Dr. Stephan und Angela Kleebach Anneliese Klein Senator h.c. Günther begleiten und unterstützen die „Freunde“ das Haus der Kunst und Gabriele Jahn und Karsten Schmitz Klinge Bernd und Verena Klüser Kornelia Kneissl Jürgen Knoll Knorr Bremse AG Dr. Kohlhase Vermögensverwaltungsges. mbH Dr. Barbara Kolb Hans haben umgekehrt die große Chance, Kunst, Künstler und Ausstel- Stefan Korsch Renate Küchler Kufner Textilwerke GmbH Kuhn & Bülow Versicherungsmakler GmbH Barbara Lambrecht-Schadeberg Anette Lang lungsmacher aus nächster Nähe erleben zu können, immer wieder Hubertus und Sabine Langen Andreas und Uli Langenscheidt Dr. Florian Langenscheidt Dr. Tania Lehmann Carl Gerhard und Anneliese Lenz LfA mit neuen und spannenden Blickwinkeln und Standpunkten Förderbank Bayern Dr. Margret Liebhart Dr. Kathrin Lindner Dieter Lissmann Dr. Philippe Litzka Loden-Frey GmbH & Co. KG Dr. Sigrid Löscher- konfrontiert zu sein. Wir hoffen, dass unser Magazin dies wider- Inhalt Lorenz Eva-Marie Lübbert Luitpoldblock Hausverwaltung Andreas E. Mach Sibylle Mackenrodt Prof. Gero und Eva Madelung MAN AG mannes- spiegelt, und danken allen Beteiligten, vor allem auch dem Team mann plastics machinery GmbH Marlborough International Fine Art Establishment Michael Alexander Matt Hans Mauve Treuhand GmbH Peter G. E. des Haus der Kunst für die schöne Zusammenarbeit. 1 Warum brauchen Sie Kunst zum Leben? 2 Mayer Margit J. Mayer Hanno Wilhelm Melcher Merkur Produkt GmbH & Co Service KG Mafalda Millies MMM Münchener Medizin Mechanik Elf Mitglieder des Freundeskreises über ihr Leidenschaft Sabine Möhle Morgan Stanley Bank AG Dr. Mokka Müller Karin Müller-Wohlfahrt Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Dr. Constanze Liebe Leserinnen und Leser, nun sind Sie dran: Blättern Sie durch 2 – City of Perfection? 16 Neuhann-Lorenz Ernst Chr. und Victoria Neumann Neumeister Münchener Kunstauktionshaus GmbH & Co. KG Prof. Dr. Elisabeth Noelle-Neumann dieses Heft, und sprechen Sie darüber mit Freunden, Interessierten Eine Reflektion über Münchner Kultur und Architektur Optische Werke G. Rodenstock Dr. Gerd Orthmann Osram GmbH Anja Ottmann P1 Gaststätten GmbH Peter und Christa Palmers Papierfabrik und Neugierigen. Teilen Sie uns mit, was Sie über kunst.freunde 3 Was lernt mich das? 42 Scheufelen Karl Pfefferle Philip Morris GmbH Helmut Philipp Phillips, de Pury & Luxembourg Carola Pinckernelle Jörg und Ingrid Pinder Nicola denken. Unser Wunsch ist, dass das Magazin und seine exklusiven Andreas Langenscheidt im Gespräch mit Peter Raue Plaumann Frigga Pohl Ingeborg Pohl Sybille Polack Angela Popp Prof. Susanne Porsche Postbank Vermögensberatung AG Prestel Verlag Heintz Beiträge zu einem Meinungsaustausch und viel mehr noch zum 4 Was machen wir eigentlich? 52 Queisser Prof. Dr. Albert und Evelyn Raedler Christiane Rafflenbeul-Schaub Gabriele Rebling Diane R. Redlich Peter Reimpell Friedrich-Carl und Verschenken anregen, sodass auch Ihre Freunde zu kunst.freunde(n) Programm, Geschichte und Ziele der Gesellschaft Ingrid Rein Dina Renninger Bankhaus Reuschel & Co Christel Reuther Dr. Hans Rinecker Maximilian Ring Dr. Heiner Rinke Benedict Rodenstock werden. der Freunde Dr. Helmut Röschinger Eva Rommenhöller Norbert Roos Dr. Milan H. Rubinger Jutta Ruppert Monika Sandler Dr. Amelie Sanktjohanser 5 Blicken Sie zurück! 66 Dr. Eberhard Sasse Isabel Schaefer Dr. Sebastian Schäfer Schauenburg Service GmbH Dr. Robert Scherb Dr. Friedrich-Karl und Marion Schieferdecker Sie alle, liebe Mitglieder unseres Vereins, der Vorstand und das Ein Spaziergang durch die Geschichte des Hauses Johann-Christian Schiessl Dr. Rainer Schiweck Karl Otto Schlegel Christian Schlitt Prof. Dr. Reiner und Maria Schmidt Philomene Schmidt-Garre Kuratorium, sollen jeder für sich Vertriebspartner dieses Magazins 6 Schreiben Sie Tagebuch? 88 Karsten und Tina Schmitz Gerd Schmitz-Morkramer Peter Schmuck Prof. Dr. Robert H. Schmucker Dr. Ulrich und Gudrun Schneider Schneider & sein. Reichen Sie es an potenzielle Interessenten unseres Vereins Mit Chris Dercon in Indien auf den Spuren von Partner GmbH Dr. Oliver Schnell Werner Schniewind Michaela Schnutenhaus Stefan Schörghuber Schörghuber Stiftung & Co. Holding KG Ulrike und des Hauses weiter, denn wir haben nur ein Ziel: Unsere Gesell- Amrita Sher-Gil Schüphaus Robert und Brigitte Schuler-Voith Dr. Dietrich Schulz Peter und Martina Schulz von Siemens Dr. Rolf Schumacher Emil und Eva Schuster- schaft bekannter zu machen, sie noch weiter zu vergrößern, natürlich 7 Shut your eyes and see! 100 mann Dr. Kurt und Elestheria Schwarz Dr. Mathias Schwarz und Nena Silbekuhl-Schwarz Drs. Axel und Cornelia Schweighart Erik Schweitzer auch über den Münchner Raum hinaus, und das Haus der Kunst Stephanie Rosenthal über das Schwarz in der Malerei Dr. Jörg und Sabine Schweitzer Klaus-Werner Sebbel Caspar und Daniela Seemann Ingrid Sele Jürgen Senge Dunja Siegel Siemens AG Annette Skogstad direkt und indirekt zu unterstützen, sowohl in qualitativer als auch 8 Fotografieren erlaubt! 108 Nancy Smith Martin und Jola Sperb Karin Srb Stadtsparkasse München Christoph Stahl Dr. Martin Steinmeyer Dr. Dolf Stockhausen Beteiligungs- in quantitativer Hinsicht. Wir freuen uns nun über Ihr Engagement. Thomas Weski über die Popularisierung der Fotografie GmbH Claudia Strixner Dr. Joachim und Maren Strüngmann Süd-Chemie AG Süddeutscher Verlag GmbH Dr. Philipp Süss Irene Thiele-Mühlhan im Haus der Kunst Karl Thiemig Stiftung Michael und Regine Thiess THÜGA AG Lucia Titgemeyer-Heck Togal Werk AG Triumph International Holding GmbH Ihre Gabriele Jahn und Karsten Schmitz 9 Neue Sicht auf Alte Meister! 116 Trollmann GmbH - Messe- und Ausstellungsbau Burckhardt und Silvia Tross Verlag C. H. Beck oHG Verlag M. DuMont Schauberg Verlag Nürnberger Léon Krempel über seine Brückenschläge zwischen Presse Joachim Vielmetter Kevin Voigt Joachim Graf von Arnim Sigrid von Bodungen Eckbert von Bohlen und Halbach Elisabeth von Dehn Carin P.S.: Wenn Sie nähere Informationen zu einer Mitgliedschaft alter und neuer Kunst von Halem Dr. Oda von Hutten Korinna von Kempski Dr. Heino und Martina von L‘Estocq Dr. Goswin W. von Mallinckrodt Egbert Freiherr von oder auch weitere Exemplare dieses Magazins erhalten möchten, 10 Everything is connected to everything! 122 Maltzahn Rüdiger von Michaelis H.-C. und Verena von Mitschke-Collande Guy und Verena von Moy Prof. Dr. Bolko von Oetinger Dr. Cletus von wenden Sie sich bitte an unsere Geschäftsstelle (Tel. 089 22 26 54, Chris Dercon über Netzwerke, Neugier und seine Pichler Thomas von Salis-Samaden Dr. Susanne von Schacky-Gaede Dr. Marita von Schoeler Bettina von Siemens Ferdinand und Nicole von Siemens [email protected]) Lust am Ungewöhnlichen Nathalie von Siemens Georg und Swantje von Werz Ingrid von Werz Robert von Werz Dr. Georg Vorbrugg Wacker Chemie GmbH Peter und Dorothée Wahl Stefanie Wahl Dr. Karl Wamsler Susanne Wamsler Dr. Barbara Weber Martin Weithofer Gerhard D. Wempe KG Roland O. Westermaier Konstantin Wettig Konstanze Wiedemann Angela Wiegand Prof. Dr. Horst und Lieselotte Wildemann Christian Winter Dr. Wilhelm und Adelhaid Winterstein Wittelsbacher Ausgleichsfonds Adolf Würth GmbH & Co. KG Bettina Zech Albrecht Fürst zu Oettingen-Spielberg Zündapp Wohnungsbau GmbH 1

Stand April 2006 1. warum brauchen sie kunst zum leben? elf mitglieder des freundes-

Weil ich die Tapete einfach nicht mehr sehen konnte? Weil ich zwischen Essen, Schlafen und Kinderkriegen eine sinnvolle Beschäftigung suchte? Weil ich gerne viel Post bekomme! kreises über ihre Eva Felten

leidenschaft 3 Kunst hilft mir, die Welt zu begreifen. Materie wird mit Geist aufgeladen und beseelt. Der Blick der Kunst hilft mir, zu sehen und zu verstehen. Philomene Magers

Als Kunsthändler ist die Frage einfach zu beantworten: Ich brauche Kunst zum Leben, weil ich davon lebe. Und wenn ich nicht Kunsthändler wäre, bräuchte ich immer noch Kunst zum Leben und würde viele Kunsthändler davon leben lassen. Konrad O. Bernheimer

4 5 Die Erdbahn wandert, und eine Eiszeit kommt oder geht, zwei tektonische Platten reiben sich und erzeugen ein Erdbeben, ein Mensch stirbt durch ein Stück geronnenes Blut in seiner Pumpe: Vieles auf dieser Welt passiert nur einfach, ohne Absicht und Bedeutung. Kunst dagegen, mit ihren frei realisierten Artefakten des menschlichen Geistes, kann Absicht und Bedeutung in voller Wucht entfalten, sie kann damit spielen, sie negieren, kommentieren, schärfen. Die Kunst öffnet dem Willen den Weg zur fassbaren Form, und diese Form will ich sehen. Henrik Klagges

6 7 Kunst in all ihren Erscheinungsformen zu erleben und Künstlern zu begegnen ist für mich ein Lebenselixier. Ich empfinde es deshalb als besonderes Glück, in meinem Beruf daran mitwirken zu können, Werken der bildenden Kunst und der Architektur zu einer erweiterten Wirkung und einem besseren Verständnis zu verhelfen. Jürgen Tesch

Sich mit Kunst zu beschäftigen und damit zu leben bereichert mich. Es regt meine Phantasie und Kreativität an und macht meinen Alltag spannender. Meine Wahrnehmung wird sensibler, und die Auseinandersetzung mit der Ästhetik und den Themen der Gegenwart regt zum Nachdenken an. Ich lerne mich selbst besser kennen. Kunst bewegt und inspiriert mich. Dr. Sigrid Löscher-Lorenz

8 Ich lebe mit der Kunst, für die Kunst und von der Kunst. Eine privilegierte Position. Sie öffnet den Weg aus der Realität in eine bessere Realität. Voraussetzung ist der Glaube an die Transformationsfähigkeit der Kunst, das Hässliche des Lebens in sinnliche, aufgeklärte oder absolute Schönheit zu verwandeln. In diesem Spannungsverhältnis zwischen bedingter Wirklichkeit und unbedingter Idee kreativ und selektiv Stellung zu beziehen – durch Ausstellungen, Bücher und die eigene Sammlung – bleibt eine lebenslange Herausforderung. Bernd Klüser

Seit ich denken kann, bin ich von Kunst umgeben. Schon mein Vater war eine feste Größe im internationalen Auktionsgeschäft und ein leidenschaftlicher Sammler. Die Herausforderungen und Überraschungen, die die Branche mit sich bringt, finde ich jeden Tag aufs Neue an- und aufregend. Katrin Stoll

10 11 Kunst – künstlerische Ausdrucksformen finden wir seit ewigen Zeiten im Umfeld des Menschen. Diese Spuren zu verfolgen, darin neue Ideen und Entwicklungen zu finden war und ist für mich immer interessant und aufregend gewesen, befriedigt meine Neugierde und lässt mich Überraschendes erleben. Sicher sind dabei manchmal die Erwartungen zu hoch gesteckt und Enttäuschungen nicht zu vermeiden, aber die Hoffnung auf Entdeckungen und die Freude daran siegt doch immer wieder. Adelhaid Winterstein

12 Gegenwartskunst ist für mich eine Abenteuerreise in eine immer wieder unbekannte Welt. Indem ich sie mir erschließe, lerne ich ein ums andere Mal, Toleranz zu üben und auch die fremdesten Positionen und Lebenswelten zu akzeptieren. Deshalb verbindet sie für mich geistiges Wachstum und Genuss. Ingvild Goetz

Banal: Weil ich als Kunsthändler davon lebe. Und, viel mehr noch: Weil Kunst dem Leben Sinn stiftet und das Leben in all seinen Facetten erst erfahrbar macht. Andreas Gegner

14 15 2. munich – city of

M/M Paris , Utopia of Flows, Poster 2004 perfection!? Utopia Station Poster Projekt initiiert von Hans Ulrich Obrist, Molly Nesbit und Rirkrit Tiravanija für die Ausstellung Utopia Station – Auf dem Weg nach Porto Alegre, Haus der Kunst, 7.10.2004 – 16.01.2005 eine reflektion über münchner kultur und architektur

17 Perfekt ist total imperfekt Wieviel Chance und wieviel Grabesstimmung liegt in der Diagnose „Munich – City of Perfection“, die Rem Koolhaas für kunst.freunde sprach mit Chris Dercon über Münchner Erbaulich- München ausgab? keiten, Strategien gegen das „San Gimignano an der “-Gefühl, Rem Koolhaas, und Jacques Herzog würde darin sicher zustim- und den Kunstwert des Allianz-Arena-Signets auf dem Dach des Haus men, meint damit, dass München eine der wenigen Städte ist, der Kunst. die damals die Entscheidung für eine perfekte Rekonstruktion trafen, eine Form von prospective memory. Und ich glaube wie sie, München wäre nicht München ohne ..? dass das schwierig ist, wenn man sieht, was hier in den 50er, Das würde eine lange Liste ergeben! Auf ihr dürften aber auf 60er, 70er Jahren errichtet wurde. Das ist ein Grad an Perfektion, Europapass von Rem Koolhaas/AMO für Das Bild Europas. AMO/Rem Koolhaas und Foreign Policy Center, keinen Fall Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, oder der tatsächlich viel mit Grabesstimmung zu tun hat. Haus der Kunst, 11.10.2004 – 09.01.2005 aktuell junge Leute wie Konstantin Grcic, Benjamin Heisenberg, Jetzt geht es darum, diese Art von Perfektion anders zu sehen, Florian Süssmayr fehlen. Unsere erste Ausstellung hier am Haus weil diese Art von Perfektion, und das ist auch was Koolhaas und war „Grotesk. 130 Jahre Kunst der Frechheit“, eine Übernahme Herzog meinen, die Chance bietet, etwas anderes zu tun. Mit der Frankfurter Schirn, und da haben wir natürlich dafür gesorgt, einer ganz minimalen Geste kann man sehr viel in dieser Stadt dass in der Münchner Version der Ausstellung Karl Valentin erreichen. einen Ehrenplatz bekam. Auch diese Gesten haben in München Geschichte. Was gab den Warum Valentin? Ausschlag, dass Sie damals von Brüssel an die Isar gezogen sind? Er praktizierte etwas, was ich mit Michel de Certeau als eine Art Meinen ersten Kontakt mit München im Jahr 1983 verdanke strategischen kulturellen Missbrauch bezeichnen würde. Er war ich der Galerie Bernd Klüser, die damals schon unglaubliche zum einen unheimlich wichtig für die lokale Kultur, er hat mit internationale Projekte machte wie Gilbert and George, Cindy tabuisierten Elementen wie der Volkskunst gearbeitet, und etwas Sherman oder Jack Goldstein. Man erinnere sich auch an die unternommen, was mir selbst sehr am Herzen liegt, das ist: fantastischen Editionen von Schellmann und Klüser. Dann habe local goes global. Zum Beispiel gibt es eine kleine, aber tolle Korres- ich Rüdiger Schöttle kennengelernt, über Künstler wie Ludger pondenz zwischen ihm und Apollinaire. Gerdes, Jeff Wall, John Knight, James Coleman, Dan Graham, Glenn Branca, mit denen beide von uns bereits zu tun hatten. Rüdiger war wie ich ein frustrierter Künstler, ich dazu noch ein ganz schlechter, vielleicht der schlechteste Performer Euro- pas in den 70ern! Rüdiger hat sich aber immer als Galerist wie auch als Krypto- Sammler, Theoretiker, Künstler und Kurator gesehen. Das fand ich interessant, er war in dieser Selbsteinschätzung nicht alleine. Der Düsseldorfer Galerist Konrad Fischer war damals für uns belgische Kunst-Teenager ein ähnlicher Typ. Diese Zeit ist heute längst vorbei.

Blick in die Ausstellung Das Bild Europas. AMO/Rem Koolhaas und Foreign Policy Center, Haus der Kunst 11.10.2004 – 09.01.2005 (links), Fahne für Utopia Station von Leon Golub vor dem Haus der Kunst

18 19 Wandcollage von Rem Koolhaas/AMO für Das Bild Europas. AMO/Rem Koolhaas und Foreign Policy Center, Haus der Kunst, 11.10.2004 – 09.01.2005

20 21 Karl Valentin als Loreley, um 1916, Poster Faschingsball, 1957 (rechts)

22 1983 bin ich dann total zusammengebrochen und wollte die Die Kreise, die ich hier nur anreißen kann, breiteten sich weiter An welchem Punkt muss man dafür ansetzen? Wir arbeiten an der Ästhetisierung von Werbung, weil es schön Kunstwelt, die ich geprägt sah von einer rein kommerziellen Art aus. Es kam dann Alexander Kluge mit seinem Fernsehmiss- Vernetzung. Wir versuchen am Haus der Kunst immer, dass aussehen wird. Und, wir radikalisieren die Stadt und Aussicht, neuer Malerei, vergessen und verlassen, da kam das Kunstforum- brauch, Lothar Schirmer und seine Fotobücher und Michael Menschen miteinander ins Gespräch kommen, wenn sie auch was wiederum Rem Koolhaas und auch Herzog & de Meuron so Heft Goldener Oktober heraus, kuratiert von Rüdiger Schöttles Krüger vom Hanser Verlag. Was er für die niederländische und oft gegeneinander sprechen, das ist gut, das inspiriert. Es geht interessiert. Denn München ist perfect und zugleich auch total Kompagnon Jörg Johnen. Was für ein Manifest an interdiszipli- flämische Literatur getan hat ist unermesslich. Man vergesse uns um die Idee eines Kulturzentrums für München. Für solcher- imperfect, gerade weil es hier so wenig Werbung gibt. Und das ist närem Kunst-Wissen und Schaffen! Und das hat mir wieder auch nicht die einflussreiche Männerfreundschaft zwischen art interdisziplinären Wissens- und Kunstaustausch hat Mün- paradox und interessant. Da bewirken diese kleinen paranoiden den Mut gegeben, weiter zu machen. So kam ich dann 1987 dazu, ihm, Bazon Brock und Hubert Burda. Ich bin etwas jünger, aber chen genau die richtige Größe und auch Tradition: Man denke Gesten enorm viel, indem sie ungewohnte Ansichten in die Stadt zusammen mit Schöttle den „Theatergarten Bestiarum“ zu pro- mich interessiert diese Art des intellektuellen Snobismus. nur an die Sammelleidenschaften von global players avant la lettre induzieren. Das funktioniert in München viel besser als bei- duzieren. Es wurde in mancherlei Hinsicht ein Shakespearisches wie Elisabeth von Bayern, oder heute Mäzene wie Herzog Franz spielsweise in Berlin. Zu der Entfaltung einer höheren Kultur Drama, aber mittlerweile ist es auch eine Kultausstellung für Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas sind auch dank Ihnen oder natürlich Hubert Burda und Ingvild Goetz, eine Sammlerin gehört auch der schmerzliche Prozess der Entprovinzialisierung. junge Künstler wie Dominique Gonzales-Foerster. Rodney stete Gäste dieser Stadt. Warum sind sie für München so wichtig? von internationalem Rang und enormem Weitblick. München Graham, Glenn Branca, James Coleman, Ludger Gerdes, Jeff Wall, Was fasziniert sie an der Stadt? war bei aller barocken Gefälligkeit immer schon auch eine exo- Rem Koolhaas nutzt jede freie Minute in München, um schwim- Dan Graham, Juan Munoz, Marin Kasimir, C.P. Müller, Hermann Beide sind fasziniert von einem ausgeprägten Pragmatismus tische und kosmopolitische Stadt. men zu gehen. Was sind Orte der Erholung, der Inspiration, die Pitz waren Teil dieses Kollektivs zur Realisierung der Utopie des kombiniert mit instinktiver Intelligenz und von Personen mit Sie in München regelmäßig aufsuchen? Paradiesgartens von Rüdiger Schöttle. Eine Ausstellung wie ein öffentlichen Ambitionen und privatem Geld. Das ist die Schizo- Der Schriftzug der über dem Haus der Kunst – Das Alpine , das ist vor allem im Sommer ein schöner riesiges Theater, eine Cinema-Plattform, und die Leute saßen phrenie von vielen Architekten. Wenn man für Kunden wie eine worum geht es Ihnen mit dieser umstrittenen Geste? Ort. Und ich liebe es, am Wochenende im Haus der Kunst in Ruhe auf der Bühne. Darüber gibt es zahllose Bücher. Diese Ausstellung Staatsregierung oder Stadt arbeitet, gibt es immer Grenzen, Es geht um kulturellen Missbrauch à la Karl Valentin oder Michel die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zu lesen. sollte man eigentlich noch einmal rekonstruieren ... Grenzen des Budgets, aber hier in München gibt es noch richtige de Certeau. Wir sind in der Position, eine unglaublich mächtige Mäzene, ehrgeizige Sammler oder weltläufige Firmen, und das Institution wie die FIFA an der Nase herum zu führen. Sie sagen, Das Gespräch führte Nan Mellinger Das alles hört sich nicht nach den gängigen Klischees an, die an ist sicher, was uns alle fasziniert. Und beide, eher vielleicht noch es darf keine Werbung im Umkreis von einem Kilometer um München haften ... Koolhaas, haben sich immer mit solchen Dualitäten und Span- das Stadion geben, der Allianz-Schriftzug soll also eingelagert Ich habe diese Stadt nie konservativ erlebt. Aber meine Sicht nungen auseinandergesetzt. Auch für uns gibt es derart produk- werden. FIFA will auch nichts in der Stadt haben, das nicht von war beschränkt auf einzelne Positionen. Nach Rüdiger kam tive Konflikte, aber wie soll man in einer Stadt wie dieser noch ihnen genehmigt ist. Und wir machen jetzt diese kritische, para- Elisabeth Schweeger, die im Marstall produziert hat, u.a experi- reaktionär sein?! noische Geste im Sinne von Duchamp, Dalí und Warhol , d.h. mentelle Performances von . Dirk Die City of Perfection ist eine Nulloption, und trotzdem erlebe ich wir nehmen etwas, was verboten ist, was sozusagen temporär Snauwaert ging zum Kunstverein, er ist ein guter Freund von jeden Tag in dieser Stadt eine lebendige Kultur. München aus weggeschmissen wird und bezeichnen es als Kunstwerk. Es ist mir. Was in München passierte, strahlte wirklich in die Welt. dieser Nulloption zu heben, gegen das „San Gimignano an der eine wirtschaftliche, politische, urbanistische und kulturelle Einflussreiche, radikale Kunstvermittler wie Christian Nagel, Isar“-Gefühl zu arbeiten, dafür mache ich Programm. Geste, eine Auseinandersetzung mit der Privatisierung des kritische Künstler wie Andrea Fraser waren hier, auch die Club- öffentlichen Raumes. Und ein Crashkurs in Kunstgeschichte. kultur Anfang der 70er Jahre war unheimlich stark: Patti Smith Man mag sagen, wie Oberbürgermeister Ude, es könne doch kam erst nach München und ging dann nach Berlin! nicht sein, dass etwas, was die Allianz so viel Geld kostete, jetzt so Das Dandyhafte kombiniert mit einer Anarchoatmosphäre, dazu billig vermarktet wird. Aber wir reduzieren hier eine enorme gehörte natürlich auch Fassbinder. Und nicht zu vergessen: Investition auf fast zero Kosten, und es wird ein Kunstwerk. Enno Patalas, damals Leiter des Filmmuseums. München war Plötzlich wird Tauschwert in Gebrauchswert transformiert. Das damals für Cinefile wie uns eine Adresse wegen ihm. ist ein alter Trick. Und die Architekturwochen, die zur selben Zeit stattfinden, tragen passender Weise den Titel „Geld – Macht – Schön“. Not macht erfinderisch!

Christoph Schlingensief und Chris Dercon anlässlich der Paul McCarthy-Ausstellung, Haus der Kunst, 9.7.2005 (links) Yoko Ono, Pressekonferenz Utopia Station, 24.9.2004 (rechts) Rem Koolhaas, Pressekonferenz am 10.10.2004 für Das Bild Europas, Haus der Kunst (rechte Seite, links), Patti-Smith-Konzert am 19.12.2003 anlässlich von Strange Messenger: The Work of Patti Smith im Haus der Kunst

24 25 >> yes of course, we are incre- dibly fascinated by imperfection, we don’t need perfection. but that was really before i came to munich ... where all the decay, all the neglect, all the imperfection, all the chaos seems to be under a kind of control.

rem koolhaas > 27 > If you’d asked me whether perfection was possible and whether one of the features of our work was to find a way with imper- fection, I would have perhaps stupidly told you: yes of course, we are incredibly fascinated by imperfection, we don’t need per- fection. But that was really before I came to Munich. And I really must say, although I have known Munich for a while, that it is only perhaps because of my ever increasing experiences with other cities and other conditions, such as in Africa and Asia, or for instance in India, or certain conditions in America, that this kind of value of Munich is becoming more evident to me – and it actually almost shocks me.

