Agenda Ausgabe 16 | 2018 | Dezember

InformationsbriefAGENDA der Bibliothek des Konservatismus

Rembrandt van Rijn: Simeon und Hanna im Tempel (1627), Öl auf Eichenholz (Ausschnitt), Kunsthalle Hamburg Editorial

Wenn im christlichen Kulturkreis schrecken muß, die früher zu den die Geburt Jesu gefeiert wird, Verteidigern der Kirche gehörten: Inhalt dann feiern diejenigen nicht mit, die Konservativen. denen dieses Wunder vor allem galt: die Juden. Jahrhundertelang Dabei kann Weihnachten gerade Porträt ...... 2 hatten sie den Messias (gr.: chri- Konservativen neue Perspekti- stós) erwartet. In Weissagungen ven eröffnen. Denn es lehrt, die Aus unserem Magazin...... 4 wurde ihnen seine Ankunft an- Geister zu unterscheiden und im gekündigt. Doch als er geboren rechten Moment die Zeichen der Neuerscheinungen...... 5 wurde, erkannten sie ihn nicht. Zeit zu erkennen. Es lehrt, daß Die Zahl der Juden, die Christus sich ein Ausweg aus hoffnungs- Rückblick...... 6 als ihren Messias annahmen, war los scheinender Lage über Nacht und ist überschaubar. Das Licht, einstellen kann. Und es fordert, Ausblick...... 7 von dem das Neue Testament das, was sich als Ausweg anbie- spricht, ist im wesentlichen zum tet, an der Überlieferung und Termine...... 7 Licht der Heiden geworden. Der ihren überzeitlichen Maßstäben „Sohn Gottes“ verwandelte den zu prüfen. Ein solcher Konserva- BdK - Intern...... 8 griechischen Geist von Grund tismus ist nie perspektivlos, denn auf. 2000 Jahre lang prägte das er hat die Ewigkeit für sich. Impressum...... 8 Christentum Europa. Heute bie- ten die Kirchen ein Erscheinungs- Dr. Wolfgang Fenske bild, das gerade diejenigen ab- Bibliotheksleiter

Fasanenstraße 4 | 10623 Öffnungszeiten des Lesesaals Telefon: +49 (0) 30 - 315 17 37 0 Mo, Di, Mi, Fr: 10 – 15 Uhr Fax: +49 (0) 30 - 315 17 37 21 Do: 10 – 18 Uhr Porträt

Konflikt mit seiner Landeskir- che, wird 1925 gleichwohl auf die Pfarrstelle von Albersdorf in Schleswig-Holstein berufen. As- mussen weiß sich von der bäu- erlichen Gemeinde angenom- men und heiratet 1926 Elsbeth Pickersgill, die ihm drei Kinder schenken sollte: „Nicht umsonst wird auf den ersten Blättern der Bibel der Mensch auf den Acker gewiesen, so wie er zum anderen Geschlechte gewiesen wird.“ Gott habe den Menschen zum Herr- scher über die Schöpfung ge- setzt: „Beides ist ein Zeichen von fortgeschrittener Dekadenz: Sich des Geschlechts berauben lassen und auf Gestaltung, Herrschaft und Führung verzichten.“

