Erhard Geißler

ANTHRAX und das Versagen der Geheimdienste

KAI HOMILIUS VERLAG 2003

„Wovor ich Todesangst habe, wahrscheinlich sogar mehr als vor taktischen Nuklearwaffen, und wovor wir uns nur ungenü- gend schützen können, sind biologische Waffen“.1 Colin Powell, 1994

„Mehltau, um die Ernte zu vernichten; Milzbrand, um Pferde und das Vieh zu töten; Pest, um nicht nur Armeen, sondern auch ganze Landstriche zu verseuchen“.2 Winston Churchill, 1925

„Bioterrorismus ist eine wirkliche Bedrohung für unser Land. Er ist eine Bedrohung für jede Nation, die die Freiheit liebt. Terroristische Gruppen bemühen sich um den Besitz biologi- scher Waffen; wir wissen, dass einige Schurkenstaaten bereits über sie verfügen. [...] Biologische Waffen sind die potenziell gefährlichsten Waffen auf der Welt“.3 George W. Bush, 2002

Im Gedenken an Robert Stevens und die anderen Opfer von Milzbrand- briefen und weiterer Biowaffen, deren Tod hätte verhindert werden können. Für Ihre fleißige Mitarbeit und Hilfe bei der technischen Herstellung des Buches sowie dessen Korrektur danke ich ganz besonders Sabine Großmann, Christian Hartenstein und Jan von Flocken. Kai Homilius IMPRESSUM

© Kai Homilius Verlag 2003 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.

Titelgestaltung: Thomas K. Müller / KM Design, Berlin Satz & Layout: KM Design, Berlin Lektorat: Jan von Flocken Druck: Wiener Verlag ISBN: 3-89706-889-3 Preis: € 22 Redaktionsschluss: 11.2.2003 www.kai-berlin.de Email: [email protected] Christburger Strasse 4, 10405 Berlin Tel.: 030 - 443 423 55 / Fax: 030 - 443 425 97

Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Erhard Geißler Anthrax und das Versagen der Geheimdienste / Geißler, Erhard - Berlin: Kai Homilius Verlag, 2003

ISBN 3-89706-889-3

Ne: GT INHALTSVERZEICHNIS

Einführung ...... 15 Bio- und Toxinwaffen-Kalender ...... 21

I. Eine Rüstungsspirale kommt in Gang „Ausschütten in Trinkeimer genügt“ ...... 27 Das „dreckige Dutzend“ ...... 39 Frankreich startet die biologische Rüstungsspirale . . . . 46 Die Reichswehr verzichtet auf Biowaffen ...... 50 Biologische Kriegsführung wird verboten ...... 56 Fulminanter Start in der Sowjetunion ...... 62

II. Falschmeldungen beschleunigen die Rüstungsspirale Beunruhigende Behauptungen von Emigranten ...... 69 Frankreich nimmt wieder Aktivitäten auf ...... 79 Stalin stört erneut das sowjetische Biowaffenprogramm 88 Mehr Angst vor Kriegsseuchen in Großbritannien . . . . 96 Auch die Nordamerikaner sind eher zurückhaltend . . 100 Keine Ahnung vom deutschen Desinteresse ...... 105

III. In Europa schweigen die Biowaffen Entdeckungen in Frankreich lösen deutsche Aktivitäten aus ...... 119 Aber Japan schreckt nicht vor biologischer Kriegsführung zurück ...... 126 Falschmeldung bewegt Hitler zu weitreichender Entscheidung ...... 131 „Man muss sich einmal selbst angreifen“ ...... 143 Die Anthrax-Kekse bleiben im Karton ...... 149 Das sowjetische Programm wird wieder gestört . . . . . 158 Hjalmar Schacht überlebt den Anschlag ...... 162 Falschaussage, Fehlurteil, Zensur und Diskreditierung 168 Ein Deal mit „Medizinern ohne Menschlichkeit“ . . . . 176 Halt! Amikäfer ...... 187

11 IV. Die Spirale dreht sich weiter Diesmal tatsächlich Versuche in der U-Bahn ...... 197 Auch die Sowjets steigen bald wieder ein ...... 203 Kalter Biokrieg in Deutschland ...... 208 Die Entwicklung von Biowaffen wird verboten ...... 223 Die Janusköpfigkeit der Impfstoffe ...... 230 Gentechnik erlaubt Schärfung oder Abstumpfung von Biowaffen ...... 237 AIDS und die Geheimdienste ...... 246 Tausend Tote durch Milzbrandzwischenfall? ...... 253 Die Hühnerfarm von Husseins Schwiegersohn ...... 260 Vor der Wahl: Salmonellen zum Salat ...... 272 Die Milzbrandbriefe: Versagt das FBI – oder vertuscht es? ...... 279 Was war das Ziel: Mord und Totschlag – oder Panik? . 288 Sieg über die Pocken – ein Pyrrhussieg? ...... 298

V. Ist die Rotation der Spirale noch zu stoppen? „Eine Änderung der Konvention muss konsequent ver- mieden werden“ ...... 305 „Vertrauensbildende Maßnahmen“ erwecken Misstrauen ...... 311 „Das Protokoll ist tot, tot, tot“ ...... 315 Keine biologische Sicherheit ohne völlige Transparenz ...... 322

Danksagung ...... 339 Glossar, Abkürzungen, Akronyme ...... 341 Literatur ...... 357 Internet-Adressen ...... 360 Anmerkungen ...... 361 Erreger-Index ...... 391 Ortsregister ...... 394 Sachregister ...... 397 Personenregister ...... 408 Verlagsinformationen ...... 411

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Einführung

or zwei Jahrzehnten lag das Reich des Bösen im VOsten. Das befand jedenfalls Präsident Ronald Reagan. Die Sowjetunion betrieb sogar ein gewaltiges Programm zur Entwicklung biologischer Waffen, und eine Panne hatte in Swerdlowsk eine große Milzbrandepidemie verursacht.Aber dass die Anthrax-Fälle vom Militär verursacht worden waren, konnten die CIA und die anderen Geheim- dienste nicht beweisen. Eine öffentliche Anklage vor dem Sicherheitsrat unterblieb mangels harter Fakten. Und ein prä- ventiver Militärschlag unterblieb auch, weil dies den nuklea- ren Weltuntergang zur Folge gehabt hätte. Zwanzig Jahre später macht Präsident George W. Bush eine ganze Achse des Bösen aus. Ein Staat davon, Nordkorea, gibt sogar zu, vertragsbrüchig ein Nuklearprogramm zu betreiben, wirft die Inspektoren der Internationalen Atomenergie- Behörde aus dem Land und verschifft in aller Öffentlichkeit Raketen in den Nahen Osten. Und die Geheimdienste behaupten, Nordkorea betreibe auch ein Biowaffenprogramm. Trotzdem wird ein Militärschlag nicht einmal angedroht, geschweige denn der Sicherheitsrat angerufen. In Nordkorea gibt’s bekanntlich kein Öl. Ein anderer „Schurkenstaat“ ist der Irak. Bis zu seiner Niederlage im Golfkrieg produzierte auch er Massenvernich- tungswaffen. Die Voraussetzungen dafür verschaffte er sich zum Teil in den USA und in Westeuropa. Nach dem Krieg wurde er abgerüstet. Nun soll er wieder biologische Waffen und andere Massenvernichtungsmittel herstellen. Das be-

15 haupten zumindest die Nachrichtendienste der USA, Groß- britanniens und Russlands. Für George W. Bush ist dies Grund genug, dem Irak — der, nebenbei bemerkt, über riesi- ge Ölvorräte verfügt — einen präventiven Militärschlag mehr als anzudrohen, möglichst mit, notfalls aber auch ohne Billigung durch den Sicherheitsrat.

Biologische Waffen (Biowaffen) sind Krankheitserreger — Bakte- rien, Viren und Pilze — sowie Schädlinge, die als Kampf-, Terror- oder Sabotagemittel eingesetzt werden, um bei Mensch, Tier oder Pflanze Krankheit oder Tod zu verursachen.

Toxin-Waffen sind von Lebewesen gebildete Giftstoffe („Toxine“), die als Kampf-, Terror- oder Sabotagemittel verwendet werden.

Biologische Kriegsführung ist der Einsatz von Bio- oder Toxin- Waffen.

Als Biowaffenaktivitäten werden in diesem Buch alle Aktivitäten bezeichnet, die der Vorbereitung des Einsatzes von Bio- oder Toxin- Waffen dienen oder entsprechenden Schutzmaßnahmen („B- Schutz“).

Aber nicht nur Irak und Nordkorea, sondern auch etwa zehn weitere Staaten sollen über biologische Waffen verfügen oder nach deren Besitz streben. Auch das wollen die Geheim- dienste Washingtons, Londons und Moskaus herausgefunden haben. Allerdings sind die Agenturen zumindest auf diesem Gebiet nicht sehr zuverlässig. Beispielsweise meldete der britische Geheimdienst 1937, in Deutschland würden Milzbrand- Bakterien und die Erreger von Maul- und Klauenseuche nicht nur produziert, sondern auch munitioniert und in Feld- versuchen erprobt. In der Hauptstadt Berlin konnte ein geheimes bakteriologisches Institut der Wehrmacht ausge- kundschaftet werden. Dort seien nicht nur „große Mengen

16 von Milzbrandbakterien produziert“, sondern auch darauf hin untersucht worden, wie sie am besten verbreitet werden könnten: Abgefüllt beispielsweise in Glaskölbchen, die vom Flugzeug aus abgeworfen werden können, oder von Sprüh- flugzeugen abgeblasen. Darüber hinaus sei erprobt worden, die Erreger in „nicht detonierende Bomben“ zu füllen, die an Fallschirmen hinabgleiten und sich erst 25 m über dem Boden öffnen und die unter leichtem Druck stehende tödliche Fracht freisetzen.4 Weiteren Agentenberichten zufolge sei auch die Eignung der Erreger der Maul- und Klauenseuche (MKS) in der Lüneburger Heide getestet worden. MKS-Viren wurden aus Höhen zwischen 50 und 2000 m und bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen versprüht. Rinder, die anschließend auf die verseuchten Weiden getrieben wurden, seien der töd- lichen Krankheit erlegen. Die Experimente hätten ergeben, dass diese Form der Kriegsführung sehr ökonomisch ist: Die von nur zwei erkrankten Tieren gewonnenen Erreger reichen aus, so der Bericht, „um mehrere Quadratkilometer zu infi- zieren. Zehn Flugzeuge könnten in einer Nacht ein sehr gro- ßes Gebiet erfolgreich besprühen“.5 Diese Erkenntnisse waren wirklich alarmierend, zumal sie von einigen einflußreichen Emigranten bestätigt wurden. Hätte man damals zusehen sollen, ob die Milzbrandbakterien und MKS-Viren als Kampfmittel auch eingesetzt oder gar terroristischen Vereinigungen zur Verfügung gestellt werden? Hätte man abwarten sollen, bis die Deutschen in England oder anderswo eine verheerende Maul-und-Klauenseuche- Epidemie verursachen? Wenn Tony Blair und George W. Bush zu dieser Zeit schon an der Macht gewesen wären: Hätten sie sich angesichts dieser Meldungen — die weit über das hinausgehen, was heute über das Biowaffenprogramm des Iraks berichtet wird — für Präventivschläge gegen Berlin entschieden und Spezialtruppen über der Lüneburger Heide abgesetzt? Das wäre zwar vom Völkerrecht nicht gedeckt gewesen — aber wäre in solchen Fällen nicht eine Ausnahme

17 legitim, des Schutzes unschuldiger Menschen willen, und um ihre Nahrungsmittelversorgung zu sichern?

Es ist müßig darüber zu fantasieren, wie die Welt heute aussähe, wenn Hitler noch vor 1937 auf Grund falscher Geheimdienstberichte in den Arm gefallen worden wäre. Die Briten haben damals lediglich mit der Aufnahme eines eigenen Biowaffenprogrammes reagiert. Milzbrand-Erreger wurden von ihnen nun tatsächlich produziert, erprobt und für etwa notwendige Vergeltungsschläge gegen Deutschland munitioniert — mit hohem Aufwand, aber völlig umsonst. Denn die diesbezüglichen Berichte der britischen Agenten waren von vorn bis hinten falsch. Die deutsche Wehrmacht hatte weder 1936/37 noch vorher oder später in Berlin oder anderswo Milzbrand-Erreger munitioniert und ihre Verbrei- tung erprobt.Auch Feldversuche mit MKS-Viren wurden von deutscher Seite vor dem Zweiten Weltkrieg nicht durchgeführt.

Tatsächlich ergibt eine Analyse der Geschichte der Biowaffen im zwanzigsten Jahrhundert, dass die biologische Aufrüstung im wesentlichen von Geheimdiensten eingeleitet und dann mehr und mehr forciert wurde. Angeschoben wurde sie bereits im Frühsommer 1915 vom deutschen mili- tärischen Nachrichtendienst, der Milzbrandbakterien und andere Krankheitserreger in Biosabotageaktionen einsetzte. Und dann brachte eine verhängnisvolle Mischung von strate- gischen Fehleinschätzungen, Falschinformationen, fehlenden korrekten Erkenntnissen, unbegründeten Befürchtungen und Verdächtigungen sowie von Falschaussagen aller Art eine biologische Rüstungsspirale immer mehr in Fahrt — bis zur Entwicklung und Munitionierung von Milzbrand-Erregern in den Biowaffenlabors der Sowjetunion, des Irak und auch der USA. Mit Erregern aus solchen Programmen haben dann 85 Jahre nach den Aktionen des deutschen Geheimdienstes Briefbomben-Attentäter fünf Menschen umgebracht, sehr viel Hysterie erzeugt und einen weltweiten Feldzug gegen

18 den Bioterrorismus ausgelöst, in dem wieder die Nachrich- tendienste eine dominierende Rolle spielen. Gelegentlich haben die Geheimdienste auch Sand ins Getriebe dieser Spirale geschüttet — in der Sowjetunion bei- spielsweise, als Falschinformationen des NKWD Stalin zuerst 1930 und dann erneut 1937–39 veranlassten, die führenden Köpfe des sowjetischen Biowaffenprogramms mindestens ins Lager sperren und zum Teil sogar umbringen zu lassen,und in Deutschland, wo eine Falschmeldung der „Abwehr“ Hitler 1942 dazu brachte, alle Vorbereitungen zur biologischen Kriegsführung zu verbieten. Dies sind bizarre Nuancen in der Geschichte der Wechselverhältnisse von Geheimdienstakti- vitäten und biologischer Aufrüstung. Sie klingen wie schwar- zer Humor, dürften aber wesentlich dazu beigetragen haben, dass es im Zweiten Weltkrieg in Europa nur höchst marginal — bei einigen wenigen Attentaten und Sabotageaktionen — zum Einsatz biologischer Kampfmittel kam. Mit der biologischen Aufrüstung im zwanzigsten Jahrhundert und der Rolle, die Nachrichtendienste, Emigranten und Dissidenten dabei spielten, beschäftigt sich dieses Buch. Es beruht auf fast zwei jahrzehntelangen Erfahrungen des Autors auf dem Gebiet der biologischen Rüstungskontrolle sowie auf mehrjährigen historischen Studien, die er ge- meinsam mit dem amerikanischen Historiker John Ellis van Courtland Moon und einem internationalen Expertenteam betrieben hat. Deshalb beziehen sich viele der im Folgenden beschriebenen Details — vor allem aus der Zeit vor 1945 — auf Originaldokumente, die im In- und Ausland archiviert sind.* Die jeweiligen Quellen sind in früheren Veröffent-

* Die überwiegende Mehrzahl der ausgewerteten Dokumente befindet sich im Bundesarchiv Berlin, im Bundesarchiv Militärarchiv, Freiburg i.Brsg., im Institut für Zeitgeschichte München, im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin, im Staatsarchiv Nürnberg, in den US National Archives, in Washington, DC., sowie in College Park, Md., im Public Record Office in Kew, London, im Staatlichen Russischen Militärarchiv sowie im Zentralarchiv des Russischen Ministeriums für Verteidigung.

19 lichungen des Autors angegeben. Angaben über Personen, Einrichtungen und Vorgänge jüngeren Datums fußen zum Teil auf eigenem Erleben, häufiger aber auf Sekundär- literatur, auf die jeweils gesondert verwiesen wird. Fremdsprachige Zitate sind im folgenden Text in der Regel vom Verfasser übersetzt worden, ohne dass die Übersetzungen autorisiert worden sind. Wenn die Übersetzungen aus anderen Quellen stammen, dann ist dies jeweils in Fußnoten vermerkt. Auslassungen oder Einschübe in Zitate sind durch eckige Klammern gekennzeichnet. Hervorhebungen in Zitaten sind — wenn dies nicht anders erwähnt wird — aus dem Original übernommen. Ein Wort zur Terminologie. Leider gibt es immer noch keine allgemein verbindliche Definition solcher Begriffe wie „biologische Waffe“, „biologisches Kampfmittel“, „biologische Kriegsführung“. Obwohl es sich bei biologischen und Toxin- Waffen um verschiedenartige Kampfmittel handelt, da Toxin-Waffen wegen ihrer Leblosigkeit zu den chemischen Waffen gehören, wird häufig unter „biologischer Kriegs- führung“ auch der Einsatz von Toxin-Kampfmitteln verstan- den, beispielsweise auch in den offiziellen Dokumenten der Bundesregierung. Der Autor folgt hier zögernd dieser Praxis, wenn er der Einfachheit halber und aus Platzgründen von „Biowaffen-Aktivitäten“ spricht, selbst wenn es sich dabei auch um Arbeiten mit Toxin-Kampfmitteln handelt.

Berlin, im Februar 2003

20 DER BIO- UND TOXINWAFFEN-KALENDER

1346 „Schwarzer Tod“ – europaweiter Seuchenzug der Pest, möglicherweise durch biologische Kriegsführung ver- ursacht

1763 Erster dokumentierter Akt biologi- scher Kriegsführung: aufständische Indianer erhalten mit Pockenviren verseuchte Wäschestücke

1876 Robert Koch weist an Hand von Milzbranderregern nach, dass Infektionskrankheiten durch Bakterien verursacht werden können

1899 Die „Haager Landkriegsordnung“ ver- bietet Waffen, die „unnötig Leiden verursachen“

1902 Der deutsche Generalstab untersagt den Einsatz ansteckender Krankheiten als Kampfmittel

1915-17 Der deutsche militärische Nachrichtendienst setzt mit wenig Erfolg Milzbrand- und Rotzerreger zur Auslösung von Tierseuchen ein

1919-40 Weder Reichswehr noch Wehrmacht zei- gen Interesse an biologischer Kriegsführung

1922 Frankreich nimmt Biowaffen- Aktivitäten auf

21 1925 Das „Genfer Protokoll“ verbietet den Einsatz chemischer und biologischer Waffen im Kriege

1926 Die Sowjetunion nimmt Biowaffen- Aktivitäten auf

1930 Stalin läßt Biowaffen-Experten ver- haften

1932 Japan nimmt Biowaffen-Aktivitäten auf

1934 Deutsche Emigranten behaupten, Hitler bereite den Biokrieg vor

1934 Italien nimmt Biowaffen-Aktivitäten auf

1936 Großbritannien nimmt Biowaffen- Aktivitäten auf

1936 Ungarn nimmt Biowaffen-Aktivitäten auf

1936 Stalin läßt Biowaffenexperten erneut verhaften und z.T. umbringen

1938 Kanada nimmt Biowaffen-Aktivitäten auf

1940 Deutsche entdecken eine französische Biowaffen-Einrichtung und nehmen Biowaffen-Aktivitäten auf

1941 Die USA nehmen Biowaffen-Aktivitäten auf

22 1942-44 Japan setzt Biowaffen gegen China ein

1942 Hitler verbietet offensive Biokriegsvorbereitungen

1942-43 Großbritannien produziert Milzbrand- verseuchtes Rindertrockenfutter

1943 Deutsche versuchen Hitlers Verbot zu umgehen und führen Versuche mit Kartoffelkäfern und Maul-und- Klauenseucheviren durch um 1943 US-Geheimdienst verübt Anschlag gegen Hjalmar Schacht mit Toxin

1944 Großbritannien untersucht Möglich- keiten, Hitler und andere mit Anthrax oder anderen Biowaffen umzubringen

1945 Hitler erwägt im Februar Kündigung des Genfer Protokolls

1946-47 Auf dem Nürnberger Ärzteprozeß kommen auch Biowaffen-Angelegenheiten zur Sprache. Im gedruckten Protokoll wer- den sie weggelassen

1947 USA machen Deal mit japanischen „Medizinern ohne Menschlichkeit“

1948 Sowjets stellen japanische BW- Experten in Chabarowsk vor Gericht

1950 DDR-Führung beschuldigt USA fälsch- lich, „Amikäfer“ eingesetzt zu haben

23 1950-53 Die USA werden – vermutlich fälsch- lich – beschuldigt, Biowaffen im Koreakrieg eingesetzt zu haben

1968 Dr. Petras beschuldigt die Bundes- republik der Biokriegsvorbereitung

1972 Die Bio- und Toxinwaffen-Konvention wird vereinbart

1973 Die Gentechnik wird eingeführt und ermöglicht den Ausbau der molekularen Biotechnologien, die zur Schärfung, aber auch Bekämpfung von Bio- und Toxinwaffen genutzt werden können

1975 Die Biowaffenkonvention tritt in Kraft. Bis zum Jahre 2002 treten ihr 146 Staaten bei

1975-91 Der Irak führt Biowaffenaktivitäten durch

1975-92 Die Sowjetunion nimmt verstärkt Biowaffenaktivitäten auf

1979 Eine Milzbrandepidemie in Swerdlowsk gibt erste Hinweise auf sowjetische Verletzungen der Biowaffenkonvention

1984 Mitglieder der Rajneeshee-Sekte verüben in Oregon Bioterror

1986 Schwachstellen der Biowaffen- konvention lösen erste Maßnahmen zu ihrer Stärkung aus

1991-98 Nach Abschluss des Golfkriegs wird das Ausmaß des irakischen Biowaffenprogramms deutlich

24 1992 Präsident Jelzin räumt Existenz des sowjetischen Biowaffenprogramms ein und verkündet dessen Einstellung

1995 Die AUM-Shinrikyo-Sekte verübt einen Giftgasanschlag in Tokio. Zuvor hat- ten sie vergeblich Bioterror versucht

1996 Die Partnerstaaten der Biowaffenkon- vention setzen eine Expertengruppe zur Ausarbeitung eines Zusatz- protokolls ein

1998 Aus dem Irak wegen angloamerikanischer Militäraktionen abgezogene Inspek- toren dürfen nicht wieder einreisen

1998-2002 Der Irak wird beschuldigt, insgeheim wieder Massenvernichtungsmittel zu produzieren und mit Terroristen zu kooperieren

2001 Das nahezu unterschriftsreife Zusatz- protokoll zur Biowaffenkonvention wird von den USA abgelehnt

2001 Die New York Times enthüllt geheime B-Schutz-Aktivitäten der USA

2001 In den USA werden Briefe mit Milzbrand-Sporen an Politiker und Mitarbeiter von Massenmedien versandt

2002 US-Pläne für Präventivschläge gegen den Irak stoßen auf weltweiten Widerstand. Der Sicherheitsrat zwingt den Irak, wieder Waffeninspekteure einreisen zu lassen und ihnen unge- hinderten Zutritt zu ermöglichen

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Eine Rüstungsspirale kommt in Gang

„Ausschütten in Trinkeimer genügt“ 6

m November 1918 brannte es im Keller des IGeneralstabsgebäudes in der Berliner Moltkestrasse 8. Major Hans Marguerre, letzter Chef der Sektion Politik Berlin des Generalstabs war dabei, „unter Hinzuziehung einiger zuverlässiger Offiziere die Akten durch Feuer“ zu vernichten. Das Material war brisant und sollte unter keinen Umständen in die Hände der Revolutionäre oder gar von Deutschlands Kriegsgegnern fallen, denn die Sektion Politik war die Abteilung des militärischen Nachrichtendienstes, die für Biosabotageaktionen und andere „Unternehmungen und Aufwiegelungen gegen unsere Feinde“ verantwortlich zeichnete. Ihr erster Leiter, Hauptmann d.R. Rudolf Nadolny, bezeichnete sich später als „Chef der irregulären Kriegs- führung“7. Dass zur irregulären Kriegsführung auch Biosabotageaktionen gehörten, konnte acht Jahrzehnte lang geleugnet werden — so nachhaltig wirkte die Aktenverbrennung. In einer Geschichte des deutschen Geheimdienstes wird lediglich vermerkt, dieser habe im Ersten Weltkrieg auch Sabotage verübt8, aber Einzelheiten werden verschwiegen. Weder die Beteiligten werden auch nur erwähnt, geschweige denn ihre Aktionen. Und vom Ausland wiederholt erhobene Behauptungen, der deutsche Geheimdienst hätte damals unter anderem auch Bakterien für Sabotageakte eingesetzt, wurden von dessen damaligem Chef Oberst Walter Nicolai mehrfach explizit bestritten.9

27 Sabotageanweisungen und andere geheime Mitteilungen der Sektion Politik wurden während des Ersten Weltkriegs in der Chiffrierabteilung des Auswärtigen Amtes verschlüsselt — wie dieses Telegramm an einen Agenten in Sofia. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PAAA), R 21206, Blatt 97.

28 Die auf die Vertilgung ihrer Spuren erpichten Geheimdienstler hatten aber nicht bedacht, dass an anderer Stelle Duplikate ihrer Akten lagern könnten, und zwar im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes. Über dessen Chiffrierabteilung wurde unter anderem die geheime Kommunikation der Sektion Politik mit ihren Partnern im Ausland abgewickelt. Die Unterlagen dieser Abteilung haben die Wirren zweier Weltkriege überstanden und wurden erst vor einigen Jahren ausgewertet10. Sie belegen, dass der deutsche militärische Geheimdienst entgegen den mehrfach wiederholten Behaup- tungen seines damaligen Chefs Nicolai im Ersten Weltkrieg tatsächlich Biosabotageakte organisiert hat.

Solche Unternehmungen wurden erstmals eingeleitet, als abzusehen war, dass das bis dahin neutrale Rumänien in den Krieg gegen Deutschland eintreten würde. Am 17. Mai 1915 schrieb Nadolny, der Chef der Sektion Politik, an den Militärattaché bei der Kaiserlichen Gesandtschaft in Bukarest, „für den Fall Eingreifens von Rumänien gegen uns ist Vorbereitung von Anschlägen gegen Eisenbahnen, militärische Anlagen, besonders Munitionsfabriken, ferner Verseuchung von Militärpferden u.s.w. erwünscht. Sprengstoffe und Rotzkulturen können von hier gesandt werden. Bitte drahten, was für Anschläge zweckmäßig, ob Vorbereitung dort möglich und ob, wann und wohin Sendung erfolgen soll.“

Rotz: Infektionskrankheit von Pferden und Maultieren, verursacht durch das Bakterium Burkholderia (früher: Pseudomonas) mallei. Rotz ist auf den Menschen übertragbar und zählt auch heute noch zu den wichtigsten biologischen Kampfmitteln. Die Erreger können — bei Verbreitung als Aerosol — eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen werden oder durch Wunden in den Körper eindrin- gen. Die Inkubationszeit beträgt 3 – 5 Tage, die Mortalität 50 – 70%. Streptomycin und andere Antibiotika sind begrenzt wirksam. Ein Impfstoff steht nicht zur Verfügung.

29 In diesem ganz geheimen Telegramm kündigte ein Mitarbeiter der Materialien- Verwaltung der Sektion Politik am 6. September 1915 an, dass ein in Rumänien aktiver Agent durch einen Feldjäger demnächst mit Rotzbakterien versorgt wird. Quelle: PAAA R 21201, Blatt 163.

30 Der deutsche Gesandte in Bukarest antwortete bereits vier Tage nach Erhalt dieser Botschaft, dass man mit der Verseuchung von Pferden sofort beginnen könne: „Nur bitte ich um genaue Anweisung für Verwendung der Rotzkulturen.“ Die bekam er umgehend von einem Mitarbeiter der Sektion Politik: „Sendung von Rotz-Kulturen geht morgen mit Dienstags Feldjäger ab. Da diesmal Aufschwemmung, genügt Ausschütten eines Röhrchens in Trinkeimer“.

Rotzbakterien dienten — unter der Tarnbezeichnung „Pferdemittel“ — auch für vergleichbare Anschläge in Spanien: „Weitere Sendungen Pferdemittel dringend erwünscht“ kabelte der deutsche Botschafter am 16. Oktober 1915 aus Madrid. Das stieß aber auf Transportschwierig- keiten, da, wie Nadolny neun Tage später antwortete, die „Sendung von Pferdemitteln wegen Grenzsperre Schweiz— Frankreich unterbunden“ sei. Aber dann ließ man sich in Berlin eine andere Verpackungsart einfallen und schickte die „Mittel in Seifestückchen verkleidet, und zwar 8 Kartons mit je 3 Stückchen“.

Zum Versand kamen aber nicht nur „Pferdemittel“, sondern auch Milzbrandbakterien zur Infektion von Rindern. Um Verwechslungen zu vermeiden waren die Kartons auf der Rückseite mit den Buchstaben „E“ und „B“ markiert. Mit „E“ für equus, dem lateinischen Wort für „Pferd“, waren die Rotzbakterien bezeichnet. Bei den „B“-Mitteln, benannt nach der lateinischen Bezeichnung bos für „Rind“, handelte es sich um Erreger von Milzbrand.

Der Transport der Milzbrand- und Rotz-Erreger erfolgte mit Kurier oder auch mit U-Booten vom damaligen österreichischen Mittelmeerhafen Pola aus nach Cartagena. Das bereitete aber immer wieder Probleme. Deshalb wurde beschlossen, die Sabotage-Bakterien vor Ort zu vermehren.

31 Milzbrand (Anthrax)11: Durch das Bakterium Bacillus anthracis, bzw. seine Dauerform, die Anthrax-Sporen, verursachte Infektions- krankheit von Rindern, Schafen und Ziegen und anderen Pflanzenfressern, die auf den Menschen übertragbar ist. Wenn man mit infizierten Tieren oder deren Produkten in äußerlichen Kontakt kommt, kann der relativ häufige Hautmilzbrand entstehen. Darmmilzbrand kann die Folge des Verzehrs von rohem oder nicht ausreichend gegartem infiziertem Fleisch sein. Lungenmilzbrand kann nach Einatmen von (mindestens einigen tausend) Anthrax- Sporen entstehen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist in der Regel ausgeschlossen. Die Inkubationszeit beträgt 1 – 5 Tage, die Mortalität von Lungenmilzbrand kann bis zu 90 % betragen, sofern nicht rechtzeitig mit Ciprofloxacin oder anderen Antibiotika behan- delt wird. Einige Impfstoffe stehen zur Verfügung, müssen jedoch mehrfach appliziert werden. Da Milzbrandsporen leicht verbreitet werden können, sehr wider- standsfähig und über viele Jahrzehnte haltbar sind, zählt Bacillus anthracis zu den am meisten gefürchteten biologischen Kampf- und Sabotagemitteln.

Im Mai 1916 kündigte Hauptmann Nadolny an, dass ein „Arnold“ bald in Madrid eintreffen werde. „In Benehmen mit Euer Hochwohlgeboren“ habe dieser den Auftrag: „Herstellung von Mittel E und B“. Das scheint erfolgreich gewesen zu sein, denn schon am 23. Juni meldete der Botschafter nach Berlin: „Kulturen sind geglückt“. „Arnold“, ein auch den gegnerischen Geheimdiensten gut bekannter, von ihnen aber nie gefasster Topagent, reiste anschließend nach Argentinien weiter, um dort ähnliche Anschläge zu organisieren. Auch in anderen Staaten gab es deutsche Biosabotage- Aktionen. In den USA wurden unter Mitwirkung von Kapitän Friedrich Hinsch Rotz-Erreger und Milzbrandbakterien gegen Pferde, Maultiere und Rinder eingesetzt. Im Januar 1917 wurde in Nord-Norwegen ein Baron Otto Karl von Rosen

32 verhaftet, bei dem neben Sprengmaterialien, Giftstoffen und „explosiven Bleistiften“ verdächtige Zuckerstückchen gefunden wurden. Mit ihnen sollten offenbar Rentiere infiziert werden, die den von Großbritannien zur Verfügung gestellten Nachschub an Munition zur russischen Nordfront transportierten. Zwei dieser Zuckerstückchen blieben im Polizeimuseum in Trondheim der Nachwelt erhalten. Dort wurden sie erst im Jahre 1997 zufällig wiederentdeckt. In einem der Zuckerstückchen fand man eine feine Kapillare mit einer bräunlichen Flüssigkeit. In dieser konnten noch lebensfähige Milzbrandsporen nach- gewiesen werden: Sie hatten siebzig Jahre überlebt, obwohl sie nicht in einem Gefrierschrank fachmännisch konserviert, sondern in einem verstaubten Museumsschrank bei Zimmer- temperatur aufbewahrt worden waren. Ob auch Kapitän Hinsch und Baron von Rosen im Auftrag der Sektion Politik des Generalstabs handelten, ist unklar.

Im Polizeimuseum Trondheim 1997 entdeckte Zuckerstückchen, in denen Milzbrandbakterien verpackt waren. Der mutmaßliche deutsche Agent Baron Otto Karl von Rosen führte sie bei seiner Verhaftung im Januar 1917 mit sich. Foto: Prof. P.B. Berdal, Institut für Mikrobiologie der Norwegischen Armee, Oslo.

33 Möglicherweise standen sie im Dienst des Admiralstabs, der einen eigenen Nachrichtendienst unterhielt und ebenfalls Agenten mit Sabotageaktionen im Ausland beauftragte. Gelegentlich wurde und wird behauptet, entsprechende Aktionen seien auch in weiteren Ländern, beispielsweise in Polen,12 durchgeführt worden. Dokumentarische Belege für diese Angaben werden in der Regel nicht angegeben.Auch in den deutschen Archiven finden sich dafür keine Beweise. Allerdings stand hinter den Aktionen nicht nur der militärische Geheimdienst, sie geschahen auch mit Wissen und Billigung der höchsten deutschen Diplomaten: Zahlreiche der im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes aufbewahrten Dokumente der Geheimdienstabteilung tragen das Kürzel von Arthur Zimmermann, dem zunächst stellvertretenden, dann amtierenden Außenminister (der damals als Staatssekretär bezeichnet wurde). Und auch die Leiter der entsprechenden diplomatischen Vertretungen im Ausland waren nicht nur im Bilde, sondern aktiv Beteiligte. Wie aber der Karriere-Diplomat Nadolny auf die verruchte Idee kam, Krankheitserreger als Sabotagemittel einzusetzen, ist nicht bekannt, zumal er diese Aktionen in seinen Memo- iren unterschlägt. Vielleicht war es sein eigener Einfall — immerhin stammt er aus einer Gutsbesitzerfamilie und Pferde waren die „große Leidenschaft“ des „echten Landjungen“13. Sicher wusste deshalb Nadolny auch über Rotz und Milzbrand und ihre Folgen Bescheid. Denkbar wäre aber auch, dass ihm ein befreundeter Bakteriologe oder Tierarzt den Tipp gab, aber das ist reine Spekulation. Woher die Sektion Politik die Bakterienkulturen bezog, ist ebenfalls nicht mehr zu ermitteln. Indizien sprechen dafür, dass das bakteriologische Laboratorium der Militär-Veterinärakademie in Berlin die Quelle war. Aus den in den Akten der Chiffrierabteilung aufgefundenen Dokumenten geht nicht eindeutig hervor, in welchem Umfang und mit welchem Erfolg die Bakterien in Argentinien, Rumänien und Spanien eingesetzt wurden. Sowohl aus

34 Madrid als auch aus Bukarest erfolgten zwar Anforderungen für weitere Lieferungen, aber daraus kann man nicht schließen, ob die zuvor übersandten Bakterien verwendet wurden oder aber nicht einsatzfähig waren. „Erfolgsmeldungen“ liegen jedenfalls den Akten nicht bei.

Allerdings gab es entsprechende Berichte in der ausländischen Presse. So berichtete zum Beispiel die „Daily Mail“ am 16. März 1918, „Agenten des deutschen Geheimdienstes haben heimlich Rotz, eine Krankheit, die Menschen befällt aber besonders für Pferde, Maultiere und Rindvieh tödlich ist, in Argentinien eingeschleppt. Die Alliierten entdeckten kürzlich, dass aus diesem Land eingeführte Maultiere daran erkrankt waren. Da Rotz in Argentinien unbekannt ist, wurde eine sorgfältige Untersuchung eingeleitet. Nunmehr kann zwingend bewiesen werden, dass die Krankheit künstlich durch Inokulation erzeugt worden war“. In anderen Presse- meldungen hieß es, „Rotz-Erreger seien in Rumänien und Amerika mit gutem Erfolg verwendet worden. Z.B. mussten alle Pferde eines Transports, der von Amerika nach England ging, über Bord geworfen werden, weil die Tiere an Rotz erkrankt waren“. Der Wahrheitsgehalt solcher Meldungen lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Vermutlich waren die Aktionen aber schon deshalb nicht sehr erfolgreich, weil aus technischen und logistischen Gründen keine größeren Mengen von Milzbrand- und Rotz-Erregern eingesetzt und jeweils nur einzelne Tiere über das Trinkwasser oder durch Fütterung infiziert werden konnten. Hinzu kam, dass sich die deutschen Aktionen nicht lange geheim halten ließen, da einige der beteiligten Agenten im Ausland verhaftet wurden und im Verhör Ziel und Zweck ihrer Aufträge enthüllten. Deshalb wurden die Unternehmungen offenbar bereits 1916/17 im Wesentlichen wieder eingestellt; jedenfalls finden sich in den Akten der Chiffrierabteilung keine Unterlagen mehr über nach Mitte 1916 organisierte Biosabotageakte.

35 Nicht gegen Menschen ... Interessanterweise präzisierte Nadolny in einer seiner ersten Anweisungen für die Biosabotage-Aktionen am 6. Juni 1915, die Krankheitserreger sollten nicht gegen Menschen einge- setzt werden: „Anwendung von Seuchenmitteln gegen Menschen nicht erwünscht, nur gegen Pferde und Vieh für Armee“. Die Anordnung entsprach den Richtlinien, die der Große Generalstab 1902 für den „Kriegsbrauch im Land- kriege“ erlassen hatte. Darin heißt es, im Kriege sei zwar die Anwendung „alle[r] Mittel, welche die moderne Technik erfunden“, gestattet. Trotzdem seien aber „gewisse, unnötig Leiden herbeiführende Kampfmittel von jeglicher Anwendung auszuschließen“. Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang „der Gebrauch von Gift dem einzelnen Feinde sowohl als auch den Massen gegenüber (Vergiftung von Brunnen und Lebensmitteln, […] Verbreitung von anste- ckenden Krankheiten etc.)“ abgelehnt.

Danach wurde im Ersten Weltkrieg auch verfahren, wenn gelegentlich der Einsatz von Krankheitserregern gegen die Kriegsgegner empfohlen wurde. Der Vorschlag eines Stabsarztes, Pestbakterien durch Luftschiffe über London und den britischen Seehäfen zu verbreiten, wurde beispielsweise zwar zunächst so ernst genommen, dass er dem Chef des Generalstabs, General Erich Ludendorff übermittelt wurde. Ludendorff erbat daraufhin „eine Äußerung über seine prak- tische Ausführbarkeit und die von unseren Gegnern mög- lichen Gegenmaßnahmen“ vom Chef des Feldsanitätswesens. Aber der lehnte die Idee ab, und zwar sowohl aus humani- tären Gründen, als auch aus wissenschaftlich-technischen. Die Oberste Heeresleitung folgte dieser Empfehlung, zumal es Hinweise darauf gibt, dass sich Kaiser Wilhelm II. höchst- persönlich gegen den Einsatz von Zeppelinen für bakteriolo- gische Angriffe auf England ausgesprochen hatte. Ähnliche Vorschläge wurden mit der Begründung verworfen, Biowaffeneinsätze seien völkerrechtswidrig. Außerdem

36 In diesem geheimen Telegramm wies der Leiter der Sektion Politik am 6. Juni 1915 an, dass die als Sabotagemittel eingesetzten Bakterien nicht gegen Menschen eingesetzt werden sollten. Quelle: PAAA R 21200, Blatt 108.

37 wurde argumentiert, dass bakteriologische Kampfmittel „für die eigenen Truppen eine außerordentliche Gefahr bedeuten würden“. Professor Friedrich Konrich vom Reichsgesund- heitsamt erinnerte sich, während des Ersten Weltkrieges sei „die Verwendung von Krankheitserregern zu Kampfzwecken völlig abgelehnt worden“, und zwar sowohl aus moralischen Erwägungen heraus, als auch deshalb, weil „diese Waffen viel zu langsam und unsicher wirken“ und „die eigenen Reihen kaum weniger gefährden [würden] als die des Feindes“. Damit waren bereits im Ersten Weltkrieg Bewertungen erfolgt, die biologische Waffen als unmoralisch sowie als mili- tärisch höchst fragwürdig einstuften.

38 Das „dreckige Dutzend“

edenfalls war es der deutsche Geheimdienst, der JMilzbrand-Erreger als Kampfmittel einführte und damit eine höchst gefährliche Rüstungsspirale in Gang setzte. Milzbrandbakterien stehen noch heute ganz oben auf der Liste der potentiellen biologischen Kampf- und Terrormittel und gehören zum sogenannten „dreckigen Dutzend“ der am meisten gefürchteten biologischen Kampfmittel. Dabei handelt es sich aber um mehr als ein Dutzend Erreger und Toxine, denn das durch starke innere und äußere Blutungen charak- terisierte „hämorrhagische Fieber“ wird nicht nur durch Ebola-Viren hervorgerufen, sondern durch mehr als zehn andere Erreger.

Ein herausragendes Charakteristikum aller biologischen und Toxin-Kampfmittel ist, dass es sich dabei um keine eigens für militärische (oder terroristische) Zwecke entwickelte Waffensysteme handelt, sondern um missbrauchte natürliche Feinde von Mensch und/oder Tier bzw. Pflanze bzw. von Lebewesen gebildete Giftstoffe. Es sind zweifach bedrohliche Agenzien, „dual-threat agents“ (DTAs) — eine Tatsache, die einerseits die Kontrolle biologischer und Toxin-Waffen außerordentlich erschwert, andererseits den großen Vorteil DAS „DRECKIGE DUTZEND“ Von den am meisten gefürchteten Bio- und Toxinkampfmitteln hervorgerufene Erkrankungen

•BAKTERIEN •VIREN •TOXINE •Bruzellose •Enzephalitis •Botulismus •Milzbrand (z.B. Venezola- •Rizin-Vergiftung •Hasenpest nische Pferde- •Vergiftung durch (Tularämie) Enzephalitis) Staphylokokken- •Pest •hämorrhagische Enterotoxin B •Q-Fieber Fieber (z.B. Ebola) •Rotz •Pocken

39 bietet, Schutzvorkehrungen gegen Biowaffen auch im zivilen Gesundheitsschutz ergreifen zu können, und noch dazu verhältnismäßig preiswert: Unsummen von Geldern, die beispielsweise für den Aufbau eines Raketenabwehrsystems ausgegeben werden, sind in den Sand gebaut, sobald die Systeme veralten und verschrottet werden müssen. Das geht aber nicht zum Nulltarif, sondern ist mitunter noch teurer. Antibiotika, Chemotherapeutika, Diagnostika und Impfstoffe dagegen, die zum Schutz gegen biologische und Toxin-Waffen entwickelt und produziert werden, könnten auch zum Schutz der Bevölkerung vor natürlichen Epidemien zur Verfügung gestellt werden.

Alle biologischen und Toxin-Kampfmittel sind dual-threat-Agenzien, sie sind zwiefach bedrohlich — sowohl als natürliche Krankheits- erreger und Schädlinge, als auch als Waffen. Ihre Bearbeitung erfolgt in dual-use-Aktivitäten und mit dual-use- Einrichtungen und -Kenntnissen. Sie kann sowohl friedlich (zur Wissensvermehrung, zum Schutz vor Krankheiten oder Schädlingen oder auch vor Kampfmitteln) als auch für offensive militärische oder terroristische Zwecke erfolgen.

Der „schwarze Tod“ Zum „dreckigen Dutzend“ gehören auch die Erreger von Pest und Pocken. Erstere sollen schon im Mittelalter, 1346, als Biowaffen gegen Kaffa eingesetzt worden sein14. Die 1266 von Genua auf der Krim gegründete Hafenstadt, das heutige Feodossija, war damals der Hauptumschlagsplatz zwischen den Handelswegen des Mittelmeeres, der Schifffahrtswege von Don und Wolga sowie der Karawanenstraßen des Fernen Ostens. Drei Jahre lang war sie vergeblich von den Mongolen belagert worden. Während dieser Zeit brach unter den Belagerern die Pest aus, die vermutlich von Händlern und Soldaten aus Asien in die Schwarzmeerregion eingeschleppt

40 worden war. Der Anführer der Mongolen, Khan Janibeg, soll dann befohlen haben, die Pestleichen über die Befestigungs- anlagen von Kaffa zu katapultieren. Daraufhin sei in der Stadt die Pest ausgebrochen. Die der Pest noch nicht zum Opfer gefallenen Einwohner sollen daraufhin zu Schiff über Konstantinopel in die italienische Heimat geflohen sein, mit den Erregern an Bord. Weniger als ein Prozent der Flüchtlinge überlebten die Fahrt und brachten die Pest in die italienischen Hafenstädte. So beschreibt es jedenfalls Gabriel de Mussi, ein Notar aus dem italienischen Piacenza, in seinem „Bericht über die Krankheit oder Seuche, die im Jahre des Herrn 1348 auftrat“.

De Mussi war allerdings bei den Ereignissen in Kaffa nicht dabei und stützte sich bestenfalls auf Aussagen von Augen- zeugen, die aus der angegriffenen Stadt fliehen konnten. Da es keine weitere, unabhängige Quelle gibt, die vom angeb- lichen Biowaffen-Einsatz durch die Mongolen berichtet, ist dieser Bericht mit Zurückhaltung zu bewerten. Sicher ist, dass der große Seuchenzug des Schwarzen Todes, der etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung hinwegraffte, damals, 1347/48, von Konstantinopel und Italien seinen Ausgang nahm. Sicher ist außerdem, dass es damals schon Steinschleudern gab, die mächtig genug waren, menschliche Körper über einige Entfernung zu katapultieren. Ganz abgesehen davon, dass offen bleiben muss, was in Kaffa geschah und welche Folgen dieses hatte, sollte hier aber noch angemerkt werden, dass neuerdings verschiedene Autoren bezweifelt haben, dass der Schwarze Tod tatsächlich durch Yersinia pestis verursacht worden war. Statt dessen wird vermutet, dass der Seuchenzug durch ein hämorrhagisches Fieber-Virus bewirkt worden sein könnte16. Das ist jedoch reine Spekulation.

Aber selbst wenn keine Pestleichen über die Mauern von Kaffa katapultiert worden sein sollten: Lebewesen sind

41 Pest5 ist eine durch das Bakterium Yersinia pestis hervorgerufene, häu- fig tödlich verlaufende Infektionskrankheit verschiedener Verlaufs- formen. Normalerweise am häufigsten ist die Beulenpest (Bubonen- pest), die meist durch einen Flohstich verursacht wird und die durch schmerzhafte blaurote Schwellungen der nächsten Lymphknoten charakterisiert ist. In vielen Fällen, vor allem wenn nicht sofort eine Antibiotika-Therapie einsetzt, verbreiten sich die Pestbakterien anschließend über den ganzen Körper und lösen eine Bakteriämie aus, die auch zur Lungenpest führen kann. Lungenpest wird auch ver- ursacht durch Tröpfcheninfektionen sowie wenn Yersinia pestis als Aerosol in militärischen oder terroristischen Aktionen verbreitet wird. Zur Prophylaxe stehen Impfstoffe zur Verfügung, die aber wohl noch nicht ausreichend gegen Aerosolinfektionen schützen. Pest-Erreger wurden von Japan vor und während des Zweiten Weltkrieges intensiv auf ihre Eignung als Kampfmittel untersucht, vor allem auch in Menschenexperimenten, und wurden mehrfach gegen China eingesetzt. Während des Kalten Krieges wurde sowohl in der Sowjetunion als auch in den USA an der Entwicklung von Y.pestis als auf dem Aerosolweg verbreitetes Kampfmittel gearbeitet.

offenbar schon seit Menschengedenken als Kampfmittel verwendet worden. So berichtet Herodian, dass sich die Verteidiger der mesopotamischen Stadt Hatra 201 n. Chr. erfolgreich dadurch gegen die römischen Legionäre zur Wehr setzten, indem sie Gefäße mit Ungeziefer, Spinnen und giftigen Tieren von den Befestigungsmauern herab schütteten. Das Getier sei dann überall zwischen den Angreifern herum- gekrochen und hätte sie derart belästigt, daß Kaiser Septimius Severus die Belagerung der Stadt aufhob und den Rückzug befahl.

Das makabre Gastgeschenk17 Am 24. Juni 1763 erschienen zwei Indianer, Schildkröten- Herz und Mamaltee, bei dem in der Nähe des heutigen Pittsburgh, Pennsylvania, gelegenen britischen Fort Pitt.

42 Die beiden waren Häuptlinge der Delawaren, die sich mit anderen Indianer-Stämmen gegen die britischen Invasions- truppen und die in ihrem Gefolge eingerückten Siedler verbündet hatten. Den Indianern war es schon gelungen, acht britische Forts zu erobern und deren Besatzungen zu töten oder gefangen zu nehmen. Die Häuptlinge verlangten nach Alexander McKee, dem amtierenden Vertreter der britischen Krone für Indianer- Angelegenheiten und nach dem Kommandanten des Forts, Hauptmann Ecuyer, und informierten beide darüber, dass die am Aufstand beteiligten Indianer-Stämme vereinbart hätten, die eingeschlossenen Soldaten und Siedler nicht anzugreifen, wenn diese unverzüglich abziehen würden. Der Kommandant bedankte sich für dieses Angebot und überreichte den Häuptlingen Gastgeschenke: zwei Decken und zwei Taschen- tücher. Es waren aber höchst makabre Präsente. Im völlig überfüllten Fort Pitt waren nämlich die Pocken ausgebrochen, sodass auf dem Gelände ein Pocken-Hospital als Behandlungs- und Isolierstation eingerichtet werden musste. Und aus dem stammten die Gastgeschenke.

Dass den beiden Indianern Wäschestücke gerade aus einem Pocken-Hospital übereignet wurden, war kein Zufall und nicht unachtsam. Hauptmann Ecuyer notierte im Hauptbuch des Forts, zwei Decken, ein seidenes Taschentuch und eines aus Leinen, seien aus dem Hospital entnommen worden, „um die Pocken auf die Indianer zu übertragen“. Und ein Händler, der das Fort mit Waren aller Art versorgte, verzeichnete den Vorgang in seinem Tagebuch — nicht ohne hinzuzufügen: „Ich hoffe, es wird den gewünschten Effekt haben.“

Auch der britische Oberbefehlshaber, Sir Jeffrey Amherst, war auf die Idee gekommen, die Indianer auf diese Weise zu bekämpfen. Sir Jeffrey schrieb Anfang Juli 1763 an einen Hauptmann, der mit Verstärkungen auf dem Weg nach Fort Pitt war, man sollte erwägen, unter den aufständischen

43 Als Pocken18 bezeichnet man eine von dem Virus Variola major hervorgerufene, höchst ansteckende, entstellende und schmerzhafte Infektionskrankheit, die üblicherweise durch Tröpfcheninfektionen übertragen wird. Nach dem Einatmen einiger weniger Viren bilden sich innerhalb weniger Tage aus einem Hautausschlag zahlreiche Bläschen, die dann in Pusteln, die Pocken, übergehen. Blutungen in den und um die Pusteln führen zu den „schwarzen Pocken“. Unter Fiebersteigerung erfolgt dann eine Vereiterung der Pusteln. Die Letalität betrug vor Einführung der Pocken-Schutzimpfungen 30% und mehr. Eine Therapie ist noch nicht möglich; ein unmittelbarer Einsatz des Impfstoffs nach Exposition mit den Erregern kann dem Auftreten der Symptome noch weitgehend vorbeugen, vor allem wenn noch eine Restimmunität besteht. Durch eine globale Impfaktion konnten die Pocken ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts weltweit ausgerottet werden. Deshalb, und weil die Impfung gelegentlich nicht ohne Nebenwirkungen ver- lief, wird seit Beginn der 1980er Jahre auf Empfehlung der WHO nicht mehr gegen Pocken geimpft. Seitdem steigt das Risiko, dass ein militärischer oder terroristischer Einsatz von Pockenviren gegen die zunehmend un- oder nicht ausreichend geschützte Bevölkerung kata- strophale Bedeutung haben könnte. In der Sowjetunion sollen in den 1980er Jahren Pockenviren als Kampfmittel entwickelt und produ- ziert worden sein. Offiziell werden diese Erreger heute nur noch in zwei Einrichtungen gelagert; schwer nachprüfbaren Behauptungen zufolge soll es aber auch noch andernorts Pockenviren geben.

Indianer-Stämmen die Pocken zu verbreiten. Denn: „Wir müssen in dieser Situation jede uns zur Verfügung stehende Strategie nutzen, um sie zu unterwerfen.“ Der Offizier antwortete umgehend, er werde versuchen, die Indianer mit einigen Decken zu infizieren, und er werde aufpassen, dass er sich nicht selbst anstecke. Amherst bestätigte drei Tage später: „Es ist richtig, wenn Sie versuchen, die Indianer mit Hilfe von Decken zu infizieren und auch jede andere Methode

44 anwenden, um diese abscheuliche Rasse auszurotten.“ Die Pocken grassierten in den folgenden zwei Jahrhunderten unter den Indianern. Mehr als die Hälfte von ihnen erlag der hochansteckenden Krankheit. Allein der Stamm der Mandan schmolz von 15.000 im Jahre 1738 auf 138 Angehörige im Jahre 1837 zusammen19.Welche Rolle dabei die Aktion von Fort Pitt spielte, lässt sich heute nicht mehr ermitteln, zumal es in den folgenden Jahrzehnten offenbar weitere ähnliche Vorfälle gab und Krankheitserreger auch bei friedlichen Kontakten zwischen Europäern und Indianern unbeabsichtigt übertragen wurden. In unserem Zusammenhang ist aber entscheidend, dass es sich bei dem Vorfall in Fort Pitt um den ersten dokumentarisch belegten und in Einklang mit der Strategie der britischen Invasionstruppen stehenden Akt des mutwilligen Einsatzes von Krankheitserregern als Kampf- mittel handelte — um den ersten, eindeutig nachgewiesenen Fall biologischer Kriegsführung.

45 Frankreich startet die biologische Rüstungsspirale20

ie deutschen Biosabotageeinsätze im Ersten DWeltkrieg blieben Deutschlands Kriegsgegnern und Nachbarstaaten nicht verborgen. Beispielsweise erinnerte Professor André Trillat, Direktor des chemischen Forschungs- institutes der französischen Marine, 1922 in einem Memorandum „Über die Verwendung bakteriologischer Kampfmittel im Kriege“ daran, dass „die Deutschen als erste die Idee hatten, Kulturen von Mikroorganismen zur Verbreitung von Rotz und Milzbrand in Feindesland“ einzusetzen. Trillat erwähnte in diesem Zusammenhang auch, dass 1917 ein deutscher Agent verhaftet worden war, der französische Kavallerie-Pferde mit Rotz infizieren wollte. Daher vermute er, dass Deutschland auch in Zukunft die Methoden zur bakteriologischen Kriegsführung perfektionieren würde. Diese Annahme war nicht zuletzt auch deshalb nahe- liegend, weil Deutschland zu dieser Zeit immer noch führend auf dem Gebiet der Bakteriologie war und über eine hoch entwickelte chemisch-pharmazeutische Industrie verfügte. Deshalb reagierte Frankreich als erstes Land auf die deutschen Biosabotageaktionen. Im Juni 1922 beschloss die französische Regierung die Einrichtung eines Komitees, das sich mit Fragen der biologischen Kriegsführung beschäftigen sollte. André Trillat, der seit Jahren im Rahmen des zivilen Gesundheits- schutzes die Übertragung von Krankheitserregern auf dem Luftweg untersuchte, wurde um Unterstützung gebeten, da sich die Ergebnisse seiner Forschungen nun als von größter militärischer Bedeutung erwiesen. In seinem bereits erwähnten Memorandum legte Trillat dar, dass die Erreger von Pest, Cholera, Grippe, Typhus, Ruhr, Rotz, Bruzellose sowie Maul- und Klauenseuche für den militärischen Einsatz in Frage kämen. Auf Grund seiner eigenen Arbeiten hielt er deren Verbreitung auf dem Luftweg in Form von „Wolken ähnlich natürlichen Wolken“ — d.h. als Aerosol — für besonders

46 aussichtsreich. Jedenfalls seien bakteriologische Waffen preiswert und „ideale Kampfmittel für einen in die Enge getriebenen skrupellosen Gegner“. Seine Experimente mit Versuchstieren ließen jedoch noch keine abschließende Bewertung der Einsatzfähigkeit solcher Waffen zu. Vielmehr sei ein ambitioniertes Forschungsprogramm zu solchen Fragen notwendig. Trillat gab gleichzeitig zu bedenken, dass solche Kampfmittel wegen ihrer Unkontrollierbarkeit als Gefechtsfeldwaffen ungeeignet seien. Sie könnten aber wirksam gegen die Zivilbevölkerung, städtische Zentren, Truppenansammlungen, Kasernen, Bahnhöfe oder Industrie- standorte eingesetzt werden.

Aerosol: Kolloides System, bei dem feste Stoffe oder Flüssigkeiten der Teilchengröße 0,1 bis 20 µm in Luft oder einem anderen gasför- migen Dispersionsmittel fein verteilt sind. Seit den 1920er Jahren ist bekannt, dass zahlreiche Pathogene und Toxine als Aerosol verbrei- tet werden können („Tröpfcheninfektion“). Heute wird die Verbreitung durch Aerosole als wirksamste Methode zur Ausbringung der meisten Bio- und Toxinwaffen angesehen. Damit solche Kampfmittel, die als Aerosol verbreitet werden sollen, nicht zu schnell sedimentieren, sondern sich genügend lange in der Luft halten, um eingeatmet werden zu können, und damit sie nicht in der Nase und den oberen Atemwegen zurückgehalten werden, son- dern schließlich die Lungenalveolen erreichen, muss sich ihre Größe zwischen 1 und 5 µm bewegen.

Aufgrund des Trillat-Berichts beschloss das Kriegsminis- terium am 5. Dezember 1922 die Gründung der „Kommission für Bakteriologie“. In dem Gremium waren führende französische Experten vertreten, darunter der Direktor des Pasteur-Instituts, Professor Emile Roux, und sein Stellvertreter, Albert Calmette. Trillat gehörte der Kommission nicht an, erhielt aber Finanzmittel, um die Eignung von Sprengstoff

47 zur großflächigen Verbreitung von Bakterien untersuchen zu können. Auch über die Finanzierung anderer Einrichtungen und Forschungsgruppen hatte die Kommission zu entscheiden. Zu den beteiligten militärischen Institutionen gehörten neben Trillats Institut das bakteriologische Labor der Kommission für Chemische Studien und Experimente, das Militärveterinär-Forschungslaboratorium in Paris und Abteilungen der Nationalen Sprengstoff-Fabrik Bouchet. Zivile, von der Kommission unterstützte Kooperationspartner waren das Pasteur-Institut, das Museum für Naturgeschichte sowie das Nationale Zentrum für angewandte Forschung. Schon auf der ersten Sitzung der Kommission wurde nicht nur über militärtechnische Fragen, sondern auch über die Ziele der vorgesehenen Biowaffenaktivitäten gesprochen. „Französische Wissenschaftler bereiten keinen Angriff vor“, meinte beispielsweise Emile Roux, „sondern untersuchen Methoden der Selbstverteidigung“. Unter „Selbstverteidigung“ verstand man jedoch auch die Vorbereitung darauf, bakterio- logische Angriffe mit biologischen Gegenschlägen beantworten zu können. In diesem Zusammenhang wies Roux auf ein ganz entscheidendes Problem hin, das die biologische Rüstungs- kontrolle noch heute sehr erschwert: Bei Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit „dual-threat“-Agenzien kann man offensive Aktivitäten kaum von defensiv motivierten unterscheiden. Zunächst wurde intensiv gearbeitet, am aktivsten von Trillats Gruppe. Dazu gehörte in erster Linie die Entwicklung geeigneter Granaten und Bomben sowie deren Erprobung mit Versuchstieren im Felde. Beispielsweise erfolgte eine ganze Testserie mit Bomben und Granaten, die mit Bakterien gefüllt waren, auf dem Flugplatz Le Bourget in der Nähe von Paris. Dabei wurde die Wirkung von Aerosolen untersucht, die entweder Modellbakterien (Serratia marcescens) oder aber die Erreger von Paratyphus beziehungsweise Cholera enthielten. Als Versuchstiere dienten in der Nähe der Explosionsorte gehaltene Mäuse.

48 Serratia marcescens, früher Bacillus prodigiosus bzw. Micrococcus prodigiosus genannt, ist ein Bakterium, das seit Jahrzehnten weltweit als normalerweise apathogener Modellkeim für Biowaffen- experimente verwendet wird, speziell für Ausbringungsversuche. Die meisten Stämme von S. marcescens produzieren den Farbstoff Prodigiosin und bilden deshalb rote, Blutstropfen ähnelnde Kolonien. Dadurch wurde das Phänomen der „blutenden Hostien“ verursacht, das im Mittelalter ein Anlass für Judenverfolgungen war.

Im Herbst 1926 wurden die französischen Forschungs- aktivitäten in Sachen biologische Kampfmittel aber wieder stark reduziert, weil inzwischen ein internationales Verbot chemischer und biologischer Kriegsführung vereinbart und außerdem Deutschland dem Völkerbund beigetreten war. So betrieb Frankreich seine Arbeiten zur biologischen Aufrüs- tung nur auf kleiner Flamme weiter, bis die Rüstungsspirale Mitte der dreißiger Jahre wieder auf Touren kam, weil sich Berichte über intensive deutsche Biowaffenaktivitäten zu erhärten schienen.

49 Die Reichswehr verzichtet auf Biowaffen21

1925 übermittelte der deutsche militärische Nachrichten- dienst den zuständigen Stellen der Reichswehr eine Meldung aus der polnischen Zeitung „Rezesspospolita“ vom 9. Januar, wonach in Moskau wegen der Erfindung eines Wissenschaftlers große Freude herrsche. „Dieser Gelehrte stellte nämlich eine Bombe mit Bakterien her, die jetzt durchaus in der Roten Armee aufgenommen werden soll und die die Bolschewisten für die erfolgreichste und am meisten tödlich wirkende Waffe halten, deren man sich jemals im Kriege bedient hat. Die Bomben haben die Form von Minen, die von Flugzeugen abgeworfen werden, und die Versuche mit ihnen in Petersburg fielen zur gänzlichen Zufriedenheit aus.“ Dass es sich dabei wahrscheinlich um eine Falschmeldung handelte — da es zu dieser Zeit noch kein sowjetisches Biowaffenprogramm gab — wussten die deutschen Militärs nicht. Trotzdem zeigten sie sich davon nicht beeindruckt, denn sie hatten entgegen der Befürchtungen ihrer ehemaligen Kriegsgegner für mehr als zwei Jahrzehnte weitestgehend das Interesse am Einsatz von biologischen und Toxin-Kampfmitteln verloren.

Das lag unter anderem daran, dass die Biosabotageaktionen des Ersten Weltkrieges augenscheinlich nicht sehr erfolgreich gewesen sind. Zudem waren führende deutsche Militärs bereits im Ersten Weltkrieg zu der Einschätzung gekommen, Biowaffen seien militärisch wenig zuverlässig, ja, man könne sich mit ihnen sogar ins eigene Fleisch schneiden. Beispielsweise urteilte die Sanitätsinspektion der Reichswehr im Jahre 1932: „Gefahr eines bakt. Krieges besteht nicht, weil die Waffe praktisch wirkungslos und im höchsten Grade zweischneidig ist.“ Und der einflussreiche Oberstabsveterinär Professor C. Eduard Richters schrieb 1934 in einer Monographie über „Die Tiere im chemischen Kriege“, die wenigen deutschen Bearbeiter hielten die Bakterienwaffe für eine Utopie, während „im französischen und italienischen

50 Schrifttum die Frage ausführlich und durchaus ernst behandelt“ werde. Tatsächlich hielt man im Ausland biologische Kriegsführung nicht nur für möglich, sondern für militärisch aussichtsreich. Winston Churchill sah 1925 „methodisch vorbereitete und vorsätzlich auf Mensch und Tier losgelassene Seuchen voraus“ und erwähnte dabei „Mehltau, um die Ernte zu vernichten; Milzbrand, um Pferde und das Vieh zu töten; Pest, um nicht nur Armeen, sondern auch ganze Landstriche zu verseuchen.“ Und Jacow Fischman, Direktor des sowjetischen Biowaffenprogramms, berichtete drei Jahre später, seine Ver- suche insbesondere mit Milzbrandbakterien hätten zu dem Ergebnis geführt, „dass der Einsatz von Bakterien eine aus- sichtsreiche Option im Krieg ist“.

Eine weiter zu verfolgende Frage? Die Führung der Reichswehr begann jedenfalls 1923 damit, Fragen der biologischen Kriegsführung wenigstens zu thema- tisieren. Bei einer Beratung in der Heeresleitung am 9. November ging es um „die Hauptprobleme des Gaskampfes“. Daran war die Reichswehr so interessiert, dass sie keine Bedenken hatte, bei der Entwicklung und Erprobung chemischer Kampfmittel einschließlich ihrer Erprobung im Gelände mit der Roten Armee eng zu kooperieren, bis ihr das nach Hitlers Machtergreifung untersagt wurde. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem auch „die Verseuchung des feindlichen Heimatlandes durch Bakterienabwurf aus Flugzeugen“ angesprochen, die Weiterverfolgung dieser Frage aber von der Haltung der obersten Führung abhängig gemacht. Noch im November 1923 entschied dazu der Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt: „Diese Frage ist weiter zu verfolgen. Macht der Feind von diesem Mittel Gebrauch, so müssen wir im Stande sein, es auch unsererseits anzuwenden.“

Einen Monat später veröffentlichte Konteradmiral L. Glatzel in der Militärischen Wochenbeilage der „Deutschen Zeitung“

51 einen Aufsatz über den „Bazillenkrieg“. In diesem vielbeachteten Artikel — der im Ausland als Zeichen für ein ungebremstes deutsches Interesse an solchen Fragen gedeutet wurde — meinte Glatzel, dass bakteriologische Kriegsführung künftig durchaus eine Rolle spielen werde. Allerdings könne der Bakterienkrieg seiner Natur nach nie „eine Hilfswaffe des ‚Großen Krieges’, wie die Luft- und Gaskriegsmittel“ werden. „Im eigentlichen Kriegsgebiet angewandt, würde er Freund wie Feind gleichermaßen bedrohen; er wäre also nur in friedlichen Gebietsteilen, die als Schauplatz des ‚Großen Krieges’ nicht in Betracht kommen, möglich.“ Abgesehen davon würde ein Bazillenkrieg wohl nie zwischen den Kulturstaaten geführt. Aber, und hier berührte Glatzel ein inzwischen leider ganz aktuelles Problem, es gäbe verschiedene Anzeichen dafür, dass das Führen von Kriegen nicht mehr Privileg der Regierungen sei, sondern „dass vielmehr zu der Form des — rein innerstaatlichen — Rebellenkrieges auch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Staaten und nichtstaatlichen Organisationen“ hinzutreten werden. In solchen Kämpfen könnten auch völkerrechtlich unerlaubte Mittel eine oft ausschlaggebende Rolle spielen. Als Zukunfts-Kampfform solcher Art sei deshalb auch der „Bazillenkrieg“ denkbar und aussichtsreich wie auch entsprechende Agententätigkeiten im Feindesland. Major Auer, der Chef der für chemische Kriegsführung zuständigen Inspektion der Artillerie, schrieb dem Stabschef der Sanitätsinspektion daraufhin, dass die in Glatzels Artikel und auch im Ausland des öfteren angeschnittene Frage der biologischen Kriegsführung die Aufmerksamkeit vom Standpunkt der Abwehr beanspruche. Dabei erwähnte Auer ein Problem, das immer noch höchst aktuell ist und die biologische Rüstungskontrolle außerordentlich erschwert: „Die Behandlung der Abwehrmöglichkeiten setzt allerdings auch die Kenntnis und Erforschung der Wege voraus, die ein vom Bazillenkrieg aktiv Gebrauch machender Feind mit

52 Bereits am 24. Januar 1924 wies Major Auer darauf hin, dass der Schutz vor biologischen Waffen Kenntnisse über deren Wirkung voraussetzt. Quelle: Bundesarchiv Militärarchiv, Freiburg i.Brg. (BAMA) RH12- 9/v.27.

53 Erfolg einschlagen kann und wird.“ Auer fragte deshalb den Stabschef, ob diese Fragen von der Sanitätsinspektion verfolgt werden und welche Ergebnisse dabei bisher erzielt worden sind.

Eine nicht sehr wichtig genommene Konferenz Damit wurde die Sanitätsinspektion in Überlegungen zur biologischen Kriegsführung einbezogen. Dies dürfte ein auslösendes Moment dafür gewesen sein, auf einer Sitzung des Wissenschaftlichen Senats für das Heeressanitätswesen „die Verwendung von Krankheitskeimen als Kampfmittel im Kriege“ diskutieren zu lassen.Wie wenig wichtig dieses Thema genommen wurde, zeigt sich daran, dass die höchst geheime Beratung nur an einem Abend stattfand, am 19. Februar 1925 um „7 Uhr abends“. Zur Diskussion standen eine zweiseitige „Denkschrift“ der Sanitätsinspektion sowie zwei sehr ausführliche Stellung- nahmen des Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Richard Otto, Vorstand der bakteriologischen Abteilung des Berliner Robert Koch-Instituts, und des Generalarztes Prof. Dr. Riemer. Aufgabe der Gutachter war es, „zu gehäuften Erkrankungen führende Seuchen nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens darauf zu prüfen, ob mit ihnen in einer Bevölkerung (Unterfrage Armee) Massenerkrankungen auslösbar sind, in welchem Umfange und für welche Zeitdauer.“ Ausdrücklich wurde in diesem Zusammenhang in der Denkschrift zwar hervorgehoben, dass ethische und rechtliche Gründe gegen solche Überlegungen stehen. Diese stünden jedoch „nicht zur Erörterung. Eine rein sachliche Beurteilung des Gedankens mit allem Für und Wider erscheint im heutigen Zeitpunkt auch auf deutscher Seite geboten“. Mit anderen Worten: die 25 Jahre zuvor vom Generalstab für den „Kriegsbrauch im Landkrieg“ ausgegebene Weisung, die „Verbreitung von ansteckenden Krankheiten“ führe „unnötig Leiden herbei“ und sei deshalb „von jeglicher Anwendung

54 anzuschließen“, spielte offensichtlich keine Rolle mehr. Dementsprechend erstellten die beiden Experten rein sachliche, wissenschaftlich-technische Gutachten, in denen beide zwar auf die Grenzen der biologischen Kriegsführung hinwiesen, aber „Seuchenangriffe“ als unter bestimmten Bedingungen durchaus erfolgversprechend charakterisierten. Trotzdem sahen sich die Verantwortlichen der Reichswehr nicht dazu veranlasst, zusätzlich zur Entwicklung und Erprobung chemischer Waffen Vorbereitungen zur biologi- schen Kriegsführung aufzunehmen. Von Seeckts Entscheidung, eine biologische Vergeltungskapazität vorzusehen, hatte also keinerlei praktische Konsequenzen. Ausländische Geheimdienste bekamen von alldem nichts mit. Weder nahmen sie Notiz von der Beratung des Wissenschaftlichen Senats für das Sanitätswesen — deren Verlauf ihre Befürchtungen vor deutschen Biowaffeninteressen ja durchaus hätte sehr bestärken können — noch registrierten sie das von der Konferenz unberührte ausgeprägte deutsche Desinteresse an der praktischen Verfolgung solcher Fragen.