What probably everyone thought to be an ironic comment on the perfection of a city, is actually much more a kind of shocked awareness that there are still places where all the decay, all the neglect, all the imperfection, all the chaos which we take for granted, seems to be under a kind of control. I cannot even remotely claim to understand why it is under control here, whether it is a form of repression or a form of hidden organized civic life. Or a form of systematic moneyflow that enables to sustain and to support what looks like a stage set of perfection. I really do not understand, where it comes from or whether it is a collective decision on an unconscious level of not tolerating anything that is imperfect … maybe it is simply that.

It is one of those rare moments when I’ m struggling for words to describe or to interpret a given situation. And that’s also why I was not among those people who said: of course it is ridiculous to limit skyscrapers in Munich to a height of 100 meters.

Because I am not yet sure, whether it is ridiculous or not, or whether here it does make some kind of perfect sense. Carsten Recksik, Rem Koolhaas meets Herzog & de Meuron, 2004 (rechts) Rem Koolhaas, Chris Dercon, Hans Ulrich Obrist anlässlich Das Statement von Rem Koolhaas ist der Diskussion im Anschluss an einer Matinee zum Utopia Station Poster Projekt, Haus der Kunst, 21.9.2003 seinen Vortrag „Post Iconic Turn. Advantages of Neglect” entnommen, gehalten am 25.11.2004 im Rahmen der Vorlesungsreihe „Iconic Turn – Das neue Bild der Welt” an der LMU München. Eine Veranstaltung der Burda Akademie zum Dritten Jahrtausend.

28 >> frankfurt entschied sich nach dem krieg für eine tabula rasa und eine vertikale stadtsilhouette, währenddem münchen seiner vom königshof importierten bilderwelt verhaftet blieb und auf rekonstruktion und historische simulation setzte. jacques herzog

und pierre de meuron > 31 > Es gelingt keiner Stadt, keiner einzigen Stadt, sich von den realen, simulierten und kultivierten Fesseln ihrer lokalen Gebun- denheit zu befreien, um sich neu zu erfinden. Nicht einmal nach einer wirklichen und radikalen Katastrophe. Im Gegenteil: Am Beispiel des Wiederaufbaus der deutschen Städte nach dem Krieg kann man beobachten, welch unterschiedliche (Wunsch) Bilder sich die verschiedenen Städte von sich selbst machten und welch unterschiedliche Wiederaufbauszenarien dabei heraus- schauten. Eine Unterschiedlichkeit, ausgeprägter als in all den vorangehenden Jahrhunderten, bevor die Bomben die Städte in alles gleichmachende Trümmer legten. Eine Unterschiedlich- keit auch, welche sich bis zum heutigen Tag noch verstärkt hat und auch neu entstehende Teile der Städte mittels Simulation Herzog & de Meuron wurde 1978 von Jacques Herzog und Pierre de Meuron in Basel gegründet. Als weitere Partner kamen Harry Gugger überformt. (1991) und Christine Binswanger (1994), gefolgt von Robert Hösl und Ascan Mergenthaler (beide 2004) und Stefan Marbach (2006) hinzu. Frankfurt und München im Vergleich: einerseits Frankfurt eine Weltweit bekannt wurde das in Europa, Amerika und Asien bauende Stadt der Bürger, der Citoyens, die in selbstbewusster Eigen- Büro durch die Tate Modern, London, die 2000 eröffnet wurde. In initiative ihre Stadt seit jeher vorwärtspushten und als Plattform Peking entsteht derzeit das Stadion für die Olympischen Spiele 2008. für Handel, Gewerbe und städtische Dienstleistungen benutzten – In Hamburg soll 2009 die neue Elbphilharmonie eröffnet werden. Jacques Herzog und Pierre de Meuron betreuen Lehrstühle an der andererseits München, mit höfischer Tradition, mit einem Harvard University in Cambridge (1989 und seit 1994) und, seit 1999, Königshaus, das die Stadt im 18. und 19. Jh. nach italienischen am ETH Studio Basel, Institut Stadt der Gegenwart. 1999 hat das Vorbildern neu erfand, quasi ein Stück Italien in Deutschland ETH Studio Basel begonnen, das urbane Potential der Schweiz aufbauen ließ. Frankfurt entschied sich nach dem Krieg für eine auszuloten. Das Ergebnis dieser Forschungsarbeit ist 2005 unter dem Tabula rasa und eine vertikale Stadtsilhouette, währenddem Titel „Die Schweiz. Ein städtebauliches Portrait“ publiziert worden. München seiner damals vom Königshof importierten Bilderwelt verhaftet blieb und auf Rekonstruktion und historische Simu- lation setzte.

Frankfurt (Tabula rasa) vs. München (Rekonstruktion, historische Simulation): Ausdruck einer kulturellen und kultivierten Diffe- renz. Fast scheint es, als habe die Bombardierung die spezifische Gestalt der Stadt erst hervorgebracht, die zuvor unerkannt im Verborgenen dahinschlummerte. aus: Jacques Herzog und Pierre de Meuron: „Was die Städte unter- scheidet“, einleitender Text zur städtebaulichen Untersuchung über die Städte Neapel – St. Petersburg – San Francisco – Paris am ETH Studio Basel, Institut Stadt der Gegenwart 2003.

32 33 Thomas Ruff, Allianz Arena, 2005

34 35 >> die allianz arena wird als wahrzeichen für die dynamische entwicklung münchens empfun- den. der faszination des silbern schimmernden, zuweilen wolkenartig wirkenden gebildes können sich selbst die verächter moderner architektur nicht entziehen. wolfgang jean stock > Sinnlich, nicht kulinarisch

Herzog & de Meuron haben der Münchner Architektur vier Vorbilder beschert

Von Wolfgang Jean Stock München ist anders. Die süddeutsche Metropole hat weder die Frivolität von Wien oder den rigiden Ernst von Zürich noch die unbekümmerte Betriebsamkeit von Frankfurt am Main. Mit einem Unterton von Resignation hat der amtierende Oberbürgermeister Christian Ude einmal eingestanden: „Die Münchner lieben auch beim Bauen das Kuli- narische.“ Welche Anspielung da mitschwang, war Ude vielleicht gar nicht bewusst. Wer sich aber den dominierenden Postmodernismus zwischen Backstein-Nostalgie und Naturstein-Protz vor Augen führt, dem fallen in Analogie ortstypische Gerichte wie Schweinshaxe in Biersoße ein. So schwer verdaulich das Essen ist, so grobschlächtig ist das geläufige Bauen. Es sei denn, der Münchner will auf den Zug des Zeitgeistes springen: Da entstehen dann exaltierte Gebäude wie der Erweiterungsbau der Kunst- akademie von Coop Himmelb(l)au oder banale Hochhäuser, welche die Stadtgestalt beleidigen.

Die Traditionslinie einer Architekturmoderne, die Eleganz mit Funktionalität und städte- baulicher Qualität verbindet, ist in München schmal geblieben. Gerade für die Archi- tektur gilt das schon historische Wort von Frank Wedekind, dass in München Neues „trotzdem“ geschehe. In den letzten Jahrzehnten gingen solche Leistungen besonders auf Architekten wie Kurt Ackermann und Peter C. von Seidlein, Uwe Kiessler und Thomas Herzog zurück. An ihnen kann heute eine aktive junge Generation anknüpfen, die sich für mehr Baukultur einsetzt.

„München will gar nicht erörtert, München will gelebt und geliebt sein“ – mit diesem Satz traf der Verleger Ernst Heimeran das heimische Selbstverständnis. Die Basler Archi- tekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben die Stadt aber sehr wohl erörtert. Ihren Einstand gaben sie mit dem 1992 fertiggestellten Galeriehaus für die Sammlung Goetz in Oberföhring. Der strenge, quaderförmige Bau sicherte ihnen sofort die Auf- merksamkeit. Hier zeigte sich bis hin zu den präzisen Details eine Architektursprache, die für München neuartig war. An ganz anderer Stelle, nämlich mitten in der Altstadt, vollendeten Herzog & de Meuron ihren zweiten Beitrag zur Münchner Architektur der Gegenwart. Das im Jahr 2000 bezogene Geschäftshaus an der Herrnstraße fügt sich in seine historische Umgebung ein und setzt zugleich durch seine Glashaut mit den geschwungenen Schienen für den Sonnenschutz ein markantes Zeichen für das moderne Weiterbauen an der Stadt.

Der erste große Münchner Auftrag war für Herzog & de Meuron die Umgestaltung des früheren Hypo-Blocks im Zentrum. 1994 gewannen sie den internationalen Wettbe- werb, weil sie die örtliche Situation sensibel untersucht hatten. Ihr Entwurf bezog sich zum einen auf die Hofstruktur der nahen Residenz, zum anderen auf einen Vorschlag aus der Nachkriegszeit, den hermetischen Block durch Passagen zu öffnen. Gleichwohl wollten die Münchner keinen völligen Neubau, sondern bestanden auf der Erhaltung der vertrauten Fassaden. Dies führte im Lauf der Jahre zu einer grundlegenden Um- planung nach innen hin, die sich für München als Glücksfall erwiesen hat. Herzog & de Meuron haben mit den Fünf Höfen beispielhaft gezeigt, wie sich der Innenraum eines Blocks zeitgenössisch aktivieren lässt. Als Anfang 2001 der erste Bauabschnitt fertig war, überwog bei den Münchnern wegen der angeblich kalten und abweisenden Materialien noch die Skepsis. Sie schwand jedoch, als wenig später die neue Kunsthalle eröffnet wurde: Hier drängt sich die Architektur nicht eitel in den Vordergrund, sondern bietet Sammlung Goetz, Haus für neutrale Räume als Bühne für die Kunst. Auch wegen des geschickten Branchen-Mix eine Zeitgenössische Kunstsammlung, werden die 2003 vollendeten Fünf Höfe mittlerweile derart frequentiert, dass sie aus München, 1989-1992 dem städtischen Alltag nicht mehr wegzudenken sind.

38 39 An dieser Stadterneuerung auf höchstem Niveau lässt sich das Selbstverständnis von Herzog & de Meuron exemplarisch ablesen. Sie zählen zu jenen europäischen Archi- tekten, die der Moderne verpflichtet sind, ohne aber die kritischen Anstöße von Seiten der „Postmoderne“ außer Acht zu lassen. Dies drückt sich zum einen in ihrem unge- wöhnlichen Umgang mit gewohnten Materialien aus, zum anderen im gesteigerten Interesse an der Formulierung der Gebäudehülle. So überlagern sie ihre oft streng ge- zeichneten Baukörper mit fein abgestimmten Materialschichten, um das Besondere einer jeden Aufgabe herauszuarbeiten. Darin äußert sich eine gleichsam „romantische“ Position mit dem Ziel, sinnliche Wahrnehmungen auszulösen.

Fünf Höfe, Innenstadtprojekt für München, Herzog & de Meuron, die 2001 den renommierten Pritzker-Preis für Architektur erhal- Perusahof, 1997-2003 ten haben, sind freilich weit mehr als nur virtuose Gestalter baulicher Oberflächen, Wohn- und Geschäftshaus Herrnstrasse, worauf sie in der veröffentlichten Meinung manchmal festgelegt werden. Auch für sie München, 1996-2000 (links unten) liegt die primäre Bedeutung von Architektur in ihrer Räumlichkeit, wie Jacques Herzog mehrfach betont hat: „Raum ist letztlich das Einzige, worin sich Architektur von anderen Medien unterscheiden kann.“

In den Olymp der Münchner Architektur sind Herzog & de Meuron schließlich mit dem neuen Fußballstadion aufgestiegen. Schon während ihrer Bauzeit wurde die „Allianz Arena“ als Wahrzeichen für die dynamische Entwicklung der Stadt empfunden. Der Faszination des silbern schimmernden, zuweilen wolkenartig wirkenden Gebildes können sich selbst die Verächter moderner Architektur nicht entziehen. Auch hier ist den Architekten eine Gegenposition zum Kulinarischen geglückt: Das Stadion spricht außen und innen alle Sinne an, weil Raumbildung und Gebäudehülle konsequent aus den Potenzen der eigenen Zeit entwickelt wurden. Mit ihren Münchner Bauten haben Herzog & de Meuron vier unterschiedliche Vorbilder geschaffen. Dies sollten vor allem künftige Münchner Bauherren als attraktives Angebot erkennen.

Wolfgang Jean Stock, Jahrgang 1948, ist Historiker und Sozialwissenschaftler und übt seit 1976 leitende Tätigkeiten im Kunst- und Verlagsbereich aus. Von 1978 bis 1985 war er Direktor des Kunstvereins München, von 1986 bis 1993 Architekturkritiker der Süddeutschen Zeitung, und von 1994 bis 1998 stv. Chefredakteur der Zeitschrift Baumeister. Seit 2006 ist Wolfgang Jean Stock Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst. Letzte Buchveröffent- lichung: Christliche Sakralbauten in Europa seit 1950 (Architekturführer).

40 41 3. was lernt mich das? andreas langenscheidt im gespräch mit peter raue

43 Peter Raue, Vorsitzender des Vereins der Freunde der Nationalgalerie auch Nicht-Mitgliedern. Dies tun wir zum Beispiel mit so in Berlin, und Andreas Langenscheidt, Vorsitzender der Gesellschaft der genannten „Living Labels“, Kunststudenten und Kunsthistori- Freunde Haus der Kunst München trafen sich am 4.4.2006 in der kern, die individuell durch Ausstellungen führen. Und wir Goldenen Bar zu einem „Gespräch unter Freunden“. unterstützen zusätzlich auch Kinder- und Unterrichtsprogram- me, Führungen und Workshops. Andreas Langenscheidt: Lieber Herr Prof. Raue, ich freue mich Der Erwerb von Kunstwerken gehört allerdings nicht mehr zu sehr, unsere früheren Begegnungen diesmal hier in München unseren Aufgaben, wie es in den Jahren zwischen 1954 und Ende fortzusetzen. Wir Münchner schauen alle mit großem Interesse der 80er Jahre durchaus Usus war – z. B. anlässlich der großen nach Berlin, zum Kunstgeschehen dort, und natürlich auch Kunstausstellungen. Die erworbenen Objekte wurden damals zur Nationalgalerie mit ihrem großen Programm und den langen sogar weiter verliehen – meist unentgeltlich an Mitglieder oder Warteschlangen vor den Museen. Wie sind die Freunde der Na- auch an Firmen. Eines unserer Themen in den letzten Monaten tionalgalerie und das Museum miteinander verknüpft? war es, diese großen Bildbestände endlich wieder ins Haus zu- Peter Raue: Die Museen in Berlin sind, wie Sie vielleicht wissen, rückzuholen – was nicht immer leicht war. Nun sind diese 1300 Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Diese Stiftung besteht Werke wieder im Haus. Heute gehört eine solche eigene Samm- aus zwei großen Blöcken. Der eine ist der Museumsblock, der lung nicht mehr zu unseren Zielen und Visionen, denn wir wol- andere betrifft die Staatsbibliothek und kleinere Einrichtungen. len ja ein Ausstellungshaus unterstützen und nicht ein Museum Der Museumsblock besteht aus 17 Museen, mit einem General- mit einer ständigen Sammlung. direktor, dem wiederum für jedes Museum ein Direktor unter- stellt ist. Lediglich die Nationalgalerie bildet eine – allerdings Gabriele Jahn: Professor Raue, wenn Sie die Bewachung einer Aus- gewichtige – Ausnahme: Schuster ist in Personalunion General- stellung finanzieren, sind das nicht Verpflichtungen, die Sie eingehen, direktor und Direktor der Nationalgalerie. Unser Freundesverein die nichts mit den Aufgaben Ihres Vereins zu tun haben? ist, wie alle Freundesvereine, ein selbstständiges, ausnahmslos Ich finde es auch einen Skandal, dass wir das tun müssen. Ich gemeinnütziges Gebilde. Allerdings gibt es eine Verzahnung habe immer gesagt, die Bewachung des sind so dadurch, dass der Direktor der Nationalgalerie, Generaldirektor genannte „Sowieso-Kosten“. Darauf heißt es, die Museen seien Schuster, geborenes Mitglied in unserem Vorstand ist. Wenn also heute so unterfinanziert, dass sie Kosten für die Bewachung unser Vorstand tagt, dann tagen fünf Personen, eine davon ist des Museums nicht mehr aus dem normalen Etat, sondern aus der Generaldirektor und Direktor in einer Person, die anderen den so genannten operativen Kosten finanzieren müssen. Die vier sind die gewählten Vorstandsmitglieder, zu denen ich gehöre. operativen Kosten sind aber eigentlich dafür da, Ausstellungen zu finanzieren und Erwerbungen zu tätigen. Weil aber für die Bei uns ist dies ganz anders gestaltet: Wir gehören zu den ganz normale Bewachung kein Geld da ist, bezahlt man die Leute aus wenigen Häusern oder Institutionen mit einer echten Public den operativen Kosten. Das ist eben das alte Thema, dass diese Private Partnership, denn die Stiftung Haus der Kunst hat ja vier Freundeskreise plötzlich staatliche Aufgaben übernehmen sollen, Gesellschafter: den Freistaat Bayern, die Schörghuber Unter- statt zusätzliche Mittel aufzubringen. nehmensgruppe, unseren Freundeskreis und die Ausstellungs- leitung Haus der Kunst e.V. Wir haben uns, das ist wichtig zu Wenn Sie bei Ihren so genannten Blockbuster-Ausstellungen, wissen, durch einen mehrjährigen Fördervertrag verpflichtet, die es in Berlin gab und gibt, geholfen haben, Zuschüsse zu die Betreibergesellschaft mit einem Mindestbetrag von 300 000 erwirtschaften, dann wächst ja auch der Einfluss des Freundes- bis 400 000 Euro jährlich zu unterstützen; außerdem fördern wir kreises zumindest potenziell auf die Planung künftiger Aus- noch zusätzlich projektbezogen. Das ist bei Ihnen wohl anders. stellungen. Wie operieren Sie dort in Berlin? In der Tat: Zunächst einmal geht es bei uns um den Erwerb Dazu muss man Zweierlei sagen: Wir haben in den vergangenen von Arbeiten. Alle in den letzten 30 Jahren erworbenen Arbeiten, 25 Jahren insgesamt 50 Ausstellungen organisiert und finan- im Wert von heute rund 100 Mio. Euro, sind Eigentum des ziert. Wir haben in dieser Zeit für Ausstellungen 39 Mio. Euro Vereins. Auch Ausstellungen wie MoMA, Goya, Picasso oder wie ausgegeben und knapp 40 Mio. Euro eingenommen – der MoMA- jetzt Melancholie werden von uns finanziert, das geht teilweise Erfolg ist hier nicht eingerechnet. Das heißt, wir finanzieren sogar so weit, dass wir die Bewachung der Ausstellung an die mit den erfolgreichen die finanziell erfolglosen Ausstellungen. Nationalgalerie bezahlen. Denn in deren Etat gibt es nicht ein- mal mehr Geld für Bewachungsleute, was niemand laut sagt und öffentlich beklagt. Professor Dr. Peter Raue, 65, wurde in München geboren und lebt seit Ja, da haben Sie natürlich ganz andere Verpflichtungen als wir 1961 in Berlin, wo er als Rechtsanwalt Künstler wie Botho Strauß, Heiner Müller oder die Berliner Philharmoniker beruflich vertritt und sie haben. Unser Förderkreis erfüllt im Prinzip drei Aufgaben: privat fördert. Zu den zahlreichen Ehrenämtern des „heimlichen Erstens unterstützen wir das Haus der Kunst finanziell. Kultursenators von Berlin“ gehört der Vorsitz des Vereins der Freunde Zweitens kümmern wir uns um das Thema Kunstvermittlung: der Nationalgalerie, der mit einer Vielzahl erfolgreicher Sonderaus- d. h. wir sind bemüht, nicht nur unseren Mitgliedern die Inhalte stellungen und spektakulärer Bildankäufe Maßstäbe für eine erfolgreiche der Ausstellungen näher zu bringen, sondern darüber hinaus und visionäre Kunstförderung setzt.

44 Wir werden im nächsten Sommer Brice Marden zeigen, einen Picasso gezeigt, d. h. die Werke aus dem Musée Picasso. Das war der Titanen der amerikanischen Kunstszene, das wird alles, nur als Blockbuster, wenn Sie so wollen, geplant und ist es jedoch kein Publikumserfolg werden. Wir akzeptieren auch, dass das nicht geworden. Das Publikum hat diese Ausstellung – immer- Geld kostet. Wir haben aber in den vergangenen dreißig Jahren hin 150 000 Besucher in zwei Monaten – nämlich nicht so fast genauso viel Geld für Ausstellungen eingenommen wie angenommen, wie wir das gehofft hatten. Dann haben wir die ausgegeben. Ein über Jahrzehnte hin gesehen ausgeglichener Melancholie-Ausstellung gemacht, die wir zurzeit zeigen. Eine Ausstellungsetat. Die Spendenmittel, die dem Verein durch grandiose und extrem schwierige Ausstellung, von der ich Beiträge und auf sonstige Weise zufließen, gehen also gerade geglaubt hatte, der Berliner wird da nicht hingehen. Er wird nicht in die Ausstellungsprojekte, diese tragen sich selbst. Die sagen „krank bin ick von allene“ oder „das brauche ich nicht“. MoMA-Ausstellung nimmt damit eine Sonderstellung ein und Das war ein Irrtum: Die Ausstellung ist ein wahnsinniger Erfolg. ist aus der Betrachtung deshalb ausgeschlossen. Obwohl sie 13 Bei dem Wort Blockbuster entsteht so ein bisschen der Ein- Mio. Euro gekostet hat, hat sie einen spektakulären Gewinn von druck, als sei alles nur auf Erfolg getrimmt. Dazu gehört natürlich 6 Mio. Euro gebracht. Und genau aus dem Grund, den Sie nen- die MoMA-, aber auch die -Ausstellung hier in Mün- nen, haben wir dieses Geld sofort weggesperrt. Wir haben den chen, wo tout le monde zur Eröffnung kommt – das ist doch gesamten Betrag einer von uns gegründeten selbstständigen etwas anderes als eine normale gute Ausstellung, eben wie die Stiftung zugeführt, die berechtigt und verpflichtet ist, aus den Goya-Ausstellung. jährlich rund 350.000 Euro Zinsen ausschließlich zeitgenös- sische Kunst für die Nationalgalerie – genauer: den Hamburger Das würde mich jetzt von beiden interessieren: Was ist für Sie eigentlich Bahnhof – zu erwerben. Hätten wir den MoMA-Erfolg nicht das Kriterium für eine gute oder eine erfolgreiche Ausstellung? Was auf diese Weise konzentriert verwendet, so wäre die Gefahr allzu macht eine gelungene Ausstellung aus? Sicher nicht nur Superzahlen? groß, dass wir zu einer Art Zapfsäule für größere und kleinere Also, da gehen die Begriffe durcheinander: gut, gelungen, Bedürfnisse der Nationalgalerie werden. erfolgreich. Eine Ausstellung ist dann gut, wenn sie uns etwas Neues, letztlich noch nie Gesehenes, zeigt. Das kann auch Ja, aber das überrascht mich jetzt, dass Sie das so formulieren. eine Picasso-Ausstellung sein, wie damals die Ausstellung „Picas- Ich finde, ein bisschen sollten wir schon Zapfsäule sein, das so nach Guernica“, das war wirklich ein neuer Blick auf diese ist natürlich zu negativ formuliert, denn als Gesellschaft sehen merkwürdige Phase der Nach-Guernica-Zeit. Dagegen ist die wir uns auch als Förderer unseres Ausstellungsprogramms. Dalí-Retrospektive wie jetzt in Köln für mich keine wirklich gute Unter Zapfsäule verstehe ich, dass man sagt: Pass mal auf, wir (aber mit Sicherheit eine erfolgreiche!) Ausstellung, weil sie wollen hier ein Buch herausgeben, könnt Ihr uns nicht ein eigentlich nur die bekannten Déja-vus aneinander reiht. bisschen Geld dazu geben? Oder: Wir hätten gerne hier ein biss- Gut ist eine Ausstellung also dann, wenn sie etwas Neues zeigt, chen und da ein bisschen – genau dieses Verkleckern möchten und dazu gehört eben auch, einen Künstler wie Brice Marden, wir nicht. Wir wollen ganz grundsätzlich entscheiden. Deshalb von dem man immer wieder nur beeindruckende Einzelwerke finanzieren wir die Picasso-, die Goya-, die Melancholie-Aus- gesehen hat, mal auf den Prüfstein zu stellen – oder das ebenso stellung – drei Ausstellungen in einem Jahr! schwierige wie grandiose skulpturale Werk von Cy Twombly ( jetzt in der Alten Pinakothek) zu zeigen. Es ist ja ein Phänomen, Ist das ein Programm der großen Blockbuster? dass Retrospektiven einen Künstler in den Himmel heben oder Das sind keine Blockbuster. in die Hölle stürzen lassen können. Man erkennt plötzlich nach 80 Bildern De Chirico oder Magritte, wie gerade in New York, War Goya nicht einer? dass der Künstler vielleicht doch nicht die Qualität hat, die wir MoMA würde ich als einen solchen bezeichnen, nicht Goya. Aber ihm zubilligen. was ist überhaupt ein Blockbuster? Die Goya-Ausstellung lief Man sagt in schlechtem Deutsch: Was lernt uns das? Ich finde, zwei Monate und war ein Riesenerfolg. Aber nicht jede Ausstel- eine gute Ausstellung muss einen „was lernen“. lung, die ein großer Erfolg ist, ist gleichzeitig ein Blockbuster. Ja, da muss ich aber jetzt provozierend fragen, was hat mich Blockbuster bedeutet für mich: ein großer Publikumserfolg. denn die MoMA-Ausstellung gelernt? Das ist für mich nämlich Und ich habe verstanden, dass es einer war. eine hochinteressante Frage. Na ja, dann könnte man eigentlich sagen: Was ein Blockbuster Ja, die MoMA-Ausstellung, die sprengt natürlich in jeder Hinsicht ist, weiß man erst hinterher. Wir haben nach Goya den privaten den Rahmen. Aber ich finde, sie hat uns eine ganze Menge „gelernt“. Sie hat einen kühnen, vielleicht sogar falschen Kanon vorgestellt dessen, was die Kunst des 20. Jahrhunderts ist. Das MoMA steht geradezu symbolträchtig für den Blick auf dieses 20. Jahrhundert. Andreas Langenscheidt, 53, Verleger in vierter Generation und Geschäftsführender Gesellschafter der internationalen Verlagsgruppe Langenscheidt. Seit 2004 ist er Vorsitzender des Vorstands der Gesellschaft der Freunde Haus der Kunst.