Hans Asmussen 1932 wechselt Asmussen an die Hauptgemeinde in Hamburg- Hans Asmussen: Der Staat im Dienste Gottes Altona, die in einem kommuni- stisch geprägten Arbeiterviertel Zu den wenigen evangelischen Geistlichen, die den Nationalso- liegt und immer wieder Schau- zialismus von Beginn an aus konservativer Perspektive kritisier- platz gewalttätiger politischer ten, gehörte Hans Asmussen (1898–1968). Als national denkender Auseinandersetzungen wird. Am Lutheraner stieß er in der von geprägten Bekennen- 17. Juli 1932 kommt es infolge ei- den Kirche jedoch theologisch wie politisch auf Vorbehalte. Zeit- nes Aufmarsches der SA zu Schie- lebens stand das Verhältnis von Staat und Kirche im Zentrum sei- ßereien zwischen Kommunisten nes politischen Denkens. Vor 50 Jahren ist er verstorben. und der Polizei, in deren Verlauf 18 Menschen sterben. Auf diesen Hans Asmussen wird am 21. Au- amen wird er 1921 Vikar, 1923 „Altonaer Blutsonntag“ antwor- gust 1898 als jüngstes Kind sei- dann Pfarrer an der Diakonissen- ten die ortsansässigen Geistli- ner Eltern in geboren. anstalt Flensburg und befaßt sich chen am 11. Januar 1933 mit dem Nach dem Abitur 1917 wird er mit der dort beheimateten luthe- „Wort und Bekenntnis Altonaer Soldat im Ersten Weltkrieg, aus rischen Orthodoxie, aber auch Pastoren in der Not und Verwir- dem er ohne äußere Verwundun- mit Karl Barth und Søren Kierke­ rung des öffentlichen Lebens“. gen, jedoch nicht ohne „innere gaard. Für den jungen Asmussen Darin heißt es unter anderem: Unsicherheit im Lebensgefühl“ macht Barth Ernst mit der Kritik „Weil das Leben [als Gabe Got- heimkehrt. Er beginnt, in an der liberalen Theologie, aber tes] infolge der Sünde andau- Theologie zu studieren. Die an auch mit der Sündhaftigkeit des ernd bedroht ist, gebietet Gott der Universität vorherrschende Menschen. Doch bereits 1925 dem Staate die Bereitschaft, es liberale Theologie lehnt Asmus- schreibt er an seine Braut: „Al- im Notfall durch Waffengewalt zu sen ab, weshalb er in Kiel den Lu- les, was Barth sagt von dem ganz verteidigen. Wenn es sein muß, therischen Bruderbund gründet. Anderen usw., ist richtig. Aber müssen solche Verträge, die den Dessen Ziel ist es, Schüler und nun kommt das Evangelium und Bestand des Staates gefährden, Kommilitonen gegen die „offiziel- macht es in allen Dingen eben bekämpft und beseitigt werden. le“ Theologie der Universität, vor doch möglich, daß das Endliche Denn das Leben ist größer als al- allem gegen deren Schriftausle- das Unendliche fassen kann. Das les, was Menschen setzen.“ Und: gung, zu „immunisieren“. Letztere weiß Barth noch weniger „Wir verwerfen jede Vergöttli- als Kierke­gaard.“ chung des Staates. Wenn sich die Doch an der Universität kann Staatsgewalt zum Herrn über die Asmussen „kaum Eindrücke fürs Aufgrund seiner theologischen Gewissen aufwirft, wird sie anti- Leben“ gewinnen. Nach dem Ex- Positionen gerät Asmussen in christlich.“

Seite 2 Agenda Ausgabe 16 | 2018 | Dezember Porträt

Im selben Jahr erscheint Asmus- Nach Kriegsende wird Asmus- sens Buch „Politik und Christen- sen Präsident der Kirchenkanz- tum“. Das Verhältnis beider müs- lei der Evangelischen Kirche in se von der Einsicht bestimmt sein, Deutschland. In dieser Funktion daß das Böse eine Konstante ist: ist er an der Formulierung des „Das ist die Sünde des Bürger- Stuttgarter Schuldbekenntnisses tums, an der es zugrunde geht: vom Oktober 1945 beteiligt, in Das Handeln und Denken aus dem eine deutsche Mitschuld am dem Glauben, daß die Verderbnis „Leid der Völker“ bekannt wird: der Welt wieder heilbar sei.“ „Die Zeitungen haben aus dieser Erklärung ein Bekenntnis zur Al- Wenige Monate später wird leinschuld Deutschlands am Krie- in Kiel eine Kirchenleitung der ge gemacht. Aber das war nicht „Deutschen Christen“ installiert, richtig.“ Als im August 1947 das die Asmussen im Februar 1934 „Darmstädter Wort“ der kirchli- in den Ruhestand versetzt. Der chen Linken die deutsche Schuld Verlust seines Pfarramtes er- in konservativen Traditionen er- möglicht Asmussen die Mitarbeit blickt, reagiert Asmussen heftig. in der Bekennenden Kirche auf überregionaler Ebene. An der Hans Asmussen: Politik und Christentum, Kirchenpolitisch isoliert, zieht Vorbereitung der Bekenntnissyn- Hamburg 1933. sich Asmussen 1949 auf die Stel- ode von Barmen im Mai 1934 ist BdK-Signatur: Rel3-11-7 le eines Propstes in Kiel zurück. Asmussen maßgeblich beteiligt. Er schreibt für konservative Pe- Er hält auch den Einbringungs- 1935 übernimmt Asmussen die riodika und versucht, Einfluß auf vortrag für die barthianisch ge- Leitung der zur Bekennenden die entstehende CDU zu neh- prägte Barmer Theologische Kirche gehörenden Kirchlichen men. 1955 wird er in den Ruhe- Erklärung, interpretiert diese je- Hochschule Berlin. Nachdem die- stand versetzt und entfaltet noch doch lutherisch. Asmussen will so se 1941 geschlossen und Asmus- einmal eine breite literarische einer Spaltung der Bekennenden sens Wohnung 1943 ausgebombt Tätigkeit im Sinne einer „hoch- Kirche in Lutheraner und Barthia- worden war, zieht er nach Süd- kirchlichen“ Theologie, die im ner wehren. Tatsächlich nimmt deutschland, wo er Mitarbeiter Luthertum die einende Mitte der die Synode die Barmer Erklärung des „Einigungswerks“ wird, das Konfessionen erblickt. Am 30. ausdrücklich zusammen mit As- die zerstrittenen Gruppen der Dezember 1968 verstirbt Hans mussens Vortrag an. Bekennenden Kirche einen soll. Asmussen in Speyer.