55 Biologische Kriegsführung wird verboten22

m 15. März 1923 erhielt der Breslauer Bakteriologie- AProfessor Richard Pfeiffer ungewöhnliche Post. Nicht um die 1892 von ihm entdeckten „Influenza-Bazillen“ ging es diesmal (die sich später nicht als die eigentlichen Grippe-Erreger, wohl aber als Verstärker der Influenza- Symptomatik erwiesen), sondern um eher politische Dinge: Beim Völkerbund hatte man Anfang der 1920er Jahre damit begonnen, sich mit der Kontrolle chemischer und biologischer Kriegsführung zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang wurden Pfeiffer und sieben andere Wissenschaftler aus verschiedenen Staaten um Gutachten über die möglichen Auswirkungen des Einsatzes bakteriologischer Kampfmittel gebeten. Pfeiffer meinte, eine Verwendung von Krankheitserregern als Kriegsmittel sei zwar im Stande, „unter bestimmten, zum Glück recht beschränkten Bedingungen erhebliche Verheerungen im feindlichen Lande anzurichten“. Dies sei aber „als eine grobe Verletzung des Völkerrechtes zu brandmarken“ und „ein Verbrechen an der Menschlichkeit und an allem menschlichen Empfinden“. Die Gutachten der Wissenschaftler trugen maßgeblich dazu bei, dass zwei Jahre später ein internationales Verbot chemi- scher und biologischer Kriegsführung vereinbart werden konnte. Nachdem schon an einem der ersten Tage der Waffenhandelskonferenz, die der Völkerbund im Frühsommer 1925 in Genf veranstaltete, der Delegierte der USA, Senator Theodore H. Burton, ein Exportverbot chemischer Kampfmittel angeregt hatte, schlug der polnische Delegierte, General Casimir Sosnkowski vor, ein solches Verbot auch auf bakteriologische Kampfmittel auszudehnen. Das fand breite Zustimmung und führte schließlich sogar zu einem Anwen- dungsverbot solcher Waffen, dem „Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege“.

56 Deutschland signierte den Vertrag sofort und ratifizierte ihn am 21. März 1929, und zwar ohne jede Einschränkung.

Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, gifti- gen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege * (Auszug) „In der Erwägung, dass die Verwendung von erstickenden, giftigen oder gleichartigen Gasen sowie allen ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffen oder Verfahrensarten im Kriege mit Recht in der allgemeinen Meinung der zivilisierten Welt verurteilt worden ist [...] erklären die unterzeichneten Bevollmächtigen im Namen ihrer Regierungen: Die Hohen Vertragschließenden Parteien erkennen, soweit sie nicht schon Verträge geschlossen haben, die diese Verwendung untersagen, dieses Verbot an. Sie sind damit einverstanden, dass dieses Verbot auch auf die bakteriologischen Kriegsmittel ausgedehnt wird, und kommen überein, sich untereinander an die Bestimmungen dieser Erklärung gebunden zu betrachten. [...]“

Der auch als „Genfer Protokoll“ bezeichnete Vertrag, dem bis zum Ende des Jahres 2002 133 Staaten beitraten, enthält allerdings eine Reihe mehr oder weniger gravierender Schwachstellen. Erstens verbietet er nur die Verwendung bakteriologischer und chemischer Kampfmittel im Krieg, nicht aber deren Entwicklung, Herstellung, Weitergabe und Lagerung. Die geheimen deutschen Arbeiten zur chemischen Kriegsführung, die bis 1933 in Kooperation mit der Roten Armee betrieben wurden, verstießen demzufolge ebenso wenig wie die französischen Biowaffenaktivitäten gegen den Geist des Protokolls, geschweige denn gegen seinen Wortlaut. Zweitens gilt der Vertrag nur für seine Partner und verbietet diesen nicht, biologische oder chemische Kampfmittel gegen solche Länder einzusetzen, die dem Abkommen nicht

* Amtliche deutsche Übersetzung

57 beigetreten sind. Auch deshalb haben die Vertragsstaaten formal das Recht, Vorbereitungen zum Einsatz solcher Waffen zu treffen. Drittens wurde der Vertrag von Frankreich, Großbritannien, der Sowjetunion, den USA und etwa 30 weiteren Staaten nur mit Einschränkung ratifiziert. Frankreich zum Beispiel erklärte anlässlich der Ratifikation, „dass dieses Protokoll für die Regierung der Französischen Republik ohne weiteres gegenüber jedem feindlichen Staat nicht mehr verbindlich ist, dessen Streitkräfte oder Verbündete die im Protokoll vorge- sehenen Verbote nicht beachten sollten“. Dadurch wurde der Vertrag von einem generellen Anwendungsverbot zu einem Verbot der Erstanwendung solcher Waffen entwertet. Heute sind solche Einschränkungen eigentlich völkerrechts- widrig, weil es inzwischen zwei weiterführende Abkommen gibt, die auch Entwicklung, Beschaffung und Lagerung biologischer und chemischer Waffen verbieten. Deshalb wurden die Einschränkungen in den letzten Jahren von einer ganzen Reihe von Staaten aufgehoben, u.a. von Australien, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Russland, bisher jedoch nicht von China, Irak, Israel, den USA und mehr als zehn anderen Ländern.23 Viertens verbietet das Abkommen nur den kriegerischen Einsatz bakteriologischer Mittel — Viren werden formal durch das Verbot nicht erfasst. Auch pathogene Pilze und Schad- insekten würden formal nicht unter das Anwendungsverbot als Kampfmittel fallen, obwohl es beispielsweise in Frankreich und Großbritannien schon im Ersten Weltkrieg Überlegungen gegeben hatte, beispielsweise Kartoffelkäfer gegen Deutschland einzusetzen. Natürlich gebietet der Geist des Genfer Protokolls ein Verbot des Einsatzes belebter Wesen aller Art als Kampfmittel. Da sich Diplomaten und Völkerrechtler aber davor scheuen, einen einmal abgeschlossenen internationalen Vertrag im Nachhinein wieder zu verändern, behilft man sich heute in offiziellen Dokumenten damit, dass man von „bakterio-

58 logischen (biologischen) Agenzien“, Mitteln oder Waffen spricht. Wenigstens diese Schwachstelle ist also beseitigt. Fünftens enthält das Protokoll weder Kontrollbestimmungen noch Festlegungen für den Fall von Vertragsverletzungen. Der Einsatz chemischer Kampfmittel durch Italien 1935 gegen Äthiopien löste zwar Aktionen des Völkerbunds und die Verhängung von Embargos durch eine Reihe von Staaten aus, die aber halbherzig blieben und keinen Einfluss auf die italienischen Militäroperationen hatten. Und auch die Anwendung solcher Waffen durch den Irak gegen den Iran im ersten Golfkrieg (1980-1988) hatte zwar formale Proteste zur Folge, aber keinerlei Bestrafung.

Der gravierende Mangel des Genfer Protokolls besteht aber darin, dass es Aktivitäten zur Vorbereitung biologischer oder chemischer Kriegsführung völlig ausklammert und deshalb keinerlei hemmenden Einfluß auf die biologische Rüstungs- spirale hatte. Schon in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wurde deshalb versucht, das Genfer Protokoll zu stärken bzw. zu erweitern. Deutschland, das 1926 dem Völkerbund beige- treten war, beteiligte sich intensiv an den Abrüstungskonfe- renzen, in deren Rahmen die entsprechenden Verhandlungen geführt wurden. So betonten die deutschen Unterhändler im April 1929 zum wiederholten Male „die Bereitschaft der Reichsregierung, in der Frage des Verbots von chemischen und bakteriologischen Kampfmitteln so weit als nur möglich zu gehen.Vor allem sollte in dem entsprechenden Abkommen nicht nur die Anwendung sondern auch die Vorbereitung solcher Kampfmittel formell untersagt werden.“ Vorrangiges Ziel der Reichsregierung war es dabei, auf allen Gebieten der Rüstung ein gewisses Gleichgewicht zu erreichen und den internationalen Stand auf das niedrige Niveau herabzusenken, das Deutschland durch den Vertrag auf Versailles auferlegt war. Leiter der deutschen Delegation bei der Abrüstungskon- ferenz war ab 1932 übrigens Rudolf Nadolny, der sich knapp zwei Jahrzehnte zuvor das traurige Verdienst erworben hatte,

59 mit den von ihm organisierten Sabotageaktionen den modernen Biokrieg eingeführt zu haben. Die Verhandlungen mündeten schließlich am 16. März 1933 in einem von Großbritannien vorgelegten Entwurf für eine Abrüstungskonvention, dem nach dem britischen Premier- minister benannten „MacDonald-Plan“. Der ging weit über das Anliegen des Genfer Protokolls hinaus. Er untersagte explizit „die Vorbereitung der chemischen, bakteriologischen und Brandkriegsführung.“ Doch es kam nur zu einer ersten Lesung des MacDonald- Plans.Adolf Hitler hatte am 30. Januar 1933 die Macht an sich gerissen, Deutschland und auch Japan verließen noch im selben Jahr den Völkerbund, und die biologische Rüstungs- spirale bekam wieder mehr Schwung — zumal das Genfer Protokoll auf Japan nicht rüstungsbegrenzend, sondern geradezu rüstungsfördernd wirkte.

Auf Japan hat das Verbot eine gegenteilige Wirkung Japan hatte das Genfer Protokoll zwar signiert, trat dem Vertrag aber vorerst nicht bei (sondern erst 1970). Im Gegenteil: Ausgerechnet dieser Vertrag war ein Auslöser für ein intensives Biowaffenprogramm Japans. Nachdem der Sanitätsoffizier und spätere Generalleutnant Shiro Ishii einen Artikel über das Genfer Protokoll gelesen hatte, meinte er nämlich zu seinen Vorgesetzten: Wenn eine derartige Form der Kriegsführung auf eine Verbotsliste gesetzt werde, dann sollte sich Japan gerade solche Kampfmittel zugänglich machen, um in künftigen Kriegen den Gegnern überlegen sein zu können. Außerdem seien Biowaffen viel billiger und benötigten einen geringeren Materialaufwand als konventio- nelle Kampfmittel. „Wenn wir biologische Waffen entwickeln“, versprach Ishii 1930 der militärischen Führung, „sparen wir nicht nur Geld und Rohstoffe, sondern schaffen auch ein unschätzbares Tötungspotential.“24 Ishii fand mit seinen Vorschlägen Gehör, zumal die japanische Führung Angst vor chinesischen und sowjetischen Biowaffen-

60 angriffen bzw. Biosabotageakten hatte und behauptete, sowohl Chinesen als auch Sowjets hätten in der japanisch besetzten Mandschurei (ihrem 1932 errichteten Marionetten- staat Mandschukuo) Cholera-, Milzbrand- und Ruhrerreger verbreitet.25 In der Folge konnte Ishii sowohl in Tokio als auch in Mandschukuo Forschungs- und Produktionsstätten gewaltigen Ausmaßes für Biowaffen errichten.

61 Fulminanter Start in der Sowjetunion26

UCH DIE SOWJETUNION trat 1928 dem Genfer Protokoll Abei. Das hinderte die russischen Militärs nicht daran, sich weiterhin mit der Entwicklung chemischer Kampfstoffe zu beschäftigen, was sie seit 1921 in geheimer Kooperation mit der Reichswehr betrieben. Das Protokoll verbietet ja nur den Einsatz solcher Waffen, nicht aber die Vorbereitung der chemischen Kriegsführung. Außerdem hatte die Sowjetunion den Vertrag nur unter dem gleichen Vorbehalt ratifiziert wie Frankreich und andere Staaten. Trotzdem ist es schon bemer- kenswert, dass am 15. August 1925 — wenige Wochen nach der Vereinbarung des Protokolls — eine spezielle Dienststelle für Fragen der chemischen und biologischen Kriegsführung gegründet wurde, das „Militärchemische Amt“. Zum Leiter dieses Amtes wurde Jacow Moiseevich Fischman berufen, der bereits die Kooperation mit den Deutschen auf dem Gebiet der chemischen Kriegsführung koordinierte. Ohne dass die deutschen Experten davon etwas ahnten, wurde Fischman auch zum Vater des sowjetischen Biowaffen- programms. Das beachtliche Ausmaß dieses Programms geht aus einem Bericht hervor, den er im Februar 1928 Kliment Woroschilow erstattete, dem Volkskommissar für Verteidigung und Vorsitzenden des Revolutionären Militärrates. Eingangs informierte er, dass man sich im bakteriologischen Labor des Militärchemischen Amts unter Leitung des Mikrobiologen A.N. Ginsburg auf Arbeiten mit Milzbrandbakterien und Clostridium botulinum — dem Produzenten des hochgiftigen Botulinum-Toxins — konzentriert habe. Des weiteren seien die Erreger von Cholera, Pest, Rotz, Tetanus, Tularämie und Typhus untersucht worden, auch mittels Tierversuchen. Bei Milzbrandbakterien sei es vor allem um die Erhöhung von Virulenz und Stabilität gegangen.

Insgesamt hätten die Untersuchungen ergeben, dass „gute Chancen bestehen, Milzbrand im Kriege einzusetzen, da

62 Botulinum-Toxine27 (Botuline) sind von dem Bakterium Clostridium botulinum gebildete, höchst wirksame Nervengifte, die als giftigste be- kannte Substanzen gelten. Immunologisch können sieben verschiedene Typen (Botulin A-G) unterschieden werden, die aber alle identisch wir- ken. Ein einziges Gramm könnte mehr als eine Million Menschen töten (wofür allerdings die praktischen Voraussetzungen fehlen). Das Toxin ist ein Enzym, das solche Proteine spaltet, die den Neurotransmitter Azetylcholin freisetzen. Das führt unter anderem zum Versagen der Atemmuskulatur. Unter natürlichen Bedingungen verursacht Botulin Lebensmittelbotulismus. Dies ist die klassische Lebensmittelvergiftung, verursacht durch vergiftete Konserven. Botulismus kann durch Schutz- impfung mit einem Antitoxin (Toxoid) verhindert werden, das aus ent- giftetem Botulin hergestellt wird. Das Antitoxin kann auch zur Therapie eingesetzt werden, sofern dies unmittelbar nach der Intoxination erfolgt. Botulin ist nicht nur ein dual-threat-, sondern auch ein dual-use-Agens: Wegen seiner neurotoxischen Wirkung kann dieses Toxin erfolgreich zur Behebung spastischer Muskelstörungen eingesetzt werden. Botulin wurde bereits in den 1930er Jahren von Japanern als Kampf- mittel entwickelt und getestet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Botulin mindestens im Irak, in der Sowjetunion und in den USA als Kampfmittel produziert und munitioniert, wobei in erster Linie die Ver- breitung des Toxins durch Aerosole vorgesehen wurde.Auf diese Weise kann überaus wirksam Inhalationsbotulismus verursacht werden.

seine Sporen sehr lebensfähig sind und die Erkrankung üblicherweise tödlich verläuft“. Botulinum-Toxin sei hingegen „für Sabotage-Zwecke“ geeignet. Fischman kritisierte aber, dass Untersuchungen über die Verbreitung biologischer Kampfmittel kaum möglich seien, da die notwendige Aus- rüstung fehle. Außerdem müssten für solche Zwecke endlich Testgelände zur Verfügung gestellt werden. Im zweiten Teil seines Berichtes erörterte Fischman Möglich- keiten zum Einsatz von Krankheitserregern als Kampfmittel: Gegen die gegnerischen Frontlinien könnten etwa mit

63 Milzbrand-Erregern munitionierte Artilleriegranaten oder Bomben eingesetzt werden. Zum Abwurf über dem feindlichen Hinterland eigneten sich mit Pestbakterien beladene Bomben. Anschließend unterbreitete Fischman Vorschläge zur Organisation der Biowaffenaktivitäten. Drei verschiedene Einrichtungen sollten dafür zuständig sein: Für offensive Vor- bereitungen das Militärchemische Amt; für Prophylaxe und Desinfektion das bakteriologische Labor des Instituts für chemischen Schutz sowie das Volkskommissariat für Gesund- heitswesen. Zum Schutz vor Angriffen mit Biowaffen sollten Gasmasken und Schutzbekleidung bereitgestellt und Metho- den zur Dekontamination und Immunisierung ausgearbeitet werden. Abschließend schlug Fischman vor, mit dem Gesundheits- ministerium zu vereinbaren, dass dessen bakteriologische Institute in das Programm einbezogen werden. Immerhin gehörten zum Verantwortungsbereich dieses Volkskommis- sariats 35 Institute, die sich mit den verschiedensten Aspekten der medizinischen Mikrobiologie beschäftigten. Außerdem empfahl er „verlässliche, qualifizierte Parteimit- glieder“ in ein Expertengremium zur Leitung und Koordi- nation der weiteren Biowaffenaktivitäten zu berufen. Das war allerdings eine kontraproduktive Idee, die zu deutlichen Abstrichen der Kompetenz dieses Koordinierungsrates führ- te: Von den führenden sowjetischen Bakteriologen beteiligte sich zunächst nur ein einziger, Professor Semen I. Slatogorow, an den Biowaffenaktivitäten. Der aber starb 1931. Fischmans bemerkenswertes Engagement für das sowjetische Biowaffenprogramm blieb dem deutschen Nachrichtendienst, der „Abwehr“, offenbar völlig verborgen. Sein Name wird in diesem Zusammenhang in keinem der im Militärarchiv des Bundesarchivs aufbewahrten einschlägigen deutschen Dokumente genannt, die sich mit ausländischen Biowaffen- aktivitäten beschäftigen. Das ist erstaunlich, denn Fischman war in verantwortlicher Position in die deutsch-sowjetische Militärkooperation während der zwanziger Jahre einbezogen

64 und war den deutschen Experten als Spezialist für chemische Waffen gut, sogar persönlich bekannt. Die Unkenntnis von Fischmans Biowaffenaktivitäten ist ein weiterer Beleg für die Ineffizienz der Geheimdienste auf diesem Gebiet. Überaus überraschend ist, dass der seit einigen Jahren immer wieder zitierte Kronzeuge für das sowjetische Biowaffen- programm, dessen 1992 in die USA übergelaufener ehemaliger Vizedirektor Ken Alibek in seinem Bericht über das Programm und dessen Geschichte Fischmans Namen nicht ein einziges Mal erwähnt.28 Das gleiche gilt für die frühen sowjetischen Milzbrandexperimente. Auch die Namen von Ginsberg und Slatogorow sucht man bei Alibek vergeblich. Wenn er diese Experten und Aktivitäten in seiner Geschichte des sowjetischen Biowaffenprogramms auslässt:Wie verläßlich sind dann seine anderen Angaben? Auch für das sowjetische Programm waren falsche Geheim- dienst-Informationen über angebliche ausländische Biowaffen- aktivitäten wesentliche Triebkräfte. 1930 wurde Kliment Woroschilow darüber informiert, dass Deutschland angeblich intensive Untersuchungen zur Vorbereitung des Bakterien- kriegs durchführe. In dem Bericht hieß es unter anderem, die Deutschen hätten eine automatische Vorrichtung zur Freisetzung von Ratten im gegnerischen Hinterland aus unbemannten Ballons entwickelt und damit in Feldversuchen gute Ergebnisse erzielt. Der Apparat sei als „grüne Flasche“ bezeichnet worden. Eine Mannschaft von 23 Mitarbeitern könne innerhalb von vier Stunden 35 Ballons ausrüsten. Ein weiteres Mittel zum Einsatz von Bakterien seien Granaten. Das Hauptproblem dabei wäre, die Bakterien in der Granate genügend lange lebensfähig zu erhalten. Das Problem sei dadurch gelöst worden, dass eine besondere Substanz zugefügt wurde. Mit diesen Granaten seien dann sogar Feldversuche zur Verbreitung von Milzbrandsporen und Rotzerregern durchgeführt worden. Dieser — wie wir heute wissen völlig aus der Luft gegriffene — Bericht alarmierte die sowjetische Führung. Zur gleichen

65 Zeit wurde sie aber auch durch — vermutlich ebenso falsche — Erkenntnisse des Inlandgeheimdienstes über angebliche Sabotageaktionen von inneren Feinden des Sowjetsystems aufgeschreckt. Wie aus einem von der „Abwehr“ nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion aufgefundenen Rundschreiben des Volkskommissars für Staatssicherheit, Wsewolod Merkulow hervorgeht, das dieser 1941 unter ande- rem an die Volkskommissare der Staatssicherheit der einzel- nen Sowjetrepubliken gerichtet hatte, habe der Geheimdienst 1930 „eine Spionage- und Kampforganisation der Mikrobiolo- gen und Bakteriologen ausgehoben, welche auf dem Territorium der UdSSR ihr Unwesen trieb. Diese Organisation wurde vom deutschen Nachrichtendienst geschaffen, und zwar mit Hilfe von Dr. Zeiss.“ Weiter behauptete Merkulow: „Die mit Zeiss in Verbindung stehende konterrevolutionäre Organisation hat ihre Kampf- gruppen in mehreren bakteriologischen und epidemio- logischen Instituten des Landes gegründet. Die Teilnehmer dieser Organisation hatten Pläne eines bakteriologischen Krieges [im Inneren der Sowjetunion] für die Kriegsdauer ausgearbeitet, und zwar Infektion von Trinkwasserquellen und Nahrungsmitteln, Verbreitung von Typhus-, Cholera- und Paratyphusbakterien sowie die Anlage von Pestherden. Nach den Plänen der Kampforganisationen sollten während des Krieges gleichzeitig in mehreren Städten Pestausbrüche stattfinden. [...] In dieser Angelegenheit wurden 48 aktive Teilnehmer der Organisation verurteilt; der Nachrichtenagent Zeiss ist aus der UdSSR nach Deutschland ausgewiesen worden.“ * Der Epidemiologe Professor Heinrich Zeiss hatte nach dem Ersten Weltkrieg mehr als zehn Jahre lang in Moskau gearbeitet, um vor allem Vorkommen und Bekämpfung der Pest in Russland zu untersuchen. Dabei stand er naturgemäß

* Übersetzt von der deutschen Abwehr

66 auch in Kontakt mit den Mikrobiologen, die mehr oder weniger direkt ins sowjetische Biowaffenprogramm involviert waren. Vermutlich wusste er aber von diesen Aktivitäten seiner Kollegen nichts.Aus den einschlägigen deutschen Unterlagen ergeben sich keinerlei Hinweise für eine Agententätigkeit von Zeiss. Auch kann geschlossen werden, dass der Wissenschaftler nach seiner 1931 erfolgten Ausweisung aus der Sowjetunion gegenüber den zuständigen deutschen Dienststellen keine Angaben über sowjetische Biowaffen- aktivitäten gemacht hat. Trotzdem wurde Zeiss am 14. September 1945 von den Sowjets in Deutschland verhaftet und u.a. wegen Spionage und Mitgliedschaft in einer antisow- jetischen Organisation zu 25 Jahren Haft verurteilt.29 Zeiss starb am 31. März 1949 im „Spezial-Gefängnis No. 2“ des NKWD in Wladimir bei Moskau. Ob Fischman auch Opfer dieser ersten Verfolgungswelle wurde, ist umstritten. Jedenfalls führte die Säuberungsaktion dazu, dass die Umsetzung des sowjetischen Biowaffenpro- gramms zunächst einen schweren Rückschlag erlitt. Aber der Gang der Rüstungsspirale wurde dadurch nicht verlangsamt...

67

Falschmeldungen beschleunigen die Rüstungsspirale

Beunruhigende Behauptungen von Emigranten 30

eichswehrgeneral bestätigt Bazillen-Krieg“ — Rmit dieser Schlagzeile auf der Titelseite erregte am 7. Juli 1934 die in Prag herausgegebene Emigrantenzeitschrift „die Wahrheit“ Aufsehen. Hier publizierte Dr. Helmut Klotz in 28 Folgen Auszüge aus einem vermeintlichen Tagebuch eines Reichswehrgenerals. Klotz, ein ehemaliges aktives Mitglied der NSDAP, hatte sich Anfang der dreißiger Jahre von den Nationalsozialisten abgewandt und war 1933 nach Paris emigriert.31 In dem Tagebuch, von dem etwa zeitgleich Übersetzungen in London und New York erschienen, soll der General am 10. Januar 1933 eingetragen haben: „Herr Hitler schickt an Hindenburg eine Denkschrift, in der er sich mit der Anlage und den Chancen eines ‘Bazillen-Krieges’ gegen Frankreich und Polen auseinandersetzt. [...] Er kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland, wenn es die Feinde im eigenen Lande geschlagen hat, zu diesem Mittel greifen muss, um die ‘äußere Freiheit’ zu [erkämpfen]. Die technische Vervollkommnung der bakteriologischen Waffen sei erreicht, und es bestehe kein Zweifel, dass Deutschland einen absoluten Sieg nach beiden Seiten innerhalb kürzester Frist erringen wird, wenn es überraschend und ohne Kriegserklärung angreift, und seine Waffen ‘bis zur letzten Konsequenz’ ausnutzt“. Der General schließt diese Tagebucheintragung mit der Bemer- kung: „Aber wir hatten uns diese Möglichkeiten auch schon

69 überlegt und sind zu ähnlichen Resultaten gekommen. Und zwar zu einer Zeit, als Hitler sich noch darauf beschränkte, seine kriegerischen Komplexe in Volksversammlungen abzu- reagieren.“ Außerdem habe der General in seinem Tagebuch notiert, bei der IG-Farben-Industrie gäbe es eine Abteilung für bakterio- logische Kriegsführung, und Heinrich Himmler, der damals Polizeipräsident in München war, habe in einem Memorandum einen Apparat zum Versprühen von Bakterien beschrieben. Der General muß ein ausgeprägter Phantast gewesen sein. Weder für den angeblichen Brief Hitlers an Reichspräsident Hindenburg in Sachen Biowaffen noch für die angeblich von Himmler konstruierte Apparatur zur Verbreitung biologischer Kampfmittel sind irgendwelche Hinweise bekannt, geschwei- ge denn Belege. Bei den IG-Farben gab es keine Abteilung für biologische Kriegsführung. Auch die Bemerkung, die Reichs- wehr habe sich bereits selbst Gewissheit hinsichtlich der Über- legenheit biologischer Kampfmittel verschafft, muss der General sich aus den Fingern gesogen haben, denn die Reichs- wehr war ja an solchen Waffen überhaupt nicht interessiert. Tatsächlich ist der Text,sorgfältigen Recherchen des früheren Archivars des Instituts für Zeitgeschichte München, Thilo Vogelsang, zufolge, jedoch „eine geschickte Kompilation Klotz’ von Gerüchten der Zeit, realen Informationen und eigenen Stellungnahmen. Er ist also konstruiert und rührt in keiner Weise von einem General der Reichswehr her“. Gleichwohl geisterte die „Himmler-Bombe“ zehn Jahre später immer noch durch einen amerikanischen Geheim- dienstbericht über die Biowaffenaktivitäten der Achsenmächte. Sehr ernst wurde sie allerdings nicht genommen: die „Milzbrand-beladene Himmler-Bombe“ fand nur im Abschnitt „Gerüchte und Informationen aus weniger zuverlässigen Quellen“ des Berichtes Erwähnung... Parallel zu dem gefälschten Tagebuch veröffentlichte Klotz 1934 in London ein Buch über die allgemeine deutsche Aufrüstung, „’s Secret Armaments“. Ein Kapitel

70 war angeblichen „Vorbereitungen für den chemischen und bakteriologischen Krieg“ gewidmet. Klotz schreckte die Weltöffentlichkeit mit Behauptungen wie: „Und wenn der Krieg von morgen eine unsichtbare Armee von Millionen von Erregern der Schweinepest, der Maul- und Klauenseuche und von Rotz über dem Gegner niedergehen lässt, werden die [deutschen] Angreifer vor allem darauf bedacht gewesen sein, die eigenen Viehbestände zu schützen und sie durch Schutzimpfung immun zu machen. Das gleiche gilt für die Verbreitung von Getreiderost, dessen Erreger jetzt (in einer Dauerform) in großem Maße kultiviert werden und die die feindlichen Kornfelder in kürzester Zeit vernichten werden, während die Wissenschaft gleichzeitig die Mittel bereithält, die eigenen Felder mit völliger Sicherheit zu schützen“. Außerdem meinte Klotz, „schließlich sollte man die Kultivierung von Cholera-, Fleckfieber-, Ruhr-, Geschwür-, Milzbrand- und Tetanus-Kulturen — um nur die wichtigsten davon zu nennen — im Großmaßstab erwähnen. Wenn die geheimen Archive der zuständigen Abteilung des ,wissen- schaftlichen’ Koch-Instituts in überschaubarer Zeit geöffnet werden sollten, wird die Welt entsetzt erfahren, welche schrecklichen Waffen Deutschland im kommenden Krieg gegen die Menschheit und gegen die Natur einzusetzen beabsichtigt. Die Absicht zu deren Einsatz, sage ich, durch die braunen Machthaber bedeutet, dass der Krieg ein Krieg der Zerstörung und Ausrottung wird“.

Heute würde man Klotz vermutlich als einen Whistleblower bezeichnen, also als eine Person, die zum Nutzen der Gemeinschaft und nicht zum eigenen Vorteil andere frühzeitig und deutlich auf einen Mißstand, drohende Gefahren oder Rechtsverletzungen aufmerksam macht.32 Tatsächlich verdient Klotz diesen Ehrentitel nicht. Seine Behauptungen über angebliche deutsche Biowaffenaktivitäten waren völlig aus der Luft gegriffen. Aber sie lösten im Ausland zusätzliche Besorgnis aus.

71 Entzückte deutsche Agenten in der Pariser Metro? Ende Juni 1934 veröffentlichte der sehr angesehene und einflussreiche britische Publizist Wickham Steed, vormaliger Herausgeber der Londoner „Times“, in der Zeitschrift „The Nineteenth Century and After“ einen längeren Artikel über „Luftkrieg: Geheime deutsche Pläne“. Steed behauptete, Abschriften einiger Dokumente erhalten zu haben, die angeblich aus zwei geheimen Abteilungen des Reichswehr- ministeriums stammten. Die eine trüge die Bezeichnung „’L.G.A’ — eine Abkürzung für ‘Luft-Gas-Angriff’“. Die andere werde „‘L.G.V.’ genannt — das heißt: ‘Luft-Gas- Verteidigung’“. Eines der Dokumente beziehe sich auf eine von L.G.A. und L.G.V. gewünschte Untersuchung der Bedingungen des Versprühens von Flüssigkeiten, die Chemikalien oder Bakterien enthalten. Es sei einleuchtend, dass diese Fragen mit Hinsicht auf einen wirksam konzentrierten bakteriologi- schen oder chemischen Luftangriff geklärt werden müssen. Wenn Serratia marcescens-Bakterien „genügend konzentriert, aus verschiedenen Höhen und unter wechselnden Wind- und Wetter-Verhältnissen usw. aus einem Flugzeug hinunter- geregnet werden könnten, und wenn man sie [...] auf der Erdoberfläche mittels Kulturplatten auffangen könnte, so könnte man mit einem Schlage aero-dynamisch und meteorologisch nicht nur bakteriologisches, sondern auch chemisches Zerstäuben erforschen“.* Derartige Versuche seien, so Steed weiter, von Hitler höchst persönlich gefördert worden. Ein anderes Dokument beschäftige sich mit den „im Falle eines feindlichen Angriffs besonderen und für uns entschieden vorteilhafteren Luftströmungsverhältnissen bei den Berliner und Hamburger Untergrundbahnen. [...] Genau so wichtig,

* Sämtliche Zitate aus Steeds Veröffentlichung stammen aus der vom Reichsmini- sterium für Volksaufklärung und Propaganda angefertigten und am 9. 7. 1934 dem Reichswehrministerium übermittelten Übersetzung.

72 nein, viel wichtiger würde es sein, die Luftströmungs- verhältnisse bei der Pariser Metro und den verschiedenen Londoner Untergrundbahn-Systemen“ zu untersuchen. Dazu lägen bisher nur von Geheimagenten übermittelte, aber unzureichende Angaben vor. Immerhin sei bereits aus diesen ersichtlich, „dass der L.G.A.-Plan zur Infizierung großer Städte wie Paris oder London durch die Verteilung getrenn- ter Lager von Gelbkreuz (Senfgas) oder Bazillen in den Untergrundbahnsystemen dieser Städte in der Hauptsache durchführbar sein sollte.“

Tatsächlich ginge aus den Dokumenten hervor, dass Agenten von L.G.A. unter anderem in verschiedenen Stationen der Pariser Metro Bakterien versprüht hätten. Der Erfolg dieser Aktionen sei dann sechs Stunden später an Hand zuvor aufgestellter nährbodenhaltigen Kulturschalen ausgewertet worden. „Das Besprühen selbst fand am 18. August 1933 um 2.47 Uhr nachmittags statt.“ Erstaunliche Ergebnisse sollen dabei erzielt worden sein: Über einen Versuch an der Station Porte de Versailles heißt es: „Sehr gutes Resultat!!! 6738 Kolonien erhalten.“ Erfolgreicher war die siebente Messung mit der Station ‚Pasteur’ als Koordinationspunkt: „95.778 Kolonien wurden gezählt!!! [...] Noch besser waren die Resultate des Versuchs No. 8 in der Station ‚Deputierten- kammer’, 500 m vom Obelisken auf dem Place de la Concorde entfernt. Die Eintragung lautet: [...] Vier Serien Platten von je drei Stück. [...] es wuchsen 1.124.781 Kolonien...“ Wer schon einmal Bakterienkolonien gezählt hat, kann angesichts dieser Angaben nur staunen: Normalerweise ist es kaum möglich, mehr als tausend eindeutig auseinander- zuhalten. Aber die im Auftrag von der L.G.A. arbeitenden Geheimagenten wollen in kürzester Zeit gleich Hundert- tausende, ja Millionen Bakterienkolonien gezählt haben, und zwar gleich an Ort und Stelle — ohne von irgend jemanden bemerkt zu werden! Abschließend meinte Steed, aus den Tatsachen, die diese

73 Die ersten beiden Seiten der vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda besorgten Übersetzung des Artikels von Wickham Steed Quelle: BAMA RW 5 /v.345

74 75 deutschen Dokumente aufdecken, dürfe mit Berechtigung gefolgert werden, „dass die Luft-Gas-Angriff-Abteilung des deutschen Reichswehrministeriums seit 1931 Versuche und Messungen in Paris und London zu dem Zwecke vorgenom- men hat, um festzustellen, wie die Untergrundbahnstationen am besten durch tödliche Keime oder Giftgase, oder durch beides, infiziert werden können, wann immer man einen Angriff für ratsam hält“. In Deutschland wurden die zuständigen Stellen, Auswärtiges Amt und Wehrmachtsamt, von Steeds Behauptungen völlig überrascht. Die Londoner Botschaft informierte sofort nach Erscheinen des Artikels telegraphisch das Auswärtige Amt und übersandte eine Kopie des Aufsatzes. Die wurde von einer Abteilung des Propagandaministeriums ins Deutsche übersetzt und an die — damals für solche Angelegenheiten zuständigen — Inspektionen des Sanitätswesens und der Artillerie mit der Bitte um Stellungnahmen weitergeleitet. Oberst Bergmann, der Stabschef der Inspektion der Artillerie, meinte, die Ausführungen über die in Paris durchgeführten Experimente seien geradezu phantastisch. „Wie soll es möglich sein, in französischen Städten verkehrsreiche Plätze mehrfach zu umfahren, dabei Hunderte von Einheiten mit Bazillenkeimen aufzustellen und sie genau nach 6 Stunden wieder abzuholen. Der Verfasser erwähnt selbst, dass hierzu zahlreiche Hilfsarbeiter notwendig sind. Selbst wenn die hierfür erforderlichen Fahrzeuge französische Zulassungs- nummern hätten, selbst wenn das arbeitende Personal aus gekauften französischen Bürgern bestünde, die durch ihre Aussprache nicht auffallen würden, selbst dann wäre es unwahrscheinlich, dass ihre Tätigkeit nicht aufgefallen und von der französischen Polizei verhindert worden wäre.“ Zu ganz ähnlichen Einschätzungen kam auch Generalarzt Dr. Walther Kittel von der Heeres-Sanitätsinspektion. Außerdem wies Bergmann in seinem Kommentar darauf hin, dass es keine Abteilungen mit der Bezeichnung „L.G.A.“ und „L.G.V.“ gäbe. Das ist in der Tat ein ganz entscheidendes

76 Argument bei der Bewertung der von Steed zitierten Dokumente. Zwar gab es im Reichswehrministerium seit 1924 Abteilungen, die für Aktivitäten zur chemischen Kriegsführung (und theoretisch auch für Fragen der biologi- schen Kriegsführung) verantwortlich waren. Die wurden aber ganz anders bezeichnet (und entsprechend abgekürzt), nämlich: Inspektion der Artillerie In 4, Heeres-Sanitätsin- spektion S In, Heeres-Veterinärinspektion V In und Heeres- Ausbildungsabteilung T4. Außerdem gab es eine Dienststelle, die speziell für Luftfahrtangelegenheiten zuständig war, die Unterabteilung T2 III l der Heeres-Organisationsabteilung T2. Wenn es also die von Steed beschriebenen geheimen Versuche zur Verbreitung von Modell-Bakterien in Paris, London und Berlin tatsächlich gegeben hätte, dann wären diese Abteilungen dafür verantwortlich gewesen. Aus den zahlreichen vorhandenen deutschen Unterlagen kann aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass diese Dienststellen nie solche Versuche durchgeführt haben.

„L.G.A.“ klingt allerdings ähnlich wie „GeLa“. Das war das Akronym einer 1926 unter der Tarnbezeichnung „Gesellschaft für landwirtschaftliche Artikel GmbH“ gegründeten Geheimorganisation der Reichswehr, die in Zusammenarbeit mit der Roten Armee Untersuchungen über die Verbreitung chemischer Kampfstoffe durchführte. Diese Arbeiten waren zwar streng geheim; aber der Leiter einer „Kampfstoffe- Erprobungsgruppe“, die für die GeLa in der Sowjetunion tätig war, beklagte in einem Bericht, trotz aller Vor- sichtsmaßregeln sei in Russland „die Geheimhaltung nicht in der Weise durchgeführt [worden], wie es die politische Lage und die Art der Versuche erfordert“. Beispielsweise seien Bücher über den chemischen Krieg, die durch Kurier nach Moskau übersandt worden waren, verlorengegangen und erst nach langer Zeit zufällig im Kleiderschrank eines deutschen Angestellten gefunden worden. Man habe „sogar in Anwesenheit von Damen“ über die gemeinsamen deutsch-

77 sowjetischen Aktivitäten gesprochen.33 Also: Vielleicht hat eine der Damen oder jemand anderes geplaudert und die Existenz von GeLa und ihr Engagement bei der Entwicklung chemischer Waffen ist dem Verfasser der von Steed behandelten Dokumente bekannt und mit „L.G.A.“ verwech- selt worden. Aber in diesen Papieren ist ja von Versuchen mit Bakterien die Rede, und die waren mit Sicherheit kein Gegenstand der deutsch-russischen Kooperation oder ande- rer geheimer Reichswehraktivitäten.

Jedenfalls kann man sich nur der zusammenfassenden Antwort der Experten an das Auswärtige Amt anschließen, dass „die angeführten Dokumente von keiner Stelle des Reichswehrministeriums stammen und dass sie gefälscht sein müssen“. Wer die Dokumente gefälscht und Steed zugespielt haben könnte, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären — zumal sie schon bald nach Steeds Veröffentlichung „verschwunden“ sind, was auch nicht gerade für ihre Echtheit spricht. Nicht einmal britische Experten bekamen sie zu sehen. Wenn die „Dokumente“ überhaupt jemals existiert haben sollten, dann handelte es sich vermutlich um Fälschungen, möglicherweise produziert von Emigranten um die Welt vor Hitler und seinen Helfern zu warnen. Diese im Grunde genommen löb- liche Absicht hätte aber leicht das Gegenteil bewirken und Europa in einen biologischen Krieg stürzen können. Denn Steeds Artikel hatte bedrohliche Folgen: Er verstärkte im Ausland die Furcht vor deutschen Biowaffenaktivitäten und löste eine deutliche Beschleunigung der biologischen Rüstungsspirale aus, zunächst vor allem in Frankreich.

78 Frankreich nimmt wieder Biowaffen-Aktivitäten auf 34

n Frankreich schlug Steeds Veröffentlichung wie Ieine Bombe ein, zumal ja die von Steed beschriebenen angeblichen Versuche der Reichswehr hauptsächlich in Paris durchgeführt worden sein sollen. Die meisten französischen Blätter reagierten umgehend, zum Teil in großer Aufmachung. Wie das Deutsche Nachrichtenbüro DNB aus Paris meldete, ließ sich die Agentur Havas „von ihrem Londoner Korres- pondenten nicht weniger als zehn Schreibmaschinenseiten melden. Das ‚Echo de Paris’ und der ‚Petit Parisien’ füllen mit den Meldungen ihrer Londoner Korrespondenten mehrere Spalten. Besondere Kommentare fehlen vorläufig; doch werden in den Überschriften diese ‚Enthüllungen’ [als] sensationell hingestellt.“35 Man setzte sogar noch eins drauf. Die Wochenzeitschrift „Vendémiaire“ stellte die ebenfalls völlig aus der Luft gegriffene Behauptung auf, „dass man wohl nach den sensa- tionellen Enthüllungen des englischen Journalisten Steed mit Sicherheit annehmen könne, dass die Typhusepidemie, die in Frankreich zwischen dem 5. Dezember 1933 und dem 20. Januar 1934 gewütet hat, wohl deutschen Versuchen des bakteriologischen Kriegsverfahrens zu verdanken sei. Damals sei der Prozentsatz der Typhussterbefälle von dem normalen Stand von 2,2 % plötzlich ohne jeden Grund auf 14,69% gestiegen, um dann ganz plötzlich am 20. Januar wieder auf den normalen Stand zurückzugehen.“ Angesichts der von Steed, Klotz — der inzwischen für das französische Kriegsministerium als Berater tätig war — und anderen verbreiteten alarmierenden Meldungen ist es verständlich, dass das 1926 weitgehend stillgelegte französische Biowaffenprogramm nicht nur wiederbelebt, sondern beträchtlich intensiviert wurde. Am 5. Dezember 1935 wurde die Kommission für Bakteriologie erstmals wieder zusammen- gerufen, aber „aus Geheimhaltungsgründen“ in „Kommission

79 für Prophylaxe“ umbenannt. Zunächst beschäftigte sich das Gremium mit Steeds Behauptungen und beschloss, die Versuche, die angeblich von deutschen Agenten in der Pariser Metro durchgeführt worden waren, mit den gleichen Bakterien, also mit Serratia marcescens, zu wiederholen. Das geschah dann durch das bakteriologische Institut der französischen Armee in zwei verschiedenen Metro-Linien. Zur gleichen Zeit hielt der spätere Chef des französischen Biowaffen-Instituts, H. Velu, in Paris einen Vortrag über biologische Kriegsführung, weil dieses Thema „seit einiger Zeit, insbesondere seit den aufsehenerregenden Enthüllungen von Wickham Steed“ an der Tagesordnung sei.* Velu, zu die- ser Zeit noch Oberstabsveterinär der marokkanischen Kolonialtruppen, ging bei dieser Gelegenheit auch auf die Rechtmäßigkeit des Bakterienkriegs ein und meinte: „Pascal hat uns hierauf die eindeutige Antwort gegeben: ‘Da man das Gerechte nicht stark machen kann, macht man das Starke gerecht’. Die Bakterienwaffe ist zulässig, sobald sie ihre Wirksamkeit erwiesen hat. Das ist die allgemeine Ansicht trotz aller Pakte, trotz aller Abmachungen und ungeachtet aller Streitfragen und Behauptungen der größten Gelehrten.“ Nach ausführlicher Diskussion dieses Problems schloss er: „Der Mikrobenkrieg wird ein rechtmäßiger Krieg sein, wenn er den Erfolg sichern kann“. Nichts auf der Welt, weder das internationale Recht noch Verträge oder die Moral werde die Anwendung dieser neuen Kampfesweise verhindern. Allerdings, so Velu weiter, verhielten sich künstlich hervorge- rufene Seuchen wie spontane Infektionen. Sie erlöschen wieder und man könne nur mit einer geringen Zahl von Opfern rechnen. Vielmehr liege die Gefahr des Mikroben-

* Das Manuskript von Velus Vortrag fiel 1940 den Deutschen in die Hände. Das Heeresamt ließ das „Beutestück“ unverzüglich übersetzen und verteilte es an die ein- schlägig interessierten Dienststellen der Wehrmacht. Zwei Kopien dieser Übersetzung wurden dann bei Kriegsende von der angloamerikanischen „Alsos-Mission“ entdeckt und als „geheim“ eingestuft.

80 Die ersten drei Seiten der Übersetzung von Velus 1935 gehaltenen Vortrags Quelle: National Archives, College Park, Md., (NACP), Record Group 319 Box 2, Folder BW 12, Blatt 250–278.

81 82 83 krieges „in seinem hinterhältigen, dunklen und heimtückischen Charakter. Er wird zwar andere Waffen nicht ersetzen, kann aber zur Verringerung der Truppenstärke und zur Desorgani- sation der Transporte beitragen und besonders die Zerrüttung der Moral der Truppe und des Hinterlandes herbeiführen“.

Als dann die Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich zunahmen und angesichts der verstärkten deutschen Aufrüstung die Gefahr einer militärischen Konfrontation größer wurde, fasste das Kriegsministerium am 27. Januar 1938 den Beschluss, in Vert-le-Petit unter Leitung von Velu ein Biowaffen-Institut einzurichten, das „Laboratoire de Prophylaxie“. Nun ging es nicht mehr nur um B-Schutz. Hauptaufgabe des neuen Instituts waren „Untersuchungen mit offensiver Zielrichtung“, um sich für gleichartige Gegenschläge zu wappnen. Am gleichen Tag trat die Kommission für Bakteriologie erneut zusammen. Von da ab tagte sie regelmäßig zweimal im Jahr, und zwischen September 1939 und Juni 1940 sogar aller drei Monate. Im Rahmen der von der Kommission beschlossenen Arbeiten wurden nunmehr nicht nur Untersuchungen mit Bakterien durchgeführt, sondern auch Versuche mit Toxinen aufgenom- men, vor allem mit Botulinum-Toxin und Rizin.Im Vordergrund standen Fragen nach den wirksamsten biologischen Kampf- mitteln und nach Möglichkeiten zu ihrer Verbreitung. Trillat setzte dabei vor allem seine Arbeiten mit Aerosolen fort — sowohl, um auf diese Weise Pathogene und Toxine effektiv verbreiten, als auch um antiseptische Aerosole zum Schutz vor feindlichen Biowaffeneinsätzen nutzen zu können.

Velu gelang es, Versuchskaninchen durch Beschuss mit Projektilen zu infizieren, die mit Sporen von Milzbrand-, Tetanus- oder Gasbranderregern gefüllt waren. Diese Versuche verliefen so vielversprechend, dass man beschloss, sie zu intensivieren und dabei auch Rinderpestviren einzubeziehen. Die Kommission für Prophylaxe billigte am 26. Mai 1939

84 Rizin36 ist ein überaus starkes Gift, das relativ einfach in großen Mengen aus den Samen des Wunderbaums Ricinus communis bzw. aus Rizinusöl gewonnen werden kann. Es wirkt über eine Hemmung der intrazellulären Eiweißsynthese. Bisher gibt es weder einen Impf- stoff gegen Rizin, noch Möglichkeiten zur spezifischen Therapie. Wie Botulin ist Rizin nicht nur ein dual-threat-, sondern auch ein dual-use Agens: gekoppelt an entsprechende geeignete Antikörper wird es als Therapeutikum zur Behandlung bösartiger Geschwülste und bestimmter Autoimmunerkrankungen erprobt. Vor und während des Zweiten Weltkrieges wurde in Frankreich und USA die Eignung von Rizin als Toxin-Kampfmittel untersucht. Der Irak hatte Ende der 1980er Jahre mindestens zehn Liter Rizin pro- duziert und in Feldversuchen getestet, obwohl amerikanische Studien ergeben hatten, dass es als Gefechtsfeldwaffe wenig geeignet ist. Dagegen ist es für Attentate geeignet. Rizin wurde u.a. beim sog. „Regenschirm-Mord“ eingesetzt.

auch einen Vorschlag, Kartoffelkäfer vom Flugzeug aus über deutschen Kartoffelfeldern abzuwerfen (was bereits im Ersten Weltkrieg angeregt, damals aber abgelehnt worden war). Der Auftrag für ein entsprechendes Forschungsprogramm wurde erteilt. Das schloss Untersuchungen über die Massen- vermehrung der Käfer, über Möglichkeiten, sie vom Flugzeug freizusetzen und über ihr Verhalten in großen Höhen ein. In Südwestfrankreich wurden dazu sogar Feldversuche durchgeführt. Am 14. September 1939 wurden in der Kommission erneut Berichte über angebliche deutsche Biowaffenaktivitäten behandelt. Vom französischen Geheimdienst war eine Meldung über die Munitionierung von Granaten mit Milzbrandsporen in Deutschland vorgelegt worden — vermutlich handelte es sich dabei um die schon einleitend zitierte Meldung aus der selben trüben Quelle, aus der auch der britische Geheimdienst desinformiert worden war. Und am 24. September 1939 wurde ein Bericht über die „Deutsche

85 Organisation des Bakterienkrieges“ entgegengenommen. Darin hieß es unter anderem — wieder völlig wahrheitswidrig —, Ende 1936 seien in Jüterbog Versuche mit Bakterien- Granaten durchgeführt worden, der Leicht Kreuzer „Königs- berg“ habe 1937 solche Geschosse gegen spanische Inseln eingesetzt, und im Juni 1938 lagerten einige 100.000 Bakterien-Granaten in Spandau, Troisdorf und Königsberg. Selbst Himmlers angebliche „bakteriologische Bombe“ fand wieder Erwähnung.37 Am 15. Dezember erfolgte erneut eine Auswertung von Geheimdienstinformationen. In denen hieß es, Deutschland beabsichtige, durch Verseuchung von Trinkwasser, Milch oder Konserven mit biologischen und Toxin-Kampfmitteln sowohl gegen die französischen Streitkräfte als auch gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. Diese — wieder völlig unbegründeten — Behauptungen lösten ein entsprechendes Schreiben des Premiers an den Landwirtschaftsminister aus, in dem dieser beauftragt wurde, „die Probenentnahme zu intensivieren und Inspektionsmethoden einzusetzen, mit denen nicht nur lebende Krankheitserreger, sondern auch Toxine nachgewiesen werden können“. Für diese Aufgaben sollte im Innenministerium sogar ein spezielles Kommissariat geschaffen werden. Am 27. Januar 1940 befasste sich die Kommission dann ausschließlich mit der Erörterung von Möglichkeiten, das höchst gefährliche Rinderpestvirus als Kampfmittel einzuset- zen. Da von den Veterinäroffizieren berichtet wurde, dass es sehr einfach sei,Vieh mit Rinderpestvirus-haltigen Aerosolen zu infizieren, gab der Vertreter des Hauptquartiers allerdings zu bedenken, eine Entscheidung, ein derart aggressives Mittel einzusetzen, sei so schwerwiegend, dass sie nur vom Regierungschef selbst getroffen werden könne. Einen Monat später tagte dann eine interministerielle Konferenz, um alle Biowaffenaktivitäten künftig besser als bisher zu koordinieren. In deren Ergebnis erließ der Präsident der Republik, Albert Lebrun, am 10. April ein Geheimdekret zur Koordination

86 aller Maßnahmen zum Schutz vor einem befürchteten deut- schen biologischen Angriff. Die Ausführungsbestimmungen dazu wurden am 11. Mai 1940 erlassen, einen Tag nach Beginn der deutschen Westoffensive. Getrieben von falschen Geheimdienstberichten über bevor- stehende deutsche Biowaffeneinsätze setzten Velu und seine Mitarbeiter in Vert-le-Petit ihre Arbeiten bis in den Juni 1940 hinein fort. Sie galten einerseits dem Schutz vor biologischen Angriffen sowohl durch Entwicklung von Impfstoffen und Seren wie auch durch physikalisch-technische Maßnahmen. Andererseits bereitete man sich darauf vor, gegnerische Angriffe mit gleichartigen Vergeltungsschlägen beantworten zu können. Im Vordergrund standen nun Untersuchungen über die Verbesserung infektiöser Projektile sowie über synergistische Effekte bakteriologischer und chemischer Kampfmittel, speziell von Milzbrandsporen und Senfgas. Ziel der Kombinationsversuche war es, mittels einer nicht notwendigerweise tödlichen Senfgasvergiftung eine erhöhte Anfälligkeit für eine Milzbrandinfektion zu provozieren. Neben den Instituten von Velu und von Trillat waren in diese Untersuchungen unter anderem auch das Pasteur-Institut in Paris sowie das Militärische Institut für Veterinärmedizinische Forschung in Maisons-Alford einbezogen. Natürlich konnten sich die von ihren Geheimdiensten völlig fehlinformierten französischen Biowaffenforscher und ihre Vorgesetzten nicht im Entferntesten vorstellen, dass es erst ihre Arbeiten sein würden, welche die Deutschen auf die Idee brachten, auch ihrerseits Biowaffenaktivitäten aufzunehmen.

87 Stalin stört erneut das sowjetische Biowaffenprogramm 38

uch in der Sowjetunion löste Steeds Veröffentlichung Agroße Besorgnis aus. So schrieben die beiden russischen Autoren P.Sam und G. Linkin 1936: „Nach den Enthüllungen des Sikchem Sito [Sic!] über die Vorbereitungen des deutschen Generalstabes für die Anwendung der Mittel des Bazillenkrieges unterliegt es für uns keinem Zweifel, dass wir vor einer neuen Bedrohung der ganzen Welt von Seiten des imperialistischen Angreifers stehen.“* Besonders ausführlich wurde Steeds Artikel von den beiden französischen Wissenschaftlern A. und R. Sartori in einer Schrift über „Der bakteriologische Krieg“ referiert. Der Aufsatz hat eine abenteuerliche Geschichte: 1935 zunächst als „Militärausgabe“ in Paris veröffentlicht, wurde die Arbeit dann ins Russische übersetzt und 1936 vom Staatlichen Militärverlag in Moskau herausgegeben. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion fiel sie den Deutschen in die Hände und wurde durch die Wehrmachtzeitschriftenabteilung übersetzt. Diese Übersetzung wurde dann von der angloamerikanischen Alsos-Mission erbeutet. Diese stufte sie sofort — wie fast alle anderen deutschen Biowaffen-Dokumente — als „geheim“ ein — genau zehn Jahre nach der Veröffentlichung des französischen Originals. Ihre Geheimhaltung wurde erst im Juli 1996 aufgehoben.

Die Alsos-Mission war eine gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gebildete interdisziplinäre angloamerikanische Expertengruppe, deren Auftrag es war, Informationen über die deutschen und italieni- schen militärwissenschaftlichen und waffentechnischen Aktivitäten zu sammeln.

* Übersetzt durch Zeitschriftenabteilung des Reichskriegsministeriums.

88 Das Vorwort zur Schrift der Sartoris schrieb der russische Biowaffen-Experte Dr. Iwan Welikanow. Unter dem Pseudonym39 „Professor Ivan Eifel“ meinte er, die Enthüllun- gen Steeds ließen „keinen Zweifel darüber aufkommen, dass dem faschistischen Deutschland die führende Rolle in der Erforschung immer neuer und neuer, vollkommen unmensch- licher Mittel und Methoden des Überfallens gehört“. Zudem fühlten sich die Sowjets nicht nur von Hitler- Deutschland bedroht: In der „Sowjetischen Militär- Enzyklopädie“ wurde biologische Kriegsführung 1933 als „eine neue, in bürgerlichen Ländern vorbereitete Kriegsform, deren Waffen Mikroben (Bakterien) sind“, bezeichnet. Die Bourgeoisie mobilisiere alle wissenschaftlichen Errungenschaf- ten und suche „die wirksamsten Mittel für einen Überfall. Zu letzteren gehören Bakterien, deren Erforschung als Waffe verstärkt in den Instituten und Laboratorien aller bürgerlichen Länder erfolgt“.* Solche Einschätzungen waren es, die ab 1933 zu einer Intensivierung des Biowaffenprogramms führten, an dem sich auch die 1930 vom sowjetischen Geheimdienst verhafteten Bakteriologen nach Verbüßung ihrer Strafe wieder beteiligen konnten. Dafür wurden sogar neue Institute und Abteilungen eingerichtet, so das Forschungsinstitut für Mikrobiologie der Roten Armee, das 1933 unter Leitung von Welikanow in Perkuschkowo bei Moskau gegründet wurde, sowie Fachabtei- lungen in der Leningrader Militärmedizinischen Akademie. Weiter beteiligt waren das Slatogorow-Maslokowitsch- Laboratorium, eine Abteilung des Leningrader Technischen Instituts für Zoologie und Veterinärwesen, das Leningrader Institut für Bakteriologie, eine Einrichtung der Marine in Kronstadt, eine Forschungsstelle in Schlüsselburg am Ladogasee, das Institut für Gesundheitsforschung in Moskau, das Moskauer Chemisch-pharmazeutische Institut sowie das

* Übersetzt von Harald Kießlich-Köcher

89 Institut für Mikrobiologie und Epidemiologie in Saratow. Darüber hinaus wurde Fischmans Forderung aus den 1920er Jahren nach Versuchsgelände für Biowaffenexperimente erfüllt und dafür die Insel Gorodomlia im Seligersee, eine der Solowezki-Inseln im Weißen Meer und die Insel Wosrosch- denije im Aralsee zur Verfügung gestellt. Deutschen Geheimdienstberichten zufolge — die allerdings, wie mehrfach erwähnt, nicht sehr zuverlässig sind — wurden in diesen Einrichtungen unter anderem die Erreger von Pest, Tuberkulose, Milzbrand, Cholera,Tularämie sowie Botulinum- Toxin auf ihre Eignung als Kampfmittel untersucht und zum Teil auch munitioniert. Wie erfolgreich die wieder aufgenommenen Arbeiten und wieviel Mitarbeiter daran beteiligt waren läßt sich immer noch nicht ermitteln, da die entsprechenden Dokumente noch nicht zugänglich sind. Wohl erklärte Marschall Kliment Woroschilow 1938 unter Bezug auf das Genfer Protokoll, die Sowjetunion fühle sich zwar an diesen Vertrag gebunden. Aber „wenn unsere Gegner solche Mittel gegen uns einsetzen, dann sind wir darauf vorbereitet, umfassend darauf vorbereitet, diese ebenfalls zu nutzen und sie gegen die Aggressoren auf ihrem eigenen Boden einzusetzen“. Möglicherweise war dies durch Fakten nicht gedecktes Imponiergehabe, denn zur Zeit dieser Erklärung wurde das sowjetische Biowaffenprogramm ein zweites Mal entscheidend geschwächt; diesmal viel nachhaltiger als 1930. Die Begründung dafür findet sich in dem bereits zitierten Rundschreiben des Volkskommissars für Staatssicherheit Wsewolod Merkulow aus dem Jahre 1941. Darin heißt es, die nach der ersten Verhaftungswelle wieder entlassenen „Führer konterrevolutionärer Organisationen” hätten nach ihrer Rückkehr in ihre Institute ihre Sabotagearbeit weiter betrieben. In der Zeit 1931–1937 seien in einzelnen Gebieten der Sowjetunion mehrere Ausbrüche von Infektionskrank- heiten, Vergiftungen von Nahrungsmitteln, Massenvieh- seuchen usw. aufgetreten, die auf den Einsatz biologischer

90 Kampfmittel hindeuteten. In keinem dieser Fälle hätten die Organe des Geheimdienstes NKGB Hinweise auf gegnerische Aktivitäten entdeckt. Verantwortlich seien vielmehr „die konterrevolutionären Elemente, die nach Aufträgen auslän- discher Nachrichtendienste handeln” und die bestrebt sind, „an sämtlichen verwundbaren Stellen der Volkswirtschaft ihre Sabotagearbeit durchzuführen”.*

Es war absurd. Führende Wissenschaftler wurden nicht nur erneut beschuldigt, den deutschen Epidemiologen Zeiss bei seinen „Machenschaften“ unterstützt, sondern sogar gegen die eigene Bevölkerung einen Bakterienkrieg geführt zu haben: „Laut Angaben verurteilter Mitglieder der Kampf- organisationen war ihre besondere Aufmerksamkeit auf Tularämie gerichtet, da sich diese Infektion infolge ihrer spezifischen Eigenschaften für die Kampfarbeit besonders gut eignet“. Diesem konterrevolutionären Treiben sei 1937/38 das Handwerk gelegt worden, „und zwar mit der Liquidierung der Spionage- und Kampforganisation, an deren Spitze die Agenten des deutschen Nachrichtendienstes” standen. Namentlich aufgeführt wurden in diesem Zusammenhang der stellvertretende Direktor des Zentralen Kontrollinstituts für Seren und Vakzinen Wladimir A. Ljubarski, Professor Ilja L. Kritschewski vom Zweiten Moskauer medizinischen Institut sowie der Leiter des Zentralinstituts für Epidemiologie und Mikrobiologie des Kommissariats für Volksgesundheit Wladimir A. Barykin. Sie wurden 1939 hingerichtet. Das gleiche Schicksal traf bereits 1938 Iwan M.Welikanow und Landwirt- schaftskommissar Michail Tschernow — der „gestanden” habe, im Auftrag des deutschen Geheimdienstes die Verseuchung von Pferden, Rindern und Schweinen angeordnet

* Übersetzt von der deutschen Abwehr. Merkulow wurde — gemeinsam mit seinem Vorgänger im Amt, Lawrenti Berija — 1953 hingerichtet.

91 Die ersten zwei Seiten aus dem von der deutschen Abwehr übersetzten Rundschreiben des Volkskommissars für Staatssicherheit Wsewolod Merkulow über die angebliche volksfreindliche Tätigkeit sowjetischer Biowaffenexperten. Quelle: Zentralarchiv des Russischen Verteidigungsministeriums, Fonds 500, Opis 21452, Delo 1, Blatt 47–53.

92 93 zu haben.40 Selbst Jakov Fischman wurde inhaftiert, nicht zuletzt mit Hinweis auf seine damalige aktive Beteiligung an der militärischen Zusammenarbeit mit der Reichswehr. Sogar während des „Grossen Vaterländischen Krieges“ ver- zichtete man auf seine wertvollen Dienste. Fischman überlebte aber die Gefangenschaft, wurde aber erst 1954 entlassen und ein Jahr später vollständig rehabilitiert. Er starb 1962 im Alter von 75 Jahren als Generalmajor eines natürlichen Todes.

Tularämie (Hasenpest)41 wird von Francisella tularensis hervorgeru- fen, einem der am meisten infektiösen Bakterien. Nicht mehr als zehn Erreger genügen zur Auslösung der Krankheitssymptome. Tularämie ist jedoch nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Nager und andere Tiere sind natürliche Reservoire. Menschen infizieren sich durch Insektenbisse, Umgang mit verseuchten Tieren, Materialien und Flüssigkeiten, Verzehr verunreinigter Nahrung oder Einatmung infektiöser Aerosole. In den USA wurden 1990–2000 ins- gesamt 1368 Fälle von Hasenpest gemeldet. Die Erkrankung kann erfolgreich mit Streptomycin u.a. Antibiotika behandelt werden. Unbehandelt kann sie in etwa 1% der Fälle zum Tode führen. Ein Lebend-Impfstoff ist verfügbar. Dessen Einsatz wird aber nur für entsprechend exponiertes Laborpersonal empfohlen. F. tularensis wurde in den Biowaffenprogrammen Japans, der Sowjet- union, und der USA produziert und munitioniert. Dabei sollen auch Antibiotika-resistente Stämme entwickelt worden sein. Nach WHO- Berechnungen könnte seine Verbreitung über einer 5-Millionen- Stadt 250.000 Personen erkranken und 19.000 sterben lassen. Trotz- dem gilt der Erreger nicht als tödliches, sondern als handlungsunfähig machendes Kampfmittel.

Natürlich bedeutete die Verhaftung Fischmans und vieler sei- ner Mitarbeiter einen zweiten, noch tieferen Einschnitt in die Fortführung des sowjetischen Biowaffenprogramms und war vermutlich der Hauptgrund dafür, dass seitens der Roten

94 Armee im Zweiten Weltkrieg keine Bio- und Toxinwaffen gegen die deutschen Invasoren eingesetzt wurden. Aber die biologische Rüstungsspirale drehte sich weiter — auch ohne nennenswerte sowjetische Beteiligung.

95 Mehr Angst vor Kriegsseuchen in Großbritannien 42

uch in Italien und Ungarn war man von Steeds AVeröffentlichung so beeindruckt , dass 1934 in Rom und zwei Jahre später in Budapest Biowaffen-Institute gegründet wurden. In Großbritannien dagegen nahmen die Behörden die „Enthüllungen“ zunächst nicht übermäßig ernst. Zwar hatte der zuständige Unterausschuss der Stabschefs im Februar 1934 Probleme der biologischen Kriegsführung beraten, Steeds Aufsatz spielte dabei aber keine Rolle, obwohl Steed behauptet hatte, er hätte die von ihm ausgewerteten Dokumente vor der Veröffentlichung dem Sekretär des Britischen Verteidigungskomitees vorgelegt. Immerhin nahm der Unterausschuss das Thema wichtig genug, dass er zwei fachwissenschaftliche Gutachten dazu erbat. In ihren Expertisen bezweifelten drei führende Bakterio- logen* 1934 und 1935, dass man mit bakteriellen Kampf- mitteln Epidemien auslösen könne. Bestenfalls würde man „in Kriegszeiten wirksam die psychische und physische Moral beeinträchtigen“. Eine viel größere Bedeutung maßen die Experten statt dessen den „Kriegsseuchen“ bei, denn: „Ein desorganisiertes Gesundheitssystem kann dann dem Feind in die Hand spielen.“ Deshalb gehöre zusätzlich zum Schutz vor erwarteten biologischen Attacken insbesondere auch ein Ausbau des allgemeinen Gesundheitsschutzes.

Allerdings vertraten die Experten auch höchst überraschende Ansichten. Sie meinten nämlich, als Offensivwaffen sei „der ethische Status“ biologischer Kampfmittel „nicht geringer oder höher als der eines Bajonetts, einer Granate oder eines

* Bei den drei Gutachtern handelte es sich um Hauptmann Stewart Ranken Douglas, den stellvertretenden Direktor des Nationalen Instituts für Medizinische Forschung, Professor John Ledingham, den Direktor des Lister-Instituts, und Professor William Whiteman Carlton Topley von der London School of Hygiene and Tropical Medicine

96 Kriegsseuchen sind (Infektions-)Krankheiten, die infolge von kriegs- bedingten Störungen der Nahrungsmittelversorgung, der hygieni- schen Bedingungen, etc. sowohl unter den Streitkräften als auch unter der Zivilbevölkerung gehäuft auftreten und sich auch zu Epidemien entwickeln können. Zumindest bis zum Zweiten Golfkrieg von 1991 haben Kriegsseuchen stets mehr Verluste unter den bewaffneten Kräften verursacht als gegnerische — oder auch eigene, fehlgeleitete — Waffen.

chemischen Kampfstoffs. In der Tat, wenn der ‚ethische’ Status einer bestimmten Waffe damit verglichen wird, wie sie die Kampffähigkeit seines Opfers beeinträchtigt, wäre sie [die biologische Waffe] unseres Erachtens höher einzuordnen als eines der eben erwähnten drei anderen Mittel“. Dass Biowaffen „unnötig Leiden schaffen“ könnten, spielte keine Rolle mehr, ein totaler Tabuwandel war eingetreten, übrigens nicht nur in England... Da die Experten Steeds Artikel mit keinem Wort erwähnt hatten, sah sich die britische Regierung nicht zu Sofort- maßnahmen veranlasst: Als der Premierminister am 4. Juli 1934 im Unterhaus gefragt wurde, ob er über die von Steed beschriebenen Fakten informiert sei und wie darauf reagiert werden solle, antwortete er, er habe die entsprechende Veröffentlichung gelesen und fügte hinzu, „die Verwundbarkeit der Londoner Untergrundbahnen ist unter ständiger Kontrolle als Teil der allgemeinen Sicherung der Schienenwege, aber ich halte es im öffentlichen Interesse nicht für notwen- dig, darüber hinausgehende Erklärungen abzugeben“. Auf den Einwand, dass sich die Behauptungen Steeds auf präzise und überzeugende Hinweise stützten und dass sich Seiner Majestät Regierung deshalb unverzüglich mit der Angelegen- heit beschäftigen sollte, antwortete der Premier, er habe seiner bereits gegebenen Antwort nichts mehr hinzuzufügen. Immerhin erhielten die drei Experten nun ausdrücklich den Auftrag, zu Steeds Artikel Stellung zu nehmen. In einem

97 diesbezüglichen Gutachten meinten sie im Juli 1934, dass Serratia marcescens das Bakterium der Wahl für entsprechende Modellversuche sei. Sie hätten aber „allen Grund zu vermuten, dass die eigentliche Absicht der Bearbeiter die Verteilung chemischer Kampfstoffe unter verschiedenen Windverhält- nissen war und nicht die von Bakterien.“ Außerdem wiesen auch sie darauf hin, dass man auf Kulturschalen nur eine begrenzte Anzahl von Bakterienkolonien ermitteln könne, und dass einige der angegebenen Zahlen sicherlich zu hoch seien. Bemerkenswert sei auch, dass Agenten in einer fremden Hauptstadt nicht nur Windbestimmungen vornehmen, sondern auch Bakterien versprühen und in Kulturgefäßen auffangen konnten, ohne dabei entdeckt zu werden. Die Experten sahen durch die von Steed erwähnten Dokumente ihre Meinung bestätigt, „dass bezüglich der Verbreitung pathogener Bakterien in erster Linie der feindliche Agent gefürchtet werden muss. Man kann sicher zu Recht schließen, dass die Einbringung von Bakterien in den Eingang oder in Klimaanlage einer Metro-Station eine vergleichsweise wirksame Methode wäre.“ Allerdings hatten die Gutachter keine Gelegenheit, die Dokumente zu prüfen, auf denen Steed seinen sensationellen Artikel begründet hatte. Die Unterlagen waren nämlich wieder „verschwunden“ — ein bemerkenswerter Fakt. Jedenfalls haben weder Steeds Aufsatz und die Publikationen von Klotz noch das Expertengutachten die britische Regierung zu Sofortmaßnahmen gegen die angebliche deutsche biologische Bedrohung veranlasst. Vor diesem Hintergrund ist es schon bemerkenswert, dass Steeds Behauptungen in einer neuen Darstellung der britischen Biowaffenaktivitäten von Brian Balmer weitgehend unrelati- viert wiedergegeben werden.43 Laut Untertitel geht es in Balmers Buch vor allem auch um den „Expertenrat“. Die starken Indizien für die offensichtliche Fälschung der Steed vorgelegten Dokumente werden aber völlig ignoriert.