46 47 Aber nur aus amerikanischer Sicht ... Das war sein erster großer … Das New Yorker MoMA ist wahrscheinlich das berühmteste ... und was bedeutet das? Wir lernen einen Künstler kennen Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Das ist das erste. Das und dann ist es mir nicht so wichtig, wie gut oder schlecht die zweite ist, es stellt den amerikanischen Blick auf die Kunst des Ausstellung kuratiert ist. Wenn Sie dagegen jetzt „click double- 20 Jahrhunderts dar, mit einem faszinierenden Phänomen, das click“ machen oder wenn wir in Berlin „Melancholie“ zeigen, da viele gar nicht begriffen haben. Bis 1945 taucht in der Berliner kommt es entscheidend darauf an, wie die Ausstellung kuratiert MoMA-Ausstellung kein einziger Amerikaner auf, mit Ausnah- ist, denn unter diesem Thema kann man Gutes und Schlechtes, me von Hopper. sich Wiederholendes oder sich Widersprechendes zeigen – da Nach 1945 gab es kein einziges europäisches Kunstwerk in der kommt es sehr auf die Leistung des Kurators an. Ich denke, man Ausstellung – mit Ausnahme des Richter-Zyklus. Das war ja der muss die Ausstellung immer vom Besucher aus betrachten. Wir Grund, warum Werner Spies diesen wütenden Artikel gegen die müssen von dem Sockel der Mitwisser und Eingeweihten herun- Ausstellung in der FAZ geschrieben hat. Er sagt, sie sei eine tersteigen und dem Menschen auf der Straße einen Grund geben, bewusste Geschichtsfälschung, weil weder noch Picasso zu kommen und so viel Geld wie für einen Kinobesuch auszu- noch Giacometti nach 45 darin vorkommen. Kein Beuys, kein geben (wenn nicht noch mehr), um diese Ausstellung zu sehen. Francis Bacon, kein Fontana ... Die Ausstellung in Berlin war so erfolgreich, dass sie sozusagen Geschichte schreibt. Insofern Mich bewegt noch eine andere Frage, nämlich das Thema behauptet diese Ausstellung einen Kanon. Daher bleibe ich natür- „Mitgliederbindung“ und auch „Mitgliederwachstum“. Wo sehen lich schon dabei, dass diese Ausstellung uns „etwas gelernt Sie eine sinnvolle Grenze für Ihre Gesellschaft? hat“. So umstritten wie der literarische Kanon eines Marcel Reich- Ich nehme jetzt die Extrembeispiele Hamburg mit rund 14000 Ranicki, so umstritten mag auch dieser Kanon sein. Aber es Mitgliedern oder manche sehr kleinen Vereine mit nur 60 Mit- ist die Behauptung: So sah die Kunst des 20. Jahrhunderts aus, gliedern. Wo ist denn das optimale Plateau? zunächst ein europäisches, ab 1945 ein in allen wesentlichen Das kann ich nicht sagen. Als wir unseren Verein vor fast 30 Stilrichtungen amerikanisches Phänomen. Jahren gegründet haben, waren wir sieben Mitglieder. Unser Traum war, einmal 100 zu sein. Wir sind jetzt bei etwa 1250 Es gibt aber noch einen anderen wichtigen Aspekt, den des Kura- Mitgliedern und es geht immer noch. Das hängt sicherlich auch tierens. Die Ausstellung war nicht kuratiert. Sie hat mir keine damit zusammen, dass der Mitgliedsbeitrag mit 600 Euro nicht Botschaft vermittelt, nicht nur ich, sondern jeder Betrachter ganz gering ist. Das macht Hamburg ganz anders, zurzeit mit möchte eine Botschaft mit nach Hause nehmen. Das haben wir 80 oder noch weniger Euro Jahresbeitrag. Ich weiß nicht, wo die ja vorhin auch schon gesagt. Ich habe sie nicht gespürt. Ich Grenze ist. Wir hatten jetzt unsere Mitgliederversammlung: bin mit nichts nach Hause gegangen, außer dass ich überwältigt 500 Leute zu einem gemeinsamen Abendessen in einem großen war von dieser unglaublichen Vielzahl großer Namen. Das war Saal, das war wunderbar. Ich wäre froh, wenn wir einmal 2000 eine Anhäufung von Marken. Mitglieder wären. Man muss eben die Veranstaltungen entspre- Wenn man auf die Ausstellungstätigkeit der letzten Jahre hier chend gestalten. Bei dieser Zahl dürfte wohl auch die Grenze im Haus der Kunst zurückblickt, was war für Sie die interessantest liegen, wo man noch sinnvoll handeln kann. kuratierte Ausstellung? Glauben Sie an die Wirksamkeit der Staffelung von Mitgliedschaftsarten Eine sehr gut kuratierte Ausstellung ist in der Tat die, die jetzt wie in den USA? gerade läuft, nämlich „click doubleclick“: 25 namhafte Foto- Ich glaube, dass dieses System in Deutschland nicht funktioniert. grafen der Gegenwart zu zeigen, wie sie – jeder auf seine Art – Ich kenne übrigens auch kein Beispiel, wo es hier wirklich mit dem Medium Fotografie analog und digital umgehen, funktioniert. Wir haben jetzt allerdings einen Firmenmitglieds- das ist für mich die hervorragende Botschaft, die man aus dieser beitrag von 3000 Euro statt 600 Euro eingeführt. Das ist etwas, Ausstellung mitnimmt. Natürlich in dem Mini-Segment der was man einsieht. Der Privatmann und die Firma. Gegenwartsfotografie. Man kann natürlich immer fragen, was man mit einer Ausstel- Wie haben Sie Ihre Firmenmitgliedschaft gestaltet? lung eigentlich will. Nehmen Sie die Paul McCarthy-Ausstellung: Die Firmenmitgliedschaft hat eigentlich wenig konkrete Vorteile Die ist sicherlich keine übermäßig intelligent kuratierte Aus- – die Firma bekommt fünf Mitgliedskarten, diese Mitglieds- stellung gewesen, das hätte wahrscheinlich jeder andere auch so karten berechtigen zum freien Eintritt in die Ausstellungen. Aber gemacht, der Paul McCarthy zeigen will. Trotzdem war das das zuzugeben ist geradezu gefährlich, weil da das Finanzamt natürlich eine Ausstellung, die auch informiert hat. Da gibt es gleich wach wird. Wir haben gerade eine Verfügung des Bundes- einen eigenen Qualitätsmaßstab, Paul McCarthy gehört zu ministeriums für Finanzen bekommen, die besagt, dass ein Mit- den ganz wichtigen Figuren der amerikanischen Szene, er hat gliedsbeitrag dann nicht mehr steuerabzugsfähig ist, wenn eine bisher kaum einen europäischen Auftritt gehabt. Gegenleistung versprochen wird, und eine solche Gegenleistung ist der freie Eintritt. Das ist absolut skandalös, denn das Wir- Gefühl, das man in einem solchen Freundeskreis als Basis braucht, liegt gerade in diesen Veranstaltungen und in dem freien Ein-

48 49 tritt. Es geht den Leuten gar nicht darum, die acht oder zwölf Dem stimme ich voll und ganz zu, das ist hier in München auch Euro, die sie für den Eintritt zahlen müssten, zu sparen, sondern so und sogar sehr oft. Allerdings sind wir, was unsere Mitglieder- es ist dieses Gefühl „wir gehören dazu, das ist unser Haus“. zahlen angeht, noch nicht so weit wie Sie. Aber wir wollen dort- hin kommen, die magische Zahl 1000 wäre für uns eine interes- Noch einmal zum Thema Firmenmitgliedschaften: Wenn man eine sante Herausforderung. Für eine weitere positive Mitglieder- „Gegenleistung“ nicht fest definiert, sondern ganz individuell auf Bedürf- entwicklung sehe ich im Moment große Chancen: Wir haben nisse oder Wünsche eingeht ... hier in München eine ausgesprochen harmonische Situation, Aber diese ewige „Denke“ mit der Gegenleistung ist ja doch nicht nur auf Seiten der Gesellschafter, sondern eben auch auf furchtbar. Eigentlich sollte ich nicht Mitglied in einem Förder- Seiten der Mitglieder der Gesellschaft selbst. Auch das Verhält- verein sein und versuchen, Leistungen und Gegenleistungen nis zum Direktor ist optimal. Das Haus der Kunst genießt gegeneinander zu verrechnen. Das kann es ja wohl nicht sein. Und inzwischen Weltruf und hat mit seiner Nischenpolitik in Mün- bei einem Unternehmen erst recht nicht. Ich meine, wenn ein chen eine herausragende Position erobert. Unsere Gesellschaft, Unternehmen 1500 oder 3000 Euro Jahresbeitrag zahlt, sollte es unser Verein hat einen ganz erheblichen Beitrag dazu geleistet: sich nicht zu viele Gedanken über den Aspekt der Gegenleistung ideell, materiell, qualitativ und quantitativ. machen. Den freien Eintritt betrachte ich nicht als Gegenleis- Ich freue mich, dass Chris Dercon inzwischen unseren Verein, tung, sondern als einen kleinen Hausschlüssel, der mich berech- nicht zuletzt auch wegen seiner Multiplikatorfunktion, akzep- tigt, die mitfinanzierte Wohnung zu betreten. tiert und unterstützt. Und insofern bin ich auch sehr zuversicht- lich, dass wir mit dem Haus der Kunst, obwohl es nicht gerade Aber hier in Deutschland ist das Kosten-/Nutzen-Denken sehr in einer besonders leichten Position ist, in eine interessante und ausgeprägt. gute Zukunft gehen. Dieses „Was habe ich davon?“ ist selbst bei denen, die diese Ver- Gar kein Zweifel, das Haus der Kunst gehört nach München so eine unterstützen, immer ein Gesichtspunkt. Ich erhalte immer wie vielleicht kein anderes vergleichbares Haus in Deutschland zu wieder Austrittserklärungen mit der Begründung „Ich konnte einer Stadt gehört, mit ihr identisch ist. Ich habe die ersten 20 ein ganzes Jahr nicht zu Ihren Veranstaltungen gehen.“ Oder: „Ich Jahre meines Lebens in dieser Stadt verbracht, dieses Haus war bin weggezogen.“ Das ist mit Verlaub gesagt ein schwachsin- meine erste große Begegnungsstätte für diese Art der Wechsel- niges Argument, wenn man wirklich ein mäzenatisches Denk- ausstellungen. Ich erinnere mich, ich habe mit 15 Jahren hier im gefühl hat. Haus der Kunst das erste Mal die „Guernica“ von Picasso erlebt – ungeschützt, unbewacht, ohne Panzerglas. Ein weiterer Aspekt, der mich interessiert, ist das Thema Es gibt in Deutschland mehrere Häuser, die von Wechselausstel- „Rahmenprogramm“. Sie wissen ja, dass das Haus der Kunst nach lungen leben. Diese Häuser sind unglaublich stark von ihrem Vitali in eine neue Phase ging. Das hat natürlich auch zu Aus- Direktor abhängig. Ist er gut, ist das Haus beachtet; ist er schlecht, tritten und einer Veränderung der Mitgliedsstruktur geführt. fällt das Haus fast in Windeseile in die Bedeutungslosigkeit Schließlich ist es uns gelungen, diese Entwicklung zu beenden zurück. Das ist anders bei Museen, die eine Sammlung anzubieten und sogar wieder umzukehren: Wir haben seit längerem wieder haben, denn auch wenn dort gar nichts geschieht, gibt es immer sehr gute Zugänge. Ich bin überzeugt, dass unser umfangreiches noch eine grandiose Sammlung. Rahmenprogramm ein wichtiges Vehikel für diese Entwicklung Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich die Art der Ver- und die neuerliche Identifikation mit unserem Verein ist. Mich abschiedung von Christoph Vitali skandalös gefunden habe. Ich würde interessieren, inwieweit Ihre Gesellschaft an die Wir- finde es aber auch ganz großartig, wie man sich, nachdem das kung eines solchen Rahmenprogramms glaubt. einmal geschehen war, freigeschaufelt und mit dem jetzigen Lei- Ich bin überzeugt, dass der Erfolg unseres Vereins auch auf die- ter eine unbequeme Kur genommen hat, von der man ja wusste, sem Rahmenprogramm basiert. Wir hatten im vergangenen dass sie uns in erster Linie nicht mit Dalí- und Chagall-Aus- Jahr 19 derartige (keineswegs kostenlose) Veranstaltungen, d. h. im stellungen erfreuen wird – also keine weitere Hypo-Kunsthalle Monat mindestens eine. Sie sind meines Erachtens unerlässlich. (was deren Bedeutung nicht schmälern soll). Inzwischen ist wieder das Erste, was ich tue, wenn ich nach München komme, Da gibt es ein Thema, das wir noch nicht berührt haben: Welche wei- zu fragen, was in diesem Hause los ist, was zeigt das „Haus teren Funktionen haben Freundeskreise noch? Sie unterstützen finanziell, der Kunst“? auch nicht primär auf Erfolg getrimmte Projekte, welche anderen Auf- gaben erfüllt ein Freundeskreis? Das freut uns natürlich sehr zu hören. Lieber Peter Raue, wir Ich denke, dass der Multiplikatoreneffekt sehr wichtig ist. Wenn bedanken uns herzlich für dieses Gespräch und hoffen, Sie bald wir 1200 Mitglieder haben, die zu Brice Marden gehen, einem wieder in unserem Hause zu begrüßen. Künstler, dessen Namen viele Mitglieder vorher noch nie gehört haben (was auch gar nicht schlimm ist) und plötzlich sagen alle: Das Gespräch moderierte Gabriele Jahn „Da musst du unbedingt hin gehen“, dann haben wir ein wichtiges Ziel erreicht.

50 51 4.

18.-20.11.2005: Paris mit Chris Dercon und was machen 50 Mitgliedern des Freundeskreises wir eigentlich? programm, geschichte und ziele der gesellschaft der freunde

53 Preview Lunch „Partners“, die Sammlung Ydessa Hendeles mit Thomas Weski – „Partners“ „Strange Messenger: The Work of Patty Smith“ mit Chris Dercon – „Strange Messenger: The Work of Patty Smith“ „Die sieben Sakramente. Abigail O’Brien und der ritualisierte Alltag“ mit Abigail O’Brien und Stephanie Rosenthal nach der „simply droog – 10 + 1 Jahre Avantgarde-Design aus Holland“ Vorbesichtigung von „Die sieben Sakramente. Abigail O’Brien „Nic Hess. Guten Morgen Deutschland! Passage 1“ und der ritualisierte Alltag“ kunst und „Aernout Mik: „Dispersionen“/Videoinstallationen – Passage 2“ mit Chris Dercon anlässlich von „simply droog – 10 + 1 Jahre „Bernd und Hilla Becher – Typologien industrieller Bauten“ Avantgarde-Design aus Holland“ „Das Bild Europas. OMA/Rem Koolhaas und Foreign Policy mit Stephanie Rosenthal und Stephan Urbaschek, Kurator für Center“, anschließend Frühstück mit Rem Koolhaas, den Kuratoren, Film und Video in der Sammlung Goetz anlässlich von „Aernout Mik: Chris Dercon und Presse Dispersionen Videoinstallationen – Passage 2“, „Die Götter Griechenlands. Peter Cornelius (1783 – 1867)“ mit Wilfried Rogasch anlässlich von „Schatzhäuser Deutschlands – mehr! „Utopia Station. Auf dem Weg nach Porto Alegre“ Kunst in adligem Privatbesitz“ in Anwesenheit der Künstler und Kuratoren vorweihnachtliches Lunch mit Chris Dercon und allen Kuratoren „Schatzhäuser Deutschlands – Kunst in adligem Privatbesitz“ „New Year’s Kick-off Lunch“ mit Chris Dercon, Thomas Weski, „Florian Süssmayr – Bilder für Deutsche Museen“ Stephanie Rosenthal, Léon Krempel zusammen mit dem Künstler und Chris Dercon mit Thomas Weski anlässlich von „click doubleclick. „Occupying Space. Die Sammlung Generali Foundation“ Das dokumentarische Moment“ „Der Körper der Fotografie. Sammlung Herzog“ 84 gute gründe „Robert Adams. Turning back – Landschaftsfotografien“ „Paul McCarthy. Lala Land Parodie Paradies“ „Poussin, Lorrain, Watteau, Fragonard ... Französische Meister- werke des 17. und 18. Jahrhunderts“ „Künstlerbrüder. Von den Dürers zu den Duchamps“ „Lee Friedlander. Fotografien 1956-2004“ für eine „click doubleclick. Das dokumentarische Moment“ mitgliedschaft „Konstantin Grcic Industrial Design. on/off“ im freundeskreis: unser programm 2003-2006

55 Private view „Der Körper der Fotografie. Sammlung Herzog“ mit Thomas Weski Outlook „Ares in irrealem Raum. Bilder von Ben Willikens in der „Partners“ mit Nicole Matthiß „Katharsis oder Sensationslust?“ Vortrag von Stephanie Rosenthal „Rudolf Wachter – Holzskulpturen“, Galerie Rieder, “, mit Ben Willikens, Künstler und ehemaligem Leiter der Führung zusammen mit den Mitgliedern von PIN exklusiv für die Freunde über die Vorbereitung der Ausstellung Führung mit dem Künstler Akademie der Bildenden Künste, München, anschließend: „Strange Messenger: The Work of Patty Smith“ mit Chris Dercon „Paul McCarthy. Lala Land Parodie Paradies“ Patti Smith-Konzert im Theater Haus der Kunst, Einladung ins P1 „Pasta alla Galleria“ bei Carol Johnssen „Die sieben Sakramente. Abigail O’Brien und der „Robert Adams. Turning back – Landschaftsfotografien“ „Robert Therrien“, Besuch der Galerie Sprüth Magers Lee „John Goto“, Galerie f 5.6., Führung mit Nicole Stanner ritualisierte Alltag“ mit Stephanie Rosenthal mit Thomas Weski „Sculptural Sphere“, Führung durch die Sammlung Goetz mit Atelierbesuch bei Dieter Rehm, Fotokünstler und Professor für Fotografie „Strange Messenger: The Work of Patty Smith“ mit Chris Dercon „Poussin, Lorrain, Watteau, Fragonard... Französische Meister- Ingvild Goetz und Rainald Schumacher an der Akademie der Bildenden Künste, München „Franz Gertsch – Patti Smith”, Einladung des PIN-Vereins, werke des 17. und 18. Jahrhunderts“ mit Dr. Helge Siefert, Haupt- „Eine neue Kunst? Eine andere Natur! Fotografie und Malerei „Doug Aitken“ und „Richard Prince“, Sammlung Goetz, Führung Führung durch die Ausstellung in der konservatorin der Alten Pinakothek, zuständig für französische und im 19.Jahrhundert“, Führung durch die Hypo-Kunsthalle mit Ingvild Goetz und Rainald Schumacher „simply droog – 10 + 1 Jahre Avantgarde-Design aus Holland“ spanische Malerei bis Ende des 18. Jahrhunderts wie auch deutsche „Picasso in München“, Kunstbau Führung durch die Münchener Rück, exklusiver Einblick in die mit Chris Dercon Malerei des 18. Jahrhunderts und Kuratorin der „Peinture Française“ „Designafairs“ mit Christoph Böninger, Geschäftsführer von umfangreiche Sammler- und Ausstellungstätigkeit des Unternehmens „Nic Hess. Guten Morgen Deutschland! Passage 1“ „Künstlerbrüder. Von den Dürers zu den Duchamps“ Designafairs, der größten europäischen Design-Agentur durch das Führung durch die Werkstätten der Nymphenburger Porzellan- mit Stephanie Rosenthal mit León Krempel und seiner Assistentin Anthea Niklaus Designstudio im Rahmen der Ausstellung „ simply droog – manufaktur mit Egbert Freiherr von Maltzahn, Geschäftsführer der „Bernd und Hilla Becher – Typologien industrieller Bauten“ „Das Archiv Haus der Kunst“ mit der Kunsthistorikerin Sabine Brantl 10 + 1 Jahre Avantgarde-Design aus Holland“ Nymphenburger Porzellanmanufaktur mit Thomas Weski „Lee Friedlander. Fotografien 1956-2004“ mit Thomas Weski und Schirmer Showroom: „Die Farben der Leidenschaft – Frida Kahlo „Franz Marc. Die große Werkschau“, Lenbachhaus, Führung mit „Die Götter Griechenlands. Peter Cornelius (1783-1867)“ Stephan Urbaschek, Kurator für neue Medien in der Sammlung Goetz & Nicholas Murray“, mit Lothar Schirmer, Verleger und langjährigem der Kunsthistorikerin Julia Höner mit Léon Krempel „click doubleclick. Das dokumentarische Dokument“ Sammler der Fotografien von Bernd und Hilla Becher und ihrer Schüler Galeriebesuch bei Carol Johnssen anlässlich der Ausstellung „Künstler- „Die Götter Griechenlands. Peter Cornelius (1783-1867)“ mit mit Thomas Weski Atelierbesuch bei Stefan Huber, Künstler und Kurator für die künstlerische brüder. Von den Dürers zu den Duchamps“, anschließend Prof. Dr. Frank Büttner, Professor für Kunstgeschichte am Institut für „click doubleclick. Das dokumentarische Moment“ Gestaltung des Stadtgartens Petuelpark (Beginn der Reihe von „Pasta alla Galleria“ Kunstgeschichte der LMU unter dem Motto „Romantische Mythologie“ mit Prof. Larry Sultan Atelierbesuchen) „Der Tod hält mich wach“ , Führung durch die Ausstellung zum „Schatzhäuser Deutschlands – Kunst in adligem Privatbesitz“ „Amerikanische Kunst der 90er: Robert Gober – Mike Kelley – 20. Todestag von in der Pinakothek der Moderne mit Wilfried Rogasch Christopher Wool“, Werke aus der Sammlung Udo und Anette ClassiCon-Showroom mit Susanne Holy anlässlich der Ausstellung „Occupying Space. Die Sammlung Generali Foundation“ Brandhorst und dem Museum moderner Kunst, Stiftung Ludwig Wien, „Konstantin Grcic Industrial Design. on/off“ mit Thomas Weski mit Bernhard Schwenk „Stephen Shore“, Galeriebesuch bei Sprüth Magers anlässlich „Der Körper der Fotografie. Sammlung Herzog“ Galerie Bernheimer Fine Old Masters: „Rembrandt. Eine Ausstel- der Ausstellung „click doubleclick“ mit Ruth und Peter Herzog lung von Gemälden, Zeichnungen und Radierungen von „Imagination becomes Reality“, Führung durch die Sammlung Goetz Rembrandt und Rembrandt-Schülern“, mit Konrad O. Bernheimer „Der Mann ohne Eigenschaften“, Live-Audio-Kunsterlebnis in den Räumen des Hörverlags mit Claudia Baumhöver, Geschäftsführerin Hörbuchverlag Atelierbesuch bei Benjamin Bergmann Besuch des Auktionshauses Neumeister: Vorbesichtigung von Gemälden und Skulpturen aus der Sammlung Familie Schäfer und Führung durch das Auktionshaus mit Katrin Stoll

56 57 Kunstreisen Die Gesellschaft der Freunde im Überblick 31.01. – 2.02.2003 Juniorenreise nach Rotterdam und Amsterdam mit Stephanie Rosenthal Die Gesellschaft der Freunde der Stiftung Haus der Kunst zu Chris Dercon: OMA/Rem Koolhaas, Museum Boijmans München e.V. (GdF) ist seit 1992 Mitgesellschafter der Stiftung van Beuningen, Witte de With, Künstlergespräch und Theater- Haus der Kunst München neben dem Freistaat Bayern, performance mit Aernout Mik der Bayerischen Braustiftung Josef Schörghuber sowie der 18. – 20.06.2004 Ausstellungsleitung Haus der Kunst München e.V. Basel mit Chris Dercon: ART Basel, Schaulager, Fondation Beyerler, Gründung: 22. Oktober 1954 Sammlung Peter Herzog Initiator und Mitbegründer: Peter A. Ade, Direktor der 29. – 31.10.2004 Ausstellungsleitung Haus der Kunst München e.V. bis 1982, Brüssel mit Chris Dercon: „Magritte – Broodthaers“, Museum sowie mehrere Künstler, z.B. Franz Mikorey, Günther für Moderne Kunst, Fashion Parcour, Empfang bei Sonja Noel, Grassmann und andere Renate Küchler, Vorsitzende des Stijl, Museum Antoine Wiertz, Museum der Schönen Künste; Anerkennung der Gemeinnützigkeit: Februar 1956 Vorstands von 2002 bis 2004 Museum Victor Horta, Museum van Buuren, Führung mit Prof. Erste aktive Förderung: 1958, Mitfinanzierung der Ausstellung Filip de Boeck durch das Musée Royal de l’Afrique in Tervuren „München 1869 – 1958. Aufbruch zur modernen Kunst“ 19.02.2005 Jährliche Zuwendung an das Haus der Kunst: Geregelt durch Salzburg: Museum der Moderne, Kiefer-Haus, Galerie Ropac, mehrjährigen Konsortialvertrag zwischen 300.000 – 350.000 anschließend Einladung zum Tee in der Villa Elmslieb bei Euro, zuzüglich weiterer zweckgebundener Zuwendungen Thaddaeus Ropac Mitglieder der Gesellschaft: 390 Förderer; 230 Club-Mitglieder 29.04. – 1.05.2005 (Stand Mai 2006) Schlösserreise mit Wilfried Rogasch: Besuch der Leihgeber Vorstand: „Schatzhäuser Deutschlands – Kunst in adligem Privatbesitz“: Andreas Langenscheidt, Vorsitzender, Renate Küchler, Schloss Weißenstein, Heiligenberg, Salem, Wolfegg, Kirchheim, stellv. Vorsitzende, Dr. Günther Engler, Rüdiger von Michaelis, Burg Hohenzollern – sowie der Sammlung Würth Michael Roßnagl 18. – 20.11.2005 Kuratorium: Le Tour du Monde en 3 Jours – Paris-Reise mit Chris Dercon: „Dada“ Karl Anselmino, Thomas Barthel, Konrad O. Bernheimer, im Centre Pompidou, „Paris Photo“ und „Frans Post“ im Musée Dr. Günther Engler, Dr. Bernd T. Gans, DaimlerChrysler AG, du Louvre, Fondation Cartier, Luc Delahaye in der Privatsamm- Richard Gaul, BMW AG, Dr. Georg von Gumppenberg, lung Maison Rouge, Galerie Thaddaeus Ropac, Führung mit dem Allianz AG, Dr. Heiner Hasford, Münchener Rückvers.Ges., Architekten durch den neuen Louis Vuitton-Flagshipstore Gabriele Jahn, Renate Küchler, Andreas Langenscheidt, Holger Lösch, Schörghuber Stiftung & Co. Holding KG, Franz Graf von Meran, Rüdiger von Michaelis, Professor Dr. Bolko von Oetinger, Dr. Cletus von Pichler, Maximilian Ring, Michael Roßnagl, Siemens AG, Karsten Schmitz, Jürgen Tesch, Prestel Verlag, Susanne Wamsler, Adelhaid Winterstein Beisitzer der Junioren: Dr. Michaela Neumeister, Phillips, de Pury & Luxembourg Ehrenbeirat: Dr. Johannes Bauer, Esther Bloch, Dr. Wolf-Dieter Bopst, Osram GmbH, Dr. Wilfried Guth, Deutsche Bank , Senator h.c. Günther Klinge, Barbara Lambrecht-Schadeberg, Dr. Robert Scherb, Dr. Karl Wamsler Club Haus der Kunst Im Dezember 1994 beschlossen die Mitglieder der Gesellschaft der Freunde, unterstützt von dem damaligen Direktor des Hauses, Christoph Vitali, den Club Haus der Kunst zu gründen. Als Alternativangebot zu einer Fördermitgliedschaft hat der Club keine eigene Rechtsform, sondern ist in der Gesellschaft der Freunde verankert. Mit einem eigenen Veranstaltungs- programm und einem deutlich niedrigeren Jahresbeitrag wendet sich der Club an ein breites, vor allem auch jüngeres kunst- interessiertes Publikum.