Jetzt neu: ERTRÄGE 7 erschienen!

Band 7 der Schriftenreihe ERTRÄGE versammelt wieder interessan- te Vorträge, die in der Bibliothek des Konservatismus gehalten und in erweiterter Form als Aufsätze zur Verfügung gestellt wurden:

Michael von Prollius: Vom Niedergang der Demokratie Konrad Badenheuer: Vertriebene als Opfer der Geschichtspolitik Albrecht Jebens: 100 Jahre deutsch-afghanische Freundschaft Peter Seidel: Europa am Scheideweg Björn Schumacher: Alliiertes Morale Bombing 1942–1945 Rainer Waßner: Friedrich Georg Jüngers Perfektion der Technik

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Agenda Ausgabe 16 | 2018 | Dezember Seite 3 Aus unserem Magazin

Die politischen Religionen meinschaft wird zu Proletariat, Rasse oder Volk; der Papst an der Der deutsch-amerikanische Po- Spitze der kirchlichen Hierarchie litikwissenschaftler Eric Voege- wird zum Führer; die Apokalypse lin (1901–1985) war einer der als Offenbarung des zukünftigen bedeutendsten konservativen Reiches wird zur innerweltlichen Denker des 20. Jahrhunderts. Mit Utopie. seinem 1939 erschienenen Es- say „Die politischen Religionen“ Geistesgeschichtlich beginnt die- knüpft er an einen Themenkom- ser Prozeß der Verweltlichung plex an, der insbesondere mit christlicher Symbolik für Voegelin dem Namen Carl Schmitt verbun- bereits im Spätmittelalter, findet den ist: die Politische Theologie. seinen Höhepunkt im neuzeitli- Dahinter verbirgt sich die Über- chen Absolutismus und seinen zeugung, daß politische Begriffe vorläufigen Endpunkt in den mo- letztlich säkularisierte religiöse dernen Totalitarismen, die Gott Begriffe sind und politische Phä- restlos durch ein innerweltliches nomene daher auch als religiöse Kollektiv ersetzt haben. interpretiert werden müssen. In diesem Sinne versteht Voegelin Diese polit-theologische Perspek- die modernen Totalitarismen als tive hat nichts an Aktualität ver- Eric Voegelin: religiöse Massenbewegungen, loren, sondern schärft vielmehr Die politischen Religionen, die Versatzstücke christlicher den Blick für heutige politische München 1993, 85 Seiten. Formensprache verweltlichen, Bewegungen und erlaubt zudem BdK-Signatur: Kon6-3-22-29 um sie politisch fruchtbar zu ma- eine ideengeschichtliche Einord- chen: die Ekklesia als sakrale Ge- nung ihrer Ursprünge.