98 Die britische Regierung reagierte erst mehr als zwei Jahre nach der Veröffentlichung von Steeds Aufsatz, nachdem die bereits einleitend erwähnten beunruhigenden Geheimdienst- berichte über deutsche Biowaffenaktivitäten in London eingegangen waren.44 Die Falschmeldungen verfehlten bei den ohnehin von den Vorgängen in Hitlerdeutschland beunruhigten Entscheidungsträgern Großbritanniens ihre Wirkung nicht. Am 2. November 1936 berief das britische Verteidigungskomitee einen „Unterausschuss für bakterio- logische Kriegsführung“. Er sollte über die Führbarkeit solcher Kriege berichten und Vorschläge erarbeiten, welche Gegenmaßnahmen zu ergreifen wären. Neben militärischen Experten gehörten hochrangige britische Bakteriologen dem Gremium an, unter ihnen Sir (später Lord) Maurice Hankey als Vorsitzender, Sir Edward Mellanby sowie die Professoren Ledingham und Topley. Der Ausschuss erörterte die Vor- und Nachteile biologischer Kriegsführung, die mutmaßlichen Aktivitäten anderer Staaten auf diesem Gebiet und die Frage, wie man sich vor biologischen Angriffen schützen kann, etwa durch Bereit- stellung ausreichender Mengen von Impfstoffen. Ganz sicher als Reaktion auf das oben erwähnte Expertengutachten wurde der Biowaffenausschuss keine zwei Jahre später schon wieder umbenannt. Als „Unterausschuss für notfallmedizi- nische Laboratoriumsdienste“ sollte er vornehmlich ein Netz von entsprechend ausgerüsteten Laboratorien für den zivilen Gesundheitsschutz planen und einrichten. Gleichzeitig wurde explizit festgestellt, dass es nicht notwendig sei, für etwaige gegnerische biologische Angriffe Kapazitäten für gleichartige Vergeltungsschläge zu schaffen.

99 Auch die Nordamerikaner sind eher zurückhaltend 45

n Nordamerika spielten die Behauptungen Steeds eine Iähnlich geringe Rolle wie in England. Paradoxerweise begann man sich in den USA ebenso wie in Deutschland erst nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ernsthaft mit den Problemen der biologischen Kriegsführung zu beschäftigen. In der Presse tauchten zwar gelegentlich mehr oder weniger beängstigende Meldungen über deutsche Biowaffenaktivi- täten auf.46 Irritationen löste vor allem ein Artikel „Betrach- tungen über den Krieg mittels Kleinlebewesen“ aus, den ein nur mit den Initialen H.W. zeichnender Autor im August 1937 in der „Deutschen Wehr“ veröffentlicht hatte. Dieser behauptete, im spanischen Bürgerkrieg seien kürzlich einige Agenten unschädlich gemacht worden, „die von roter Seite beauftragt worden waren, mit Hilfe irgendwelcher Bazillen im nationalspanischen Gebiet Epidemien zu entfesseln“. Davon ausgehend diskutierte H. W. detailliert und kenntnis- reich die Möglichkeiten bakteriologischer Kriegsführung. Wie der deutsche Militärattaché nach Berlin meldete sei der Aufsatz von H.W. mit „übelster publizistischer Gift- mischerei“ dazu verwendet worden, um Stimmung gegen Deutschland zu machen. Tatsächlich hatte die „New York Times“ den Artikel zum Anlass genommen, um unter beun- ruhigenden Schlagzeilen — etwa wie „Verbreitung tödlicher Mikroben unter der Zivilbevölkerung“ — über angebliche deutsche Biowaffenaktivitäten zu berichten. Bei dem Besorgnis auslösenden Artikel in der „Deutschen Wehr“ han- delte es sich allerdings nicht um einen Originalbeitrag, son- dern nur um die Besprechung eines Artikels, den Professor Hugo Reitano — der Chef des italienischen Biowaffeninstituts — in einer italienischen Zeitschrift veröffentlicht hatte. Ansonsten aber hatte die US-Administration und ihr Militär an solchen Fragen so gut wie kein Interesse. Bezeichnend dafür ist der Artikel des amerikanischen Majors Leon A. Fox „Der

100 Bakterienkrieg. Verwendung von biologischen Kampfmitteln im Krieg“, der im Juli 1942 im „Scientific Monthly“ erschien. „Das Thema sei zeitgemäß und von großem wissenschaftlichen Interesse“ hieß es dazu in einem redaktionellen Beitrag. Deshalb habe man hier einen Aufsatz nachgedruckt, der in der Zeitschrift „The Military Surgeon“ erschienen war — und zwar bereits im Jahre 1933! Ob man künftig biologische Kriege führen würde hing nach Fox „mehr von den praktischen und wirksamen Anwendungsmöglichkeiten ab als von den senti- mentalen Gegenbestrebungen der Pazifisten“.Allerdings seien, so Fox weiter, „die technischen Schwierigkeiten noch nicht so weit behoben, dass mit einem erfolgreichen Einsatz der neuen biologischen Kampfstoffe gerechnet werden kann“.* Es ist wirklich bemerkenswert (und kaum anders als in Deutschland): Ein Aufsatz aus dem Jahre 1933 galt auch noch 1942 als „zeitgemäß“. Dies beweist, dass auch in den USA bis in den Zweiten Weltkrieg hinein für biologische Kriegsführung kaum Interesse bestand. Erst zwei Jahre später lief dann auch in den USA ein Biowaffenprogramm, an dem etwa viertausend Personen beteiligt waren — ausgelöst vor allem durch Falschmeldungen über entsprechende deutsche Aktivitäten. Aber zunächst änderten selbst gelegentliche Berichte über den angeblichen Einsatz von Bakterien durch die Japaner in der Mandschurei und in China wenig in der Analyse des Bedrohungspotentials biologischer Kampfmittel. So kam ein Experte vom Chemical Warfare Service am 28. August 1939, vier Tage vor Kriegsausbruch, zu dem Schluss, dass die USA nur dann mit Biowaffen angegriffen werden könnten, wenn ein Feind Flugzeuge besäße, die den Atlantik oder den Pazifik hin und zurück überqueren könnten.An eine Verbreitung auf dem Postwege war ebenso wenig zu denken wie an Kamikaze-Flieger oder andere Selbstmord-Attentäter.

* Vermutlich von der Sanitätsinspektion in Auftrag gegebene deutsche Übersetzung der 1940 in Frankreich entdeckten französischen Übersetzung des Artikels

101 Nicht viel anders sah es bei dem nördlichen Nachbarn der USA aus. In Kanada machte man sich auch nicht mehr Sorgen — trotz der Hartnäckigkeit eines der führenden kanadischen Wissenschaftler. Sir Frederick Grant Banting, 1923 für seine maßgebliche Beteiligung bei der Entdeckung des Insulins mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, versuchte ab 1937, seine Regierung auf die Biowaffenproblematik auf- merksam zu machen. Banting war überzeugt davon, dass Deutschland insgeheim biologisch aufrüste. Das hatten nicht nur Steed und Klotz behauptet, sondern auch ein weiterer Emigrant, den der „Toronto Star“ im März 1935 interviewte. Der meinte, er könne beweisen, dass sich die Staaten in einem kommenden Krieg „gegenseitig mit Krankheitserregern überschütten werden“.Auch dieser anonyme Informant hatte unter anderem die verheerende Wirkung der Milzbrand- bakterien vor Augen. „Nehmen sie nur an“, meinte er zum Reporter des „Toronto Star“, „ein gegnerisches Bomberge- schwader wirft eine Million Glaskugeln über London ab, die mit Anthrax gefüllt sind“. Banting informierte den Vorsitzenden des Amtes für Nationale Verteidigung über seine Befürchtungen. Der bat Banting, seine Sorgen und Vorschläge zu Papier zu bringen. Banting verfasste daraufhin ein Memorandum, in dem er betonte, vom Gegner ausgelösten Epidemien würden sowohl auf das Militär als auch auf die Zivilbevölkerung eine paralysierende Auswirkung haben. „Durch die Erfindung luftgekühlter Granaten könnten Bakterien, wie die Erreger von Gasbrand,Tetanus und Tollwut,in die Wunden eindringen, sodass selbst eine Schramme tödliche Folgen haben könnte“. Die gleichen Auswirkungen würde der Einsatz von Botulin haben. Darüber hinaus meinte Banting, das Genfer Protokoll werde weder Deutschland noch Italien vom Einsatz solcher Kampfmittel abhalten. „da die Wissenschaftler dieser Länder daran forschten, wie diese tödlichen Waffen praktisch genutzt werden können“. In der Tat hatte ja Italien chemische Kampf- mittel 1936 gegen Abessinien eingesetzt, und zwar erfolgreich.

102 Gasbrand (Gasödem) ist eine durch Clostridium perfingens und andere Bakterien verursachte Infektionskrankheit und Kriegsseuche: Im Ersten Weltkrieg war Gasbrand die schlimmste Wundinfektion; 0,6% der Verwundeten erkrankten und mehr als ein Drittel starben daran. Gasbrand entsteht, wenn die im Boden vorkommenden Sporen von C. perfringens und andere Erreger in tiefe Verletzungen geraten. Ein Impfstoff steht nicht zur Verfügung; die Krankheit kann aber mit Penizillin und anderen Antibiotika the- rapiert werden. Clostridium perfringens wurde vor bzw. während des Zweiten Weltkrieges in Frankreich und Japan als Kampfmittel untersucht. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden die Erreger auch im Biowaffenprogramm des Irak produziert und bearbeitet. Dabei wur- den 340 Liter einer C. perfringens-haltigen Suspension hergestellt.

Aber Bantings Appelle verhallten zunächst wirkungslos, vor allem weil einige einflussreiche kanadische Persönlichkeiten die biologische Kriegsführung als praktisch undurchführbar hielten. Daran änderte sich auch nichts, als aus London Dokumente mit Informationen über — angebliche — deutsche Biowaffenaktivitäten eingingen. Nicht einmal nach Kriegs- ausbruch gaben die kanadischen Regierungskreise ihre Zurückhaltung auf. Banting schrieb deshalb Anfang 1940 ein weiteres „Memorandum über die gegenwärtige Situation hin- sichtlich der bakteriologischen Kriegsführung“ — aber wieder ohne nennenswerten Erfolg. Nach der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 glaubte Banting, Deutschland habe seine Siege nicht zuletzt durch die Anwendung biologischer Kampfmittel erzielt und würde diese auch bei einem Angriff gegen England einsetzen. Deshalb wandte er sich diesmal direkt an den Generalstabschef und beschwor ihn, Untersuchungen über defensive und offensive Fragen der biologischen Kriegsführung in größerem Maßstab zu veranlassen. Der äußerte zwar Verständnis, forderte aber, dass Banting zunächst den Verteidigungsmi-

103 nister überzeugen müsse, dass Biowaffenaktivitäten — mit oder ohne britische Unterstützung — eingeleitet werden sollten. So weit wollte der Minister nicht gehen. Aber er autorisierte Banting wenigstens, in seinem Institut mit entsprechenden Untersuchungen zu beginnen, allerdings in weitaus bescheidenerem Ausmaß als es sich Banting vorgestellt hatte. Die führten aber nicht sehr weit: Banting kam am 21. Februar 1941 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, als er auf dem Weg nach England war, um dort über die Intensivierung der Biowaffenforschung zu beraten. So konnte er die bald darauf aufgenommene intensive Zusam- menarbeit der Briten mit den US-Amerikanern und Kanadiern in Sachen Biowaffen nicht mehr erleben.

104 Keine Ahnung vom deutschen Desinteresse 47

ntgegen den Behauptungen, die einige Emigranten Eim Ausland verbreiteten, entgegen der Beschuldigun- gen, die der einflussreiche britische Journalist Wickham Steed auf Grund gefälschter Dokumente erhob, und entgegen den falschen Informationen, die die Geheimdienste zahlreicher Länder sammelten, hatte auch nach Hitlers Machtergreifung weder die politische noch die militärische Führung in Deutschland Interesse an Fragen des biologischen Krieges. Tatsächlich war die deutsche Wehrmacht bis in den Zweiten Weltkrieg hinein auf diesem Gebiet völlig unvorbereitet. Die von Hitler nach seiner Machtergreifung in Gang gesetzte und auf Hochtouren betriebene Aufrüstung klammerte Vorberei- tungen zur biologischen Kriegsführung völlig aus. Noch kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vertrat Oberstabsveterinär Professor C. Eduard Richters die Meinung, es sei „nicht möglich, die bestimmten Gesetzen unterworfenen Seuchen an beliebigen Orten und zu befohlenen Zeiten hervorzurufen“. Wenn sich aber doch eine künstlich herbei- geführte Einzelerkrankung zu einer Epidemie auswachsen würde, so wäre der Urheber ebenso gefährdet wie der Gegner. „Die Bakterienwaffe wäre demnach, abgesehen davon, dass ihre Wirkung immer zu langsam in Erscheinung treten würde, stets sehr zweischneidig.“ Andererseits könnten Seuchen- gefahren durch Schutzimpfungen und ähnliche Maßnahmen sehr stark herabgemindert werden. Deshalb werde „der bakteriologischen Waffe, die schon aus sittlichen Gründen abzulehnen ist, weder ein Erfolg beschieden sein, noch kann sie gar eine umwälzende Bedeutung in der Kriegsführung gewinnen“. Selbst der Direktor des Hygiene-Instituts der Waffen-SS Professor Joachim Mrugowsky* vertrat die

* Mrugowsky war der wegen seiner Menschenexperimente berüchtigte und im Nürnberger Ärzteprozess 1947 zum Tode verurteilte Direktor des Hygiene-Instituts der Waffen-SS.

105 Meinung, „daß ein solcher Krieg aktiv geführt keinen Erfolg bringen würde, weil wir die [Natur-]Gesetze nicht in der Hand haben. Ich gefährde die eigene Truppe. Die Bazillen- träger, die zurückbleiben würden, sind eine große Gefahr. Das wäre ein Bumerang“.* Er stehe deshalb auf dem Standpunkt, daß man einen solchen Krieg im großen nicht durchführen könne. Solche Meinungen waren repräsentativ für die Bewertung der biologischen Kriegsführung durch die maßgeblichen deutschen Experten vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie bestimmten wesentlich die Einstellung der politischen und militärischen Führung zum Einsatz biologischer Kampfmittel — von wenigen Ausnahmen abgesehen, die aber ohne Wirkung blieben. Als Generalleutnant Hermann Ochsner 1936 zum „General der Nebeltruppe“ ernannt wurde, bemühte er sich, nicht nur den chemischen Krieg weiter vorzubereiten — was die eigentliche Aufgabe der „Nebeltruppe“ war —, sondern zumindest auch die Möglichkeiten biologischer Kriegsführung zu erkunden. Gleich nach seiner Kommandoübernahme wollte er von der Heeres-Sanitätsinspektion wissen, ob in dieser Hinsicht planmäßige Versuche durchgeführt würden, „und zwar nicht nur auf dem Gebiet der Abwehr“. Zur Begrün- dung führte Ochsner an, dass er zunehmend Geheimdienst- berichte erhalten habe, wonach man im Ausland versuche, „die Bakteriologie der Kriegsführung dienstbar zu machen“. Der Stabschef der Heeres-Sanitätsinspektion antwortete, man habe entsprechende Experten-Meinungen eingeholt. „Bisher wurde die Frage dahin beantwortet, dass der Bakterienkrieg theoretisch möglich sei, die praktische Anwendung aber darunter leide, dass zu viele Faktoren zu

* Den Bumerang-Effekt erlebten dann Deutschlands japanische Verbündete auf dra- matische Weise: Während der Chekiang-Offensive im Sommer 1942 gegen die Städte Futsing, Kinhwa und Yüshan sollen mehr als 10.000 Soldaten von den eigenen biologi- schen Waffen infiziert worden und mindestens 1700 anschließend gestorben sein.

106 einem Erfolg zusammenwirken müssen, dass ein Übergreifen der Epidemien auf den Angreifer nicht mit Sicherheit verhütet werden könne und dass der Bakterienkrieg als zu unsicher in seiner Wirkung besser zu unterlassen sei.“ Ochsner war mit dieser Antwort nicht zufrieden und wandte sich erneut an die Sanitätsinspektion: Auch wenn es nicht möglich sei, Epidemien willkürlich auszulösen, liege die Bedeutung des bakteriologischen Krieges doch in seiner großen psychologischen Wirkung. Deshalb sei es notwendig, nicht nur die Abwehr derartiger feindlicher Maßnahmen eingehend erforschen und vorbereiten zu lassen, „sondern darüber hinaus alle Vorbereitungen zu treffen, um gegeben- enfalls derartige Angriffe entsprechend erwidern zu können. Dazu erscheinen vor allem Maßnahmen nötig, die es ermög- lichen, notfalls rasch die erforderlichen großen Mengen an geeigneten Bakterienkulturen verfügbar zu haben, die Möglichkeiten ihrer Anwendung und des Schutzes der eigenen Bevölkerung zu erforschen und vorzubereiten. Da diese Möglichkeiten nach den Ausführungen der Fachleute zurzeit noch wenig geklärt sind, so müssten praktische Versuche, vielleicht mit Tieren gemacht werden.“ Als die Sanitätsinspektion nicht gleich reagierte, meldete sich Ochsner erneut und schlug vor, wenigstens bei der Bekämp- fung von Bunkeranlagen die Verwendung von Krankheits- erregern besonders im Auge zu behalten. Vielleicht böte sich die Möglichkeit, „durch Aussetzen infizierter Ratten oder sonstiger Bakterienträger in den Werken Krankheiten auszulösen, die die Besatzung erschüttern und ihre Wider- standskraft brechen“. Die Mediziner ließen sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Erst ein halbes Jahr später antwortete der Stabschef der Heeres-Sanitätsinspektion, „die Frage der Abwehr feindlicher Maßnahmen wird hier laufend bearbeitet. Ebenso sind bereits Versuche in die Wege geleitet worden über die Möglichkeit,Tiere durch Bakterien mit Abblas- oder Versprühverfahren zu infizieren“. Das war aber eine mehr zur Beruhigung von General Ochsner gedachte Information,

107 denn aus allen diesbezüglichen Unterlagen lässt sich schließen, dass keine entsprechenden Untersuchungen durchgeführt worden sind. Weiter heißt es dementsprechend: „Experi- mentelle Prüfungen der Verwendung von Bakterien beim Kampf um Festungen durch Aussetzen infizierter Ratten sind bisher aus Raummangel unterblieben. Mit der Erweiterung der wissenschaftlichen Abteilungen der Militärärztlichen Akademie werden auch solche Versuche eingeleitet werden können.“ Diese Erweiterung erfolgte dann aber erst nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, nachdem die Entdeckung des französischen Biowaffenprogramms erstmals seit 1915/17 wieder entsprechende deutsche Aktivitäten auslöste.

Grobes Versagen des britischen Geheimdienstes Ausländische Nachrichtendienste hatten von der mehr als zögerlichen Haltung der überwiegenden Mehrzahl der verantwortlichen Dienststellen der Wehrmacht gegenüber biologischer Kriegsführung keine Ahnung. Im Gegenteil: Sie vermuteten eine intensive deutsche biologische Aufrüstung. Beispielsweise berichtete ein britischer Agent 1936, zu Beginn des Jahres seien in der Lüneburger Heide Experi- mente über die Eignung der Maul- und Klauenseuche (MKS) als Biowaffe durchgeführt worden. Zehn Hektar Weideland habe man eingezäunt und vom Flugzeug aus Höhen zwischen 50 und 2000 m mit MKS-Erregern besprüht. Dann seien Rinder auf die Weide getrieben worden, worauf sich diese mit MKS infiziert hätten. Die Erreger seien sehr ansteckend. Material von zwei infizierten Kühen reiche aus, um mehrere Quadratkilometer zu infizieren. „Zehn Flugzeuge könnten in einer Nacht ein sehr großes Gebiet erfolgreich besprühen“. Dieser Bericht entbehrt jeder Realität. In den zahlreichen erhalten gebliebenen deutschen Dokumenten kann nicht der geringste Hinweis auf solche Versuche gefunden werden. Davon abgesehen hätten derartige Versuche gegen die strengen deutschen tierseuchenhygienischen Vorschriften verstoßen, die auch für die Dienststellen der Wehrmacht galten. „Niemand

108 hätte solche Experimente erlaubt“, versicherte mir Professor Alfred Heinig, der damals in dem einzigen deutschen Institut tätig war, das die Erlaubnis hatte, mit MKS-Viren zu experi- mentieren, Immunseren und Impfstoffe zu entwickeln und zu produzieren: der „Staatlichen Forschungsanstalt Insel Riems“. Um die Landwirtschaft vor etwaigen Seuchenausbrüchen zu schützen, war das Institut extra auf einer Insel errichtet worden. Dass entsprechende Feldversuche auf dem Festland durchgeführt worden wären ist völlig ausgeschlossen.

Maul- und Klauenseuche (MKS)48 ist eine von Viren verursachte meist akut verlaufende fieberhafte Infektionskrankheit der Klauentiere, in deren Verlauf sich an den Schleimhäuten des Verdauungstraktes, am Klauenspalt und -saum sowie an anderen unbehaarten Stellen der Haut charakteristische Blasen entwickeln. Die MKS ist die volkswirtschaftlich bedeutsamste akute Tierseuche. Die im Jahre 2001 in England grassierende MKS-Seuche soll Verluste in Höhe von 48 Milliarden Dollar verursacht haben.48a MKS-Viren sind in der Sowjetunion und während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland als Kampfmittel getestet worden.

Als später, während des Krieges, doch ein, zwei Experimente mit MKS-Viren durchgeführt wurden, geschah dies auf gegnerischem Territorium, nämlich in der Sowjetunion, und dort zudem auf einer Insel und nicht in freiem Gelände. Worauf sich die britischen 1936er Berichte über die angeblichen Feldversuche mit MKS-Erregern gründeten, ist nicht mehr zu rekonstruieren. In der Lüneburger Heide lag zwar der Truppenübungsplatz Munster-Lager mit der Heeres- versuchsstelle „Raubkammer“, die den Angloamerikanern wegen der dort schon seit dem Ersten Weltkrieg betriebenen Aktivitäten mit chemischen Kampfstoffen vermutlich bekannt war, mit biologischen Waffen zur Zeit des Berichtes aber noch nichts zu tun hatte. Erst ein paar Jahre später, im

109 Juli 1942, führte Professor Heinrich Kliewe tatsächlich einige wenige Feldversuche im Rahmen eines Biowaffenprogramms in der „Raubkammer“ durch. Die erfolgten aber mit Modell- bakterien und -substanzen und nicht mit Krankheitserregern. Vielleicht waren die britischen Geheimdienstinformationen aber auch dadurch ausgelöst worden, dass zu dieser Zeit im Umfeld der Lüneburger Heide tatsächlich Fälle von Maul- und Klauenseuche auftraten. Diese hatten aber nichts mit Biowaffenexperimenten zu tun, sondern waren Vorboten des großen mitteleuropäischen Seuchenzugs der MKS.

Auch Falschmeldungen über geheime deutsche Anthrax-Produktion In der Zwischenzeit gingen weitere, sehr detailliierte Geheimdienstberichte über angebliche Biowaffenaktivitäten Hitlerdeutschlands ein. Im Oktober 1937 gab der Sekretär des britischen Komitees für biologische Kriegsführung ein Dokument vom Juni des Jahres in Umlauf, in dem über angebliche deutsche Arbeiten mit Milzbrandbakterien berichtet wurde. In dem Bericht hieß es, in Berlin gebe es ein von Dr. Hugo Stoltzenberg geleitetes Militärisches Bakteriologisches Institut. Dort würden „große Mengen von sporenbildenden Bakterien (Milzbrandbakterien) produziert und in Trockenform aufbewahrt“. Außerdem würden Möglichkeiten zur Verbreitung der Sporen untersucht, und zwar die Abfüllung von Sporenaufschwemmungen in 5-, 20- und 30-Gramm Glaskölbchen, die vom Flugzeug über mittleren oder großen Städten abgeworfen werden könnten, und eine Versprühung der Sporenaufschwemmung aus einem entsprechenden Behälter unter Druck. Entsprechende Sprühflugzeuge seien von den Deutschen bereits im Mai 1936 konstruiert worden. Schließlich seien „nicht-detonierende Bomben“ erprobt worden, mit Bakteriensporen gefüllte Behälter an einem Fallschirm, die sich 25 Meter über dem Boden öffnen und den unter leichtem Druck stehenden Inhalt freisetzen, so dass eine dichte Sporen-Wolke entsteht.

110 Zwei Jahre später erhielt man weitere Informationen aus Quellen, die „zuverlässiger als üblich“ seien und die angeblich die zuvor eingegangenen Befunde über deutsche Anthrax- Aktivitäten bestätigten. Diese neuen Informationen besagten: „1) Die Deutschen machen Versuche mit Granaten, die mit Mikrobenkulturen infiziert wurden. Diese weisen eine große Hitzeresistenz auf (200 ˚C und mehr sind angegeben). 2) Einmal in eine — noch so kleine — Wunde eingedrungen, werden die Keime virulent und widerstehen allen Desin- fektionsmitteln, sodass sogar bei den am wenigsten Verwundeten eine Todesrate von 95% erzielt wird. Der Tod tritt innerhalb von 10 bis 12 Tagen ein. 3) In fast allen Fällen wird ein nachhaltiges Ödem ausgebildet, das sich von der Wunde aus verbreitet und schließlich den Tod verursacht“. Die Bemerkungen über die Wirkung der Bacillus anthra- cis-Sporen und über ihre ungewöhnliche Widerstandsfähigkeit sind durchaus korrekt und beweisen, dass die Informanten des britischen Geheimdienstes wussten, worüber sie berichte- ten. Aber alles andere war falsch. Erstens gab es zwar tatsächlich einen Dr. Hugo Stoltzenberg. Aber der war Chemiker und während des Ersten Weltkrieges und auch danach an der Entwicklung und Erprobung chemi- scher Kampfstoffe beteiligt. Über biologische Kampfmittel hat er dagegen nicht gearbeitet. Und er war kein Instituts- direktor in Berlin, sondern Besitzer einer chemischen Fabrik in Hamburg. Ab 1934 galt er als politisch unzuverlässig und erhielt keine staatlichen Aufträge mehr. Vermutlich war Stoltzenberg ins Visier der Agenten geraten, weil er einmal in einer Broschüre seiner Firma einen „Beitrag zum ‚bakteriellen Krieg’“ veröffentlicht hatte. In dem wollte er aber „gegen diese gefährliche Waffe mobil“ machen. Zweitens sind nach dem Ersten Weltkrieg bis in den Zweiten Weltkrieg hinein von Einrichtungen der Reichswehr bzw. der Wehrmacht oder von etwaigen Vertragspartnern keine Untersuchungen über die Eignung von Milzbrand-Erregern als Biowaffen durchgeführt worden. Drittens gab es zu jener

111 Zeit kein bakteriologisches Institut der Wehrmacht, weder in Berlin noch anderswo. Auch in diesen Fällen ist unbekannt, aus welchen dunklen Quellen dieses Geflecht wahrheitswidriger Behauptungen stammte. Möglicherweise gehen sie auf Helmut Klotz zurück, der exakt zu dieser Zeit, nämlich 1937, in Paris ein Buch unter dem Titel „Der neue deutsche Krieg“ im Selbstverlag veröffentlicht hatte. Darin behauptete er, in Deutschland würde vor allem der Einsatz von Milzbrandsporen als Kampf- mittel vorbereitet. Angeblich sollten sie von Flugzeugen verbreitet werden, und zwar abgeregnet oder in Glaskapseln eingeschmolzen und dann abgeworfen. Auch sei erwogen worden, sie in „detonationslose Bomben“ einzubringen, die mit Fallschirmen abgesetzt werden und sich in festgelegter Höhe automatisch öffnen. Diese Angaben ähneln verblüffend den Geheimdienst-Informationen: Hat der britische Agent einfach bei Klotz abgeschrieben, oder war Klotz vielleicht selbst der Informant des britischen Dienstes? Ein 82seitiges geheimes Memorandum über „Die Eignung bakteriologischer Kampfmittel im Krieg von morgen“, das in nummerierten Kopien unter den Mitgliedern des britischen „Committee of Imperial Defence“ verteilt wurde, enthielt sogar einen direkten Verweis auf einen Artikel von Klotz in den Pariser „Les Annales“. Darin hatte er behauptet, Augenzeuge umfangreicher Tierversuche gewesen zu sein, die im Berliner Robert Koch-Institut durchgeführt wurden: „Durch ununterbrochenes ‚Bombardieren’ der Tiere mit be- stimmten Bakterien wurde innerhalb weniger Tage ein Maxi- mum von Infektionen erzielt. Etwa ein Drittel der Tiere starb.“ Diese Angabe stimme, so der „höchst geheime“ Verfasser des Memorandums, mit Informationen eines anonymen Berliner Bakteriologen überein, wonach am Robert Koch-Institut eine „organisierte Bazillenproduktion“ für militärische Zwecke erfolge. Daraus könne man, wie es im Memorandum heißt, nur „den stärksten Verdacht erheben, dass die wissenschaftlichen Aktivitäten der deutschen

112 Forscher auf dem Gebiet der ‚Kriegs-Bakteriologie’ sehr weit fortgeschritten sein müssen“. Es ist aber auch möglich, dass die Falschinformationen auf das 1937 erschienene Buch „Death from the Skies“ („Tod aus den Wolken“) des antifaschistischen Emigranten Heinz Liepmann zurückgehen. Liepmann behauptete, „ein wichtiges in der Nähe von Berlin gelegenes staatliches Institut arbeitet über das Problem der Verbreitung von Bakterienkulturen beim Feind. Es stellt kleine Fallschirme her, an denen Glas- flaschen befestigt werden können, die mit Bakterien gefüllt sind. Diese Glasbomben enthalten von fünfzig Gramm bis zu fünf Kilogramm der Kulturen.“ Jedenfalls stimmten die der britischen Regierung zugeleite- ten Informationen hinten und vorne nicht — im Gegenteil.

Anthrax-Arbeiten werden erwogen — aber verworfen Im April 1938 fiel der „Abwehr“ ein interner Arbeitsbericht französischer Biowaffenexperten in die Hände.* Daraus ging hervor, dass man sich auf die Bearbeitung von Bacillus anthracis konzentriert habe. Milzbrand „garantiere schwere, irreparable Schädigungen der gegnerischen Versorgung“. Weiter hieß es, dass Anthrax-Kulturen mit hoher und stabiler Virulenz gezüchtet werden konnten. „Innerhalb von fünf Jahren ist keine Veränderung [der Virulenz] eingetreten.“ So lange liefen die Versuche also schon. In dem Bericht wurden die Bedingungen zur Massenproduk- tion sowie zu Verbreitung der Erreger beschrieben. Dazu wurde ein „absolut originelles Verfahren“ entwickelt, das auf der Verwendung nicht näher charakterisierter pflanzlicher Trägerstoffe beruhte, die von einer mit Namen und Adresse genannten Firma in Indochina bezogen werden könnten. Und dann wurden die Vorteile des Verfahrens aufgeführt: „1. Perfekte Fixierung durch die Häkchen. Selbst Regen kann

* Übersetzt von O. Lepick

113 Interner französischer Arbeitsbericht über Biowaffenaktivitäten mit Bacillus anthracis, der 1938 der Abwehr in die Hände fiel. Quelle : BAMA RH 12–9/v.62, Blatt 252.

114 die Sporen nicht auswaschen. 2. Schwere Schädigungen der Schleimhäute von Magen und Darm. Verbreitung: mit Flugzeugen. Menge: 1 kg pro 10 m2“.

Die „Abwehr“ übermittelte den Bericht der Inspektion der Nebeltruppen. Ochsner schickte das Dokument an die Heeres-Sanitätsinspektion, von der er wissen wollte, welcher Wert diesen Versuchen beizumessen sei. Generalarzt Hans Wagner kommentierte, es sei verhältnismäßig leicht, mit den besonders widerstandsfähigen Sporen des Milzbrand- Erregers Gelände so zu verseuchen, dass dort weidende Tiere erkranken. Diese Weiden könne man dann für lange Zeit nicht nutzen. Um aber einer schwere Schädigung der Versorgungslage des Gegners herbeizuführen, brauchte man „ungeheure Mengen“ von Milzbrandsporen und müsste sie systematisch weit über große Teile des Landes verteilen. Das sei technisch kaum durchführbar. „Vom Flugzeug aus ist das sicher nicht möglich, durch Agenten wäre es theoretisch mög- lich, dazu wäre aber ein Heer von Leuten notwendig.“ Im Nachhinein ist es schon erstaunlich festzustellen, dass verant- wortliche deutsche Experten nicht an die Möglichkeit dach- ten, diese oder andere Erreger mit Granaten zu verschießen oder aus der Luft zu versprühen und dass sie dabei auch die im abgefangenen Bericht erwähnten diesbezüglichen Erfahrungen der Franzosen total ignorierten. Wagner regte an, man solle auch die Meinung der Heeres- Veterinärinspektion einholen. Generaloberstabsveterinär Professor Curt Schulze antwortete, natürlich seien alle Heerestiere für Milzbrand empfänglich, aber dazu brauche man große Mengen Sporen. Die könne man jedoch massen- haft in bakteriologischen Instituten herstellen. Da die Wider- standsfähigkeit und Haltbarkeit der Sporen außerordentlich groß sei, urteilte Schulze: „Milzbrandsporen gehören von allen bekannten Erregern zu den am besten für einen bakteriologischen Krieg geeigneten“. Allerdings würden sich die Anwender selbst gefährden, so dass die Anwendung der

115 Erste Seite der Stellungnahme von Generaloberstabsveterinär Professor Curt Schulze vom 12. Juli 1938 zur Eignung von Milzbrandsporen als biologisches Kampfmittel Quelle: BAMA RH 12–9/v. 62.

116 Milzbrandsporen als Kampfmittel im Operationsgebiet wenig wahrscheinlich sei. Es gebe aber die Möglichkeit, Räumungs- gebiete mit Milzbrand weit dauerhafter als durch chemische Kampfstoffe zu verseuchen. Dabei bestünde „bei solchen Sperren durch Milzbrandverseuchung die größere Gefahr für den Menschen“. Sehr schwerwiegende Folgen könnte aber die Anwendung der Milzbrandsporen im gegnerischen Hinterland haben, „so weit von der Front abgesetzt, dass der Urheber der Verseuchung für sein Heer und Land keine Gefahrenquellen schafft“. Da auch das Abwerfen großer Massen von Milzbrandsporen auf Weidegebiete, Wiesen, Wasserläufe usw. ohne Schwierigkeiten möglich sei, regte Schulze an, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen. In entsprechenden Versuchen sollte beispielsweise ermittelt werden, welche Sporenmengen zur Verseuchung von Weide- flächen notwendig seien.

Gleichzeitig erbat die Heeres-Veterinärinspektion Gutachten ziviler Sachverständiger. Einer der befragten Experten war der Ministerialdirektor a.D. Geheimrat Prof. Dr. Dr. h.c. Robert von Ostertag. Er kam im großen und ganzen ebenfalls zu einer negativen Bewertung, welche eine Fehleinschätzung war, weil er bezweifelte, dass eine künstliche Verseuchung von Wiesen und Weiden möglich sei. Trotzdem hielt er „die Anstellung von Versuchen auf einigen Wiesen und Weiden bescheidenen Umfanges, die mit Milzbrandsporen aus Kulturen zu verunreinigen wären, zweckmäßig“. Oberstabsveterinär Professor C. Eduard Richters, Chef des Heeres-Veterinäruntersuchungsamtes, schloss sich Ostertags falscher Einschätzung an. Außerdem meinte er, dass die vorgeschlagenen Versuche nicht zuletzt wegen der Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung der Milzbrand-Erreger schwierig durchzuführen seien. Man solle deshalb besser darauf verzichten. Schulze stützte diese Meinung und reichte Richters Gutachten am 26. September 1938 an die Inspektion der Nebeltruppen weiter, mit dem Vorschlag, „von Versuchen

117 zunächst Abstand zu nehmen“. Trotz Ochsners Faible für biologische Kriegsführung zögerte man dort nicht lange und antwortete einen Tag später, man sei mit diesem Vorschlag einverstanden. Mit anderen Worten: Obwohl Milzbranderreger nach der oben zitierten Meinung des führenden Militärveterinärs von allen bekannten Erregern zu den geeignetsten biologischen Kampfmitteln gehören und obwohl — in diesem Fall sogar korrekte — Informationen über französische Aktivitäten mit Bacillus anthracis vorlagen, verzichtete die dafür zuständige Inspektion ein Jahr vor Auslösung des Zweiten Weltkrieges durch Deutschland darauf, Arbeiten an solchen Biowaffen aufzunehmen.

118 In Europa schweigen die Biowaffen

Entdeckungen in Frankreich lösen deutsche Aktivitäten aus 49

atsächlich betrieb die Wehrmacht bis in den Zweiten TWeltkrieg hinein keine Biowaffenaktivitäten. Noch Ende Dezember 1939 schrieben zwei der führenden Experten auf diesem Gebiet, die Oberstärzte Professor Fritz Wirth und Professor Otto Muntsch in ihrem Buch über die „Gefahren der Luft und ihrer Bekämpfung“, die Biowaffe sei grundsätzlich kein geeignetes Kampfmittel, „weil sie zu lang- sam und zu unsicher wirken würde und weil sie die eigenen Reihen kaum weniger gefährden würde als die des Gegners“. Außerdem könnte die Gefahr durch prophylaktische Maßnahmen stark reduziert werden. „Die Gefahr eines bakteriologischen Krieges besteht also nicht, und zwar weil die Waffe praktisch wirkungslos und im höchsten Grade zweischneidig ist.“ Damit übernahmen die beiden Fachleute völlig unverändert eine Einschätzung, die sie vier Jahre zuvor in der 2. Auflage ihres Buches vertreten hatten. Die Parallelen zur Kontinuität der amerikanischen Bewertung sind verblüffend. Dieses Urteil über den biologischen Krieg änderte jedoch sofort, als die deutschen Truppen im Verlauf der Besetzung Frankreichs das „Laboratoire de Prophylaxie“ entdeckten. Das war nach Meinung von Generalarzt Dr. Wagner „das erste Mal, dass auswärtigen (feindlichen) Mächten die Beschäftigung auf diesem Arbeitsgebiet nachgewiesen werden konnte“. Die zuvor von der „Abwehr“ gesammelten

119 Eine Seite aus Heinrich Kliewes „Bericht über die Erhebungen in dem ‘Laboratoire de Prophylaxie, Poudrerie nationale du Bouchet’“ vom 17. September 1940 mit Etiketten von im Institut entdeckten Bakterienkulturen. Quelle: NACP,RG 319, Box 1, Folder BW 2, Blatt 30–50.

120 Geheimdienstberichte waren also nicht sehr ernst genommen worden.

Der Bakteriologe Kriegsarzt Professor Heinrich Kliewe, der zur näheren Untersuchung dieser Einrichtung abkomman- diert war, fand heraus, dass sich die französischen Forscher mit folgenden Themen beschäftigt hatten: „1. Infizierung von Geschossen mit Bakterien, welche die Geschosswirkung bei Verletzungen bösartiger gestalten sollen; 2. Ausbildung von Geschossen, welche Bakterien verstreuen sollen, die dann auf natürlichem Wege (Mund und Nase) vom Menschen aufge- nommen werden sollen; 3. Ausbreitung von Erregern menschlicher Krankheiten durch Agenten; 4. Ausbreitung tierischer Krankheiten oder durch Tiere auf den Menschen übertragbarer Krankheiten; 5. Ausbreitung von Pflanzen- krankheiten.“ Da nach Kliewes Erkenntnissen vor allem mit tierischen Krankheitserregern gearbeitet worden war, nahm er an, „dass die bakteriologische Waffe der Franzosen zur Unter- stützung des von den Engländern gedachten Wirtschafts- krieges und der Aushungerung Deutschlands gedacht war“.

Nachdem er sich bei der Evaluierung des französischen Instituts bewährt hatte, wurde Kliewe Mitte Januar 1941 „zur Bearbeitung aller Fragen des B.-Krieges“ an die Militärärzt- liche Akademie nach Berlin versetzt. Da es entgegen den „Erkenntnissen“ des britischen Geheimdienstes zu diesem Zeitpunkt noch kein für die Durchführung von Biowaffen- Experimenten geeignetes Institut der Wehrmacht gab, wurde Kliewe im Hygienisch-bakteriologischen Institut der Akademie eine eigene Abteilung eingerichtet. Die blieb aber verhältnis- mäßig klein und war auch nicht sonderlich ausgerüstet, geschweige denn für Arbeiten mit dual-threat-Agenzien geeignet. Aufgrund seiner Erfahrungen in Frankreich war Kliewe für Biowaffenaktivitäten äußerst motiviert, zumal er meinte, „die Gefahr, dass England in seiner Verzweiflung den Bakterien-

121 Eine Seite aus Kliewes Auswertung der im „Laboratoire de Prophylaxie“ erbeuteten Akten Quelle: NACP,RG 319, Box 1, Folder BW 2. Blatt :21–26.

122 krieg anwendet, ist recht groß. Es wurden deshalb, fußend auf französische[n] Untersuchungen, entsprechende Vorberei- tungen getroffen, um jederzeit in der Lage zu sein, die Bakterienwaffe als Gegenmaßnahme anzuwenden“. Ein Schwerpunkt von Kliewes Arbeiten waren Untersuchun- gen über die synergistische Wirkung von chemischen Kampfmitteln und Milzbrandbakterien. Solche Versuche waren ja nach Kliewes Erkenntnissen auch in Frankreich durchgeführt worden. Außerdem hatte Kliewe von einem französischen Kollaborateur erfahren, „dass die Engländer den Einsatz einer Kombination von Senfgas und Bakterien beabsichtigten“ — was wieder eine Falschmeldung war. Darüber hinaus versuchte Kliewe auch andere französische Arbeiten zu wiederholen bzw. weiterzuführen, etwa Versuche, Anthrax-Sporen mittels Metallsplittern zu verbreiten oder in Ampullen verschiedener Form und Größe gefüllt, mit denen Bomben oder Granaten beschickt werden sollten. Weitere Arbeiten schlossen auch Versuche zur Erhöhung der Überlebensfähigkeit verschiedener Bakterienarten ein, sowie Experimente zur Vergrößerung der Hitzeresistenz von Bacillus anthracis. Nicht zuletzt durch Personal- und Raum- mangel bedingt, konnten diese experimentellen Arbeiten aber nur in recht bescheidenem Ausmaß durchgeführt werden. Vor allem entwarf Kliewe mehrere Konzepte für die Anwendung biologischer Kampfmittel. So diskutierte er erstens den Einsatz der Erreger von Anthrax, Typhus, Ruhr, Cholera, Tularämie, Pest und Rotz. Deren Ausbringung, etwa zur Verseuchung zentraler Wasserreservoirs, sei jederzeit durch Agenten möglich; andere Einsatzmöglichkeiten würden die Durchführung entsprechender Feldversuche voraus- setzen. Daneben könne zweitens innerhalb weniger Wochen eine Verwendung von Läusen erfolgen, die mit Fleckfieber- Erregern infiziert sind. Drittens sei in kürzester Zeit der Einsatz von Gemischen aus Anthrax-Sporen und chemischen Kampfstoffen möglich. Im gleichen Zeitraum könnten auch die Erreger von Hühnercholera, Maul- und Klauenseuche

123 und anderer Tierkrankheiten eingesetzt werden, Rinder- pestviren jedoch nur dann, wenn die deutschen Viehbestände dadurch nicht gefährdet würden. Milzbrandsporen könnten direkt von Flugzeugen aus versprüht werden. Alternativ könnten sie in hunderte von Glasröhr- chen gefüllt und diese in Fliegerbomben eingebracht werden. Pest-Erreger könnten dadurch verbreitet werden, dass man von Flugzeugen infizierte Kadaver von Ratten, Meerschwein- chen oder Mäusen abwirft, die dann von Ratten und möglicherweise auch Katzen gefressen werden. Eine andere Möglichkeit sei der „Abwurf von Ratten von Flugzeugen, die mit Pestbazillen infiziert sind, in sich selbst öffnenden, an Fallschirmen befestigten Behältern“. Denkbar sei auch Abwurf von pestinfizierten Ratten in Glasbehältern. „Die Tiere werden getötet, wenn die Gefäße auf den Boden aufschlagen. Daraufhin verlassen die infizierten Flöhe die Rattenkadaver und suchen sich tierische oder menschliche Wirte“. Weil sich Kliewe vor allem für Verfahren zur Ausbringung von Biokampfstoffen interessierte, nahm er auch mit größtem Interesse ein 37seitiges Manuskript „Über den Bakterien- Krieg“ zur Kenntnis, das der japanische Oberfeldarzt Dr. Enryo Hojo im Jahre 1941 der Sanitätsinspektion übergeben hatte. Hojo, der seit Februar dieses Jahres als Medizinischer Attaché an der japanischen Botschaft in Berlin tätig war, machte unter anderem Angaben über den enormen Aufwand, der erforderlich sei, um beispielsweise eine Tonne getrockneter Typhuserreger herzustellen. Das veranlasste Kliewe zu der Schlussfolgerung, wenn man offensiv bakterio- logische Kriegsführung betreiben wolle, müsse man zur Pro- duktion der verwendeten Bakterien eine ganze Fabrik bauen. Zu Hojos Ausführungen hinsichtlich der Möglichkeiten zur Ausbringung der biologischen Kampfmittel, formulierte Kliewe eine Reihe von Detailfragen. Unter anderem wollte er von Hojo wissen, ob „die Keime, die mit Bomben oder Kanonenkugeln ausgestoßen werden, nicht durch die Explosionshitze abgetötet“ werden, wie „man mit dem

124 Gewehr Keimerreger (Tetanus, Gasbrand, Melitensis, Tular- ämie, Pest usw.) verschießen“ kann und ob „Pestbazillen vor- teilhafter durch infizierte Flöhe allein oder durch ausgesetzte infizierte Ratten verbreitet“ werden. Außerdem wollte Kliewe wissen, woran man erkenne, „dass der Feind Keime versprüht oder verregnet hat? Wie erfolgt der Nachweis der Keime in der Luft?“ — zwei Fragen, die auch heute noch nicht zur Zufriedenheit der Militärs beantwortet werden können. Hojo beantwortete Kliewes Fragen aber nicht und gab in sei- nem Manuskript auch keinerlei Hinweise zu dem japanischen Biowaffenprogramm, obwohl er vor seiner Abkommandierung nach Berlin mit General Ishii, dem Chef der japanischen Biowaffenaktivitäten, zusammengearbeitet hatte. Aber sol- che Angaben hätten vermutlich auch nicht viel genützt. Denn in der Zwischenzeit, Ende Mai oder Anfang Juni 1942, erfuhr Kliewe, „dass der Führer neuerdings entschieden habe, der Einsatz von Bakterien sei nicht beabsichtigt“.

125 Aber Japan schreckt nicht vor biologischer Kriegsführung zurück 50

as von Shiro Ishii unter dem Eindruck des Genfer DProtokolls gestartete japanische Biowaffenprogramm lief zu dieser Zeit bereits auf vollen Touren. Ishii konnte in Tokio, vor allem aber fernab vom Mutterland in Japans Marionettenstaat Mandschukuo zunächst in Harbin, dann in der weniger belebten Gegend von Beijinge und schließlich ab 1936 in Pingfan Forschungs- und Produktionsstätten gewaltigen Ausmaßes für Biowaffen errichten. In Pingfan, etwa 20 km südlich von Harbin, etablierte er die „Unit 731“; die zur Tarnung „Amt für Wasserreinigung der Kwangtung-Armee“ genannt wurde. Hunderte, vielleicht sogar Tausende japani- scher und koreanischer Wissenschaftler und Techniker führten in dem aus mehr als 150 Gebäuden bestehenden Komplex an mehr als 10.000 Kriegsgefangenen Versuche durch, in denen die Eignung verschiedenster Krankheitserreger sowie von Botulinum-Toxin und Tedrodotoxin, dem Gift des Kugel- fisches, als Kampfmittel untersucht wurde.

Als besonders geeignet wurden die Erreger von Pest, Ruhr, Typhus und Milzbrand eingeschätzt. Mindestens 3000 Häftlinge fielen den grausamen Versuchen zum Opfer.

SHIRO ISHII UND MITARBEITER UNTERSUCHTEN DIE ERREGER VON:

Bruzellose Milzbrand Russische Frühjahrs- Cholera Paratyphus Sommer- Fleckfieber Pest Enzephalitis Gasbrand Pocken Tetanus Influenza Rinderpest Tsutsugamushi -Fieber Koreanisches Rotz hämorrhagi- Tuberkulose Ruhr sches Fieber Tularämie Melloidose Typhus

126 Vom US-amerikanischen Nachrichtendienst nach dem Zweiten Weltkrieg angefertigter Lageplan der Einrichtung in Pingfan Quelle: Tsuneishi 1985, S. 189

127 Die „Unit 731“ war zwar die bekannteste, aber nicht die ein- zige japanische Biowaffeneinrichtung. Seit 1935 existierte in der Nähe von Changchun die „Unit 100“, die offiziell die Aufgabe hatte, Militärpferde vor Infektionen zu schützen. Auf einer Fläche von etwa zwanzig Quadratkilometern wurden von mehr als 1000 Mitarbeitern die Erreger von Tierseuchen sowie Pflanzenkrankheiten als potenzielle Biowaffen bearbeitet. In der „Unit 100“ wurden beträchtli- che Mengen von Krankheitserregern produziert, darunter jährlich allein 1000 kg Milzbrandbakterien. Für damalige Verhältnisse war das sehr viel. Weitere größere Einrichtungen, die sich mit biologischer Kriegsführung beschäftigten, gab es unter anderem in Nanjing (Nanking, „Unit 1644“), Guanzhou (Kanton, „Unit 8604“) und Beijing (Peking, „Unit 1855“), sowie in Rangun, Singapur und möglicherweise auch in Shanghai. Zur Verbreitung der Erreger wurden mindestens acht verschiedene Bomben-Typen entwickelt und erprobt, zum Teil in geschlossenen Räumen, zum Teil aber auch auf verschiedenen ausgedehnten Testgeländen. Darüber hinaus wurden für Biosabotageakte geeignete Instrumente entwickelt und produziert, beispielsweise Spazierstöcke, die Pestflöhe enthielten und als Füllfederhalter getarnte Spritzpistolen für Bakteriensuspensionen. Die Japaner erwogen außerdem den Einsatz „lebender Bomben“: Kriegsgefangene und internierte ausländische Zivilisten sollten mit geeigneten Pathogenen infiziert und hernach in die Heimatländer entlassen werden. Ob das dann auch in die Tat umgesetzt wurde, ist nicht bekannt.

Die Deutschen waren über die intensiven Biowaffenakti- vitäten ihrer Verbündeten ebenso wenig informiert wie die Kriegsgegner. Die spärlichen Informationen, die ins Ausland drangen oder die der „Abwehr“ von einem sowjetischen Überläufer übermittelt wurden, nahmen sie anscheinend nicht ernst. Als im April 1942 unter Bezug auf eine Presse-

128 Vom amerikanischen Geheimdienst entworfene schematische Darstellung der Uji-Porzellanbombe, die für den Einsatz biologischer Kampfmittel konstruiert worden war. Quelle: NACP,RG 319, 9 8 E 13.

129 konferenz des chinesischen Informationsministers nach Berlin gemeldet wurde, „Die Japaner sind zum Bazillenkrieg übergegangen“ und hätten Pestbakterien über Changtzeh verbreitet, fragten die Deutschen lediglich bei der japani- schen Botschaft nach. Die teilte ihnen mit, dies sei eine Lüge. Damit gab man sich zufrieden. Nach dem Zweiten Weltkrieg sagte der zivile Koordinator der deutschen B-(Schutz-) Aktivitäten Professor Kurt Blome im Verhör aus, er habe sich bei Himmler nach etwaigen japanischen Biowaffenforschungen erkundigt. Der Reichs- führer SS habe daraufhin den Sicherheitsdienst auf das Thema angesetzt, aber das sei erfolglos geblieben.Tatsächlich meinte Shiro Ishii in einem Verhör, er „glaube nicht, dass die Deutschen viele Informationen aus Japan erhalten haben. Die Deutschen waren an solchen Angaben sehr interessiert, sie wurden aber immer hingehalten.“

130 Falschmeldung bewegt Hitler zu weitreichender Entscheidung 51

achdem man von den Franzosen gelernt hatte, dass Nbiologische Kampfmittel aussichtsreiche Waffensysteme sind, an denen vermutlich auch die anderen Kriegsgegner arbeiten würden, startete man in Deutschland nicht nur eigene Arbeiten auf diesem Gebiet, sondern versuchte gezielt und verstärkt Informationen über entsprechende gegnerische Aktivitäten zu sammeln.

Der Inhalt dieser Informationen bestand aus viel Dichtung und wenig Wahrheit. Von „vertrauenswürdiger ungarischer Seite“ wurde beispielsweise Ende 1940 mitgeteilt, dass „England demnächst in Deutschland, Ungarn und Rumänien Cholera- u.Typhus-Epidemien hervorrufen“ werde. Im August 1941 meldete ein V-Mann, in den Londoner Krankenhäusern „St. Bartholomew-the-Great sowie St. Thomas sind ausge- dehnte Züchtungen vorgenommen worden von: 1. ‚Glanders’ -Kulturen (Rotzkulturen gegen Pferde), 2. ‚Spenitis’- Kulturen (Milzbrandsporen), es handelt sich hierbei nur um Sporen, 3. Pestbazillen, 4. Ruhrbazillen“. Milzbrandsporen seien das beste Kampfmittel. „Als nächstbestes Bakterienmittel wurde der Pestbazillus erkannt, danach kommen die Rotzkulturen gegen die Pferde und zuletzt der Ruhrbazillus.“ Im Januar 1942 ging ein weiterer ausführlicher Bericht über angebliche britische Biowaffenexperimente ein, in dem es unter anderem heißt: „Seit August 1941 sind auf Verlangen der Londoner Stäbe Bazillenversuche in Kanada im Gange.“

Die Behauptungen waren völlig aus der Luft gegriffen, wurden in Deutschland aber für bare Münze genommen. Das galt auch für einen Bericht, den die „Abwehr“ im April 1942 erhielt. Demzufolge seien in den USA Versuche mit Texas- Zecken und Kartoffelkäfern durchgeführt worden, die von Flugzeugen aus verstreut wurden. Die US-Experten seien zu

131 Falschmeldung der Abwehr vom 30. April 1942, die Hitlers Entscheidung gegen den Biokrieg auslöste Quelle: NACP,RG 319, Box 2, Folder BW 8, Blatt 1834014–15.

132 Erstmalige offizielle Mitteilung von Hitlers Verbot der Vorbereitung aktiver biologischer Kriegsführung Quelle: NACP,RG 319, Box 3, Folder BW 14, Blatt 61.

133 der Einschätzung gekommen, dass die deutsche Nahrungs- mittelproduktion wirksamer mit Insekten als mit Bakterien gestört werden könne. „Durch den Insektenkrieg verspricht man sich in kurzer Zeit viel mehr durch Schädigung der Nahrungsversorgung als durch Bakterienübertragung. Einsatz daher bei Insekten bald wahrscheinlich, bei Bakterien dagegen nicht.“ Dem Bericht zufolge seien drei Experten in den letzten Märztagen mit einem B-24 Bomber nach England geflogen. „Sie nahmen mit: a) in einigen Kisten insgesamt ca 15.000 St. Kartoffelkäfer (Coloradokäfer) und b.) eine Kiste mit Texas-Zecken. In der zweiten Aprilwoche fliegt eine weitere Sendung ab“. In ausgedehnten Versuchen seien nur mit diesen beiden Insekten wirklich befriedigende Resultate erzielt worden. Ihre Übertragung auf weite Flächen gelingt in einem hohen Prozentsatz durch Abwurf aus dem Flugzeug in bestimmten Monaten leicht. Nunmehr stehe der Abwurf sowohl großer Mengen Kartoffelkäfer, als auch der Texas- Zecke unmittelbar bevor. Das war eine Falschmeldung, was die Deutschen aber nicht wissen konnten. Speziell die Erwähnung der Kartoffelkäfer klang glaubhaft, denn man wusste ja inzwischen, dass die Franzosen Kartoffelkäfer als Kampfmittel in Aussicht genommen hatten.* Die Meldung wurde deshalb bis zum Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeld- marschall Wilhelm Keitel, hochgereicht, und der legte sie Hitler vor. Hitler fasste daraufhin, nach Vorlage dieser Falschmeldung, den historisch bedeutsamen Beschluss, „dass unsererseits Vorbereitungen für einen Bakterienkrieg nicht zu treffen sind“. Dass es ausgerechnet eine Falschinformation der „Abwehr“ war, die Hitler zu dieser schwerwiegenden Entscheidung veranlasste, ist ein echter Treppenwitz der Weltgeschichte.

* Wie der Informant aber auf „Texas-Zecken“ kam ist völlig unklar. Sie werden nir- gendwo in der einschlägigen Literatur als potentielle Kampfmittel oder als Überträger für solche erwähnt.

134 Das Verbot wurde später mehrfach wiederholt und präzisiert. Auch nachdem Überläufer „sensationelle Informationen“ über angebliche sowjetische Biowaffenaktivitäten übermittelt hatten, entschied Hitler laut einer Eintragung im Tagebuch des Wehrmachtführungsstabs (WFSt) erneut, „dass bei uns nichts dergleichen unternommen werden soll“. An dieser Festlegung änderte sich auch nichts, nachdem vom WFSt Anfang 1943 eingeschätzt worden war, dass sich inzwischen die Lage geändert habe, „da Russland, England und Amerika einen Angriff mit B-Mitteln zu planen scheinen und Frankreich ihn vorbereitet hatte“. Selbst gegen den Einsatz von Agenten hatte sich Hitler entschieden. Als der WFSt am 23. Februar 1943 vorschlug, „unbeschadet der Absicht, den B-Krieg nicht zu führen, Vorbereitungen zu treffen, die nach kurzem Anlauf einen wirksamen Gegenschlag mit B-Mitteln erlauben“ und die Frage aufwarf, „ob durch Agenten B-Mittel schon jetzt im Hinterlande eingesetzt werden sollen“, wurde im Tagebuch des WFSt notiert: „Der Führer lehnt den Einsatz von Agenten scharf ab“. Auch das ist sehr erstaunlich, denn erst ein Jahr zuvor hatte Hitler von der „Abwehr“ gefordert, zumindest in den USA eine umfassende Agententätigkeit aufzunehmen. Zudem waren inzwischen auch wieder zwei alte Biosabotage- Praktiker für die „Abwehr“ tätig, die beiden früheren Chefs der Sektion Politik, Hans Marguerre und Rudolf Nadolny. Kliewe sprach dieses Thema in einem Gespräch mit Marguerre sogar explizit an, denn der war wieder in einer für „Sabotage und Zersetzung“ zuständigen Dienststelle tätig, der „Abteilung I“ der „Abwehr“. Anschließend notierte Kliewe: „Ob unse- rerseits noch eine andere Stelle besteht, die mit B.-Mitteln arbeitende Agenten einsetzt, ist Oberst M. unbekannt. Der Führer habe jede Agententätigkeit verboten, deshalb glaube er es nicht“. Warum Hitler aktive Biokriegsvorbereitungen untersagt und dieses Verbot nicht aufgehoben hatte, bleibt bis heute im Dunklen.52 Möglicherweise wurde er von drei gänzlich unter-

135 schiedlichen Beweggründen bestimmt: Von seiner ausge- sprochenen Furcht vor Bakterien, von einer — durchaus begründeten — Angst vor gleichartigen Vergeltungsschlägen der Kriegsgegner und von einer — für ihn völlig untypischen — Vertragstreue zum Genfer Protokoll von 1925. Die mutmaßliche Vertragstreue bezog sich allerdings nur auf das in diesem Abkommen vereinbarte Verbot der biologischen Kriegsführung. An Vorbereitungen zum chemischen Krieg war Hitler dagegen sehr interessiert, obgleich er chemische Kampfstoffe schließlich auch nicht einsetzen ließ. Vielleicht hat Hitler aber auch geahnt, dass mit der Meldung über den bevorstehenden Einsatz von Kartoffelkäfern etwas nicht stimmte: Wie André Brissaud in seiner Biographie von Geheimdienstchef Wilhelm Canaris erwähnt, habe Hitler im Oktober 1942 Keitel gegenüber geäußert: „Dieser Canaris ist ein Dummkopf. Er fällt auf alles herein, was die Amerikaner ihm auch vorsetzen... Verschonen Sie mich mit den Berichten der Abwehr, das sind alles Defätisten, ihre Informationen sind stets irreführend.“53 Hitler hatte aber im Zusammenhang mit dem Verbot offensi- ver Biokriegsvorbereitungen „äußerste Bemühungen um Abwehrmittel und Abwehrmaßnahmen gegen etwaige Feind- angriffe mit Bakterien“ gefordert. Daraufhin wurde nun auch in Deutschland erstmals eine militärische Organisation gegründet, die sich mit dem Schutz vor biologischen und Toxin-Kampfmitteln beschäftigen sollte, die „Arbeitsgemein- schaft Blitzableiter“. Ihr gehörte auch Heinrich Kliewe an. Dies erwies sich nachträglich als großer Glücksumstand für die Historiker: Der inzwischen zum Oberkriegsarzt beförderte Bakteriologe führte ausführlich Protokoll, sowohl über die Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft als auch über sonstige Besprechungen zu Fragen der biologischen Kriegsführung. Darüber hinaus legte er eine umfangreiche Sammlung von Geheimdienstberichten an. Bei Kriegsende versteckte er die Dokumente im Keller eines bayerischen Klosters, wo sie aber von Experten der angloamerikanischen „Alsos-Mission“

136 Erste Seite von Kliewes Inhaltsverzeichnis seines Ordners mit Geheimdienst- berichten aus Frankreich Quelle: NACP,RG 319, Box 1, Folder BW 2.

137 entdeckt wurden. Diese stuften das Material als „geheim“ ein und brachten es in die USA, wo es heute im Nationalarchiv frei zugänglich ist. So haben wir dank Kliewes Sammeleifer die Möglichkeit, ein weitgehend lückenloses Bild über die deutschen Biowaffenaktivitäten zeichnen zu können. Die „Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter“ war aber nur für den militärischen B-Schutz verantwortlich. Parallel zu ihrer Gründung wurde der stellvertretende Reichsärzteführer Professor Kurt Blome als ziviler Koordinator von Biowaffen- aktivitäten berufen. Blome baute ein personelles und institu- tionelles Netzwerk auf, aus dem man verlässlich schließen kann, welche deutschen Institute mehr oder weniger intensiv in Biowaffenaktivitäten einbezogen waren, erklärtermaßen zu Fragen des B-Schutzes (Tabelle). Voraussetzung für die von Hitler befohlene Verstärkung der Schutzmaßnahmen war natürlich eine bessere Kenntnis der gegnerischen Biowaffenaktivitäten. Deshalb versuchte man, besonders wichtige Informationen gezielt zu beschaffen. Kliewe stellte für die „Abwehr“ entsprechende Fragen zusammen.

Heinrich Kliewes Fragen an die „Abwehr“

1. Gibt es in England oder Amerika Institute oder Einrichtungen, die sich mit dem B.-Krieg befassen, wo und welche? 2. Sind Namen von Professoren oder anderen Personen bekannt, die sich mit dem B.-Krieg beschäftigen oder in den letzten Jahren be- schäftigt haben? 3. Welche Arten von Bakterien kommen in Frage und welche werden für besonders geeignet gehalten? 4. Ist Masseneinsatz oder Anwendung von Agenten vorgesehen? 5. Sind besondere Methoden und Geräte für die Ausbringung von B.- Material vorhanden und welche? 6. Glaubt man bei den Feindmächten, dass die Achsenmächte den B.- Krieg vorbereitet haben und sind Schutzmaßnahmen vorgesehen? 7. Ist der Einsatz von Tierseuchenerregern oder Pflanzenschädlingen, insbesondere von Kartoffelkäfern geplant und vorbereitet?“

138 Präzise Antworten auf diese Fragen vermochte die „Abwehr“ nicht zu geben. Die Deutschen hatten — bis auf ganz wenige Ausnahmen — keine Ahnung, in welchen Einrichtungen durch welche Experten im Ausland Biowaffenaktivitäten betrieben wurden. Nicht eine der acht Biowaffeneinrichtungen Großbritanniens, Kanadas und der USA konnte identifiziert werden. Dagegen entdeckte die „Abwehr“ eine ganze Reihe angeblicher Biowaffeninstitute der Kriegsgegner. Das waren aber Einrichtungen, die sich entweder nicht mit biologischen Kampfmitteln, sondern mit chemischen Waffen beschäftigten oder die überhaupt nicht existierten. Die deutschen Agenten fanden zwar heraus, dass Bacillus anthracis als Kampfmittel untersucht würde, aber das war ja nach den in Frankreich gemachten Erfahrungen naheliegend. Die intensiven Arbeiten zur Produktion und Mu- nitionierung von Botulinum-Toxin entgingen ihnen dagegen.

Ein im Grunde ähnlicher Fragebogen wurde 1944 vom briti- schen Geheimdienst ausgearbeitet. Aber der nützte ebenfalls nicht viel. Die Kriegsgegner hatten keine Ahnung von Deutsch- lands Zurückhaltung auf diesem Gebiet. Von Hitlers Verbot wussten sie ebenso wenig wie von Ausmaß und Inhalt der Einbeziehung militärischer und ziviler wissenschaftlicher Ein- richtungen in B-Schutz-Aktivitäten. Dagegen orteten sie eine Reihe angeblicher deutscher Biowaffeninstitute, die es über- haupt nicht gab, und waren fälschlicherweise überzeugt davon, dass in Deutschland Anthrax-Sporen und Botulin als Kampf- mittel hergestellt und für den Einsatz vorbereitet würden.

Wenn es den Geheimdiensten beider Seiten gelungen wäre, auch nur halbwegs präzise Antworten auf die ihnen gestellten Fragen zu beschaffen, dann hätte dies zu überraschenden Wendungen führen können. Die Westalliierten hätten viel- leicht ihre Biowaffenaktivitäten drastisch reduziert; die Deutschen dagegen hätten es vielleicht geschafft, Hitler umzustimmen und doch biologisch aufzurüsten.

139 Dem deutschen Nachrichtendienst im März 1944 in die Hände gefallene Zusammenstellung von Fragen des britischen Geheimdienstes Quelle: NACP,RG 319, Box 2, Folder BW 8, Blatt 1834049

140 Aber noch nach Kriegsende waren die USA davon über- zeugt, dass die Deutschen ein offensives, von ihnen nur noch nicht entdecktes Programm betrieben hatten — vielleicht hinter der Elbe, also in den von der Roten Armee besetzten Gebieten. In einer gemeinsam vom Chef des Biowaffenkomi- tees, George W.Merck, und führenden Geheimdienstoffizieren vorgenommenen Analyse hieß es: „Deutschland ließ bei der Suche nach und Entwicklung von neuen Offensivwaffen wie Tanks, Schnellfeuerwaffen, weitreichenden Kanonen, V-Waffen und anderen nichts unversucht. Deshalb müssen wir damit rechnen, dass sie auch die Möglichkeiten so neuartiger Kampfmittel wie biologische Waffen gründlich erkundet haben“.54 Erst Jahre später hieß es dann selbstkritisch in einem offiziellen Bericht der US-Armee über die Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg, die Erkenntnisse der Alsos-Mission hätten ergeben, „dass die Wahrheit hinsichtlich der deutschen Biowaffenaktivitäten erheblich von früheren Geheimdienst- berichten abwich.“55

Insofern ist nicht verwunderlich, dass die Westalliierten auch nichts genaues darüber wussten, ob und was ihre sowjeti- schen Verbündeten auf diesem Gebiet trieben. Aus einem ausführlichen, erst nach dem Krieg zusammengestellten Bericht des Nachrichtendienstes der US-Marine geht hervor, dass sie sich im wesentlichen auf die — nicht sehr zuver- lässigen — Informationen stützten, die die Alsos-Mission Kliewes Akten und Zeugenaussagen entnahmen, sowie auf die Aussagen von drei amerikanischen Offizieren, die ab 1943 in der Sowjetunion Dienst taten und „die glauben, dass die Russen an Biowaffenaktivitäten beteiligt sind“.56 Eine Kooperation der westlichen und östlichen Alliierten gab es auf diesem Gebiet jedenfalls nicht — obwohl die „Abwehr“ beispielsweise fälschlicherweise meldete, im September 1943 hätten sich amerikanische und russische Wissenschaftler in Kairo getroffen, um den B.-Krieg weiter vorzubereiten.