58 59 Chronologie der Vorstandsvorsitzenden von 1980 bis heute: Kunstwerkesammlung 1980 – 1990 Dr. Peter von Siemens Das Haus der Kunst war ursprünglich eine Anstalt des öffent- hat durch sein umsichtiges und effizientes Wirken als Vorsitzen- lichen Rechts und wurde nach dem Krieg dem Bayerischen der in der Gesellschaft als auch in der Politik eine positive Staat übergeben. Zur Durchführung der jährlichen „Großen Resonanz für den Förderkreis und das Haus der Kunst bewirkt Deutschen Kunstausstellung“ sowie anderer internationaler und damit zu deren Weiterentwicklung beigetragen. Ausstellungen berief das Ministerium die Ausstellungsleitung Angelika Lerch und Kerstin Winkler im Depot 1990 – 2002 Dr. Karl Wamsler Haus der Kunst München e.V. der Kunstwerkesammlung der Gesellschaft der Freunde hat zusammen mit seiner Frau Honoré die Vereinstätigkeit Da das Haus weder staatliche noch städtische Zuschüsse erhielt, der Gesellschaft der Freunde während seiner Amtszeit reaktiviert, wurde 1954 die Gesellschaft der Freunde der Ausstellungs- eine neue Satzung etabliert und die Stiftungsgründung 1992 leitung Haus der Kunst München ins Leben gerufen, getragen begleitet. Heute ist Dr. Wamsler ein großzügiger Förderer der von namhaften Unternehmen aus der deutschen Industrie Stiftung Haus der Kunst. und Wirtschaft. Zweck der Gesellschaft war zum einen, die Aus- 2002 – 2004 Renate Küchler stellungstätigkeit im Haus der Kunst zu unterstützen, und zum hat vor allem in den Jahren des Umbruchs als Vorsitzende des anderen durch den Ankauf von Kunstwerken aus der „Großen Vorstandes die Gesellschaft der Freunde mit Diplomatie Kunstausstellung“, zeitgenössische deutsche Künstler zu und Sensibilität in eine neue Ära geführt und die Dynamik fördern. Bis Ende der 80er Jahre hat die Gesellschaft der Freunde des Vereins mit ihrem Engagement sehr befördert. einen umfangreichen Bestand an Kunstobjekten erworben. Seit 2004 Andreas Langenscheidt Das Depot mit derzeit ca. 1300 Objekten betreuen die Mitarbeite- setzt diese Entwicklung fort und engagiert sich insbesondere rinnen unserer Geschäftsstelle, Angelika Lerch und Kerstin für den Aufbau und die Umsetzung eines exklusiven und Winkler. reichhaltigen Veranstaltungsprogramms. Die gestiegene Attrak- tivität und Außenwirkung des Vereins bewirkte nicht zuletzt einen erheblichen Mitgliederzuwachs.

Dr. Karl Wamsler, Vorsitzender des Vorstands von 1990 bis 2002

60 61 Kreativität braucht Raum und Zeit die Schule nehmen dürfen. Wir wollen den Kindern Kunst so vermitteln, dass sie wiederum ihren Eltern, Geschwistern und Von Anne Leopold Freunden – nun selbst als „Museumsführer“ – ihre Erkenntnisse Unsere Schulen reduzieren zunehmend den Kunstunterricht, und ihre gewonnene Freude an eigenständiger kreativer Arbeit wir aber erfahren von Jahr zu Jahr eine steigende Zahl von an weitergeben können. Dieser Ansatz entspricht dem Auftrag der Kunst interessierten Kinder. Chris Dercon widmete 2003 zwei Schulen, scheitert aber beim Ausflugsziel Museum sehr häufig kunst für wunderschöne Tageslichtateliers der Arbeit mit Kindern. an den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten. Hier kann sich Hier können erstmals zwei Schulklassen parallel basteln, malen das Kinder und Jugendprogramm auf eine Förderung durch und gestalten und über das in den Ausstellungen Gesehene die Gesellschaft der Freunde stützen, die unter anderem auch diskutieren. Schulprojekte unterstützt. Die auch privat zu buchenden Workshops von 2.5 Stunden oder Übrigens: Selbstverständlich wird bei uns auch gefeiert, nicht die Spielführungen für die Kleineren von 1 Stunde beginnen nur zur Faschingszeit – auch im Rahmen unserer Sommerkunst- kinder! mit der Betrachtung von Kunst, mit dem spielerischen Entdecken wochen mit Außenprogramm im Englischen Garten oder bei in der Ausstellung, mit der Inspiration. Die große Kreativität Geburtstagsfesten mit allen Freunden der Kinder. Eltern und und Imaginationskraft, die jedem Kind eigen ist, wollen wir Kinder finden hier in unseren Ateliers einen besonders schönen fördern und stärken. Letztlich geht es um die Entwicklung aktiv betreuten und gestalteten Rahmen. der Gesamtpersönlichkeit des Kindes und um die Steigerung seines Selbstbewusstseins. Anne Leopold M.A. leitet die Museumspädagogik am Haus der Kunst Kreativität braucht Raum und Zeit. Beides bieten wir an. Für wir wollen die Schulen möchten wir Türöffner sein, Anstöße geben, Die aktuellen Termine des Kinderprogramms finden Sie unter Schülern den Kick vermitteln, weiter in Museen zu gehen und www.hausderkunst.de, Anfragen bitte an [email protected] sich mit Kunst auseinander zu setzen. Lehrer und Schüler besuchen gemeinsam unsere Ausstellungen und gestalten im kreativität und Anschluss eigene Werke, die sie mit nach Hause bzw. mit in imaginations- kraft von klein auf fördern und stärken.

63 Warum das Haus der Kunst einem Sponsor Freude macht

Unternehmer als Mäzene. Warum tun sie das? Mit der Schörghuber Unternehmensgruppe hat das Haus der Kunst seit nunmehr 14 Jahren einen starken privaten Partner an seiner Seite. kunst.freunde sprach mit Holger Lösch, Leiter Kommunikation kunst braucht & Marketing der Schörghuber Unternehmensgruppe

Das Haus der Kunst hat sich von einem reinen Ausstellungs- haus zu einem echten Haus der Kunst gewandelt. Im Spagat zwischen Paul McCarthy und Französischer Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts hat sich eine lebendige Kultur des Erlebens sponsoren! von Kunst entwickelt, die aus dem Haus der Kunst ein wichtiges Zentrum von Kultur und Kunst in München macht. Geschickt lotet die künstlerische Leitung ihre Spielräume aus, ohne sich in der puren Lust an der Provokation zu gefallen. Qualität ist der oberste Anspruch an die Ausstellungen. Dies hat dem Haus nationales und internationales Image gebracht. München steht mit dem „neuen“ Haus der Kunst wieder auf der Landkarte das haus der der internationalen Kunstszene. Für einen Sponsor wie die Schörghuber Unternehmensgruppe, der dem Haus der Kunst seit nunmehr dreizehn Jahren als größter privater Geldgeber verbunden ist, sind aber nicht nur diese deutlich gestiegenen Imagewerte von Bedeutung. Es ist auch die Professionalität, die Verlässlichkeit und die Aufgeschlossenheit der Führung des kunst steht auf Hauses, die dazu geführt hat, dass nicht nur der langjährige Partner Schörghuber Unternehmensgruppe Freude an seinem Engagement hat und es auch vielfältiger als früher nutzt, sondern auch andere Förderer und Partner auf das Haus aufmerksam geworden sind. Die große programmliche Bandbreite, die Wie bereits sein Vater Josef, ist heute Stefan Schörghuber lebendige Ausstrahlung, die gestiegene mediale Präsenz und die als Person wie auch mit seiner Unternehmensgruppe Mitglied Bereitschaft, sich sowohl auf dem künstlerischen Feld, als auch der landkarte der in der Gesellschaft der Freunde. im Sponsorenbereich mit Partnern einzulassen, ohne sich dabei künstlerisch zu verbiegen, haben die Grundlage für eine dauer- haft positive Entwicklung und einen wachsenden künstlerischen Freiraum geschaffen. Das Haus der Kunst macht es seinen langjährigen Partnern und seinen potentiellen Partnern leicht, individuell geeignete Anknüpfungspunkte zu finden. Denn internationalen es kommt nicht darauf an, dass alle Partner sich mit jeder einzel- nen Facette des Programms euphorisch identifizieren, sondern darauf, dass die Aufgabe des Hauses, einem möglichst breiten Publikum einen möglichst hochwertigen und breiten Ausschnitt kunstszene von Kunst nahe zu bringen, erfüllt wird.

65 5. blicken sie zurück! ein spaziergang

Tischaufsteller für die in den 50er Jahren an der Nordseite durch die des Haus der Kunst eingerichteten Tennisplätze geschichte des hauses Terrasse Haus der Kunst, ca. 1937

68 69 Erinnerung An der Prinzregentenstraße Geschichte 1 Am „Der Englische Garten wirkte auf uns immer schon wie ein Altstadtring Nord-Ost, Lärm, öffentliche Gebäude − man ist In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1931 war der am Vom nahegelegenen erreicht man das Haus der Magnet, um den sich, um im Bild zu bleiben, die verschiedenen auf dem Sprung. Die Prinzregentenstraße ist ein ruheloser Ort, Alten Botanischen Garten, nahezu sieben Jahrzehnte Symbol des Kunst über den Hofgarten. Trotz diverser Umgestaltungen und Wohnstätten meiner Familie im Laufe der Zeit ordentlich wie nicht unbedingt ein Platz zum Verweilen. Die Prinzregenten- traditionellen Münchner Kunstlebens, durch Brandstiftung dominanter Architektur gehört er noch immer zu den schönsten die Eisenfeilspäne anordneten. Im Süden lag die große Wohnung straße „zieht sich am Südrande des englischen Gartens von vollständig zerstört worden. Noch im selben Jahr begannen die Plätzen Münchens. Ein charmanter Ort. Bei wärmeren Tem- in der Prinzregentenstraße, gegenüber begann gleich der Park, dessen Eingang in östlicher Richtung zur Luitpoldbrücke in die Planungen für einen Neubau. Wenige Wochen nach seiner peraturen empfiehlt sich eine Ruhepause auf einem der zahl- und angenehmerweise stand das „Haus der Kunst“ unserem Großanlage“, ist im Münchner Stadtadressbuch aus dem Jahre Ernennung zum Reichskanzler bestimmte Paul reichen Bänkchen, von wo man den Boule-Spielern zuschauen täglichen Spaziergang noch nicht im Weg.“ 1890, dem Gründungsjahr der Straße, zu lesen. Prinzregent Ludwig Troost zum neuen Architekten und verlegte den Standort kann; wenn das Wetter nicht mitspielt, ein Abstecher zu Annette von Aretin, 1989 Luitpold, nach dem Tod seines Neffen Ludwig II. Treuhandver- des geplanten Ausstellungsgebäudes an die nördliche Seite der Schumann‘s oder ein Besuch im Kunstverein. Der Hofgarten ist walter des Königreichs Bayern, gab der Straße ihren Namen. Das Prinzregentenstraße zwischen dem und Schwabinger aber auch ein Ort, der nachdenklich stimmt. Am 19. Juli 1937, Von Sabine Brantl Areal um Nationalmuseum, und Hofgarten Bach. Der Gedanke, das Gelände des Alten Botanischen Gartens einen Tag nach Eröffnung des „Hauses der Deutschen Kunst“, war ein goldener Boden für Grundstücksmakler und Speku- als „grüne Lunge“ inmitten der Innenstadt freizugeben und war im benachbarten Galeriegebäude (heute Theatermuseum lanten. An solventen Käufern mangelte es nicht. Die Prinzregen- der Prinzregentenstraße ein drittes Ausstellungsgebäude neben und Kunstverein), die Femeausstellung „Entartete Kunst“, tenstraße wurde zur bevorzugten Wohngegend eines selbstbe- und Bayerischem Nationalmuseum anzugliedern, Hitlers Kampfansage gegen Moderne und Abstraktion, eröffnet wussten Bürgertums. Rechtsanwälte, Privatiers und Kaufmänner spielte nur eine marginale Rolle und wurde für propagandis- worden. In entstellender Aufmachung und von wandgroßen ließen sich hier nieder. Die Schriftstellerin Grete Weil und die tische Zwecke eingesetzt. Vielmehr hatte Hitler die Vorstellung Schmähungen kommentiert, wurden hier Werke der klassischen Moderatorin Annette von Aretin, Töchter aus wohlhabenden eines monumentalen Forums, das sich tief in den Englischen Moderne und deren Schöpfer an den Pranger gestellt. Alle Familien, verbrachten in der Prinzregentenstraße ihre Kindheit. Garten erstrecken sollte. Neben dem „Haus der Deutschen Kunst“ ausgestellten Gemälde, Plastiken und Zeichnungen waren zuvor Auch die Malerin Tini Rupprecht, bekannt für ihre repräsenta- waren ein Museum für Zeitgeschichte und ein Palais für den aus deutschem Museumsbesitz beschlagnahmt worden. Auch tiven Damen- und Kinderporträts, wohnte hier mit ihrer Mutter. Reichsstatthalter vorgesehen. Der Forumsplan scheiterte aber das Prinz-Carl-Palais, Anfang des 19. Jahrhundert von Carl von Heute ist von dieser Atmosphäre bürgerlicher Eleganz fast am Widerstand Paul Ludwig Troosts, der sich für die Erhaltung Fischer erbaut, nutzten die Nationalsozialisten für ihre Zwecke. nichts mehr zu spüren. 1938 setzten die Nationalsozialisten den des Englischen Gartens einsetzte. Im Dezember 1938 ordnete Im Rahmen der Verbreiterung der Von-der-Tann-Straße zur imposanten, 225 Meter langen Gebäudekomplex des Luftgau- Hitler den Bau des „Hauses der Deutschen Architektur“ an, repräsentativen „Hauptzufahrtsstraße zum Haus der Deutschen kommandos (heute: Wirtschaftsministerium) an die Prinzregen- eines Ausstellungsgebäudes für Architektur- und Kunstgewerbe, Kunst“ und Teil der Ost-West-Hauptachse wurde das Palais tenstraße gegenüber dem Nationalmuseum. Im Gegensatz zu das gegenüber dem „Haus der Deutschen Kunst“ an der Prinz- auf Anordnung Hitlers umgebaut und aufwändig ausgestattet; den edlen Wohnhäusern blieb der Bau vom Bombenhagel des regentenstraße situiert werden sollte. Mehrere jüdische Familien 1937 und 1938 diente es Mussolini als Gästehaus. Zweiten Weltkriegs verschont. Martialische Fassadenelemente wurden aus ihren Wohnungen vertrieben, um „Abbruchmietern“ lassen noch heute den ursprünglichen Zweck erkennen. Die aus der Prinzregentenstraße einen geeigneten Ersatz anbieten nördliche Straßenseite wird vom Haus der Kunst bestimmt: zu können. Bis 1944 wurden Pläne für das „Haus der Deutschen Donaukalkstein, 160 Meter lang, 60 Meter breit. Architektur“ ausgearbeitet, der Bau wurde nicht realisiert.

Grundriss Erdgeschoss mit handschriftlichen Eintragungen der von der amerikanischen Militärregierung belegten Räume, um 1949 Temporärer Anbau an der Nordseite des Haus der Kunst nach Entwürfen von Paolo Nestler, 1972 (rechts)

Sabine Brantl, Historikerin mit dem Schwerpunkt Bayerische Geschichte, hat in den vergangenen Jahren das Histo- rische Archiv des Haus der Kunst erstmalig erschlossen und die Bestände geordnet und katalogisiert. 1996 hat sie die erste Dokumentation der Geschichte des Hauses erarbeitet, zu der das Buch „Haus der Kunst 1937 – 1997. Eine historische Dokumentation“ erschienen ist. Die Historische Dokumentation wird in neuer Form im Herbst 2006 in der Mittelhalle präsentiert. Mit Jochen Meister kuratiert sie die Ausstellung „Ein Blick für das Volk. Die Kunst für alle”, zu sehen vom 14. Juni bis 3. September 2006 in der Nordgalerie.

70 71 Resistance Geschichte 2 ehemaligen „Hauses der Deutschen Kunst“ als Offiziersclub Parody Paradise Ende 1993 zeigte Christian Boltanski in der Gruppenausstellung „Wege, die immer in der Sonne führen, werden nicht oft nutzten. Da ihnen die Adresse „Prinzregentenstraße 1“ nur Im Sommer 2005 zeigte der amerikanische Künstler Paul „Widerstand − Denkbilder für die Zukunft“ seine Installation besucht, deswegen müssen an der Sonnenseite hohe Bäume schwer von den Lippen ging, wurde daraus kurz und knapp „P McCarthy seine bislang umfangreichste Werkschau in Europa − „Resistance, 1993“. Eine Arbeit, die der in Paris lebende Künstler gepflanzt werden, damit Schatten auf sie falle […] Auch sollten one“. Weitaus entspannter geht es auf der Terrasse des Hauses eine Attacke gegen die Werte des American way of life und die eigens für das Haus der Kunst konzipiert hatte und die außer- zum öftern zwei bis drei Bäume so nahe gepflanzt werden, der Kunst zu, − mit Unterbrechungen − seit Gründung des von den Medien manipulierte Gesellschaft. Paul McCarthy halb des Gebäudes, an der Fassade stattfand. Hier hatte Christian daß es scheint, als wären sie aus einem Stamm gewachsen.“ Ausstellungsgebäudes mit einem Café-Restaurant bespielt wird. machte aus dem Haus der Kunst einen Erlebnispark, dessen Boltanski die vergrößerten Augenpaare von Mitgliedern der Friedrich Ludwig von Sckell, 1818 „Dinners at the Haus der Kunst during the lunch hour enjoy Bestandteile auch auf die NS-Vergangenheit des Ausstellungsge- antifaschistischen Widerstandsgruppe Rote Kapelle montiert. the refreshingly cool and shaded terrace, located at the back of bäudes Bezug nahmen. Auf dem Dach installierte er ein über- Aus dem Bewusstsein um die Bedeutung des Ausstellungsge- „Wie Ihnen bekannt, entspricht es einem ausdrücklichen Wunsch the main club entrance. Quick, efficient service tend to make dimensionales Blumenbouquet, das den ehemaligen „Tempel bäudes während der NS-Zeit, konfrontierte er die Besucher mit des Führers, daß von der rückwärtigen Terrasse des Hauses this a mess of distinction“, berichtete 1950 „The Munich Ameri- der Deutschen Kunst“ zu einem Blumentopf mutieren ließ, aus der Erinnerung an Menschen, die auf internationaler und der Deutschen Kunst aus gesehen mehrere Durchblicke […] can“. Auch einen Tennisplatz hatten die Amerikaner auf der dem deutsche Geranien sprießen. Im „Western Project“ wurde nationaler Ebene Hitlers Kriegspolitik bekämpften und sich geschaffen werden. Wenn das Fällen der in Frage kommenden Rückseite des Hauses eingerichtet. Leider wurde die Anlage 1969 das Haus der Kunst und seine Umgebung zur Filmkulisse: Fünf dadurch ständiger Lebensgefahr aussetzten. Die neoklassizistische Bäume aus Zweckmäßigkeitsgründen wohl auch erst im kom- durch einen Parkplatz ersetzt. mindestens 1,82 Meter große, wohlproportionierte Männer Fassade schien plötzlich aus Hunderten von Augenpaaren zu menden Winter vorzunehmen sein wird, so muß nach unserer marschierten uniformiert im Stechschritt durch das hölzerne bestehen, die − als Warnung und Aufforderung zum Nachdenken Auffassung die grundsätzliche Festlegung der verschiedenen Weltkulturen Fort, tanzten nackt an der Prinzregentenstraße und badeten − auf die vorübergehenden Passanten blickten. Durchblicke erfolgen, solange die Bäume noch Laub tragen, Das Teehaus hinter dem Haus der Kunst gibt es erst seit 1972. ausgelassen im Eisbach. demnach in allernächster Zeit.“ Ein nobles Geschenk des Oberhaupts der japanischen Uransen- Das Haus der Kunst ist in der Stadt, im nationalen wie interna- Am Englischen Garten Haus der Deutschen Kunst an die Verwaltung der staatlichen Schlösser, ke-Teeschule zu den Olympischen Spielen. Der filigrane Bau tionalen Kulturleben präsent und ist in den letzten drei Jahren Zwischen dem Haus der Kunst und dem Aumeisterhaus im Gärten und Seen, München, 9. September 1936 wurde in Kyoto angefertigt, zerlegt nach München transportiert noch präsenter geworden. Für Chris Dercon liegt die Herausfor- Norden Münchens liegen 370 Hektar Parklandschaft. 1792 und von japanischen Handwerkern wieder aufgebaut. Von April derung des Ortes in seiner Geschichte − und in dem Mut, die eröffnet, hat der Englische Garten bis heute nichts von seiner Haus der Kunst, Rückseite bis Oktober kann man hier an einer klassischen Teezeremonie Besucher mit dieser Geschichte zu konfrontieren. Dies geschieht Anziehungskraft verloren. Man kann ihn in jeder Stimmung Hinter dem Hause der Kunst tut sich eine eigene Welt auf. Am teilnehmen. Die meditative und kunstvolle Zubereitung und das auf vielen Ebenen, nicht nur im Inneren des Gebäudes. und zu fast jedem Zweck aufsuchen. Das Gelände war ursprüng- Eisbach, der sich am Rande des Englischen Gartens zu einer Servieren des grünen Tees dauern an die vier Stunden − eine lich ein wildes Land aus Weidenlandschaft, Schlingpflanzen halbmeterhohen Welle aufbäumt, haben die Surfer ihr Paradies gute Gelegenheit, einmal die Zeit anzuhalten. Anlässlich der Anmeldungen für eine Führung durch das Historische und feuchtem Gras. Die Gründung des Englischen Gartens geht gefunden. Der Legende nach soll ein amerikanischer Soldat Olympiade zeigte das Haus der Kunst auch die Ausstellung Archiv Haus der Kunst sind unter Telefon (089) 27 37 27 99 auf die Initiative eines Amerikaners in München zurück: das „Eisbachsurfen“ erfunden haben. Eine Attraktion für die „Weltkulturen und moderne Kunst“ − eine unglaubliche Schau, und [email protected] möglich. Benjamin Thompson, besser bekannt als Graf von Rumford, zahlreichen Zuschauer, die sich hier täglich staunend versammeln. für die Paolo Nestler eigens einen zweigeschossigen gläsernen kam 1784 an den Münchner Hof und entwarf ein umfassendes Ein weiterer Anziehungspunkt ist das P1. Mit spektakulären Anbau an der Nordseite des Gebäudes entwarf. Mit diesem Reformprogramm, das auch Pläne für einen Militärgarten in Events, einer glamourösen Gästeliste und der „härtesten Tür Glasbau aus Fertigteilen setzte er der überdimensionalen, pom- München beinhaltete. So diente der Englische Garten anfänglich Münchens“ gehört der Club zu den erfolgreichsten Institu- pösen Architektur des Hauses der Kunst etwas Improvisiertes, als eine Art Militärschrebergarten für die Soldaten des Kur- tionen im Münchner Nachtleben. Seinen Anfang hatte das P1 in Freches und Liebeswürdiges gegenüber und bot den Besuchern fürsten Karl Theodor, um das Heer in Friedenszeiten sinnvoll zu der Nachkriegszeit, als die Amerikaner die Räumlichkeiten des einen überraschenden, völlig neuen Anblick: Das Schwere war beschäftigen. Doch als im Juli 1789 der Geist der Revolution plötzlich ganz leicht geworden. auch über München lag, erkannte der Kurfürst die Zeichen der Zeit und machte den weitläufigen Park für jedermann zugäng- lich. Friedrich Ludwig von Sckell, einer der fortschrittlichsten Gartenarchitekten seiner Zeit, gab dem Englischen Garten sein bis heute gültiges Aussehen und verwirklichte damit seine Vision eines Parks, in dem sich die Natur frei entfalten kann.