Zeitwende nen. Während Martin Luther dar- der (1878–1962), Weggefährte auf drängte, daß die Kirche kein Hugo von Hofmannsthals und Daß christlich-konservative Zeit- politisches Mandat habe und das Rudolf Borchardts, sowie Reinold schriften in der Regel katholisch- Evangelium nur indirekt, durch von Thadden (1891–1976), 1949 konservative Zeitschriften sind, die Gewissen der Gläubigen, poli- Gründer des Deutschen Evange- liegt in der Natur der Konfessio- tische Wirkung entfalte, kennt die lischen Kirchentags, der damals traditionelle römisch-katholische freilich anders aussah als heute. Lehre auch konkrete politische Anliegen, die sich etwa aus der Zu den Autoren gehörten neben kirchlichen Morallehre ergeben. dem Staatsrechtler Ernst Forst- hoff und dem Historiker Gerhard Doch Ausnahmen bestätigen Ritter auch der Theologe Hans bekanntlich die Regel. 1925 wur- Asmussen (vgl. Porträt, S. 2/3), de mit der Zeitwende ein Blatt der Dichter Eugen Rosenstock- aus der Taufe gehoben, das im Huessy und der erst völkische, besten Wortsinne abendlän- später christlich-konservative disch, evangelisch und damit Politiker August Winnig. Bis in fast zwangsläufig konservativ die siebziger Jahre hinein waren war. Besondere Bedeutung er- mit Gerd-Klaus Kaltenbrunner langte die Zeitwende nach dem und Günter Rohrmoser dezidiert Zweiten Weltkrieg, als sie neben konservative Autoren im Blatt dem überkonfessionell ausge- präsent, wiewohl das Autoren- richteten Neuen Abendland (vgl. tableau politisch wie konfessio- AGENDA Nr. 10, S. 4) lange Zeit nell bereits gemischter wurde. das einzige Forum konservativer Nachdem verschiedene kleinere Protestanten war. Zu den Her- Periodika in der Zeitwende aufge- Zeitwende ausgebern zählten zeitweilig der gangen waren, mußte sie selbst BdK-Signatur: Z8-145 Dichter Rudolf Alexander Schrö- 2010 ihr Erscheinen einstellen.

Seite 4 Agenda Ausgabe 16 | 2018 | Dezember Neuerscheinungen

Das konservative Finanzen oder der Wirtschaft. Manifest Um diese Krise zu überwinden, empfiehlt der Autor, aus der Wolfram Weimer erhebt mit sei- Kraftquelle des Konservatismus nem neuen Buch den Anspruch, zu schöpfen. Dazu formuliert er eine Analyse des Zeitgeistes mit zehn Gebote für eine konser- einer kritischen Neu-Verortung vative Tendenzwende, etwa die von alten Werten zu verbinden. Familie zu lieben, die Nation zu Es ist eine Anklage des Moder- ehren, die eigene Kultur zu ken- nismus und bietet im Gegenzug nen, Recht und Ordnung zu ach- klare, konservative Handlungsan- ten und auch Gott zu ehren. Der leitungen. Konservative könne nur zu sich selbst finden, wenn er aus den Die westliche Kultur sei geistig Tiefen seiner eigenen Tradition erschöpft, weil sie sich dem ma- religiöses Wasser heraufhole. terialistischen Streben anheim- gegeben habe. Derzeit werde Das Buch ist nie bevormundend das wesentliche Bedürfnis der oder moralisierend, sondern lebt Menschen nach Identität, Sinn vom konservativen Zweifel. Ge- und Geborgenheit nicht erfüllt. rade deswegen schafft es Wei- Wolfram Weimer: Die westlichen Nationen litten mer, angesichts der heutigen Ori- Das konservative Manifest – an einer kulturellen Schuldenkri- entierungslosigkeit neuen Halt zu Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit, se, die viel verheerender sei, als geben durch Werte, die immer Kulmbach 2018, 104 Seiten. Probleme der Demographie, der gelten. BdK-Signatur: Kon6-3-23-53