141 estflöhen (o) ? est-Erregern (d) BW-ARBEITEN AN BW-ARBEITEN (o/d) MKS-Viren ? (d) Rinderpest-Viren Milzbrand-Erregern(o) Modellbakterien u.a. Kartoffelkäfern (d / o?) Kartoffelkäfern (o) bei Kriegsende noch unvollendet (o/d) Mücken P P Unkrautsamen (o) Aus- bei Kriegsende erst schachtungsarbeiten z H. Bauer, von Winning, . H.C. Nagel, Riedel , ,E Denckmann, Hj. G. K.J. Gross K.J. Gross, H. Seel V. , , Ochs, Wichmann , ldmann Wa opov, W. Reimer WISSENSCHAFTLER O. E. Traub, W. Schäfer H. Kliewe, M. Schwartz Eichler, W. Rothmaler, O. Schwar H. Stubbe, K. Blome K. Sellke Bayer K. Blome E. May H. Gildemeister, P ehrmacht ehrmacht ZUORDNUNG Reich W Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft ??? Reich Institut für wehrwissenschaftliche Waffen-SS Zweckforschung der W Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Reich GRÜNDUNG 1910 1940 1940 ??? 1942 1942 1943 1943 1944 deutsche Institute und Wissenschaftler. deutsche Institute und osen- uttenhof ORT Insel Riems Berlin Kruft bei Koblenz ??? P Nesselstedt Dachau Sachsenburg bei Frankenberg T bei Wien Geraberg bei Ilmenau Während des 2. beteiligte an Biowaffen-Aktivitäten Weltkrieges INSTITUT Reichsforschungsanstalt Insel Riems Abteilung Kliewe, Militärärztliche Akademie Kartoffelkäfer-Forschungs- station ??? Zentralinstitut für Krebs- forschung Institut für Entomologie Institut für Mikrobiologie Institut für Kulturpflanzen- forschung Reichsinstitut für Grenzge- biete der Medizin

142 Man muss sich einmal selbst angreifen ... 57

erstärkte B-Schutz-Anstrengungen hatte Hitler Valso gefordert, als er Vorbereitungen zur biologischen Kriegsführung untersagte. Aber B-Schutz-Aktivitäten sind eine heikle Angelegenheit, denn sie liefern offensives Know- how — selbst wenn sie wirklich reinen Gewissens zum Schutz von Militärs oder gar der Zivilbevölkerung betrieben werden. Das wussten die Deutschen schon lange. Bereits 1924 erkannte der Chef der Inspektion der Artillerie Major Auer, die Vorbereitung von Abwehrmöglichkeiten setze „auch die Kenntnis und Erforschung der Wege voraus, die ein vom Bazillenkrieg aktiv Gebrauch machender Feind mit Erfolg einschlagen kann und wird“. Diese Erkenntnis zieht sich durch die gesamte neuzeitliche Geschichte der biologischen Kampfmittel. Beispielsweise wurde am 9. März 1943 in einer Besprechung über die von Hitler geforderten verstärkten Schutzmaßnahmen beim Wehr- machtführungsstab festgestellt: „Da erfolgversprechende Schutzmaßnahmen nicht angegeben werden können, ohne dass bekannt ist, mit welchen Ausbringungsverfahren die Bakterien im Masseneinsatz eingesetzt werden können, ist es notwendig, dass unsererseits Versuche durchgeführt werden. ‚Man muss sich einmal selbst angreifen, um die Schutzmaß- nahmen richtig beurteilen zu können’.“ Aber das waren nicht nur deutsche Einschätzungen: Das Komitee für biologische Kriegsführung der USA meinte am 16. Juni 1942, „die Vorbereitung von Verteidigungsmaßnah- men erfordert eine Kenntnis der offensiven Möglichkeiten, und wenn solches Wissen nicht aus Erfahrung abgeleitet wer- den kann, muss es in sorgfältigen Untersuchungen gewonnen werden“. Und Sicherheitsberater Henry A. Kissinger stellte am 25. November 1969 klar, dass die kurz vorher von Präsident Nixon erlassene Beschränkung der USA auf rein defensive Biowaffenaktivitäten „die Erforschung solcher offensiven Möglichkeiten bakteriologischer/biologischer Agenzien nicht

143 aus[schließt], die notwendig sind, um die Anforderungen an defensive Maßnahmen ermitteln zu können.“ Mit ähnlichen Zitaten könnte man fast ein ganzes Buch füllen.

Feldversuche hinter Hitlers Rücken Entsprechend nutzten auch deutsche Biowaffen-Experten das Argument, für den B-Schutz die offensiven Potenziale dieser Kampfmittel erforschen zu müssen, um trotz des Führerbefehls zu erproben, wie man dual-threat-Agenzien am besten verbreiten könnte. Wenige Wochen nachdem Kliewe über Hitlers Entscheidung informiert worden war, führte er mit Unterstützung durch die Luftwaffe Anfang Juli 1942 einige Feldversuche auf dem Versuchsgelände Munster-Lager durch. Genehmigen ließ er sich diese Experimente mit dem Argument, er „könne keine Schutzmaßnahmen angeben, wenn [er] nicht wüsste, ob ein Verfahren Sinn und Zweck habe“. In einem ersten Versuch wurden von einem Flugzeug aus 300 Liter Bouillon abgereg- net, die Serratia marcescens enthielt. Auf dem Boden hatte man zuvor Schalen mit Nährmedien aufgestellt, mit denen die versprühten Bakterien aufgefangen werden sollten. Der Versuch schlug allerdings fehl: in den Schalen konnten keine Bakterienkolonien nachgewiesen werden. Kliewe vermutete, dass die Bakterienwolke vom Wind abgetrieben worden war. In zwei weiteren Experimenten wurden Behälter aus 550 bzw. 150 m Höhe abgeworfen, die mit Hobelspänen, Häcksel und anderen Materialien gefüllt waren und die sich in 500 bzw. 100 m Höhe selbständig öffneten. Über die Versuche mit den Hobelspänen ist kein Ergebnisprotokoll mehr vorhan- den. Nach Verbreitung des Häcksels beobachtete Kliewe, dass die Halme über eine Fläche von 1 bis 1½ km ganz unregelmäßig verteilt lagen. Kliewe schloss daraus, dass aus größerer Höhe versprühte Bakterienwolken schwer lenkbar sein dürften. Die Versuche durften wegen eines Einspruchs der Gasschutzabteilung nicht wiederholt werden, und zwar aus Kompetenzgründen.

144 Offensichtlich erfuhr der britische Geheimdienst von Kliewes Feldversuchen, und die Deutschen wiederum bekamen mit, dass die Briten über diese Information verfügten. Dies ist eines der ganz wenigen Beispiele aus der Biowaffengeschichte, wo die Geheimdienste tatsächlich einmal korrekte Informationen beschafft hatten. Pech war, dass gerade diese Informationen verhältnismäßig wertlos waren. Immerhin dürften sie die Briten in ihrer Annahme bestätigt haben, dass die Deutschen nach wie vor den Biokrieg vorbereiteten. Kliewe beschäftigte sich darüber hinaus mit weiteren Möglichkeiten des Einsatzes biologischer Kampfmittel. Im Oktober 1942 beschrieb er Verfahren zur Verseuchung von Wasserreservoiren. Hierfür geeignete Bakterien sollten in kleine Behälter gefüllt werden, die sich im Wasser auflösen und dann die Erreger freisetzen. Dies wurde mit Gelatine versucht, was sich aber als ungeeignet erwies. Erfolgver- sprechender war die Verwendung von einem Material, das üblicherweise zur Herstellung von Zäpfchen verwendet wurde. Mit B-Schutz hatten solche Aktivitäten natürlich nichts zu tun. Das gleiche gilt für einige Feldversuche, die von Mitglie- dern der Arbeitsgemeinschaft „Blitzableiter“ mit Kartoffelkä- fern und Maul- und Klauenseucheviren durchgeführt wurden.

„Gegen Engeland“ — auch mit Kartoffelkäfern? Schon auf der ersten Sitzung der Arbeitsgemeinschaft am 30. März 1943 meinte der für Pflanzenschädlinge zuständige Regierungsrat Dr. Bayer, für Einsätze gegen England käme hauptsächlich der Kartoffelkäfer in Frage. Dort sei der Abwehrdienst noch nicht organisiert. Es müsste aber noch genauer erkundet werden, wie viel Käfer je Hektar ausge- bracht werden müssten. Wahrscheinlich habe England 400.000 ha Kartoffelanbaufläche, und zu deren Verseuchung seien etwa 20–40 Millionen Käfer notwendig. Zurzeit sei die Züchtung solch großer Mengen unmöglich. Deshalb wolle man im besetzten Frankreich zwei Versuchsanstalten errichten, weil dort der Käfer ja schon heimisch sei.Weiter führte Bayer

145 aus, dass beim Einsatz von Pflanzenschädlingen eine große Streuung erfolgen müsste. Die massive Ausbringung an einer Stelle sei wenig erfolgreich. Am besten wären Tuben geeignet, die noch konstruiert werden müssten. Versuche über die Lebensfähigkeit der Kartoffelkäfer bei den durch Abwurf entstehenden Unterdrucken, hohen Windstärken usw. seien im Gange. Ein Jahr später teilte Bayer dann mit, dass die Abteilung Wissenschaft des Allgemeinen Wehrmachtamtes die Massen- züchtung von Kartoffelkäfern aufgenommen habe. Er ließ allerdings unerwähnt, wo und durch wen, und bis heute ist auch unbekannt, in welcher Einrichtung Bayer damals selbst tätig war. Jedenfalls informierte er das Komitee, dass der Einsatz der Käfer in etwa einem Jahr, also 1944, möglich sei. Als Abwurfgebiet käme die Ostküste Englands in Frage. Zuvor wurden im Oktober 1943 entsprechende Feldversuche durchgeführt. Wie Kliewe notierte, seien insgesamt 14.000 Käfer von einem Flugzeug in 8000 m Höhe freigesetzt wor- den. Bei der anschließenden Suchaktion habe man allerdings nur 57 Käfer wiedergefunden. Erfolgreicher verliefen Versuche mit Holzmodellen von Kartoffelkäfern, die aus 3000 m Höhe verstreut wurden. Warum diesmal Holzmodelle verwendet wurden, bleibt unklar: Waren die leichter zu beschaffen? Oder auf dem Boden besser wiederzufinden? Oder erinnerte man sich an Hitlers Verbot und war nun bereit, es zu befolgen? Jedenfalls sind sie — entgegen anders- lautenden Behauptungen58 — weder gegen England noch gegen andere Gegner eingesetzt worden.

Ganz sicher auch offensiv motiviert waren geheime Versuche mit den Erregern der Maul-und-Klauenseuche (MKS), die ebenfalls trotz Hitlers Verbot in der Zeit zwischen Oktober 1942 und August 1943 durchgeführt wurden. Die dabei eingesetzten Viren waren von der Reichsforschungsanstalt Insel Riems bereitgestellt worden. Sie wurden zu einem Flugplatz an der Ostgrenze Estlands gebracht, dort verdünnt

146 und in den Sprühtank eines dafür umgerüsteten Flugzeugs verfüllt. Anschließend wurde die virushaltige Flüssigkeit in einer Höhe von etwa 20 Metern über einer Insel im Peipussee versprüht, auf die danach Rinder und/oder Rentiere — hier sind die Berichte etwas widersprüchlich — zum Weiden gebracht wurden. Etwa 80 Prozent der Tiere konnten dadurch mit Maul- und Klauenseuche infiziert werden. Im Anschluss an diese Experimente sollten im Jahre 1944 weitere Feld- versuche mit MKS-Viren vorgenommen werden. Dazu kam es aber nicht mehr, weil die Rote Armee vorrückte und ein anderes Testgelände nicht zur Verfügung stand.

Mit Pestratten gegen die USA? Auch Reichsführer-SS Heinrich Himmler ließ sich vom Hitler-Verbot wenig beeindrucken. Er hielt engen Kontakt zum zivilen Bevollmächtigten für die Biowaffenaktivitäten Kurt Blome, der nicht nur die Arbeiten anderer Einrichtungen koordinierte, sondern auch dabei war, in Posen ein Zentral- institut für Krebsforschung aufzubauen. Die Einrichtung sollte ein „dual-use“-Institut werden, wo sowohl Krebsforschung als auch Biowaffenaktivitäten betrieben werden sollten. Das Institut wurde jedoch nicht mehr rechtzeitig vor Kriegsende fertig. Einige der Abteilungen zur Erforschung und Bekämp- fung bösartiger Tumoren arbeiteten zwar bereits, als Posen im Februar 1945 von der Roten Armee erorbert wurde, aber die Labore zur Arbeit mit Bakterien und anderen dual-threat- Agenzien waren noch nicht eingerichtet — zum Glück: Professor Blome war einer der wenigen deutschen Befürworter des Bakterienkrieges und hätte vermutlich keine Hemmun- gen gehabt, offensive Biowaffenaktivitäten zu betreiben, in erster Linie wohl mit Pest-Erregern. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem erwogen, infizierte Ratten an Bord von U-Booten zu nehmen und sie in der Nähe feindlicher Strände freizusetzen, so dass sie an Land schwimmen konnten. Blome führte dazu einen Versuch auf einem Berliner See durch, wo er etwa 30 Ratten von einem Polizeiboot ins Wasser aussetzen

147 ließ. Die Ergebnisse waren aber nicht sehr ermutigend. Im Verhör gab er nach dem Krieg an: „Nach dem Aussetzen ins Wasser hatten die Ratten keine Ahnung, wo der Strand war, und schwammen in unterschiedlichen Richtungen herum“. Von denen, die 100 Meter weit vom Strand abgesetzt wurden, habe nur ein Drittel das Ufer erreicht. Himmler selbst hatte eine andere Idee: Er ließ bei Blome anfragen, ob man die von den besonders robusten Panje- pferden über die Berge des Urals gezogenen sowjetischen Munitionstransporte nicht dadurch empfindlich stören könne, dass man Fallschirmjäger hinter den feindlichen Linien absetzt, die die Tiere mit den Erregern von Rotz oder anderen Tierkrankheiten infizieren. Die Idee wurde aber ebenso wenig in die Tat umgesetzt wie der Vorschlag mit den Pestratten.

148 Die Anthrax-Kekse bleiben im Karton 59

rotz der sich immer schneller drehenden biologi- Tschen Rüstungsspirale kam es auf dem europäischen Kriegsschauplatz während des Zweiten Weltkrieges nicht zum Einsatz biologischer oder Toxin-Kampfmittel — abgese- hen von vereinzelten Sabotageakten und Attentaten. Zunächst versicherten sich alle Seiten bei Kriegsausbruch wechselseitig, sie fühlten sich weiter an das Genfer Protokoll gebunden. Den deutschen Erklärungen wurde aber nicht geglaubt, da die von den falschen Geheimdienstberichten ausgelöste Furcht vor entsprechenden deutschen Vorbereitungen anhielt. Der kanadische Nobelpreisträger Sir Frederick Banting beschwor die Briten: „Wenn die Deutschen Bakterien ein- setzen, müssen die Allierten in der Lage sein, sofort mit dem Hundertfachen zurückzuschlagen.“ Später teilte der amtierende Direktor des Office of Strategic Services den Vereinten Stabschefs mit, er habe aus der Schweiz einen Bericht erhalten, wonach die Deutschen Flugzeuge und Raketen „mit ihrer Geheimwaffe, dem Toxin von Bacillus botulinum beladen“ . Das war wieder völlig aus der Luft gegriffen. Nach dem Krieg erinnerte sich der kana- dische General Brock Chisholm: „Als im Juni 1944 der V1- Angriff gestartet wurde und die erste Flugbombe mit lautem Getöse explodierte, womit sie offenbarte, dass sie nur normalen Sprengstoff enthielt, stießen die Generalstäbler alle einen ungeheuren Seufzer der Erleichterung aus.“ Doch zunächst verfehlte die Falschmeldung über die mit Biowaffen munitio- nierten Raketen ihre Wirkung nicht und veranlasste die westlichen Alliierten zu einer Intensivierung der Biowaffen- aktivitäten, vor allem mit Milzbrandbakterien und Botulin. Bereits am 11. September 1939 war in London der Vorschlag eines Wissenschaftlers aus Newcastle eingegangen, er wolle Milzbrandsporen als Kampfmittel produzieren. Dieses Ange- bot wurde unverzüglich von britischen Experten erwogen, aber abgelehnt: Wenn man Anthrax-Sporen einatme, könne

149 dies zwar gelegentlich eine Infekion auslösen, aber andere könnten dadurch nicht infiziert werden. Bacillus anthracis sei deshalb keine geeignete biologische Waffe. Aber der Sekretär des Medizinischen Forschungsrates Edward Mellanby sah sich durch das Expertengutachten veranlasst, Versuche anzuregen, in denen die Eignung von Krankheitserregern geprüft werden sollte, auf dem Luftwege Infektionen auslösen zu können. Da dies aber im Wider- spruch zum Genfer Protokoll zu stehen schien — was gar nicht der Fall war —, genehmigte der britische Premier- minister zunächst nur Untersuchungen darüber, wie man sich vor solchen Infektionen schützen könnte. Entsprechende Versuche wurden am Nationalen Institut für Medizinische Forschung in London aufgenommen. Gleichzeitig wurde Ende November wieder ein „Komitee zur biologischen Kriegsführung“ ins Leben gerufen, dem bald auch Bantings Forderung nach offensiven Biowaffenaktivitäten vorgelegt wurde. Aber die Briten teilten Bantings Besorgnisse nicht, zumal sie wie ihre deutschen Gegenspieler meinten, durch Verbreitung von Bakterien könne man nicht willkürlich Epidemien auslösen. Viel größer sei — abgesehen von Kriegsseuchen — die Gefahr durch Biosabotageakte. Tatsächlich stellte Kliewe zumindest entsprechende Überle- gungen an und notierte, man könne „in Konserven, Würste, Rauchfleisch, Speck, Käse, Marmelade usw. Botulinumtoxin spritzen“ und „Bier im Fass oder in Flaschen mit Typhus- oder Paratyphusbazillen infizieren“ — allerdings nicht ohne gleichzeitig auf das Führerverbot hinzuweisen. Das war den Kriegsgegnern aber ja unbekannt. Die mussten also entspre- chende deutsche Pläne in Erwägung ziehen. Jedenfalls meinten die britischen Experten, hinsichtlich einer eventuellen biologischen Bedrohung durch Nazi-Deutschland benötige man genauere Informationen. Da in London keine für solche Zwecke geeignete Einrichtungen zu Verfügung standen, sollten die Untersuchungen in Porton Down in der Grafschaft Wiltshire durchgeführt werden. Dort gab es seit

150 Von Kliewe im Juli 1943 vorgeschlagene Möglichkeiten zum Einsatz von Biowaffen für Sabotagezwecke — falls Hitler sein Verbot aufhebe. Quelle: NACP,RG 319, Box 3, Folder BW 14, Blatt 119.

151 1916 eine Forschungsstelle für den Schutz vor chemischen Waffen, die Chemical Defence Experimental Station. In diesem Institut wurde im September 1940 eine biologische Abteilung gegründet, die sich unter ihrem Leiter, dem Bakteriologen Dr. Paul Fildes, zum Zentrum der britischen Biowaffenaktivitäten entwickelte. Sie hatte etwa 45 Mitar- beiter, darunter rund zwölf Wissenschaftler.

Als erfolgversprechendste Kampfmittel für möglicherweise notwendige Vergeltungsaktionen galten Bacillus anthracis, Yersinia pestis und einige andere Pathogene sowie Botulinum- Toxin. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand Bacillus anthracis. Der Milzbrand-Erreger würde zwar keine Epidemien unter der Bevölkerung verursachen, sei aber für eine Art „ökonomischer Kriegsführung“ geeignet, weil er die Rinder- bestände gefährde. Wie zwei Jahre zuvor die deutschen Experten hielt es Fildes allerdings für aussichtslos, die Milzbrand-Erreger einfach über Viehweiden zu versprühen. Statt dessen erfand er eine „Spezialdiät für Rinder“: Anthrax- verseuchtes Trockenfutter, das von Flugzeugen aus abgeworfen werden sollte. Ende 1942 startete die „Operation Vegetarier“ — bald darauf umbenannt in „Operation Aladin“. Am 22. April 1943 lagen fünf Millionen Stück „cattle cakes“ abwurf- bereit verpackt. Jeder einzelne Keks enthielt fünfhundert Millionen Milzbrandsporen, die für Rinder tödliche Menge.

Die Milzbrand-Insel Parallel dazu führten Fildes und seine Mitarbeiter 1942/43 auf der kleinen Insel Gruinard an der Westküste Schottlands Feldversuche mit Milzbrand-Erregern durch. Ziel war es herauszufinden, mit welcher Verlässlichkeit Anthraxsporen auf Schafe tödlich wirken. Mit Bacillus anthracis gefüllte Bomben wurden an Gestellen aufgehängt und zur Explosion gebracht. Die dadurch freigesetzten Bakterienwolken verur- sachten den Tod der meisten, im Umkreis von 450 Metern angepflockten Schafe. Ähnlich erfolgreich verlief ein Versuch

152 Abwurfbereit verpacktes Rindertrockenfutter, das mit Milzbranderregern verseucht worden war. Damit wollten die Angloamerikaner im Zweiten Weltkrieg Vergeltungsangriffe durchführen, falls die Deutschen mit Biowaffen angreifen würden. Quelle: Gradon Carter, Defense Evaluation and Research Agency, Porton Down, Salisbury.

153 mit einer Anthraxbombe, die auf einem Testgelände an der Küste von Süd-Wales von einem Flugzeug abgeworfen wurde. Damit erwiesen sich Milzbrand-Erreger wirksamer als jede chemische Waffe vergleichbarer Größe. Obwohl die Versuche unter Beachtung strenger Sicher- heitsvorkehrungen durchgeführt wurden, kam es im April 1943 auf dem nahegelegenen Festland zu einer kleinen Epidemie: 30–50 Schafe, sieben Rinder, zwei Pferde, und drei Katzen starben an Milzbrand. Ausgelöst wurde diese Epidemie vermutlich von der Leiche eines Versuchstieres, das an die Küste angeschwemmt worden war. Um die Geheim- haltung der Experimente nicht zu gefährden wurde vom britischen Geheimdienst das Gerücht verbreitet, die Seuche sei auf einen Tierkadaver zurückzuführen, der von einem griechischen Schiff ins Meer gefallen sei. Die geschädigten Farmer wurden sogar für ihre Verluste entschädigt — „im Namen der Regierung Griechenlands“. Der Zwischenfall veranlasste Fildes aber vorzuschlagen, dass derartige Versuche nicht mehr auf Gruinard, sondern möglichst bei den nord- amerikanischen Verbündeten durchgeführt werden sollten. Ein völlig unerwarteter Nebeneffekt der Versuche auf Gruinard war, dass zumindest Teile der Insel bis in die achtzi- ger Jahre hinein mit lebensfähigen und folglich infektiösen Anthrax-Sporen verseucht blieben. Erst 1986/87 betrieb die britische Regierung ein aufwendiges Dekontaminierungs- programm der immer noch verseuchten Regionen der Insel mit einer fünfprozentigen Lösung von Formaldehyd in Meer- wasser. Nach der erfolgreichen Entseuchung wurde das Eiland dann im Mai 1990 seinen ursprünglichen Besitzern als nunmehr ungefährlich zurückgegeben.

Ab Ende 1941, nachdem auch in den USA und Kanada geheime Biowaffenkomitees gegründet worden waren, begann allmählich eine Zusammenarbeit der Briten mit ihren nordamerikanischen Verbündeten (eine Kooperation mit den Sowjets gab es auf diesem Gebiet offensichtlich nicht). Auf

154 der Grundlage der britischen Erfahrungen ging es dabei einerseits speziell um Weiterentwicklung und Bau von Milzbrand-Bomben sowie von Bomben, die mit Botulinum- Toxin munitioniert waren, wie auch um die Nutzung von in Nordamerika gelegenen Testgeländen. Außerdem wurden — wenige Wochen nach dem japanischen Luftangriff auf Pearl Harbor — verstärkte Bemühungen zum Schutz vor befürchteten deutschen und japanischen Biowaffenangriffen eingeleitet. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise damit begonnen, auf Grosse Isle, einer etwa 50 km vor Quebec gelegenen, unbewohnten Insel eine Einrichtung zur Ent- wicklung und Produktion von Impfstoffen gegen die sehr gefürchtete, in Nordamerika bis dato nicht vorkommende Rinderpest zu entwickeln. Im Sommer 1944 genehmigte Premierminister Winston Churchill, dass in den USA sofort 500.000 „N“-Bomben bestellt wurden. Dabei handelte es sich um 4-pound — (etwa 1,8 kg) — Bomben, die mit Milzbrandsporen munitioniert waren. Churchill sprach sich dafür aus, die „N-Bomben“ — „N“ war die Code-Bezeichnung für Anthrax-Sporen — über Deutschland abzuwerfen, falls England mit Biowaffen ange- griffen werden sollte. Darüber hinaus wurden die Untersuchun- gen mit Botulinum-Toxin — mit der Code-Bezeichnung „X“ — intensiviert, unter anderem in Kanada an der Queens University sowie in Suffield, Alberta, wo auch ein großes Testgelände zur Verfügung stand. Um für Gegenschläge gerüstet zu sein wurden sogenannte „X-Waffen“ hergestellt. Das war mit Botulin gefüllte Munition verschiedener Kaliber, einschließlich entsprechend präparierter Splitterbomben. Außerdem erfolgte in Camp Detrick und Suffield eine Vermehrung der Erreger von Bruzellose und Tularämie und ihre Abfüllung in Bomben. Diese wurden zwar mit gutem Erfolg getestet, aber dann doch nicht weiter produziert, weil noch keine Möglichkeit bestand, die eigenen Truppen davor zu schützen. Entsprechende Bedenken gab es auch gegen eine Intensivierung der Arbeiten mit den Erregern

155 von Maltafieber, Papageienkrankheit, Pest und Rotz. Im Vordergrund stand und blieb Anthrax. Ferner wurden Impfstoffe entwickelt und produziert. Der Anlass dafür waren wieder falsche Geheimdienstberichte, wonach sich Deutschland vorbereite, erwartete Invasions- truppen mit Botulin zu bekämpfen. Camp Detrick wurde beauftragt, mehr als eine Million Portionen eines Impfstoffs zu produzieren und zu verschiffen, mit dem 300.000 Soldaten geimpft werden könnten. Darüber hinaus wurde an der Queens University in Kanada Impfstoff zur Behandlung von 25.000 Soldaten hergestellt.Weitere 150.000 Portionen sollten bis zum Mai 1944 fertig sein. Der Impfstoff wurde jedoch nicht verwendet, da der britische Geheimdienst inzwischen korrekterweise herausgefunden hatte, dass die Deutschen gar nicht nicht in der Lage waren, Botulin gegen die Invasions- truppen einzusetzen. Am Biowaffen-Programm der USA waren bei Kriegsende schließlich 396 Armee-Offiziere, 2466 andere Angehörige der Armee, 124 Marine-Offiziere, weitere 844 Angehörige der Marine und 206 Zivilisten beteiligt. Die Arbeiten wurden vor allem in vier Einrichtungen durchgeführt, in Camp Detrick, im Produktionsbetrieb Vigo Plant, und auf den Testgeländen Horn Island und Granite Peak Installation. Das in der Nähe von Frederick, Maryland, errichtete Camp Detrick wurde auf mehr als 200 Hektar zur größten Biowaffeneinrichtung der Verbündeten ausgebaut und umfasste bei Kriegsende etwa 250 Gebäude. In Detrick gab es Pilotanlagen zur Produktion von Milzbrandsporen und Botulin, Einrichtungen zur Überfüh- rung der Kampfmittel in einen einsatzfähigen Zustand, sowie Anlagen zur Herstellung von anderen dual-threat-Agenzien. Darüber hinaus wurden in Detrick und anderen Einrich- tungen die Erreger von Kokzidioido-Mykose,* Enzephalitis,

* Die Kokzidioido-Mykose (San-Joaquin-Tal-Fieber) wird durch den Pilz Coccidioides immitis verursacht. Bei 5–10% der Infizierten treten schwere, der Grippe ähnliche Symptome auf, die bei 1% der Infizierten zum Tode führen kann.

156 Geflügelpest, Maltafieber, Papageienkrankheit, Pest und Rotz, sowie verschiedene Pflanzenschädlinge untersucht, aber aus verschiedenen Gründen nicht in größeren Mengen produziert oder gar munitioniert. Auf Horn Island, einer Insel in der Mississippi-Mündung, wurden wegen ihrer meteorologisch ungünstigen Lage keine Krankheitserreger, sondern nur Botulin und Rizin getestet. Als Versuchsgelände für biologische Kampfmittel diente statt dessen vorwiegend die Granite Peak Installation (Utah) in der Nähe von Dugway. 1944 wurde Vigo Plant, eine ehemalige Waffenfabrik in Indiana, als Hauptproduktionsstätte biologischer Kampfmittel und deren Munitionierung gebaut. Mit den dort installierten zwölf 20.000-Gallonen*-Fermentern hätten ab Sommer 1945 pro Monat unter anderem 500.000 mit Milzbrandsporen gefüllte 4-pound-Bomben hergestellt werden können. Damit sei es nach Angaben des früheren Direktors der britischen Biowaf- feneinrichtung Porton Down möglich gewesen, die Bevölke- rung von Aachen, Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Stuttgart und Wilhelmshaven weitgehend auszurotten. Ganz unrealistisch waren die Schätzungen der Wirksamkeit dieses Massenvernichtungsmittels nicht: Experten berechneten später im Auftrag des US-Kongresses, dass 100 kg Anthrax-Sporen, über einer so dicht besiedelten Stadt wie Washington, DC., vom Flugzeug aus versprüht, je nach meteorologischen Bedin- gungen und Tageszeit zwischen 130.000 und drei Millionen Todesopfer fordern könnten. Eine Fülle von technischen Schwierigkeiten und biologischen Sicherheitsproblemen be- dingte aber, dass in Vigo Plant bis zum Kriegsende nicht mit der eigentlichen Produktion begonnen werden konnte. Auch die Herstellung von Botulin — das sich in Versuchen auf dem kanadischen Testgelände Suffield als geeignet zur Beladung von 500-pound- (etwa 227 kg-)Bomben erwies — kam über eine Produktion im Pilotmaßstab nicht hinaus.

* Eine Gallone entspricht in den USA 3,7853 Liter.

157 Das sowjetische Programm wird wieder gestört 60

urch die letztlich von Stalin veranlasste Verfolgung Dder Experten war das sowjetische Biowaffenpro- gramm offensichtlich so geschwächt, dass keine biologischen und Toxinkampfmittel gegen die deutschen Aggressoren eingesetzt werden konnten. Das wussten die Deutschen aber nicht. Tatsächlich zeigte sich Hitler schon während der Planung des Überfalls auf die Sowjetunion besorgt, dass die Rote Armee „in weitgehendem Maße die Mittel der heimtü- ckischen Kriegsführung anwenden“ könnte, nämlich den Einsatz chemischer und biologischer Waffen. Er veranlasste deshalb den Druck entsprechender Merkblätter, die auch vor dem Bakterienkrieg warnen sollten. Darin heißt es unter anderem: „Mit der Möglichkeit, dass der Feind Lebensmittel, Viehbestände, Saatgetreide, Brunnen usw. mit Bakterien verseucht, ist zu rechnen. Epidemien von Pest, Cholera und Typhus können hierdurch hervorgerufen werden. Größte Vorsicht ist daher geboten. In Feindesland gefundene Lebensmittel sind erst zu gebrauchen, nachdem sie auf ihre Unschädlichkeit durch die San.-Offz. untersucht und freige- geben sind. Wasser ist stets nur gekocht zu genießen.“ Vor einem Einsatz biologischer Waffen durch Flieger- bomben, Geschosse oder durch Versprühen wird in dem Merkblatt interessanterweise nicht gewarnt, obwohl zu diesem Zeitpunkt aus dem französischen Programm bekannt war, dass man biologische Kampfstoffe auf solche Weise effektiv verbreiten könne. Verstärkt wurden die deutschen Befürch- tungen, als ein aus der Sowjetunion geflohener Luftwaffen- offizier, von Apen, und ein gefangener Kompaniechef „sensationelle Informationen“ über angebliche sowjetische Biowaffenaktivitäten übermittelten. Daraufhin wurde im Oktober 1942 im Tagebuch des Wehrmachtführungstabs vermerkt, der Russe beschäftige sich „eingehend mit dem bakteriologischen Krieg, in erster Linie mit der Verbreitung von Pest-, Milzbrand- und Typhusbazillen“.

158 Allerdings notierte Kliewe im Januar 1943, „v. Apen kennt nur zwei Institute, welche Vorbereitungen für den B-Krieg getroffen haben“. Dabei dürfte es sich um das Leningrader Institut für Veterinär-Mikrobiologie der Roten Armee („Slatogorow-Maslokowitsch Laboratorium“) gehandelt haben, wo nach Kliewe unter anderem Bacillus anthracis, Myco- bacterium tuberculosis und Yersinia pestis bearbeitet und entsprechende Methoden zur Munitionierung von Bomben und Granaten entwickelt wurden, sowie das in Perkuschkowo (Wlasia) bei Moskau gelegene Forschungsinstitut für Mikrobiologie der Roten Armee. Zumindest diese beiden Institute wurden nach dem Ein- marsch der deutschen Truppen verlagert: das Institut für Mikrobiologie nach Kirow und das Leningrader Institut in die Nähe von Sagorsk. Dies bedeutete einen weiteren, tiefen Einschnitt in das sowjetische Biowaffenprogramm. Die Folge war, dass es auch an der Ostfront nicht zum Einsatz biolo- gischer Kampfmittel kam — abgesehen von vereinzelten Sabotageakten, die einige lokale Typhus-Epidemien auslösten.

Allerdings gingen im Jahre 1942 bei der „Abwehr“ Berichte ein, wonach alle russischen Soldaten an der Front von Stalingrad gegen die Pest geimpft worden seien. Kliewe schloss aus dieser Information: „Wenn Russland seine Soldaten im Gebiet Stalingrad gegen die Pest impft, dann muss es einen Grund dafür haben. Entweder will es Pestbazillen einsetzen oder es fürchtet Pesterkrankungen bei seiner Truppe. In beiden Fällen muss auch unsere Truppe durch Bereitstellung von Serum und Impfstoff geschützt werden.“ Die wurden zu dieser Zeit in Deutschland nur von den Marburger Behringwerken hergestellt. Tatsächlich geht aus den Unterlagen dieses Betriebes hervor, dass im Zeitraum November 1942 bis Januar 1943 etwa 950 Liter Pestvakzine abgefüllt wurden, ausreichend für die Immu- nisierung von etwa 950.000 Mann. Da die Kapazität der Behringwerke aber als nicht ausreichend eingeschätzt wurde,

159 Ausschnitt aus dem Tagebuch der Abfüllstation der Marburger Behringwerke mit Notizen über die Abfüllung von Pestimpfstoff im November 1942. Quelle: Dr. J. Staerk, Archiv der Behringwerke AG, Marburg.

entschloss man sich außerdem, in Schloss Sachsenburg bei Frankenberg ein geheimes Wehrmachtinstitut einzurichten, in dem vor allem Pestimpfstoffe hergestellt werden sollten. Die Meldungen über die Impfungen der Rotarmisten gegen die Pest stimmten offenbar. Das soll damals erfolgt sein, weil auf Grund von falschen Erkenntnissen des sowjetischen Ge- heimdienstes vermutet wurde, dass die Deutschen Biowaffen einsetzen würden.61 In einem 1998 veröffentlichten Bericht darüber wird auch erwähnt, dass der Leiter der Anti-Epidemie- Behörde des Volkskommissariates für Gesundheit I. I. Rogosin im Sommer 1942 nach Astrachan gereist war, um die Bekämpfung einer in dieser Region grassierenden Tularämie- Epidemie zu organisieren. Die kriegsbedingten Schwierig- keiten bei der Getreideernte führten damals zur intensiven Vermehrung mäuseartiger Nager, was deren Durchseuchung mit Francisella tularensis begünstigte. Die infizierten Tiere

160 verbreiteten die Bakterien mit ihren Exkrementen in den Gebieten von Rostow, Stalingrad und Woroschilowgrad. Das rief unter der Zivilbevölkerung und den sowjetischen Truppen Tularämie-Epidemien hervor, die auch auf deutsche Soldaten übergriffen. Auf ähnliche Weise dürften auch unter den deutschen Truppen ausgebrochene Fälle von Q-Fieber verursacht worden sein. Dagegen behauptete Kenneth Alibek im Mai 1988 vor einem Komitee des US-Kongresses, die Sowjets hätten während des Zweiten Weltkrieges doch B-Kampfmittel gegen deutsche Truppen eingesetzt und eine 1942 unter deutschen Truppen in Südrussland aufgetretene Tularämie-Epidemie sei „sehr wahrscheinlich durch die Verwendung biologischer Waffen durch die UdSSR verursacht worden“.62 Ähnliche Angaben machte er bezüglich einer Q-Fieber-Epidemie, die 1943 bei den deutschen Truppen auf der Krim aufgetreten sei. Diese — nicht kritiklos aufgenommenen63 — Behauptungen werden durch deutsche Quellen nicht gestützt, obwohl ungewöhnliche Krankheitsausbrüche während des Krieges sehr genau daraufhin untersucht wurden, ob sie gegebe- nenfalls durch gegnerische Aktivitäten verursacht worden waren. Kliewe — der es als Zeit- und Augenzeuge besser wis- sen musste als der erst 1950 geborene Alibek — erklärte jedenfalls nach dem Krieg, es gebe keinerlei Beweise für die auch von der „Abwehr“ immer mal wieder vermuteten sowjetischen Biowaffen-Einsätze. Auch der Chef der „Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter”, Oberst Walter Hirsch, kam zu dem Schluss, dass lediglich der Einsatz von Krank- heitserregern durch Agenten in den besetzten Gebieten — speziell in Warschau sowie in Kiew und Minsk — nachgewie- sen werden konnte.

161 Hjalmar Schacht überlebt den Anschlag 64

ines schönen Tages Anfang der 1940er Jahre — das Egenaue Datum ist nicht mehr zu ermitteln — sollte Hjalmar Schacht „an einer wichtigen ökonomischen Konferenz“ teilnehmen. Der ehemalige Reichsbankpräsident musste passen: Er litt an heftigen Verdauungsstörungen. Das lag aber nicht daran, dass ihm seine Köchin verdorbenes Essen serviert hätte. Die scheinbare Lebensmittelvergiftung, die ihn plötzlich befallen hatte, ging auf das Konto des Office of Strategic Services (OSS), der Vorläuferorganisation der CIA. Einem lange geheimgehaltenen Bericht der CIA zufolge war Schacht vom OSS mit Staphylokokken-Enterotoxin vergiftet worden, um seine Teilnahme an der erwähnten Konferenz zu verhindern.

Staphylokokken-Enterotoxin B (SEB)65 ist ein von Staphylococcus aureus produziertes hochwirksames Gift. SEB verursacht wie andere von Staphylokokken gebildeten Toxine normalerweise die Symptome einer Lebensmittelvergiftung. Es ist eines der wenigen Toxin-Kampfmittel, die bereits im Zweiten Weltkrieg verfügbar waren. Wenn SEB mit der Nahrung zugeführt wird — wie dies ver- mutlich im Falle des Schacht-Attentates erfolgte — macht es in der Regel nur vorübergehend handlungsunfähig. Das sehr stabile Toxin kann inzwischen aber auch als Aerosol ver- breitet werden und dann tödlich wirken. Deshalb sind Experten auch heute noch sehr besorgt über eventuelle feindliche oder terroristi- sche Einsätze von SEB, zumal bisher weder ein Impfstoff gegen eine SEB-Intoxination noch Methoden zur spezifischen Therapie zur Verfügung stehen.

Schacht überlebte den Anschlag. Das liegt daran, dass die Attentäter ihm ein Bakteriengift verabreicht hatten, das bei oraler Aufnahme in der Regel nicht tödlich wirkt sondern nur

162 vorübergehend handlungsunfähig macht. Bemerkenswert an diesem Fall ist, dass es den Geheimdienstlern — die bei solchen Unternehmen mit der Abteilung für besondere Aktionen des Biowaffen-Instituts der US-Armee in Camp Detrick zusammenarbeiteten — überhaupt gelungen war, in die unmittelbare Umgebung des Wirtschaftsführers zu gelangen. Bemerkenswert ist auch, dass ein Bakterienkrieg in Europa zwar nicht stattfand, wohl aber den gelegentliche Einsatz biologischer und Toxin-Kampfmittel in Attentaten. Selbst gegen Hunde sind entsprechende Anschläge verübt worden, beispielsweise in einer Operation, in der während des Kalten Kriegs in einer nicht näher spezifizierten südost- asiatischen Hauptstadt Abhöranlagen in der Botschaft Nordvietnams installiert werden sollten. Aber das Objekt wurde von Wachhunden gesichert, die das Eindringen sehr schwierig machten. Deshalb wurde geplant, die Tiere mit Pfeilen zu beschießen, die mit einem Toxin vergiftet waren, das Hunde handlungsunfähig macht. Welches Toxin dabei verwendet wurde wird in dem Bericht der CIA nicht erwähnt — vielleicht handelte es sich wieder um SEB.Aber die Agenten brauchten nicht auf die Hunde zu schießen: „Die Wachhunde fraßen — dabei grob gegen die normalen Verhaltensregeln von Wachhunden verstoßend — Fleisch, das mit diesem Toxin behandelt und ihnen von dem Operationsteam angeboten worden war“.

Hitler kam noch einmal davon Die spektakulärste Aktion sollte die „Operation Foxley“ werden, die eine Abteilung des britischen Geheimdienstes, die Special Operation Executive (SOE), ab Sommer 1944 zu planen begann. Ihr Ziel war Adolf Hitler. Darüber hinaus wurde geprüft, ob man auch Goebbels und Himmler umbrin- gen könne. Als mögliche Orte des Anschlags hatte man in erster Linie Hitlers bevorzugten Aufenthaltsort auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden ins Visier genommen, sowie den Salonwagen, mit dem er zu reisen pflegte.

163 Unter anderem wurde in der „Operation Foxley“ an eine Infektion Hitlers mit Milzbrandbakterien gedacht. Beispiels- weise wollte man ihn mit einer Spritze infizieren, die als Füllfederhalter getarnt war — solche heimtückischen Geräte waren zur gleichen Zeit ja auch von den Japanern entwickelt und produziert worden. Erwogen wurde auch eine bakterielle Verunreinigung der Wasserversorgung seines Sonderzuges oder eine Kontaminierung seines Tees. Spione der SOE hatten herausgefunden, dass Hitler immer ein wenig Milch in seine Tasse goss, ehe er den Tee einschenkte. Auch eine Vergiftung der Trinkmilch selbst war ins Auge gefasst, dann aber wieder verworfen worden, weil die Gefahr bestanden hätte, dass ein anderer zuerst davon trinken könnte. Der Attentatsplan sei jedoch aus den verschiedensten Gründen umstritten gewesen. Ein Gegenargument war, dass man aus Hitler keinen Märtyrer machen solle. Andere argumentierten, Hitler sei ein so schlechter Stratege, dass es unklug wäre, ihn zu beseitigen und durch einen besseren und damit gefährlicheren Kriegsherrn ersetzen zu lassen. Aus welchem Grund auch immer — „Operation Foxley“ wurde im April 1945 abgebrochen und Hitler entleibte sich selbst. Die außerordentlich sorgfältig und umfassend vorbereitete Aktion war so geheim, dass die Attentatspläne erst im Juli 1998 vom britischen Staatsarchiv freigegeben wurden. Möglicherweise plante auch der sowjetische Geheimdienst einen Anschlag gegen Hitler — das sagte zumindest der ehemalige NKWD-Chef Lawrenti Berija 1953 nach seiner Verhaftung aus. Für den Einsatz sei unter anderem Rizin vorgesehen gewesen.66

Auch Hitler-Gegner Strasser sollte vergiftet werden Ebenfalls nicht vollzogen wurde ein Attentat, mit dem Hitler einen Dissidenten aus dem Weg räumen wollte. Glaubt man dem ehemaligen deutschen Geheimdienstchef Walter Schellenberg, dann ist er im April 1941 von Hitler beauftragt worden, Dr. Otto Strasser zu ermorden. Otto Strasser — ein

164 ehemaliger Kampfgefährte Hitlers, der 1930 aus der NSDAP ausgetreten war und eine Oppositionsgruppe gegründet hatte — wurde verdächtigt, an dem Attentat beteiligt gewesen zu sein, das am 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräu- keller gegen Hitler versucht worden war. Strasser habe sich zu dieser Zeit in Portugal aufgehalten, und dort sollte ihm Schellenberg auflauern und ihm ein tödlich wirkendes „Bakterienserum“ verabfolgen. Das Gift sei ihm in Gegenwart von Himmler und Heydrich von einem Bakteriologen zur Verfügung gestellt worden. Da ein Tropfen davon genüge, „um einen Menschen mit einem Sicherheits- koeffizienten von tausend zu eins vom Leben zum Tode zu befördern“ ist anzunehmen, dass es sich bei dem bereit- gestellten „Bakterienserum“ um ein Toxin gehandelt haben könne, vielleicht um Botulinum-Toxin. „Das Mittel wirke“, so wurde Schellenberg informiert, „je nach der Konstitution des Betreffenden, innerhalb von zwölf Stunden durch Auftreten typhusähnlicher Erscheinungen. Auch bei Eintrocknung verliere das Mittel seine Wirkung nicht. Ein Tropfen, in ein Mundspülglas gebracht, genüge, um bei späterem Gebrauch des Glases die vertrocknete Masse wieder aktiv werden zu lassen“. Schellenberg sei dann nach Portugal gereist, habe dort Strasser aber nicht angetroffen. Daraufhin habe er dem Leiter seiner Dienststelle in Lissabon die Anweisung gegeben, noch drei Wochen zu warten und dann, wenn Strasser in der Zwischenzeit nicht wieder aufgetaucht sei, ein Motorboot zu chartern und die Behälter mit dem Toxin möglichst weit von der Küste entfernt ins Meer werfen zu lassen. Otto Strasser kam nicht mehr rechtzeitig nach Portugal und starb erst 1974 eines natürlichen Todes. Allerdings muss zu bedenken gegeben werden, dass Schellenbergs Geschichte auch eine Erfindung gewesen sein kann. Unabhängige Belege dafür gibt es jedenfalls nicht. Dass Hitler der Plan zu diesem Anschlag zuzutrauen gewesen wäre, ist einleuchtend. Das steht auch nicht im Widerspruch gegen sein Verbot jeder Form von offensivem Einsatz

165 biologischer Kampfmittel. Toxine, Botulin, Rizin und andere, werden zwar von Lebewesen gebildet, stellen aber eigentlich chemische Kampfmittel dar. Und an der Produktion chemi- scher Kampfmittel und der Vorbereitung ihres eventuellen Einsatzes war Hitler tatsächlich sehr interessiert. Dass sie aber auch nicht zum Einsatz kamen, ist eine andere, ebenfalls nur unvollständig aufgeklärte Geschichte.

Castro wählte einen anderen Anzug Offenbar hatte der amerikanische Geheimdienst CIA auch entsprechende Anschläge gegen Fidel Castro und Patrice Lumumba geplant.67 Zur Ermordung des 1950 zum Premier- minister des Kongo gewählten Patrice Lumumba habe die CIA zunächst erwogen, Pockenerreger oder andere Viren einzusetzen, sich dann aber für Botulin entschieden. Der Plan sei aber nicht ausgeführt worden. Für den Anschlag gegen den kubanischen Staatschef Fidel Castro sei geplant gewesen, den leidenschaftlichen Taucher mittels einer verseuchten Taucherausrüstung umzubringen. Der Anzug sollte mit einem giftigen Pilz infiziert werden und das Atmungsgerät mit Tuberkelbakterien. Auch dieser Plan sei aber misslungen, weil sich Castro nicht der von der CIA präparierten Ausrüstung bedient habe. Erfolgreich exekutiert wurde nach dem Krieg dagegen ein Anschlag mit einem anderen Toxin, mit Rizin. Das Attentat wurde 1978 auf Anweisung von Präsident Todor Schiwkow vom bulgarische Geheimdienst gemeinsam mit dem sowje- tischen KGB vorbereitet und durchgeführt. Er galt dem bulgarischen Dissidenten Georgi Markow, der als Journalist beim BBC und bei Radio Free Europe in London arbeitete. Am 7. September 1978 wurde Markow auf der Londoner Waterloo Bridge von der Schirmspitze eines Passanten scheinbar versehentlich leicht am Bein verletzt. Der Passant entschuldigte sich und fuhr mit einem Taxi davon. Es war aber kein Versehen, sondern ein Mordanschlag auf den ein- flussreichen Regimekritiker. Markow erkrankte und verstarb

166 vier Tage später. Bei der Obduktion fand man in seiner Wunde ein winziges Kügelchen von 1,52 mm Durchmesser. Es bestand hauptsächlich aus Platin und war von zwei feinen Kanälen durchzogen. In diesen befand sich das tödliche Toxin. Boris Korczak, ein offenbar für CIA und KGB tätiger Doppelagent, wurde 1980 auf die gleiche Weise umgebracht. Ein anderer bulgarischer Dissident, Wladimir Kostow, sollte ebenso ermordet werden, überlebte aber den Anschlag.68 Auch das Rizin, das Anfang Januar 2003 nach monatelanger Beobachtung einer mutmaßlichen Gruppe von Al-Qaida- Mitgliedern in einer Londoner Wohnung entdeckt wurde, sollte vermutlich terroristischen Zwecken dienen.68a Im Falle des „Regenschirm-Attentats“ war das KGB erfolgreich. In der Planung stecken blieb dagegen ein Versuch, einen weitaus prominenteren Dissidenten des Sowjet-Imperiums aus dem Weg zu räumen: 1993 berichtete der russische Historiker Dimitri Wolkogonow in der „Iswestija“, beim Studium der Akten des sowjetischen Staats- sicherheitsdienstes habe er einen Plan Stalins zur Ermordung Titos aus dem Jahre 1952 entdeckt. Für das Attentat waren drei Varianten ausgearbeitet worden. Eine davon sah vor, Tito mit Pestbakterien zu infizieren, die bei einer Audienz unbemerkt versprüht werden sollten. Um sich nicht selbst anzustecken, sollte der Attentäter — ein hochrangiger Diplomat, der schon an der Ermordung Trotzkis beteiligt gewesen sein soll — zuvor gegen Pest geimpft werden. Stalins Tod verhinderte den Mordanschlag.

167 Falschaussage, Fehlurteil, Zensur und Diskreditierung 69

ach dem Zweiten Weltkrieg fanden vier große NKriegsverbrecherprozesse statt, zwei in Nürnberg, einer im sibirischen Chabarowsk, und einer in Tokio. Bei Vorbereitung und Durchführung von drei dieser Tribunale versagten wieder die Geheimdienste — teils wissenschaftlich- technisch, teils moralisch.

Das erste Verfahren war der große Hauptkriegsverbrecher- prozess, der vom 14. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 in Nürnberg stattfand. Das Thema „biologische Kriegs- führung“ kam auf diesem Prozess zunächst monatelang überhaupt nicht zur Sprache. Die einzigen, die biologische Kriegsführung in Nürnberg thematisierten, waren die sowjetischen Anklagevertreter. Neben einigen marginalen Erwähnungen dieses Themas riefen sie am 26. August 1946 Generalarzt Professor Walter Schreiber in den Zeugenstand. Schreiber war in den letzten Kriegstagen von der Roten Armee in Berlin gefangen genommen worden. Als Chef der Abteilung für Wissenschaft und Gesundheitsführung der Heeres-Sanitätsinspektion und zugleich als Chef aller wissen- schaftlichen Institute der Militärärztlichen Akademie war er ein überaus kompetenter Zeuge. Aber in Nürnberg log er.

Schreiber sagte aus, auf Anordnung Hitlers und Keitels sei 1943 ein offensives deutschen B-Waffenprogramm beschlossen worden, speziell die „Vorbereitung des bakteriologischen Krieges mit Erregung der Pest“ einschließlich der Durch- führung von Versuchen am Menschen. Er habe im Juli 1943 an einer geheimen Besprechung teilgenommen, die „im Namen des Generalfeldmarschalls Keitel und des Chefs des Allgemeinen Wehrmachtsamtes“ durchgeführt wurde. Dabei sei mitgeteilt worden, dass „Hitler den Reichsmarschall Hermann Göring mit der Leitung der Durchführung aller

168 Vorbereitungen des bakteriologischen Krieges beauftragt und ihm die dazu notwendigen Vollmachten erteilt“ habe. Dazu machte Schreiber dann eine ganze Reihe detaillierter Ausführungen. Es waren allesamt Falschaussagen. Schreiber — der bald darauf aus der Gefangenschaft entlassen wurde und sich über Ostberlin nach dem Westen und in die USA absetzte — musste sie offenbar auf sowjetischen Druck machen. Tatsächlich hatte Schreiber einmal, ein einziges Mal, an einer Sitzung des deutschen Biowaffen-Komitees, der „Arbeitsge- meinschaft Blitzableiter“, teilgenommen, und zwar am 21. Juli 1943, also genau in dem Monat, auf den sich Schreiber in seiner Aussage bezieht. Aber gerade auf dieser Sitzung war vom Vertreter des Wehrmachtführungstabs laut Protokoll erneut ausdrücklich darauf hingewiesen worden, „dass der Führer alle Arbeiten, die sich mit dem aktiven Einsatz von B.- Mitteln befassen, verboten“ habe. Alle diesbezügliche Angaben Schreibers standen im Wider- spruch zu den Erkenntnissen, die die Angloamerikaner dank der intensiven Recherchen der Alsos-Mission gesammelt hatten. Trotzdem ließen ihre Prozessvertreter die Schreiber- schen Lügen unkommentiert und unwidersprochen im Raume stehen. Lediglich der Verteidiger des OKW versuchte, die Glaubwürdigkeit von Schreibers Aussagen zu erschüttern. Aber die Sowjets hatten kein Interesse daran, dies zuzulas- sen: Als nur einen Tag nach der Vernehmung Schreibers eine Gegenüberstellung mit einem Entlastungszeugen beantragt wurde, erklärte der sowjetische Anklagevertreter, dies sei lei- der „nicht mehr möglich, da der Zeuge Schreiber schon wie- der in das Kriegsgefangenenlager zurückgeschickt worden ist“. Sicher hatten es die sowjetischen Behörden mit seinem Rücktransport so überaus eilig, weil sie ahnten, dass die Lügen Schreibers im Kreuzverhör offenbar würden. Auch die Ausführungen von Entlastungszeugen der Vertei- digung wurden von den Anklagevertretern und Richtern nicht zur Kenntnis genommen. Im Gegenteil, Schreibers falsche Behauptungen wurden nicht nur nicht kritisch hinter-

169 fragt, sondern sogar für die abschließende Urteilsbegründung herangezogen: Im Nürnberger Urteil heißt es wahrheitswid- rig: „Im Juli 1943 wurden Versuche zur Vorbereitung eines bakteriologischen Feldzugs begonnen; Sowjetgefangene wur- den zu diesen medizinischen Versuchen verwendet; in der Mehrzahl der Fälle hatten diese den Tod zur Folge“. Hier hatten nicht die Geheimdienste versagt, sondern Juristen. Das heißt, versagt haben sie wohl nur moralisch, weil sie im höheren Auftrag wider besseres Wissen falsch Zeugnis akzeptierten und — wenn auch nur partiell — ein Fehlurteil verkündeten, das leider von manchen Autoren noch heute für bare Münze genommen wird.

Angaben über biologische Kriegsführung fielen der Zensur zum Opfer Aber es blieb nicht bei der Nürnberger Falschaussage und dem Fehlurteil. Das nächste Falsifikat hat seinen Ursprung auch in Nürnberg, wurde aber in Washington, D.C., produ- ziert. Es war das regierungsamtliche Protokoll des soge- nannten Ärzteprozesses, der vom Oktober 1946 bis zum August 1947 ausschließlich von den Amerikanern geführt wurde. Hier spielten Biowaffenaktivitäten ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Offenbar wurde das Thema biologi- sche Kriegsführung trotz der von Schreiber auf dem Hauptprozess gemachten Behauptungen ganz bewusst weit- gehend ausgeklammert, weil die Angloamerikaner ihre inzwi- schen gewonnenen vielfältigen Erkenntnisse dazu nicht auf dem offenen Markt ausbreiten wollten. Der am besten quali- fizierte und informierte Biowaffenexperte, der Bakteriologe Heinrich Kliewe, — dessen herausragende Rolle den Amerikanern bekannt war, wegen der Ineffizienz ihrer Geheimdienste allerdings erst seit Kriegsende — wurde nur als Zeuge außerhalb des Gerichtssaals gehört, und dies nicht einmal zum Thema „biologische Waffen“. Trotzdem vermittelte die Befragung einiger Angeklagter und Zeugen eine gute Übersicht darüber, was tatsächlich in

170 Blick auf die Anklagebank vom Ärzteprozess (Ausschnitt) In der vorderen Reihe von links nach rechts: Kurt Blome, Joachim Mrugowsky, Rudolf Brandt, Helmut Poppendick und Wolfram Sievers. Foto: Ray d’Addario. Quelle: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Regionalgruppe Nürnberg, Dr.med.Helmut Sörgel.

Deutschland an Biowaffenaktivitäten gelaufen oder, besser gesagt, nicht gelaufen war. Diese Aussagen finden sich aber nur im maschinegeschriebenen offiziellen Protokoll des Prozesses, von denen eine Kopie im Nürnberger Staatsarchiv aufbewahrt wird. Die während des Prozesses zu BW- Aktivitäten abgegebenen Erklärungen sind jedoch nicht in der von der US-amerikanischen Regierungsdruckerei herge- stellten gedruckten Ausgabe des Prozessberichtes enthalten: Der veröffentlichte Prozessbericht ist ausgiebig und gezielt zensiert worden. Das Thema „biologische Kriegsführung“ wird nur ein einziges Mal marginal erwähnt, und zwar in der Begründung für den Freispruch Blomes. Um so mehr ist es zu begrüßen, dass kürzlich eine Gesamtausgabe der Materialien des Ärzteprozesses herausgegeben wurde.70

171 Chabarowsk — ein Haufen Quatsch? Im Gegensatz zu den beiden Nürnberger Prozessen wurden Biowaffenaktivitäten in dem Verfahren, das vom 25. bis zum 30. Dezember 1949 im sibirischen Chabarowsk stattfand, offen und breit diskutiert71 (wenngleich vermutet werden kann, dass die Sowjets dabei auch nicht alle Karten auf den Tisch legten). Den sowjetischen Truppen war es gelungen, nicht nur den ehemaligen Kommandeur der Kwantung- Armee, sondern auch elf Mitarbeiter Shiro Ishiis dingfest zu machen, die sich — im Gegensatz zur Mehrzahl ihrer Kollegen — nicht rechtzeitig von Pingfan absetzen und in amerika- nische Gefangenschaft begeben konnten. Die Angeklagten wurden vor Gericht gestellt und beschuldigt, sich an „kriminellen, unmenschlichen Experimenten“ beteiligt zu haben, weil sie den Einfluss biologischer Kampfmittel auf den lebenden Menschen untersucht hatten. Tausende seien den Versuchen zum Opfer gefallen, nachdem sie mit den Erregern von Pest, Cholera,Typhus, Milzbrand und Gasbrand infiziert worden waren. Seitens der Angloamerikaner wurde der Verlauf des Prozesses von Chabarowsk als reine Propaganda diskreditiert. Dr. Mortimer A. Rothenberg, der wissenschaftliche Direktor des in Dugway, Utah, gelegenen Testgeländes für biologische und chemische Kampfstoffe bezeichnete die sowjetischen Behauptungen dem amerikanischen Journalisten John W. Powell gegenüber als „reine Propaganda“ und als einen „Haufen Quatsch“. Auch das war wieder gelogen: Als einer der führenden US-Experten für chemische und biologische Kriegsführung kannte Rothenberg Umfang und Inhalt des japanischen Biowaffenprogramms. Zudem musste er wissen, dass erst die sowjetischen Ermittlungen in Vorbereitung des Chabarowsker Prozesses auch die USA zu Erkenntnissen über das Ausmaß der japanischen Aktivitäten verholfen hatten. Jedoch muss angemerkt werden, dass offenbar die Haupt- masse der von der Roten Armee erbeuteten japanischen Dokumente bis heute geheim gehalten wird. Wenn man Ken

172 Alibek in dieser Hinsicht glauben darf, dann liegt das daran, dass die Sowjets ebenso wie ihre (ehemaligen) Verbündeten erkannten, dass die japanischen Erfahrungen auf diesem Gebiet für das eigene Biowaffenprogramm von größter Bedeutung sein dürften. Zunächst aber hatten die Sowjets keine Hemmungen, den Amerikanern weitgehend offen zu legen, was sie in den Vorermittlungen für den Chabarowsker Prozess herausge- funden hatten,72 zumal sie hofften, auch einige der von den Amerikanern gefangen genommenen Experten als Zeugen vernehmen zu können. Allerdings verrieten die sowjetischen Vertreter dabei nicht, dass sich ihr Wissen um die japaischen Aktivitäten nicht nur auf die Aussagen ihrer zwölf Gefangenen stützte, sondern dass sie auch noch Beweisma- terialien in Pingfan selbst gefunden hatten. Für die USA war vieles von den sowjetischen Erkenntnissen völlig neu — vor allem die Tatsache, dass die Japaner in großem Umfang auch Menschenexperimente durchgeführt hatten.Außerdem gingen die Amerikaner davon aus, dass das Institut in Pingfan zerstört gewesen sei, als es in die Hände der Roten Armee fiel. Sie wussten, dass ein strikter Befehl bestanden hatte, die Anlage beim Nahen eines Feindes voll- ständig zu zerstören. In einem vorläufigen Bericht über die japanischen Arbeiten meldete Oberstleutnant Murray Sanders vom Hauptquartier für die Pazifik-Truppen, „dieser Befehl wurde vermutlich buchstabengetreu befolgt, als die Russen in die Mandschurei eindrangen. Es besteht keinerlei Grund, daran zu zweifeln, da die Japaner ausreichend Zeit hatten, die Dokumente zu vernichten und alle Gebäude und ihre Einrich- tungen zu zerstören“. Aber das war ein Irrtum von Sanders.

In einer Beratung über die von den Sowjets erbetene Möglichkeit, von den Amerikanern festgenommene japanische Experten befragen zu können, erwähnte der sowjetische Delegationsleiter Oberst Leon N. Smirnov am 17. Januar 1947 eher beiläufig, dass ihre Experten „die Ruinen von Pingfan“

173 Teile des Instituts in Pingfan, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben. Foto: Dr. T. Bärnighausen

174 untersucht hätten. Oberstleutnant Robert P. McQuail, der amerikanische Delegationsleiter, war entsetzt: Hatten die Japaner Pingfan womöglich nicht vollständig zerstört? Gespannt fragte er Smirnov: „Der Oberst sprach von ‚Ruinen von Pingfan’. Wurde es bombardiert oder als Ergebnis der Kämpfe zerstört?“ Mit gespielter Unschuld antwortete Smirnov: „Pingfan wurde vollständig von den Japanern zerstört, die versuchten, alle Spuren auszulöschen. Auch alle Dokumente wurden vernichtet, und unsere Experten mach- ten nicht einmal Fotos von den Ruinen, so vollständig war das Zerstörungswerk“. Diese Angaben beruhigten McQuail und wurden noch jahrzehntelang weltweit geglaubt. Vierzig Jahre später besuchte der deutsche Mediziner Till Bärnighausen die Stätte, als er seine Doktorarbeit über die japanischen Biowaffenaktivitäten schrieb.73 Er fand, dass es sich durchaus noch lohnte, in Pingfan Fotos zu machen: Die Sowjets hatten ihre ehemaligen Verbündeten belogen. Inzwischen sind charakteristische Teile der Einrichtung rekonstruiert und zur Besichtigung freigegeben worden; es ist sogar beabsichtigt, bei der UNESCO seine Anerkennung als Bestandteil des Weltkulturerbes zu beantragen.74 Der vierte große Kriegsverbrecherprozess fand dann vom 3. Mai 1946 bis zum 4. November 1948 in Tokio statt, wo Ishiis Kriegsverbrecherkarriere einst begonnen hatte. Die umfangreichen Biowaffenaktivitäten der Japaner kamen praktisch überhaupt nicht zur Sprache. Erst mehr als ein halbes Jahrhundert später, Ende August 2002, bestätigte ein japanisches Gericht erstmalig, dass Japan im Zweiten Weltkrieg Biowaffen benutzt hatte und dass dabei viele Menschen umgekommen waren. Trotzdem sprach das Tokioter Bezirksgericht — vor dem 180 chinesische Opfer beziehungsweise Hinterbliebene Entschädigungsansprüche und eine offizielle Entschuldigung eingeklagt hatten — die japanische Regierung von rechtlichen Verpflichtungen frei.75

175 Ein Deal mit „Medizinern ohne Menschlichkeit“ 76

m meisten waren die Japaner in ihrem 1932 gestarte- Aten Biowaffen-Programm an den Erregern der Pest interessiert. In Versuchen mit Kriegsgefangenen ergab sich: Wenn man Yersinia pestis direkt versprüht, dann kann man mehr als dreißig Prozent, maximal alle Versuchspersonen infizieren. Mindestens sechzig Prozent von ihnen verstarben nach dem brutalen Experiment. Erfolgreich verliefen auch Versuche, die Bakterien vermittels von Flöhen zu verbreiten. Wie Dr. Norbert H. Fell nach dem Zweiten Weltkrieg protokollierte, hatten die Japaner in ihren Experimenten herausgefunden, „dass normalerweise ein Flohbiss ausreicht, um eine Infektion zu bewirken. Wenn sich zehn Subjekte frei in einem Raum bewegten, in dem sich pro Quadratmeter 20 Flöhe befanden, wurden sechs von 10 Subjekten infiziert, und vier davon starben“. Mit großem Aufwand wurden Methoden entwickelt, wie man Flöhe kilogrammweise produzieren konnte. Ein Gramm — das waren 3000 Flöhe. Und die konn- ten sich dann auf Ratten mit den Pestbakterien infizieren, wieder „auf Produktionsbasis“.Anschließend wurden mit der ‚Uji’-Porzellanbombe und Primacord-Sprengstoff Versuche zur massenhaften Verbreitung der Pestflöhe durchgeführt. „Bevor sie in die Bombe gefüllt wurden, wurden die Flöhe mit Sand vermischt. Etwa 80 Prozent der Flöhe überlebten die Explosion, die in einer zehn Quadratmeter großen Kammer ausgelöst wurde, in der sich 10 Subjekte befanden. Acht der 10 Subjekte wurden von Flöhen gebissen und infiziert und sechs der acht starben.“ Diese Informationen hatte Fell, Abteilungsleiter in Camp Detrick, aber nicht von den angloamerikanischen Nach- richtendiensten erhalten, denn auch die tappten hinsichtlich der japanischen Biowaffenaktivitäten weitgehend im Dunklen. Noch nach der Kapitulation Japans glaubte der militärische Abwehrdienst der USA, Japan habe „nur in

176 einem verhältnismäßig geringen Ausmaß biologisch kriegfüh- ren“ können. Das habe sich „wahrscheinlich auf Sabotageaktivitäten beschränkt“. Hinweise auf eine Massen- produktion biologischer Kampfmittel durch die Japaner gebe es nicht. Ab 1940 seien zwar zahlreiche Berichte — größten- teils chinesischen Ursprungs — über eine angebliche oder ver- mutete biologische Kriegsführung der Japaner gegen Chinesen eingegangen, „aber nicht ein Fall wurde bestätigt“. Selbst Ende 1945 wussten die Amerikaner nicht viel mehr. Oberstleutnant Murray Sanders vom Hauptquartier für die Pazifik-Truppen berichtete, „zu keiner Zeit waren die Japaner in der Lage, biologische Kampfmittel als Waffen einzusetzen“. Dass sie tatsächlich in großem Umfang die Erreger von Cholera, Milzbrand, Pest, Rotz und Ruhr verbreitet hatten, blieb den amerikanischen Aufklärern zunächst weitgehend verborgen, obwohl diesen Aktionen, jüngsten chinesischen Angaben zufolge,77 in den Jahren 1932- 45 etwa 370.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.* Auch von den grausamen Menschenexperimenten, deren Ergebnisse Fell in dem einleitend zitierten Bericht zusam- menfasste, wussten die Amerikaner zunächst nichts. Seine detaillierten Informationen hatte Fell von den japanischen Biowaffenexperten selbst erhalten. 19 von ihnen hatten unter anderem einen 60 Seiten langen Bericht für die ameri- kanischen Sieger erstellt. Das verdankten die Amerikaner aber letztlich ihren ehemaligen Verbündeten, den Sowjets.

Die Sowjets hatten noch Fragen und wollten kooperieren Am 9. Januar 1947 schrieb der Stellvertretende Staatsanwalt der UdSSR beim Internationalen Militärgerichtshof für den

* Allerdings ist nicht bekannt, wie viele dieser Opfer direkt durch bakteriologische Kriegsführung verursacht wurden. Am 10. August 1945, kurz vor der Niederlage Japans, wurde damit begonnen, die Biowaffeneinrichtungen zu zerstören. Dabei gelangten offenbar auch zahlreiche infizierte Versuchstiere ins Freie, die ausgedehnte Krankheitsausbrüche verursacht haben dürften.

177 Deckblatt des amerikanischen Geheimdienstdokuments über die sowjetische Bitte um Amtshilfe vom 27. März 1947. Quelle: Tsuneishi 1985, 265.

178 Fernen Osten dem amerikanischen Hauptquartier, man sei im Besitz von Unterlagen über die japanische Vorbereitungen zur biologischen Kriegsführung. Ehe diese Dokumente dem Tribunal als Beweismittel vorgelegt werden könnten, müssten einige zusätzliche Zeugen vernommen werden, und zwar Generalmajor Shiro Ishii und zwei andere Experten. Diese sollten über ihre Untersuchungen aussagen und über die im Verlauf dieser Experimente verübten Massenmorde. Die USA möchten doch bitte ermöglichen, dass die drei Zeugen von sowjetischen Vertretern verhört werden könnten.

Massenmord als Folge von Biowaffenaktivitäten — das waren alarmierende Neuigkeiten für die Amerikaner. Sie erbaten deshalb nähere Auskünfte. Ein Vertreter der sowjetischen Anklagevertretung berichtete den Amerikanern daraufhin, „kurz nach der Beendigung der Feindseligkeiten seien General Kawashiuma, von Einheit 731, und sein Stellvertreter, Major Kurasaba, verhört worden. Sie hätten über Menschen- experimente mit Fleckfieber und Cholera informiert, an denen Ishii und andere beteiligt waren und in deren Verlauf 2000 Chinesen und Mandschuren gestorben seien“. Nun wurde vom Fernost-Oberkommando in Washington angefragt, ob man die Verhöre gestatten solle. Dort reagierte man positiv. Der Verlauf der Befragung könnte, wenn die Verhöre „unter kontrollierten Bedingungen“ stattfinden, „als Schlüssel zu den sowjetischen Kenntnissen und Aktivitäten auf dem Biowaffengebiet dienen“. Ishii habe man selbst bereits verhört, die beiden anderen noch nicht. Die sollten vor der Überstellung an die Sowjets von den kompetentesten eigenen Experten befragt werden. Sollte sich dabei heraus- stellen, dass sie über Informationen verfügen, die die Sowjets besser nicht erhalten, dann sollten „die Japaner instruiert werden, diese Informationen nicht den Sowjets preiszugeben“. Daraufhin wurde von den Vereinigten Stabschefs Dr. Norbert H. Fell, Abteilungsleiter in Camp Detrick für die Verhöre nominiert und nach Tokio abkommandiert.

179 Entscheidung der Vereinten Stabschefs über die Bedingungen, unter denen die japanischen Biowaffenexperten von den sowjetischen Anklagevertretern ver- hört werden dürfen. Quelle: Tsuneishi 1985, 281.

180 Einschätzung der Bedeutung der Angaben der japanischen Biowaffenexperten durch das Außenministerium der USA vom 8. September 1947. Quelle: Tsuneishi 1985, 332.