Eröfffungsrede Adolf Hitlers in der ehemaligen Ehrenhalle anlässlich der dritten „Grossen Deutschen Kunstausstellung“, 16.07.1939 Künstlerfeste – P1, Haus der Kunst, 50er Jahre (Mitte) Paul McCarthy Parade im Englischen Garten, 12.6.2005 (rechts)

72 73 Blumenbouquet von Paul McCarthy auf dem Haus der Kunst, 2005

74 75 >> wir begannen mit elan vital eine ausstellung, die das werk von kandisky, klee, arp, miró und calder zusammenfügte, eher der not gehorchend als eigenem bestreben. kurz zuvor war die idee, die meisterwerke der barnes collection zu zeigen, jäh gescheitert. christoph vitali > Das Haus der Kunst zwischen 1993 und 2003

Ein Rückblick von Christoph Vitali Unser Beginn in München vor gerade 13 Jahren war ebenso schwierig wie schön. Nach acht stürmischen Jahren an der Schirn Kunsthalle in Frankfurt hatten Hubertus Gassner, Bernhart Schwenk und ich unsere Koffer gepackt und waren nach München gekommen, weil in Frankfurt die ohnehin knappen Mittel nicht mehr reichten, um unsere hochgesteckten Ziele zu verfolgen. Mit nach München gekommen waren unsere Sekretärinnen Gerlinde Gumpinger und die unvergessene Antje Longhi und die Organisationsleiterin Margarethe Heck, die ihre Arbeit bald an Tina Köhler übergab, und in München gesellten sich sehr rasch die noch blutjunge Stephanie Rosenthal und die Sekretärinnen Isabelle Kredler und später Margit Eberhard dazu. Wir begannen in München mit „Elan Vital“ eine Ausstellung, die das Werk von Kandisky, Klee, Arp, Miró und Calder zusammenfügte, eher der Not gehorchend als eigenem Bestreben. Kurz zuvor war die Idee, die Meisterwerke der Barnes Collection in München zu zeigen, jäh gescheitert. Der Plan sollte sich erst ein gutes Jahr später verwirklichen lassen und zum grössten Publikumserfolg des Hauses zumindest in seiner jüngeren Geschichte werden. Ich erinnere mich gut wie Hubertus Gassner, dessen Erfinder, uns auf einer unserer Erkundungsfahrten nach München im September 1993 das Projekt „Elan Vital“ vorstellte und erläuterte, das ein knappes dreiviertel Jahr später, nach harter Tag- und Nachtarbeit schöne Wirklichkeit wurde und fast 550 Werke der Moderne vereinte. Es folgten die grossen Retrospektiven von Roy Lichtenstein und Frank Stella, , Kurt Schwitters und Max Ernst, Francis Bacon, und Sean Scully, und thematische Ausstellungen wie „Der Glanz der Farnese“, „Ernste Spiele, der Geist der Romantik in der Kunst“, „Pierrot“, „Dinge in der Kunst des 20. Jahrhunderts“, „Beauty Now“ und schliesslich „Die Nacht“, vom Beginn ihrer Abbildung in der Späten Gotik bis hin zur Klassischen Moderne, vielleicht die schönste Ausstellung überhaupt, die mir in meiner ganzen Laufbahn gelungen ist, und vieles und nicht weniger Bedeu- tendes mehr, in den zehn Münchner Jahren über 100 Ausstellungen. Bald gelang es uns auch, die etwas antiquiert und dünn gewordene Gesellschaft der Freunde des Hauses der Kunst wieder zu verstärken und von anfangs unter 200 Mitgliedern auf über 700 Christoph Vitali eröffnete seine letzte Aus- stellung „Barocke Sammelleidenschaft“ im mehr als zu verdreifachen. Damit war auch die ausreichende Finanzierung unserer zahl- Haus der Kunst am 3.2.2003. Nach zehn reichen, hochfliegenden Projekte mit Jahresbeiträgen von gegen einer Million Mark Jahren und mehr als 100 Ausstellungen für trotz der andauernden Knappheit der öffentlichen Mittel gesichert. Mit festlichen das Münchner Publikum wechselte er im Ausstellungseröffnungen, zu denen meine Mitarbeiter, meine Familie und ich meist April 2003 als neuer Direktor zur Fondation selber kochten und zahlreichen Studienreisen nach Sizilien, Moskau und St. Peters- Beyeler nach Riehen/Basel. burg, nach Norditalien, Georgien, nach Galizien und Kastilien in Spanien und ins Péri- gord in Frankreich haben wir unsere Freunde verwöhnt und bei guter Laune gehalten.

Seither hat sich das Häuflein der Getreuen weitgehend zerstreut. Hubertus Gassner hat nach kurzen, ereignisreichen Jahren im Folkwang Museum in Essen soeben mit der Leitung der Hamburger Kunsthalle begonnen und Bernhart Schwenk ist als Konserva- tor für Gegenwartskunst an die Pinakothek der Moderne gewechselt. Ich selber habe zusammen mit Ulf Küster, in den letzten Jahren nach München gekommen, in der Fondation Beyeler eine schöne neue Wirkungsstätte gefunden. Aus dem fernen Riehen Barnes Collection, 1995, Paul Cezanne, bei Basel grüsse ich das vertraute Haus der Kunst und wünsche ihm und all seinen Junger Mann mit Totenschädel Freunden eine gute und erfolgreiche Zukunft.

78 79 Blick in die Ausstellung Le Corbusier, 1957

80 81 Partners, 2003, Maurizio Cattelan, Him

Francis Bacon, 1996, Tanz-Performance von William Forsythe

82 83 Das Haus der Kunst in Zahlen Leitung Das Haus der Kunst ist seit 1992 der gemeinnützigen Stiftung 1946 – 1982: Peter A. Ade Haus der Kunst GmbH zur Nutzung überlassen. 1982 – 1986: Hermann Kern Gesellschafter der Betreibergesellschaft: Freistaat Bayern, 1986 – 1991: Magdalena Huber-Ruppel Schörghuber Unternehmungsgruppe, Gesellschaft der Freunde 1993 – 2003: Christoph Vitali der Stiftung Haus der Kunst München e.V., Ausstellungsleitung Seit 2003: Chris Dercon Haus der Kunst München e.V. Mitarbeiter Architektur Anzahl der Mitarbeiter (inkl. Teilzeitkräfte): ca. 80 Architekt: Paul Ludwig Troost Anzahl der Staatsbürgerschaften: 17 Bauzeit: 1933 – 1937 Finanzen Grundfläche: 8.000 qm Jährlicher Zuschuss vom Staat: 3,2 Millionen Euro Ausstellungsfläche: 5.400 qm Ausstellungsbetrieb Bauliche Veränderungen: Eröffnung: 18. Juli 1937 mit der 1971 Abbruch der Freitreppe an der Prinzregentenstraße „Grossen Deutschen Kunstausstellung“ wegen Straßentunnelbaus Erste Ausstellungen nach 1945: „Bayerische Gemälde 1972 Temporärer Anbau an der Nordseite nach einem Entwurf des 15. und 16. Jahrhunderts“ (Januar bis September 1946), von Paolo Nestler für die Ausstellung „Weltkulturen und „Das Jugendbuch“ (Juli 1946) moderne Kunst“ im Rahmen der Olympischen Spiele Erste Ausstellung der klassischen Moderne: 1991 – 1994 Teilsanierung (eingeschränkter Ausstellungsbetrieb) „. München und die Kunst des Seit 2003: Kritischer Rückbau der Mittelhalle 20. Jahrhunderts“ (1949) (ehemalige „Ehrenhalle“) Ausstellungen 1946 – 2005: 283 Besucher in 2005: 215.000

Elan Vital, 1994, Hans Arp, Mondfrucht (links), Frank Stella, 1996 (unten), Frank Lloyd Wright, 1952, Cover Ausstellungskatalog (rechts)

84 85 40 Ausstellungs-Highlights 19. Elan Vital oder Das Auge des Eros (1994) 1. Kultur und Mode (1950) 20. Der Glanz der Farnese – Kunst und Sammelleidenschaft (1995) 2. Frank Lloyd Wright (1952) 21. Die nie gesehenen Werke der Barnes Collection (1995) 3. Pablo Picasso (1955) 22. Frank Stella – Retrospektive (1996) 4. Vincent van Gogh (1956) 23. Francis Bacon, 1909-1992 – Die Retrospektive (1996) 5. Le Corbusier (1957) 24. Christian Boltanski – Verloren in München (1997) 6. Internationale Filmausstellung (1958) 25. Ellsworth Kelly (1997) 7. Henri Toulouse-Lautrec (1961) 26. Die Nacht (1998) 8. Entartete Kunst – Bildersturm vor 25 Jahren (1962) 27. Odysseus: Mythos und Erinnerung (1999) 9. Französische Malerei des 19. Jahrhunderts (1964) 28. TALK.Show – Die Kunst der Kommunikation 10. Carl Spitzweg und sein Freundeskreis (1967) in den 90er Jahren (1999) 11. Internationale Plakate (1971) 29. Neo Rauch (2001) 12. Weltkulturen und moderne Kunst (1972) 30. Sammlung Dr. Gustav Rau (2001) 13. Nofretete-Echnaton (1976) 31. Grotesk! 130 Jahre Kunst der Frechheit (2003) 14. Simplicissimus – Eine satirische Zeitschrift. München 1896-1944 32. Partners. Die Sammlung Ydessa Hendeles (2003) (1977) 33. Simply Droog: 10 + 1 Jahre Avantgarde-Design aus den 15. Tutanchamun (1980) Niederlanden (2004) 16. Amerikanische Malerei 1930-1980 (1981) 34. Aernaut Mik: Dispersionen (2004) 17. Shogun – Kunstschätze und Lebensstil eines japanischen Fürsten 35. Das Bild Europas. AMO/Rem Koolhaas und der Shogun-Zeit (1984) Foreign Policy Center (2004/5) 18. 60 Meisterwerke aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza – 36. Die Götter Griechenlands: Peter Cornelius, 1783-1867 (2004) Wege zur Abstraktion (1988) 37. Schatzhäuser Deutschlands. Kunst in adligem Privatbesitz (2004) 38. Paul McCarthy – LaLa Land Parodie Paradies (2005) 39. Lee Friedlander. Fotografien 1956-2004 (2005) 40. Click Doubleclick. Das dokumentarische Moment (2006)

Die Nacht, 1998 (links oben), Pablo Picasso, 1955, Guernica (links unten), Simply Droog, 2004, Eibert Draisma, Speaking Coffee Maker 1990 (unten), Der Glanz der Farnese, 1995, Tizian, Bildnis des Ranuccio Farnese (rechts)

86 87 6. schreiben sie tagebuch? mit chris dercon in indien auf den spuren von amrita sher-gil

Amrita Sher-Gil, Sleep, 1933

89 Zu früh oder zu spät? Auf den Spuren von Amrita Sher-Gil 9.00 Uhr – India Gate Durch dichten Morgenverkehr fahren wir zum Park Hotel an Die ersten Stunden aus dem Tagebuch, das Chris Dercon auf seiner der Parliament Street mitten im Herzen New Delhis. Es tut gut, Indienreise im Dezember 2005 führte, um die Ausstellung Delhis Verkehrsorchester wieder zu hören. Hier ist lautes Hupen „Amrita Sher-Gil. Eine indische Künstlerfamilie im 20. Jahrhundert“ nicht nur erlaubt, sondern sogar vorgeschrieben. Indien ist für das Haus der Kunst vorzubereiten (2.10.2006 – 7.1.2007). nicht nur visuell eine unglaubliche Erfahrung, auch die Ohren haben was zu verarbeiten! Trotzdem freue ich mich jetzt auf ein Like all great travellers I have seen more than I remember klimatisiertes und, etwas anderes kommt nicht in Frage, ein and I remember more than I have seen. ruhiges Hotelzimmer. Feiner graubrauner Staub, der sich in der Luft mit den Abgasen tausender Autos und mit verbrannter New Delhi, Mittwoch, 14. Dezember 2005 Kohle vermischt, sorgt für einen dichten Smog, der das Atmen 8.00 Uhr – Flughafen Delhi erschwert. Mir gefällt der spezielle süße Duft, der darin mit- Wie immer warten Heiko Sievers, Programmdirektor für Süd- schwingt. Es ist der Beweis, dass ich weit weg bin von zu Hause. asien am „Max Müller Bhavan“-Institut (so heißt die Zweigstelle Entlang der Straße erscheinen immer mehr Uniformsilhouetten, des Goethe-Instituts in New Delhi) und unser treuer Fahrer in verschiedenen Ocker- und Grüntönen. Sie bewegen sich Hemendar früh morgens am Flughafen Delhi auf mich. So früh langsam, so als warteten sie darauf, dass etwas passiert. In der im Dezember gibt es noch keinen dichten Nebel und deswegen Gegend um das India Gate hat New Delhi etwas von einem auch nicht die ewigen Verspätungen und chaotischen Szenen, Militärstützpunkt – wenn sie sich nicht gerade mit Nuklearwaf- die sich bei den dann nötigen, tagelangen Sperrungen des Flug- fenverträgen oder Terrorwarnungen beschäftigt ist, scheint die hafens ergeben. Andererseits ist es auch etwas ganz Besonderes indische Armee die meiste Zeit damit zu verbringen, sich auf wegen Nebels am Flughafen Delhi festzusitzen. Ohne Probleme Paraden vorzubereiten. Entlang der Straße wärmen sich Militärs befreundet man sich auf der Stelle sowohl mit amerikanischen alleine oder in kleinen Gruppen an improvisierten Öfen. Denn Computerexperten als auch mit tibetanischen Mönchen! Wenn um diese Jahreszeit gibt es für die Bewohner Delhis nichts man wirklich Glück hat, trifft man sogar einen echten indischen Wichtigeres, als sich warm zu halten. Ich für meinen Teil freue Piloten, der einem versichert, man werde auf jeden Fall wohlauf, mich besonders darauf, den Lärm bald hinter mir lassen zu wenn auch nicht pünktlich, am eigentlichen Ziel ankommen. können. Genau vor dem Hotel befindet sich eine Bushaltestelle Auf dem ruhigen Parkplatz für Diplomaten und Regierungsan- für die täglichen Horden von Verwaltungsangestellten. gestellte ziehe ich tief an meiner ersten Zigarette seit vielen Ein kreischendes Lautsprechersystem ruft pausenlos die Taxi- Stunden. Trotz der Gegenwart von vielen – mehr als sonst nach fahrer des Hotels zur Arbeit. Einige davon arbeiten und leben in dem letzten tödlichen Terroranschlag auf einen gut besuchten ihrer Taxikabine, 24 Stunden, 7 Tage die Woche, so dass sie, Markt in Delhi – schwer bewaffneten Soldaten ist die Atmosphä- während sie auf ihren nächsten Kunden warten, leicht einschla- re genauso entspannt und freundlich wie sonst auch: „Ich fen. Genau wie alle anderen miete auch ich mir ein Taxi für den wünsche Ihnen einen guten Tag, Sir.“ Da ich das Gefühl habe, ganzen Tag, was inklusive Fahrt acht Euro kostet. Als allererstes ich müsste mich für mein Rauchen entschuldigen, frage ich den gilt es jetzt aber, mir ein ruhiges Zimmer am anderen Ende des Wächter: „Möchten Sie auch eine Zigarette?“ „Nein, Boss, vielen Hotels zu sichern. Dank, Boss.“ Ich werde nie verstehen, wann sich in diesem Land der durchdachten Gesellschaft „Sir“ plötzlich in „Boss“ verwandelt. In Indien raucht außer Bettlern und Arbeitern kaum jemand in der Öffentlichkeit. Deswegen nehme ich an, dass es sich dabei um ein Benehmen der unteren Kasten handeln muss. Aber wer gehört dazu und wer nicht? Die Große Indische Revo- lution ist voll im Gange, Millionen bewegen sich in alle Rich- tungen, die Demokratie – so unvollkommen sie auch sein mag – liegt den Indern seit mehr als 55 Jahren im Blut, aber die Unzu- länglichkeiten, die sich aus den Rivalitäten zwischen den Kasten ergeben, werden die jemals aufhören? Bei einem Kaffee besprechen Heiko Sievers und ich, was wir in den nächsten Tagen erreichen wollen. Nicht zuletzt müssen wir uns mit einem warnenden Hinweis auseinandersetzen, es säße ein „Mensch aus einer niederen Kaste“ im Kulturerbe-Komitee, der wahrscheinlich dem Projekt, „Amrita Sher-Gil. Eine indische Künstlerfamilie im 20. Jahrhundert“ sehr kritisch gegenüberste- hen würden. Nikotin, Kaffee und die angeregte Unterhaltung halten mich wach. In München ist es jetzt erst vier Uhr morgens, Vivan Sundaram, Re-take of Amrita, 2001 (oben) in Delhi sind wir schon dreieinhalb Stunden weiter. Amrita Sher-Gil, Brides Toilet, 1937

90 91 9.30 Uhr – Ein indisches Hotel Reiches orientiert und Anfang des 20. Jahrhunderts vom briti- Dem Park Hotel, das der Apeejay-Group gehört, steht Mrs. Priya schen Architekten Lutyen – der hindu und islamische Architek- Paul vor, eine der sogenannten Architektinnen der aktuell zu tur als „zu schwach“ bezeichnete – errichtet wurde, Delhi also beobachtenden unternehmerischen und infrastrukturellen hat nun endlich ein neues Designkomitee unter dem Vorsitz Revolution in der Stadt. Vor langer Zeit war Delhi hauptsächlich des international renommierten Architekten Charles Correa. als Beamtenhochburg bekannt, als Stadt, in der vor sich hin Mein Freund Charles sitzt unter anderem im Vorsitz der mäch- verrottende Beamte vor riesigen Stapeln von Unterlagen saßen, tigen Aga-Kahn-Kulturstiftung, die mutige neue Architektur die sich in keine Richtung bewegen wollten. Investition war ein in islamischen Ländern unterstützt. Wenn er es nicht schafft, Fremdwort. Jetzt aber hat sich die Große Indische Revolution Delhis chaotischer Stadtlandschaft irgendeine Art von Normali- sogar bis nach Delhi vorgewagt. Priya Paul ist für die Moderni- tät zu verleihen, dann schafft es keiner. Laut Delhi Times ist es sierung vieler großer Hotels in Neu Delhi, Kalkutta, Chennai seine Hauptaufgabe, darauf zu achten, dass die Stadt ästhetisch und Visakhapatnam verantwortlich gewesen. Der Apeejay-Group bleibt. Wir werden ihn vielleicht auch dazu brauchen, unserem gehört auch die einzige New-Media-Galerie im Land. Kulturprojekt voran zu helfen. In diesem zeitgenössischen indischen Boutiquehotel, das vom Londoner Conran-Team renoviert wurde, ist das Beste an zeit- 10.00 Uhr – India Today genössischer indischer Kunst zu sehen, kuratiert von Peter Nagy, Da man um diese Jahreszeit ungewöhnlich gute Rückblicke auf dem mit „Nature Morte“ Delhis wichtigste Galerie für moderne das vergangene Jahr sowie visionäre Spekulationen auf das Kunst gehört. Ich kenne Peter noch von ganz früher, als seine nächste bekommt, sammle ich so viele Zeitungen und Illustrier- Galerie Anfang der 80er eine der Hauptattraktionen an der New te wie möglich. India Today hat gerade seine Geburtstagsausgabe Yorker Lower East Side war und gefährliche Spielutensilien publiziert „30 Momentous Years 1975-2005“. Unter der Über- von Cady Noland und Konsorten zeigte. In den 90ern hat es ihn schrift „Zeitlose Ikonen“ veröffentlicht India Today eine Liste dann nach Delhi verschlagen, und einige hielten ihn für durch- Indiens einflussreichster Persönlichkeiten, unter ihnen Wirt- gedreht ... Jetzt allerdings fliegen Künstler wie der spanische Star schaftswissenschaftler und Philosoph Amartya Sen und der Santiago Sierra hierher, um ihn zu treffen. Er ist also erfolgreich, Großunternehmer und „Big-byte-Guru“ N. R. Narayana Murthy. hält sich aber ganz an den Geschäftscode während er elegant Sen ist anscheinend einer der Hauptsprecher während eines bestickte Schals aus Kaschmir und traditionelle, vorne offene öffentlichen Events diese Woche, zu dem Ted Turners United- Sandalen trägt. Bei der letzten Biennale in Venedig mietete Nagy Nation-Stiftung einlädt. Turner, der mit sich politische Visionäre eine alte Schule auf der Giudecca, um seine erfolgreichen, im- wie Graca Machel, Menschenrechtsaktivist aus Mosambik, und mer noch „experimentell“ genannten indischen Künstler zu prä- Finanzgenie Mohammed Yunus von Grameen, der kleinen Kre- sentieren: Nalini Malani, Anita Dube und Subodh Gupta. ditbank in Bangladesch, bringt, ist in der Stadt. Bill und Melinda Sämtliche Experten konnten es kaum erwarten, die Ausstellung Gates sind gerade abgereist. Viele Zeitungen zitieren Gates mit zu sehen. den Worten: „India, China und die USA: Wenn wir diese drei vereinen können, was hätten wir für ein Wahnsinnsland!“ Und 9.45 Uhr – Mehr Architektur in der Tat ist Europa weder für Gates noch die Inder besonders Es ist ein kalter und klarer Morgen in Delhi und noch zu kalt, interessant – sie können einfach mit so etwas Vagem wie der um im Hotelpool, der passender Weise „Aqua“ heißt, zu schwim- Europäischen Union nichts anfangen. „Europa interessiert men. Von dort aus hat man einen großartigen Ausblick auf die Indien nicht allzu sehr“, schrieb Die Welt anlässlich der Konfe- brutale Betonarchitektur der modernen Regierungsgebäude in renz „Kulturen der Globalisierung: Herausforderungen und der Nähe. Es gibt wirklich eine erstaunliche Linie zwischen Visionen aus europäisch-indischer Perspektive“, die vor kurzem den Skateboardhängen der benachbarten Bürohochhäuser und von der Bertelsmann-Stiftung und der Radjiv-Gandhi-Stiftung dem traditionellen, minimalistischen Stil der extra-extragroßen gegeben wurde. Ich frage mich, was Zubin Mehta wohl auf astrologischen Instrumente aus dem 18. Jahrhundert auf der Deutsch sagen wird, wenn er am 28. Dezember hier mit dem gegenüberliegenden Straßenseite. Dabei wären wir auch schon Bayerischen Staatsorchester auftritt. Dieses Konzert wird als bei den architektonischen Herausforderungen hier. Wo sonst gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges gehandelt; es ist das findet man Blackpool-Gotik im Wettstreit mit Punjabi-Barock erste Mal, dass der Maestro aus Mumbai sein Orchester in genau über der Baustelle für eine neue U-Bahn Strecke? Delhi, seinem Geburtsland vorführt. Hemendar, unser Fahrer, freut mit all seinen schlecht geplanten Wohn- und Geschäftskolonien, sich schon darauf, so viele Deutsche rumfahren zu dürfen, denn seinen abgeschmackten und größenwahnsinnigen Regierungs- dann kann er sein Deutsch verbessern, sagt er. Bis jetzt spricht gebäuden, seinen fußballfeldgroßen Rasen, seiner verfallenen Hemendar allerdings nur Englisch. architektonischen Infrastruktur, die manchmal nur bis zu den Asian Games 1982 zurückreicht, und besonders mit seiner grotesken Kolonialarchitektur, die sich am Stil des römischen

Amrita Sher-Gil, Elephants, 1940

92 93 10.15 Uhr – Eurozentrismus India“ vor. Außerdem muss ich auf dieser Reise unbedingt ein Im Gegensatz zu den meisten meiner Kunstkollegen ist es für Paar der neuen Peshwari-Sandalen erstehen, welche von indi- mich unvorstellbar, gute Arbeit zu leisten, ohne solche und schen und arabischen Männern gerne mit weißen Socken ähnliche Hintergrundgeschichten zu beachten. Ich muss sehen zu förmlicher Kleidung getragen werden. Zur Nachahmung und hören und den gegebenen örtlichen Kontext verstehen. empfohlen! Die vielbeschworene Unabhängigkeit, die „splendid isolation“ Zu diesem Thema muss ich auf jeden Fall den bemerkenswerten des visuellen Ausdrucks wirkt wie eine Augenbinde. Die visuelle Ausstellungskatalog Masters of the cloth. Indian textiles traded to Kultur ist eine Form der andauernden Verhandlung mit offe- distant shores empfehlen, ein atemberaubender Überblick über nem Ausgang, verschiedene Orte und Zeitpunkte reflektierend. textile Handelsware vom 13. bis 20. Jahrhundert aus der Tapi- Deswegen macht mir „cultural delay“ – ein Begriff, mit dem Sammlung, einer der wichtigsten privaten Textilsammlungen, nichtwestliche bildende Kunst, wie zum Beispiel Amritas Bilder, die von den sympathischen Seidenmühlen-Unternehmern oft bedacht werden – nichts aus. Amrita selber schrieb interes- Praful und Shilpa Shah aus Baruda zusammengetragen wurde. santer Weise: „Ich muss einfach mit der Tatsache leben, dass Zufälligerweise besitzen die beiden auch eine der größten Europa Picasso und Matisse gehört. Indien gehört mir.“ Wenn er Sammlungen von Bhupen-Khakhar-Bildern und verwalten den überhaupt existiert, dann sehe ich diese „Kulturverzögerung“ Khakhar-Nachlass. Keinerlei Bollywood-Glitzer, sondern sehr in erster Linie als eine Herausforderung für mich ganz persön- ernste Mäzene, von denen Indien dringend mehr bräuchte, um lich, denn sie lässt mich meine Art, die Welt zu sehen, hinter- das unglaublich reiche Kulturerbe am Leben zu erhalten und fragen. Das erinnert mich an eine bekannte deutsche Kunst- dem Desinteresse der Regierung entgegenzuwirken. händlerin, die sich vor kurzem über die neuen, schnell wachsen- Unser Kollege Professor Rajeev Lochan ist verantwortlich für den Kunstgrenzen beschwerte. Sie nannte sie ein „Schaufenster die National Gallery of Modern Art in New Delhi, die 1954 auf für die Dritte Welt“, freute sich aber gleichzeitig ganz wahn- der Grundlage einer Teilschenkung der Sher-Gil-Familie von sinnig über die neuen Palma-de-Mallorca-Pläne der alten und Amritas Bildern gegründet wurde, und die jetzt Zweigstellen in etwas müden Art Cologne. Die Frage ist also, was bedeutet Mumbai und bald auch in Bangalore unterhält. Neben seiner „cultural delay“ eigentlich anderes, als dass wir unsere alten Sekretärin zählt der unternehmungslustige Professor Lochan Privilegien weitergeben? noch ganze drei Personen zu seiner Besetzung von Kuratoren und Konservatoren. Nicht mehr und nicht weniger. Der neue 10.30 Uhr – Schals aus Kaschmir Flügel der National Gallery of Modern Art soll nächstes Jahr Die Vorhersage für die Nächte ist ungewöhnlich kalt, so um eröffnet werden und wird das bestehende Gebäude um 6000 die 6 Grad. Während des Tages steigt die Temperatur leicht auf Quadratmeter erweitern. Lochan, selbst als Künstler mit expe- 23 Grad, nur um bei Sonnenuntergang ganz plötzlich wieder rimenteller Fotografie beschäftigt, ist optimistisch und ehrgeizig: zu fallen. Mein übergroßer brauner Kaschmirschal von der Sorte Er plant große Ausstellungen, unter anderem von Anish Kapoor wie er hier von vielen Männern getragen wird, erfüllt mehrere und Andreas Gursky. Aufgaben: Wenn man ihn um den Körper schlingt, ist er eine gemütliche Decke, nachts eine Kapuze, auf der Straße eine Staubmaske, um den Hals einfach schön warm, und wenn man ihn über die Schultern breitet, dann gilt er sogar als eine Art förmlicher Kleidung. Für jemanden, der wie ich von erschwing- lichen ethnischen Textilien fasziniert ist, ist New Delhi ein Para- dies. Ich freue mich schon darauf, wieder bei „Indian Tribes“ vorbeizuschauen, einem Stoffladen, der von einer Wohltätig- keitsorganisation geführt wird, die sich um die Belange der längst vergessenen indischen Stämme kümmert. Die Stämme Indiens, die über das ganze Land verteilt sind, machen einen ziemlich großen Prozentsatz der Bevölkerung aus, aber ihr Lebensstandard ist fast noch schlechter als der der niedrigsten Kasten. Was ich also mache ist „Shop for a Tribal Cause“, wie das Schild über dem Laden proklamiert, was bedeutet, dass ich unter anderem mit unglaublichen Dupattas aus Rohseide nach Hause komme, die mit komplizierten geometrischen Mustern verziert sind. Dieser Laden verkauft qualitativ viel Besseres als die Läden der Zentral- oder örtlichen Regierungen. Allerdings muss man sagen, dass auch das Himachal Emporium wegen seiner wunderbaren wollenen Produkte in natürlichen Braun- Vivan Sundaram, Re-take of Amrita, tönen einen Besuch wert ist. Wenn es um sogenannte „zeitge- 2001, Portrait (links) nössische“ Textilien, wie Wohntextilien geht, ziehe ich das „Fab Amrita Sher-Gil, Hill Scene, 1938