Gleichheit – Das geschrieben, die letztlich eine auf dem Konzept der Gleichheit falsche Versprechen Verteidigung der Ungleichheit aller Menschen erdacht habe, ist. Anders als zu Gerechtigkeit sei Thomas Hobbes gewesen. In Der israelische Militärhistori- und Freiheit sei zur Gleichheit seiner Nachfolge hätten die Auf- ker Martin van Creveld hat eine noch keine Kulturgeschichte ge- klärung und die Moderne eine Kulturgeschichte der Gleichheit schrieben worden, obwohl doch Fülle verschiedener Gleichhei- diese drei Werte nicht voneinan- ten entwickelt, die sich zum Teil der zu trennen seien. Es komme widersprächen und teilweise zu für ein „gutes Leben“ jedoch auf größter Ungleichheit, Verbrechen die richtige Mischung dieser drei und auch Millionen Toten geführt Merkmale an, denn gerade die hätten (Guillotine, Kommunis- Gleichheit berge große Risiken mus, Nationalsozialismus). für Freiheit und Gerechtigkeit. Van Creveld selbst ist kein Geg- Das Buch zeigt auf, daß der ner von Gleichheit, will aber nur Grundbaustein der Natur nicht die liberale Variante gelten las- die Gleichheit, sondern die Un- sen, also Gleichheit der Person gleichheit ist. In der Mensch- vor dem Gesetz und Chancen- heitsgeschichte habe Gleichheit gleichheit der Menschen. Einige kaum eine Rolle gespielt und sei Formen der Gleichheit könne im Gegenteil oftmals bekämpft man also zu einem gewissen Gra- worden. Die griechische Antike de umsetzen, allerdings nur im bilde hier eine Ausnahme. Zum Verein mit Freiheit, Gerechtigkeit ersten Mal gebe es einen Begriff und Wahrheit. Eine Gleichheit im von Gleichheit, der aber nur die Sinne Rousseaus, Stalins, Hitlers, griechischen Männer einschließe Maos oder heutiger Vertreter Martin van Creveld: und nur im Gegensatz zu Nicht- der Political Correctness sei nichts Gleichheit – Das falsche Versprechen, Gleichen wie Frauen, Kindern, als ein Traum, dessen Verwirkli- Berlin 2018, 414 Seiten. Alten und Sklaven funktionierte. chung nur zum Alptraum werden BdK-Signatur: Pol5-85 Der erste, der ein Staatswesen könne.

Agenda Ausgabe 16 | 2018 | Dezember Seite 5 Rückblick

von Aktivisten der Identitären Bewegung angeheuert worden. Die abenteuerliche Mission, die im Sommer 2017 im Mittelmeer stattfand, brachte dem Autor und den Beteiligten viel Ärger mit Behörden verschiedener Länder, mehrere kurze Gefängnisaufent- halte und große Strapazen ein. Dennoch – oder vielleicht gera- de deswegen – konnte er seinen Zuhörern einen unmittelbaren Eindruck von der Migrationspro- blematik zwischen Afrika und Eu- ropa vermitteln.

Der Soziologe Jost Bauch stellte am 14. November 2018 sein neu- Bettina Röhl: Die Ursprünge von ʼ68 und des „Kampfes gegen rechts“ liegen im Maoismus es Buch „Abschied von Deutsch- land – Eine politische Grabschrift“ Im Herbst bot die BdK wieder ein breites Spektrum von Ver- vor. Bauch warf einen pessimisti- anstaltungen, etwa zu den ideologischen Wurzeln der ʼ68er- schen Blick auf die demographi- Kulturrevolution, zur Bedeutung „altmodischer“ Tugenden für sche Entwicklung der Deutschen die Gegenwart, über die Mission „Defend Europe“ der Identitä- und urteilte, daß sich diese Ent- ren Bewegung im Sommer 2017 sowie zum Weg der Deutschen in wicklung allenfalls verlangsa- die Minderheitsgesellschaft. men, nicht aber aufhalten lasse. Die Schrumpfung der deutschen Am 24. Oktober 2018 stellte Bet- ber 2018 anläßlich des Erschei- Mehrheitsbevölkerung sei unaus- tina Röhl ihr neues Buch „Die nens seines neuen Buches „Die weichlich und bei gleichbleiben- RAF hat Euch lieb – Die Bundes- Kunst des lässigen Anstands: 27 der Einwanderung würden 2050 republik im Rausch von ’68“ vor. altmodische Tugenden für heu- Menschen mit Migrationshinter- Die Publizistin vertrat die These, te“. Dabei warb er dafür, sich grund die Mehrheit in Deutsch- daß die ’68er seinerzeit gesiegt nicht von denjenigen schrecken land bilden. Für Patrioten blieben hätten, aber aufgrund ihrer theo- zu lassen, die Konventionen be- nur Trauer und Entsetzen. retischen Konzeptlosigkeit und kämpften oder als spießig brand- Beliebigkeit nichts Positives mit markten. Im Gegenteil sei An- ihrem Sieg hätten anfangen kön- stand etwas Schönes, Lässiges, nen. Schon kurz darauf habe die ja geradezu „Cooles“. Man adele Diskussion um Gewalt begonnen sich selbst damit, beeinflusse an- und alsbald deren Umsetzung im dere positiv und könne mit einem Terrorismus. Nicht Marx und der guten Gefühl ein guter Mensch Marxismus, sondern Mao Tse- sein. Ein Konservatismus, der Tu- tung und seine „Kulturrevolution“ genden bejahe, Anstand vorlebe sei der wahre Pate der Studen- und die Regeln des Miteinanders tenrevolte, die sich von Beginn achte, sei heute angesagt, so an und bis zu ihren heutigen Epi- Schönburg. gonen kontinuierlich gegen den Westen und die westlichen Werte Am 7. November 2018 sprach richte. Von der Kommune 1 gehe Alexander Schleyer über sein eine lineare Entwicklung zur RAF neues Buch „Defend Europe – über die Antifa bis hin zu den Eine Aktion an der Grenze“. Der gewalttätigen „Protesten“ beim ehemalige Marinesoldat, der au- G20-Gipfel 2018 in Hamburg. ßerdem langjährige Erfahrung auf Containerschiffen vorweisen Der Journalist Alexander von kann, war als Navigationsoffizier Alexander von Schönburg: Konservative Schönburg sprach am 30. Okto- für die Mission „Defend Europe“ Tugenden liegen wieder im Trend