181 Da man nun von den Sowjets erfahren hatte, dass Ishiis Einheit offenbar auch Menschenversuche durchgeführt hatte, war in den Augen der US-Militärs eine völlig neue Situation entstanden: Auf die Ergebnisse eigener Experimente am Menschen konnte man — noch — nicht zurückgreifen, und deutsche Ergebnisse dazu gab es auch nicht. Deshalb wies das Kriegsministerium die Fernost-Abteilung des militärischen Nachrichtendienstes unverzüglich an, die Protokolle der bisher durchgeführten Verhöre noch einmal auf entsprechende Hinweise zu durchforsten, die vielleicht bisher als unglaub- würdig abgetan worden waren. Die Recherche war erfolgreich: Ein Zeuge hatte bereits am 15. Dezember 1945 ausgesagt, dass Ishii in seinem Institut „anstelle von Versuchstieren Menschen für seine Experimente mit Bakterien genutzt hat. Obwohl die Mehrzahl der Opfer verurteilte Kriminelle waren, sollen auch unschuldige Bauern, Offiziere der kommunis- tischen Armee, Frauen und Kinder darunter gewesen sein, und die Versuche mit Rotzbakterien, Pest-Erregern und ande- ren starken Giften hätten über Tausend Opfer gefordert“. Diese Beschuldigung sei in den folgenden Monaten von weiteren Zeugen bestätigt und erweitert worden. Die unmittelbare Reaktion auf diesen Bericht war der Befehl: Sofort abschotten! Der Nachrichtendienst wurde unverzüglich aus Washington auf eine bereits am 24. Juli 1946 erlassene geheime Weisung des Kriegsministeriums hinge- wiesen, in der es heißt, „unter den gegenwärtigen Umständen dürfen Geheimdienstinformationen über Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf den Gebieten von Wissenschaft und Kriegsführung keiner anderen Nation außer dem Britischen Commonwealth (mit Ausnahme von Irland) ohne Bezug auf und Genehmigung durch die Vereinigten Stabschefs weitergegeben werden“. Alle weiteren Unter- suchungen würden sofort der Kontrolle durch die Vereinten Stabschefs unterstellt und seien unter äußerster Geheim- haltung zu führen.Auch eine strafrechtliche Verfolgung dürfe in dieser Sache nicht ohne Zustimmung erfolgen.

182 Ein paar Wochen darauf übergaben die von den hektischen Aktionen der amerikanischen Dienste nichts ahnenden Sowjets Kopien ihrer Verhörprotokolle. In einer Aktennotiz wurde dazu am 6. Mai 1947 von einem amerikanischen Auswerter vermerkt, dass es in diesen Materialien unter anderem um „Menschenversuche“ ging und dass alle Angaben „von größ- tem Informationswert für die USA“ seien. Dr. Fell habe festgestellt, „dass die neuen Fakten den USA bisher nicht bekannt waren“. Und deshalb werden in dieser Aktennotiz die Weichen für einen ungeheuerlichen Deal gestellt: „Zusätzliche Informationen einschließlich von Material über den theoretischen, strategischen und taktischen Einsatz können vielleicht dadurch erhalten werden, dass die einbezo- genen Japaner darüber unterrichtet werden, dass diese Informationen in Geheimdienstkanälen verbleiben und nicht als Beweise für ‚Kriegsverbrechen’ herangezogen werden. Wird höheren Dienstgraden schriftlich Immunität vor ‚Kriegsverbrechen’ zugesichert, so wird dies die Auswertung der zwanzigjährigen Erfahrung des Direktors, des ehemaligen Generals Ishii ermöglichen. Dieser kann die vollständige Kooperation seiner früheren Mitarbeiter zusichern, die Verbindungen zum japanischen Generalstab erläutern und taktische und strategische Informationen geben“. Am 20. Juni 1947 legte Fell den ersten, ausführlichen Report über die japanischen Aktivitäten vor, der auf der eingangs erwähnten Zusammenstellung beruhte. Fell vermerkte darin auch, dass die Japaner nicht nur mit Pest-Erregern experi- mentiert, sondern auch umfangreiche Versuche mit anderen Pathogenen, darunter Milzbrandbakterien durchgeführt hat- ten, beispielsweise mit der „Uji“-Porzellanbombe. Nach Vorlage von Fells Bericht befand das Koordinierungs- komitee von Armee, Marine und Außenministerium, die Informationen über die japanischen Biowaffen-Experimente seien von so großer Bedeutung für die nationale Sicherheit, dass die japanischen Experten nicht wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden sollten, zumal im Falle einer solchen

183 Von den japanischen Biowaffenforschern nach dem Zweiten Weltkrieg für die US-Experten beschriebene Befunde nach Obduktion einer Versuchsperson, an der Experimente mit Milzbranderregern durchgeführt worden waren. Quelle: Bärnighausen 1996.

184 Anklage die Informationen auch anderen Staaten zugänglich würden. „Die japanischen Informationen sind die einzigen bekannten Ergebnisse aus wissenschaftlich kontrollierten Untersuchungen, die die direkte Wirkung von biologischen Kampfmitteln auf den Menschen zeigen. Bisher war es not- wendig, die Wirkung von solchen Waffen auf den Menschen von den Ergebnissen abzuleiten, die in Tierversuchen ermittelt wurden. Ein solches Vorgehen ist nicht schlüssig und weitaus unvollständiger als Ergebnisse, die direkt in bestimm- ten Experimenten am Menschen gewonnen wurden“. Allerdings stellte das Komitee auch fest, zur gleichen Zeit klage „diese Regierung führende deutsche Wissenschaftler und Ärzte in Nürnberg wegen Verbrechen an,die Experimente am Menschen einschlossen und im Leiden und Tod der meis- ten von jenen endeten, mit denen experimentiert wurde“. Es müsse auch damit gerechnet werden, dass die sowjetischen Anklagevertreter im Verlauf des Tokioter Kriegsverbrecher- prozesses „Beweismittel über von der Ishii-BW-Gruppe durchgeführte Experimente am Menschen vorlegen, die sich nicht besonders von denen unterscheiden, wegen der diese Regierung zur Zeit deutsche Wissenschaftler und Ärzte in Nürnberg anklagt“. Aber diese Bedenken schlugen nicht zu Buche.

In Kenntnis der ihnen zugesicherten Straffreiheit packten die japanischen Biowaffen-Experten aus und nicht einer von ihnen wurde unter Anklage gestellt. Im Gegensatz zu ihren weit mehr als zehntausend Opfern und auch im Gegensatz zu sieben von einem amerikanischen Militärgericht in Nürnberg zum Tode verurteilten deutschen „Medizinern ohne Mensch- lichkeit“ starben alle einen natürlichen Tod. Manche von ihnen erklommen sogar die Höhen des japanischen medizini- schen Establishments. Und auf dem Tokioter Kriegsverbrecherprozess wurden die Biowaffenexperimente nur ein einziges Mal erwähnt, aus „Mangel an Beweisen“ aber nicht weiter verfolgt. Die Sowjets

185 aber, die mit ihrer — fast möchte man formulieren „unschul- digen“ — Anfrage nach den Zeugen die Intensivierung der amerikanische Nachforschungen erst ausgelöst hatten, wur- den über die überaus reiche Ausbeute der neuerlichen Befragungen der japanischen Experten nicht informiert. Aber ihre Bitte wurde wenigstens erfüllt und sie durften Ishii im Sommer 1947 verhören, allerdings nur im Beisein ameri- kanischer Spezialisten. Und als sie dann 1949 in Chabarowsk „ihren“ Prozess durchführten, wurde der von den Amerikanern überaus erfolgreich als Schauprozess diffamiert.

186 Halt! Amikäfer 78

it der Erfindung der sogenannten „Amikäfer“ Mhatten die Geheimdienste, etwa das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit, nichts zu tun. Die „Amikäfer“ wurden am 15. Juni 1950 in Ostberlin eingeführt, ihr Namensgeber war Politbüromitglied Paul Merker. Und das kam so: In der Sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR gab es nach dem Zweiten Weltkrieg einen zunehmend bedrohlichen Befall mit Kartoffelkäfern. 1950 war nahezu ein Fünftel der Kartoffelanbaufläche von dem gefräßigen Schädling überschwemmt. Die 1824 in den USA entdeckten Käfer kamen in Europa zunächst kaum vor, da vielfach Einfuhrverbote für amerikanische Kartoffeln erlassen wur- den. Im Jahre 1922 fand man aber bei Bordeaux Kartoffel- käfer, die bereits ein großes Gebiet befallen hatten und nicht mehr ausgerottet werden konnten. Von da aus breiteten sie sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 175 km im Jahr ostwärts aus und erreichten 1936 die deutsche Westgrenze. Die sofort eingeleiteten Bekämpfungsmaßnahmen konnten nicht verhindern, dass die Schädlinge allmählich immer größere Gebiete Deutschland eroberten. Nach Kriegsende wurden auch die östlichen Landesteile immer stärker befallen, zumal die Witterungsbedingungen der Jahre 1948–50 für Vermehrung und weitere Ausbreitung der Schädlinge besonders günstig waren. Hinzu kam, dass durch milde Winter die Käferzahl nicht verringert wurde und im folgenden Jahr nicht nur junge, sondern auch viele Altkäfer auftraten. Bei der Bekämpfung der Schädlinge gab es Mängel aller Art. Und die sollten mit einer großen Propa- ganda-Aktion vertuscht werden, in der man das Vorkommen der Käfer einfach dem Gegner in die Schuhe schob und ihn mit einem durchaus massenwirksamen Argument verun- glimpfen konnte.

187 „Halt Amikäfer“. Titelblatt der 1950 veröffentlichten Propaganda-Broschüre, in welcher der Bericht der Regierungskommission abgedruckt ist. Quelle: Amt für Information der Regierung der DDR, 1950.

188 Am 16. Juni 1950, erschien das „Neue Deutschland“, das Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutsch- lands, mit der Schlagzeile auf der Titelseite „Gemeinsame Abwehrmaßnahmen gegen Kartoffelkäfer. Außerordentliche Kommission stellt fest: USA-Flugzeuge warfen große Mengen Kartoffelkäfer ab“. Im Inneren des Blattes wurde der Bericht einer Kommission veröffentlicht, den Paul Merker, Staatssekretär im Ministerium für Land- und Forst- wirtschaft, am Vortage im Ministerrat gegeben hatte. Darin heißt es unter anderem, die Früchte der Leistungen der DDR-Landwirtschaft seien „durch einen verbrecherischen Anschlag [...] der amerikanischen imperialistischen Kriegs- treiber“ in Gefahr gebracht worden. „Seit dem 22. Mai 1950 haben Flugzeuge, aus dem Westen kommend, über dem Gebiet der Republik Koloradokäfer in großen Massen abgeworfen. [...] Die ersten außergewöhnlichen Kartoffel- käferfunde wurden am 22., 23. und 24. Mai in Sachsen [...] festgestellt. Aus den Kreisen der Bevölkerung wurde [...] Mitteilung gemacht, dass in der Zeit vom 22. bis 24. Mai Flugzeuge bemerkt worden sind, die teilweise auf einer außergewöhnlichen Flugstrecke aus der amerikanischen Zone in das Gebiet der Republik einflogen“.Weitere Einflüge seien in der Zeit bis 10. Juni in Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen bemerkt worden, und „die Untersuchung ergab, dass die außerordentlichen Funde an Koloradokäfern generell mit den festgelegten Flugstrecken übereinstimmten“.

Schon einen Tag später wurde im „Neuen Deutschland“ versucht, eine Sprachregelung unter’s Volk der Arbeiter und Bauern zu bringen: „Viele Hände greifen zu und nehmen aktiv am Kampf gegen den Amikäfer teil, wie ihn die Bevölkerung zu nennen beginnt“. Allerdings hatten diesen Begriff nicht die DDR-Bürger eingeführt, sondern der Vorsitzende der Untersuchungskommission Paul Merker, der in einem Brief ans Politbüro der SED vorgeschlagen hatte, dass die Käfer „nur noch ‚Amikäfer’ genannt werden sollten“.

189 „Ami-Käfer sollen unsere Ernte vernichten. Sie bedrohen damit auch Deine Lebensgrundlage“.Vom Amt für Information der Landesregierung Thüringen 1950 herausgegebens Plakat. Quelle: Dr. Benjamin Garrett, Edgewood, Md.

190 Geheimes Gutachten des Präsidenten der Biologischen Reichsanstalt über die Schäden, die als Kampfmittel eingesetzte Kartoffelkäfer verursachen können. Das Gutachten wurde 1942 nach Eingang des Abwehrberichtes angefordert, der Hitlers Ablehnung der Biokriegsführung ausgelöst hatte. Quelle: NACP,RG 319, Box 2, Folder BW 8:1834016–17.

191 Da Merker — damals noch* — nicht nur Staatssekretär, son- dern auch Mitglied des Politbüros war, gehörte er zu den ein- flussreichsten Partei- und Staatsfunktionären. Deshalb ist es kein Wunder, dass seine pfiffige Anregung breit aufgegriffen wurde und sogar in der schönen Literatur einen Nachhall fand. Bertolt Brecht, der gerade dabei war, eine Reihe von Kinderliedern zu schreiben, fiel der Vierzeiler ein:

„die amiflieger fliegen silbrig im Himmelszelt, Kartoffelkäfer liegen in deutschem feld“.

Daraus entstand über mindestens zwei Fassungen ein Gedicht über die „Ammiflieger“, in das unverändert die ursprüngliche Assoziation „Amiflieger (aber mit Doppel-m geschrieben) — „Kartoffelkäfer“ aufgenommen wurde. Später erwähnte auch Uwe Johnson „diese sechsbeinigen Botschafter der U.-S.-amerikanischen Invasion“ in seinen „Jahrestagen“,79 und an anderer Stelle spottet er über die „Unternehmen, denen sich an die dreihundert Schüler gemeinsam unterziehen, als da sein kann die Suche nach den Kartoffelkäfern, die Flugzeuge der U.S.A. auf Beschluss der Regierung der D.D.R. seit dem Frühjahr 1950 auch über Mecklenburg abgeworfen haben“.80 Zuvor hatten Johnson und seine Güstrower Mitschüler die Propagandaaktion zum Anlass genommen, um mit Schwarzen Humor leichtsinnig gegen die Prozesse zu protestieren, die damals in der DDR auch gegen Schüler aus nichtigen, konstruierten Anlässen geführt wurden,81 wobei in den 1950er Jahren etwa 1200 Oberschüler verurteilt worden sein sollen.82

* Bald darauf wurde Merker allerdings verhaftet. 1956, nach seiner Entlassung aus der Haft, wurde von den Dissidenten Walter Janka und Wolfgang Harich geplant, Walter Ulbricht als Chef der SED zu stürzen und durch Paul Merker zu ersetzen (W. Harich, Ahnenpass. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1999. S. 226).

192 Jedenfalls fielen die Angaben über die „verbrecherischen Aktivitäten der US-Imperialisten“ bei breiten Teilen der ostdeutschen Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Die Terrorangriffe auf Dresden waren noch in guter Erinnerung, und Kartoffelschädlinge stellten eine große Bedrohung der Versorgung dar: 30 Weibchen können mit ihren Nachkommen einen Hektar kahl fressen. War den Amis nicht auch zuzu- trauen, dass sie den immer noch hungernden Menschen in der DDR das Hauptnahrungsmittel entziehen wollten?

Die Behauptungen über die Amikäfer wurden auch deshalb geglaubt, weil sie mit ziemlicher Brachialgewalt verbreitet wurden. So erinnert sich der Rostocker Professor Hans- Alfred Kirchner, seinerzeit Beauftragter für die Kartoffel- käfer-Bekämpfung im Land Mecklenburg, anlässlich einer im Sommer 1952 erfolgten massenhaften Anschwemmung von Kartoffelkäfern am Ostseestrand von Vertretern der Staatsmacht aufgefordert worden zu sein, dieses Phänomen öffentlich als Beweis für einen vorausgegangenen feindlichen Einsatz der Schädlinge zu werten. Als er das ablehnte wurde er zum Verhör nach Ostberlin verbracht. Allein sein Hinweis darauf, dass ähnliche Erscheinungen schon früher in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden waren und auf entsprechende klimatische und meteorologische Bedin- gungen zurückgeführt werden konnten, half ihm aus der unangenehmen Situation. Darüber hinaus erwähnte der seinerzeit in Greiz tätige Schädlingsbekämpfer Werner Herbig in einem Interview, dass auch er 1952 aufgefordert worden sei, die USA für den massiven Schädlingsbefall verantwortlich zu machen.Als er sich weigerte, habe er seine Stelle verloren.

Nicht einmal die Staatssicherheit wusste Bescheid Andererseits fehlen selbst in einer streng geheimen umfang- reichen Habilitationsschrift, in der drei Mediziner 1981 im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit die Gefährdung der DDR durch biologische und Toxin-Waffen sehr detailliert

193 analysiert haben, konkrete Informationen über etwaige geg- nerische Einsätze von Kartoffelkäfern. Die Experten erwäh- nen die angebliche US-Aktion, stützen sich dabei aber nicht auf Untersuchungsprotokolle und ähnliche Dokumente, son- dern auf Zeitungsartikel und andere Propagandaschriften. Da die Stasi-Experten offenbar allen Spuren für Krankheits- ausbrüche und entsprechende Vorkommnisse in Lebensmittel- betrieben und bei der Trinkwasserversorgung der DDR nachgegangen waren, die auf biologische Sabotageakte hindeuteten, kann davon ausgegangen werden, dass selbst die zuständigen Ermittlungsorgane der DDR über keine entsprechenden konkreten Hinweise verfügten. Der Bericht über die Amikäfer war nämlich eine „Ente“. Das zeigte sich auch an der Tatsache, dass die Außerordentliche Regierungskommission recht merkwürdig zusammengesetzt war. Dass ein hoher SED-Funktionär mit ihrer Leitung beauftragt wurde, ist in einem Staat mit „führender Rolle der Partei“ einleuchtend. Aber wie die „Spezialisten auf dem Gebiete der Schädlingsbekämpfung“ für die Kommission ausgewählt wurden ist höchst verdächtig: Nicht einer von ihnen hatte auch nur auf einer der Konferenzen teilgenommen, die in den Nachkriegsjahren zur Kartoffelkäferbekämpfung durchgeführt worden waren.Andererseits war nicht einer der ausgewiesenen Kartoffelkäferexperten der DDR Mitglied der Spezialistengruppe. Die Hintergründe der Amikäfer-Aktion sind immer noch unklar. Wo saßen die Urheber der Aktion und wer hat sie gesteuert? Angesichts der Aktenlage darf vermutet werden, dass die Verantwortlichen nicht in der Abteilung Pflanzen- schutz des Landwirtschaftsministeriums zu suchen sein dürften. Wo aber dann — im Parteiapparat? Oder waren es die Sowjets? Was wurde damit bezweckt? Wollte man das eigene Versagen bei der Bekämpfung der Käfer bemänteln? Oder sollte lediglich „der Gegner“ durch ein Mittel der psycho- logischen Kriegsführung verunglimpft werden? In Merkers Brief an das Politbüro wurde jedenfalls vorgeschlagen, der

194 Partei müsse „eine kurze Instruktion“ gegeben werden, ausgehend „von der Feststellung, dass der Kampf gegen die Amikäfer ein Teil des Kampfes gegen die anglo-amerikani- schen Kriegstreiber ist“. Interessant ist schließlich, dass der für den russischen B- Schutz verantwortliche Generalleutnant Walentin Jewstignew noch 1999 behauptete, das massenhafte Auftreten von Kar- toffelkäfern in Russland sei auf gegnerische Einsätze zurückzuführen. Tatsächlich waren die Schädlinge ja vor und während des Zweiten Weltkrieges zunächst in Frankreich und dann auch in Deutschland als potenzielle Kampfmittel erprobt, aber dann nie eingesetzt worden. Die Behauptungen der DDR-Oberen hatten also einen gewissen rationalen Kern.

195

Die Spirale dreht sich weiter

Diesmal tatsächlich Versuche in der U-Bahn 83

ach dem Zweiten Weltkrieg kam die biologische NRüstungsspirale wieder in Gang, obwohl schon in der ersten Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 24. Januar 1946 eine Ächtung der biologischen und chemischen Waffen gefordert worden war. Aber im glei- chen Jahr diagnostizierte Winston Churchill in seiner Rede im Westminster College in Fulton, Missouri, den Ausbruch des Kalten Krieges, der wenige Jahre später, am 25. Juni 1950, mit der Invasion Nordkoreas im Süden des Landes in einen Heißen überging. Zehn Tage zuvor hatte die DDR die USA bezichtigt, Kartoffelkäfer als Kampfmittel gegen Ostdeutsch- land eingesetzt zu haben und ein knappes Jahr später, am 8. Mai 1951, beschuldigte der nordkoreanische Außen- minister die USA, sein Land mit biologischen Kampfmitteln angegriffen zu haben.

Tatsächlich waren die USA zu dieser Zeit dabei, vor allem aufbauend auf den Erfahrungen der Japaner ein intensives Biowaffen-Programm zu betreiben. Aber im Koreakrieg haben die USA ganz offenbar keine Biowaffen eingesetzt. Das war der sowjetischen Führung spätestens ab 1953 klar. Zwei Monate nach Stalins Tod, am 2. Mai 1953, verabschie- dete das Präsidium des Ministerrates der Sowjetunion fol- gende inhaltsschwere, streng geheime Botschaft an Mao Zedong, den Führer der Volksrepublik China: „Die Sowjet- Regierung und das Zentralkomitee der KPdSU sind getäuscht worden. In der Presse veröffentlichte Informa-

197 tionen über die Verwendung bakteriologischer Waffen durch die Amerikaner beruhten auf Falschmeldungen. Die Anklagen gegen die Amerikaner sind frei erfunden“. Diese Botschaft und andere einschlägige Dokumente wurden aber fast ein halbes Jahrhundert lang streng geheim gehalten und erst Anfang Januar 1998 von einem japanischen Reporter entdeckt.84 Dennoch: Ein Schlussstrich wurde damit immer noch nicht unter die jahrzehntelang anhaltende, vor allem während des Kalten Krieges das politische Weltklima schwer belastende Diskussion um die angeblichen Biowaffen- einsätze der Amerikaner gezogen.85 Nach Ausbruch des Korea-Krieges wurde das Biowaffen- programm der USA weiter intensiviert und auf die Schaffung von Fähigkeiten zur gleichartigen Vergeltung orientiert.86 Die Arbeiten wurden vor allem in Camp Detrick durchgeführt, dem heutigen US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases, Fort Detrick, Maryland. Darüber hinaus waren etwa zehn weitere Einrichtungen beteiligt. Zunächst wurden die bereits während des Krieges begonne- nen Arbeiten mit den Erregern von Milzbrand, Bruzellose und Tularämie sowie mit Botulin fortgesetzt. Später kamen noch die Erreger von Q-Fieber, Papageienkrankheit, Pest und Maltafieber hinzu. Um zu erproben, wie diese Kampfmittel als Aerosole verbreitet werden können, wurde 1949 in Camp Detrick eine geschlossene, kugelförmige Eine-Million-Liter Testkammer konstruiert. Im Pine Bluff Arsenal wurde zwischen 1951 und 1954 eine Biowaffenfabrik zur Produktion von Brucella suis und Pasteurella tularensis errichtet. Nachdem dann 1956 der sowjetische Verteidigungsminister Marschall Schukow und der Oberkommandierende der sow- jetischen Marine öffentlich erklärt hatten, dass zukünftige Kriege durch den Einsatz von Massenvernichtungsmitteln charakterisiert sein würden, erfolgte eine weitere Intensivie- rung und Ausdehnung des Biowaffen-Programms, in das nun erstmals auch Freiwillige in Versuche mit Krankheitserregern einbezogen wurden. Zu den bereits in Bearbeitung befind-

198 lichen Erregern und Toxinen kamen weitere hinzu, unter anderem auch der sehr leicht über seine Sporen als Aerosol übertragbare Pilz Coccidioides immitis, der Erreger der Kokzidioido-Mykose und das Venezolanische Pferde- Enzephalitis-Virus. Außerdem wurde die Eignung von Moskitos — speziell Aedes aegypti — zur Übertragung von Pathogenen erprobt und eine Anlage zur Massenproduktion dieser Insekten errichtet. Auch wurden Pflanzenschädlinge produziert und Methoden zu deren Verbreitung, beispiels- weise mit Vogelfedern, entwickelt und erprobt.

Venezolanische Pferde-Enzephalitis (VEE)87 wird — wie einige ähnliche Erkrankungen (Östliche und Westliche Pferde-Enzephalitis, EEE bzw.WEE) — durch Alphaviren verursacht, die zur Familie der Togaviren gehören. Unter natürlichen Bedingungen werden die hochinfektiösen Viren durch Moskitos übertragen, sie können aber auch hoch effektiv durch Aerosole verbreitet werden.VEE, EEE und WEE befallen nicht nur Pferde, sondern u.a. Menschen. Die Krank- heit, zu deren Ausbruch das Einatmen von 10–100 Erregern aus- reicht, äußert sich in starken Kopfschmerzen, hohem Fieber, Übelkeit und Durchfall, gelegentlich in Enzephalitis, die dann häufig tödlich verläuft, vor allem bei Kindern. Die Inkubationsperioden betragen zwei bis sieben Tage (VEE) bzw. ein bis zwei Wochen (EEE, WEE). Mehr oder weniger gut wirksame, noch nicht zugelassene Impfstoffe stehen zur Verfügung; eine spezifische Therapie ist jedoch nicht möglich. Da diese Viren relativ leicht in großen Mengen produziert werden können, hoch infektiös und gleichzeitig ziemlich stabil sind und als Aerosol verbreitet werden können, bieten sie sich als effektive biologische Kampfmittel an. VEE wurde mindestens in den Biowaffenprogrammen der Sowjetunion und der USA bearbeitet.

Das Programm war durchaus auch offensiv motiviert.88 Im Jahre 1959 war es beispielsweise dazu gedacht, Kuba unter

199 der perversen Codebezeichnung „Marshall Plan“ mit einem tödlichen „Cocktail“ aus Staphylokokken-Enterotoxin B und den Erregern von Q-Fieber und Venezolanischer Pferde- Enzephalitis anzugreifen. (Vergeltungs-)Schläge gegen die Sowjetunion waren zumindest vor 1963 allerdings noch nicht eingeplant, denn zu diesem Zeitpunkt gab es — wie Matthew Meselson damals von der CIA informiert wurde — zwar bestimmte Verdachtsmomente hinsichtlich eines sowjetischen BW-Programms, aber keine harten Fakten. Da versagten die Geheimdienste schon wieder, denn in der Tat waren die Sowjets ab 1946 wieder in ein Biowaffen-Programm eingestiegen, offenbar ebenfalls unter weitgehender Auswertung japani- scher Erfahrungen.

Q-Fieber (Balkangrippe)89 wird durch das — zur Gruppe der Rickett- sien gehörende — Bakterium Coxiella burnetti verursacht. Zur Aus- lösung der grippeartigen, fiebrigen, aber kaum tödlichen Erkrankung genügen einige wenige, vielleicht nur ein einzelner Erreger. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis drei Wochen. Natürlicherweise wird man durch Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Ausscheidungs- produkten angesteckt, insbesondere durch Einatmen von erregerhaltigem Staub, seltener durch den Genuss infizierter roher Milch. Gefährdete Berufsgruppen können durch Impfung geschützt werden. Eine Therapie mit Doxycyclin und anderen Antibiotika ist möglich. Coxiella burnetti bildet sporenähnliche infektiöse Dauerformen aus, die sehr widerstandsfähig sind. Deshalb, und wegen ihrer hohen Infektiosität gelten die Q-Fieber-Erreger als wirksame kampfunfähig machende Waffe. C.burnetti wurde mindestens in den Biowaffen- programmen der Sowjetunion und der USA bearbeitet, speziell auch hinsichtlich seiner Verbreitbarkeit durch Aerosole.

Im Rahmen des amerikanischen Programms wurden zu Lande und zu Wasser auch mehr als 200 Feldversuche mit

200 Modellbakterien durchgeführt. Beispielsweise wurden im Juni 1966 während der Hauptverkehrszeit mehr als eine Million New Yorker mit harmlosen Testbakterien infiziert, mit einer Variante des Heubazillus Bacillus subtilis. Ziel der Versuche war es, einem offiziellen Bericht zufolge, Informationen über die Möglichkeiten zu erlangen, wie Agenzien in einem U- Bahn-System verbreitet werden können. Dazu wurden bei- spielsweise Glühbirnen wie zufällig fallen gelassen, die mit Bakterien und pulverisierter Holzkohle gefüllt waren. Jede Glühbirne enthielt 175 Gramm Bakterien — das entsprach einer Anzahl von mehr als 87 Billionen — und 30 g Aktivkohle, die dazu diente, der Bakterienmasse eine dunkle Farbe zu verleihen und sie dadurch unauffälliger zu machen. Entweder wurden die Glühbirnen auf dem Bürgersteig auf die Gitterroste der Ventilationsschächte des Systems geworfen oder auf die Schienen, wenn Züge in einen Bahnhof einfuh- ren oder diesen verließen. Anschließend wurde ermittelt, wie wirksam die Verbreitung der Bakterien erfolgt war. In einem Versuch, der am 8. Juni in der Station der 7.-Avenue-Linie in der 23. Straße durchgeführt wurde, atmete jeder Passant zwischen der fünften und zehnten Minute nach Freisetzung der Keime fast eine Million Bakterien pro Minute ein. In einer anderen Versuchsreihe wurden im September 1950 sechs Scheinangriffe im Gebiet der Bay von San Francisco durchgeführt. Dabei wurden von einem Schiff in unterschied- lichen Abständen von der Küste Aerosole abgeblasen, die Bacillus subtilis oder Serratia marcescens enthielten. Nahezu jeder Einwohner von San Francisco atmete etwa 5000 oder mehr Bakterien ein.

Entsprechende Versuche liefen auch in der Arktis und in der „Operation Large Area Coverage“ sogar über dem gesamten Territorium der USA, von den Rocky Mountains bis zum Atlantik, von Kanada bis zum Golf von Mexiko. Unter ande- rem ergaben die Versuche, dass biologische Waffen echte Massenvernichtungsmittel sind: Mit einem einzigen Flugzeug

201 könnten durch die Verbreitung von Aerosolen Tausende von Quadratkilometern verseucht werden. Aber die USA führten nicht nur Versuche mit Modell- bakterien durch. Gemeinsam mit Großbritannien gab es in der Karibik Feldversuche mit den Erregern von Tularämie und Bruzellose, und erst im Jahre 2002 wurde zugegeben, daß in Florida Feldversuche mit Weizenschädlingen und im Pazifik mit Staphylokokken-Enterotoxin B stattgefunden hatten.90 Auch bei den anderen Westalliierten wurden entsprechende Aktivitäten zunächst noch weiter betrieben, seitens der Briten und Kanadier in enger Kooperation mit den USA.91 Die britischen Arbeiten liefen im Microbiological Research Department, das aus dem Biology Department Porton her- vorgegangen war, und die kanadischen im Defence Research Establishment Suffield in Medicine Hat, Alberta. Die Arbeiten in Großbritannien und Kanada wurden aber 1956–57 weitgehend gestoppt. Die Franzosen führten ihre Biowaffenaktivitäten vor allem wieder im bakteriologischen Labor des Centre d’etuds du Bouchet durch, das bereits vor 1940 das Zentrum dieser Ar- beiten war. Im Jahre 1973 wurden diese Arbeiten eingestellt, weil ein entsprechendes nationales Gesetz verabschiedet worden war.92 Nicht zuletzt unter dem zunehmenden Druck amerikanischer Wissenschaftler wies Präsident Nixon im Mai 1969 den Nationalen Sicherheitsrat an, die bisherigen Richtlinien der chemischen und biologischen Kriegsführung zu überprüfen. Auf der Grundlage einer Empfehlung des Rates verkündete der Präsident 1969 bzw. 1970 den Verzicht der USA auf Vorbereitungen zur offensiven biologischen und Toxin- Kriegsführung. Damit machte er den Weg frei zur biologi- schen Rüstungskontrolle.

202 Auch die Sowjets steigen bald wieder ein

m Gegensatz zu ihren angloamerikanischen Noch- IVerbündeten schienen die Sowjets nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges an biologischer Kriegsführung zunächst nicht interessiert gewesen zu sein.93 Erstens wurde von ihnen nicht einer der im Gebiet der sowje- tischen Besatzungszone (SBZ) befindlichen deutschen Biowaffen-Experten intensiver befragt, geschweige denn — im Gegensatz zu Raketenbauern, Flugzeugingenieuren, Kernphysikern, Chemikern und anderen „Spezialisten“ — zur Arbeit in der Sowjetunion verpflichtet.

Professor Otto Waldmann, der Präsident der Reichsforschungs- anstalt Insel Riems — von wo Maul- und Klauenseuche-Viren für Biowaffen-Versuche zur Verfügung gestellt worden waren — blieb in Amt und Würden. Professor Hermann Gildemeister, der Chef des Instituts für Mikrobiologie der Wehrmacht in Schloss Sachsenburg, in dem Pestimpfstoffe produziert wur- den, konnte zunächst weiterarbeiten und Impfstoffe für die Rote Armee herstellen.* Dr. Martin Schwartz, als führender Kartoffelkäfer-Experte in Blomes Netzwerk engagiert, wurde „Generalbevollmächtigter“ für die Kartoffelkäferbekämpfung in der SBZ. Professor Hans Stubbe bekam in der Nähe von Quedlinburg ein großes Stück Land, um sein Institut für Kulturpflanzenforschung wieder aufzubauen, in dem er in den letzten Kriegsjahren bei Wien Untersuchungen über die Eignung von Unkrautsamen als Kampfmittel durchgeführt hatte. Seine daran beteiligten Mitarbeiter Werner Rothmaler und Otto Schwarz wurden namhafte Hochschullehrer und Institutsdirektoren in Greifswald und Jena. Professor Eugen

* Erst im Herbst 1945 wurde Hermann Gildemeister – wegen einer Verwechslung mit seinem Namensvetter Eugen Gildemeister, dem in Buchenwalder Menschen- experimente verstrickten Präsidenten des Berliner Robert Koch-Instituts – jahrelang vom sowjetischen Geheimdienst und später von den DDR-Behörden inhaftiert.

203 Haagen, im Westen wegen seiner Beteiligung an Menschen- experimenten als Kriegsverbrecher gesucht, bekam eine Institutsleiterstelle am im Aufbau befindlichen Institut für Medizin und Biologie im Ostberliner Ortsteil Buch. Dr. Hans Seel, Mitarbeiter Blomes an dessen im Aufbau befindlichen dual-use-Institut für Krebs- und Biowaffen-Forschung, wurde Leiter der [Ost-]Deutschen Arzneibuchkommission und Professor an der Berliner Humboldt-Universität.

Zweitens hatten die Sowjets keine Hemmungen, das Thema „biologische Kriegsführung“ auf dem Nürnberger Haupt- kriegsverbrecherprozess und auch noch einige Jahre später in Chabarowsk zu thematisieren, ja ihr Verfahren gegen die japanischen Biokriegsverbrecher nicht nur nicht im geheimen durchzuführen, sondern sogar einen ausführlichen Prozess- bericht zu veröffentlichen. Mehr noch: Sie informierten ihre ehemaligen Verbündeten trotz zunehmender Abkühlung des politischen Klimas schon Jahre vor dem eigentlichen Beginn des Chabarowsker Prozesses mündlich und schriftlich über das, was sie in Verhören erfahren hatten. Allerdings verschwiegen sie, dass sie zusätzlich auch noch Beweismaterial im japanischen Biowaffenzentrum Pingfan selbst gefunden hatten — vermutlich deshalb, weil sie ab 1946 auch wieder Biowaffenaktivitäten aufzunehmen begannen. Vielleicht haben dabei nicht nur die zunehmenden interna- tionalen Spannungen eine Rolle gespielt, sondern auch die offensichtlichen Bemühungen der Amerikaner, die aus- führlichen Analysen der japanischen Aktivitäten möglichst für sich zu behalten und auch die Überstellung wichtiger Zeugen über Monate hinauszuzögern. Vielleicht kam den Sowjets auch verdächtig vor, dass die USA versuchten, den Chabarowsker Prozess und seine Ergebnisse zu diskreditieren. Aber ganz offenbar veranlasste vor allem die Auswertung der japanischen Dokumente und Aussagen die sowjetische Führung, sich wieder für diese Form der Kriegsführung zu interessieren. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert,

204 dass die Sowjets zwar recht schnell in englischer Sprache ein Protokoll des Chabarowsker Prozesses veröffentlichten, andererseits aber die Hauptmasse der erbeuteten japani- schen Dokumente bis heute geheim halten. Der Grund für diese Geheimniskrämerei ist einleuchtend: Wenn man Ken Alibek in dieser Hinsicht glauben darf, dann wurden die erbeuteten japanischen Dokumente nach Moskau geschickt und dort intensiv ausgewertet.94 Diese hät- ten unter anderem Pläne zum Bau von Biowaffen- Einrichtungen enthalten, die sehr viel größer und komplexer gewesen seien als die sowjetischen Anlagen. Deshalb habe Stalin dem KGB-Chef Lawrenti Berija befohlen, „es den Japanern gleichzutun und sie wenn möglich zu übertreffen. 1946, ein Jahr nach Kriegsende, wurde in Swerdlowsk ein neues biologisches Forschungszentrum der Armee errichtet. Die Bauingenieure hielten sich dabei an die von den Japanern erbeuteten Pläne“. Das ist eine bemerkenswerte Analogie zu dem, was 1940 in Frankreich passiert war: Dort stießen die Deutschen auf ein Biowaffen-Institut und auf entsprechende Dokumente und begannen daraufhin eigene Biowaffenaktivitäten. Und fünf Jahre später entdeckten die Sowjets die bedeutendste japani- sche Biowaffeneinrichtung in Pingfan und beschlossen, erneut ein Biowaffen-Programm zu starten und sich für den Kalten Krieg auch mit biologischen und Toxin-Kampfmitteln zu rüsten. Anfang der fünfziger Jahre wurde dann, einem offiziellen Bericht der Regierung der russischen Föderation* zufolge, „in Swerdlowsk, Kirow und Sagorsk eine wissenschaftliche Versuchsbasis zur Durchführung von Arbeiten“ mit verschie- denen dual-threat-Agenzien geschaffen.95 „In der Mitte der sechziger Jahre wurden zur Prüfung der Möglichkeit der Organisation industrieller Herstellung von Bioagenzien in

* Übersetzt vom Bundessprachenamt

205 Objekten in Swerdlowsk und Sagorsk Versuchsbetriebe mit den entsprechenden Sektionen gebaut. [...] Zur Beurteilung der Wirksamkeit der experimentellen Rezepturen und Mittel zum Schutz vor ihnen wurden spezielle Aerosolkammern gebaut. Die einzelnen Muster wurden auf der Insel ‚Wosroschdenije’ im Aralsee getestet, auf der eine Versuchsbasis eingerichtet worden war“. Auf dieser Insel hatte ja schon seit 1936 ein Testgelände bestanden, das aber bereits 1937 nach der Verhaftung von dessen Leiter Iwan M. Welikanow stillgelegt worden war. Ab 1952 wurde es wieder zur Erprobung sowohl von Verbrei- tungsmöglichkeiten als auch von Nachweismethoden genutzt; geprüft wurden dabei die Erreger von Bruzellose, Fleckfieber, Milzbrand, Pest, Pocken, Q-Fieber, Tularämie und Venezola- nischer Pferde-Enzephalitis sowie Botulinum-Toxin. Es gibt Hinweise darauf, dass die Versuche einen ungewöhnlichen Ausbruch von Pocken ausgelöst haben könnten, der 1971 in der am Ufer des Aralsees gelegenen kasachischen Stadt Aralsk registriert, aber von den sowjetischen Behörden ver- schwiegen und regelwidrig nicht einmal der Weltgesundheits- organisation gemeldet wurde.96 Weiter heißt es in dem offiziellen Bericht der russischen Regierung, Ende der sechziger Jahre sei mit dem Bau von „Industrieobjekten mit Lagern“ begonnen worden, „die zu einer besonderen Periode auch zur Produktion biologischer Agenzien verwendet werden könnten“. Das war offenbar die Reaktion auf eine — immer noch geheim gehaltene — Analyse von Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und Ministerrat der Sowjetunion, auf deren Existenz ein amerika- nischer Autor kürzlich stieß.97 In dieser Analyse sollen die intensiven US-Aktivitäten auf dem Gebiet biologischer und chemischer Waffen registriert und Forderungen nach entspre- chenden sowjetischen Reaktionen gestellt worden sein. Zu dieser Zeit liefen die amerikanischen Programme ja tatsäch- lich noch auf vollen Touren. In einer geheimen sowjetischen Artikelsammlung aus dem Jahre 1968 wurde von zwei Ober-

206 sten des medizinischen Dienstes informiert, in den USA werde „gegenwärtig der Erforschung von Erregern solch schwerer Krankheiten wie der Pest, der Hasenpest, des Milzbrandes, der Pocken, des Gelbfiebers, der japanischen Enzephalitis, des Q-Fiebers, des Tsutsugamuschi-Fiebers, des Fleckfiebers, des Botulismus und verschiedener Pilzerkran- kungen größte Aufmerksamkeit gewidmet“.98 Haupteinsatz- methode sei „ihre Zerstäubung in der Luft, d.h. die Schaffung eines biologischen Aerosols“.* In dem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die Sowjets ihre diesbezüglichen Informationen möglicherweise nicht nur durch Agenten und Auswertung der Literatur bekamen, son- dern offenbar ganz gezielt vom FBI getäuscht worden sind. Damals soll das FBI nämlich versucht haben, die sowjeti- schen Nachrichtenorgane mit Hilfe von Doppelagenten davon zu überzeugen, dass in den USA entsprechende Aktivitäten mit biologischen und chemischen Kampfstoffen betrieben würden.99 Ziel dieser Aktion war, die Sowjets in die Irre zu führen und ihr Interesse auf die Entwicklung von Kampfmitteln zu lenken, die von amerikanischen Militärs als entweder technisch nicht machbar oder als militärisch wenig versprechend eingeschätzt wurden. Auf diese Weise sollten die sowjetischen Rüstungsaktivitäten paralysiert werden. Wenn man den Berichten über diese Täuschungsaktion glau- ben kann, dann haben die US-Geheimdienste wieder einmal gröblich versagt, denn dann hat dieses Unternehmen zweifel- los mit dazu beigetragen, dass die auf Einhaltung eines biolo- gischen „Gleichgewichts des Schreckens“ bedachte Sowjet- union in den folgenden Jahren ein gewaltiges Biowaffen- programm aufnahm und bis über das Ende des Imperiums hinaus immer weiter ausbaute und komplettierte.

* Übersetzt von Harald Kießlich-Köcher

207 Kalter Biokrieg in Deutschland

n beiden deutschen Staaten gab es auch nach dem IZweiten Weltkrieg keine offensiven Biokriegsvorbe- reitungen. Ob von den Besatzungs- und späteren Schutz- mächten auf deutschem Boden Bio- und Toxinkampfstoffe und entsprechende Träger- und Verbreitungssysteme gelagert wurden ist unbekannt. Trotzdem wurden immer mal wieder Vorwürfe erhoben, es gäbe deutsche Biowaffenaktivitäten. Ganz unwahrscheinlich klang das nicht, da die meisten deut- schen Biowaffenexperten im Lande geblieben waren und nicht weiter verfolgt wurden. Heinrich Kliewe, beispielsweise, stellte seine Expertise in den Dienst der westdeutschen Luftschutzausbildung und publizierte über den biologischen Krieg (ohne sein früheres Engagement auf diesem Gebiet zu erwähnen). Aber wieder lieferten die Geheimdienste Fehlleistungen. Zeitungsmeldungen zufolge wurden im Februar 1947 vom britischen Geheimdienst „hunderte” Aktivisten einer Untergrund-Nazi-Organisation verhaftet, unter ihnen ein Hans Georg Eisman, angeblich „ehemaliger Offizier der Abteilung für biologische Kriegsführung des deutschen Oberkom- mandos”.100 Die Inhaftierten hätten geplant, an die USA und Großbritannien ein „Ultimatum“ zu richten, verbunden mit der Drohung, biologische Waffen einzusetzen. Bei der Untergrundbewegung habe man Dokumente gefunden, in denen Milzbrand und Pest „erwähnt” worden seien. Denkbar ist schon, dass sich Unverbesserliche nach der Niederlage wieder zu organisieren und zu engagieren suchten — so gut wie völlig ausgeschlossen ist jedoch, dass es dabei um die Vorbereitung biologischer Anschläge ging. Auch taucht der Name Eisman in keinem der einschlägigen Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg auf. Vermutlich basierten diese Stories auf der Falschaussage von Schreiber auf dem Nürnberger Tribunal; lange hielten sie sich nicht in der Medienlandschaft.

208 Zwei Jahrzehnte später war das ganz anders. Nicht alte Nazis wurden nun verdächtigt, sondern die Bundesregierung selbst. Das war möglicherweise letztlich auf den ostdeutschen Geheimdienst zurückzuführen...

Bereitet Bonn den „Giftkrieg“ vor?101 Als der Genosse Schabowski noch nicht als „Maueröffner“ in den Talkshows herumgereicht und hofiert wurde, sondern stellvertretender Chefredakteur des „Neuen Deutschland“ war, schrieb er an einem Wintertag die ergreifende Geschichte eines aufrechten West-Wissenschaftlers.102 Diesem, dem Mikrobiologen Dr. Ehrenfried Petras, sei klar geworden, dass er bis zum November 1968 in einem Institut tätig war, „das einzig und allein der ABC-Kriegsführung dient“. Das habe er nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren können, und deshalb habe er alles aufgegeben und sei mit Kind und Kegel in die DDR übergesiedelt.

Zuvor hatte Petras in einem Interview mit dem [Ost-] Deutschen Fernsehfunk am 23. November sowie auf einer Internationalen Pressekonferenz am 6. Dezember vor mehr als 200 Journalisten die Gründe für seinen Übertritt in die DDR näher erläutert:Als Laborleiter habe er im „Institut für Aerobiologie“ der Fraunhofer-Gesellschaft in Grafschaft im Sauerland „jahrelang Untersuchungen zu Problemen der biologischen und chemischen Kriegsführung durchgeführt“. Dadurch sei ihm auch „eine große Zahl von Wissenschaft- lern“ bekannt geworden, die sich in der westdeutschen Bundesrepublik mit Fragen der ABC-Kriegsführung beschäf- tigen. Die Vorbereitung des Einsatzes biologischer und chemischer Kampfmittel sei immer intensiver geworden: „Das Bundesverteidigungsministerium hat vor allem im letzten Jahr eine weitere Forcierung der Entwicklung und Erprobung von biologischen und chemischen Kampfstoffen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht durch das Grafschafter Institut gefordert und durchgesetzt“.103

209 Die „Enthüllungen“ des Dr. Ehrenfried Petras fanden in der Presse breites Echo. Quelle: Neues Deutschland, 7. Dezember 1968.

210 Damit entsprach Petras scheinbar den Kriterien eines echten Whistleblowers. Mit Petras’ Enthüllungen wurde nämlich, so der 1. Stellvertreter des Ministers für Auswärtige Angelegen- heiten der DDR, „unwiderlegbar [...] der Nachweis erbracht, dass in der westdeutschen Bundesrepublik systematisch und nach langfristigen Plänen biologische und chemische Waffen entwickelt werden“.104 Tatsächlich gab es aber bald nach dem sensationellen Über- tritt des Mikrobiologen, der im Gegensatz zu den meisten anderen nicht von Ost nach West, sondern den umgekehrten Weg gegangen war, Gerüchte, er sei garnicht aus Gewissens- gründen in die DDR übergesiedelt.Vielmehr sei er ein Agent der Staatssicherheit gewesen, der kurz vor der Enttarnung gestanden hätte und deshalb zurückgerufen worden sei. Immerhin erinnert sich ein ehemaliger Kollege von Petras, dass seinerzeit alle Mitarbeiter des Instituts vom Militä- rischen Abschirmdienst überprüft worden waren, und allein Petras keine Berechtigung zum Umgang mit Verschluss- sachen erhalten hatte.105 Allerdings ließen sich diese Gerüchte bisher nicht bestätigen. Vielleicht war diesmal tatsächlich kein Geheimdienst involviert und Petras’ Flucht hatte ganz triviale Gründe. Als Petras nämlich auf der erwähnten Pressekonferenz gefragt wurde, wann bei ihm die Entscheidung zur Übersied- lung in die DDR gefallen sei, antwortete er, „Ende März dieses Jahres habe eine Umorganisierung der Struktur des Instituts auf Anweisung des Bonner Kriegsministeriums begonnen mit dem Ziel, die Forschung für militärische B- und C-Stoffe außerordentlich zu steigern“.106 Tatsächlich gab es in Grafschaft im Frühjahr 1968 einschneidende Veränderungen — aber in ganz anderer Hinsicht, und mit nachteiligen beruf- lichen Folgen für Petras. Das Institut für Aerobiologie geht zurück auf eine kleine private Forschungsstelle, die Dr. med. Karl Bisa 1955 für Untersuchungen über die Inhalationstherapie staublungen- kranker Bergleute gegründet hatte. Vier Jahre später wurde

211 sie von der „Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der ange- wandten Forschung e.V.“ (FhG) als Institut für Aerobiologie (IAe) übernommen und gehörte zu den vier Einrichtungen dieser Gesellschaft, die bis Anfang der 1970er Jahre fast voll- ständig vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) finanziert wurden. 1968 stellte das Ministerium 1,8 Millionen DM für die Erforschung von Schutz- und Abwehrmethoden gegen atomare und chemische Kampfstoffe zur Verfügung. Im Einzelnen führten die 92 Mitarbeiter des Instituts Unter- suchungen über „die Wirkung von chemischen Kampfstoffen auf den Organismus mit physikalischen, chemischen und bio- logischen Methoden auf interdisziplinärer Ebene [durch. ...] Die Forschungsergebnisse, die im Wesentlichen molekular- biologischen Charakter haben, dienen als Grundlage für die Abwehr von chemischen Kampfmitteln. Daneben stehen strah- lenbiologische Untersuchungen im Rahmen der A-Abwehr“.107

Und wenn mich meine Referenten dafür steinigen ... Zumindest 1968 waren im Institut für Aerobiologie keine Arbeiten als Verschlusssachen deklariert. In den anderen vom BMVg finanzierten Instituten war das aber anders. Die deutschen Wissenschaftsverbände wehrten sich deshalb gegen eine mit Geheimhaltungsauflagen verbundene Finan- zierung durch die Bundeswehr. Wissenschaftsminister Hans Leussink schloss sich dem an. In einem Gespräch mit dem Verteidigungsminister Helmut Schmidt hatte er „in dieser Hinsicht eine sehr dezidierte Auffassung vertreten, nach der dieser Umfang ‚absolut Null’ sein müsse; dieser Forderung hat dann Herr Minister Schmidt entsprochen. (Er fragte vor- her Herrn [Ministerialdirigent Albert] Wahl, ob das möglich sei; dieser erklärte nach einigen qualvollen Überlegungen: ‚Und wenn mich meine Referenten dafür steinigen, es muss dann eben möglich sein’). Im Hause des BMVg ist diese Entscheidung nie voll akzeptiert worden und es hat nicht an Versuchen gefehlt, sie zu unterlaufen“.108 Jedenfalls einigten sich Schmidt und Leussink, dass in der Fraunhofer-Gesell-

212 schaft keine geheimen Forschungsaufträge mehr für die Bundeswehr durchgeführt werden. Auch die Arbeiten von Petras waren entgegen seinen Be- hauptungen nicht sekretiert. Wie er gemeinsam mit dem Institutsdirektor in einem Abschlußbericht informierte, hatte er in Laborversuchen sowie in Raketen- und Ballonexperi- menten im Rahmen der „Förderung grundlagenwissenschaft- licher Forschungsvorhaben der Weltraumkunde“ mit den nicht krankmachenden Bakterien Bacillus globigii, Micrococcus radiodurans, Escherichia coli K12 (lambda), Serratia marces- cens und Hydrogenomonas H16 Untersuchungen über deren Überlebensbedingungen im Weltraum durchgeführt. (Die Hydrogenomonas-Knallgasbakterien waren deshalb einbezo- gen worden, weil sie eventuell „für die Entwicklung geschlossener ökologischer Systeme zur Ermöglichung lang- fristiger bemannter Weltraumflüge geeignet“ sein könnten). Das waren natürlich Arbeiten, die wie viele andere auch militärisch genutzt werden könnten. Aber entgegen Petras’ späteren Behauptungen hatten sie mit bakteriologischer Kriegsführung nichts zu tun, und sie waren auch nicht geheim. Tatsächlich wurden die Ergebnisse 1967 mehrfach vorgetragen und veröffentlicht, unter anderem auf einer COSPAR-Tagung in London sowie auf der Internationalen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin in Meran.109 Im Jahre 1968 sollten von Petras weitere Ballonexperimente „zur unmittelbaren Suche nach lebenden Organismen“ in der Stratosphäre durchgeführt werden.110 Allerdings gab es bei der Begutachtung des Antrags zur Fortführung des Projektes fachliche Kritik an Petras’ Arbeit. So urteilte der Leiter der AG Biophysikalische Raumforschung im Februar 1968, sie weise „ganz erhebliche Mängel auf und zwar in Bezug auf die angenommenen Voraussetzungen, die Planung, die Darstel- lung und die Auswertung der Versuche“. Deshalb sei es „unbedingt notwendig, dass erst die Laboratoriumsexperi- mente wissenschaftlich einwandfrei durchgeführt werden,

213 bevor kostspielige Ballon- und Raketenversuche in Angriff genommen werden“.111

Arbeitsloser Lügenbold oder zurückbeorderter DDR-Agent? Abgesehen von dieser fachlichen Kritik wollte sich das Verteidigungsministerium auch noch aus ganz anderen Gründen von der Finanzierung der Petras’schen Aktivitäten zurückziehen: Am 3. April 1968 wurde der für Grafschaft zuständige Mitarbeiter des Bundesministeriums für wissen- schaftliche Forschung vom Verteidigungsministerium zunächst inoffiziell informiert, „es wünsche nicht, dass am Institut für Aerobiologie, Grafschaft, Forschungsvorhaben betrieben werden, durch die Bakterien und Raketen in Zusammenhang mit dem Namen des Instituts gebracht werden können“. Eine Woche später wurde dies vom Forschungsbeauftragten des Verteidigungsministeriums schriftlich bestätigt, und zwar mit einer in unserem Zusammenhang bemerkenswerten Be- gründung: Die bisher von Petras durchgeführten Raketen- versuche sollten deshalb eingestellt werden, weil bekannt sei, dass das Grafschafter Institut überwiegend im Rahmen der Wehrforschung finanziert werde. „Die Verknüpfung Ihres o.g. Forschungsvorhabens mit dem Institut für Aerobiologie könnte daher als eine Vorbereitung zur bakteriologischen Kriegsführung ausgelegt werden. Diese Fehlinterpretation muss aber aus politischen Gründen auf jeden Fall ausge- schlossen werden“.112

Mit dieser Ablehnung des Projektes verlor aber Dr. Petras seine Finanzierungsquelle. Daraufhin fand am 30. April im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung (BMWF) eine Beratung statt, auf der mehrere „Alternativen für Unterbringung Dr. Petras“ erörtert wurden. Anschließend beantragte die Fraunhofer-Gesellschaft beim BMWF, Petras’ Arbeiten zur Exobiologie in ihrem Münchener „Institut für hygienisch-bakteriologische Arbeitsverfahren“ fortführen zu

214 Schreiben des Forschungsbeauftragen des Bundesministeriums der Verteidigung Dr. Strathmann vom 11. April 1968 wegen der Einstellung der Arbeiten von Dr. Petras am Institut für Aerobiologie. Quelle: Bundesarchiv Koblenz 196/13609.

215 lassen. Der Antrag scheiterte im Juli am Einspruch des zuständigen Sachbearbeiters beim BMWF, der stattdessen darum ersuchte, „den Abschluß der laufenden Arbeiten der Arbeitsgruppe Dr. Petras zum nächstmöglichen Termin sowie die Vorlage eines Abschlussberichtes zu veranlassen“. Weitere Bemühungen der FhG beim BMWF, doch eine Fortsetzung der Arbeiten zu ermöglichen, blieben erfolglos, das Ministerium könne die Kosten einer Weiterbeschäftigung von Petras höchstens bis zum Jahresende übernehmen. Daraufhin versuchte die FhG, „die Weiterbeschäftigung des Herrn Dr. Petras im Rahmen der Forschungsaufgaben des BMVg in unserem Institut für Aerobiologie zu ermöglichen“. Das war aber ebenso wenig möglich wie Bemühungen von Petras selbst, „noch in diesem Jahr anderweitig einen neuen Tätigkeitsbereich zu finden“. So informierte die Fraunhofer- Gesellschaft am 4. November 1968.113 Wenige Tage später war Petras weg und gerierte sich im „Arbeiter- und Bauernstaat“ nicht als arbeitsloser Wissen- schaftler, sondern als verantwortungsbewusster Friedens- kämpfer. Nicht weil in Grafschaft „die Forschung für militäri- sche B- und C-Stoffe außerordentlich“ gesteigert wurde, und weil ihm sein Gewissen verbot, „weiterhin Handlanger zur Vorbereitung skrupelloser Verbrechen zu sein“ wandte Petras der Bundesrepublik den Rücken, sondern weil die Bonner Militärs nicht den Verdacht erwecken wollten, Biowaffenaktivitäten zu betreiben. Petras war kein Whistle- blower, denn die treten „zum Nutzen der Gemeinschaft und nicht zum eigenen Vorteil“ auf,114 sondern war ein stellenloser Lügenbold. Bonn dementierte natürlich sofort, zumal — Berichten des „Neuen Deutschland“ zufolge — das „Ausland über Bonner B- und C-Programm erregt und empört“ war.115 Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, die Bundesrepublik habe ja auf die Herstellung von A-, B- und C-Waffen verzich- tet und sich zur Überprüfung wirksamen internationalen Kontrollen unterworfen.116 Tatsächlich statteten bald darauf

216 Vertreter des Rüstungskontrollamtes der Westeuropäischen Union dem Institut für Aerobiologie einen Besuch ab. „Sie überzeugten sich von der Unhaltbarkeit der Behauptungen, die in Ost-Berlin der ehemalige Institutsangehörige Dr. Petras über eine vertragswidrige Produktion biologischer Waffen aufgestellt hatte“.117 Ein ehemaliger Grafschafter Ab- teilungsleiter erinnert sich daran, dass damals viele von den Vorwürfen aufgeschreckte Besucher durchs Institut geführt wurden, wobei „kein Kellerloch und keine Abstellkammer“ ausgespart worden sei. Die meisten Gäste hätten die Über- zeugung mit nach Hause genommen, „dass in Grafschaft eine Beschäftigung mit pathogenen Keimen schon aus sicherheits- technischen Gründen überhaupt nicht möglich war“.118 Zur gleichen Ansicht kam Ernst-Ulrich von Weizsäcker, der damals eine Studiengruppe über B- und C-Waffen der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler leitete. Da sich die Bundesrepublik bereits 1954 verpflichtet hatte, keine biologi- schen Waffen und andere Massenvernichtungsmittel herzu- stellen,119 habe seine Gruppe das in die Schlagzeilen gebrach- te Institut besichtigt und sei zu der Ansicht gekommen, dass die dortigen Laboratorien gar nicht zur Arbeit mit potenziel- len biologischen Kampfstoffen ausgerüstet waren. Das hielt Weizsäcker Petras entgegen, als dieser 1970 auf einem Kühlungsborner Kolloquium erneut seine Behaup- tungen vortrug.120 Da Petras’ Vorwürfe auch von anderen Kolloquiumsteilnehmern laut und deutlich bezweifelt wurden, beschwerte sich dieser anschließend mit dem Argument, ich hätte ihn in Kühlungsborn ins offene Messer laufen lassen, beim Zentralkomitee der SED. Das leitete daraufhin eine entsprechende Untersuchung ein. Mehrere Genossen, die am Kolloquium teilgenommen hatten, mußten den Verlauf der Tagung, insbesondere aber Petras’ Ausfüh- rungen und die dadurch ausgelöste Diskussion einschätzen. Überdies wurden wir Veranstalter aufgefordert, ein Wort- protokoll der Tagung abzuliefern. In der Folge kam man in der Parteizentrale aber offenbar zu der Ansicht, dass man

217 sich einen Bärendienst leiste, wenn man Petras weiterhin so plump agitieren ließe, und dass Petras’ Blamage wohl nicht darauf zurückzuführen war, dass ihn jemand ins offene Messer laufen lassen wollte. Petras hatte fortan keinen öffentlichen Auftritt mehr, und die Bundesrepublik wurde nicht mehr so massiv und offiziell beschuldigt, den Biokrieg vorzubereiten. Die Staatssicherheit zeigte an diesen Vorgängen offenbar kein nennenswertes Interesse — obwohl dies eigentlich zu erwarten gewesen wäre, wenn es ihr Mann in Grafschaft gewesen wäre. In meinen Stasi-Unterlagen findet sich jeden- falls nur ein einziger, nicht einmal richtig datierter Bezug: In einer Einschätzung wird unter anderem vermerkt: „Im Jahre 1971* trat er [d.h. E.G.] in Kühlungsborn auf einem Kolloquium über philosophische Aspekte der modernen Genetik zusam- men mit Weizsäcker gegen ** auf“. Das Geheimnis, warum Petras nach seiner Übersiedlung in die DDR die Tatsachen auf den Kopf stellte und seine bishe- rigen Arbeitgeber der Kriegsvorbereitung beschuldigte, hat Petras wenige Jahre darauf mit ins Grab genommen. Hat er sich so über die Bonner Ministerien geärgert, die seine Untersuchungen nicht mehr finanzieren wollten, dass er sich mit seinen Anschuldigungen an diesen rächen wollte? Oder gewährten ihm die Sicherheitsorgane der DDR nur unter der Bedingung Asyl, dass er die Bundesrepublik verleumdete? Oder war die bevorstehende Enttarnung als Agent der Hauptgrund für ihn, in die DDR zurückzukehren? Schon in seinem ersten Dementi hatte ein Sprecher des Verteidigungs- ministeriums süffisant darauf hingewiesen, dass Petras ja „aus der Zone“ stammte.121

* Tatsächlich war es 1970. ** Geschwärzt in der Kopie der Gauck-Behörde, gemeint ist Petras.

218 Auch das SIPRI war im Visier der Stasi Während also offen bleibt, ob die Stasi einen Agenten im Institut für Aerobiologie platziert hatte, ist sicher, dass ein „Kundschafter“ im Stockholmer Internationalen Friedens- forschungsinstitut SIPRI spionierte, und zwar ganz offenbar in der Führungsetage der Einrichtung. Ich fand das heraus, als ich in meinen Stasi-Unterlagen nachforschte, warum 1985 ein — von Instituts- und Akademieleitung bereits genehmigter — zweijähriger Arbeitsaufenthalt am SIPRI zur Erarbeitung eines Buches über Biowaffen kurzfristig und ohne überzeu- gende Begründung abgelehnt worden war. Den Akten war zu entnehmen, daß mein geplanter Aufenthalt an einem Einspruch der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) scheiterte. In einem Protokoll wird am 12. Dezember 1984 notiert, die Abteilung XIII habe mitgeteilt, „dass ihre op. Arbeit am SIPRI durch Aktivitäten von G. gestört wird“. Da „im MfS kein op. Interesse am Einsatz von G. im SIPRI“ vorliege, wurde auf Bitte der HVA XIII in zwei Gesprächen mit dem Generalsekretär und zwei weiteren leitenden Genossen der Akademie vereinbart, daß diese in der Akademie „gegen einen langfristigen Aufenthalt von G. im NSW* auftreten mit dem Argument, dass die AdW auf dem Gebiet Biotech- nologie in Kritik steht u. sich nicht leisten kann, statt ihre paar profilierten Leute arbeiten zu lassen diese längere Zeit ins NSW zu schicken. Konsequenz wäre die Rückziehung des Auslands-Kader-Antrages durch die AdW so dass MfS einer Stellungnahme enthoben”. Auch in einem am 2. Juli 1986 von einem Mitarbeiter der HA XVIII/5 niedergeschriebenen „Kontakierungsvorschlag“ wurde vermerkt, die Ablehnung meines längerfristigen Aufenthaltes in Stockholm sei erfolgt, weil „ein Hinweis der HVA XIII vorlag, dass G. ihre operati- ve Arbeit bei SIPRI stört”.

* „Nicht-sozialistisches Währungsgebiet“, wie „KA“ in der DDR eine gängige Bezeichnung für „kapitalistisches Ausland“.

219 Erste Seite eines Protokolles des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR über eine Beratung mit leitenden Genossen der Akademie der Wissenschaften vom 12. Dezember 1984. Aus ihm geht hervor, dass die Stasi am Stockholmer Friedensforschungsinstitut operativ tätig war. Quelle: Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicher- heitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Geißler-Akten 3, AP 45.920/92, S. 348–349.

220 Tatsächlich fand ich in den Akten auch mehrere Beweise dafür, dass es in der SIPRI-Leitung einen gut unterrichteten Informanten mit Decknamen „IM der DE“* gab. Dieser berichtete beispielsweise am 18. August 1986, der einfluss- reiche leitende Mitarbeiter des SIPRI hätte „über die Genfer Quäker-Vertretung indirekt versucht, eine Pressekonferenz von Geißler zu verhindern, vermutlich, weil er sich selbst für den für dieses Gebiet ‚zuständigen’ SIPRI- Vertreter hält. Jedenfalls hat seit etwa ½ Jahr eine distanzierte Position zu G. bezogen.“ In der Tat wusste ich schon seit Jahren von verschiedenen Quellen, auch ohne Akteneinsicht, dass die vom Agenten erwähnte Person damals erfolgreich verhindert hatte, dass mein Biowaffen-Buch — wie sonst bei in Genf präsentierten SIPRI-Publikationen üblich — in der Genfer Vertretung der Quäker vorgestellt wurde. Er hatte mir damit unbeabsichtigt aber einen großen Dienst erwiesen, denn die Pressekon- ferenz fand dann an einem viel zentraleren Ort statt, nämlich im Palais der Nationen, veranstaltet vom Abrüstungsinstitut der Vereinten Nationen. Dass der Agent aber überhaupt von der Intrige zu berichten wusste beweist, dass er Zugang zu sehr internen Vorgängen am SIPRI hatte. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch eine „Information über Aktivitäten eines DDR-Wissenschaftlers zur Realisierung eines mehrjährigen Auslandsaufenthaltes im KA“, für die ausdrücklich „um Quellenschutz“ ersucht wurde. Darin heißt es unter anderem: „Es bestehen begründete Vermutungen, dass der Personenkreis im SIPRI, die den Aufenthalt von Geißler befürworten, verstärkt rechtskonser- vativen Tendenzen ausgesetzt ist und eine entsprechende Politik im Institut durchzusetzen versucht. Es existieren weiterhin Hinweise, die auf geheimdienstliche Kontakte der oben genannten Personengruppe schließen lassen.”

* inoffizieller Mitarbeiter der Diensteinheit

221 Letztlich konnte die Stasi aber weder erfolgreich die Bundesrepublik der biologischen Aufrüstung beschuldigen noch die Zusammenarbeit von DDR-Wissenschaftlern mit dem renommierten Stockholmer Institut behindern. Das geplante Biowaffenbuch wurde trotzdem noch rechtzeitig fertig und die Stasi konnte nicht verhindern, dass in ihm Positionen vertreten wurden, die im eklatanten Widerspruch zur Haltung des Warschauer Paktes standen. Doch dazu spä- ter mehr.

222 Die Entwicklung von Biowaffen wird verboten 122

er 25. November 1969 markierte einen Meilenstein in Dder Geschichte der Biowaffen. An diesem Tage griff Präsident Richard Nixon in die biologische Rüstungsspirale ein. Während einer Besichtigung des Biowaffeninstituts Fort Detrick erklärte er, dass die USA einseitig auf die Entwick- lung und Produktion biologischer Waffen verzichten, alle Vorräte dieser Mittel vernichten und sich nur noch auf Schutzmaßnahmen auf diesem Gebiet beschränken würden. Drei Monate später schloss er auch Toxin-Kampfmittel in dieses Verbot ein. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die USA ein großes Potenzial an biologischen Kampfmitteln, darunter je etwa 19.000 Liter Erreger von Q-Fieber und Venezolanischer Pferde-Enzephalitis in Suspension, 365 kg pulverisierte Tularämie-Bakterien, 100 kg pulverisierte Milzbrand-Erreger sowie 72.200 kg beziehungsweise 846 kg Sporen von Getreiderost- und Reisbrand-Pilzen.* Darüber hinaus waren 37.554 Bomben und Granaten verschiedener Kaliber vorhan- den, die mit biologischen oder Toxin-Kampfmitteln oder mit Simulantien gefüllt waren.123 Dass Nixon mitten im Kalten Krieg einseitig auf die Verfügbarkeit eines in beträchtlichen Mengen vorhandenen Massenvernichtungsmittels und seine Weiterentwicklung verzichtete und damit den Weg für ein allgemeines Verbot dieser Waffen öffnete hatte mehrere Gründe. Nicht zuletzt ausgelöst durch den Einsatz chemischer Mittel im Vietnam- krieg gab es eine zunehmend breiter und intensiver werdende weltweite Allianz von Wissenschaftlern, die einen Stop von Produktion und Einsatz biologischer und chemischer Kampf- stoffe forderten. Diese Bewegung erhielt Gewicht durch das Engagement führender Gelehrter, unter ihnen solche

* Puccinia spec. bzw. Piricularia oryzae (heute: Magna porthe grisea).

223 Pioniere der Molekularbiologie wie Nobelpreisträger Joshua Lederberg und Harvard-Professor Matthew Meselson. Nicht zuletzt unter dem zunehmenden Druck amerikanischer Wissenschaftler wies Präsident Nixon im Mai 1969 den Natio- nalen Sicherheitsrat an, die bisherigen Richtlinien der chemi- schen und biologischen Kriegsführung zu überprüfen. Dessen Chef war damals Henry Kissinger. Der war seit gemeinsamen Studienzeiten bei Harvard gut mit Meselson bekannt und erbat nun dessen Rat. Meselson meinte, die atomar hochgerüsteten USA brauchten keine Biowaffen und sollten auf sie verzichten — nicht zuletzt deshalb, um andere Staaten davon abzu- halten, sich die verhältnismäßig billigen „Atomwaffen des armen Mannes” zu beschaffen. Lederberg hatte einen direk- ten Draht zu anderen hohen Beamten der Administration und konnte diese im gleichen Sinne überzeugen. Was im Einzelnen in der Stellungnahme des US-Sicherheits- rates stand ist bis heute geheim. Oft wird behauptet, wie seinerzeit bei der Wehrmacht habe der geringe militärische Wert der Biowaffen, ihre Unkontrollierbarkeit, die lange Latenz bis zum Auftreten von Symptomen, ihre Empfind- lichkeit gegenüber Umwelteinflüssen für die Ratsentscheidung eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Aber inzwischen verfügte man über die umfangreichen Erkenntnisse der Japaner auf diesem Gebiet, inzwischen gab es die in den fünfziger Jahren eingeführten Methoden der Mikrobengenetik, die schon zwei Jahrzehnte vor der Entwicklung der Gentechnik eine genetische Manipulation von Bakterien und Pilzen, und damit auch von „dual-threat“- Agenzien erlaubten. Und vor allem hatte man inzwischen in ausgedehnten Feldversuchen herausgefunden, dass bestimmte biologische Kampfmittel in ihrer Wirkung atomaren Waffen durchaus vergleichbar, aber wesentlich preiswerter waren: „Poor men’s atomic bombs” in den Händen von Entwicklungsländern — von „Schurken- staaten“ war damals noch keine Rede — das musste auf alle Fälle verhindert werden. Und solche Überlegungen dürften beim Urteil des Rates und bei der anschließenden Entschei-

224 dung des Präsidenten eine gewichtige Rolle gespielt haben. Nixons Entscheidung wirkte wie ein Signal, zumal inzwischen Großbritannien, Kanada und Schweden erklärt hatten, keine Biowaffen zu besitzen. Mitten im Kalten Krieg begannen sich die Großmächte über ein Verbot der Entwicklung und Pro- duktion von Bio- und Toxinwaffen zu verständigen. Da waren nun vor allem die Diplomaten auf den Plan gerufen. Zwar hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits in ihrer ersten Resolution am 24. Januar 1946 eine Ächtung der biologischen und chemischen Waffen gefordert. Aber ein ganzes Vierteljahrhundert lang war in dieser Hinsicht nicht nur nichts passiert, sondern die biologische Rüstungsspirale noch mehr auf Touren gekommen als vor dem Zweiten Weltkrieg. Nunmehr legten die Großmächte weitgehend übereinstimmende Vertragsentwürfe vor, die sich zunächst nur darin unterschieden, ob chemische und biologische Kampfmittel gemeinsam oder getrennt voneinander erfasst werden sollten. Glücklicherweise erzielte man aber bald Übereinstimmung, zunächst nur Entwicklung und Besitz von Biowaffen zu verbieten — eine weise Entscheidung, denn über das Verbot chemischer Kampfmittel musste dann fast ein ganzes Vierteljahrhundert weiter verhandelt werden.