94 95 10.45 Uhr – Amrita, der Markenname 11.00 Uhr – Amrita, die Legende Teil ihrer Reise auf dem Weg zur Selbsterkenntnis ein Teil des Sudhir Kakar. Da Sudhir in Deuschland ausgebildet wurde, Tina Köhler, unsere erfahrene Ausstellungskoordinatorin im Mit jedem neu verstreichenden Jahrzehnt wächst die Legende allgemeinen emanzipatorischen Kontexts der indischen Frau, spricht er fließend Deutsch. Er lebt mit seiner Frau, der Haus der Kunst, die für das German Festival in Indien die Aus- von Amrita Sher-Gil (so die korrekte anglizierte Schreibweise auf den z.B. auch Gandhi großen Wert legte – das Thema Sexua- Religionswissenschaftlerin Katharina Poggendorf, in einem stellung zeitgenössischer Kunst organisiert hat, erwartet uns im ihres Namens) weiter. Amrita war eine Vertreterin der künstleri- lität allerdings ausgenommen. wunderschönen alten portugiesischen Haus in Goa, nicht weit Frühstücksraum. Sie kennt Indien in- und auswendig und ist schen Moderne in Indien – eine emblematische Figur, die man Amrita starb unter tragischen Umständen in Lahore, sie war vom Indischen Ozean. Er hat nicht nur an Ivy League Univer- deswegen nicht erstaunt, dass sowohl Heiko Sievers als auch ich in der Tat mit Frida Kahlo vergleichen kann. Wie bei Kahlo noch nicht mal 29 Jahre alt. Ihr ganzes Leben lang hat ihr talen- sitäten unterrichtet, er coacht auch viele von Europas Topmana- uns fragen, ob wir es überhaupt schaffen werden, die indischen kamen auch Sher-Gils Eltern aus zwei verschiedenen Ländern, tierter Vater, Umrao Singh Sher-Gil ihre starke Persönlichkeit gern an der European Business School und an der INSEAD in Bürokraten davon zu überzeugen, die Prozesse, die es dem Kultur- und wie bei Kahlo war auch ihr Vater ein bedeutender Fotograf. auf Hunderten von Fotografien festgehalten. Mit seinen Bildern Fontainebleau. Anscheinend hat er auch einige von Münchens erbekomitee erlauben, Amrita Sher-Gils Bilder außer Lande zu Mit ihrem erfundenen mexikanischen/indischen Stil machten gilt er als einer der Pioniere moderner indischer Fotografie. großen Geschäftsmännern schon unterrichtet. Hier ist Sudhir bringen zu lassen, etwas zu beschleunigen. Denn das ist unsere sich Kahlo und Sher-Gil zu lebenden Kunstwerken, die danach Diese Bilder sind von Vivan Sundaram, Umraos Enkel und Kakar allerdings am bekanntesten durch seine Bücher, die im C. große Aufgabe für diese Woche. Falls das nicht klappt, wird es im schrieen, als Fetische herzuhalten. Beide setzten sich mit natio- Amritas Neffe und einer der wichtigsten zeitgenössischen Künst- H. Beck Verlag in München erscheinen, wie Kamasutra oder Haus der Kunst diesen Herbst keine Retrospektive dieser wich- nalistischen Überlegungen zur eingeborenen Frau als Genie ler Indiens, der gleichzeitig politisch aktiv ist, zu einer Serie von die Kunst des Begehrens oder unlängst Die Frau, die Gandhi liebte. tigen indisch-ungarischen Künstlerin und frühen Feministin auseinander. Während Sher-Gil die Bildertraditionen Indiens faszinierenden Fotomontagen umgearbeitet worden. Letzteres beruht auf der wahren Geschichte einer feinen Britin, geben – manche nennen sie die Frida Kahlo Indiens. Außerdem zusammenführte – von buddhistischen Höhlenmalereien zu der jungen Madeleine Slade, die so von Gandhis Lehren faszi- muss diese Ausstellung mit der Frankfurter Buchmesse zusam- Moghul-Miniaturen – betrat sie gleichzeitig neuen Boden, da sie 11.15 Uhr – Amrita, die Ausstellung niert war, dass sie nach Indien reiste, um Gandhis Aschram menfallen, die Indien als Schwerpunkt gewählt hat. Eine Ausstel- das alltägliche Indien mit der Sprache der Moderne interpre- Unsere Ausstellung wird eine große Auswahl von Amritas Bildern beizutreten. Madeleine verliebt sich in den Meister, aber ihr lung von Werken der Tagore- Dynastie, die in Paris für vor zwei tierte. Ihr oftmals verwegener Lebensstil und ihre unerschrocke- zeigen sowie Arbeiten ihrer beiden Familienmitglieder, wodurch westliches Konzept romantischer Liebe ist weit entfernt von Monaten geplant war, musste aus genau solchen Gründen ab- nen Ausflüge in eine männerdominierte Welt haben Sher-Gil sie zu einer Rückschau auf drei Generationen einer Künstler- Gandhis Suche nach der spirituellen Überwindung der Lasten, rupt abgesagt werden. In der Tat gibt es zur Zeit eine gesteigerte in Indien zu einer feministischen Ikone werden lassen. Amrita familie im Indien des 20. Jahrhunderts wird. Amrita, die in die uns Erdbewohner niederdrücken. Es dauerte nicht lange, bis Nachfrage von Museen und Auktionshäusern nach indischen wuchs in einer künstlerischen und kosmopolitischen Familie Indien eine Legende ist, ist in Europa kaum bekannt. Deswegen Kakars Buch von einigen sturen, traditionalistisch gesinnten Markennamen wie M.F. Hussain, Tyeb Mehta und Bhupen auf, die schon im frühen 20. Jahrhundert zwischen Europa und haben wir ihre Nichte, Vivans Schwester Navina Sundaram – Indern verrissen wurde: Exemplare wurden öffentlich verbrannt, Khakhar. Exilinder in den USA, Kanada und Großbritannien Indien hin- und herreiste. Ihr Vater war ein indischer Aristokrat einst eine bekannte Journalistin des deutschen Fernsehens, die und sein Name erschien auf Esel gemalt, die in einer Prozession und, nicht zu vergessen, die neuen Reichen in Mumbai, Banga- und Lebemann aus Punjab, ihre Mutter stammte aus Ungarns heute in Hamburg lebt – eingeladen, die außergewöhnliche die Straßen entlanggeführt wurden. Dafür hat Kakar nichts als lore und anderen Städten, sammeln ihre Arbeiten, oft en masse. kultivierter Großbürgerschicht. Zwischen 1929 und 1934 lebte Geschichte ihrer Tante und ganzen Familie der Öffentlichkeit in ein Lächeln übrig: „In Indien passiert so was eben“, sagt er, „aber Sie sehen Kunst vor allem nur als eine weitere vom Markt dik- Amrita in Paris, wo sie an der Ecole des Beaux Arts studierte. In Form eines Videos vorzustellen. Unsere Ausstellung wird eine Bilder sind viel gefährlicher als Worte.“ tierte Investition. Ein Tyeb Mehta beispielsweise verkauft sich der indischen Kunstszene tauchte Amrita Mitte der 30er Jahre Weltpremiere sein. Viele Kollegen und Institutionen weltweit In der Tat wurden vor noch gar nicht so langer Zeit Ausstellun- für 300.000 US-Dollar und manchmal sogar für rekordverdäch- auf, als eine Handvoll Künstler grundlegende Entscheidungen zeigen bereits Interesse an ihr. Es gibt Gerüchte, nach denen die gen des verstorbenen, hoch verehrten und offen homosexuell tige 1,5 Millionen US-Dollar. Heiko Sievers zeigt mir einen vor hinsichtlich der Unabhängigkeit moderner indischer Kultur National Gallery of Modern Art in Delhi ihren brandneuen lebenden Malers Bhupen Khakhar von religiösen Fanatikern kurzem in einer Finanzzeitung erschienenen Artikel des Samm- trafen. Zu diesem Zeitpunkt war die Entdeckung Indiens Teil Flügel mit unserer Ausstellung zu eröffnen plant und auch, dass angegriffen, und einige seiner Kunstwerke zerstört. Das ist auch lers Nitin Bhayana. Er schreibt: „Als Sammler fasziniert es mich einer größeren nationalistischen Bewegung geworden, die in der die Tate Modern eine Auswahl von Amritas Werken zeigen will. der Grund warum die vor kurzem angekündigte indische Aus- besonders, dass Shergill das indische Äquivalent zu Vermeer Unabhängigkeit des Landes gipfelte. Was Sher-Gil betrifft, so (Kurz vor Redaktionsschluss bestätigte die Tate Modern, dass sie gabe des Playboy ganz ohne nacktes Fleisch auskommen muss, ist. Sie ist selten, und deswegen kann niemand so recht einen wurde ihr Hauptthema der weiblichen Sexualität als integraler Amrita Sher-Gil Anfang 2007 zeigen wird.) Im Zusammenhang zur Schadenfreude der internationalen Presse. Deswegen müs- Preis für ihre Arbeiten nennen. Interessanterweise hat sie mit unserer Ausstellung werden drei Bücher erscheinen, und so sen Schirmer und ich es uns zweimal überlegen, welches Bild überhaupt nur 175 Bilder produziert, von denen fast alle in der werden wir auf der Frankfurter Buchmesse ideal vertreten sein. wir für den Umschlag des Amrita Buchs auswählen, damit es in National Gallery of Modern Art hängen. Die restlichen sind bei Außer der Biografie von Yashodhara Dalmia, die von Penguin Indien überhaupt verkauft werden darf. Währenddessen machen ihrer Familie in Indien und Ungarn. Tyeb Mehta, dessen Arbei- Chris Dercon und Prof. Rajeev Lochan, Direktor der Books verlegt wird, erscheint bei Tulika Press, Delhi The Letters indische Buchhändler ein großes Geschäft mit Neuausgaben ten für mehr als 1 Million US-Dollar gehandelt werden, hatte 50 National Gallery of Modern Art in Neu Delhi, bei der Auswahl and Writings by Amrita, herausgegeben von Vivan Sundaram. Ein grafischer Kamasutra-Übungen, und Stadtmagazine wie Delhis seiner Arbeiten in Auktionen, wobei von Shergill nur zwei der Werke von Amrita Sher-Gil. illustrierter Band mit einem Essay von Deepak Ananth, der hervorragendes First City veröffentlichen Kolumnen in denen versteigert worden sind. Tauchte ein wichtiges Shergill-Bild in letzten Sommer in Paris „Indian Summer“ kuratierte, erscheint Stadtbewohner über „richtig richtig“ schlechten Sex schreiben einer Auktion auf, so wäre es ohne Zweifel das teuerste, jemals in ausstellungsbegleitend bei Schirmer und Mosel in München. dürfen. Viele indische Intellektuelle stoßen deshalb dreimal Indien verkaufte Bild.“ Und tatsächlich, im März diesen Jahres Lothar Schirmer, der Nicholas Murrays bemerkenswerte Fotos auf die indische Demokratie an – und auf die Scheinheiligkeit. wurde Amritas Bild „The Village Scene“ für einen Rekordpreis von Frida Kahlo herausgegeben hat, war sofort begeistert, nach- Sudhir Kakar wäre ideal dafür geeignet, Amritas Individualität von umgerechnet 1,3 Millionen Euro von Osian’s in Neu Delhi dem er Amritas exotisches und beeindruckendes Charisma, wie und Einzigartigkeit einer deutschen Öffentlichkeit vorzustellen. versteigert. 1992 ging es noch für umgerechnet 21.000 Euro bei es in den wunderbaren Fotografien ihres Vaters widergespiegelt Von der Frankfurter Buchmesse wurde er beauftragt, ein Buch Sotheby’s India unter den Hammer. wird, gesehen hatte. mit dem Titel Die Inder. Porträt einer Gesellschaft zu schreiben. Was uns betrifft, geht es jetzt zunächst einmal darum, Amritas 11.30 Uhr – Frankfurter Buchmesse Bilder rechtzeitig aus Delhi nach München bringen. Ich bin Die Abordnung der Frankfurter Buchmesse ist samt des Geschäfts- schon gespannt, welche „bescheidene, aber praktische Lösung“ führers Jürgen Boos schon in Delhi. Die Buchmesse ist für uns (ein Lieblingsausdruck der indischen Bürokraten) uns ange- wichtig, um die Amrita Ausstellung und die begleitenden Bücher boten wird. zu bewerben. Wir werden auch versuchen, die Welt der indi- schen Literatur und die vielen Geschichten hinter Amrita Sher- Gil und ihrer Familie mit einzufangen. Einer der klügsten Denker unserer Zeit ist der indische Ingeni- eur, Wirtschaftswissenschaftler, Psychoanalytiker und Autor

96 97 11.50 Uhr – Noch eine Biennale? 12.15 Uhr – Künstleraufruf Große Überraschung im Frühstücksraum des Park Hotels. Der Auf Einladung des Goethe-Instituts ist der deutsche Künstler, belgisch-mexikanische Künstler Francis Alys und der mexika- Plauderer und Aktivist par excellence Andreas Siekmann hier nische Kurator Cuauhtemoc Medina, einer der Berater der Tate gewesen und hat anscheinend auch Roger Buergel von der Modern für nicht eurozentrische Kunst, wohnen auch in Documenta überzeugt, in Indien Nachforschungen anzustellen. unserem Hotel. Alys bereitet mit Medina ein Projekt in Indien Buergels Ankunft in ein paar Tagen wird hier schon entgegen- vor, wozu sie von der Kulturabteilung der mexikanischen Bot- gefiebert. Das gleiche gilt für Nick Serota, Generaldirektor der schaft eingeladen worden sind. Wir versprechen ihnen, dass Tate, und seine Frau, die Kuratorin Teresa Gleadowe. Beide sind wir ihren Abend „Until the End of the World: Biennial Interven- seit langem mit Sundaram und Kapur befreundet. Unter den tions and Beyond“ besuchen werden. Künstlern der Stadt herrscht also große Aufregung; alle jungen Eine Gruppe von Künstlern und Gelehrten um Vivan Sundaram Künstler wollen die VIPs sehen, so auch die populäre Raqs Media und seine Frau, die führende Kunsthistorikerin Geeta Kapur, Collective und andere im Ausland bereits gefragte indische sind dabei, eine alternative Biennale in Neu Delhi vorzubereiten, Künstler wie Sheela Gowda und Nasreen Mohmmadi. Viele für die sie, mit Hilfe von freundlichen Botschaften und auslän- werden aufgerufen. Sollte die indische Gegenwartskunst wirk- dischen Kulturinstitutionen, internationale Erfahrungen und lich „the next big thing“ sein, nach China? Oder sollte man sich Unterstützung sammeln wollen. Vor allem sind sie an einer Art an Bill Gates Rat halten: „Alle sagen, China gegen Indien. Aber politisch aktiver Kunst interessiert. Für diese Organisatoren und wie wäre es eigentlich mit Indien plus China?“ Und was wird für Kuratoren wie Medina ist die Biennale eine Art neuer Kunst- nach China und Indien kommen, der Golf von Arabien? BMW raum: „Anstatt das, was passiert, zu zeigen, bietet die Biennale wird bald ungefähr 300 Millionen Euro in Indien investieren ein Panorama an. In vieler Hinsicht ist die Biennale eine Trans- und eine riesige Fabrik in Chennai eröffnen. Vergangenen Som- aktion, nicht zuletzt um die Radikalisierung örtlicher Kultur mer empfing die National Gallery of Modern Art eine Delega- sichtbar zu machen. Die Biennale kann die örtliche Umgebung tion von BMW, die eine Kooperation anbot. Mehr markenorien- sehr effizient verändern.“ tierte Kunst-Unterhaltung? In der Tat ist die Globalisierung der Kunstwelt genauso unaufhaltbar wie alles andere. Es waren 12.00 Uhr – Vivan Sundaram ist ein Aktivist ja nicht zuletzt wir, die dieses Ungetüm, die Leitkultur der Vivan Sundaram ist ein wunderbares Beispiel für „The Argu- zeitgenössischen Kunst, ins Leben gerufen haben. Es ist wichtig, mentative Indian“, wie Amartya Sen seine Landsleute gerne sich dessen bewusst zu sein und genau zu sehen und zu hören, nennt und dazu auch ein gleichnamiges Buch veröffentlicht hat. was all diese neuen Künstler und das Publikum zu sagen haben. Vivan Sundaram, der Sohn eines früheren Vorsitzenden des Ein schönes indisches Sprichwort lautet: „Nur schlechte Geister Wahlausschusses der indischen Regierung, verbrachte seine Ju- gehen nicht in die Knie.“ gend als Künstler in London. Seine radikalen politischen Freun- de, die in Indien geblieben waren, überzeugten ihn, mit der 12.39 Uhr – Schlaf Kunst weiterzumachen und nicht in die Politik oder die politi- Mittag ist gerade vorbei, ich bin seit Stunden wach. Jetzt muss sierte Kunst abzuschweifen. Vielleicht hatten sie Erfolg, vielleicht ich mich hinlegen. Plötzlich bewegt sich mein Körper wie von nicht: Bei einer Ausstellungseröffnung seiner neuen Werke, die selbst auf eine Seite des Bettes, so als sei ich auf dem Rücksitz er in Zusammenarbeit mit städtischen Abfallrecyclern erarbeitet eines unruhigen Autos. Der Stapel Zeitungen und Illustrierte hatte, sah man Jim Dine mit Prakash Karat, dem Generalsekretär fällt in ein Zickzackmuster auf den Boden. Bis ich spüre, wo sich der Kommunistischen (marxistischen) Partei Indiens, Seite an meine Füße befinden, scheint eine Ewigkeit zu vergehen. Auf Seite. Ob man Sundaram jetzt einen Konzeptkünstler oder einen einmal habe ich Kopfweh. Es muss der Jetlag sein, der mir zu Bewahrer des Gewissens nennt ist egal, man kann ihn auf jeden schaffen macht, oder es ist einfach zu viel Neues, was ich auf Fall nicht ignorieren. Sundaram ist davon überzeugt, dass, genau einmal verdauen muss. Ist es eigentlich zu früh oder zu spät? wie die Demokratie, auch die zeitgenössische Kunst nicht nur Bevor ich mich weiter mit dem Zustand meines abgeschlagenen etwas ist, das aus dem Westen kommt. Zur Zeit herrscht aber Körpers auseinandersetzen kann, falle ich in tiefen Schlaf. eine große kulturelle Provinzialität, sagt auch Amartya Sen: Als ich am späten Nachmittag aufwache, verkünden die Fern- „Nehmen Sie zum Beispiel das, was im Irak passiert. Zu viel sehnachrichten, es habe im Norden ein Erdbeben gegeben, 5.2 öffentliche Abstimmungen, aber nicht genug öffentliche ausge- auf der Richter-Skala, um 12:39 Uhr. Weit weg, aber stark genug, wogene Diskussion.“ Deswegen organisieren Sundaram und um auch hier, im Herzen Delhis gespürt zu werden. Nichts Kapur so gerne verschiedene Diskussionsforen. Sie hoffen, die Ungewöhnliches. Man muss sich nur daran gewöhnen. zeitgenössische indische Kunstszene auf diese Weise interna- tionaler werden zu lassen, als Alternative zu den Ambitionen der Chris Dercon, Februar 2006 meisten jungen indischen Künstler, die sich nur nach dem Markt richten. Vielleicht haben sie eine Chance, denn „man muss indische Studenten dazu zwingen, das Maul zu halten.“

Amrita Sher-Gil, Sikh Musician, 1940

98 99 7. shut your eyes and see! stephanie rosenthal über das schwarz

Das Foto „Die Jähzornigen” zeigt die Künstler der in der malerei New York School, u.a. Willem de Kooning, Adolph Gottlieb, Ad Reinhardt, Jackson Pollock, Clyfford Still, Robert Motherwell, Jimmy Ernst, Barnett Newman und Mark Rothko. Es erschien gemeinsam mit einem Boykottaufruf gegen die Ausstellung „American Painting Today – 1950“ im Life Magazin 1951.

101 Den Wunsch, einen White Cube zu kuratieren, hatte ich nie. Was soll sich in Ihren Ausstellungen für den Betrachter vermitteln? kunst.freunde sprach mit Stephanie Rosenthal über ihre Zeit An erster Stelle steht für mich nicht, das theoretische Konzept am Haus der Kunst und die Lust an der Gegenwart. meiner Ausstellungen zu erläutern, sondern eine sinnliche Inszenierung, ein Erlebnis zu ermöglichen. Darin stimme ich Seit 2000 sind Sie Kuratorin mit dem Schwerpunkt Gegenwarts- z.B. mit Christoph Vitali, unter dessen Leitung meine Zeit am kunst, worum geht es Ihnen, wie würden Sie Ihr kuratorisches Haus der Kunst ja begann, sehr überein. Das Ästhetische ist Anliegen beschreiben? für mich das Entscheidende an Kunst. Deshalb vielleicht sind Mein Kuratorium für Gegenwartskunst ist auf das 20. Jahrhun- auch die meisten meiner Ausstellungen Installationsausstellun- dert ausgelegt, weniger ausschließlich auf die zeitgenössische gen, in denen die künstlerische Auseinandersetzung mit Raum Kunst, weil ich finde, dass man die Wurzeln nicht vergessen eine wichtige Rolle spielt. sollte. Nach diesem Prinzip der kunsthistorischen Anbindung einerseits und aktuellen, interdisziplinären Bezügen und Ent- Inwieweit ist die Architektur des Haus der Kunst auch entschei- deckungen andererseits arbeiten auch meine Kollegen Thomas dend für das, was hier gezeigt werden kann? Weski und Léon Krempel. Durch die bombastische, vielleicht auch unmenschliche Archi- tektur wird man sozusagen auf einer anderen Ebene mit der Deshalb in diesem Jahr „Black Paintings“ und „Allan Kaprow“? Geschichte des Hauses konfrontiert. Dies spielt natürlich bei der Beide Ausstellungen haben ihre Wurzeln in den 50er und 60er Auswahl meiner Ausstellungen und dem Umgang mit den Räu- Jahren des letzten Jahrhunderts, und das ist eigentlich auch men eine große Rolle. Manche Themen und Künstler scheiden meine Basis, das ist, was mich interessiert. Konzeptkunst und da aus, oder können nur in der Nordgalerie gezeigt werden. Performancekunst markieren den Umbruchpunkt, an dem es Den Wunsch, einen White Cube zu kuratieren, hatte ich deswe- nicht mehr nur um das Objekt geht, also um das Kunstwerk an gen aber noch nie. sich, sondern auch um Handlungen oder Konzepte. Ein Bereich, den man als Kuratorin natürlich gut behandeln kann, ohne Rück- Nach welchen Kriterien suchen Sie Künstler oder Themen für sicht auf den Kunstmarkt etwa, denn es handelt sich um Posi- Ihre Ausstellungen aus? tionen und Arbeiten, die man eben nicht wirklich verkaufen kann. Zunächst geht es für mich darum festzustellen, was Künstler aktuell beschäftigt, und von wo aus wichtige Impulse zu Fragen „Ein Museum soll kein Kunstfriedhof sein.“ Könnte man dieses unserer Zeit ausgehen. Nehmen wir Allan Kaprow, der in den Statement von Allan Kaprow und seinen Begriff des Happenings 50er und 60er Jahren für den ganzen Bereich der Performance auch programmatisch für das Haus der Kunst verstehen? weitaus wichtiger war als etwa Jasper Johns, Claes Oldenburg, Das, was das Programm zusammenhält, ist eine gemeinsame Robert Rauschenberg oder Jim Dine, daher in keinem Kunst- Geisteshaltung, die ein Schlaglicht auf spannende Grenzbereiche geschichtsbuch fehlt, vielleicht aber wegen seiner rigorosen Ab- setzen möchte, ohne dabei in ein Spezialistentum abzudriften. lehnung und Sperrigkeit für den Kunstmarkt heute nur wenigen Kaprows Begriff des Happenings auf das Innenleben des Haus ein Begriff ist. Performance Kunst ist zugleich aber wieder der Kunst mit seinen vollen und mitunter tatsächlich ereignis- wichtig geworden, auch als eine Gegenbewegung zur Malerei haften Eröffnungsnächten zu übertragen, ist dennoch etwas und dem ganzen kommerziellen Hype. Sie zeigt die starke gewagt. Happening im Sinne Kaprows meint eher, dass man mit Opposition vieler Künstler, für die Kunst nicht nur das Objekt einem Q-Tip die Wohnung eines Freundes putzt. meint, das ein Sammler oder eine Institution kauft, sondern eine Geisteshaltung, die auch im Alltag eine wichtige Bedeutung hat. Für sie ist Kaprow eine große Inspiration, und deswegen finde ich, dass man ihn auf einer größeren Ebene präsentieren Dr. Stephanie Rosenthal ist und wieder ans Licht bringen muss. Die Black Paintings stellen seit 1996 am Haus der Kunst für mich wiederum eine Gegenbewegung zu einer Tendenz tätig. Als Assistenz- und Co- in der zeitgenössischen Kunst dar, die ich als schnelllebig, viel- Kuratorin und seit Herbst farbig wahrnehme. Hier steht eine ästhetische Funktion gegen 2000 als Kuratorin mit dem Schwerpunkt Gegenwartskunst Tiefgang und eine ruhigere Betrachterhaltung. Die schwarzen zeigte sie zahlreiche Aus- Bilder interessieren mich genau deshalb, weil man sich Ruhe stellungen, u.a. Haim Steinbach nehmen muss, um sich auf die Bilder einzulassen. In dieser – North East South West (1999), Ausstellung wird man 25 bis 30 Arbeiten wie Kapellen von Hand-Arbeit (2000), Abigail schwarzen Bildern erleben und feststellen, dass Schwarz nicht O‘Brien – Die Sieben Sakramente (2004), Nic Hess – Guten Morgen Mark Rothko, No. 6 (?), 1964 Deutschland (2004).