Seite 6 Agenda Ausgabe 16 | 2018 | Dezember Ausblick

Das Jahr 2019 beginnt in der BdK mit einem Reigen hoch- interessanter Buchvorstellun- gen und Vorträge. Sie befassen sich mit den Folgen der ʼ68er- Kulturrevolution, der Frage, was unter einem zukunftsfä- higen Konservatismus zu ver- stehen ist sowie mit den Rest- beständen des Adels als einer aristokratischen Lebensform.

Am 9. Januar 2019 stellt der Bestsellerautor und ehemalige Präsident des Deutschen Leh- rerverbands, Josef Kraus, sein neues Buch „50 Jahre Umerzie- Josef Kraus entdeckt Metastasen von ʼ68 in den Zellen aller gesellschaftlichen Institutionen hung – Die ’68er und ihre Hinter- lassenschaften“ vor. Tatsächlich Jens Jessen, Feuilletonredakteur hätten die ’68er und ihre Epi- der Wochenzeitung Die Zeit, ver- Termine gonen erfolgreich den Marsch folgt in seinem Buch „Was vom durch die Institutionen beschrit- Adel blieb – Eine bürgerliche Be- ten. Dies aber nicht nur in den trachtung“ die Spuren der ari- 9. Januar 2019, 19 Uhr linken Parteien Deutschlands, stokratischen Lebensform bis in Buchvorstellung sondern auch in großen Teilen die Gegenwart hinein. Dabei hält der CDU, ferner in den Medien, er dem Bürgertum den Spiegel Josef Kraus den Kirchen und ganz besonders vor und zeigt nicht nur, was der 50 Jahre Umerziehung den Schulen. Diese fragwürdige demokratische Fortschritt über- Die ʼ68er und ihre Bilanz der ’68er und ihrer Vollen- wunden und besiegt, sondern Hinterlassenschaften der verdankt sich zu erheblichen auch, was er verloren und der Teilen dem Versagen der Bürger- Verachtung preisgegeben hat. Abendkasse: 5 € / 3 € lichen. Sie sind bis zum heutigen Am 23. Januar 2019 stellt Jessen Tag nicht fähig und nicht bereit sein Buch vor. 16. Januar 2019, 19 Uhr zu ideologiekritischer Auseinan- Vortrag mit Diskussion dersetzung – so dringend diese geboten wäre. Marc Jongen Was ist Avantgarde- Marc Jongen, Philosoph und Bun- Konservatismus? destagsabgeordneter der AfD, Lehren aus Moderne und stellt am 16. Januar 2019 sein Hypermoderne Konzept eines „Avantgarde-Kon- servatismus“ vor. Konservative Abendkasse: 5 € / 3 € sähen sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, am Althergebrachten 23. Januar 2019, 19 Uhr festzuhalten. Dabei führe eine Buchvorstellung gründliche Analyse der kulturel- len und gesellschaftlichen Lage Jens Jessen gerade mit modernsten Denkmit- Was vom Adel blieb teln zu Positionen, die als „kon- Eine bürgerliche Betrachtung servativ“ gelten müssen. Jongen sieht den Konservatismus vor der Abendkasse: 5 € / 3 € Herausforderung, wesentliche Lektionen der Moderne und Hy- permoderne aufzunehmen. Nur Weitere Veranstaltungen so könne die kulturelle Hegemo- unter www.bdk-berlin.org nie gewonnen werden. Begutachtet die Reste des Adels: Jens Jessen