Am 28. September 1971 einigten sich die Großmächte und eine Reihe weiterer Staaten auf eine Konvention, die Entwicklung, Herstellung, Beschaffung, Weitergabe und Lagerhaltung der Bio- und Toxinwaffen verbietet und deren Vernichtung anordnet.Anschließend wurde der Vertrag auch von der UN- Vollversammlung akzeptiert und am 10. April 1972 zum Unterzeichnen ausgelegt. Nachdem 22 Staaten — unter ihnen bereits 1972 die DDR124 — die Konvention signiert und ratifiziert hatten, trat sie am 26. März 1975 in Kraft.* Erstmals war damit ein komplettes Waffensystem verboten worden, und das mitten im Kalten Krieg.

* Die Bundesrepublik ratifizierte die Konvention, in der westdeutschen Übersetzung „Übereinkommen“ gennant, erst 1983.

225 Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxin- Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen 125 (Auszug)

Artikel I Jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens verpflichtet sich, 1. mikrobiologische oder andere biologische Agenzien oder — unge- achtet ihres Ursprungs oder ihrer Herstellungsmethode — Toxine von Arten und in Mengen, die nicht durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind, sowie 2. Waffen, Ausrüstungen oder Einsatzmittel, die für die Verwendung solcher Agenzien oder Toxine für feindselige Zwecke oder in einem bewaffneten Konflikt bestimmt sind, niemals und unter kei- nen Umständen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern oder in anderer Weise zu erwerben oder zurückzubehalten.

Artikel II Jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens verpflichtet sich, alle in seinem Besitz befindlichen oder seiner Hoheitsgewalt oder Kontrolle unterliegenden Agenzien,Toxine,Waffen,Ausrüstungen und Einsatz- mittel im Sinne des Artikels I so bald wie möglich, spätestens jedoch neun Monate nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens, zu vernichten oder friedlichen Zwecken zuzuführen. [...]

Artikel III Jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens verpflichtet sich, die in Artikel I bezeichneten Agenzien, Toxine, Waffen, Ausrüstungen oder Einsatzmittel an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzuge- ben und einen Staat, eine Gruppe von Staaten oder internationale Organisationen weder zu unterstützen noch zu ermutigen, noch zu veranlassen, sie herzustellen oder in anderer Weise zu erwerben.

226 Allerdings enthält die Konvention eine Reihe von Schwachstel- len, die vor allem nach Einführung von Gentechnik und anderer molekularer Biotechnologien immer deutlicher hervortraten. Diese Schwachstellen erlangten aber auch deshalb immer größere Bedeutung, weil die Großmächte als Folge der inter- nationalen Entspannung immer mehr die Kontrolle über die kleineren Staaten ihres früheren Einflussbereiches verloren. Eine dieser Schwachstellen besteht darin, dass das Abkom- men nicht universell akzeptiert ist. Nach dem Stand vom 31. Dezember 2002 traten 146 Staaten der Biowaffenkonvention bei. Das heißt aber auch, dass etwa ein Viertel aller Mitglieds- staaten der Vereinten Nationen dem Abkommen noch nicht beigetreten ist. Dazu gehören fatalerweise nahezu alle Staaten des Nahen Ostens. Eine zweite Schwachstelle ist, dass im Vertrag nur ziemlich unverbindlich vereinbart wird, dass die Partnerstaaten „alle notwendigen Maßnahmen“ ergreifen, die Bestimmungen der Konvention in nationales Recht umzusetzen und so bei- spielsweise Terroristen den Zugang zu dual-threat-Agenzien unmöglich zu machen. Tatsächlich hat bisher nur eine begrenzte Anzahl von Staaten Gesetze über den Umgang mit potenziellen biologischen Kampfstoffen erlassen. Nur beiläufig sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass auch in den USA Nixons Verbot zunächst nicht vollständig befolgt wurde. Wieder einmal versagte ein Geheimdienst — diesmal in seiner Treuepflicht dem Präsidenten gegenüber: Im September 1975 wurde entdeckt, dass die CIA nach wie vor relativ große Mengen biologischer und Toxin-Kampf- mittel hortete, unter anderem die Erreger von Bruzellose, Maltafieber, Milzbrand, Pocken, Tularämie und Venezolani- scher Pferde-Enzephalitis, sowie Botulin und Staphylokok- ken-Enterotoxin B.126

Eine dritte, besonders schwerwiegende Schwachstelle resul- tiert daraus, dass die Konvention keine Bestimmungen enthält, wie ihre Einhaltung kontrolliert („verifiziert“) werden

227 kann, und keine Angaben darüber, ob und wie entsprechende Verstöße geahndet werden sollen. Das wurde beim Vertrags- abschluß nicht etwa „vergessen“. Kontrollbestimmungen und Sanktionsandrohungen wurden vielmehr bewusst nicht in das Übereinkommen aufgenommen, weil die Sowjetunion und ihre Verbündeten seinerzeit grundsätzlich nicht bereit waren, Verifikationsmaßnahmen zu akzeptieren. Der Grund dafür ist inzwischen bekannt: Selbst halbwegs tiefschürfende Kontrollen hätten vermutlich die geheimen sowjetischen Rüstungsaktivitäten enthüllen können. Aber davon hatten die Westmächte damals noch keine Ahnung. Fred C. Ikle, der Direktor der Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde, wies in einer Anhörung vor dem Komi- tee für auswärtige Beziehungen des US-Senats am 10. Dezember 1974 auf diesen Mangel der Konvention hin. Trotzdem liege es nach Meinung Ikles sehr im Interesse der USA, diesem Vertrag beizutreten, und zwar vor allem aus drei Gründen: „Erstens ist die militärische Brauchbarkeit sol- cher Waffen im besten Fall zweifelhaft: ihre Wirkung ist un- vorhersehbar und potenziell unkontrollierbar, und es gibt keine militärischen Erfahrungen darüber. Folglich berauben uns die Verbotsbestimmungen dieser Konvention keiner mili- tärisch interessanten Option und die Verifizierbarkeit ist des- halb weniger wichtig. Zweitens sind biologische Kampfmittel aus moralischen Gründen abzulehnen. Drittens kann eine weit- verbreitete Einhaltung der Konvention dazu beitragen, dass es nicht zu einem biologischen Wettrüsten kommt“.127 In der selben Anhörung wurde ein Schreiben von Luftwaffengeneral George S. Brown vorgelegt, wonach biologische Kampfmittel nach Meinung der Vereinigten Stabschefs für die amerikanische Abschreckungsfähigkeit nicht notwendig sind. „Wegen der unilateralen Entscheidung der USA auf biologische Waffen jeder Art zu verzichten und wegen der unbewiesenen Nützlichkeit solcher Kampfmittel für einen potenziellen Aggressor ist Verifikation für diesen Vertrag keine wesentliche Angelegenheit“.128

228 Auf die Vereinbarung von Verifikationsmaßnahmen wurde also von beiden Machtblöcken aus ganz unterschiedlichen Gründen bewusst verzichtet. Weitere, besonders einschneidende Schwachstellen der Konvention resultieren daraus, dass sowohl Forschungs- arbeiten an dual-threat-Agenzien im allgemeinen als auch B- Schutz-Aktivitäten im speziellen uneingeschränkt erlaubt sind, also beispielsweise auch Entwicklung, Produktion und Einsatz von Impfstoffen gegen DTAs. Man kann deshalb dem Geheimdienstkomitee des amerika- nischen Repräsentantenhauses nur zustimmen, „dass es schwierig sein dürfte, ein biologisches Agens zu benennen, das nicht ‚für prophylaktische, schützende oder andere fried- liche Zwecke’ vermehrt werden könnte. Selbst die Produktion größerer Mengen von Milzbrandbakterien müsste nicht not- wendigerweise eine Verletzung der Konvention bedeuten“.129 In diesem Zusammenhang wies auch der führende amerika- nische Experte Victor Sidel auf die Schwierigkeit hin, Schutzforschung von offensiv motivierten Aktivitäten zu unterscheiden, was natürlich Verdacht erregen könnte: „Die Einführung eines Programms spezifisch für den medizi- nischen ‚Schutz’ gegen derartige Agenzien könnte für andere in der Welt schlicht als Forsetzung des Rüstungswettlaufs auf diesem Gebiet erscheinen.“ Und der Abgeordnete W. Owens meinte, „dass steigende Ausgaben für den biologischen Schutz weiterhin international Verdacht auslösen und in der Folge zur Proliferation auf dem biologischen Waffensektor führen werden“.130

229 Die Janusköpfigkeit der Impfstoffe 131

n allen Kriegen bis zum Zweiten Golfkrieg sind mehr ISoldaten durch Infektionskrankheiten und Intoxina- tionen umgekommen als durch Waffen. Seuchen waren oft kriegsentscheidend. 17.000 spanische Soldaten starben 1490 vor Granada an Fleckfieber. König Ferdinand von Aragon musste daraufhin die Belagerung der Stadt aufgeben. Napoleons Armee erlag vor Moskau der gleichen Krankheit — nach ihrem Rückzug verseuchte sie halb Europa: allein in Mainz starben mehr als 21.000 Soldaten und über 2400 Bürger. Mit biologischer Kriegsführung hatte das allerdings nichts zu tun, selbst wenn der eine oder andere Erreger einer Kriegsseuche auch als potenzielles Kampfmittel eingeschätzt werden muss. Auch Entwicklung und Anwendung von Impfstoffen gegen Kriegsseuchen — wie sie in Hitlerdeutsch- land in barbarischen Experimenten an Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen betrieben wurde — hat nichts mit biolo- gischer Kriegsführung zu tun. Aber Impfstoffe schützen nicht nur vor (einigen) Kriegs- seuchen, sondern auch vor Krankheiten, die durch andere dual-threat-Agenzien verursacht werden. Entwicklung und Einsatz von Impfstoffen ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben des sog. „B-Schutzes“. Das ist völlig legitim. „Ent- wicklung, Herstellung, Lagerung, Erwerb und Bevorratung potenzieller Kampfmittel für prophylaktische, schützende und andere friedliche Zwecke” werden von der Biowaffen- konvention ausdrücklich erlaubt. Diese Erlaubnis ist aber auch eine der größten Schwach- stellen des Übereinkommens, denn wirksame B-Schutzmaß- nahmen setzen genaue Kenntnis des offensiven Potenzials gegnerischer Kampfmittel voraus. Tatsächlich dürfte es nach Ansicht eines Komitees des US-Repräsentantenhauses schwer fallen, „ein biologisches Agens zu benennen, dass nicht mit der Begründung ‚prophylaktische, protektive oder andere friedliche Zwecke’ produziert werden könnte.

230 Selbst die Herstellung bestimmter Mengen von Milzbrand- Erregern muss nicht zwangsläufig eine Verletzung der Konvention darstellen”.

Vier verschiedene Gründe, Impfstoffe zu entwickeln und anzuwenden Besonders problematisch ist es, wenn Entwicklung und Anwendung von Impfstoffen gegen dual-threat-Agenzien in militärischen Einrichtungen erfolgt, womöglich im geheimen. Für solche Aktivitäten kann es ganz unterschiedliche Motive geben. Eines besteht darin, die Soldaten in Friedenszeiten vor natürlichen Infektionen und Intoxinationen zu schützen. Das gilt vor allem auch dann, wenn sie im Ausland Dienst tun müssen und dort „exotischen“ Krankheitserregern ausgesetzt sein könnten, beispielsweise im Kosovo, in Afghanistan oder am Horn von Afrika. (An uns Zivilisten wird in den militäri- schen Impfprogrammen in der Regel nicht gedacht, nicht zuletzt wegen der Unterschiedlichkeit der notwendigen Finanzquellen — aber das ist ein anderes Thema, das sich mittlerweile angesichts der bioterroristischen Bedrohung möglicherweise zu ändern beginnt.) Ein zweites Motiv besteht darin, dass Soldaten (und Zivilisten) auch in konventionellen und anderen nicht-biolo- gischen Kriegen vor natürlichen Infektionen und Intoxi- nationen geschützt werden müssen, nicht zuletzt auch vor Kriegsseuchen. Ein drittes Motiv ist der eigentliche „B-Schutz“. Das setzt aber voraus, dass man zuvor weiß, mit welchen Biowaffen ein angenommener Gegner angreifen wird. Es ist aber kaum möglich, sich durch Vakzinierung vor einem Überraschungs- angriff mit biologischen Kampfstoffen zu schützen. Impfstoffe schützen in der Regel jeweils nur vor einem bestimmten Erreger, und auch das nur, wenn sie Wochen, wenn nicht Monate im Voraus appliziert worden sind. In vielen Fällen ist auch unbekannt, ob normalerweise wirksame Impfstoffe auch dann ausreichend schützen, wenn die betref-

231 fenden Erreger im Gegensatz zum natürlichen Infek- tionsgeschehen in Form von Aerosolen verbreitet und dann eingeatmet werden. Und wie soll man sich vor Agenzien schützen, die gentechnisch so umprogrammiert worden sind, dass sie herkömmliche Immunbarrieren überwinden können? Selbstverständlich ist es nicht nur Recht, sondern Pflicht militärischer Führer, ihre Streitkräfte vor gegnerischen Kampfmitteln zu schützen, wenn es verlässliche Informa- tionen über deren bevorstehenden Einsatz gibt. Aber wann waren schon solche Informationen bisher verlässlich? Im Zweiten Golfkrieg schon — als einige angloamerikanische Truppen gegen Milzbrand und Botulinum-Toxin immunisiert wurden —, aber vor der Invasion in der Normandie 1944 zunächst überhaupt nicht. Ganz abgesehen davon stehen lizenzierte Impfstoffe nur gegen einige wenige Vertreter des „dreckigen Dutzend“ zur Verfügung: Milzbrand-, Pest- und Pockenerreger. Weitere Vakzinen, die vor Botulismus, Q-Fieber, Rifttal-Fieber, Tularämie und Venezolanische Pferde-Enzephalitis schützen, sind noch nicht lizenziert und werden zur Zeit nur an Risikopersonal verabfolgt.132 Deshalb hat das Verteidigungs- ministerium der USA 1997 das „Joint Vaccine Acquisition Program“ gestartet, um Impfstoffe gegen die bedrohlichsten Agenzien entwickeln beziehungsweise verbessern zu lassen, und zwar gegen die Erreger von Milzbrand, Pest, Pocken, Q- Fieber, Tularämie und Venezolanischer-Pferde-Enzephalitis, sowie Botulinum-Toxin und Rizin.133

Anfang 1998 beschlossen Angloamerikaner und Kanadier, ihre im Persischen Golf stationierten Truppen gegen Milz- brand zu impfen. Darüber hinaus entschieden die USA, in einem Zeitraum von sechs Jahren alle Militärangehörigen gegen Milzbrand zu immunisieren. Im Mai 2002 wurde diese Entscheidung aber wieder aufgehoben. Nun sollen nur noch besonders gefährdete Risikogruppen geimpft werden, übrigens auch aus der Zivilbevölkerung. Großbritannien

232 Rifttal-Fieber is ein durch Viren hervorgerufenes „hämorrhagisches Fieber“ (HF).134 Die von HF-Viren verursachten schweren Erkran- kungen imponieren vor allem durch eine stark erhöhte Permeabilität der Blutgefäße, was zu Blutungen der inneren Organe sowie aus Nase, Mund, After und anderen Schleimhäuten führt. HFV sind sämtlich RNS-haltige Viren. Sie gehören aber verschie- denen Familien an, und zwar Arenaviren: Lassa-V., sowie Junin-V., Machupo-V. u.a. Viren der Neuen Welt, Bunyaviren: Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber-V., Rifttal- Fieber-V., Hantan-V. u.a., Flaviviren: Dengue-V., Gelbfieber-V., Zecken-Enzephalitis-V. u.a. Filoviren: Ebola-V., Marburg-V. Auf natürlichem Wege steckt man sich durch Kontakt mit infizierten Tieren oder durch Insektenbisse an. Eine spezifische Therapie ist nicht möglich; lizenzierte Impfstoffe stehen nur gegen Gelbfieber zur Verfügung, gegen einige andere HFV gibt es noch nicht zugelassene „experimentelle Vakzinen“. Viele HFV sind potenzielle Kampfmittel, die meisten — mit Aus- nahme von Dengue-V. — können durch Aerosole verbreitet werden. Ebola-, Junin-, Lassa-, Machupo- und Marburg-Viren sollen in der Sowjetunion als Kampfmittel entwickelt worden sein, Rifttal-Fieber- und Gelbfieber-V. durch die USA.

dagegen will die Anthrax-Schutzimpfung in den nächsten Jahren allen Armeeangehörigen und besonders gefährdeten Zivilisten anbieten, weil man ja mindestens sechs Monate brauche, um einen vollen Impfschutz zu gewährleisten.135

Impfstoffe senken Hemmschwelle vor Biowaffen-Einsatz Impfstoffe können schließlich viertens aber auch entwickelt und angewandt werden, wenn man offensive Biowaffen- aktivitäten betreiben und dabei die eigenen Spezialisten nicht gefährden will. Entsprechend war der erklärte Grund für die Aufnahme von Impfstoffentwicklungen im Institut für

233 Infektionskrankheiten der US-Armee in Fort Detrick in den 1950er Jahren nach Auskunft des damaligen Kommandeurs David Huxsoll „hauptsächlich der, das am offensiven Programm beteiligte Personal zu schützen“.136 Überdies ermöglicht die Bereitstellung geeigneter Impfstoffe und Immunseren auch eine biologische Erstschlagsfähigkeit. Schon Stabsarzt Dr.Winter, der im Ersten Weltkrieg angeregt hatte, England mit Yersinia pestis anzugreifen, hatte gemeint, zuvor müsse aber ausreichend Immunserum zum Schutz der eigenen Truppen bereitgehalten werden. Entsprechend erklärte Generalarzt Professor Riemer 1925 auf der bereits erwähnten Konferenz der Sanitätsinspektion über die Verwendung von Bakterien als Kampfmittel im Kriege, man dürfe „sich dieser Waffe nur bedienen, wenn vorher die erforderlichen Sicherungen (Schutzimpfungen usw. im eige- nen Lager) getroffen sind“. Heute können Impfstoffe dank der Einführung der Gen- technik und anderer molekularer Biotechnologien schneller, wirksamer und in größeren Mengen produziert werden als zuvor. Darauf hatten im Frühjahr 1981 Nobelpreisträger Joshua Lederberg und andere Experten aufmerksam gemacht, die für das Außenministerium der USA die Bedeutung der Gentechnik einschätzen sollten. Daraus folgere, dass „eine erhöhte Schutzfähigkeit zum Einsatz biologischer Waffen verleiten könnte, da der Angreifer ein vermindertes Risiko eingeht, durch seine eigenen Aktionen geschädigt zu wer- den“.137 Die Stellungnahme sollte aber vermutlich nicht öffentlich bekannt werden. Nur in einer kleinen Fachzeitschrift, dem „Genetic Engineering Letter“, war darauf hingewiesen und erwähnt worden, dass der Expertenbericht vom Advisory Committee on Oceans, Environment and Scientific Affairs gebilligt und dann dem stellvertretenden Außenminister Malone zugeleitet worden sei.138 Als ich 1983 aus dieser Stellungnahme zitieren wollte, wandte ich mich an Komitee- Mitglied Joshua Lederberg und bat ihn um eine Kopie.

234 Lederberg antwortete zu meinem Erstaunen, er könne die Existenz einer solchen Stellungnahme nicht bestätigen. Da ich nicht wusste, ob der negative Bescheid deshalb erfolgte, weil ich als DDR-Bürger nicht vertrauenswürdig erschien, bat ich meinen amerikanischen Kollegen Professor Arthur Westing vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut um Unterstützung. Der schrieb an den stellvertretenden US- Außenminister, an den ja angeblich der Bericht gegangen war.Aber auch Arthur bekam eine negative Antwort. Malone ließ nämlich mitteilen, der Bericht sei weg: „Unglücklicher- weise”, schrieb einer seiner Mitarbeiter, „können wir den Bericht nicht finden. Die Abteilung [des State Department], die für das Advisory Committee zuständig war, ist bald nach der im Mai 1981 durchgeführten Sitzung aufgelöst worden, und die unserer Abteilung übergebenen Akten enthalten keine Kopie dieses Berichtes. Auch meine Nachforschungen in anderen zuständigen Abteilungen unseres Ministeriums führten nicht auf Auffinden eines Exemplars des Berichtes”.139 Aber schließlich schafften wir es doch noch, eine Kopie des — nicht einmal offiziell als „geheim“ eingestuften — Berichtes aufzutreiben, so dass er hier zitiert werden kann.Warum aber diese Geheimniskrämerei um den Report? Vielleicht wollte man keine schlafenden Hunde wecken und nicht explizit auf die mit der Impfstoffproblematik verbundene Schwachstelle der Biowaffenkonvention aufmerksam machen. Auf die wies dann aber spätestens 1993 das Amt für Technologiefolgen- abschätzung des US-Kongresses eindeutig hin: „Offensiv motivierte Arbeiten können unter dem Deckmantel schüt- zender Aktivitäten durchgeführt werden, da beide Aktivitäten dasselbe grundlegende Know-how und gleiche Labortechniken erfordern“. Das gilt ganz besonders für völlig neuartige Impfstoffe, die mit den Methoden der molekularen Biotechnologie entwickelt werden. Bei denen werden harmlose oder un- schädlich gemachte Bakterien oder Viren als „Gentaxis“ verwendet, mit deren Hilfe solche Erbanlagen in die

235 Impflinge eingeschleust werden, die für die Ausprägung des Impfschutzes notwendig sind. Mit ein und derselben Techno- logie können entweder wirksame Impfstoffe oder „Biowaffen der Zweiten Generation“ hergestellt werden — je nachdem, ob man Impfschutzgene in den Vektor einbaut oder solche, die Toxine oder andere Virulenzfaktoren kodieren. Die Verfügbarkeit entsprechender Impfstoffe würde es Bioterroristen sogar ermöglichen, nicht in selbstmörderischer Absicht handeln zu müssen: Eine vorzeitige Impfung würde ihnen zumindest eine Flucht vor den eigenen Waffen ermög- lichen — so wie das für den Tito-Attentäter geplant war, der vor dem Anschlag gegen Pest geimpft werden sollte.

236 Gentechnik erlaubt Schärfung oder Abstumpfung von Biowaffen 140

ine weitere folgenschwere Schwachstelle der EBiowaffenkonvention besteht darin, dass sie unbe- grenzt Forschungsarbeiten mit potenziellen biologischen und Toxinkampfmitteln erlaubt. Bei der Ausarbeitung des Über- einkommens war zwar diskutiert worden, auch dafür entspre- chende einschränkende Bestimmungen zu formulieren. Schließlich wurde aber darauf verzichtet, weil man die friedliche, speziell die medizinische Forschung nicht beein- trächtigen wollte — bei den entsprechenden Untersu- chungsobjekten handelt es sich ja schließlich um dual-threat Agenzien, deren Bekämpfung auch im Rahmen des zivilen Gesundheitsschutzes unerlässlich ist. Inzwischen erweist sich diese Entscheidung aber vor allem angesichts der Möglichkeiten der Gentechnik und anderer molekularer Biotechnologien als sehr problematisch. Das war während der Ausarbeitung der Konvention noch nicht absehbar, da die neuen biowissenschaftlichen Techniken gerade zu dieser Zeit erst allmählich eingeführt wurden.

Gentechnik ist die gezielte Manipulation des genetischen Materials. Molekulare Biotechnologie ist ein Methodenkomplex, bei dem zur Gentechnik weitere moderne biowissenschaftliche Spezialrichtungen („Genomics“, „Proteomics“, Immuntechnik, Zelltechnik usw.) hinzu- kommen, verbunden mit den klassischen Methoden und Apparaten der Biotechnologie, mit Informatik und Mikroelektronik, sowie mit dem wissenschaftlichen Gerätebau.

Als 1973 auf einer Tagung in den USA die ersten erfolgrei- chen gentechnischen Experimente vorgestellt wurden, fragten Konferenzteilnehmer, ob sich die neue Technik und ihre Produkte nicht für Laborpersonal und Öffentlichkeit als

237 Quelle: URANIA-Zeitschrift 1988, Nr 10.

238 gefährlich erweisen könnte.141 Daraufhin berief der Präsident der US-Akademie der Wissenschaften ein „Komitee für rekombinante DNS-Moleküle”. Das sollte beurteilen, ob von gentechnisch hergestellten Neukombinationen des Erb- materials Gefahren ausgehen könnten. Die Experten erar- beiteten eine in mehreren angesehenen Fachzeitschriften ver- öffentlichte Stellungnahme.142 Darin teilten sie die Bedenken und schlugen ein Moratorium, einen Forschungsstopp auf diesem Gebiet vor. Außerdem regten sie an, auf einer inter- nationalen Konferenz über die potenziellen Gefahren zu beraten und darüber, wie man mit ihnen umgehen sollte. Daraufhin wurde im Jahre 1975 im kalifornischen Asilomar eine „Internationale Konferenz über rekombinante DNA- Moleküle” veranstaltet — zufällig im gleichen Jahr, in dem die Biowaffenkonvention in Kraft trat. Das hatte es in der Wissenschaftsgeschichte zuvor noch nicht gegeben: Zum ersten Mal bedachten Wissenschaftler von vornherein die Folgen ihres Tuns, und zum ersten Mal unter- warfen sie sich freiwillig einem Forschungsstopp. Das Komitee diskutierte auch darüber, ob die Gentechnik dazu missbraucht werden könnte, biologische Kampfmittel zu entwickeln. In den ersten beiden Entwürfen der Stellung- nahme wurde deshalb formuliert: „Da es offensichtlich ist, dass diese neuen technologischen Möglichkeiten potenziell dafür genutzt werden könnten, neue hochentwickelte bio- logische Kampfmittel zu schaffen, fordern wir die Bürger, die Wissenschaftler und die zuständigen Mitarbeiter der Regie- rung auf, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um derarti- ge Anwendungen zu verhindern”.143 Analog kam eine der Arbeitsgruppen, die die Asilomar-Konferenz vorbereiteten, zu dem Schluss, „dass vielleicht das größte Potenzial für Gefahren der genetischen Veränderung von Mikroorga- nismen in möglichen militärischen Anwendungen liegt. Wir sind völlig davon überzeugt, dass die Konstruktion genetisch veränderter Mikroorganismen durch einen internationalen Vertrag ausdrücklich verboten werden sollte”.144

239 Die Mitglieder des Komitees entschlossen sich jedoch unverständlicherweise, diese Bedenken nicht in der End- fassung zu artikulieren, und Biowaffen-Angelegenheiten wurden nicht in die Tagesordnung der Konferenz von Asilo- mar aufgenommen. Tatsächlich gab es — zum Teil sehr einflussreiche, meinungsbildende — Biowissenschaftler, die bis in die achtziger Jahre hinein bestritten, dass die neuen Techniken den militärischen Wert biologischer Kampfmittel erhöhen könnten. Die im vorangegangenen Kapitel erwähnte Expertengruppe des State Department urteilte beispielswie- se: „Durch genetic engineering können keine Pathogene erzeugt werden, die tödlicher sind als solche, die (wie z.B. Milzbrand-Erreger) bereits existieren. Gentechnik ist [für biologische Kriegsführung] wirklich nicht notwendig — Napoleons Armee ging an Ruhr zugrunde”.* Und der Generalsekretär der Pugwash-Bewegung Dr. Martin Kaplan, selber erfahrener Mikrobiologe und Epidemiologe, schrieb klipp und klar: „Die DNA-Rekombinationstechnologie kann die militärische Unbrauchbarkeit solcher Waffen nicht verän- dern“.145 Solche Einschätzungen wirkten sich natürlich auf die Meinung der Politiker aus. Beispielsweise sagte Jürgen W. Möllemann, seinerzeit Staatsminister im Auswärtigen Amt, am 25. September 1986 im Deutschen Bundestag zu „Befürchtungen in der Öffentlichkeit über einen möglichen Missbrauch“ der Gentechnologie für B-Waffenzwecke, „nach Ansicht der überwiegenden Zahl der Fachwissenschaftler ist diese Furcht jedoch unbegründet. Auch nach Auffassung von Pugwash [...] sind die Möglichkeiten für den Missbrauch die- ser Technologien nicht größer — in der Tat vielleicht sogar geringer — als z.Zt. der Annahme des B-Waffen-Überein- kommens im Jahre 1972“.146

* Auch hier irrten die Experten: Napoleons Armee wurde durch Fleckfieber besiegt.

240 Das aber war eine Fehleinschätzung. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte das Stockholmer Internationale Friedens- forschungsinstitut SIPRI ein ganzes Buch publiziert, in dem Experten aus West und Ost ausführlich begründeten, dass und warum durch Einführung der Gentechnik eine neue Ära im Bereich der biologischen und Toxinwaffen angebrochen war.147 Im Laufe der Zeit setzte sich dann auch bei den Skeptikern die Einsicht durch, dass die molekularen Biotechnologien für Biowaffenaktivitäten von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind, und dass die Mitarbeiter des Pentagon recht hatten, die 1986 formulierten, die Einführung der molekula- ren Biotechnologie sei vielleicht das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Entwicklung biologischer Waffen gewe- sen, da dieser Durchbruch biologische Kriegsführung sehr einfach und wirksam mache.

Möglichkeiten zur Optimierung von biologischen und Toxin-Kampfmitteln Tatsächlich bieten Gentechnik und andere molekulare Bio- technologien vielfältige Möglichkeiten zur Schärfung vorhan- dener biologischer Kampfmittel und zur Vergrößerung des Bio- und Toxinwaffenarsenals. In diesem Zusammenhang ist nicht eben beruhigend, dass „Superkiller“ auch im Verlauf von Experimenten entstehen können, die überhaupt nicht zur Entwicklung biologischer Kampfmittel gedacht waren. Dies hat ein australisches Forscherteam im Jahre 2001 eindrucksvoll demonstriert. Die Wissenschaftler wollten ein biologisches Schädlingsbe- kämpfungsmittel entwickeln und sind unabsichtlich bei einem — zum Glück nur bei Mäusen wirksamen — Killer- virus gelandet. Um Mäuse unfruchtbar zu machen, führten sie das Gen für einen körpereigenen Bioregulator in das Erbmaterial von Mäuse-Pockenviren ein. Angestrebt war eine biologische Kontrolle der Mäusevermehrung durch gezielte Zerstörung der Eizellen. Unerwarteterweise wurde durch das in die Viren eingebaute Gen aber auch eine

241 Hemmung des Immunsystems der behandelten Tiere bewirkt. Deshalb erlagen die Mäuse der Wirkung des Virus, obwohl sie normalerweise eine Infektion mit diesem Erreger überleben.148

Für Menschen ist das zunächst nicht weiter gefährlich. Höchst bedenklich ist dabei aber, dass die australischen Wissenschaftler ein Virus verwendeten, das sowohl mit dem

Schärfung von Biowaffen durch molekulare Biotechnologie Produktion biologischer und Toxin-Kampfmittel: Bakterien und Viren können — bei geringerer Gefährdung der am Herstellungspro- zess Beteiligten — wesentlich schneller und in größeren Mengen pro- duziert werden. Das gilt insbesondere auch für Toxine, von denen die meisten bisher nur in unzureichenden Mengen gewonnen werden konnten. Verbreitungsmöglichkeiten: Potenzielle Kampfmittel können für Umwelteinflüsse wie UV-Einwirkung und Austrocknung unempfind- licher gemacht werden, was ihre Verbreitung deutlich erleichtert. Wirksamkeit: Krankheitserreger können virulenter gemacht werden, resistent gegen verfügbare Antibiotika und Chemotherapeutika und/ oder fähig, Immunbarrieren zu überwinden, die im gegnerischen Lager durch Schutzimpfungen aufgebaut wurden. Durch Verände- rung bestimmter Merkmale kann dem Gegner die Bestimmung der eingesetzten Kampfmittel erschwert werden, so dass gezielte Bekämp- fungsmaßnahmen erst deutlich verzögert eingesetzt werden können. Biowaffen der zweiten Generation: Durch Einführung von einem oder mehreren Toxin- und/oder Virulenzgenen können Krankheits- erreger oder leicht übertragbare, bisher als harmlos geltende Bak- terien, Pilze oder Viren in höchst gefährliche, schwer zu bekämpfen- de Kampfmittel verwandelt werden. Da solche „Superkiller“ im Gegensatz zu „klassischen“ Biowaffen in der Natur bisher nicht vor- kommen und auch kaum durch natürliche genetische Austausch- prozesse entstehen dürften und da sie ihre Existenz nur menschlichem Forschergeist verdanken, kann man sie als „Biowaffen der zweiten Generation“ bezeichnen.

242 menschlichen Pockenvirus wie auch dem Vakzinia-Virus, das man zur Schutzimpfung gegen die Pocken verwendet, eng verwandt ist: Sind derartige Manipulationen auch mit einem humanpathogenen Erreger möglich und dann für Menschen absolut tödlich? Wenn das gleiche Experiment mit Men- schenpockenvirus praktiziert worden wäre, dann hätte dessen Mortalität vermutlich von 30 auf 100% erhöht und ihm viel- leicht sogar die Fähigkeit verliehen werden können, Immun- barrieren zu überwinden. Interessant und bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass die Arbeiten mit dem Mäusepockenvirus nichts mit Biowaffenaktivitäten zu tun hatten. Aber auch Tabun, der Prototyp der bekannten, hochwirksamen anderen Nerven- kampfstoffe Sarin und Soman ist ja nicht in einer chemischen Waffenschmiede, sondern 1936 im Labor von Gerhard Schrader bei der Entwicklung von Schädlingsbekämpfungs- mitteln entstanden, ehe er in die Hände der deutschen Militärs geriet. Die australischen Forscher haben anderthalb Jahre darüber diskutiert, ob sie ihre Ergebnisse veröffent- lichen sollten und dann schließlich ihre Regierung um Rat gefragt. Die meinte, „der beste Weg, den Missbrauch solcher Methoden zu verhindern ist, weltweit zu warnen“.149

Möglichkeiten zur Verbesserung des B-Schutzes Allerdings sind die molekularen Biotechnologien für die potenziellen Opfer militärischer und terroristischer Einsätze von Bio- und Toxin-Waffen nicht nur von Nachteil. So, wie ganz allgemein die Chancen und Risiken der Gentechnologie im Mittelpunkt vieler Diskussionen stehen, muss man auch die Chancen der neuen Techniken und der ihrem Einsatz zu verdankenden Erkenntnisse und Produkte für den B-Schutz zur Kenntnis nehmen: Die Tatsache, dass sie militärisch oder terroristisch missbraucht werden kann, ist kein Grund dafür, die Gentechnik generell zu verketzern. Die Chancen bestehen vor allem darin, dass man sich mit den neuen Methoden und Kenntnissen besser vor Bio- und Toxin-

243 kampfstoffen schützen kann. Militärs und Zivilisten können mit neuen, wirksameren Vakzinen gegen biologische und Toxin-Kampfmittel geimpft werden. Außerdem ist es mög- lich, effektivere Therapeutika zu entwickeln, speziell gegen Viren, von denen die meisten bisher ja noch nicht gezielt be- kämpft werden können. Sehr viel schneller und genauer wirkende Verfahren zur Erkennung und Bestimmung eingesetzter Kampfmittel wer- den eingeführt, die es erlauben, rascher Gegenmaßnahmen zu treffen. Sie basieren vor allem auf der „Polymerase- Ketten-Reaktion“ (PCR), mit der es unter anderem möglich ist, unterschiedliche Krankheitserreger über ihr Erbmaterial zu identifizieren.150

Die Polymerase-Ketten-Reaktion ist ein enzymatisches Verfahren, das es erlaubt, selbst geringste Mengen von Abschnitten des Erbmaterials zu vervielfachen und dabei in kürzester Zeit Millionen Kopien davon herzustellen. Die können anschließend weiterverarbeitet und bei- spielsweise hinsichtlich ihrer Zusammensetzung analysiert werden.

Auf diese Weise können innerhalb weniger Minuten selbst geringste Mengen der Erreger von Cholera, Gasbrand, Gelbfieber, Maltafieber, Milzbrand Pest, Pocken, Rotz, Tularämie und Venezolanischer Pferde-Enzephalitis auto- matisch nachgewiesen werden, beispielsweise noch zehn Bacillus-anthracis-Bakterien innerhalb einer Viertelstunde! Mit den klassischen mikrobiologischen Verfahren würde man dazu Tage brauchen. Da man mit diesen Methoden in einem Arbeitsgang gleich mehrere charakteristische Abschnitte des genetischen Materials bestimmen kann, ist es auf diese Weise auch möglich, innerhalb kürzester Zeit herauszufinden, ob es sich bei den identifizierten Erregern um natürlich vorkom- mende Formen handelt oder um für den militärischen bezie- hungsweise terroristischen Einsatz präparierte.

244 Gleichzeitig werden mit immuntechnologischen Methoden solche Bestimmungsverfahren deutlich verbessert, die auf den Einsatz von Antikörpern beruhen. Sogenannte „Biochips“. erlauben den Nachweis von Bakterien und Toxinen sozusa- gen im Handbetrieb, ohne auf aufwändige, nur mit dem Fahrzeug zu befördernde Geräte angewiesen zu sein. Mit solchen Biochips dürften vermutlich in absehbarer Zeit auch ABC-Spürfahrzeuge von der Art des „Fuchs“ ausgerüstet werden, der bislang nur unzureichend zur Erkennung von Bio- und Toxinkampfstoffen geeignet ist. Der größte Fortschritt wurde in den zurückliegenden Jahren aber auf dem Gebiet der Entwicklung neuartiger Impfstoffe gemacht, die nicht nur leichter herzustellen sind, sondern auch zielgerichteter wirken und dabei weniger Nebenwir- kungen auslösen als klassische Vakzinen. Entsprechende gentechnische Arbeiten werden im Rahmen des B-Schutzes auch bei der Bundeswehr und ihren Vertragspartnern durchgeführt151 - zwar nicht in absoluter Transparenz, aber ganz sicher nicht in Verletzung der Bio- waffenkonvention, so dass Kritik daran152 unberechtigt ist.

245 AIDS und die Geheimdienste

icht nur Geheimdienste können sich irren, sondern Nauch Experten. Folgenschwer war 1938 das Urteil von Geheimrat Ostertag und anderer Spezialisten, Milzbrand- Erreger seien keine besonders gut geeignete biologische Waffe. Dies war ein wesentlicher Grund dafür, dass die Wehrmacht vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges keine Biowaffen- aktivitäten aufnahm. Zumindest psychologisch ähnlich folgenschwer waren Einschätzungen des Ostberliner Physiologie-Professors Jakob Segal. Der hatte im September 1986 auf der Konferenz der blockfreien Staaten in Zimbabwe ein gemeinsam mit sei- ner Frau und einem weiteren Koautor verfasstes Manuskript über „Aids: USA Home-made Evil, Not Made in Africa“ verteilt. Darin und in weiteren Beiträgen153 wurde behauptet, der „hausgemachte amerikanische Teufel“ sei durch Zusam- menbau des Erbmaterials zweier Viren in einem Labor des Biowaffeninstitutes der US-Armee in Fort Detrick erzeugt worden. In Deutschland wurde diese Behauptung massen- wirksam vor allem über ein Interview verbreitet, das Stefan Heym mit Segal führte und das auf drei vollen Seiten der „TAZ“ veröffentlicht wurde.154 Das ganze war natürlich ein Politikum — das heute leider immer noch aktuell ist: Noch im April des Jahres 2001 mein- te der libysche Staatschef Muammar Al Gaddafi auf der afrikanischen AIDS-Gipfelkonferenz: „Laboratorien des US- Geheimdienstes, der CIA, haben Viren zur biologischen Kriegsführung benutzt, was zur Entstehung des AIDS- Erregers geführt hat“, und Sam Nujoma, der Präsident von Namibia, sagte im gleichen Monat, dieses Virus sei während des Vietnam-Krieges im Rahmen des US-amerikanischen Biowaffenprogrammes entwickelt worden. Ein Jahr später wurden diese Behauptungen von einem Minister Namibias wiederholt.155

246 Für Nichtinformierte klang Segals Argumentation logisch: Erste vorläufige molekularbiologische Analysen des AIDS- Erregers HIV ließen vermuten, dass sein Erbmaterial aus dem von zwei anderen Viren zusammengesetzt sein könnte. HIV sah also zunächst aus wie ein Kreuzungsprodukt von zwei anderen Erregern. Nun schloss Segal messerscharf, aber ignorant: Viren haben kein Geschlechtsleben. Eine derartige Rekombinante könnte demnach nicht auf natürlichem Wege entstanden sein. Also können nur Geningenieure das Erb- material der beiden Viren miteinander kombiniert haben. Und wo gibt es solche Geningenieure, die so skrupellos sind, dass sie ein derart gefährliches Kreuzungsprodukt herstellen: in den Militärlabors des Klassenfeindes. Und wo steht das gefährlichste biologische Institut der US-Imperialisten? In Fort Detrick in Frederick, im US-Staat Maryland! Anschlie- ßend sei HIV dort an Gefangenen getestet worden. Viele von diesen seien während ihrer Haftzeit schwul geworden und hätten nach ihrer Freilassung gleichgesinnte gesucht, auf die sie dann unwissentlich die Erreger übertragen hätten. Die Hypothese strotzt aber von Irrtümern und Fehlkalku- lationen. Schon seit den späten vierziger Jahren weiß man, dass Viren durchaus eine Art „Geschlechtsleben“ haben. Sie können sich miteinander kreuzen, wenn mehr als zwei von ihnen die selbe Wirtszelle befallen. Abgesehen davon ist HIV aber nicht einfach eine Rekombinante, deren Erbmaterial je zur Hälfte aus dem zweier anderer Viren besteht. Sein Erb- material ist so überaus komplex strukturiert, dass es trotz aller Fortschritte auf dem Gebiet der molekularen Bio- technologie nicht einmal heute im Labor aus anderen Mole- külfragmenten zu einem biologisch aktiven Virus-Erbapparat zusammengebaut werden könnte. Außerdem wurde inzwi- schen auch bekannt, dass vereinzelt AIDS-Fälle schon lange vor der Einführung der Gentechnik aufgetreten waren.

Vor allem im Ausland war man über Segals Thesen sehr beun- ruhigt. Vielfach wurde angenommen, hier werde die offizielle

247 Meinung der DDR wiedergegeben. Nicht zuletzt deshalb ent- schlossen sich der Ostberliner Virologe Hans-Alfred Rosenthal und ich, für die „Zeitschrift für ärztliche Fort- bildung“ einen Artikel zu verfassen, in dem die Hypothese diskutiert und widerlegt werden sollte. Ermutigt zu diesem Vorhaben wurden wir von Honeckers Schwager Manfred Feist, dem Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der SED. Den hatte ich auf einer Tagung ken- nengelernt bei welcher Gelegenheit er mir erzählte, dass sich mehrere DDR-Botschafter besorgt über entsprechende Reaktionen im Ausland geäußert hatten. Feist wollte sich auch dafür einsetzen, dass der Artikel problemlos veröffent- licht werden könnte, obwohl das Thema AIDS zu dieser Zeit in der DDR noch tabuisiert war.

Als ich Feist dann das fertige Manuskript zuleitete, meinte dieser, wir müssten die USA zwar nicht verteidigen, dürften uns aber auch „kein Bonbon ans Hemd kleben lassen“. Professor Kurt Seidel, der Leiter Abteilung Gesundheits- politik des ZK der SED, sah das hingegen ganz anders. Unsere Argumente ignorierte er völlig. Vielmehr sagte er in einem Gespräch, zu dem ich gebeten worden war, die CIA sei sehr daran interessiert, Fort Detrick von dem Vorwurf reinzu- waschen. Wenn wir den Artikel veröffentlichen würden, müsse man annehmen, dass die CIA dahinter stecke...

Wie aber sollten wir beweisen, kein Geld von der CIA bekommen zu haben? Wir gaben klein bei und verzichteten auf die Veröffentlichung dieses Artikels, zumal sich andere Wege ergaben, Segals Hypothese ad absurdum zu führen. Die spektakulärste Möglichkeit dazu bot sich Anfang 1989 auf der Jahrestagung der angesehenen amerikanischen Gesell- schaft zur Förderung der Wissenschaften. Die hatte mich zu einer Podiumsdiskussion mit dem Kommandeur von Fort Detrick und anderen Biowaffenexperten eingeladen. Ich stieß dort auf einiges Medieninteresse, da ich aus jenem exo-

248 tischen Land hinter der Mauer kam, von dem aus immer noch die Schauergeschichte von der Herkunft des AIDS-Erregers verbreitet wurde. Das führte auch zu einer am 17. Januar 1989 verbreiteten längeren Meldung der Deutschen Presse Agentur.

altes geruecht um aids-virus ein „unappetitlicher politthriller“ =san francisco (dpa) — als einen „unappetitlichen politthriller“ hat der ddr- wissenschaftler erhard geissler einen vorwurf zurueckgewiesen, der vor allem von einem ddr-wissenschaftler gegen die usa erhoben worden war. der pensionierte biologieprofessor jakob segal hatte vor laengerer zeit aufsehen mit der — immer wieder aufgegriffenen — behauptung erregt, die usa haetten das aids-virus im zuge ihrer forschungen über die biolo- gische kriegsführung entwickelt. dieser vorwurf seines landsmannes und kollegen sei „absolut unsinn“ sagte geissler am dienstag am rande der jahrestagung der amerika- nischen gesellschaft zur foerderung der wissenschaft (aaas) in san fran- cisco. es gebe gute beweise dafür, dass es gar nicht moeglich sei, das aids- ausloesende hi-virus aus anderen retroviren zu basteln. ein solches ge- ruecht saee nur misstrauen. misstrauen aber, so der ddr-wissenschaftler in san francisco, sei genau das gegenteil dessen, was fuer internationale beziehungen und vor allem die ruestungskontrolle noetig sei. in einem seminar über biologische und toxin-waffen plaedierte er dafuer, die vertrauensbildenden massnahmen zu verstaerken, um einen ruestungswettlauf auf dem gebiet dieser waffen zu verhindern. die biologische forschung muesse transparenter, der austausch von wissenschaftlern verstaerkt werden. geisslers anwesenheit in san francisco war ein gelungenes beispiel fuer diese geforderte offenheit: er war der erste ddr-wissenschaftler, der als referent an einer tagung der renommierten amerikanischen wissen- schaftsorganisation aaas teilnahm. der genetiker und ehemalige krebs- forscher hat sich heute der abruestung im bereich der biologischen waf- fen verschrieben und ist leiter des „basiskollektivs friedensforschung“ am institut fuer molekularbiologie der akademie der wissenschaften in ost-berlin.

249 in seinem vortrag warnte geissler vor den potenziellen gefahren, die dro- hen, wenn sich das militaer die fortschritte der gentechnik zu nutzen mache. so sei es heute dank neuer methoden der zelltechnik und der genmanipulation moeglich, krankheitserreger und biologische giftstoffe in massen zu produzieren. die krankheitserregende wirkung eines virus koenne durch einfuegen entsprechender gene „dramatisch gesteigert“ werden. angesichts dieser neuen moeglichkeiten biete die 1972 abgeschlossene und von 111 staaten ratifizierte konvention gegen die entwicklung, pro- duktion und lagerung biologischer waffen keinen ausreichenden schutz mehr. noetig seien massnahmen, um schlupfloecher in diesem vertrag zu schliessen. so sollten forscher und wissenschaftliche organisationen jede mitarbeit an der entwicklung von biologischen oder toxischen angriffs- waffen ablehnen. [...]

Als ich einige Wochen später nach Berlin zurückkam, wurde ich wieder ins ZK bestellt. Professor Seidel informierte mich, Segal habe sich an Politbüro-Mitglied Hermann Axen gewandt. Segal hatte die komplette dpa-Meldung abgeschrie- ben und mich bei Axen denunziert, ich würde im Kernland des Klassenfeindes herumreisen und ihn, den guten Kommunisten Segal, anschwärzen. Seidel — der inzwischen auch Ärger mit Segal bekommen hatte — fragte mich, ob die dpa-Meldung aus meiner Sicht korrekt gewesen sei, und als ich dies bejahte, fragte er, was denn nun die „Knackpunkte“ meiner Kritik an Segals Behauptungen seien. Ich trug ihm meine Argumente vor, sie schienen ihn zu überzeugen, und Segals Denunziation hatte keine nachteiligen Folgen für mich — aber Segal wurde auch nicht zurückgepfiffen. Aber Segal war nicht nur ein Denunziant, sondern verfolgte seine Ziele sogar mit krimineller Energie. In einer nichtöf- fentlichen Konferenz, die Professor Niels Sönnichsen, der Vorsitzende der AIDS-Kommission der DDR veranstaltete, um Segals Thesen wissenschaftlich bewerten zu lassen, behauptete dieser, seine Aussagen würden von dem angese-

250 henen westdeutschen Molekularbiologen Professor Benno Müller-Hill gestützt. Tatsächlich erfuhr ich hernach von Müller-Hill, dass er zwar einen regen Briefwechsel mit Segal geführt, diesen aber mehrfach auf Unstimmigkeiten in seiner Argumentationskette hingewiesen und ihn auch wiederholt und explizit gebeten hatte, mit solchen Behauptungen nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Nach der „Wende“ hörte Segal mit seinen unruhestiftenden Aktivitäten nicht auf. In einem Leserbrief wies er in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am 8. Januar 1991 die drei Wochen zuvor im gleichen Blatt veröffentlichte Behaup- tung zurück, die Fort-Detrick-Hypothese der HIV-Ent- stehung „sei vom sowjetischen Geheimdienst ausgedacht worden“. Vielmehr behauptete er wieder wahrheitswidrig, diese Theorie sei von ihm und seinen Mitarbeitern entwickelt worden: „Meine Mitarbeiter und ich sind also die einzigen Autoren dieser Theorie, gegen die zur Zeit keine wissen- schaftlich fundierten Argumente mehr vorgebracht werden und die daher als die einzig korrekte Darstellung des Ge- schehens angesehen werden muss.“ Tatsächlich war Segal nicht der Erstautor, sondern ein anony- mer amerikanischer Anthropologe, der bereits am 16. Juli 1983 in einem Leserbrief an die indische Zeitung „Patriot“ behauptet hatte, der AIDS-Erreger sei aus Fort Detrick ent- wichen. Daraufhin widmete die sowjetische „Literaturnaja Gaseta“ unter der Überschrift „Panik im Westen — oder: Was steckt hinter der AIDS-Sensation“ am 30. Oktober 1985 der Thematik einen längeren Beitrag, und zwar unter Beru- fung auf den Artikel in „Patriot“.156 Und mit diesem Artikel wurde die ganze Lawine losgetreten, auf die dann Segal ein Jahr später aufsprang. Da die als „links“ eingestufte indische Zeitung, in der die Behauptung anscheinend zum ersten Mal schwarz auf weiß erschien, aus sowjetischen Quellen finanziert worden sein soll, liegt es schon im Bereich des Vorstellbaren, dass hinter der ganzen Aktion das KGB steckte, welches damit mögli-

251 cherweise versucht haben könnte, vom sowjetischen Bio- waffenprogramm abzulenken. Ob dann Segal nur als eine Art Trittbrettfahrer auf die Gerüchte-Lawine aufgesprungen ist oder sich aus anderen Gründen zum Hauptpropagandisten der Fort-Detrick-Hypothese machte oder machen ließ wird wohl nicht mehr zu klären sein: er hat das Geheimnis 1995 mit ins Grab genommen. Aus Fort Detrick oder aus einem anderen Genlabor stammt der AIDS-Erreger jedenfalls nicht.Alles spricht dafür, dass er sich aus einem Affen-Virus entwickelt haben dürfte, mit dem sich ein Afrikaner — mit einem vermutlich geschwächten Immunsystem — bei einem Schimpansen angesteckt und den dadurch nun erstmalig an den Menschen angepassten Erreger beim Geschlechtsverkehr auf Sexualpartner übertragen hat.

252 Tausend Tode durch Milzbrand-Zwischenfall ?157

um Jahreswechsel 1979/80 publizierte das in ZFrankfurt am Main erscheinende russisch-sprachige Blatt „Possew“ zwei sensationelle Berichte. In der sowje- tischen Waffenschmiede Swerdlowsk — dem heutigen Jekaterinburg — habe es in einer militärischen Anlage eine Explosion gegeben. Dadurch sei eine tödliche Bakterien- wolke freigesetzt worden. Dies habe mindestens tausend Todesfälle zur Folge gehabt. Die Emigrantenzeitung war kaum verbreitet und nur wenige schenkten diesen Meld- ungen sonderliche Beachtung. Das änderte sich schlagartig, als im Februar 1980 „BILD“ und „Daily Telegraph“ und dann auch andere Blätter die Nachricht aufnahmen und weltweit ausposaunten. Speziell für die US-Administration war das die Bestätigung für ihre schon länger vorgetragene Behauptung, die Sowjets würden die Biowaffenkonvention verletzen. Moskau protes- tierte heftig und zu wiederholten Malen — auch über eine Delegation hochrangiger Mediziner, die eigens in die USA gereist waren, um jeden Zweifel an der sowjetischen Interpretation des Vorfalles auszuräumen. Tatsächlich habe es Fälle von Milzbrand in Swerdlowsk gegeben. Aber dabei habe es sich um Darm-Milzbrand gehandelt. Dies sei auf den Verzehr von auf dem Schwarzen Markt gekauften Fleisch von Tieren zurückzuführen, die mit Milzbrand-Erregern infiziert waren. Das klang so überzeugend, dass selbst Matthew Meselson am 17. Mai 1989 in einer Anhörung vor dem US- Senats-Komitee für Regierungsangelegenheiten sagte: „Auf Grund der mir zugänglichen Informationen glaube ich, dass es ein natürlicher Ausbruch war“.158 Vertreter der US- Administration dagegen beharrten auf ihrer Darstellung. Sie zeigten sich überzeugt davon, dass die Epidemie die Folge geheimer Arbeiten mit Milzbrand als Kampfmittel und somit eines Vertragsbruchs gewesen sei.

253 Die Kontroverse hielt mehr als ein Jahrzehnt an. Die Sowjets blieben auf ihrem Standpunkt, die USA hingegen wurden nicht müde, die Sowjetunion der Vertragsverletzung zu bezichtigen. Allerdings waren die amerikanischen Geheim- dienste bis Anfang der 1990er Jahre unfähig, ihrer Regierung eindeutige Beweise für den militärischen Ursprung der Epidemie zu liefern. Auf der eben erwähnten Anhörung frag- te der Vorsitzende, Senator John Glenn, den stellvertretenden Außenminister H. Allen Holmes am 17. Mai 1989, warum die USA wegen des Vorfalles in Swerdlowsk beim UN-Sicher- heitsrat keine offizielle Beschwerde eingelegt hätten. Das ist in der Biowaffenkonvention für solche Fälle vorgesehen. Holmes antwortete: „Im Allgemeinen gehen wir so vor, dass wir erst versuchen, Beweise zu sammeln, ehe wir öffentlich behaupten, es habe Vertragsverletzungen gegeben.“ Glenn: „Fehlen uns die Beweise?“ Holmes: „Ja. [...] Soweit ich weiß waren wir nie in der Lage, ausreichend Informationen zu erlangen, um diese Vertragsverletzungen beweisen zu kön- nen“159 — und das ziemlich genau zehn Jahre nach dem Milzbrandausbruch... Wie ein paar Jahre später im Falle des irakischen Programms kamen die Beweise für die sowjetischen Aktivitäten nicht vom amerikanischen Geheimdienst, sondern von Dissidenten und aus der Höhle des Löwen selbst. Eine Fülle von Informationen lieferten Anfang der 1990er Jahre zwei hoch- rangige Überläufer, der Direktor des Leningrader Instituts für ultrareine biologische Präparate, Wladimir Pasetschnik, und der stellvertretende Leiter des sowjetischen Biowaffen- programms Ken Alibek.160 Was beide über ihre eigenen Verantwortungsbereiche berichteten, ist vermutlich glaub- würdig. Etwa zur gleichen Zeit gab Präsident Boris Jelzin als Reaktion auf das beharrliche Insistieren der Westmächte den Auftrag, die Gründe für die Epidemie zu überprüfen. Daraufhin erklärte er im Mai 1992, „das KGB hat zugegeben, dass unsere militärischen Aktivitäten daran schuld waren“161.

254 Außerdem wurden im Jahre 1993 von russischen Pathologen, die während der Epidemie Autopsien vorgenommen hatten, Befunde veröffentlicht, die zeigen, dass die Todesfälle nicht auf Darm-, sondern auf Lungen-Milzbrand zurückzuführen waren, der vorzugsweise nicht nach dem Verzehr, sondern nach dem Einatmen von Anthrax-Sporen entsteht. Das war Grund genug für Matt Meselson und weitere amerikanische Experten nach Swerdlowsk zu reisen und gemeinsam mit rus- sischen Spezialisten den Vorfall erneut zu untersuchen. Dabei ergab sich, dass die Sowjets tatsächlich jahrelang gelogen hat- ten und dass die Milzbrandepidemie auf eine Panne in der Biowaffen-„Einrichtung Nr. 19“ zurückzuführen war. Deren Existenz hatten die Sowjets zwar nie bestritten, zuvor aber immer behauptet, sie sei ein Armee-Institut, in dem nicht mit pathogenen Mikroorganismen gearbeitet würde. Aber das stimmte nicht. Tatsächlich wurden dort unter anderem Milzbrand-Erreger produziert und waffenfähig gemacht. Am Montag, dem 2. April 1979, war dann von „Einrichtung Nr. 19“ möglicherweise beim Auswechseln eines Filters in der Entlüftungsanlage eine Wolke von Anthrax-Sporen frei- gesetzt worden. Die Erreger wurden vom Wind über die süd- lich gelegenen Stadtteile verbreitet, was zur Infektion mehr als hundert Menschen sowie zahlreicher Tiere führte. Der Vorfall wird auch von Alibek in seinem Buch beschrie- ben, allerdings nur vom Hörensagen. Insofern ist es ent- schuldbar, dass seine Angaben von den begründeten Er- kenntnissen Meselsons Teams abweichen. Von Alibek wurde die Freisetzung der Milzbrandsporen drei Tage vorverlegt, auf Freitag den 30. März. Dies ist zwar nur ein winziges Detail, das aber wieder Fragen nach der Zuverlässigkeit der Angaben dieses Whistleblowers aufwirft. Jedenfalls zeigte der Zwischenfall, dass die Sowjetunion nach Abschluß der Biowaffen-Konvention ihr BW-Programm nicht nur fortgesetzt, sondern gewaltig intensiviert hatte. Es wurde sogar noch nach der Auflösung dieser Supermacht von der russischen Föderation bis mindestens bis März 1992 wei-

255 ter betrieben. Dies erfolgte erklärtermaßen zur „Sicher- stellung der Möglichkeit einer adäquaten Antwort für den Fall des Einsatzes biologischer Waffen“. Einem amtlichen Bericht zufolge erließ die Regierung der UdSSR Anfang der siebziger Jahre einen Beschluss zur beschleunigten Entwick- lung von molekularer Biotechnologie.162 In diesem Rahmen wurde die Organisation „Biopräparat“ als entsprechende Ausbildungs-, Forschungs- und Produktionsbasis entwickelt. In einigen dieser Einrichtungen, in den Städten Koltzowo, Obolensk, Tschechow und Leningrad, sollen auch „Versuche mit gefährlichen Mikroorganismen geplant“ gewesen sein. Mit diesen Arbeiten sei in den Jahren 1982/83 begonnen worden. Aber „das nicht ausreichend hohe wissenschaftsmethodische Niveau der Arbeiten und die schlechte Ausrüstung mit Geräten und Reagenzien“ habe, dem Bericht zufolge, nicht erlaubt, „auf militärischen Gebiet bedeutsame praktische Ergebnisse zu erzielen“.* Zu einer ganz anderen Erkenntnis kam der amerikanische Senator Richard G. Lugar nach einer Besichtigung russischer Biowaffeneinrichtungen: „Obolensk war das führende Institut für B-Waffen-Forschung und -Ent- wicklung für Pest, Tularämie und Rotz, sowie das weltweit führende Milzbrand-Forschungszentrum“.163 Über das sowjetische Biowaffen-Programm der 70er und 80er Jahre liegen von verschiedenen Autoren ausführliche Beschreibungen vor, unter anderem vom ehemaligen stell- vertretenden Leiter des Programms.164 Mehr als 150 Institutionen waren beteiligt. Allein in der Organisation „Biopräparat“ waren etwa 50 Forschungs- und Produktions- einrichtungen mit ungefähr 100.000 Mitarbeitern vereinigt. Erst 1992 wurde das Programm von Präsident Jelzin gestoppt und viele der daran beteiligten Einrichtungen für friedliche Aufgaben umprogrammiert und umgerüstet. Aber mehrere Einrichtungen des russischen Verteidigungsministeriums

* Übersetzt von Bundessprachamt

256 betreiben, offiziellen Angaben zufolge, weiterhin „B-Schutz“- Forschung und -Entwicklung. Es handelt sich dabei um das Institut für militärtechnische Fragen in Jekaterinburg und um das Institut für Mikrobiologie in Kirow, dem das Zentrum für Virologie in Sergejew-Posad (dem ehemaligen Sagorsk) und das Feldversuchslaboratorium Aralsk auf der Insel Wosroschdenije angeschlossen sind bzw. waren. Die auf der — bereits 1936/37 als Testgelände genutzten — Insel Wosroschdenije gelegenen Einrichtungen wurden aber im Zusammenhang mit Präsident Jelzins Befehl geschlossen und demontiert. Ausserdem soll die wegen der Austrocknung des Aralsees inzwischen mit dem Festland verbundene Insel auch dekontaminiert worden sein. Das wird von kasachischer Seite jedoch bezweifelt.165 Nach Angaben von Alibek beschäftig(t)en sich aber auch noch andere Institute des Verteidigungsministeriums mit Biowaffen-Aktivitäten, wie auch Einrichtungen des Land- wirtschaftsministeriums. Außerdem wird von westlicher Seite beziehungsweise von mehreren Emigranten behauptet, dass das russische Biowaffen-Programm nicht beendet worden sei. Auch die „Einrichtung Nr. 19“ in Jekaterinburg soll wieder für offensive Arbeiten reaktiviert worden sein. Wesentliche Biowaffeneinrichtungen waren nicht nicht in Russland, sondern auch in anderen Sowjetrepubliken ange- legt worden. Etwa 50 davon waren auf dem Gebiet der Ukra- ine angesiedelt. Andere hatte man in Kasachstan errichtet. Die bedeutendste unter ihnen war die „Wissenschaftliche Forschungs- und Produktionsanlage Stepnogorsk“.166 Diese im früheren Aksu gelegene Anlage war erst 1982, also zehn Jahre nach Vereinbarung der Biowaffen-Konvention errich- tet worden, und zwar nach der Swerdlowsker Milzbrandepi- demie, in deren Folge „Einrichtung Nr. 19“ teilweise konver- tiert worden war. Die Stepnogorsker Anlage war eine der größten Forschungs- und Produktionseinrichtung der UdSSR für biologische und Toxinkampfmittel. Sie war so geheim, dass sie lange Zeit nur als „Postfach Nummer 2076“ firmier-

257 In zehn 20.000-Liter-Produktionsfermentern hätte in Stepnogorsk täglich eine Tonne waffenfähiger Milzbrandsporen produziert werden können. Quelle: Monterey Institute of International Studies, Monterey, Ca.

In 20 kernwaffensicheren Bunkern konnten in Stepnogorsk Biokampfstoffe in riesigen Kühlaggregaten bei bis zu — 40 ˚C gelagert werden. Quelle: Monterey Institute of International Studies, Monterey, Ca.

258 te — sozusagen das krasse Gegenteil einer Briefkastenfirma. Der US-Geheimdienst vermutete dort zwar bereits in den 1980er Jahren ein geheimes Institut für offensive Biowaffen- Aktivitäten; genauer bekannt wurde es aber erst nach der Flucht ihres Direktors Ken Alibek. Aus Tarnungsgründen war die Anlage sozusagen „im Hinterhof“ einer zivilen Biotechnologie-Firma errichtet wor- den. Sie sollte hauptsächlich der Massenproduktion von für militärische Zwecke optimierten Anthrax-Sporen — die gegen- über eine Reihe von Antibiotika resistent waren — dienen. Die Produktionseinrichtungen wurden aber nie mit voller Leistung gefahren, das sollte nur im „Mobilisierungsfall“ erfolgen. Noch im Jahre 1991 arbeiteten dort etwa 800 Personen, darunter mehr als 100 Wissenschaftler. Die Anlage bestand aus 25 Ge- bäuden, die auf einer Fläche von etwa zwei Quadratkilometern errichtet waren, alle ausgestattet mit modernster Gerätetechnik einschließlich von zehn 20.000-Liter-Produktionsfermentern. Nach Einschätzung westlicher Experten hätten damit Tag für Tag eine Tonne waffenfähiger Milzbrandsporen produziert wer- den können — ausreichend, um über dicht bevölkertem Gebiet bei günstigen atmosphärischen Verhältnissen etwa zehn Millionen Menschen umzubringen.

Dieses unvorstellbare Bedrohungspotenzial, fast all diese eklatanten Verletzungen der Biowaffen-Konvention wurden erst von Präsident Jelzin und ein paar Whistleblowern ent- hüllt. Den westlichen Geheimdiensten dagegen blieben sie bis Anfang der 1990er Jahre weitgehend verborgen. Aber diese Unkenntnis beschränkte sich nicht nur auf die in der Sowjetunion betriebenen Biowaffenaktivitäten

259 Die Hühnerfarm von Husseins Schwiegersohn

eben der Sowjetunion hatte auch der Irak 1975 ein Nsehr aufwendiges Biowaffenprogramm aufgenommen. Zu dieser Zeit hatte der Irak die Biowaffenkonvention zwar signiert, aber noch nicht ratifiziert. Dem Völkergewohn- heitsrecht entsprechend hätte er aber trotzdem die Auflagen des Vertrags einhalten müssen. Inzwischen ist auch dieser Staat, unter dem Druck des Waffenstillstandsabkommens, am 19. Juni 1991 der Konvention beigetreten. Trotzdem behaup- teten in den vergangenen Jahren nicht nur offizielle US- amerikanische Kreise, die Iraker hätten in den vergangenen Jahren ihre Biowaffenaktivitäten wieder aufgenommen beziehungsweise fortgesetzt. Ob die Geheimdienste wenig- stens in diesem Fall Recht haben, wussten wir bis vor kurzem nicht, denn Saddam Hussein hatte seit Ende 1998 vier Jahre lang keine UN-Rüstungsinspektoren mehr ins Land gelassen.

Vor 1991 waren Ausmaß und Stand dieser Aktivitäten den Geheimdiensten allerdings wieder weitgehend entgangen, und was sie doch in Erfahrung bringen konnten, wurde von ihren Regierungen nicht sonderlich ernst genommen. Der Irak war ja zu dieser Zeit noch kein „Schurkenstaat“, sondern als Bollwerk gegen die Ajatollahs und gegen die Sowjets eher ein „Freund in der Golfregion“. Obwohl der Irak fast täglich chemische Kampfmittel gegen den Iran einsetzte traf sich der heute seine Truppen gegen Bagdad in Stellung bringende Donald H. Rumsfeld als Sonderbotschafter von Präsident Reagan Ende 1983 mehrfach nicht nur mit irakischen Offiziellen sondern schließlich sogar mit Saddam Hussein selbst, um die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu ver- bessern.167 Der medizinische Geheimdienst der US-Armee fand wohl erstmals im Juni 1988, dass der Irak dabei war, sich ein „bak- teriologisches Arsenal“ zuzulegen, und zwar mit Botulinum- Toxin und Milzbrandsporen. Die Grundlage dafür waren

260 Bakterienstämme, die zuvor aus den USA bezogen worden waren, von der „American Type Culture Collection“ ATCC, einem Unternehmen, das Bakterien, Viren usw. sammelt und vertreibt. Aber das schreckte niemanden auf. Noch im September 1988 lieferte die ATCC elf verschiedene Stämme von Krankheitserregern an den Irak, darunter auch Milz- brandbakterien eines Typs, der in Fort Detrick als Kampf- mittel entwickelt worden war.168 Darüber hinaus lieferten die „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) — erst im Herbst 2002 veröffentlichten Angaben zufolge — in den 1980ern etwa zwei Dutzend Bakterien- und Virusarten in den Irak, darunter auch die Erreger von Pest und Dengue-Fieber.169 Der britische Geheimdienst glaubte im August 1990 nur, dass der Irak, der am 2. August Kuwait überfallen hatte, „viel- leicht“ Milzbrandsporen und Botulin in unbekannten Mengen besäße.170 Im November kamen Pest-Erreger zu die- ser Aufstellung hinzu — was sich später allerdings wieder als Falschmeldung erwies. Erst am 6.August 1990 informierte der Geheimdienst der US-Marine sein Oberkommando, Hussein verfüge „über ein ausgereiftes Biowaffenprogramm zur Durchführung von Offensivschlägen“. Dabei nannte er neben Anthrax und Botulin auch die Erreger von Cholera und Gasbrand, sowie Staphylokokken-Enterotoxin B. Ähn- liche Informationen lieferte zwei Tage später auch die CIA.171 Aber noch im September war der Vorsitzende des Streit- kräfte-Komitees des Repräsentantenhauses Les Aspin auf Grund von Geheimdienstberichten davon überzeugt, dass Saddam erst Ende 1990 oder Anfang des kommenden Jahres über ein militärisch signifikantes Biowaffenprogramm verfü- gen könne. Trotzdem sei dies eine sehr ernste Bedrohung, die bei den weiteren militärischen Planungen berücksichtigt wer- den müsse.172 Erst das löste hektische Bemühungen zur Immu- nisierung wenigstens einiger angloamerikanischer Truppen- teile mit den nur in begrenzten Mengen vorhandenen Impfstoffen gegen Botulismus und Milzbrand aus, sowie eine Steigerung der Produktion größerer Mengen dieser Vakzinen.