102 103 Frank Stella, gleich Schwarz ist, dass Farbauftrag nicht gleich Farbauftrag ist, Shut your eyes and see Tuxedo Junction, 1960 dass es um die Nacht, das Sublime, die Erhabenheit geht – all diese Aspekte, die in den 60er Jahren wichtig waren. Was ist Male- „Black was a sacred colour for the Abstract Expressionists, it was their rei? Malerei ist eben auch damals schon Aktion gewesen. Diese lapis lazuli; they made a mystique of it, partly perhaps because of its Ausstellung stellt auch eine Gegenbewegung zum letzten Som- austerity, partly perhaps because there was something splendidly macho mer dar, als Paul McCarthy das ganze Haus mit Reizen überflutet in being able to produce a good strong black.“ (David Sylvester) hat, also gerade den anderen Weg gewählt hat. Von Stephanie Rosenthal Inwieweit müssen Sie auf den Ruf nach publikumsstarken Aus- Im Herbst 2006 eröffnet das Haus der Kunst die Ausstellung stellungen reagieren? „Black Paintings“, in der ausschließlich in der Farbe Schwarz ge- Zum einen müssen wir darauf eingehen, weil wir eine staatliche malte Bilder zu sehen sein werden. Die Gemälde sind in ihrer Institution sind, die eben kein Programm für ein kleines Pub- Radikalität einzigartig und kennzeichnen einen Umbruch, einen likum verantworten kann wie das beispielsweise einem Kunst- Neubeginn – nicht nur für die jeweiligen Künstler, sondern für verein eher zusteht. Aber auch mit seinem heutigen, durchaus die Entwicklung der Kunst ganz allgemein. progressiven Programm liegt das Haus der Kunst in Sachen Besucherzahlen weit über dem, was für Kunsthallen in anderen Künstler der New York School – Robert Rauschenberg, Ad Städten der Fall ist. Reinhardt, Mark Rothko, Frank Stella und Barnett Newman – beschäftigten sich Ende der 1940er Jahre intensiv mit der Farbe Wie hat sich das Haus seit Ihren Anfängen 1996 verändert? Schwarz. Es entstand eine erstaunliche Anzahl von nahezu Man muss sich fragen, welches Profil für das Haus heute ange- monochromen schwarzen Bildserien, die in der Ausstellung messen ist. Vitalis Ära war eine andere. Er hatte etwas weniger erstmals vereint gezeigt werden. Mittel, aber es war auch eine andere Zeit, die Versicherungen, die Transportwerte waren noch nicht so hoch, die Leute haben viel Robert Rauschenberg (geb. 1925) begann 1951 als Erster eine Serie lieber geliehen. Für den Wandel im Programm spielte auch der mit schwarzen Bildern, die ihn 1954 zu seinen „Combine Pain- Generationsunterschied eine Rolle, und Vitali und Dercon sind tings“ führten. Fünf Jahre später, 1956, entschied Ad Reinhardt sehr verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen beruf- (1913-1967), nur noch schwarze Bilder zu malen. 1960 legte er lichen Werdegängen und Visionen. Und, es gab damals in Mün- sich zudem auf ein Format und eine Binnenstruktur fest, sodass chen weder die Pinakothek der Moderne noch die Hypo-Kunst- bis zu seinem Tod im Jahre 1967 ausschließlich schwarze, qua- halle in ihrer jetzigen Form. Auch vor diesem Hintergrund dratische Gemälde mit einer Kreuzstruktur entstanden. Frank musste sich das Profil des Hauses verändern. Heute sind wir Stella (geb. 1936) schuf zwischen 1958 und 1960 vierundzwanzig eine Kunsthalle mit einem sehr progressiven Programm, das schwarze Gemälde. Er tat dies, ähnlich wie Rauschenberg, zu großes Interesse hat, neue Tendenzen aufzudecken und mit Beginn seiner Karriere. Ab 1957 wurde die Farbpalette Mark Künstlern, im Team, in einem globalen Netzwerk, aktuelle Posi- Rothkos (1903-1970) dunkler, bis er schließlich 1964 zu seinen tionen zu erarbeiten. „Black-form Paintings“ gelangte. Seine dunklen Bilder entstan- den meist raumbezogen und fanden ihren Höhepunkt in den Ist München der richtige Ort dafür? Werken der Kapelle in Houston, an denen Rothko 1964 zu arbei- Gerade München ist ein Ort, wo man viel bewegen kann und die ten begann. Barnett Newman malte keine abgeschlossene Serie, Möglichkeit hat, den Leuten auch wirklich Fragen zu stellen sondern schuf innerhalb relativ kurzer Zeit (1949-1954) sechs und sie lassen sich davon anregen. Ich habe auch den Eindruck, schwarze Bilder. Sein bereits 1949 realisiertes Gemälde „Abraham“ hier gehen die Leute viel mehr ins Museum als beispielsweise kann dabei als Auftakt zu den später entstandenen schwarzen in Berlin, wo man es auch als Kunstproduzent viel schwerer hat, Serien der New York School gelten. Der Kunstkritiker Harold sich zu positionieren. Rosenberg beschrieb den Einfluss Barnett Newmans bereits 1963 mit den Worten: „Newman schloss die Tür, Rothko zog die Wie wichtig ist die Stimme der Gesellschaft der Freunde für Rollläden herunter, und Reinhardt löschte das Licht.“ Die New Ihre Arbeit? Yorker Galerie Betty Parsons stellte „Abraham“ 1950 aus. Neben Die Gesellschaft der Freunde ist eine traditionsreiche Instanz am Barnett Newman vertrat Parsons auch Ad Reinhardt und Mark Haus, und die Previews sind als erste exklusive Veröffentlichung Rothko und richtete 1951 die erste Einzelausstellung für Robert einer neuen Ausstellung natürlich ein wichtiges internes Datum. Rauschenberg aus. Man muss also davon ausgehen, dass alle drei Dass man sich als Kurator sehr über eine positive Resonanz Künstler das frühe schwarze Gemälde Newmans kannten. Dies freut, hat natürlich auch mit der Außenwirkung des Freundes- umso mehr, als alle schwarzen Serien in den Jahren zwischen kreises zu tun, der unsere Arbeit maßgeblich befördert und damit 1951 und 1965 entstanden sind. ein wichtiger Teil im Zusammenspiel aller Kräfte ist, die den Erfolg des Hauses ausmachen.

Das Gespräch führte Nan Mellinger

104 105 Der Ausstellung liegen Fragen zugrunde wie: Welche Bedeutung hinaus, die Umwelt erkennen zu wollen. Dann nämlich ermög- nehmen die schwarzen Bilder im gesamten Schaffen der Künst- licht die Nacht die besondere Qualität des Nicht(s)-Sehens, das ler ein? Welche Wechselwirkung gibt es zwischen der Persön- die Entstehungsbedingungen für ein Nicht-Wissen schafft. Und lichkeit eines Künstlers, den geistigen Inhalten, mit denen er dieses Nicht-Wissen als eine Form von Reinigung wiederum sich beschäftigte, und der künstlerischen Phase, in der er sich ist Voraussetzung für einen Wandel. „Shut your eyes and see“, befand, als er die schwarzen Bilder malte? Die Ausstellung schreibt James Joyce im ersten Kapitel seines Ulysses. möchte behaupten, dass die schwarzen Gemälde für Durchbrü- che und Übergänge im Oeuvre der Künstler stehen. Sie möchte Mit offenen Augen auf ein schwarzes Bild zu blicken, ist mit sogar zu dem Schluss (ver-)führen, dass die schwarzen Bilder dem Akt des nächtlichen Sehens vergleichbar. Das Nicht(s)- als eine Art Selbstporträt gelesen werden können. Sehen-Können ermöglicht eine gesteigerte Farbwahrnehmung und eine konzentrierte Schau der Dinge und des Selbst. Dies Dass die schwarzen Serien der vier Künstler einen Übergang gilt zunächst für den Betrachter des Bildes, doch kann es auf bzw. einen Wandel kennzeichnen, ermöglichen oder thematisie- einer existenziellen Ebene auch für den Künstler gelten. Die ren ist vielleicht auch die interessanteste Parallele zwischen gemeinsame Präsentation der schwarzen Gemälde im Haus der ihnen. Die schwarzen Bilder hatten für Stella und Rauschenberg Kunst bietet erstmals Gelegenheit, die Unterschiede und eine klärende Funktion, für Rothko waren sie ein Höhepunkt, Gemeinsamkeiten dieser im New York der Nachkriegszeit ent- den er regelrecht angestrebt hatte, und für Reinhardt wurden standenen Werke zu entdecken. Die Ausstellung offenbart die sie zu Bausteinen seines Manifests der großen Verweigerung. Radikalität der künstlerischen Positionen, die Hand in Hand Newman definiert sich in seinem Gemälde „Abraham“ als Künst- gingen mit einer ebensolchen Aufbruchstimmung in den ande- ler. Es dient ihm in diesem für ihn entscheidenden Jahr der ren künstlerischen Gattungen wie Theater, Musik oder Literatur. Selbstbefragung, Bewusstwerdung und Wesensschau. In seinen Dieses neue Selbstverständnis war Auslöser für eine grundsätz- schwarzen Gemälden definiert Newman seinen Schöpfungs- liche Neupositionierung der Kunst, die prägend für das gesamte raum, das schwarze Chaos, aus dem neue Formen, frei von jeder 20. Jahrhundert sein sollte. Im Licht der Entwicklungsgeschichte Tradition, entstehen können. des Abstrakten Expressionismus entsteht der Eindruck, dass die amerikanischen Künstler gerade in den Jahren zwischen Die Farbe Schwarz scheint stets mit einem Prozess der Trans- 1950 und 1965 auch von der Idee getragen wurden, sich von dem formation verbunden zu sein. Sie lässt sich in Anlehnung an die prägenden Einfluss der europäischen Tradition loszusagen Alchemie als Mittel zur Grenzüberschreitung deuten – als und mit New York – neben Paris – ein neues Zentrum der Grenzüberschreitung vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Avantgarde zu begründen. Vor diesem Hintergrund wirken die Materiellen zum Spirituellen, vom Bewussten zum Unbewuss- Black Paintings gleichsam wie der Ausdruck eines kollektiven ten. Dass ausgerechnet schwarze Bilder Ausdruck eines Wandels Strebens nach künstlerischer Selbstbehauptung. sind, könnte damit erklärt werden, dass die Bilder nächtliche Eigenschaften besitzen. Die Nacht steht in der Mystik, Mytholo- Die Ausstellung „Black Paintings“ ist zu sehen vom gie, der Kunst und Literatur für den Wandel. Das „Sehen“ in 15. September 2006 bis 14. Januar 2007, und wird gefördert der Dunkelheit bewirkt eine veränderte Wahrnehmung. Je länger durch die Dr. Karl Wamsler Foundation. man sich in der Dunkelheit aufhält, je mehr man sich auf sie einlässt, desto klarer konturiert sich die Umwelt. Der Prozess des Sehens rückt in den Mittelpunkt – ein bewusstes, vielleicht präziseres Sehen tritt ein. Oder aber man geht über den Wunsch

Allan Kaprow, Days Off: A Calendar of Happenings, 1968 (linke Seite) Abigail O‘Brien, Kitchen Pieces VIII, 1998 (links) Nic Hess, o.T., Installation (2004)

107 8. fotografieren erlaubt! thomas weski über die popularisierung von fotografie im haus Wolfgang Tillmanns, Einzelgänger II, 2003

der kunst 109 Luc Delahaye, 132nd Ordinary Meeting of the Conference, 2004

Thomas Weski ist seit 2003 Hauptkurator Ein Panorama der Fotografie von ihren Anfängen bis heute am Haus der Kunst. Zwischen 1992 und 2000 realisierte er als Kurator für Fotografie und Medien am Sprengel Museum Hannover Von Thomas Weski über sechzig Ausstellungen. Im gleichen Mit Chris Dercon als Direktor des Haus der Kunst wurde die Fotografie ein Schwerpunkt im Ausstellungsprogramm. Seit 2003 Zeitraum hat er das Siemens Arts Program haben wir viele Ausstellungen durchgeführt, die verschiedene Aspekte und Gebrauchsweisen der Fotografie gezeigt haben: vom beim Aufbau seiner fotografischen dramaturgisch aufgeladenen, inhaltlich verwobenen Einsatz weniger Inkunabeln historischer und zeitgenössischer Fotografie Sammlung beraten, die 2003 der Pinakothek bei der Präsentation „Partners“ der kanadischen Sammlerin Ydessa Hendeles, über die Bedeutung des Archivs der riesigen der Moderne übergeben wurde. Zu seinen Sammlung von Peter und Ruth Herzog bis hin zum Gebrauch medial bereits vermittelter Bilder in Form einer Wandcollage zur anschliessenden Projekten als Hauptkurator Geschichte Europas bei Rem Koolhaas. Ausstellungen wie die Retrospektive von Bernd und Hilla Becher, die Weltpremiere der am Museum Ludwig gehörte u.a. Cruel and Tender – The Real in the Twentieth-Century neuesten Serie von Robert Adams oder die MoMA-Werkschau zu Lee Friedlander, die als einzige Station in Deutschland im Haus Photography die erste Fotografieausstellung der Kunst zu sehen war, stehen für umfassende monographische Präsentationen. Gemeinsam mit der thematischen Ausstellung der Tate Modern, London. „click doubleclick – das dokumentarische Moment“ ergibt sich ein Panorama der Fotografie von ihren Anfängen bis heute.

110 111 Obwohl die zeitgenössischen deutschen Fotografen den Kunstmarkt dominieren, gibt es in Deutschland paradoxerweise nur wenige Institutionen, die sich kontinuierlich mit Fotografie beschäftigen. Bei den Kunstmuseen betreibt nur eine Handvoll eigene Abteilungen und fotografische Sammlungen, deren Bestände in einen Dialog mit den traditionellen Künsten treten könnten. In München ist die Fotografie in verschiedenen Institutionen vertreten, die jeweils unterschiedliche Aufträge erfüllen. Zum einen gibt es das Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum. Das Fotomuseum verfügt über viele private Schenkungen, Archive und Nachlässe. Hier wird das Medium Fotografie in allen Facetten erforscht und präsentiert. Sehr spät hat die Staatsgalerie der Moderne die Fotografie als gleichberechtigtes künstlerisches Ausdrucksmittel akzeptiert. Die Übergabe der Siemens Fotosammlung als Dauerleihgabe hat hier seit 2003 eine gewisse Dynamik entfaltet. Die punktuellen Aktivitäten des Lenbachhauses und der Hypo- Kunsthalle ergänzen das Angebot. Das Haus der Kunst schließlich hat die Räume, um umfangreiche Ausstellungen zu zeigen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fotografie in ihren verschiedenen medialen Ausformungen derzeit in kaum einer ande- ren deutschen Stadt so präsent ist.

Robert Adams, Clatsop County, Oregon, o. J. Dieses Münchner Phänomen besteht aber in der Form erst seit kurzem. Natürlich gab es hier immer schon fotografische Ausstellungen, zum Teil legendäre wie die frühe Übersichtsausstellung von Diane Arbus im Lenbachhaus, die Präsentation amerika- nischer Landschaftsfotografie in der Neuen Sammlung oder die Ausstellung von Dora Maar im Haus der Kunst. Kontinuität wurde aber letztlich nur im Fotomuseum gebo- ten, das als spezialisierte Institution das Medium umfassend untersucht. Und obwohl Verlage wie Schirmer/Mosel oder Prestel und Galerien wie Rüdiger Schöttle in der Fotografie Pionierarbeit geleistet haben, gab es in München erstaunlicherweise kein breites Publikum für künstlerische Fotografie. Erst langsam baut sich – zumindest gilt das für das Haus der Kunst – ein Publikum auf, das die Bereitschaft mitbringt, sich auf Neues einzulassen und sich dieser mit Unsicherheit verbundenen Erfahrung auszu- setzen. Es geht also bei unseren Ausstellungen nicht um die beliebte Affirmation des bereits Bekannten, sondern um eine Popularisierung des Unbekannten.

Wenn die künstlerische Fotografie so betrieben wird, dass sie ihre medialen Grenzen

Thomas Weski, Ydessa Hendeles, Chris anerkennt, konkurriert sie nicht mit anderen Künsten, sondern verfügt über die spe- Dercon, Pressekonferenz Partners, 6.11.2003 zifische Qualität einer Wirklichkeitsbeschreibung, die ihre Faszination aus der Differenz Ydessa Hendeles, The Teddy Bear Project, zwischen der Sicht des Fotografen und der Wahrnehmung des Betrachters entwickelt. Blick in die Ausstellung Partners (ganz unten) Fotografien dieser Art sind immer das Resultat einer künstlerischen Auseinander- setzung mit der Welt. Nimmt man die Begriffe der Literatur zur Hand, würde man von einem Tatsachenbericht sprechen, der mit fiktiven Momenten aufgeladen ist. Dieses Tina Barney, The Dirndls, 2004 Programm gerät in München notgedrungen in einen Konflikt mit der hier vorherr- schenden, unausgesprochenen Sehnsucht nach Harmonie und Schönheit. Alles soll möglichst so bleiben, wie es ist. Kein Wunder also, dass unsere ersten Ausstellungen für viele Besucher einen Bruch mit ihren Gewohnheiten darstellten. Wir haben aus ihrer Kritik gelernt und vermitteln die ungewöhnlich präsentierten Ausstellungen – inzwi- schen ein Markenzeichen des Haus der Kunst (die Ausstellung von Robert Adams wurde gerade in London mit dem renommierten Deutsche Börse Photography Prize 2006 ausgezeichnet) – nun auf verschiedenen Ebenen: Führungen, sogenannte Living Labels, Expertenführungen, Spielführungen für Kinder, Audio Guides, Wandtexte, einfach produzierte Ausstellungsbroschüren, Vorträge und Künstlergespräche sowie die Lektüre der Katalogtexte. Im Foyer besteht die Möglichkeit Ausschnitte aus Fernseh- sendungen zu sehen und die Kritiken der aktuellen Ausstellungen zu lesen. Die Buch- handlung Walther König bietet über den aktuellen Katalog hinaus weitere Literatur zu den Themen der Ausstellungen an. Durch dieses Bildungsangebot im Rahmen unserer Ausstellungen ist inzwischen die Kenntnis und Akzeptanz unseres Publikums gewachsen – und doch gilt für uns immer wieder die Herausforderung, einzelne Punkte dieses Bereichs neu zu erfinden, um so abwechslungsreich und überraschend zu bleiben.

112 113 Das Haus der Kunst ist kein Museum, auch wenn es immer wieder fälschlicherweise so , Audience 11, Florenz 2004 bezeichnet wird. Als Kunsthalle verfügt es über keine eigene Sammlung, die eine pro- grammatische Ausrichtung der Ausstellungen bestimmen würde. Damit öffnet sich ein breites Spektrum an Möglichkeiten, dem wir mit einem konzeptionell strengen Pro- gramm begegnen. Immer wieder bekommen wir von externer Seite Vorschläge für Aus- stellungen. Natürlich diskutieren wir diese Anregungen, aber wir stellen doch immer wieder fest, dass wir als Fachleute unsere Vorstellung eines lebendigen und innovativen Haus der Kunst mit unseren eigenen Ideen am stringentesten umsetzen können. Dazu gehört auch, dass wir möglichst wenige Präsentationen übernehmen. Vielmehr pro- duzieren wir die Ausstellungen immer öfter in Kooperation mit internationalen Insti- tutionen. Initiieren wir das Projekt, zeigen wir es in der Regel zuerst und exportieren es dann zu unseren Partnern. So wird zum Beispiel „click doubleclick“ im Anschluss an München im Palais des Beaux Arts in Brüssel gezeigt und wird dort die zentrale Ausstellung eines Sommers der Fotografie sein. Lee Friedlander, Sandra Fisher Im Februar 2007 werden wir eine große Ausstellung von Andreas Gursky präsentieren. and R. B. Kitaj. London, England, 1992 Sie wird im Anschluss an für die westliche Welt ungewöhnliche Orte reisen: Mit Istanbul, Sharjah, New Delhi, Peking sind wir im Gespräch. Wir sind gespannt, wie die ungewöhnlichen Fotografien von Andreas Gursky, die die Effekte der Globalisierung zum Thema haben, in anderen Kulturkreisen, in den rasant wachsenden neuen Wirt- schaftszonen der Welt aufgenommen werden. Im Sommer 2007, zwischen der Biennale von Venedig und Art Basel, kommt in erweiterter Form die Ausstellung von Gilbert Andreas Gursky, Bahrain I, 2005 & George von der Tate Modern aus London zu uns. 2008 folgt eine mit dem Whitney Museum, New York, gemeinsam erarbeitete Retrospektive des amerikanischen Foto- grafen William Eggleston, der als „Erfinder der Farbfotografie“ gilt und die jüngere Fotografengeneration stark mit seiner Bildauffassung beeinflusst hat. Die fotografische Szene um Jeff Wall wird das Thema einer anderen Präsentation sein, die mit der Van- couver Art Gallery entwickelt wird. Das Haus der Kunst arbeitet durch diese Produk- tionsweise, die auch auf die anderen Ausstellungsbereiche zutrifft, international, vernetzt, originell.

115 9. Frans Post, Der Wasserfall von Paulo Afonso, 1647 neue sicht auf alte meister! léon krempel über seine brückenschläge zwischen alter und neuer kunst

117 Projeto Morrinho 2006 Miniaturstadt gebaut von Jugendlichen einer Favela in Rio de Janeiro

118 119 Blinddates der Kunstgeschichte Es gibt viele Gemeinplätze, die den Blick in die überlebte Ver- Gegenwärtig bereite ich eine Ausstellung über den Maler und gangenheit lohnend erscheinen lassen sollen, wie, dass sich von Brasilien-Fahrer Frans Post vor, die am 1. Juni wenige Tage vor Die Modernität der Alten Meister hängt davon ab, den Alten etwas lernen ließe. Für mich als Kurator zählt vor der Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft eröffnet wird. Unter wie man sie zu sehen bekommt allem ein Motiv. Das Feld der historischen Kunst ist nicht ab- den holländischen Malern des 17. Jahrhunderts nimmt Post gewirtschaftet, sondern hält viel mehr Überraschungen bereit, einen besonderen Platz ein, da er als der erste voll ausgebildete Von Léon Krempel als man glaubt. Alte Kunst ist bei genauem Hinsehen immer Maler einen Teil des amerikanischen Doppelkontinents in Als „Spezialist“ für Brückenschläge zwischen der alten und so modern gewesen, wie sich nur denken lässt. Sie wimmelt nur Gemälden und Zeichnungen dokumentiert hat. Zurückgekehrt neuen Kunst arbeite ich im Haus der Kunst, das als Nachfolger so von Künstlern, die entdeckt und in der Gegenwart abgeholt nach Haarlem, begann er seine brasilianischen Landschaften in des Glaspalastes von seinen Anfängen im 19. Jahrhundert an werden wollen. Zum Beispiel Pieter Janssens Elinga. Dieser zunehmendem Maße zu komponieren. Der spannende Prozess in erster Linie lebenden Künstlern ein Podium bieten sollte. wenig bekannte Zeitgenosse von Rembrandt und Vermeer stand vom Fotografen avant la lettre zum Romantiker avant la lettre Allerdings hat es im Haus der Kunst unter Vitali immer auch im Zentrum einer Studioausstellung, die ich 2002 im Städel in wird in der Ausstellung anhand einer repräsentativen Auswahl Ausstellungen mit Werken Alter Meister gegeben, während unter Frankfurt konzipieren durfte. In der Gegenüberstellung traten von 25 seiner kostbarsten Gemälde mit Leihgaben aus Europa, dem ersten Nachkriegsdirektor Ade das Schwergewicht auf der die abstrakten Qualitäten des Alten Meisters hervor, während Rosilene Ludovico, Frans Post, 2006 (oben) Nordamerika und Brasilien belegt. Im Programm vom Haus der Rehabilitierung der verfemten Moderne und kulturhistorischen zugleich die Großbilddiapositive von Wall ihre malerischen Frans Post, Mauritsstad und Recife, 1653 Kunst nimmt „Frans Post“ Fäden auf, die Thomas Weski mit Ausstellungen lag. Vergessen wir auch nicht die Ausstellung Eigenschaften offenbarten. Aus solchen versuchsartig angelegten seinen Fotoausstellungen und das Utopia Station Projekt gelegt mit Werken der deutschen Romantiker, die mit dem Glaspalast Dialogausstellungen oder „Blinddates der Kunstgeschichte“ haben. Es geht hier um Bilder aus der Frühzeit der Globalisie- dem Raub der Flammen zum Opfer fiel. Der Stellenwert der so lernt man die Gestaltungsabsichten der beteiligten Künstler rung, die nolens volens den damals schon weit fortgeschrittenen genannten alten Kunst ist naturgemäß immer Schwankungen besser kennen, als wenn man diese schulbuchmäßig im Kontext Raubbau an der Natur des tropischen Urwaldes vor Augen unterworfen. Das Bildungsbürgertum ist auch in München ihrer Epoche betrachtet. führen. Im Rahmen der Ausstellung zeigen wir auch brandneue in den Hintergrund getreten. Dem typischen Museumsbesucher Arbeiten von Rosilene Luduvico, die den Spuren von Frans Post fehlen immer häufiger ikonographische Grundkenntnisse, die Als ich vor drei Jahren im Haus der Kunst einstieg, wandte ich in Recife – der Kapitale des Nordostens in Brasilien – gefolgt zum Beispiel den Mann am Kreuz als Christus zu identifizieren mich sogleich der Realisation eines waghalsigen Projektes zu, ist. Und wir gehen über die zeitgenössische Kunst noch hinaus. erlauben. Eine der Leistungen der Moderne ist ja darin zu er- das ein vergessenes Kapitel der Kunstgeschichte aufschlug und Jugendliche aus einer Favela in Rio de Janeiro bauen am Ende kennen, dass sie gewissermaßen die der alten Kunst zugrunde einen Namen in Erinnerung brachte, der im 19. Jahrhundert des Parcours eine Miniaturstadt aus originalen Ziegeln auf, eine liegende Grammatik aufgedeckt hat. Erst durch Künstler wie europaweite Geltung besaß: Peter Cornelius. Die von Cornelius brasilianische Kolonie in München. Mondriaan hat man gelernt, die Komposition einer Landschaft in den Rang einer selbstständigen Kunstgattung erworbene von Ruisdael zu würdigen. Alte Kunst ist im Verlauf der letzen Kartonzeichnung ist für das 19. Jahrhundert etwa so typisch ge- Die Ausstellung „Frans Post (1612 – 1680). Maler des Verlorenen zweihundert Jahre immer weiter popularisiert und scheinbar wesen wie die Performance für das 20. Jahrhundert. Kaum einer Paradieses“ ist vom 2.6. bis 17.9.2006 zu sehen. leichter rezipierbar geworden, tatsächlich jedoch beschränkt sich weiß noch davon. Die monumentalen Entwürfe für die nach ihre Akzeptanz auf einen zunehmend kleiner werdenden Kreis dem Krieg zugrunde gegangenen Fresken der Glyptothek in von Liebhabern, die Historiker verschiedener Disziplinen München stießen bei einem Teil der Presse auf despektierliche einmal ausgeklammert. Ablehnung. Dass ein toter Künstler mit der Zeichenkohle noch ein Publikum spalten kann, war für mich ein schöner Erfolg.