Agenda Ausgabe 16 | 2018 | Dezember Seite 7 BdK - Intern

Werkausgaben konservativer Klassiker – wie hier von Louis de Bonald (li.) und Joseph de Maistre – gehören zum Kernbestand der BdK

Gewaltenteilung zwischen Monarch und Papst Mögen einige Ansichten der bei- den Gegenrevolutionäre den Mit Jospeh de Maistre und Louis de Bonald hält die BdK jetzt die modernen Menschen auch be- Werk­ausgaben zweier entschiedener Gegner der Französischen fremden, so fasziniert an ihnen Revolution vor, die ihren Konservatismus weniger politisch denn bis heute der politische Realis- metaphysisch-religiös verstanden. mus, in dessen Zuge sie tiefe politische Wahrheiten über den Als wissenschaftliche Spezialbi- Sie beide waren ultramontane Zusammenhang von Autorität, bliothek sieht sich die BdK in der Royalisten, die einzig die Gewal- Herrschaft, Tradition und Religi- Pflicht, die Werke konservativer tenteilung zwischen dem Monar- on formulierten, um so den über- Klassiker nicht nur in deutschen chen und dem Papst als legitime bordenden Erwartungen und Übersetzungen zur Verfügung zu Herrschaftsform anerkannten, Hoffnungen des revolutionären stellen (sofern existent), sondern wobei eine gewisse Uneinigkeit Utopismus publizistisch entge- auch in den jeweiligen Original- darüber bestand, inwiefern die genzutreten. sprachen. Die kürzlich erwor- einmal erschütterte Ordnung benen Œuvres complètes von wiederherzustellen ist. Der rumänische Philosoph Emil Jo­seph de Maistre (1753–1821) Cioran schreibt in seiner Studie sowie Louis de Bonald (1754– Es verwundert auch kaum, daß über de Maistre zu Recht: „An den 1840) verbinden dieses Anliegen die beiden Katholiken die Fran- Verheißungen der Utopie scheint mit dem Bestreben, alle wissen- zösische Revolution weniger als alles bewundernswert und ist al- schaftlichen Standardwerkausga- eine politische Revolution inter- les falsch; an den Feststellungen ben konservativer Klassiker anzu- pretierten, sondern viel mehr als der Reaktionäre ist alles verab- schaffen. eine metaphysisch-religiöse, die scheuenswert und scheint alles darauf abziele, Gott als höchste wahr.“ Der Konservatismus als eine ei- Autorität der politischen Ord- genständige politische Theorie nung durch den Menschen zu Louis de Bonald: Œuvres complètes, 15 Bde. entstand als Reaktion auf die fun- ersetzen. Der revolutionäre neue in 9 Teilbänden, Genéve 1982. BdK-Signatur: damentalen Erschütterungen der Mensch sehe sich selbst nicht F6-7-7 bis -15 Französischen Revolution, wobei mehr als Geschöpf, sondern de Maistre und de Bonald die wähne sich autonom und trete Joseph de Maistre: Œuvres complètes, 7 wichtigsten Denker der franzö- als souveräner Schöpfer mensch- Bde., Hildesheim 1984. BdK-Signatur: F6-5- sischen Gegenrevolution waren. licher Gemeinschaften auf. 25 bis -31

Impressum Herausgeber Telefon: +49 (0) 30 - 315 17 37 0 Verantwortlich: Förderstiftung Konservative Telefax: +49 (0) 30 - 315 17 37 21 Dr. Wolfgang Fenske Bildung und Forschung (FKBF) E-Mail: [email protected] Fasanenstraße 4 Unter Mitarbeit von Jonathan 10623 Berlin AGENDA erscheint zweimonatlich Danubio, Norman Gutschow u. a.