261 Das ganze Ausmaß des irakischen Biowaffen-Programms wurde dann erst nach dem Zweiten Golfkrieg bekannt, nach- dem vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen der Irak zur Aufdeckung seiner Rüstungsprogramme verpflichtet und eine entsprechende Untersuchungskommission eingesetzt worden war, die United Nations Special Commission (UNSCOM).173 Es ergab sich, dass mindestens sechs Insti- tutionen an den Aktivitäten beteiligt ware.

Nach jahrelangen Verzögerungen gab der Irak schließlich zu, unter anderem seien 19.000 Liter konzentriertes Botulinum- Toxin, 8500 Liter Milzbrandsporen-Konzentrat, 3400 Liter Gasbrand-Erreger, 300 kg Rizin, und 2200 Liter Aflatoxin produziert worden. 10.000 l Botulin, 6500 l Anthrax-Konzen- trat und 1580 Aflatoxin wurden munitioniert, das heißt in Raketengefechtsköpfe, Granaten, Fliegerbomben und fern- gesteuerte Fluggeräte eingefüllt. Die Kampfmittel konnten aber auch mit Hilfe von Sprühgeräten ausgebracht werden, sowohl mit entsprechend umgebauten — zuvor aus den USA eingeführten — Hubschraubern, als auch mit vierzig mobilen Aerosol-Generatoren, die der Irak im Frühjahr 1990 aus Italien bezogen hatte.174 Nach Kalkulationen des Pentagon hätte der mit Botulinum-Toxin gefüllte Sprengkopf einer ein- zigen irakischen Scud-Rakete ein Gebiet von etwa 3700 Quadratkilometern vergiften können. Nach dem Golfkrieg schätzte die US-Armee ein: Wenn der Irak seine Biowaffen eingesetzt hätte, wären „enorme Verluste“ die Folge und das Sanitätswesen der Army wäre völlig überfordert gewesen.175 Warum diese Kampfmittel nicht eingesetzt worden waren, ist immer noch nicht sicher bekannt. Möglicherweise hatte Saddam Hussein nukleare Vergeltungsaktionen der Amerikaner befürchtet. Inzwischen wurde aber von der CIA ein Dokument freigegeben, wonach der Irak damals im Begriff war, einen für die Verbreitung von Biowaffen geeigneten SU-22-Bomber — vermutlich gegen Israel — einzusetzen. Der Plan sei aber nicht ausgeführt

262 VOM IRAK IM AUGUST 1995 DEKLARIERTE BTW-EINRICHTUNGEN

EINRICHTUNG AKTIVITÄTEN

Salman Pak Produktion von Bacillus anthracis, Clostridium per- fringens, Rizin, Tilletia.*

al Hakam Single-cell Produktion von Aflatoxin Protein Production Plant und Botulin

al Dawrah Foot and Untersuchungen über Mouth Disease Vaccine Gelbfieber- und Krim-Kongo- Facility HFV; Produktion von Entero- virus 17,** Human-Rota- virus*** und Kamelpocken- virus, sowie von Botulin

Agricultural Research Produktion von Aflatoxin, Center, Fudhaliyah Lagerung von Tilletia

Taji Single-cell Protein Produktion von Bacillus Production Plant anthracis

Muthanna State Munitionierung von Agenzien Establishment und Toxinen

Airfield 37 Feldversuche mit Biowaffen

Azziziyah Schießplatz Feldversuche mit Biowaffen

Camp Bani Sa’ad Aerosolexperimente mit Biowaffen

Eisenbahntunnel bei Lagerung von mit Anthrax Mansuriyah bzw. Botulin beladenen Raketengefechtsköpfen

* Erreger von Weizenbrand ** Erreger blutiger Bindehautentzündungen, anderswo bisher nie als potenzielles Kampfmittel bearbeitet. ***Erreger schwerer Verdauungsstörungen

263 werden können, weil zuvor schon die Begleitflugzeuge abge- schossen worden seien.176 Auch zahlreiche andere Fragen sind noch offen. Warum ist Aflatoxin in großen Mengen produziert und munitioniert worden? Bisher galt dieses Pilzgift nicht als Toxin-Kampf- mittel, zumal es in der Regel erst nach Jahrzehnten wirkt und dann Leberschäden verursacht. Unklar ist auch, warum die Irakis mit Kamelpockenviren gearbeitet haben. Weiterhin fehlen konkrete Beweise dafür, dass die biologischen Kampfmittel tatsächlich vollständig vernichtet wurden, wie der Irak behauptete. Und vor allem: waren die vom Irak gemachten Angaben wirklich korrekt? Nach Meinung von UNSCOM-Inspektoren hätten beispielsweise dreimal so viel Milzbrandbakterien produziert werden können, als schließ- lich angegeben wurde.177

Brachten Geheimdienste UNSCOM in Misskredit? Die Informationen über das irakische Programm wurden allerdings zum großen Teil nicht von den Spezialisten der UNSCOM-Mission zusammengetragen, obwohl sie mehr als 40 allein dem Biowaffenprogramm gewidmete Inspektions- touren durchführten und dank der Waffenstillstands- vereinbarungen ungewöhnlich tiefschürfend recherchieren konnten. Ein Hauptgrund für die relative Erfolglosigkeit von UNSCOM war sicher, dass der Irak intensive Tarnungs- und Verzögerungsoperationen praktizierte. Nach Meinung eines ehemaligen Chefinspekteurs von UNSCOM, Scott Ritter, soll es aber auch einen Mangel an Bereitschaft von US-Stellen einschließlich der CIA gegeben haben, die eigentliche Aufgabe der Mission zu unterstützen. Auch sollen sich die USA 1991 im Sicherheitsrat geweigert haben, einer Resolution zuzu- stimmen, die militärisches Eingreifen androhte, wenn der Irak weiterhin mauerte. Dabei soll es speziell um Zutritt zum Landwirtschaftsministerium gegangen sein, wo UNSCOM Akten über die (Bio-)Waffenprogramme vermuteten.178 Entscheidende Informationen wurden jedenfalls erst gelie-

264 fert, nachdem General Hussein Kamal Hassan al-Majid, ein Schwiegersohn Husseins, am 7. August 1995 aus dem Irak nach Jordanien geflohen war. Die irakischen Autoritäten ver- suchten, Kamal für das Biowaffenprogramm verantwortlich zu machen und luden den Chef von UNSCOM Rolf Ekeus in eine Hühnerfarm ein, die dem General gehört habe. In der Farm fanden sich mehr als 145 Kartons mit den lange gesuch- ten Dokumenten über Entwicklung und Produktion biologi- scher Kampfmittel und anderer Massenvernichtungswaffen. Im Dezember 1998 wurden die UNSCOM-Inspektoren und ihre Mitarbeiter aus dem Irak zurückgezogen, um sie nicht durch die von den USA und dem Vereinigten Königreich durchgeführte Operation „Desert Fox“ zur Zerstörung iraki- scher Rüstungs- und Radaranlagen zu gefährden. Anschlie- ßend weigerte sich Saddam, die Inspektoren wieder ins Land zu lassen. Ein Argument für diese Entscheidung war, laut Presseberichten, UNSCOM-Mitarbeiter seien von der CIA und anderen Geheimdiensten mißbraucht worden, um über ihren eigentlichen Auftrag hinaus und in Verletzung ihrer Unabhängigkeit als Beauftragte der Vereinten Nationen mili- tärische Anlagen des Irak auszuspähen.179 Das gleiche behauptete auch Scott Ritter. Der war nach eigenen Aus- sagen direkt in derartige Spionageaktivitäten verstrickt. Dabei habe er auch mit dem israelischen Geheimdienst zusammen gearbeitet, was wiederum Probleme mit seinen amerikanischen Auftraggebern verursachte. Deshalb habe er schließlich den Dienst bei UNSCOM quittiert.180 Inwieweit diese Informationen und Interpretationen korrekt sind, ist von Außenstehenden nicht einzuschätzen. Immerhin kommt auch eine seriöse britische Institution, eine analytische Ab- teilung der britischen Parlaments-Bibliothek zu dem Schluss, UNSCOM habe sich bis 1998 „zur ersten nachrichtendienst- lichen Mission in der Geschichte der UN“ entwickelt.181 Jedenfalls geriet UNSCOM in den folgenden Monaten bei einigen Mitgliedern des Sicherheitsrates in Misskredit. Sie wurde aufgelöst, und der Sicherheitsrat beschloss die Grün-

265 dung einer neuen Mission, der United Nations Monitoring, Verification und Inspection Commission (UNMOVIC) unter Leitung von Hans Blix, dem ehemaligen Chef der Inter- nationalen Atomaufsichtsbehörde.182 Aber auch UNMOVIC konnte vorerst keine Inspektionen im Irak aufnehmen. In der Zwischenzeit äußerten ehemalige Mitglieder der UNSCOM-Mission völlig konträre Meinungen über verblie- bene oder wieder erlangte irakische Biowaffenkapazitäten. Scott Ritter meinte zunächst, der Irak verfüge immer noch über eine bewegliche Einrichtung zur Produktion biologi- scher Kampfstoffe, sowie über einige Raketensprengköpfe, die „mit einem trockenen BW-Agens, vermutlich mit Milz- brand gefüllt sind“.183 Ein früherer Leiter von UNSCOM, der australische Diplomat Richard Butler, erklärte im September 2000, die Irakis hätten ihre in den Jahren zuvor von UNSCOM zerstörten Einrichtungen zur Produktion von Biowaffen wieder aufgebaut, sie wären inzwischen „wieder im Geschäft“.184 Ähnliche Angaben wurden von mehreren Whistleblowern gemacht. In der britischen Presse wurde ein irakischer Emigrant zitiert, demzufolge etwa dreitausend Physiker und Chemiker im Irak an geheimen Chemie- und Biologiewaffen- Programmen arbeiteten, in deren Verlauf sogar Menschen- versuche an Häftlingen durchgeführt würden. Ein (anderer?) Emigrant benannte sieben Einrichtungen, in denen chemi- sche und biologische Kampfmittel entwickelt, hergestellt und getestet würden. Er sei beim irakischen Geheimdienst tätig gewesen und habe dabei eine Flotte von Kühlfahrzeugen zusammengestellt, die als mobile Biowaffenlaboratorien genutzt werden: „Sie sehen wie Fleischtransporter, Joghurt- Transporter aus. Und in ihnen ist ein klimatisiertes Labor, ausgestattet mit Brutschränken für Bakterien und Mikro- skopen“. Wieder ein anderer Überläufer behauptete gar, im Irak gäbe es mehr als 30 geheime Biowaffen-Laboratorien. Und wieder ein anderer Emigrant gab an, er habe vor mehr als drei Jahren Al-Qaida-Kämpfer in der Verwendung chemi-

266 scher und biologischer Kampfmittel ausgebildet.185 Die Regierung des Irak erklärte dagegen wiederholt, sie besitze keine Massenvernichtungswaffen mehr. Auch Scott Ritter hat mittlerweile seine Meinung geändert und behauptet, Irak hätte inzwischen „qualitativ abgerüs- tet“.186 Der Irak stelle keine Gefahr mehr dar: „Zwischen 1998 und 2001 hatte der Irak keinen Zugang zu entsprechen- der Technologie und nicht zu den Finanzmitteln, die für eine signifikante Wiederaufrüstung mit Massenvernichtungs- waffen notwendig sind.“187 Und in seinem im Oktober 2002 auch in Deutschland ausgestrahlten Film „Im Treibsand“ („Shifting Sands“) erklärte Ritter: „Der Irak ist ein zahnloser Tiger.“188 Allerdings steht der ehemalige Inspektor vor allem in den USA sowie bei ehemaligen UNSCOM-Kollegen unter massiver Kritik, zumal sein Film zu einem großen Teil von einem irakisch-amerikanischen Geschäftsmann finanziert worden ist189 und er keine Hemmungen hatte, die Haltung der USA gegenüber dem Irak sogar in einer Rede vor dem iraki- schen Parlament zu kritisieren: „Es gibt keine Beweise für die Behauptungen, der Irak sei noch im Besitz von Massen- vernichtungsmitteln und stehe in Verbindung zu den Terror- gruppen, die für die Anschläge gegen die USA verantwortlich sind.“190 Ist der ehemalige Offizier der Marines und sieben Jahre lang als UNSCOM-Inspektor tätig gewesene Scott Ritter etwa vom irakischen Geheimdienst „umgedreht“ wor- den oder ist er ein wahrer Whistleblower? Jedenfalls beschuldigten Präsident George W. Bush und sein britischer Verbündeter Tony Blair und ihre Mitarbeiter vor allem ab Spätsommer 2002 den Irak in aller Öffentlichkeit, er produziere Massenvernichtungsmittel und stelle diese Terroristen zur Verfügung. Sie drohten deshalb mit — durch das Völkerrecht nicht legitimierten — Präventivschlägen. Blair verwies bei der Begründung für seine Entscheidung auf eine entsprechende Einschätzung der britischen Regierung. Aus Geheimdienstinformationen wisse man, dass „der Irak geheime chemische und biologische Waffenprogramme betreibt [...]

267 und damit fortfährt, chemische und biologische Kampfmittel zu produzieren“.191 Chemische Waffen habe der Irak ja bereits gegen den Iran eingesetzt — wobei unerwähnt bleibt, dass Saddam in diesem Krieg nicht nur über amerikanische Geheimdienstinformationen verfügen konnte, sondern auch über Satellitenfotos, die US-Dienste von iranischen Truppenformationen gemacht hatten.192 Nun hat sich das Blatt gewendet und die Briten beklagen, der Irak verfüge „über Kapazitäten zur Herstellung biologischer Agenzien und kann mindestens Milzbrand[erreger], Botulinum-Toxin, Aflatoxin und Rizin produzieren. Außerdem verfügt der Irak über mobile Biowaffen-Produktionseinrichtungen“. Details für diese Behauptungen werden nicht gegeben; Premier Tony Blair begründet im Vorwort dieses Dokuments: „Wir können nicht alles publizieren, was wir wissen.“ Wesentlich zurück- haltender wird dagegen im jüngsten Bericht der US-Geheim- dienste für den Kongress formuliert: „Angesichts der wach- senden industriellen Autarkie des Iraks und wegen der wahr- scheinlichen Verfügbarkeit über bewegliche oder verborgene Einrichtungen sind wir besorgt darüber, dass der Irak wieder biologische Kampfmittel produzieren könnte.“192a Allerdings stießen Bush und Blair bei den anderen Mit- gliedern des Sicherheitsrates auf Widerspruch. Das führte schließlich dazu, dass das höchste UN-Gremium nach wochenlangen Verhandlungen vor und hinter seinen Türen am 7. November 2002 eine Resolution verabschiedete, wo- nach der Irak innerhalb von 30 Tagen eine vollständige Erklärung über seine Massenvernichtungswaffen und Raketen- vorräte abgeben und den Inspektoren von UNMOVIC Zugang zu allen verdächtigen Einrichtungen gewähren muss.193 Eine Woche später stimmte Saddam Hussein den For- derungen des Sicherheitsrates zu und legte am 30. November die geforderte Liste über seine Rüstungsprogramme vor. Sie umfaßt 12.000 Seiten — fehlerhafte Angaben sind in einem solchen, in so kurzer Zeit zusammengestellten Mamutwerk

268 vorprogrammiert. Abgesehen davon wurde die Aufstellung sowohl von Blix als auch von den USA als unvollständig bezeichnet. Insbesondere soll sie keine Angaben über die Vernichtung der 1995 deklarierten Massenvernichtungsmittel enthalten. Darüber hinaus bezeichneten die USA den Bericht als unglaubhaft, weil der Irak ihren Geheimdiensterkennt- nissen zufolge immer noch über Biowaffen und andere Kampfstoffe verfüge. Außerdem beanstandete Blix zunächst die mangelnde Bereitschaft irakischer Experten, sich ohne Beisein anderer Irakis von UNMOVIC-Mitarbeitern befragen zu lassen. Solche Interviews könnten tatsächlich sehr erhellend sein — möglicherweise aber wieder zum Unwillen Washingtons. Beispielsweise ergab das Gespräch eines Reporters von CNN mit der von westlichen Medien als besonders diabolisch beschriebenen führenden Biowaffenexpertin Dr. Rihab Taha, die die Inspektoren angeblich „Dr. Germ“ oder „Bug Lady“ nennen, also „Dr. Mikrobe“ oder „Bazillen-Dame“, dass die vor 1990 durchgeführten irakischen Experimente zur Ver- breitung von Anthrax-Sporen und Botulinum-Toxin ziemlich altmodisch waren und nicht einmal des Niveau der britischen Versuche aus dem Zweiten Weltkrieg erreichten.193a Ab 6. Februar fanden dann aber erste unbeaufsichtigte Gespräche der Inspektoren mit irakischen Fachleuten statt, darunter mit dem Biowaffenexperten Sinan Abdul Hassan.193b In der Zwischenzeit konnten die UNMOVIC-Inspektoren ungehindert recherchieren, sogar in bisher unzugänglichen Präsidenten-Palästen. Bis Anfang Februar 2003 wurden 575 Inspektionen in mehr als 320 Einrichtungen durchgeführt, ohne auch nur Spuren von Biowaffen oder anderer Massen- vernichtungsmittel zu finden. Unter anderem wurde dabei mehrmals das Impfstoffwerk in al Dawrah inspiziert, in dem vor 1990 große Mengen von Botulin produziert worden waren, sowie eine Rüstungsfabrik in El Fao, in der — einem irakischen Emigranten zufolge — Biowaffen und andere Massenvernichtungsmittel gelagert worden sein sollen. Die

269 Experten untersuchten auch mehrmals einen militärisch- industriellen Komplex in Al Fallujah. Dort soll nach Angaben der britischen Regierung wieder die Produktion von Rizin aufgenommen worden sein, aber auch das konnte nicht bestä- tigt werden.194 Nach Ansicht der Administration in Washington ist das jedoch kein Beweis für eine irakische Abrüstung, sondern belege vielmehr, wie gut der Irak seine Waffen verstecken könne. Allerdings standen bisher weder den Inspektoren noch den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates die Erkenntnisse des US-Geheimdienstes zur Verfügung, obwohl dies von Blix und anderen wiederholt gefordert wurde. Seit Dezember 2002 kündigten die USA zwar mehrfach an, „demnächst“ entspre- chende Informationen zugänglich machen zu wollen, aber das erfolgte schließlich erst mehr als sechs Wochen später, am 5. Februar durch Außenminister Powell. Der gab unter anderem an, der Irak verfüge über mindestens sieben fahrbare Laboratorien, in denen Anthrax und Botulin produziert werden könnte.195 Quellen für die Informationen sollen Luftbildaufnahmen und Aussagen von Whistleblowern sein — das spricht angesichts der historischen Erfahrungen nicht gerade für ihre Qualität. Powell behauptete auch, der Irak würde seine verbotenen Aktivitäten sehr wirksam vor den Inspektoren verbergen. Das gehe aus abgehörten Telefonaten und vor allem aus einem aktuellen britischen Geheimdienstdosier hervor. Das pries er als „ausgezeichnete Studie [...] die außerordentlich detailliert die irakischen Täuschungsaktivitäten beschreibt“. Unbeab- sichtigt löste der Außenminister der USA damit einen weiteren Geheimdienstskandal aus. Denn schon am folgenden Tag ergab sich,195a das der „exzellente“ britische Bericht zum großen Teil ein Plagiat war. Die cleveren britischen Schlapphüte hatten — offensichtlich mangels eigener entspre- chender Erkenntnisse — unter anderem aus einem Artikel abgeschrieben, den ein Oxforder Doktorand im September 2002 in einer — allerdings bisher wenig bekannten —

270 Zeitschrift über Struktur und Aktivitäten des irakischen Geheimdienstes vor 1991 publiziert hatte.195b Das erinnert fatal an das gefälschte „Tagebuch eines Reichswehrgenerals“ und an die von Wickham Steed veröffentlichten Dokumente — mit dem großen Unterschied, das die jetzt von den Briten ausgeschlachtete Publikation auf Fakten beruhte, auf Dokumenten nämlich, die 1991 während des Golfkrieges erbeutet worden waren.195c Wenn die Beweislage also so dürftig ist, wundert es einen nicht, dass Washington zumindest bisher ein irakisches Angebot ablehnte, Mitarbeiter des CIA an den Inspektionen teilnehmen und sie zu den Orten führen zu lassen, an denen Produktions- und Lagerstätten von Massenvernichtungs- mitteln vermutet werden.196 Fürchtet man etwa, dass sich auch diese Erkenntnisse der Nachrichtendienste als falsch erweisen könnten? Wenn Geheimdienstler den Inspektoren unmittel- bar vorführen könnten, wo sich die irakischen Bio- und anderen Waffen befinden, wäre ja der Irak vor aller Welt auf das Leichteste zu überführen. Jedenfalls meinte noch Ende Januar nicht nur Hans Blix, sondern auch General Norman Schwarzkopf, es gäbe keines- falls genügend Beweise, um einen Feldzug gegen den Irak zu rechtfertigen.196a Eine solche Einschätzung des Oberbefehls- habers des 1991er Golfkrieges muß wohl besonders ernst genommen werden.

271 Vor der Wahl: Salmonellen zum Salat

is in die frühen 1990er Jahre hinein glaubte man sich Bweltweit vor terroristischen Anschlägen mit biologi- schen oder chemischen Kampfmitteln relativ sicher. Bezeich- nend dafür ist ein in der bereits erwähnten dpa-Meldung vom Januar 1989 zitiertes Argument:

=san francisco (dpa) ... eine beruhigende antwort auf die frage, ob damit zu rechnen sei, dass terroristen biologische oder toxin-waffen einsetzen koennten, gab auf der konferenz der amerikanische wissenschaftler ray- mond a. zilinskas von der universitaet von maryland. diese waffen seien in den augen der oeffentlichkeit so verabscheuungswuerdig, sagte zilins- kas, dass selbst die skrupellosesten terroristen oder zumindest ihre hintermaenner sich scheuen würden, sie einzusetzen. als beleg für seine hypothese fuehrte der wissenschaftler mehrere bombenattentate auf verkehrsflugzeuge an, die wegen der hohen ueberzahl der opfer in der oeffentlichkeit ein solches entsetzen ausgeloest haetten, dass die urhe- ber es nicht gewagt haetten, sich zu ihnen zu bekennen.

Tatsächlich hatte es aber schon damals gelegentlich entspre- chende Aktionen gegeben. Im Oktober 1981 hatten Mitglie- der der Protest-Gruppe „Dark Harvest“ am Londoner Blackpool Tower, nur ein paar hundert Meter vom Parteitag der Konservativen entfernt, sowie vor den Toren des Instituts für chemische und biologische Verteidigung in Porton Down Erde deponiert.197 Sie stammte von der Insel Gruinard und war mit Milzbrandsporen verseucht. In Bekennerschreiben wurden verschiedene Zeitungen informiert, man habe mit dieser Aktion eine „tödliche Saat an den Absender zurück“ schicken wollen. Der Anschlag verursachte beachtliches Medienecho, zumal ein Unterhausabgeordneter kommen- tiert hatte: „Durch diese Wahnsinnstat haben diese Leute das ganze Land in Gefahr gebracht“.Aber das war ziemlich über-

272 trieben, wirklich gefährdet wäre man nur gewesen, wenn man mit offenen Wunden an der Hand die bakterienhaltige Erde berührt hätte. Tatsächlich fiel niemand der spektakulären Aktion zum Opfer.

Sheriff und FBI hatten keine Ahnung Drei Jahre später registrierte die Gesundheitsbehörde von Wasco County, einem idyllischen Landkreis im US-Bundes- staat Oregon, eine ungewöhnliche Häufung von Magen- Darm-Katarrh-Fällen. Nachdem es in den ersten acht Monaten des Jahres 1984 nicht eine derartige Erkrankung gegeben hatte, meldeten sich vom 17. September an immer mehr Menschen, die an Gastroenteritis erkrankt waren, bis zum 10. Oktober 751 Patienten. Sie litten eindeutig an einer Lebensmittelvergiftung: Alle hatten zuvor in Restaurants in der Kreisstadt The Dallas gespeist, und bei allen konnten Bakterien der Art Salmonella typhimurium als Erreger nach- gewiesen werden. Wie die aber in die fraglichen Gaststätten gekommen waren blieb lange unklar, obwohl nicht nur der Sheriff von Wasco County und die Staatspolizei von Oregon ermittelte, sondern auch das FBI. Wieder einmal versagte ein Geheimdienst total.

Salmonella typhimurium: Im Tierreich weit verbreiteter Seuchenerreger („Mäusetyphus“), der beim Menschen akute Lebensmittelvergiftungen hervorrufen kann. Mit Methoden der molekularen Biotechnologie konnte nachgewiesen werden, dass S.typhimurium über 4451 Gene verfügt. Allein 919 davon benötigen die Erreger für eine erfolgreiche Infektion.

Erst ein Jahr später wurde bekannt, dass es sich um einen bioterroristischen Anschlag gehandelt hatte.198 Diese Erkenntnis war aber nicht den Ermittlungsorganen zu ver- danken, sondern einem Streit unter den Verursachern, An-

273 hängern einer von dem indischen Guru Bhagwan Shree Rajneesh gegründeten Sekte. Eines ihrer Mitglieder enthüll- te, dass sie die Bakterien in zehn Restaurants in The Dallas verbreitet hatten, vorzugsweise in den Salatbars. Die Salmo- nellen waren von einem kommerziellen Unternehmen bezo- gen und anschließend in einem Geheimlaboratorium der Sekte vermehrt worden. Ziel des Anschlages war es, die Ein- wohner von Wasco County daran zu hindern, an der für den 6. November angesetzten Kommunalwahl teilzunehmen. Dadurch sollte die Wahl von Kandidaten verhindert werden, die den Expansionsgelüsten der Sekte gegenüber kritisch eingestellt waren. Zum Glück für die Betroffenen hatten die Terroristen Bakte- rien eingesetzt, die in der Regel nicht tödlich wirken. Zwar hatten die Attentäter auch andere Erreger — unter anderem die von Hepatitis und Typhus — in die engere Wahl gezogen, das aber als zu riskant wieder verworfen.

Angst und Schrecken in Tokios U-Bahnen Ungezielt Angst und Schrecken verbreiten wollten dagegen zehn Jahre später die Angehörigen einer anderen Sekte, des japanischen AUM Shinrikyo-Kultes in Tokio mit dem chemi- schen Kampfstoff Sarin.199 Am Montag, dem 20. März 1995 verübten Mitglieder der Weltuntergangssekte in mehreren Zügen der Tokioter Untergrundbahn Terroranschläge mit der tödlichen Substanz. Zum Glück war der Nervenkampfstoff übereilt hergestellt und nur ungenügend gereinigt worden und stand nur in gelöster Form, nicht aber als Aerosol zur Verfü- gung. Da die Sekte unter Zeitdruck handelte, weil sie ins Visier der Polizei geraten war, konnte auch nur ein höchst primitives Verbreitungssystem eingesetzt werden: Je etwa 600 Gramm Sarin-Lösung wurde in elf Plastebeutel gefüllt, die dann mit geschärften Regenschirmspitzen aufgestochen wurden. Der Ort des Anschlags war raffiniert-perfide ausgewählt: Die Tokioter U-Bahnen befördern täglich etwa fünf Millionen Fahrgäste. Drei der am meisten genutzten Linien kreuzen

274 sich im Tokioter Verwaltungszentrum. In Wagen dieser Linien wurden, kurz bevor sie den Kreuzungsbahnhof erreichten, während der morgendlichen Rush-hour von fünf Sekten- mitgliedern die Sarin-Tüten angestochen und das tödliche Gift freigesetzt. Zwölf Todesopfer forderte der Anschlag, und etwa 980 mehr oder weniger stark Verletzte. Die wurden zusammen mit weiteren 4000 Personen, die glaubten eben- falls geschädigt worden zu sein, in über 30 Krankenhäuser im ganzen Stadtgebiet verteilt. Es war eine Katastrophe, die gleichzeitig bewies, wie unzureichend Zivil- und Katastro- phenschutz schon auf Anschläge mit Massenvernich- tungsmitteln vorbereitet waren. Hätten die Attentäter ein Sarin-Aerosol hergestellt und auch nur mit primitiven Sprüh- vorrichtungen verbreitet, dann wären womöglich zehntausen- de von Todesopfern zu beklagen gewesen.

Bei der anschließenden Aufklärung des Terroraktes stellte sich heraus, daß sich die Sekten-Mitglieder nicht nur auf einen chemischen Kampfstoff orientiert, sondern auch Anschläge mit Bacillus anthracis und Botulinum-Toxin ver- sucht hatten. Diese Bio-Attentate waren aber aus unter- schiedlichen Gründen fehlgeschlagen.200 Beispielsweise han- delte es sich bei den von den Terroristen beschafften und dann einige Male erfolglos in Tokio verbreiteten Milzbrand- Erregern um harmlose Anthrax-Bakterien, wie sie normaler- weise zur Impfstoffproduktion verwendet werden. Und Botulin konnten sie auch nicht einsetzen, da es ihnen nicht gelang, das Toxin herzustellen. Die Terroristen sollen auch vergeblich versucht haben, sich Ebola-Viren zu beschaffen. Die Fehlschläge der Sekte bei der Beschaffung und Ver- breitung von Biowaffen vermitteln eine wichtige Erkenntnis: Entgegen gelegentlich geäußerten Ansichten kann man nicht einfach eine Waschküche in ein Kellerlabor umfunktionieren, in dem dann Terroristen erfolgreich biologische Anschläge vorbereiten können. Die Sekte hatte sehr viel Geld, eine gut organisierte Logistik, sogar ausgebildete Mikrobiologen in

275 ihren Reihen — und trotzdem hat sie es nicht geschafft. Ganz abgesehen davon haben aber auch in diesem Fall die Nachrichtendienste wieder sträflich versagt: Weder die japa- nischen Ermittler noch CIA oder andere ausländische Beob- achter hatten vor dem Anschlag irgendwelche Hinweise auf die gefährlichen Aktivitäten der Gruppe.

Planspiele enthüllen mangelhaftes Krisenmanagement Nachdem die AUM Shinrikyo-Sekte 1995 eine völlig neue Dimension des Terrorismus eröffnet hatte, begann sich eine Reihe von Staaten, vor allem die USA, auf den bioterroris- tischen Ernstfall vorzubereiten — während dieses Thema in der Bundesrepublik bis zum 11. September 2001 von den zuständigen Stellen nicht nur ignoriert, sondern bewusst her- untergespielt wurde: Am 24. April 1998 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage von „Bündnis 90/Die Grünen“, nach ihrer Auffassung sei „mit B-Waffen-Anschlä- gen durch Terroristen derzeit nicht zu rechnen“.201 In den USA wurden mehrere Konferenzen mit hochkaräti- gen Teilnehmern zu diesem Thema veranstaltet und zahlrei- che Bücher und Aufsätze dazu veröffentlicht. Die zuständige Behörde für Gesundheitsschutz CDC veröffentlichte Empfeh- lungen für ein entsprechendes Krisenmanagement und veröf- fentlichte eine — kaum vom Verzeichnis des „dreckigen Dutzends“ abweichende — Liste der dual-threat-Agenzien, die als mögliche Bioterrormittel am ehesten infrage kommen. Zunehmend wurden auch bioterroristische Anschläge gegen die Landwirtschaft befürchtet, die trotz der deutschen Bio- sabotage-Aktivitäten im Ersten Weltkrieg lange Zeit weitge- hend unberücksichtigt blieben. Welche Folgen solche Aktionen haben könnten, zeigte sich spätestens nach der bri- tischen Maul-und-Klauenseuche-Epidemie, die Kosten in Höhe von 48 Milliarden Dollar verursacht haben soll. Dieser Seuchenausbruch habe, so der amerikanische Veterinärmedi- ziner und Biowaffenexperte Martin Hugh-Jones, „jedem Terroristen eine Anleitung geliefert“. Um dem zu begegen,

276 hat die Akademie der Wissenschaften der USA im September 2002 eine Studie mit Vorschlägen zur Verhin- derung des landwirtschaftlichen Bioterrorismus veröffent- licht.201a Außerdem wurden mehrere realitätsnahe Planspiele durch- geführt. Eines davon war die Studie „URBAN 2000“, in der das Energie-Ministerium die Verteilung infektiöser und toxi- scher Substanzen in einer städtischen Atmosphäre untersuch- te.202 Ein anderes war die vom Congress angeregte Übung „TOPOFF 2000“, so benannt, weil an ihr führende Persön- lichkeiten („Top Officials“) teilnahmen.203 In dieser im Mai 2000 exerzierten Übung wurde durchgespielt, was passiert, wenn Yersinia pestis als Aerosol über die Frischluftzuführung eines viel besuchten öffentlichen Gebäudes in Denver ver- breitet wird. Innerhalb von drei Tagen erkrankten etwa 3700 Personen, von denen 950 starben. Pestfälle wurden auch in anderen Teilen der USA registriert, sowie in England und Japan. Nach einer Woche waren 2000 Personen verstorben und die Situation geriet außer Kontrolle. Die zuständigen Behörden waren nicht vorbereitet und der Lage überhaupt nicht gewachsen. Besonders gravierend wirkte sich die unge- nügende Bevorratung mit Antibiotika aus. Zu ähnlich alarmierenden Ergebnissen kam ein anderes Planspiel, das unter dem Titel „Dark Winter“ im Juni 2001 bei Washington, DC, durchgeführt wurde.204 Dabei ging es darum, wie und mit welchem Ergebnis der Nationale Sicherheitsrat der USA auf Terroranschläge mit Pockenviren reagieren würde. In dieser Übung geriet die Situation schon nach weni- gen Tagen völlig außer Kontrolle: Innerhalb von drei Wochen gab es etwa 300.000 Opfer — auch in zehn Ländern außer- halb der USA — und ein Drittel von ihnen war bereits ver- storben oder dem Tode geweiht. Die Ergebnisse waren depri- mierend — angefangen bei dem Resümee, dass die „politi- schen Führer mit dem Charakter bioterroristischer Angriffe, verfügbarer politischer Optionen und ihren Konsequenzen nicht vertraut sind“ — bis zu der Erkenntnis, dass das

277 Gesundheitswesen der USA auf derartige Anschläge über- haupt nicht vorbereitet ist. Im April 2002 fand dann eine zweite Auflage von „Dark Winter“ statt. In dieser in Oklahoma durchgeführten Übung mit der Bezeichnung „Sooner Spring“ wurde angenommen, gleichzeitig erfolgten ein Ausbruch der Pest in McAlester, eine Pockenepidemie in Tulsa und die Vergiftung des Wasser- versorgungssystems von Lawton mit Botulinum-Toxin.205 Analoge Ergebnisse wie die „Dark-Winter“-Übung hatte eine weitere Studie, in der ein Attentat mit Milzbrandsporen unterstellt wurde206: Während eines Football-Spieles fährt ein Truck auf einer Hochstraße nahe des mit 74.000 Zuschauern gefüllten Stadions vorbei und versprüht 30 Sekunden lang völlig unbemerkt ein Aerosol, das Anthrax-Sporen enthält. 14.000 Fans und weitere 4000 Personen, die sich außerhalb des Stadions aufhalten, werden infiziert. Zwei Tage später tre- ten die ersten grippeähnlichen Symptome auf. Am vierten Tag sterben die ersten 80 Patienten. Zunächst wird eine neue Grippewelle vermutet. Erst einen Tag später wird durch den Nachweis von Bacillus anthracis eine Epidemie von Lungenmilzbrand diagnostiziert und ermittelt, dass es sich bei der Mehrzahl der Patienten um Besucher des Football- Spieles handelt. Sie erhalten Antibiotika. Die Vorräte reichen jedoch nicht aus, so dass die Antibiotika nicht lange genug verabreicht werden können. Die Nationalgarde muss zum Schutz der Verteilungszentren eingreifen. Im Verlauf der ersten zehn Tage sterben 4000 Personen, die meisten wegen verzögerter bzw. unzureichender Antibiotika-Gabe.

278 Die Milzbrandbriefe: Versagt das FBI — oder vertuscht es?

wei Jahre nach dem erdachten Terroranschlag fan- Zden Milzbrand-Attacken tatsächlich statt. Auch in der Realität vergingen wieder Tage, bis die Symptome richtig diagnostiziert wurden und mit einer spezifischen Therapie begonnen werden konnte. Das liegt vor allem daran, dass Lungenmilzbrand außerordentlich selten vorkommt. In den USA wurden im zwanzigsten Jahrhundert nur 18 Fälle dia- gnostiziert, der letzte im Jahre 1976. Kaum ein praktischer Arzt hat je einen Fall gesehen. Selbst die vier Autoren eines Übersichtsartikels über Anthrax als Biowaffe, bekannten, nur einer von ihnen habe überhaupt einmal einen Fall von Lungenmilzbrand zu Gesicht bekommen.207

Der Tod kam mit der Post Fünf Tage lang nahm der Postbeamte Joseph Curseen jr. seine grippeähnlichen Symptome nicht ernst. Er vermutete eine Lebensmittelvergiftung. Als sich sein Zustand verschlimmer- te, suchte er am 21. Oktober 2001 eine Ambulanz auf. Dort nahm man an, er habe sich einen Magen-Darm-Katarrh zugezogen, gab ihm ein paar Tabletten und schickte ihn wie- der heim. Er solle am nächsten Tag seinen Hausarzt auf- suchen.Aber dazu kam er nicht mehr: einen Tag später war er tot. Todesursache: Lungenmilzbrand. Ein ähnliches Schicksal ereilte seinen Arbeitskollegen Thomas Morris jr. Der klagte seit dem 16. Oktober über allgemeine Schwäche, Rheumatismus und erhöhte Temperatur und ging deshalb am darauffolgenden Tag zum Arzt. Der glaubte an einen Virusinfekt und schickte auch ihn wieder nach Hause. Da sich sein Zustand nicht besserte, suchte Morris am Abend des 21. Oktober eine Notaufnahme auf. Dort vermutete man am nächsten Morgen, dass der Patient Milzbrand haben könnte. Inzwischen hatte nämlich der Fernsehsender CNN gemeldet, zwei Postbeamte seien in Washington, DC, mit

279 Lungenmilzbrand ins Krankenhaus eingeliefert worden. Trotz sofort eingeleiteter Antibiotikatherapie verstarb auch Morris innerhalb weniger Stunden nach seiner Aufnahme in die Klinik. Mehr Glück hatten die beiden Postmitarbeiter, über die CNN berichtete. Da bei ihnen innerhalb von 11 Stunden mikroskopisch Bacillus anthracis nachgewiesen werden konnte, wurden sie sofort mit Ciprofloxacin und anderen Anti- biotika behandelt. Das war ihre Rettung: Sie überlebten.208 Alle vier waren im größten Postamt von Washington, DC, in der Brentwood Street tätig. Alle waren sie dort am 13. Okto- ber mit einem Brief in Kontakt gekommen, der vier Tage zuvor in Trenton, New Jersey, aufgegeben und an das Washingtoner Büro von Senator Tom Daschle adressiert war. Als am 15. Oktober ein Mitarbeiter Daschles im „Hart“- Bürogebäude des Senats diesen Brief öffnete, merkte er, dass es etwas staubte. Der Zimmertrakt des Senators wurde sofort evakuiert und versiegelt, das Lüftungssystem wurde abge- schaltet. Am folgenden Tag konnte nachgewiesen werden, dass der Brief Milzbrandsporen enthalten hatte. Von Personal und Besuchern des Gebäudeteiles, in dem sich Daschles Büroräume befinden, wurden Nasenabstriche genommen. Bei 28 von ihnen konnten auf diese Weise Anthraxerreger nachgewiesen werden. Alle wurden prophy- laktisch mit Antibiotika versorgt; keiner von ihnen erkrankte.

Dass man den pulvrigen Inhalt des Briefes so ernst genom- men hatte, lag daran, dass es inzwischen auch Informationen über das erste Todesopfer eines Milzbrandbriefes gab, den Journalisten Robert Stevens. Der war am 4. Oktober mit Lungenmilzbrand in Palm Beach County in Florida ins Krankenhaus eingeliefert worden und dort einen Tag später verstorben. Mehr Glück hatte sein Kollege Ernesto Blanco von der Poststelle des selben Medienunternehmens, der den Brief an ihn weitergeleitet hatte. Blanco erkrankte auch an Lungenmilzbrand, wurde aber noch früh genug mit Ciprofloxacin behandelt, so dass er überlebte.

280 Zumindest einige der zuständigen US-Behörden waren durchaus auf solche Situationen vorbereitet — wenn auch wohl nicht ernsthaft genug. Dr. Ted Cieslak vom Armee- Institut USAMRIID hatte bereits mehr als ein Jahr zuvor auf dem Kongress der amerikanischen Gesellschaft für Infek- tionskrankheiten gemeint, für bioterroristische Aktionen seien Milzbrand-Erreger wohl das Mittel der Wahl. Allein im Jahre 1999 seien in den USA mehr als 300 Anthrax-Briefat- trappen versandt worden.209 Das war für eine für das Pentagon tätige Firma ein Grund, den amerikanischen Milz- brandspezialisten William Patrick III, der viele Jahre im Biowaffeninstitut in Fort Detrick gearbeitet hat und fünf Geheimpatente für Verfahren zur Munitionierung von Milzbrandsporen hält, 1998 zu beauftragen, ein Gutachten über die Gefahren anzufertigen, die vom Versand von Anthrax-Sporen mit der Post drohen. Eine entsprechende Expertise wurde zwei Jahre später auch von der kanadischen Regierung in Auftrag gegeben, nachdem ein verdächtiger, pulverhaltiger Brief bei der Umweltministerin eingegangen war. Der erwies sich dann aber auch als Attrappe. Patrick soll in seiner Studie vermutet haben, dass pro Brief etwa 2,5 g Anthrax-Sporen zum Einsatz kommen könnten. Tatsächlich soll der Brief an Senator Daschle 2 g dieses Kampfmittels enthalten haben.210 Insgesamt wurden in den USA seit Beginn der Anschläge innerhalb von zwei Monaten 22 Milzbrandfälle diagno- stiziert, elf mal Lungenmilzbrand und elf mal der weitaus harmlosere Darmmilzbrand. Fünf der an Lungenmilzbrand erkrankten Personen fielen den Anschlägen zum Opfer. Die anderen konnten durch sofortige Behandlung mit Antibiotika gerettet werden. Ein Vierteljahr später, im März 2002, trat bei einer weiteren Person Hautmilzbrand auf. Sie hatte mit Material zu tun, das während der Briefaffäre gesam- melt worden war.211 Bei den meisten Lungenmilzbrand-Fällen gab es eine direkte Verbindung zum Postsystem. Bei zwei weiteren Fällen mit

281 Todesfolge erfolgte die Infektion vermutlich durch Briefe, die im Postsystem indirekt, d.h. über Kreuz verseucht worden sind. Inzwischen ist kalkuliert worden, dass auf diese Weise ein einziger „Anthraxbrief“ etwa 5000 andere Postsachen verseuchen könnte. Zwar traten in Washington und New Jersey nach dem 9. Oktober — als die beiden Briefe an die Senatoren aufgegeben worden waren — unter vorsorglich kontrollierten zehn Millionen Menschen keine weiteren Anthraxfälle auf, obwohl in den betreffenden Verteilungs- stellen 85 Millionen Postsachen bearbeitet worden waren. Trotzdem ist die US-Postverwaltung jetzt dabei, in ihren Verteilungszentren Automaten einzuführen, die mit gentech- nischen Methoden Milzbrandsporen erkennen und dann Alarm auslösen können.212 Wegen einer mutmaßlichen Exposition mit Anthrax-Sporen wurden mehr als 30.000 Personen jeweils 60 Tage lang mit Ciprofloxacin und anderen Antibiotika behandelt, vor allem Mitarbeiter und Besucher von Postämtern in New Jersey, New York City und im Großraum Washington, dem District of Columbia, sowie Personen, die sich am 15. Oktober im im 5. und 6. Stock des Südost-Flügels des „Hart“-Hauses aufge- halten hatten. Parallel dazu erfolgte die Dekontaminierung des neun Stockwerke hohen Gebäudes sowie anderer be- troffener Teile des Capitols mit Chlordioxid, was drei Monate dauerte und mehr als 23 Millionen Dollar kostete.213 Aufwendiger und langwieriger erwies sich die Dekontaminie- rung des Postamtes in der Brentwood Street. Sie war erst Ende Dezember 2002 abgeschlossen und kostete 100 Millionen Dollar. Weitere 50 Millionen wird die noch nicht abgeschlossene Sanierung des Postamtes in Trenton, New Jersey, kosten, wo einige der Briefe aufgegeben worden waren.214

Wer steckt hinter den Brief-Anschlägen? Erste Vermutungen, dass Osama bin Laden oder die Terrororganisation Al-Qaida hinter den Anschlägen steckte,

282 ließen sich zunächst nicht bestätigen, obwohl einer der Attentäter vom 11. September, Ahmed Alhaznawi, im Früh- sommer 2002 von einem Arzt wegen Hautmilzbrands behan- delt worden sein soll.215 Statt dessen sprach immer mehr dafür, dass die Täter in den USA zu suchen sein könnten. Waren es vielleicht amerikanische Rechtsextremisten, viel- leicht Larry Wayne Harris? Der war schon zweimal verhaftet worden, 1995 wegen des Besitzes von Yersinia pestis und 1998, weil er sich Bacillus anthracis beschafft und gedroht haben soll, die Bakterien als Kampfmittel benutzen zu wol- len.216 Nach Angabe eines Whistleblowers habe Harris behauptet, genug Anthrax-Erreger zu besitzen, um alle Einwohner von Las Vegas umbringen zu können. In Harris’ Auto fand man daraufhin tatsächlich einen verdächtigen Behälter. Der wurde mit einem FBI-Flugzeug nach Virginia geflogen und dann in Fort Detrick untersucht. Der Behälter enthielt in der Tat Milzbrandbakterien, aber nur „abge- schwächte“, wie sie für die Herstellung von Impfstoffen gebraucht werden. Zahlreiche Experten halten eine frühere Verbindung des Attentäters zur US-Army oder deren Vertragspartnern für möglich, und zwar aus folgenden Gründen: In jedem Fall wur- den Erreger des sogenannten Ames-Stammes verschickt, benannt nach Ames, einem Ort in Iowa, wo dieser Anthrax- Typ erstmals isoliert worden war. Sporen gerade dieses Stammes sind früher im Biowaffenprogramm der USA bear- beitet und waffenfähig gemacht worden, dass heißt so bear- beitet, dass sie nicht verklumpen und in einer Partikelgröße vorliegen, die für eine Aerosolverbreitung optimal ist (1,5 bis 3 Mikrometer). Zunächst hieß es, die in den Briefen gefunde- nen Sporen hätten genau die Charakteristika des Anthrax- Materials aus dem US-Biowaffenprogramm aufgewiesen; sie dürften nicht aus dem Irak oder aus der Sowjetunion stam- men. Möglicherweise sind sie sogar jüngerem Ursprungs: Zeitungsberichten zufolge217 — die anschließend von einem Regierungssprecher bestätigt wurden — sind im vergangenen

283 Jahrzehnt Milzbrandsporen gleichen Typs in Dugway Proving Ground, einem Testgelände der US-Armee hergestellt wor- den, erklärtermaßen für „B-Schutz-Zwecke“, nämlich zur Er- probung neuartiger Nachweisgeräte für Biowaffen. Inzwischen wurden aber Äußerungen von William C. Patrick III und anderen Experten bekannt, wonach die versandten Sporen doch nicht so qualitativ hochwertig gewesen sein sollen.217a Etwa zwanzig Laboratorien sind bekannt, die den Ames- Stamm bearbeiten oder zumindest besitzen. Nicht bekannt ist, ob von dort solche Bakterien noch an andere Stellen weitergegeben worden sind. Allein der Brief an Senator Daschle enthielt in etwa 2 g Pulver ungefähr 20 Billionen Anthrax-Sporen. Insgesamt haben die Attentäter etwa 10 g Milzbrandpulver eingesetzt. Eine solche Menge können sie unmöglich gestohlen haben. Sie mussten die Bakterien also selbst vermehren. Und dies, wie auch die Abfüllung, sind äußerst riskante Unternehmen, bei denen Millionen, wenn nicht Milliarden der tödlichen Erreger freigesetzt werden und die Bearbeiter gefährden. Die Attentäter mussten sich deshalb nicht nur vorher gegen Milzbrand impfen — was Zugang zu dem nicht frei erhältlichen Impfstoff voraussetzt —, sondern mussten mindestens ein Hochsicherheitslabora- torium benutzen können, nach Möglichkeit in entsprechende Schutzbekleidung gehüllt. Auch diese Überlegungen legen nahe, dass die Täter unter vielleicht 50 amerikanischen Biowaf- fenexperten zu suchen sind, und dies sollte auch ihre rasche Identifizierung ermöglichen, denn solche Hochsicherheits- laboratorien gibt es nicht viele, sie werden gut überwacht, und ihr Betrieb wird mit Überwachungskameras verfolgt.

Versagen wieder die Ermittler und V-Leute? Nun sollte man meinen, die Sonderkommission des FBI und anderer Ermittlungsbehörden der USA hätten, zusätzlich motiviert durch die Anschläge, die am 11. September 2001 die Welt erschütterten, angesichts der Fülle von Hinweisen in Rekordzeit die Attentäter ausfindig machen, ihre Motive

284 erkunden und die Quelle der Sporen entdecken können, zumal sich die Terroristen offenbar keine große Mühe gege- ben hatten, ihre Spuren zu verwischen. Kritiker werfen in diesem Zusammenhang dem FBI ein „Übermaß an Ignoranz“ vor: Laut „Time“ Magazin hatten sich noch Mitte November 2001 mehrere Universitäts-Labo- ratorien, die mit Bacillus anthracis arbeiten, und Firmen, die für solche Arbeiten notwendige Geräte herstellen und warten oder reparieren, darüber beschwert, dass sie vom FBI noch nicht befragt worden sind, oder wenn doch, mit den falschen Fragen konfrontiert wurden. Dazu passt, dass der Linguistik- Experte des FBI, Professor Don Forster in einem Interview angab, er habe zwei Verdächtige identifizieren können, die beide für USAMRIID, CIA und verschiedene andere Geheimprojekte gearbeitet hätten, aber er habe — entgegen der sonst üblichen Praxis — bis zum 18. August 2002 noch keine Schriftproben der beiden Verdächtigen für Vergleichs- analysen zur Verfügung gestellt bekommen. Nach eigenen Angaben sind — zumindest bis Anfang November 2001 — weder der sowjetische Experte Ken Alibek noch der Ver- fasser der Anthraxbrief-Expertise William Patrick III von den Ermittlungsorganen befragt worden.218 Jedenfalls haben Geheimdienste und Ermittlungsbehörden wieder gröblich versagt. Oder ist es vielmehr so, dass das FBI die Ermittlungen verschleppt, wie die Chefin der Biowaffen- Arbeitsgruppe der Föderation amerikanischer Wissen- schaftler Professor Barbara Rosenberg erwog und fragte, ob der Attentäter „etwas so schlimmes über die US-Regierung [weiß], dass er für das FBI unangreifbar ist?“ Vier Monate später meinte sie, die Situation sei nunmehr noch schlimmer, weil sich inzwischen weitere signifikante Indizien ange- sammelt hätten, die den Kreis der mutmaßlichen Attentäter auf nicht mehr als zehn Personen einengten.219 Im Februar 2002 veröffentlichte die „Washington Times“ dann aber einen Artikel, in dem ein Hauptverdächtiger detailliert beschrieben wird. Die Beschreibung passte auf einen ehema-

285 ligen Mitarbeiter von USAMRIID, Steven J. Hatfill — dessen Name jedoch zunächst noch nicht erwähnt wurde. Dessen Haus wurde dann im Sommer vom FBI mehrfach durchsucht, nachdem Hatfill verhört und einem Lügendetektor-Test unterzogen worden war. Hatfill ist ein Mediziner mit recht abenteuerlichem Lebenslauf, der 1997 bis 1999 im USAMRI- ID gearbeitet hatte. Anschließend war er für eine private Sicherheitsfirma tätig und hatte dort ausgerechnet jene bereits erwähnte Studie über die Verbreitung von Milzbrand- sporen in Briefen in Auftrag gegeben. Im August 2001 war ihm aber Verteidigungsministerium die Berechtigung zum Umgang mit geheimen Dokumenten entzogen worden. Trotz dieser und weiterer Verdachtsmomente musste das FBI einräumen, dass bei den Durchsuchungen nichts Belastendes gefunden worden sei. Hatfill selbst bestritt alle Vorwürfe und erklärte, er habe „niemals in seinem Leben mit Anthrax gearbeitet“.220 Richard O. Spertzel, ein ehemaliger UNSCOM-Inspektor sagte im Oktober 2002, es gäbe in den ganzen USA vielleicht vier oder fünf Leute, die vergleichbare Anthrax-Präparate herstellen könnten, und er sei einer davon. „Aber selbst mit Hilfe eines guten Teams und eines guten Labors würde er etwa ein Jahr brauchen, um ein gleich gutes Produkt herzustellen“.221 Er und andere von der „Washington Post“ interviewte Experten schlugen daher vor, dass noch einmal analysiert werden sollte, ob die Sporen aus einem geheimen B-Schutzprogamm stammen könnten oder ob nicht doch Staats-Terrorismus hinter den Anschlägen stecke. Tatsächlich begannen die amerikanischen Ermittler Ende 2002 wieder verstärkt zu analysieren, ob nicht doch Al-Qaida-Aktivisten die Täter waren222 und/oder ob der Irak in diese Vorgänge verwickelt war.223 Andererseits verfolgten sie auch die Spur Hatfill weiter: Dieser informierte die Presseagentur UPI in einem Interview, dass er seit dem 17. Dezember wieder Tag und Nacht vom FBI überwacht werde.224 Aber vielleicht hat der Hamburger Biowaffenexperte Jan van Aken Recht, wenn er vermutet, dass die Urheber der

286 Milzbrandbriefe möglicherweise für immer im Dunkeln blei- ben, denn: „Wie in den Mordfällen Kennedy und Palme sto- chern die Ermittler hilflos in einem Sumpf aus Politik- und Geheimdienstintrigen herum, in dessen Zentrum das ameri- kanische Biowaffen-Programm steht“.225 Aber inzwischen ist möglicherweise ein weiterer Brief mit Anthrax-Sporen aufgetaucht. In dem an den Vizepräsidenten der US-Notenbank (Federal Reserve) gerichteten Schreiben konnten am 3. Januar 2003 und in zwei weiteren Tests Milzbrandbakterien nachgewiesen werden. Vielleicht ergibt sich damit eine neue, heiße Spur und die ganze Angele- genheit kann endlich aufgeklärt werden. Eine abschließende Bestätigung dieser Diagnose durch die CDC stand allerdings bis zum 31. Januar noch aus. Aber vielleicht war es auch nur wieder Fehlalarm. Am 14. Januar war nämlich gemeldet worden, dass auch in der Post- stelle der Federal Reserve Milzbranderreger entdeckt worden seien. Schon einen Tag später meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass sich dies habe nicht bestätigen lassen.226

287 Was war das Ziel: Mord und Totschlag — oder Panik?

ermutlich hatte der oder die Anthraxbief- VBombenleger keine Mordabsichten, denn dazu war das ganze Unternehmen einerseits zu aufwändig und ande- rerseits zu ineffektiv. Um größere Menschenmassen umzu- bringen wäre es sehr viel wirksamer gewesen, die gleiche Menge Sporen in das Ventilationssystem eines großen Gebäudes einzubringen oder auf einer U-Bahn-Station freizusetzen. Außerdem enthielten die vier identifizierten Anthrax- Briefe eindeutige Warnungen.227 In zwei Kuverts waren Botschaften mit Hinweisen auf den 11. September und den — teils falsch geschriebenen — Worten „Nun kommt das ... Nimm jetzt Penazillin“* enthalten. Die beiden anderen, an die Senatoren Daschle und Leahy adressierten Umschläge enthielten ebenfalls Briefe mit ähnlichen Bemerkungen: „11.9. 2001...Ihr könnte uns nicht aufhalten. Wir besitzen die- ses Anthrax. Sie sterben jetzt. Haben Sie Angst?“**

Dass es trotzdem fünf Todesfälle gab, war möglicherweise nicht beabsichtigt: Vermutlich hat der Attentäter nicht ein- kalkuliert, dass die Briefe in den mechanischen Apparaten der Postverteilungsstellen so grob behandelt werden, dass Sporen an den Ecken und durch die Poren verschlossener Briefumschläge austreten und dadurch zumindest Post- beamte gefährden und andere Postsachen kontaminieren können. Die oben erwähnte kanadischen Studie hatte tat- sächlich ergeben, dass auch die passive Verbreitung von Sporen aus einem Briefkuvert noch vor seinem Öffnen „eine weitaus größere Bedrohung darstellt als bisher angenommen wurde“: Bakteriensporen fanden sich auf dem Arbeitstisch,

* „09-11-01“…This is the next…Take penacillin now“ ** „09-11-01“…You can not stop us.We have this anthrax.You die now.Are you afraid?“

288 auf Papieren, Aktenordnern und Stiften. Die meisten wurden in der Nähe der Ecken des Briefumschlags gefunden, dort war die Mehrzahl von ihnen ausgetreten.228 Hauptziel der Aktion war wahrscheinlich die psychologische Wirkung. Auf solche Folgen von Biowaffen-Einsätzen hatten ja schon britische, deutsche und französische Experten in den dreißiger Jahren hingewiesen. General Hermann Ochsner, der Chef der deutschen chemischen Truppen, hatte bereits 1936 geschrieben: Selbst wenn es nicht möglich sei, Epide- mien willkürlich auszulösen, läge „die Bedeutung des bakteriologischen Krieges doch in der großen zusätzlichen, vor allem seelischen Wirkung. Wenn z.B. in mehreren deut- schen Städten während eines Krieges gleichzeitig zahlreiche Fälle einer bestimmten Krankheit auftreten, so wird sich das, auch wenn sie nicht zu größeren Epidemien anwachsen, doch nicht geheim halten lassen und die öffentliche Meinung gewaltig beeinflussen. Außerdem werden dadurch zahlreiche Ärzte und Pflegepersonal beschäftigt und ebenso Kranken- häuser, Heilmittel u.a. der Fürsorge für Verwundete und son- stige Kranke entzogen“. Genau das scheinen die Absender der Anthrax-Briefe beab- sichtigt zu haben, und vermutlich deshalb haben sie auch — und zwar offenbar nur in den USA — Attrappen — im Angel- sächischen „hoax“ genannt — verschickt, vor allem an die Adressaten der „richtigen“ Terrorsendungen, Politiker und Vertreter verschiedener Medien. Möglicherweise war beab- sichtigt, Regierung, Senat und Kongress zu veranlassen, mehr Mittel für den B-Schutz bereitzustellen — aus sicherheitspoli- tischen Erwägungen oder auch aus ökonomischen Gründen (etwa um den Umsatz von Antibiotika- und Impfstoffpro- duzenten zu erhöhen). Tatsächlich sind ja nach den Brief- aktionen von der US-Regierung beachtliche Beträge zur Bekämpfung des Bioterrorismus bewilligt worden: Ein ehe- maliger Kommandeur von USAMRIID soll in diesem Zusammenhang in einem Fernsehinterview erklärt haben, die Aktion hätte auch ihre „guten Seiten“ gehabt, denn: „Wir

289 haben jetzt fünf Tote, aber wir haben 6 Milliarden Dollar zur Verteidigung gegen den Bioterrorismus bekommen“. Andernfalls hätten bei einem weiteren Anschlag vielleicht Tausende oder gar Millionen Amerikaner sterben müssen.229 Die vermutlich auf die Attentäter zurückzuführenden Briefattrappen müssen deutlich von den Postsendungen unterschieden werden, mit denen sich weltweit „Trittbrett- fahrer“ durch Versand von harmlosen Pülverchen mit einzel- nen Mitmenschen oder ganzen Kommunen einen bösen Scherz erlauben wollten. Auch diese versetzten nicht nur ihre jeweiligen Empfänger in Angst und Schrecken, sondern leg- ten zeitweilig Zivil- und Katastrophenschutz weitgehend lahm und verursachten erhebliche Störungen des öffentlichen Lebens. Derartige Schein-Briefbomben wurden Ende 2001 in wenigstens 50 verschiedenen Staaten versandt — in Deutschland allein im Jahre 2001 etwa 4000 Stück! In min- destens einem Fall enthielt in Argentinien ein Briefumschlag tatsächlich Milzbrandsporen, aber nicht die vom Ames- Stamm, sondern von einem ungefährlichen, für die Impf- stoffherstellung verwendetenTyp.230

Schon nach ein paar Tagen gingen in amerikanischen Apotheken die Vorräte an Cipro und anderen Antibiotika, die gegen Milzbrand wirksam sind, aus, und das Repräsen- tantenhaus stellte vorübergehend sogar seine Arbeit ein. Möglicherweise wollten die Attentäter aber einfach nur Panik auslösen. Dass das eher die Folge von bestimmten Krankheitsausbrüchen sein kann als grosse Seuchenzüge zei- gen beispielsweise die Reaktionen, die heutzutage von Pest- erkrankungen ausgelöst werden. Die Pest ist nach Ein- schätzung des amerikanischen Zentrums für zivilen B-Schutz vor allem deshalb so gefürchtet, weil sie „eine der wenigen Erkrankungen ist, bei der durch das Bekannt werden sogar einer geringen Anzahl von Fällen weitverbreitete Panik aus- gelöst werden kann. Das war 1994 in der indischen Stadt Surat der Fall, als schätzungsweise 500.000 Leute voller

290 Furcht vor einer Pestepidemie flohen“. Dort waren damals 752 Personen an Pest erkrankt, von denen etwa 50 starben.231 Auch bei dem Giftgasanschlag der AUM-Shinrikyo-Sekte in Tokio wurden — außer den 12 Todesopfern — „nur“ etwa 980 Personen mehr oder weniger stark verletzt. Aber mehr als 4000 Menschen suchten die Hospitäler und Rettungs- stellen auf, weil sie fürchteten, auch betroffen worden zu sein. Sie stellten dadurch das Tokioter medizinische System vor eine über aus große Belastungsprobe.232 In der Sekundär- literatur war dann aber später meist von „5000 und mehr Ver- letzten“ die Rede — was zusätzlich zur allgemeinen Verun- sicherung beiträgt.

Bei der Vorbereitung auf eventuelle bioterroristische Aktionen kommt es deshalb auch darauf an, die Gefahr einer Panik zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren.233 Dazu gehören auch Überlegungen, Massenflucht und die damit verbundene erhöhte Gefahr der Weiterverbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Schon hört man aus Großbritannien, die Regierung beabsichtige, in einem derar- tigen Fall London und andere größere Städte durch Sicherheitskordons von Militär und Polizei abriegeln zu las- sen. Entsprechende Pläne gibt es auch in den USA.234 Vermutlich seien sogar drakonische Maßnahmen notwendig, da sich gezeigt habe, dass nur 44% der Personen, die nach den Anthrax-Briefanschlägen aufgefordert worden waren, 60 Tage lang das Antibiotikum Ciprofloxacin einzunehmen, diese Anordnung auch befolgten.235 Jedes Jahr sterben in den USA mehr als 10.000 Menschen durch Schusswaffen.236 Trotzdem werden von der Regierung nicht einmal von einer Bevölkerungsmehrheit gewünschte Waffenkontrollen eingeführt. Bioterroristen haben dagegen in den letzten Jahren vermutlich nicht mehr als fünf Todesopfer verursacht — und nicht nur die Bush- Administration sondern nahezu die ganze Welt reagiert mit Panik... Panik soll nach Meinung von Experten sogar das

291 eigentliche Ziel der Anschläge vom 11. September 2001 gewesen sein, und nur deshalb versuche Al-Qaida erfolgreich, sich auch Biowaffen zu beschaffen.237 Auch im Zusammen- hang mit der Entdeckung von Rizin in einer Londoner Wohnung äußerte ein Chemiewaffenexperte der britischen Regierung, mit einem Rizin-Aerosol könnten Terroristen zwar nur wenig Todesfälle verursachen, wohl aber Panik aus- lösen — das sei das eigentlich gefährliche.237a Keine Panik löste hingegen Anfang Januar 2003 in Texas das Verschwinden von etwa 35 Ampullen mit Pestbakterien aus, denn die Öffentlichkeit erfuhr erst nach der Aufklärung des beunruhigenden Vorfalles davon. Aber es gab Katastrophen- alarm und selbst Präsident Bush wurde darüber informiert. Etwa 60 Ermittler des FBI und anderer Behörden gingen dem Hinweis von Professor Thomas C. Butler von der Technischen Universität Texas in Lubbock nach, dass die gefährlichen Keime aus der von ihm geleiteten Abteilung für Infektions- krankheiten verschwunden waren. Die Fahnder wurden glück- licherweise innerhalb weniger Tage fündig. Die Pesterreger waren tatsächlich weg. Der mutmaßliche „Whistleblower“ gab zu, er hätte die Bakterien versehentlich selber vernichtet und wollte dies mit seiner Verlustanzeige vertuschen.237b Damit verwischen sich die Grenzen zwischen dem Einsatz biologischer Kampfmittel und psychologischer Kriegs- führung. Ja, im Zweiten Weltkrieg hat es sogar Aktionen gegeben, die man als „psychologische Biokriegsführung“ be- zeichnen kann.

Psychologische Biokriegsführung Die ausgeprägte Furcht vor der Pest machten sich die Briten schon 1943 zunutze, indem sie in Deutschland einen gefälsch- ten Sonderabdruck aus dem „Reichsgesundheitsblatt“ mit „Ratschlägen zur Bekämpfung von Pest“ verbreiteten.238 Die Fälschung folgte weitgehend dem Original, betonte aber die Gefahr einer Pesteinschleppung viel stärker als es der deut- schen Gesundheitsaufklärung entsprach. Es wurde der

292 Eindruck erweckt, anscheinend harmlose Symptome könnten pestverdächtig sein und machten in jedem Falle einen Arztbesuch notwendig. Oft zeigen sich nur, so heißt es in der Flugschrift, „Erscheinungen, die für den Laien nicht viel anders aussehen, als die Symptome einer schweren Grippe, wie leichtes Fieber, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, ‚Ziehen’ in den Beinen und Ermüdungs- und Unlusterschei- nungen. Gelegentlich können auch bei diesen Fällen Brechreiz und Durchfälle auftreten. Es kann nicht oft genug betont werden, dass gegenwärtig der allergrößte Wert darauf gelegt werden muss, dass alle derartigen Fälle nicht nur vom Arzt, sondern auch vom Publikum vorsichtshalber als pest- verdächtig angesehen werden müssen. Ein paar bakteriologi- sche Untersuchungen zuviel können nichts schaden, eine ein- zige Untersuchung zu wenig kann die unabsehbarsten Folgen haben. [...] Pickel und leichte Geschwüre sollten daher heute stets als pestverdächtig betrachtet werden“. Ziel der feindlichen Aktion war es nach Einschätzung des deutschen Biowaffenexperten Heinrich Kliewe, Truppe und Bevölkerung zu beunruhigen sowie Ärzte und Unter- suchungsstellen durch erhöhte Inanspruchnahme stärker zu belasten und die Widerstandsfähigkeit zu schwächen. Wenn es Zweck der biologischen Kriegsführung ist, „durch Hervorrufung von Seuchen möglichst viele Soldaten kampf- unfähig zu machen, die Zivilbevölkerung in ihrer Arbeits- leistung zu schwächen, auszuhungern oder psychisch zu beeinflussen“ — wie Heinrich Kliewe im Jahre 1943 notierte —, dann kann die Verbreitung der gefälschten Ratschläge zur Pestbekämpfung als Akt der psychologischen biologischen Kriegsführung bezeichnet werden:Anstatt durch Verbreitung von Bakterien,Viren oder Toxinen Infektionskrankheiten oder Vergiftungen zu verursachen, wurde versucht, Kampfkraft und Waffenproduktion des Gegners virtuell zu schwächen und dadurch vor allem auch die Kapazitäten des feindlichen Gesundheitsschutzes lahmzulegen. Versucht wurde dies auch durch Verbreitung einer Anleitung zum Simulieren.

293 Auch Oberkriegsarzt Prof. Heinrich Kliewe musste zu dem gefälschten Merkblatt über die Pest Stellung nehmen. Quelle NACP RG 319 Box 2 Folder BW8

294 Nichts sei leichter, als einen Fall von Lungentuberkulose vor- zutäuschen. Schlappheit müsse man vorspiegeln, und vor allem einen kräftigen Husten provozieren. „Misch etwas klein geschnittenes Papier unter deinen Tabak, oder dreh’ deine Zigaretten mit gewöhnlichem anstatt mit Zigaretten- papier und rauche auf Lunge“. Aber das reicht nicht aus, um den Arzt zu täuschen. Viel überzeugender ist es, wenn man dem Doktor auch bakterienhaltigen Schleim vorweisen kann. „Tuberkelbazillen sind natürlich schwer zu beschaffen — aber es gibt einen ausgezeichneten Ersatz dafür, den auch ein sehr guter Arzt [...] für Tuberkelbazillen halten muss. In dem gelblichen Stoff nämlich, der sich bei Männern unter der Vorhaut, bei Frauen zwischen den Inneren Schamlippen an- sammelt, wenn man sich da nicht täglich wäscht (‚Käse’), befindet sich stets ein Bazillus, der unter dem Mikroskop dem Tuberkulosebazillus so täuschend ähnlich sieht, dass jeder Arzt darauf hereinfallen muss.“ Das steht in einer Schrift, die die Angloamerikaner in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges in großer Stück- zahl hinter den deutschen Linien und über dem Reichsgebiet abgeworfen hatten. Sie war als Reclam-Heftchen aufgemacht und trug den Titel „Krankheit rettet“. In dem Text wurde aus- führlich beschrieben, wie man Krankheiten aller Art simulie- ren kann, nicht nur Tuberkulose, sondern auch „Kriegs- ermüdung“, „schwere Rückenschmerzen“, „teilweise Läh- mung“, „Schmerz in der Brust“, schwere Verdauungsstörun- gen und so weiter.239 Ausgedacht hatte sich die Aktion der britische Journalist Sefton Delmer, einer der führenden Köpfe der angloameri- kanischen Organisation für psychologische Kriegsführung. Delmer erwartete von dieser Aktion, „dass eine Anzahl von Deutschen diese Regeln befolgen wird“. Außerdem wollte er damit „die deutschen Ärzte, die von der Existenz dieser Broschüre in Kenntnis gesetzt werden — und das wird be- stimmt der Fall sein —, veranlassen, auch in den Fällen ein Simulieren zu vermuten, in denen der Patient nicht simuliert.

295 Fotos der als Reclam-Heftchen „Krankheit hilft“ verbreiteten angloamerikani- schen Anleitung zum Vortäuschen von Krankheiten sowie der von deutscher Seite in Form eines Streichholzbriefchens verbreiteten Übersetzung der anglo- amerikanischen Anleitung zum Simulieren Quelle: Beilage zu K. Kirchner, Krankheit rettet. Achtung Feindpro- paganda, Mappe 4. Erlangen 1976.

296 Ich hoffe sehr, dass sie von jetzt ab effektiv kranke Männer und Frauen an ihre Arbeit zurückschicken und dadurch viel- leicht sogar zur Verbreitung von Krankheiten beitragen“.