Mit „Künstlerbrüdern“ habe ich versucht, die Kunstgeschichte einmal anders zu erzählen in einem großen Salto rückwärts von der Gegenwart bis herab in das 8. Jahrhundert, als es in Europa noch einen von Heiden bevölkerten Urwald gab. Seit dem von den Künstlern selbst und ihren Mäzenen betriebenen Geniekult der Renaissance sind wir gewohnt, immer nur auf die Leistun- gen der herausragenden Persönlichkeiten zu schielen – ein Léon Krempel ist seit 2003 Ku- kindliches Verhalten, das schon in der Familie angelegt ist. Die rator am Haus der Kunst. Mit Die Ausstellung untersuchte den Einfluss des Platzes in der Götter Griechenlands. Die Kartons Geschwisterreihe auf die Entwicklung kreativer Persönlichkeit. für die Fresken der Glyptothek in Sie wies wider Erwarten viel mehr Beispiele funktionierender München und Schatzhäuser Deutsch- lands. Kunst in adligem Privatbesitz Arbeitsteilung oder sogar Ateliergemeinschaft als solche unüber- (2004) sowie Künstlerbrüder. Von brückbarer Distanz nach. Ach, was war alles in dieser Schau zu den Dürers zu den Duchamps (2005) entdecken, die durch die Schwestern der Sofonisba Anguissola setzt er seinen interdisziplinären so glanzvoll gekrönt wurde! kuratorischen Ansatz fort, den er u. a. mit camera elinga. Pieter Janssens begegnet Jeff Wall 2002 am Städelschen Kunstinstitut Frank- furt erfolgreich gestartet hat.

120 10. Chris Dercon in seinem Arbeitszimmer im Haus der Kunst everything is connected to everything! chris dercon über netzwerke, neugier und seine lust am

ungewöhnlichen 123 Everything is connected to everything else gaben. Unbewusst bewusst hat er das Haus von außen wie eine Der Wunsch, publikumsstarke Ausstellungen zu produzieren, Stärkung des Individuums versus Frontalprogramm für die Ruine belassen, aber innen in den Ausstellungen gab es Theater. und Ihre Vision für das Haus der Kunst als Labor und Experi- Massen – das ist ein durchaus aufklärerisches Anliegen ... Vor drei Jahren wechselte Chris Dercon von dem Boijmans van Beuningen Er war ein Theatermacher und hat das Haus in diesem Sinne mentierfeld, ist das nicht ein unhaltbarer Spagat? Mir geht es um die Idee einer Civic Society, wo kleine, sehr Museum in Rotterdam in die Metropole an der Isar, um die Leitung bespielt. „Die Nacht“, das war wie ein Märchen! Oder die Aus- Ja, aber ich liebe diese Schizophrenie. Ich habe ein kleines, oder unterschiedliche Gruppen zusammen wieder eine große des Haus der Kunst zu übernehmen. Für kunst.freunde spricht er über stellungen, die er mit Jazz-Musik oder Ballett von Forsythe be- auch großes Ideal, nämlich ganz unterschiedliche Menschen Öffentlichkeit bilden, wo man sich untereinander aussetzt, wo sein Programm, seine Vision local goes global, Erinnerung als Wegweiser spielt hat. Das hat sehr gut funktioniert und ist auch eine Option. mit sehr unterschiedlichen Wünschen gleichzeitig im Haus zu die Leute wieder zum Urteilen angeregt werden, zum Ich-Sagen, in die Zukunft und paranoide Gesten in der Kulturproduktion Er war ein „Regisseur“, ich bin vielleicht eher ein „Architekt“. haben. Das ist eine Art von Offenheit wie Ulrich Beck oder wenn es um gesellschaftliche Belange geht. – In meiner Pariser All das sind Bausteine der Geschichte des Haus der Kunst, und Richard Sennett sie beschreiben, beide sind für mich große Zeit hatte ich viel mit Serge Daney zu tun gehabt, Kritiker bei Ihre Vision für das Haus der Kunst richtet sich auf ein inter- wir machen weiter, nur anders, experimenteller vielleicht ... und Propheten dieser neuen Öffentlichkeit. Es geht nicht um „entwe- Libération und wichtiger Hintermann der Cahiers du Cinéma. Von disziplinäres Kunst- und Kulturprogramm, in dem auch wieder ausgerichtet auf die Zukunft dieser Stadt. Ich will das Mögliche der – oder“, sondern um „und“. Es geht um Nischen. Ich bin Serge lernte ich, dass Film wie auch moderne Kultur im die Säulen Fotografie, Architektur und Design eine tragende wahrscheinlich machen, so dass das Wahrscheinliche möglich kein Utopist, sondern ein Idealist, und ich möchte sperrige allgemeinen, immer in dunkle Räume projiziert wird, in sehr Rolle spielen. Ist das die Fortsetzung der Tradition des Hauses wird. Inhalte demokratisieren, popularisieren. viele kleine dunkle Räumen gleichzeitig. Diese Dunkelheit ist mit anderen Mitteln? eine Basisfigur für Modernität wie das auch Walter Benjamin Ja, wir tun nichts anderes, als die Tradition fortzusetzen. Man Was ist die Basis dafür? Liegt darin auch eine Absage an Blockbuster-Ausstellungen, formuliert. Serge sagte zu mir in einem Interview: Du mit denke an Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, die in den 50er Jah- Neugier, Netzwerkdenken und Lust an gemeinsamer und mit- wie man sie unlängst mit Franz Marc am Lenbachhaus erleben deinen Museen, mit Leuten, die wie Statisten in einem Holly- ren am Haus der Kunst gezeigt wurden. 1958 fand hier die erste unter auch ungewöhnlicher Sache! Das ist die Voraussetzung konnte? wood-Film funktionieren, TV-Zapper, wo es vor allem um das und einzige Ausstellung kuratiert von Henri Langlois statt. Er für unser offenes, interdisziplinär und international denkendes Ja und nein. Das Haus der Kunst ist mit seinen verschiedenen Gefühl geht, dabei zu sein. Was hat man letztlich gesehen? war der Begründer der Cinémathèque in Paris in den 60er Jahren, Programm, das ich in einem großartigen Team umsetzen kann. Programmlinien und begrüßenswert vielschichtigen Besucher- Nichts. Es stimmt, und man sollte sich in diesem Zusammen- Und es gab Paolo Nestler mit seinem unglaublichen Anbau im Dass man manchmal das Verständnis dafür erst wecken muss, kreisen an sich ein Blockbuster. Doch ich möchte diesen Begriff hang auch klar werden, dass der starre Blick auf die Einschalt- Rahmen der Ausstellung „Weltkulturen und moderne Kunst“ ist Teil unseres Auftrags. Und natürlich hat das auch mit einigen eigentlich gar nicht verwenden. Entlehnt aus der Filmindustrie quoten aus dem Fernsehen ein kulturell bedeutungsloses 1972 – Vorläufer einer ähnlichen Ausstellung, die man später, von Gewohnheiten und Traditionen am Haus gebrochen. Aber wir meint er eine Form strategischer Vermarktung, die mit einem Medium gemacht hat. William Rubin kuratiert, am MoMA und auch am Centre Pom- müssen im 21. Jahrhundert ankommen, und das wird sowohl Produkt alle anderen Programme in den Schatten zu stellen ver- pidou, hier war Jean Hubert Martin der Kurator, sehen konnte. von den Ministerien wie von unseren engagierten Förderern sucht. Im übrigen wurde der gleiche Begriff für die Katastrophen Gibt es den idealen Besucher für Ihr Programm? Oder nehmen wir die Zeit unter Christoph Vitali. Er hatte weni- und grosszügigen privaten Geldgebern verstanden und mitge- der großflächigen Städtebombardierungen im Zweiten Weltkrieg Ich schätze alle Urteile, auch die gegen mich. Das einzige, was ger Budget als wir heute zur Verfügung, kaum eine Infrastruktur, tragen. Auch die wachsende Unterstützung durch nationale und verwendet. Erwartet man das aber ernsthaft von Kultur? mich nicht interessiert, sind Diskussionen über Geschmack. aber er wollte die besten Ausstellungen haben, die besten Leih- internationale Stiftungen sowie privater Sponsoren zeigt, dass Aber wenn es um Verstehen geht, wenn mich jemand fragt, wir mit unserem Programm ankommen und einem inhaltlichen warum man das nun so interessant finden soll, dann ist das für Fotografische Simulation des Allianz-Signets auf dem Dach Bedürfnis nach zeitgenössischer Kulturarbeit gerecht werden. mich ein demokratisches Anliegen, und das finde ich toll. Abge- des Haus der Kunst anlässlich der Ausstellung Herzog & de Meuron Nr. 250, 12.5. – 30.7.2006 (links) sehen davon kämpfe ich um jeden Besucher. Wiedereröffnung der von Konstantin Grcic gestalteten Buchhandlung Auch deshalb finde ich die Neugestaltung der Buchhandlung Walther König im Haus der Kunst, März 2006 Walther König so wichtig, die jetzt ein bisschen wie eine Biblio- thek von Alexandria aussieht, in der Bücher wie Bilder ausge- stellt werden, ein System von Facing. Alles kreist um Aktualität – nicht als Terror, sondern als eine Ansammlung von Komplexi- täten zu verstehen, die sich auf Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges beziehen.

Ist es das, was Koolhaas das Paradox nennt von einem Museum als elitären Ort für die breiten Massen? Ja, genau davon träume ich. Gerade für das Haus der Kunst, die- sen morbiden Koloss, ein schwieriges, internationalistisch neoklassizistisches Gebäude, gerade noch nicht wirklich Nazi- Architektur, obwohl es eindeutig ein Nazi-Gebäude ist. Natürlich tragen Mauern Schuld, aber genau mit dieser Art von Paradoxen zu arbeiten, das finde ich so interessant. Wir sind Teil einer Google- oder Suchmaschinenkultur, und ich versuche, die Art und Weise unseres Programms wie eine Suchmaschine aufzu- bauen.

Um zu irritieren? Irritationen können Teil davon sein. Mir geht es um einen Pro- zess des Suchens mit all seinen zufälligen und doch relevanten Funden. Nach diesem Prinzip ist auch in meine eigene Bibliothek angelegt.

124 125 Nach welcher Ordnung funktioniert die persönliche Bibliothek ben hat, die bis heute verschwunden ist. Das ist eine Kategorie von Chris Dercon? von Erinnerung, die wir lebendig halten möchten. In diesem Ich habe ein idiosynkratisches System in meiner Bibliothek, das Geist ist auch das Projekt „Kritischer Rückbau“ angelegt, es soll so funktioniert, dass man immer das findet, was man nicht sucht. eine Auseinandersetzung mit der Funktion und Bedeutung von Auf den ersten Blick kann sich niemand zurechtfinden. Es ist Architektur anregen, indem die historische Substanz der vielmehr ein geheimnisvolles System von Verweisen.Wenn ich Original-Architektur freigelegt wird. zum Beispiel unterwegs bin, gibt es immer einen Campaign- Ein anderes Thema im Kontext dieser Erinnerungsarbeit ist die Day, einen Tag, an dem ich etwas suche ohne eine Vorstellung Reaktion der lokalen Kunstszene in den ersten Jahrzehnten von dem Weg zum Ziel zu haben. Es gibt nur Orientierungs- nach 1945, wie sie sich zum Beispiel in den Faschingsfesten aus- punkte, und zwischen denen liegen all die fantastischen Ent- drückt – eine Art von Exorzismus, riesige Installationen, von deckungen, die man nie finden würde, wenn man den kürzesten denen man heute schwärmt, aber vielleicht nicht weiß, dass hier Weg eingeschlagen hätte oder mit GPS navigieren würde. GPS Münchner Künstler Idiome einer Kunst benutzten, die es und Google sind tödlich, weil sie dich steuern, nicht anders damals nicht mehr gab, Max Beckmann ist nur einer davon. Wir herum. Mit Erinnerung oder freiem Assoziieren hat das aber wollten auch daran erinnern, dass gerade hier, an diesem Ort nichts zu tun. Aber genau so funktioniert Kultur: Everything is Picassos „Guernica“ zu sehen war oder die Skulptur „Das Ende connected to everything else. Und genau das möchte ich auch gerne des XX. Jahrhunderts“ von Joseph Beuys. Diese Geschichte ist hier am Haus der Kunst zeigen. unsere Sammlung, eine Sammlung von Erinnerungen, Ausdruck von Reflexion und kultureller Reaktionsfähigkeit, und darin Ein Beispiel bitte ... sehen wir unseren Auftrag für die Zukunft. Wir haben gerade eine Perücke des afrikanischen Künstlers Meshac Gaba bekommen, produziert von Frauen aus Togo, und Welchen Aufgaben muss sich das Haus in den nächsten Jahren ich dachte, interessant, Togo ... Ex-Deutsche Kolonie, Globalisie- stellen? rung ... weil das Haar aus China kommt, Rassengesetze ... Haus Da gibt es einige. Wir wissen zum Beispiel noch nicht, was wir der Kunst. Und ich bat Meshac, eine Perücke für das Haus der machen, wenn das Bayerische Staatsschauspiel aus dem Haus Kunst anfertigen zu lassen. Die steht jetzt im Eingangsbereich auszieht. Es fehlt das Geld, um noch größere Ausstellungen zu des Haus der Kunst. Vielleicht wird es mit diesen wunderschö- machen, oder auch, um diesen Teil zu renovieren. Vielleicht nen Frauen aus Togo auch ein gemeinsames Filmprojekt geben wird es Studios für Künstler allerart geben ... 20 riesige Ateliers, – Haus der Kunst goes Togo! Das sind ganz kleine Gesten, die das wäre doch wunderbar! Eine von vielen Ideen. Und zum 70. bringen keine Besucherzahlen mit sich, und trotzdem finde ich Jahrestag des Haus der Kunst im kommenden Jahr fragen wir sie so wichtig, weil sie neue Bilder liefern und zum Denken zehn lokale wie auch internationale Architekten nach ihrer anregen. Vision für das Haus in 2037. Das ist für mich auch ein wesentliches Motiv, das der kommen- den Ausstellung über die indische Künstlerin Amrita Sher-Gil Spielt die Positionierung des Haus der Kunst mit Blick auf die zugrunde liegt. Die Frage, ob Multikulturalismus hier zu weit anderen Museen in München eine Rolle? getrieben wird, ist nicht zentral – viel spannender und wichtiger Natürlich, wir müssen uns positionieren. Und wir sind jetzt an ist doch die, welche Form er annehmen soll, welche und wie einem Punkt, wo wir ein klar anders gestaltetes Programm viele verschiedene Identitäten das gegenwärtige Individuum haben als beispielsweise die Hypo-Kunsthalle oder das Lenbach- prägen und ertragen kann. In diesem Sinn muss sich das Haus haus. Wir sind mittlerweile auch sehr anders als die Pinako- der Kunst auch offen zeigen für andere als eurozentrische theken, weil unser Programm experimenteller ist und sein kann, Kulturpositionen. Amrita Sher-Gil ist eine davon, und Christoph weil uns die Räume dafür zur Verfügung stehen und weil wir Schlingensief wird zu diesem Thema auf seine Art im Rahmen eine GmbH sind. Das Haus der Kunst verfügt über keine Samm- des für Juni 2007 am Haus der Kunst geplanten Projekts reagie- lung, das ist schade, denn darauf kann man aufbauen. Hier sind ren. Es geht bei all dem nicht um Verluste, sondern um desire. der Bestand die Menschen, die Ideen und die Erinnerung. Und Gute Kunst ist desire. ich denke, dass wir in dieser Hinsicht für München wichtig sind, wir sind eine Branding-Maschine mit einem großen Wissen, Inwiefern bilden die Geschichte und der Blick zurück auf fast Einfluss und Netzwerk. Das ist viel wert für eine lebendige Kultur 70 Jahre Ausstellungswesen die Voraussetzung für Ihr Programm in dieser Stadt. und Ihre Vision? Die Leute sollen wissen, dass 1937 in diesem Haus die erste „Große Das Gespräch führte Nan Mellinger Deutsche Kunstausstellung“ stattfand, dass dieser kunstver- sessene Blut-und-Boden-Kurator Hitler von hier aus die Welt verstrahlte, in dem Zimmer saß, in dem ich heute mein Büro habe, dass er unheimlich viele Ankaufsmittel für Kunst ausgege-

Perücke Haus der Kunst von Meshac Gaba, 2006

126 127 Club Haus der Kunst

Impressum Astrid Adler Dr. Jürgen Adolff Astrid Althammer Dr. Karl-Norbert Angerbauer Dr. Ingrid Armbruster Dr. Hans Arnold Anna-Sophie Auer Dietrich kunst.freunde erscheint anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Gesellschaft Bächler Heinrich Baier Christa Banhardt Christa Barbara Bauer Dr. Michael Bauer Dr. Udo Beckenbauer Dr. Karen Becker Ursula Benhold der Freunde der Stiftung Haus der Kunst München e.V. im Mai 2006. Markus Betz Dr. Horst Biller Odile Binding Minu Bockelbrink Antje Bode Dorothea Böhm Dr. Angelika Breitmoser-Bock Dr. Stefan Brenske Barbara Briehl-Rosenthal Jeannette Brinkmann-Ischinger Angelika Brockhausen Broeckl Karl Anton Brucker Michaela Bucher-Kornbich- Chefredaktion: Gabriele Jahn, Karsten Schmitz ler Silvia Bühling Angelika Büttner Tatjana Busch Dr. Uwe Clausen Max Condula Prof. Dr. Jörg-Engelbrecht Cramer Ernst Denk Dr. Monika Redaktion, Projektleitung: Nan Mellinger Deuerlein Dr. Jutta Döhne Dr. Dietrich Doepner Dr. Ulrike Donhauser Jochen und Brigitte Drexler Claudia Ecker Dr. Anita Eichholz Martina Eisele Gestaltung: Markus Rasp, AWR Agentur für Kommunikation Sylvia Emler Ruth Engelhard Walter Essler Dr. Cornelia Eulenstein Rupert Feckl Ronald Fiedler Götz Fieseler Susanne Fischer Heidi Frei Ernfried Schlussredaktion: Brigitte Hantke Fuchs Dr. Ulrike Camilla Gärtner Dr. Sebastian Garnreiter Dr. Aletta Georgii Dr. Katherina Giesemann Maria Göttsberger-Wolf Dr. Frank Goldmann Litho: MXM Digital Service Druck: Druckerei Vogl Babette Graaf Prof. Dr. Henner Graeff Gertraud Grill Susanne Grote Christa B. Güntermann Marion Gwiazda Helene Häusler Dr. Annette Hahn Herausgeber: Gesellschaft der Freunde der Stiftung Haus der Kunst München e.V. Vera Hammon Dr. Johannes Hampe Thomas Hartmann Caroline Heintz Monika Hemmer Brigitte Henninger Catherine Hersberger Dr. Ute Herzog Prinzregentenstr. 1, 80538 München Thomas E. Hesse Anja Heyne Ulrike Hiederer Dr. Angelika Hoche Gisela Hochgesand Ursula Hofmann Brigitte Hohmann Hannah Hollinger Tel +49 89 22 26 54 Jörg Holzhäuer Dr. Monika Hornig-Sutter Joyce Hoven-Hofkirchner Dr. Gottfried Huber Reinald M. Huber Bruno Joas Dr. Isabella Johnen- Fax +49 89 22 28 49 Schuler Andreas Jokisch Joachim Jung Sabine Kaden Ursula Kammer Inge Kemkes Charlotte Kerr-Dürrenmatt Heidi Kiessler Matthias Kindler [email protected] Cornelia Klein Anneliese Kleißl-Keil Margrit Kluth Sabine Knust Irmgard Koch Alla König Claudia Königsmann Earnie Kollar Hans Kornfeld

Texte: Sabine Brantl, Chris Dercon, Jacques Herzog und Pierre de Meuron, Rem Koolhaas, Ina Krebs-Ammer Prof. Dr. Reinhold Kreile Dr. Dr. Karl J. Krobot Manon Kubern Paula Kubitscheck-Vogel Tanja Küchler Dr. Thomas Kuhmann Léon Krempel, Anne Leopold, Angelika Lerch, Holger Lösch, Nan Mellinger, Stephanie Rosenthal, Hildegard Lackschéwitz Barbara Laminet Dr. Arnica-Verena Langenmaier Johanna Langmantl Liselotte Laufhütte Dr. Barbara Lechner Susanna Wolfgang Jean Stock, Christoph Vitali, Thomas Weski Leitner Hartwig Linderkamp Sabine Märten Dietmar Martin Dr. Gabriel Mayer Horst G. Mayer Susanne Menner Dr. Peter-Thilo Merkle Übersetzung (S. 90-94): Benita Goodman Hildegard Metz-Feuerberg Jürgen Michal Jutta Mößbauer Ursula Mosebach Karin Mosner Christel Mroz Werner Mühlbauer Prof. Dr. Wolfgang Müller-Holve Stefan Müller-Kölbl Dr. Barbara Naumann Elisabeth Naumann Birgit Nehm Anna Netzer Uta Neusiedl Tatjana Niederreuther Fotografie: Dr. Fedor Nierhaus Veronika Nobbe Ute Julia Noll Cornelia Noppe Dr. Regine Nowack Dr. Arend Oetker Helga Opel Alexander Ortmaier Edeltraut Robert Brembeck (Umschlag, S. 3-15, 43, 45, 46, 49, 50, 59-61, 70, 123, 125, 127) www.brembeck.de Ortner-Schramm Marion Perraudin Prof. Hans-Walter PfisterEdda Pinto Mathias Plica Dr. Christoph Pöppinghaus Birgit Poppert Jörg Pottrick Robert Adams (S. 112), Tina Barney (S. 113), Friedrich Bauer (S. 33), Jens Bode (S. 112), Fernando Chaves Ulrich Probst Hela Prosteder Dr. Gudrun Rauter-Burkhardt Dr. Juergen Rebel Dieter Rendel Johanna Reul Hans-Joachim Reuther Uta Römer Fotógrafo, São Paulo (S. 121), Luc Delahaye (S. 110/111), Lee Friedlander (S. 115), Georg Gatsas (S. 32), Gerda Sackmann Marion Samesch Ingrid Samson Maru Sandvoss-Dürr Dr. Elke Sattler Katharina Sattler Horst Sauerbruch Mia Savelbergh Georg Goebel (S. 86), Robert Keziere (S. 83, 112), Tina Köhler (S. 96), Jörg Koopmann (S. 63), Andreas Lang Heidrun Scharf Peter Schermuly Axel Schlapka Ellen Schlingloff Dr. Jürgen Schmidt-Garve Petra Schmolz-Fischer Birgit Schrezenmeir Rudolf (S. 24, 73, 107), Andreas Langenscheidt/Karsten Schmitz (S. 53, 55-58), Sigrid Neubert (S. 71), Wilfried Petzi (S. 28), Schwabe Sabine Seidensticker Dr. Bernhard Serr Brigitte Siebeneichler Dr. Dorothée Siegelin-Berz Dr. Heike Simon Vanessa Staffa-Krüger Karin Carsten Recksik (S. 29), Thomas Ruff (S. 34/35), Matthias Schrader (S. 78) Christoph Seeberger (S. 74/75), Stanslowski Dr. Elisabeth Staude Uta Steigenberger-Händle Axel Steinhauser Hildegard Still von Wallis Ingrid Stölzle Hendrik te Neues Prof. Margherita Spiluttini (S. 39, 40, 41), Thomas Struth 2006 (S. 115), Vivan Sundaram (S. 91, 94), Christiane Thalgott Cora tho Rahde Gloria Tinhof Ramona Tivold Christine Tönnies Barbara Ullrich Klaus Utermöhlen Leily Vahabzadeh Irmgard Wolfgang Tillmans 2005 (S. 109), Marion Vogel (S. 19, 24, 25) von Gienanth Dr. Dagmar von Kessel Marie-Theres von Lentzke Ebba von Oertzen Eleonore Edle von Poschinger Johanna Waldbröl Tina Waske Archiv Ausstellungsleitung Haus der Kunst (S. 23), Bayerische Staatsbibliothek München (S. 72), Collection von Reppert Gabriele Weber Dr. Thomas Weidenbach Renate Weigl Petrus Wesselmann Dr. Ingrid Wiedemann Rudolf G. Wiesmeier Doris Wilhelm National Gallery of Modern Art New Delhi (S. 89, 91, 93, 95, 99), Galerie Bugdahn & Kaimer, Düsseldorf (S. Heide Wilhelm-Kreuzer Dr. Wolfgang Wodok Caroline Wöhrl Gregor Wöltje Edith Wolf Dr. Sylvia Wolf Nina Tessa Zahner Dr. Kyriakoula Ziegler- 107), Galerie Daniel Buchholz, Köln (S. 109), Gallery Janet Borden NY (S. 113), Galerie Hauser & Wirth Zürich/ Skylakakis München (S. 106), Galerie Michael Zink, München (S. 121), Galerie Sprüth Magers, Köln/München (S. 114) Stand April 2006 The Barnes Collection 2005 (S. 79), Abigail O’Brien (S. 107), dpa-Bildarchiv (S. 86), dpa-Fotoreport (S. 78), droog 2004 (S. 87), Fondazione Marguerite Arp, Clamart (S. 84), Meshac Gaba 2006 (S. 127), Haus der Kunst München (S.19, 24, 25, 28, 73, 80/81, 82, 84, 85, 86, 103, 107, 110, 112, 120), Ydessa Hendeles (S. 83, 112), Herzog & de Meuron (S. 124), Historisches Archiv Haus der Kunst München (S. 67, 68/69, 71, 73), Rem Koolhaas/AMO 2004 (S. 18, 20/21), Life-Magazine 1951 (S. 101), M/M Paris 2004 (S. 17), MASP, Museu de Arte de São Paulo Assis Chateaubriand, São Paulo, Brasil (S. 117), Nachlass Karl Valentin/Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln (S. 22), National Gallery of Art/Samuel Kress Collection, Washington (S. 87), Projeto Morrinho 2006 (S. 118/119), Kate Rothko-Prizel, Christoph Rothko (S. 102), Schörghuber Unternehmensgruppe (S. 65), SV-Bilderdienst (S. 33), VG Bild-Kunst, Bonn 2006 (S. 102, 104, 114) kunst.freunde dankt allen Autoren, Fotografen und Mitwirkenden, sowie dem Team des Haus der Kunst für ihre Beiträge und Anregungen. Einige besonders engagierte Kuratoriumsmitglieder haben kunst.freunde großzügig finanziell unterstützt, Ihnen sei herzlich gedankt.

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