Welche Auswirkung die Verbreitung des gefälschten Reclam- Heftchens in Deutschland hatte ist nicht bekannt. Aber die deutsche „Abwehr“ schätzte die Aktion als so vielverspre- chend ein, dass sie ihrerseits eine entsprechende Anleitung in englischer Sprache unter den gegnerischen Truppen verbrei- tete. Die Anweisungen zum Simulieren wurden auf einem schmalen Papierstreifen gedruckt, der mehrfach zusammen- gefaltet und als Streichholzbriefchen getarnt war. Über weite Strecken handelte es sich um eine wörtliche Übersetzung des von den Angloamerikanern verbreiteten Textes. Wie Sefton Delmer nach dem Kriege berichtete, war die deutsche Schrift später auf dem schwarzen Markt in England heiß begehrt, weil hilfreich beim Ergattern von Krankschreibungen.

297 Sieg über die Pocken — ein Pyrrhussieg?

ockenviren kämen im Prinzip schon als Kampfmittel in PFrage, meinte Geheimrat Richard Otto auf der Beratung, die 1925 von der Sanitätsinspektion über „die Verwendung von Krankheitskeimen als Kampfmittel im Kriege“ veranstaltet worden war. Aber sie seien für die expe- rimentelle Erzeugung von Massenerkrankungen ungeeignet, weil in aller Welt Schutzimpfungen gegen sie durchgeführt würden. Inzwischen sind aber die Pocken seit 1980 weltweit ausgerot- tet — ausgerechnet als Folge eines von der Sowjetunion 1958 in die Weltgesundheitsorganisation eingebrachten Vorschlages. Das Pockenvirus hat sich dadurch zum bisher einzigen Er- reger qualifiziert, der keine doppelte Bedrohung mehr dar- stellt, sondern ein „single-threat“-Agens ist.240 Nur noch einige militärische Kontingente und andere Risikogruppen werden dagegen immunisiert. In einem modernen Handbuch des Infektionsschutzes werden sie nicht einmal mehr erwähnt.241 Heute stehen Impfungen gegen die Pocken aber wieder auf der Tagesordnung. Ihre Erreger gehören nämlich nicht nur zum eingangs erwähnten „dreckigen Dutzend“, sondern werden in einer aktuellen Zusammenstellung der obersten US-Behörde für Gesundheitsschutz, der CDC, an erster Stelle genannt, noch vor Milzbrand und Pest...242 Experten schätzen heute ein, dass die Folgen einer kriegeri- schen oder terroristischen Verbreitung der Pocken — insbe- sondere wegen ihrer überaus leichten Übertragbarkeit — katastrophal wären. Das hatte unter anderem die bereits er- wähnte Übung „Dark Winter“ ergeben. Allerdings steht einem Missbrauch von Pockenerregern im Wege, dass es offiziell nur noch an zwei Stellen einen begrenzten Vorrat solcher Viren gibt, im Staatlichen For- schungszentrum für Virologie und Biotechnologie „Vektor“ in Kolzovo in Russland sowie im CDC in Atlanta in den USA. Die sollen so gut gesichert sein, dass Unberechtigte kei-

298 nen Zugang zu ihnen haben. Aber „ein auf diesem Gebiet spezialisierter weltweit am höchsten geschätzter, Nicht-US- Forscher“ hat informiert, es gäbe „zehn ‚nicht registrierte’ Laboratorien auf der Welt, die mit lebenden Pockenviren arbeiten“. Einem Experten vom USAMRIID zufolge sind solche Behauptungen — auch? — von zwei nicht benannten hochrangigen russischen Überläufern — Alibek und Pasetschnik?? — gemacht worden.243 Deren Aussagen zufolge „haben es diese Länder in jenen Tagen beiseite geschafft, als Pocken noch endemisch waren, und haben das der Welt- gesundheitsorganisation nie mitgeteilt“. Genannt werden in diesem Zusammenhang Frankreich, Israel, Nordkorea und auch der Irak. Anfang Dezember 2002 wurde dann von einem Informanten behauptet, eine Moskauer Virologin, Nelja N. Malzewa, habe 1990 bei einer Reise nach Bagdad den Irakis einen besonders aggressiven Pockenvirus-Stamm überlassen. Von offizieller russischer Seite wurde das bestritten. Frau Malzewa sei seit 1972 nicht mehr im Irak gewesen. Trotzdem sei diese Information — nach Angaben von Judith Miller — so ernst genommen worden, dass sogar Präsident Bush darüber unter- richtet wurde.244 Aber schon zehn Tage später erklärten Vertreter der US- Administration, der Geheimdienst glaube, möglicherweise besitze der Irak zwar Pockenviren, die stammten jedoch nicht von „schurkischen russischen Wissenschaftlern“ oder ande- ren externen Quellen, sondern aus den letzten Pockenfällen, die im Irak in den 1970ern aufgetreten waren. Berichte über den Transfer des Virus aus Moskau konnten nicht bestätigt werden. Andererseits nehme man an, dass Russland außer dem offiziellen Lager in Kolzovo noch eine geheimen Pockenvirus-Vorrat habe.245 Diese Vermutung gründet sich möglicherweise auf Angaben Alibeks.246 Demzufolgen seien 1980 — unmittelbar nachdem die WHO die weltweite Ausrottung der Pocken bekannt gegeben habe — Pockenviren in die Liste jener Kampfmittel

299 * + + + + ** ++ ++ ++ ++ derer Bedarf beson- Bereit schaft + 0 0 0 0 0 + +++ Auf- sam- keit liche merk- Öffent halitis und andere Virus- halitis und andere aktika und Therapeutika, aktika und 0 0 0 0 0 0 + +/- Mensch- zu-Mesch ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ tion Verbreitbarkeit Popula- + + + + + + ++ Tod +++ + + + + + + ++ ++ kung Konsequenzen Erkran- Rotz Rizin- Cholera Shigellose Bruzellose Melioidose Psittakose KRANKHEIT Fleckfieber Intoxination ** ++ ++ ++ +++ +++ +++ +++ +++ derer Bedarf beson- Bereit schaft + + ++ ++ ++ +++ +++ +++ Auf- sam- keit liche merk- Öffent 0 0 0 + 0 0 ++ +++ Mensch- zu-Mesch + + + ++ ++ ++ ++ +++ tion Verbreitbarkeit Popula- + + ++ ++ Tod +++ +++ +++ +++ + + ++ ++ ++ ++ ++ ++ kung Konsequenzen Erkran- *** **** u.a. Pest Pocken Q-Fieber Milzbrand Tularämie erfügbarkeit von Möglichkeiten zur Schnelldiagnostik etc. *** und andere hämorrhagische Fieber. Pferde-Enzep Venezolanische **** KRANKHEIT Botulismus VEE u.a. DIE 2002er LISTE POTENZIELLER BIOLOGISCHER UND TOXINKAMPFMITTEL V Enzephalitiden. * nach L.D. Rotz et al.,Workgroup, CDC Strategic Planning 2002, leicht verändert. ** Bevorratung großer Mengen spezifischer Prophyl Ebola

300 aufgenommen worden, die im Rahmen des sowjetischen Biowaffenprogrammes optimiert werden sollten. Schon in den siebziger Jahren sei dieses Virus für das Biowaffenarsenal so wichtig gewesen, „dass das militärische Oberkommando befahl, 20 Tonnen pro Jahr vorrätig zu halten“. Im Verlauf dieser Arbeiten sei dann u.a. eine neue Produktionsein- richtung geschaffen worden, geeignet, um „jährlich 80 bis 100 Tonnen Pockenviren zu liefern“. Darüber hinaus habe es Versuche zur Schärfung von Pockenviren gegeben, beispiels- weise durch Einbau von Genen eines anderen Vertreters des dreckigen Dutzends, des Venezolanischen Pferde- Enzephalitis-Virus. Die russische Regierung selbst äußerte sich in diesem Zusammenhang zurückhaltender. Einem amtlichen Bericht zufolge seien tatsächlich „Untersuchungen der primären Genomstruktur des Pockenvakzine- und des Pockenvirus“ durchgeführt worden, und zwar in jenem Institut in Kolzovo, in dem offiziell Pockenviren aufbewahrt werden. Diese Arbeiten hätten aber nur dem B-Schutz gedient und nicht etwa offensiven Zielen.247 Tatsächlich ist in den 1960er Jahren auch in den USA insge- heim an der Produktion von Pockenviren, ihrer Stabilisierung sowie über ihre Verbreitbarkeit durch Aerosole gearbeitet worden. Sogar ein Einsatz der Erreger im Vietnamkrieg soll erwogen, dann aber wieder aufgegeben worden sein. Selbst mehr als fünf Jahre nach Nixons Anordnung zur Vernichtung der Bestände biologischer und Toxin-Kampfstoffe besaß die CIA noch 50 Gramm Pockenviren.248 Das hätte immer noch gereicht, um Millionen Menschen umzubringen. Es waren aber „Peanuts“ im Vergleich zu den Tonnen Pockenerreger, die laut Alibek in der Sowjetunion für einen eventuellen Einsatz bereitgehalten wurden. Heute sollen von der US-Armee wieder Untersuchungen mit Pockenviren durchgeführt werden, unter anderem an Affen. Professor Allan Rosenfeld, Dekan der Medizinischen Fakultät der Columbia-Universität meinte in diesem Zusam-

301 menhang: wenn wir solche Forschungen betreiben, können dann nicht auch andere Staaten fragen, warum sie das nicht auch dürften?249 Eigentlich sollten die letzten Vorräte längst, bis spätestens 1999, vernichtet sein — so hatte es die Weltgesundheits- versammlung 1996 beschlossen.250 Dagegen erhob sich aber sowohl in politischen Kreisen als auch von einflussreichen Wissenschaftlern so viel Widerstand, dass die Vernichtungs- aktion wiederholt verschoben wurde, zuletzt bis auf das Ende des Jahres 2002. Aber mittlerweile hat sich die Bush-Admini- stration überhaupt gegen die Vernichtung der Variola- Stämme entschieden, „weil es möglich ist, dass sich auch an- dere [Staaten] das Virus beschafft haben“. Die Anschläge vom 11. September und die Milzbrandbriefe — „machen es all zu klar, dass Pockenviren absichtlich verbreitet werden könnten, wenn sie in falsche Hände fallen“. Und man müsse in der Lage sein, sich dagegen zur Wehr zu setzen251 — obwohl es keinen Zusammenhang gibt zwischen der Existenz von Stämmen des überaus gefährlichen Variola major-Virus und der entsprechenden Immunprophylaxe, für die eine ganz andere Pockenvirus-Art verwendet wird, das Vakzinia-Virus. Aber an der Haltung der USA führt kein Weg vorbei: Im Mai 2002 beschloss die Weltgesundheitsorganisation, dass die Vernichtung der Variola-Stämme vorläufig weiter aufgescho- ben werden und ihre weitere Erforschung so lange erlaubt sein soll, bis Einmütigkeit über die endgültige Zerstörung erreicht werden kann.252 Davon ganz abgesehen gibt es inzwischen ein Bedrohungs- potenzial durch Pockenviren anderer Art. So sind 1996—1997 in der Demokratischen Republik Kongo 88 Personen an Affenpocken erkrankt.253 Inzwischen wurde bekannt, dass die Erreger der Kamelpocken — die im Rahmen des irakischen Biowaffenprogramms bearbeitet worden waren — in geneti- scher Hinsicht dem Variola-Virus sehr viel ähnlicher sind als alle anderen untersuchten Erreger.254 Außerdem ist heute die Sequenz des Pockenvirus-Erbmaterials vollständig bekannt

302 und veröffentlicht. Mit diesem Wissen könnte es eines Tages möglich sein, die für die Krankheitssymptome verantwort- lichen Gene nachzubauen und diese dann in das Erbgut anderer Pockenviren einzufügen. Was schon der Einbau scheinbar völlig harmloser Erbanlagen in das genetische Material von Mauspockenviren für katastrophale Folgen haben kann, wurde bereits an anderer Stelle erörtert. Jedenfalls besteht derzeit weltweit höchste Alarmbereitschaft zur Verhinderung von Pockenepidemien. Die Erreger haben ein überaus hohes Übertragungspotenzial. Je nach den herr- schenden Bedingungen kann jeder Infizierte drei bis zwölf weitere Personen anstecken,255 und insgesamt könnten nach Angaben der britischen Regierung von einem einzigen Fall je nach den eingeleiteten Maßnahmen zwischen 34 und 11.800 Personen infiziert werden.256 Daher müssten zur Eindäm- mung einer Pockeninfektion nicht nur möglichst viele mutmaßlich infizierte Personen in Quarantäne genommen werden — was erhebliche logistische Probleme schafft und auf beträchtlichen Widerstand betroffener Personenkreise stoßen dürfte —, sondern auch Millionen Menschen schutz- geimpft werden: Als 1947 in New York acht Pockenfälle auftraten, wurden innerhalb einer Woche sechs Millionen Personen geimpft.257 Deshalb wurde mindestens in Frankreich, Großbritannien, Israel, Kanada und USA für hunderte Millionen Dollar Pockenimpfstoff geordert, um damit alle Einwohner immuni- sieren zu können.258 In Deutschland beschlossen die Regie- rungschefs von Bund und Ländern Mitte Dezember 2002, für mehr als 100 Millionen Euro soviel Vakzine zu beschaffen, dass notfalls die gesamte Bevölkerung geimpft werden kann.259 Allerdings sind die — weltweit nur noch in begrenzten Mengen verfügbaren — Pockenimpfstoffe, die damals zur Ausrottung dieser Erkrankung eingesetzt worden waren, nicht ganz unschädlich. Experten erwarten, daß die erste Impfwelle in den USA, die 500.000 Armeeangehörige und 510.000 im Gesundheitswesen beschäftigte Zivilisten erfassen soll, ein

303 bis drei Todesfälle und Dutzende von lebensbedrohlichen Erkrankungen zur Folge haben dürfte. Vizepräsident Dick Cheney soll Präsident George W. Bush jedoch davon über- zeugt haben, daß die Folgen eines terroristischen Einsatzes von Pockenviren unvergleichlich grösser seien.260 Nach der ersten Impfwelle sollen dann weitere zehn Millionen Mit- arbeiter des Gesundheitswesens und des Katastrophen- schutzes geimpft werden. Ab 2004 sollen dann alle US- Bürger Zugang zum Impfstoff haben. Um mit gutem Vorbild voranzugehen hat sich Bush als Oberbefehlshaber der Streit- kräfte im Dezember 2002 selbst gegen Pocken impfen lassen.261

Allerdings ist bisher noch kein einziger Beweis dafür vorge- legt worden, dass Terroristen Zugang zu Pockenviren haben und beabsichtigen, diese einzusetzen. Kann es vielmehr nicht auch so sein, dass bin Laden — der sich seit mehr als einem Jahr vor den Ermittlern verbergen und ungehindert Drohun- gen verbreiten kann — oder Al-Qaida-Aktivisten oder noch andere Schurken bewusst und gezielt derartige Gerüchte streuen, um Panik und gewaltige, aber sinnlose Geldausgaben auszulösen? Ist die derzeitige Angst vor Pockenviren, die auch Menschen in der Bundesrepublik bewegt, die Folge von „biologischem Psychoterror“? Werden die von den Experten des Gesundheitswesens erwarteten Opfer fataler Nebenwirkungen der Pockenschutzimpfungen vielleicht die einzigen Opfer der Terroristen bleiben? Schon weisen immer mehr medizinische Experten zumindest in den USA besorgt darauf hin, dass die beschlossene Impfstoffbeschaffung und - anwendung wie auch die zum Teil sehr aufwändigen anderen Maßnahmen gravierende Einschränkungen in vielen Bereichen des klassischen Gesundheitsschutzes zur Folge haben werden.262 War das die Absicht von Bio-Psychoterroristen?

304 Die Rotation der Rüstungsspirale muss zu stoppen sein

„Eine Änderung der Konvention muss konsequent vermieden werden“

emühungen, die Biowaffenkonvention zu stärken Bund ihre wichtigsten Schwachstellen zu beseitigen, gibt es seit Anfang der achtziger Jahre.263 Ausgelöst wurden sie vor allem durch die Swerdlowsker Milzbrandepidemie. Auch im Deutschen Bundestag wurden von allen Parteien schon zu einer Zeit, als die Bundesrepublik dem Abkommen noch gar nicht beigetreten war, Forderungen nach Verbesserung der Konvention, speziell nach Einführung einer Verifikations- regelung erhoben. Der Abgeordnete Alois Mertes erklärte am 16. Juni 1980 zu Recht im Bundestag: „Die entscheidende Schwäche des B-Waffen-Verbotsvertrags ist das Fehlen jeder internationalen oder regionalen Kontrollvorschrift. Die Bundesregierung sollte deshalb im Genfer Abrüstungs- ausschuss und bei den Vereinten Nationen in New York baldmöglichst den Entwurf einer Kontrollvereinbarung vorlegen“. Das Parlament stimmte einem entsprechenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu und forderte die Bundes- regierung auf, „möglichst unverzüglich die Frage der Verifi- kation bei B-Waffen [...] zu betreiben, spätestens gelegentlich der 2. Revisionskonferenz des B-Waffenverbotsvertrags“.264 Solche Konferenzen finden in der Regel alle fünf Jahre statt, um vor dem Hintergrund sowohl politischer als auch wissen- schaftlich-technischer Entwicklungen die Wirksamkeit der Konvention zu überprüfen und eventuell notwendige Präzisierungen und andere Maßnahmen zu beschließen.

305 Am Vorabend der — im September 1986 veranstalteten — zweiten Überprüfungskonferenz unterrichtete der Bundes- minister des Auswärtigen den Bundestag, auf dieser Tagung stünden voraussichtlich Fragen der Verifikation der Konven- tion im Vordergrund. Er erklärte: „Die Bundesregierung wird sich bei der Überprüfungskonferenz vor allem für die Stärkung der Verifikationsregelung einsetzen“.265 In der DDR sah man das ganz anders. Im Frühjahr 1986 war ich gebeten worden, auf einer gemeinsamen Sitzung der Klassen für Biologie und für Medizin der Akademie der Wissenschaften über die völkerrechtliche Kontrolle der Bio- waffen und über die Aufgaben der bevorstehenden Überprüfungskonferenz zu sprechen. Auf der Veranstaltung sollte eine entsprechende Erklärung der Akademiemitglieder angenommen werden. In deren Entwurf hatte ich unter anderem formuliert, die Biotechnologien hätten „seit dem Inkrafttreten der B-Waffen-Konvention neuartige Möglich- keiten zur Entwicklung und Optimierung von biologischen und Toxin-Waffen sowie zu deren Anwendung geschaffen“. Deshalb sollte die Konferenz dazu aufgerufen werden, „sich darüber zu verständigen, dass in vereinbarten Erklärungen und Zusatzprotokollen durch die wissenschaftliche Entwick- lung notwendig gewordene Ergänzungen der B-Waffen- Konvention vorgenommen werden. Insbesondere sollten [...] Vorkehrungen zur Verhinderung eines Missbrauchs der Erlaubnis für friedliche Forschungen getroffen und Maß- nahmen zur Kontrolle der Einhaltung der Konvention beschlossen werden“. Die Akademie-Mitglieder waren aber zu unmündig, um sol- che Forderungen erheben zu dürfen: Der Resolutionsentwurf wurde von der Akademieleitung an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) weitergeleitet. Dort wurde das Verlangen von Kontrollmaßnahmen rundweg abgelehnt und durch die völlig unverbindliche Forderung ersetzt, „die B-Waffen-Konvention zu stärken und Vorkeh- rungen zur Verhinderung eines militärischen Missbrauchs der

306 neuen biowissenschaftlich-technischen Entwicklungen zu treffen“. Die revidierte Erklärung wurde dann zwar an- genommen, aber nicht ohne leisen Widerspruch: Der Pharmakologe und Genosse Professor Friedrich Jung monier- te in der Diskussion: „Wieso sollen wir eine Entschließung verabschieden, die keine konkreten Vorschläge enthält“? Dabei durften ein paar meiner Kollegen und ich solche Empfehlungen zur gleichen Zeit sogar schwarz auf weiß machen — allerdings nicht im Inland, sondern in einem SIPRI-Buch, das einige Tage vor der Überprüfungskonferenz bei Oxford University Press erschien. In dessen Schluss- kapitel wiesen die Autoren — unterstützt von einigen weiteren Kollegen* — darauf hin, dass die Konvention in verschie- dener Hinsicht verletzlich sei, weil sie keine Verifikations- bestimmungen enthalte.266 Deshalb sollte zumindest erwogen werden, ob einige Verifikationsmaßnahmen vereinbart werden können. Weiter heißt es: „Am besten könnte man die Schwachstellen durch Absichtserklärungen (statements of understanding) oder, wenn möglich, durch Zusatzprotokolle beseitigen. [...] Derartige Verfahren, Erklärungen und Protokolle sollten während der zweiten Überprüfungskon- ferenz diskutiert und, im Idealfall, vereinbart werden. [...] Die Überprüfungskonferenz könnte eine Arbeitsgruppe einsetzen, die innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes einen Vorschlag für Verifikationsmaßnahmen ausarbeitet.“ So ist dann tat- sächlich verfahren worden — allerdings erst zehn Jahre später. Und tragischerweise scheiterte das dann schließlich auch... Im Juni 1986 hatte ich während einer Konferenz zur chemi- schen und biologischen Rüstungskontrolle sogar Gelegenheit,

* unter ihnen nicht nur eine Reihe „westlicher“ Experten einschließlich Nobelpreisträger David Baltimore, sondern auch mein früherer Chef Friedrich Jung und mein Kollege Helmut Böhme aus der DDR sowie die beiden slovakischen Virologen Dionýz Blaškovič und Ladislav Borecký, also immerhin vier führende Wissenschaftler aus dem „sozialistischen Lager“. Lediglich ein weiterer DDR-Experte, ein führender Völkerrechtler, zog seine ursprünglich gegebene Zusage zur Unterstützung unserer Vorschläge dann wieder zurück.

307 diese Vorschläge mit dem zuständigen sowjetischen Vertreter beim Genfer Sitz der Vereinten Nationen, Botschafter Victor L. Israeljan, zu besprechen. In meinem Tagebuch notierte ich damals: „Ich sprach mit ihm über das Problem der Stärkung der Konvention (speziell angesichts der immer noch zu spürenden Reserviertheit unserer MfAA-Leute hinsichtlich entsprechender Maßnahmen). Er sagte, wir sind nicht kon- servativ, wenn die wiss. Entw. es erfordert, sind wir für entsprechende Reaktionen. Er wollte die Fahnen des SIPRI- Buches haben und gab mir dazu seine Privatadresse in Genf“. Die Ostberliner waren da viel sturer. In meinen Stasi-Akten befindet sich ein Schreiben* vom 10. Juni 1986, in dem es heißt, „dass es zwischen Prof. Geißler und dem MfAA unter- schiedliche Auffassungen gibt: MfAA ist aus praktisch- politischen Gründen der Meinung, dass konsequent eine Änderung der Konvention vermieden werden muss, da sonst auch der Gegner ‚Änderungen’, die uns nicht genehm sind, durchsetzen kann. Prof. Geißler ist der Auffassung, dass Änderungen zweckmäßig seien. Man wird Prof. Geißler zusammen mit ** ins MfAA bitten, um vor der Konferenz noch eine Diskussion dazu zu führen. Prof. Geißler erklärte mir [...], dass man ‚Letter of Underständig’ [sic!] oder ähnliches anstreben solle, die keine Änderung der Konvention bewirken.“ Wenige Tage später, am 17. Juli, wurde ich tatsächlich ins Außenministerium gebeten, wo der Leiter der Abteilung UNO unsere Forderungen nach einem Zusatzprotokoll strikt zurückwies. Eine Neuauflage von Verhandlungen solle auf alle Fälle verhindert werden. Während der ersten Tage der 1986er Überprüfungskonferenz bezichtigten die Vertreter westlicher Staaten die Sowjets zunächst unisono mit dem Hinweis auf die Milzbrandepi-

* Name von Absender und Empfänger dieses Briefes wurden von der Gauck-Birthler- Behörde geschwärzt. ** Geschwärzt von der Gauck-Behörde.

308 demie von Swerdlowsk des Vertragsbruches und forderten deshalb Kontrollen der Vertragseinhaltung. Auch der Bot- schafter der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Paul Joachim von Stülpnagel, erklärte am 9. September, der Hauptmangel der Konvention sei „das Fehlen von Verifikationsmaß- nahmen“.267 Von Stülpnagel ging — wie alle anderen Konferenz- teilnehmer auch, einschließlich der Vertreter des Ostblocks — davon aus, dass sich die Sowjets wie üblich von solchen Forderungen nicht beeindrucken lassen würden. Aber dann überraschte Botschafter Israeljan in der Plenarsitzung vom 15. September die Konferenzteilnehmer mit dem Vorschlag, ein Zusatzprotokoll zur Konvention vorzubereiten. Im Hinblick auf die zuvor von anderern Delegationen erhobe- nen Forderungen mache „die Sowjetunion den formellen Vorschlag, ein Zusatzprotokoll zur Konvention [...] auszuar- beiten und anzunehmen, das Maßnahmen zur Stärkung des Systems zur Kontrolle der Einhaltung der Konvention ent- halten sollte.“268 Mit diesem — mit den „Bruderländern“ zuvor nicht abgesprochenen — Entschluss hatten die Sowjets eine totale Kehrtwende vollzogen. Die bisherigen Argumente, auch die Gründe für meine Meinungsverschiedenheit mit dem Außenministerium der DDR, galten plötzlich nichts mehr: Die große Sowjetunion war plötzlich sozusagen auf SIPRI-Linie umgeschwenkt. Alle westlichen Delegationen waren verstört. Nun hatten ihnen die Sowjets den Wind aus den Segeln genommen. Auf eine solche Situation waren sie nicht vorbereitet und hatten nicht die entsprechenden Direktiven im Diplomatengepäck: Wieder hatten die Geheimdienste versagt. Anstatt nun die sowjetischen Vertreter beim Wort zu nehmen und dabei auch abzuklopfen, wie ernst dieser Vorschlag überhaupt gemeint sei (sehr ernst kann er, wie mir heute scheint, nicht gemeint gewesen sein, denn zu dieser Zeit lief das sowjetische Biowaffenprogramm gerade auf Hochtouren), war anstelle von Verifikation auf westlicher Seite nur noch

309 von unverbindlichen vertrauensbildenden Maßnahmen die Rede. Für die Vereinbarung von Verifikationsmaßnahmen, so hieß es auf einmal, hätten die Konferenzteilnehmer ja gar kein Mandat... Das aber stimmte nicht, denn sechs Jahre zuvor war auf der ersten Überprüfungskonferenz beschlossen worden, dass die Frage der Verifikation „zu gegebener Zeit weiterbehandelt werden sollte“. Das hatte dann noch ein bezeichnendes parlamentarisches Nachspiel: In einer „Kleinen Anfrage“ wollten Angelika Beer und Alfred Mechtersheimer im Namen der „Grünen“ am 24. Februar 1987 von der Bundesregierung unter anderem wissen, warum sie die von der Sowjetunion und anderen Ländern gemachten Vorschläge nicht unterstützt habe, unverzüglich die Arbeit an einem Zusatzprotokoll über verbesserte Veri- fikationsmechanismen aufzunehmen. Das Auswärtige Amt brauchte mehr als sechs Monate, um auf diese Frage zu ant- worten. Erst am 6. Oktober behauptete der Minister, die Bundesregierung habe für solche Vereinbarungen kein Mandat gehabt.269 Auch das stimmte nicht, denn die bundesrepubli- kanische Delegation hatte ja nicht nur das entsprechende Mandat des Bundestages vom November 1981 sondern auch die von ihm unmittelbar vor der Konferenz angekündigte Weisung, sich „vor allem für die Stärkung der Verifikations- regelung“ einzusetzen.

310 „Vertrauensbildende Maßnahmen“ erwecken Misstrauen

ie zweite Überprüfungskonferenz zur Biowaffen- Dkonvention war trotz der verpassten Gelegenheit zur wrksamen Stärkung des Abkommens kein Fehlschlag, denn die Teilnehmer einigten sich wenigstens auf eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen. Jährlich wollten sie sich gegenseitig über bestimmte Aktivitäten und Einrichtungen informieren, die direkt oder indirekt in Beziehung zur Konvention stehen, nämlich über Hochsicherheitslaborato- rien, über ungewöhnliche Krankheitsausbrüche, über ein- schlägige Veröffentlichungen sowie über entsprechende wissenschaftliche Kontakte.270 Die Modalitäten dieses Informationsaustausches sollten im Frühjahr 1987 auf einem Expertentreffen vereinbart werden. In der DDR wurde zu dessen Vorbereitung eine kleine Arbeitsgruppe gebildet. Da Vakzineaktivitäten — insbesondere solche, in denen das Militär involviert ist und/oder die sich mit „dual-threat“-Agenzien beschäftigen — die Achillesferse der biologischen Rüstungskontrolle sind, empfahl die Gruppe, „dass die Vertragspartner als vertrauensbildende Maßnahme auch über Vakzine-Entwicklungen und Vakzininierungs- programme (einschließlich der Streitkräfte) informieren“.271 Gleichzeitig wurden entsprechende Verifikationsmaßnahmen vorgeschlagen: „Überprüfung von Vakzinierungsprogram- men: Entnahme von Blutproben unter internationaler Kontrolle (ohne Anmeldung, nach Auswahl durch eine inter- nationale Ärztegruppe) z.B. von Militärangehörigen und/ oder jungen Erwachsenen und Prüfung der Seren in verein- barten Laboratorien auf das Vorkommen von Antikörpern gegen die Erreger bzw. Toxine, die vereinbarungsgemäß [...] als potentielle BW- und TW-Agenzien eingeschätzt werden“. Das war übrigens nicht besonders originell: bereits im zweiten Weltkrieg hatten angloamerikanische Geheimdienste bei Kriegsgefangenen Blutproben entnommen und immuno-

311 logisch analysiert. Dadurch sollte herausgefunden werden, ob die feindlichen Soldaten etwa prophylaktisch gegen biologische Kampfmittel geimpft und so möglicherweise auf entspre- chende offensive Aktionen vorbereitet waren.272 Die Empfehlungen wurden anschließend vom Außenmini- sterium dem Ministerium für Nationale Verteidigung zur Prüfung und Bestätigung vorgelegt und dort im wesentlichen als Arbeitsgrundlage für das Wirken der DDR-Delegation beim Expertentreffen in Genf gebilligt — allerdings mit der Auflage, die Impfstoffe betreffenden Vorschläge ersatzlos zu streichen. Zum Glück brachten Irland und Österreich einen ganz ähnlichen Vorschlag ein: Automatisch sollte über „die Entwicklung von Vakzinen, anderen vorbeugenden Substanzen oder anderer Formen des Schutzes gegen Mikroorganismen, die als bakteriologische (biologische) Kampfmittel geeignet sind sowie für entsprechend geeignete Toxine“ berichtet wer- den.273 Von den USA wurde das sofort brüsk zurückgewiesen (sodass sich die Sowjetunion und ihre Verbündeten dann mit ihrer ebenfalls ablehnenden Haltung vornehm zurückhalten konnten). Auch bei späterer Gelegenheit und bis heute ist in dieser Hinsicht leider nichts in Bewegung gekommen. Beispiels- weise 1991 von Finnland, Frankreich sowie Ungarn gemachte entsprechende Vorschläge fanden keine Berücksichtigung. Auch Kanada schlug zwar zunächst vor, es sollten Informa- tionen über die Impfstoffproduktion gegeben werden, möglicherweise auch über Impfstoffe gegen potenzielle Kampfmittel, aber drei Tage später revidierten die Kanadier ihren Vorschlag und hatten den Hinweis auf die Kampfmittel wieder gestrichen.274 Aus eigenem Antrieb? Lediglich eine zusätzliche Berichterstattung über die Produktion staatlich lizenzierter Humanvakzinen wurde auf der Dritten Überprüfungskonferenz 1991 beschlossen, aber das ist ein Witz: solche Informationen bekommt man in jeder Apotheke, da können auch die Geheimdienste nichts falsch machen...

312 Davon abgesehen erwiesen sich die vereinbarten Berichte alles andere als vertrauensbildend.275 Sie waren eher dazu geeignet, noch mehr Misstrauen zu säen. Da die Maßnahmen nicht rechtlich verbindlich, sondern nur politisch bindend waren, konnte keine Vollständigkeit in der Berichterstattung erreicht werden. Nur zwei Handvoll Staaten gab in jedem Jahr ihre Berichte ab — andere beteiligten sich überhaupt nicht. Und die Länder, die an der Berichterstattung teilnah- men, reichten zum Teil unvollständige, zum Teil sogar falsche Rapporte ein. Von einigen Staaten wurde viel zu viel gemel- det, aber viel zu wenig wirklich relevantes. Besonders krass war dies im Fall der Sowjetunion. Die meldete zwar einen Großteil der an ihrem Biowaffenprogramm beteiligten Einrichtungen, deklarierte die meisten von ihnen aber als zivile, dem Gesundheitsschutz dienende Institute oder — wie „Anlage Nr. 19“ in Swerdlowsk — als Einrichtung, in denen angeblich nicht mit „dual-threat“- Agenzien gearbeitet wurde. Die Anlage in Stepnogorsk wurde jedoch bis zur Flucht ihres Direktors verschwiegen. Vorschläge zur Schaffung einer kleinen Behörde, die die Berichte auswertet und überprüft, wurden abgelehnt. Vielmehr wurden die in sechs verschiedenen Sprachen abge- gebenen Meldungen in der Abrüstungsabteilung der UNO in New York einfach kopiert und an die Partnerstaaten verteilt, denen es dann oblag, die Texte zu übersetzen und zu analy- sieren — eine für die Mehrzahl der Staaten schier unlösbare und wegen der mangelnden Verlässlichkeit der Rapports ohnehin überflüssige Aufgabe. Auf die Schaffung eines von Anfang an geforderte kleinen Sekretariats zur Bearbeitung der Berichte und wenigstens zur quantitativen Kontrolle der Berichterstattung konnten sich die Partnerstaaten der Konvention bis heute nicht einigen. Erst im April 2002 haben wenigstens die Außenminister der Europäischen Union als eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus vereinbart, künftig gemeinsam die vertrauensbildenden Berichte zu übersetzen und auszuwer-

313 ten (und übrigens auch für eine Rücknahme aller Vorbehalte gegenüber dem Genfer Protokoll einzutreten).276 Trotzdem kann die Konvention durch solche Berichte nicht gestärkt und die biologische Rüstungsspirale nicht wirklich aufgehalten werden.

314 „Das Protokoll ist tot, tot, tot“

eil die vertrauensbildenden Maßnahmen offen- Wkundig nicht geeignet waren, die Biowaffen- konvention zu stärken, wurde 1995 schließlich von den Vertragspartnern vereinbart, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die bis spätestens 2001 ein rechtsverbindliches Zusatz- protokoll entwerfen sollte. In 24 mehrwöchigen Verhand- lungsrunden gelang es dieser Gruppe bis zum Sommer 2001 einen weitgehend unterschriftsreifen, mehr als 200 Seiten langen Protokollentwurf auszuhandeln. Der vereinbarte Entwurf sah ein System von Berichterstattungen über mit „dual-threat“-Agenzien betriebene Aktivitäten sowie über entsprechende Technologien und Einrichtungen vor. Vorge- sehen waren auch routinemäßige Besichtungen deklarierter Einrichtungen sowie Verdachtskontrollen. Dadurch hätten Verletzungen der Konvention zwar nicht völlig verhindert, aber doch beträchtlich erschwert und riskanter gemacht werden können. Naturgemäß war der Protokollentwurf das Ergebnis zahlreicher Kompromisse, die die einzelnen Verhandlungs- delegationen eingehen mussten. Dabei zeigten sich einige Staaten in der Unterstützung dieser Arbeiten und bei der Zustimmung zu eher tiefschürfenderen Kontrollmaßnahmen deutlich zurückhaltender als andere. Solche Zurückhaltung demonstrierten vor allem China und Russland, speziell aber die USA. Und denen kommt nun letztlich auch das traurige Verdienst zu, den ganzen Prozess torpediert zu haben — genau 15 Jahre nachdem die ersten Vorschläge zur Ausarbei- tung eines Zusatzprotokolls gemacht worden waren und in einer Zeit, da weltweit Angst vor Bioterrorismus herrscht und die USA sogar offen damit drohen, gegen einen mutmaßlichen Besitzer von Biowaffen in den Krieg ziehen zu wollen. Nachdem der Protokollentwurf zu Beginn der 24. Verhand- lungsrunde der Arbeitsgruppe von allen zu Wort kommenden

315 Delegationen begrüßt und gelobt worden war, lehnte die US- Delegation am dritten Konferenztag, am 25. Juli 2001, das Dokument rundweg ab und erklärte alle weiteren Bemühun- gen in dieser Hinsicht als nutzlos.277 Nach sorgfältiger Prüfung seien sie zu dem Schluss gekommen, der vorgeschlagene Vertrag sei nicht geeignet, mehr Vertrauen in die Einhaltung der Biowaffenkonvention zu setzen.

FADENSCHEINIGE GRÜNDE, DEN ENTWURF EINES ZUSATZPROTOKOLLS ABZULEHNEN278 ANGEGEBENER GRUND KOMMENTAR

Das Protokoll bietet Stimmt nicht. Das Protokoll keine neuartigen verpflichtet Staaten zur Kontrollmöglichkeiten Offenlegung und ermöglicht Vor-Ort-Kontrollen. Das war bisher nicht vorgesehen.

Das Protokoll gefährdet Stimmt nicht. Das Protokoll das Recht auf intellek- enthält schärfere Maßnahmen tuelles Eigentum zum Schutz intellektuellen Eigentums als die von den USA ratifizierte Chemiewaffen- Konvention.

Das Protokoll gefährdet Nichts im Protokoll verpflich- des B-Schutzprogramm der tet zur Preisgabe sensibler, USA die nationale Sicherheit gefährdender Informationen.

Das Protokoll gefährdet Das Gegenteil ist der Fall: den Vollzug der exis- Das Protokoll verpflichtet die tierenden DTA- Vertragspartner zur Überprü- Exportkontrollverfahren fung und ggf. Verschärfung der entsprechenden Gesetze.

316 Die für diese Entscheidung angeführten Gründe sind in den Augen von Graham Pearson, dem früheren Generaldirektor des britischen Instituts für chemischen und biologischen Schutz in Porton Down und der überwiegenden Mehrzahl anderer Experten teils fadenscheinig, teils einfach falsch. Bemerkenswert ist insbesondere der Hinweis auf die angeb- liche Gefährdung des Rechts auf intellektuelles Eigentum. Inzwischen wurde bekannt, dass die „Biotechnology Industry Organisation“, die etwa 1400 Biotechnologie-Firmen vertritt, und die „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ mehrfach und schließlich erfolgreich die Admini- stration gedrängt hatten, bei der Bewertung des Protollent- wurfes ihre intellektuellen und technologischen Eigentums- interessen zu berücksichtigen. Dagegen hat die US-Regierung im Gegensatz zu ihren NATO-Partnern ganz offenbar nicht im Sinne des Protokolls auf die Industrie eingewirkt und deren Bedenken ausgeräumt.279 Richtig ist allerdings, dass geheime, erst im September 2001 bekannt gewordene amerikanischen Biowaffen-„Schutz“ aktivitäten entsprechend den Auflagen des Zusatzprotokolls hätten offiziell deklariert werden müssen.

Biobombenbau — nur zum Schutz? Zu „rein defensiven Zwecken“ sind erklärtermaßen in den letzten fünf Jahren in den USA geheime Biowaffenexperi- mente durchgeführt worden, wie die „New York Times“ im September 2001 enthüllte und die Sprecherin des Pentagon anschließend bestätigen musste.280 Diese Versuche schlossen Arbeiten zur gentechnischen Veränderung von Milzbrand- Erregern, zur Konstruktion einer Bombe zur Verbreitung von biologischen Kampfmitteln und sogar den Bau einer Biowaffen-Produktionsanlage in der Wüste von Nevada ein.

Unter anderem sollte in einem von der Defense Intelligence Agency, einer Abteilung des Pentagon betriebenen Projekt geprüft werden, ob der Impfstoff gegen Milzbrand, der seit

317 einiger Zeit den Soldaten der US-Armee verabreicht wird, auch gegen solche genetisch manipulierte biologische Super- waffen wirksam ist, wie sie zuvor schon von russischen Wissenschaftlern entwickelt worden waren. Seit 1997 hatten sich die USA — bis Ende 2002 vergeblich — darum bemüht, die geschärften Anthrax-Bakterien direkt von den Russen zu erhalten.281 Und mit dem Nachbau der ebenfalls zuvor in der Sowjetunion bzw. in Russland konstruierten Biobombe wollte die CIA entsprechende Abwehrmöglichkeiten vorbe- reiten, da befürchtet würde, das russische Original könne auf dem offenen Markt vertrieben werden. Überdies stelle die Biobombe ein besonderes Abwehrproblem dar, da sie weder über einen Zünder noch über andere Teile verfüge, die ihre Ortung mit herkömmlichen Verfahren ermöglicht hätte. Und der unter Kontrolle der Threat Reduction Agency des Pentagon betriebene Bau einer kompletten Biowaffenfabrik schließlich sei mit frei verkäuflichen, keinerlei Embargobe- stimmungen unterliegenden Materialien erfolgt und demon- striere, wie leicht eine terroristische Gruppe oder ein Staat eine Anlage bauen könne, in der tödliche Kampfmittel kilo- weise hergestellt werden können. Und dies, wohlgemerkt, alles nur im Rahmen des in internationalen Verträgen durch- aus erlaubten B-Schutzes. Wenn aber trotzdem diese bereits 1997 in Angriff genomme- nen Aktivitäten offenbar so geheim gehalten wurden, dass angeblich nicht einmal Präsident Clinton darüber informiert wurde, dann kann dies nicht gerade als „vertrauensbildende Maßnahme“ eingeschätzt werden. Tatsächlich ist über diese Projekte von den USA im Rahmen der entsprechenden Berichterstattung nicht informiert worden. Wie würden aber die USA reagieren, wenn sie auch nur Hinweise darauf erhielten, derlei Aktivitäten liefen in einem anderen Land, geschweige denn in einem „Schurkenstaat“? Andererseits stimmt höchst bedenklich, dass Vertreter der US-Regierung nach bekannt werden dieser Arbeiten erklärt

318 haben sollen, die Notwendigkeit zur Geheimhaltung solcher Projekte sei ein wesentlicher Grund für Präsident Bushs Ablehnung des Protokollentwurfes gewesen.

Vorerst keine Aussicht auf Stärkung der Konvention Angesichts der Ablehnung des Vertragsentwurfes war es fast keine Überraschung mehr, dass dann auch die fünfte Überprüfungskonferenz, die Ende des Jahres 2001 in Genf stattfand, praktisch mit einem Desaster endete: Am letzten Konferenztag, zwei Stunden vor Schluss, forderte die US- Delegation, der zur Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls ein- gesetzten Arbeitsgruppe solle das Mandat entzogen werden — während alle anderen Delegationen gehofft hatten, die Experten könnten ihre Arbeit fortsetzen und doch noch einen Vertragstext ausarbeiten, dem auch die USA zustim- men könnten. Nein, erklärte der nordamerikanische Delega- tionsleiter Presseberichten zufolge, „das Protokoll ist tot, tot, tot“.282 Die Folge war, dass — erstmalig in der 25jährigen Geschichte der Biowaffenkonvention — eine Überprüfungs- konferenz ohne die Vereinbarung eines im Konsens beschlos- senen Abschlußprotokolls enden würde. Um ein totales Desaster zu vermeiden griff der Präsident der Konferenz in die diplomatische Trickkiste und verkündete eine zwölf- monatige Unterbrechung der Veranstaltung — in der Hoffnung, bis zum 11. November 2002 könne man sich doch noch mit den Amerikanern einigen. Diese Hoffnung erwies sich leider als trügerisch. Intensive bi- und multilaterale Konsultationen bewirkten ebenso wenig wie sehr engagierte Bemühungen einiger Nicht-Regierungs- organisationen.283 Im Gegenteil: Die USA beharrten in mehre- ren offiziellen Erklärungen nicht nur auf ihren Standpunkt, sondern nahmen sogar eine noch restriktivere Haltung ein: Im September gaben sie bekannt, ihrer Meinung nach solle die Fortsetzung der Überprüfungskonferenz nicht, wie geplant, zwei Wochen, sondern nur ein paar Minuten dau- ern.284 Dabei sollte nur beschlossen werden, erst wieder im

319 Jahre 2006 eine Überprüfungskonferenz abzuhalten. In der Zwischenzeit sollten nicht einmal die ursprünglich ins Auge gefassten Expertentreffen veranstaltet werden. Der vom stellvertretenden UNO-Generalsekretär als „zehn-Minuten- Drehtür-Übung“285 charakterisierte amerikanische Vorschlag fand jedoch von keiner Seite Unterstützung. Um die Konferenz aber nicht scheitern zu lassen, stimmten die Teilnehmer nach viertägigen,nicht im Plenum, sonden nur in den regionalen Gruppen geführten, Verhandlungen einem Kompromissvorschlag des Vorsitzenden zu. Zwar will man sich auch in den kommenden Jahren regelmäßig treffen, aber nur, um über Inspektionen bei mutmaßlichen Biowaffenein- sätzen, einschlägige nationale Gesetzgebungen, Kooperation bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten sowie auch über einen Verhaltenskodex für Wissenschaftler und Wissen- schaftlerinnen zu sprechen.286 Aber die Frage der Kontrolle bleibt weiterhin und mindestens bis zum Jahr 2006 ausgeklammert. Einschränkend heißt es dazu im Schlußdokument überdies, dass Beschlüsse dieser jährlich abzuhaltenden Treffen im Konsens zu fassen seien. Die sehr gut fundierten Empfeh- lungen zweier britischer Experten, wonach es die Regularien der Überprüfungskonferenzen durchaus erlauben, nicht starr am Konsensprinzip festzuhalten, sondern über zur Stärkung der Konvention notwendige Schritte abzustimmen287 blieben also unberücksichtigt. Damit ist die zukünftige Verfahrens- weise weiter erschwert worden, denn nun ist schwarz auf weiß festgelegt, dass schon ein einzelner Staat, um wen es sich auch handeln möge, jedwede Vereinbarung verhindern kann. Dieses Ergebnis ist alles andere als ermutigend. Nun besteht nicht nur die Gefahr, dass Misstrauen weiter um sich greift und dass militärische Alleingänge erst die wirklichen Kata- strophen auslösen. Aus diesem Grund bleibt unverständlich, wieso der deutsche Außenminister aus dem Ergebnis der Konferenz schließen konnte, damit vergrößerten „sich die Möglichkeiten, Bedrohungen durch biologische Waffen, sei es

320 durch einzelne Staaten, sei es durch Terroristen, einzudäm- men“.288 „Tief enttäuscht“ zeigten sich dagegen die Mitglieder der „Gruppe der Nicht-alliierten und Anderen Staaten“ in ihrer vom Vertreter Südafrikas vorgetragenen Stellungnahme über Ausgang und Ergebnis der Konferenz.289 Der einzige Anfang November 2002 in Genf vermittelte Hoffnungsschimmer war die Ankündigung einer neuen glo- balen Initiative, zu der sich zunächst acht Nicht-Regie- rungsorganisationen zusammengeschlossen haben und die von mehr als zehn weiteren Organisationen unterstützt wird. Das „Bioweapons Prevention Project“ will auf dem Gebiet der Biowaffen für mehr Offenheit und Transparenz sorgen, vor allem über seine Webseite290 und auch durch regelmäßige Publikation eines „BioWeapons Monitor“. Inwieweit das angesichts der Haltung der derzeitigen US-Administration erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten.

321 Keine biologische Sicherheit ohne völlige Transparenz

s gibt Autoren, die meinen, nie sei das Versagen der EGeheimdienste so offenkundig gewesen wie bei den Anschlägen auf World Trade Center und Pentagon.291 Manche inzwischen bekannt gewordenen Fakten lassen darauf schließen, dass US-Ermittler von den geplanten Terror- anschlägen vom 11. September 2001 wussten, die bereits in ihr Visier geratenen Verdächtigen aber gewähren ließen. „Es mehren sich die Hinweise, dass CIA und FBI den Angriff auf Amerika hätten verhindern können“.292 Vielleicht ist das übertrieben. Was aber wirklich hätte verhindert werden können, wären die Anthrax-Briefanschläge vom gleichen Herbst — nicht weil solche Aktionen bereits zwei Jahre zuvor für denkbar gehal- ten worden waren. Da war es schon zu spät um den Bioterro- risten noch in den Arm zu fallen. Nein: Bau und Versand der Anthrax-Briefbomben und die dadurch verursachten Todes- opfer hätten vermieden werden können, wenn die Geheim- dienste aller Länder besser gearbeitet und die von ihnen bedienten Politiker und Militärs nicht dazu animiert hätten, sich nach dem Ersten Weltkrieg de facto grundlos mit biolo- gischen Kampfmitteln zu bewaffnen und so eine biologische Rüstungsspirale anzustoßen und in Gang zu halten, deren vorläufig letztes, weltweit alarmierendes „spin-off“ die Milzbrandbriefe sind. Die Belege für diese These sind auf den vorstehenden Seiten dargestellt worden. Fairerweise muss man zugeben, dass die weltweite biolo- gische Aufrüstung im Zwanzigsten Jahrhundert nicht nur dem Versagen der Geheimdienste angelastet werden kann. Wenn Deutschland und Japan 1933 nicht den Völkerbund verlassen hätten, wäre möglicherweise bereits zu einer Zeit, als nur in zwei Ländern — Frankreich und der Sowjetunion — noch recht begrenzte Biowaffenaktivitäten liefen ein Rüstungsbegrenzungsabkommen zustande gekommen, das

322 diesem Spuk ein Ende gesetzt hätte. Abgesehen davon war das sehr intensive und für viele tödlich endende japanische Biowaffenprogramm weniger auf Geheimdienstinformatio- nen zurückzuführen, aber immerhin auf eine Fehlinterpre- tation des militärischen Wertes dieser Kampfmittel. Aber wenigstens löste das japanische Programm in anderen Ländern bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges keine Nachahmereffekte aus. Danach hatte es durch seinen Einfluss auf die Biowaffenaktivitäten der kalten Kriegs- gegner USA und UdSSR ziemlich verheerende Folgen. Zum Glück hatte das Versagen der Geheimdienste gelegent- lich auch positive Folgen, beispielsweise die, dass es während des Zweiten Weltkrieges in Europa nicht zum Einsatz von biologischen und Toxin-Waffen kam: Hitlers Verbot offensi- ver Biokriegsvorbereitungen und Stalins Eliminierung seiner Biowaffenexperten verhinderten Produktion, Munitionierung und Einsatz dieser Massenvernichtungsmittel durch die beiden Schurkenstaaten. Andererseits hätte das Versagen der Geheimdienste und die biologische Aufrüstung noch verheerendere Folgen haben können als die fünf Todesopfer der Milzbrandbriefe. Man braucht sich aber nur auszumalen, was geschehen wäre, wenn während des Zweiten Weltkrieges in England eine Maul-und- Klauenseuche-Epidemie vom Umfang des Seuchengesche- hens des Jahres 2001 ausgebrochen wäre: Falschmeldungen der Geheimdienste zufolge hatten die Deutschen schon vor Kriegsausbruch mit eben diesem Erreger sogar Feldversuche durchgeführt: Wäre das dann nicht ein Anlass gewesen, das Gegenmittel, die Milzbrandkekse gegen Deutschland einzu- setzen? Und hätte Hitler dann vielleicht seine Zurückhaltung aufgegeben und mit den neuartigen, den Gegnern noch unbe- kannten chemischen Kampfstoffen geantwortet, gegen die es noch keine Gegenmittel gab? Oder gar auch biologisch auf- rüsten und angreifen zu lassen? Oder hätte der deutsche Schurke vielleicht Massenvernich- tungswaffen zumindest gegen die Sowjetunion eingesetzt,

323 wenn ein Vorgänger von Ken Alibek bereits vor sechzig Jahren behauptet hätte, die Rote Armee setze die Erreger von Q-Fieber und Tularämie gegen die Wehrmacht ein? Glücklicherweise kam es nicht so weit. Trotzdem drehte sich die biologische Rüstungsspirale nach 1945 nicht nur unver- mindert, sondern sogar mit weitaus höherer Geschwindigkeit weiter, diesmal allerdings vor allem stimuliert durch das um- fangreiche japanische Programm, von dem mindestens die Amerikaner, vermutlich aber auch die Sowjets profitierten. Aber das wurde ja schließlich auch in erster Linie von den Nachrichtendiensten ausgewertet... Auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs führte das zum Aufbau von biologischen und Toxinwaffen-Rüstungskapazitäten und Arsenalen, die zum mehrfachen „Superkill“ ausgereicht hätten. Zwar wurde vor einem Vierteljahrhundert mit der Verein- barung der Biowaffenkonvention ernsthaft versucht, die Spirale zum Stillstand zu bringen. aber da war es wohl schon zu spät und auch nicht effektiv genug. Und heute sieht es auf diesem Gebiet fast noch schlimmer aus. Inzwischen beunru- higen uns die Geheimdienste mit Behauptungen, es gäbe 10 bis 15 Staaten, die solche „Atomwaffen des armen Mannes“ besitzen beziehungsweise zumindest danach streben, allen voran der Irak. Selbst die seriöse „Arms Control Association“ reihte sich im Herbst 2002 in den Kreis derer ein, die eine ganze Reihe von Staaten derart beschuldigen: Ägypten, China, Indien, Irak, Iran, Israel, Kuba, Libyen, Nordkorea, Pakistan, Russland, Sudan, Syrien, Taiwan — und sogar die USA. Letztere wurden in die Liste mit aufgenommen, weil sie zur Zeit „im Rahmen ihres B-Schutz-Programms Forschungs- arbeiten durch[führten], die nach Ansicht mancher die BWC verletzen“.293 Gerade dieses Zitat zeigt die Fragwürdigkeit solcher Aufzäh- lungen, denn im Prinzip ist jeder Staat mit einer halbwegs entwickelten biotechnologischen und pharmazeutischen Instituts- und Industrielandschaft auch in der Lage, Bio- und Toxinwaffen nicht nur herzustellen, sondern auch zu verbreiten.

324 Natürlich ist die Gefahr einer biologischen Aufrüstung von schurkischen Staaten und Gruppen derzeit viel größer als vor 25 Jahren. Verantwortlich dafür sind einerseits die Ein- führung der molekularen Biotechnologien und andererseits das Ende des Kalten Krieges: Ehemalige sowjetische Biowaffen-Experten verdienen heute in der Regel nicht mehr als 100 Dollar im Monat.294 Könnte man es ihnen verdenken, wenn sie Lockrufen mit Petrodollars folgen und beispiels- weise ihr Wissen und ihre Fähigkeiten Schurkenstaaten zur Verfügung stellen? Oder wenn sie aus ideologischen Gründen einen Verzweiflungskampf gegen die Sieger des Kalten Krieges führen wollen? Allerdings liegen zumindest nach Ansicht der Bundesregierung keine „gesicherten Er- kenntnisse über Abwanderungen von mit biologischer Forschung befassten Wissenschaftlern aus dem Bereich der ehemaligen Sowjetunion in Drittländer, die B-Waffen- Programme aufbauen bzw. unterhalten“ vor.295 Haben die Dienste diesmal richtig informiert, oder ist das schon wieder eine Fehleinschätzung? Und was ist aus den sowjetischen Vorräten an Bio- und Toxinkampfmitteln geworden? Verlässliche Informationen darüber gibt es bis heute auch nicht. Dem Vorsitzenden der Russischen Staatlichen Epidemiologie-Aufsicht zufolge wür- den tödliche Keime ebenso scharf bewacht wie Nuklearan- lagen.296 Ist wenigstens dieser Vorsitzende richtig informiert?

Das Unvermögen der Dienste und seine Ursachen Warum die Dienste wenigstens auf diesem Gebiet so sträflich versagt haben ist für Außenstehende natürlich kaum heraus- zufinden. Ein Hauptproblem war und ist sicher, dass es sich bei allen biologischen und Toxinkampfstoffen um dual- threat-Agenzien handelt, die mit dual-use-Methoden und -geräten unter Anwendung von dual-use-Kenntnissen bear- beitet werden, sowohl im zivilen Gesundheitswesen als auch Militärbereich, und dort sowohl im Rahmen der erlaubten Schutzforschung als auch mit möglicherweise offensiven

325 Intentionen. Wie soll einer, der nicht als Bakteriologe, Mikrobengenetiker oder Virologe ausgebildet wurde, beur- teilen, was in dem einen oder anderen Labor tatsächlich pas- siert und mit welcher Zielstellung? Zweitens könnten gelegentlich gezielte Desinformationen durch die Ausgespähten eine Rolle gespielt haben. Die Angloamerikaner begründeten so am Ende des Zweiten Weltkrieges ihre profunde Fehleinschätzung der deutschen Biowaffenkapazitäten; angeblich seien „falsche Berichte über deutsche Pläne der bakteriologischen Kriegsführung [...] als Mittel der psychologischen Kiegsführung verbreitet wor- den“.297 Aber das war eine Schutzbehauptung: Mit Ausnahme der Täuschungsaktion der CIA gegenüber der Sowjetunion in den sechziger Jahren ist kein weiterer Fall bekannt geworden, wo die gegnerische Seite bezüglich Biowaffenaktivitäten bewusst in die Irre geführt wurde. Vor welchen Problemen man drittens bei der Bewertung der von „Whistleblowern“ gemachten Informationen steht, beschreibt Tim Trevan bezüglich der von Saddams Schwieger- sohn gemachten Angaben über das irakische Massen- vernichtungswaffen-Programm: In solchen Fällen müsse man sich immer fragen: „Sagte er die Wahrheit? Oder war er ein agent provocateur, der Saddam Husseins Spiel spielt, um uns in die Irre zu führen? Oder war er lediglich ein Flüchtling, der unsere Unterstützung sucht, indem er uns das erzählte, was wir hören wollen? Oder war er ein engagierter Politiker, der uns zynisch benutzt, um seine eigene Sache zu betreiben? Es gab keine Möglichkeit, das herauszufinden.“298 Zwar berich- tete ein Waffeninspektor später, es habe mindestens zehn Fälle gegeben, wo irakische „Whistleblower“ sehr genaue. höchst wertvolle Informationen geliefert hätten, aber ein Kollege von ihm gab dagegen an, 95% solcher Angaben seien wertlos gewesen.299 Wie recht Trevan mit seinen Überlegungen hatte zeigt sich bei der Überprüfung der von Ken Alibek gemachten Anga- ben über Geschehnisse, die sich vor seiner Zeit abspielten.

326 Aber selbst Informationen über sowjetische Biowaffen- aktivitäten, die er aus eigenem Augenschein kennen müsste, sind offenbar auch nicht in jedem Fall korrekt. So soll die CIA aufgrund seiner Angaben 150.000 Dollar zur Beschaf- fung einer Maschine zum Abfüllen von Anthrax-Sporen aus Stepnogorsk zur Verfügung gestellt haben. Das hochbrisante Gerät konnte dann überraschenderweise völlig problemlos und auch viel billiger beschafft werden. Es diente nämlich nur der Füllung und dem Verschluss von Milchflaschen.300 Sehr viel genauer wissen wir dagegen heute, was von den von Klotz und anderen antifaschistischen Emigranten nach Hitlers Machtergreifung gelieferten Informationen zu halten ist, wie auch bei den offensichtlich darauf bauenden „Enthül- lungen“ Steeds über angebliche Aktivitäten von Reichswehr und Wehrmacht. Hier war das eigentlich ehrenwerte Motiv für die Irreführung der Behörden der Versuch, die Weltöffentlichkeit vor Hitler zu warnen. Hingegen basieren die von Petras verbreiteten Behaup- tungen über die westdeutsche Nachkriegs-Biowaffenfor- schung wohl vornehmlich auf seinem persönlichen Frust wegen des Verlustes seiner Forschungsförderung. Woher sol- len die Empfänger solcher Informationen aber wissen, wie die Angaben ihrer Informanten einzuschätzen und wie die Dementis der Beschuldigten zu bewerten sind? Segals Motive für die mit krimineller Energie betriebene Kampagne, die US-Militär-Genetiker für die Entstehung des AIDS- Erregers verantwortlich zu machen, bleiben völlig im Dunklen. Er hatte zwar schon zuvor immer mal wieder abstruse Hypothesen vertreten, etwa hinsichtlich der Struktur von Eiweiß- und Nukleinsäuremolekülen, der Mechanismen des Erkennens von Farben und der Vererbung erworbener Eigenschaften, aber im Falle von AIDS ging es um ein Thema ganz anderer politischer, medizinischer und wissenschaftlicher Dimensionen, und in Expertenkreisen stieß Segal fast durchweg auf entschiedenen Widerspruch. Es fällt schwer, diese Aktion lediglich auf die sprühende Fantasie

327 eines älteren, zutiefst anti-imperialistisch eingestellten Herren zurückzuführen. Damit soll jedoch nicht behauptet werden, dass man generell wissenschaftlichen Einzelgängern, Emigranten, Überläufern und Whistleblowern nicht trauen dürfe. Nur, leider: im Bio- waffenbereich gibt es kaum bekanntgewordene Fälle, wo entsprechende Informationen tatsächlich rundum korrekt und entsprechend wirklich hilfreich waren. Inwieweit die Behaup- tungen Scott Ritters über die irakische Abrüstungsanstren- gungen korrekt sind, die heftigst bestritten wurden, hat sich vielleicht schon bei Erscheinen dieses Buches herausgestellt. Jedenfalls muss in diesem Zusammenhang auch eingeräumt werden, dass gelegentlich exakte Informationen über Biowaf- fenaktivitäten gesammelt, aber von den zuständigen Behör- den nicht ernst genug genommen wurden. Zwei besonders krasse Fälle für die Nichtbeachtung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse sind die anfängliche Unterbewertung der Infor- mationen über irakische Biowaffenaktivitäten vor Beginn des Golfkrieges sowie die zögerliche, schließlich ablehnende Haltung der Wehrmacht hinsichtlich der Waffenfähigkeit von Bacillus anthracis nach Entdeckung eines einschlägigen fran- zösischen Dokuments. Im letzteren Fall spielte aber auch die Ignoranz von Experten eine große Rolle. Woraus wiederum das Problem erwächst, wie Politiker, Militärs und andere Entscheidungsträger unterschiedliche Meinungen von Ex- perten und anderen Informanten bewerten sollen: Woher sollten beispielsweise die DDR-Oberen wissen, wer Recht hatte: der im „Kampf gegen den Faschismus gestählte“ Genosse Segal oder der etwas jüngere, nicht minder antifa- schistisch eingestellte Genosse Rosenthal? Und dass selbst ganze Gruppen hervorragender Wissenschaftler — zumin- dest vorübergehend — irren können beweist die Meinung führender Molekularbiologen hinsichtlich der Bedeutung der Gentechnik für Entwicklung und Einsatz biologischer Kampfmittel.

328 Der begrenzte Wert von Biokampfstoffen Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Informationen: der militärische Wert biologischer und Toxinkampfmittel ist offenbar so gering, dass sie vom Militär bisher nur einmal ein- gesetzt wurden, von Japan im Zweiten Weltkrieg. Ihr Einsatz durch den deutschen Nachrichtendienst im Ersten Weltkrieg diente ja nur der Biosabotage und war wenig erfolgreich. Das aber könnte sich inzwischen geändert haben. Mit den neuar- tigen Verbreitungsmöglichkeiten, insbesondere durch Aero- sole, stellen solche Mittel heute gefährliche strategische Waffen dar, vor allem auch gegen Kulturpflanzen und Nutzviehbestände.301 Und geeignet sind sie für Attentate und Terrorakte, aber auch dafür wurden sie bisher nur sehr selten verwendet. Außerdem sind Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Einsatz solcher Waffen durch Genfer Protokoll und Biowaffenkonvention völkerrechtlich verboten. Diese Verträge sind aber nicht frei von Schwachstellen. Und sie sind nicht weltweit akzeptiert, insbesondere nicht von wichtigen Staaten der Krisenregion Nahost. Außerdem genügt es nicht, formal Partnerstaat der Biowaffenkonvention zu sein; viel- mehr müssen ihre Bestimmungen in entsprechende nationale Gesetze transformiert werden. In diesem Rahmen haben auch Exportkontrollen sicher eine gewisse Bedeutung — vor allem wenn man daran denkt, dass der Irak eine ganze Reihe seiner Bio- und Toxinwaffen aus Starterkulturen entwickelt hat, die ursprünglich aus den USA und zum Teil wohl auch aus Frankreich offen und legal bezo- gen wurden. Andererseits sind strenge Exportkontrollen eigentlich kaum mit der Biowaffenkonvention vereinbar, denn die verpflichtet in Artikel X die Partnerstaaten, „den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur Verwendung bakteriologischer (biologischer) Agenzien und von Toxinen für friedliche Zwecke zu erleichtern“. Außerdem sind sicher noch so strenge Exportkontrollen

329 nicht dazu geeignet, Biowaffenprogramme vollständig zu ver- hindern: Krankheitskeime können auch von natürlichen Krankheitsausbrüchen beschafft werden und dass selbst komplette und funktionsfähige Biowaffenfabriken mit frei erhältlichen Ausrüstungsgegenständen aufgebaut werden können, wurde unlängst in den USA bewiesen. Statt dessen wäre deshalb darüber nachzudenken, entspre- chende Transfers durch ein umfassendes, allgemeinverbindli- ches Überwachungssystem zu kontrollieren, mit dem verfolgt wird, welche Materialien — Pathogene, Toxine wie auch Geräte — für welchen Zweck wohin beziehungsweise woher geliefert werden. Eine ganz andere Frage ist die Kontrolle des Informations- flusses. Ist es überhaupt möglich, den Transfer von Knowhow zu überwachen oder gar zu reglementieren? In diesem Zusammenhang wird in wissenschaftlichen Kreisen vor allem seit der Veröffentlichung der Versuche mit dem gentechnisch konstruierten Killer-Mausvirus wieder intensiv und völlig kontrovers diskutiert, ob man „sensible Befunde“ besser nicht veröffentlichen sollte.302 Sicher wäre es verhängnisvoll, wenn man Terroristen in Fachzeitschriften Anleitungen zum Bau von Biobomben gibt. Aber was sind die Kriterien für Forschungsergebnisse, die unter Verschluss zu halten sind? Und: wäre es nicht viel schlimmer, man verschweigt ein potenziell sehr gefährliches Ergebnis und ein Whistleblower verrät das Ganze in bester Absicht und richtet dadurch noch viel mehr Schaden an?

Die Rolle von Verboten Darüber hinaus wird seit einigen Jahren angestrebt, ein inter- nationales Gesetzeswerk auf den Weg zu bringen, um indivi- duelle Verletzungen der Norm gegen biologische und Toxin- Kriegsführung zu kriminalisieren. Ein von Matthew Meselson und Julian Perry Robinson angeregter Entwurf303 entspricht solchen internationalen Verträgen, die Flugzeug- entführung, den Diebstahl von Kernmaterial, Geiselnahme

330 und ähnliche Verbrechen unter Strafe stellen. Er verbietet jedem, unabhängig von seiner Stellung, sich an der Entwicklung, Herstellung, Beschaffung oder Anwendung bio- logischer oder chemischer Kampfmittel zu beteiligen. Daneben wurde eine Konvention für biologische Sicherheit („Biosecurity Convention“) vorgeschlagen, die u.a. die Abgabe von dual-threat-Agenzien durch Stammsammlungen regulieren soll.304 Außerdem wurde ein Entwurf für einen Vertrag über die Verhinderung und das Verbot des Bioterrorismus ausgearbeitet.305 Trotz ihrer Schwächen haben sich solche Verbote gelegent- lich durchaus als wirksam erwiesen. Die 1902 vom deutschen Generalstab verabschiedeten Regeln zum „Kriegsbrauch im Landkrieg“ verhinderten zunächst den antipersonellen Einsatz von Bakterien. Und bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges versicherten sich die wichtigsten kriegführenden Parteien — allerdings auch Japan — gegenseitig, die Bestim- mungen des Genfer Protokolls einhalten zu wollen. Und taten das auch, mit Ausnahme von Japan. Andererseits kön- nen Verbote umgangen und verletzt werden. Besonders ekla- tant erfolgte das bezüglich der Biowaffenkonvention durch die Sowjetunion. Vermutlich gibt es auch „Schurkenstaaten“, die tatsächlich gegen die Auflagen der Konvention verstoßen. Selbst nationale Gesetze, und internationale Kriminalisie- rung bieten also keinen vollständigen Schutz vor biologischen und Toxinkampfmitteln. Kontrolle der Einhaltung der Gesetze tut deshalb not. Das ist aber überaus schwer zu prak- tizieren. Selbst mit noch so tiefschürfenden Methoden kön- nen geheime Verletzer der BWC wegen der mehrfach erwähnten dual-threat- und dual-use-Problematik nicht über- führt werden. Aus diesen Gründen ist die Stärkung der Biowaffenkonvention durch ein Zusatzprotokoll unverzicht- bar. Selbst wenn ein solches Protokoll, wie die USA jüngst ihre Ablehnung begründet haben, nicht wirklich wirksam vor Biowaffen schützen kann: Auf alle Fälle würde es abschre- ckend wirken.

331 Auch Transparenz ist unverzichtbar Es gibt aber zwei Maßnahmenbündel, mit denen die Bedrohung durch dual-threat-Agenzien drastisch minimiert und die biologische Rüstungsspirale endgültig gestoppt werden könnte: Absolute Transparenz und gemeinsamer weltweiter Aufbau eines biologischen Schutzwalls. Völlige Offenheit ist vor allem deshalb notwendig, weil auch aus B-Schutz-Aktivitäten offensives Know-how und offensi- ve Potenziale erwachsen, was zwangsläufig dazu führt, dass solche Aktivitäten von anderen oft mit großem Misstrauen beobachtet werden. Deshalb haben acht Nicht-Regierungs- organisationen Ende 2002 Verhaltensnormen für B-Schutz- Aktivitäten vorgeschlagen.306 Das gleiche Thema soll auch im Jahre 2005 auf der Tagesordnung einer der von der 5. Über- prüfungskonferenz vereinbarten Interimstagungen stehen. Ganz andere Ansätze zur Schaffung von Transparenz auf dem Gebiete des B-Schutzes waren Anfang der 1990er Jahre mit dem „Vaccines-for-Peace“-Projekt (VfP) gemacht worden.307 Im Kern ging es darum, alle Impfstoffe gegen dual-threat- Agenzien unter völliger Transparenz zu entwickeln, herzu- stellen und einzusetzen, und zwar in unterschiedlichen Weltregionen von international zusammengesetzten Teams. Diese Transparenz würde es ermöglichen, dass selbst Staaten des nahöstlichen Pulverfasses nicht länger Grund hätten, einen Beitritt zur Konvention zu verweigern. Wenn Ägypter, Israelis, Palästinenser und Syrer gemeinsam in einem solchen Programm mitarbeiten, wären sie sicher, sich wenigstens nicht mehr biologisch gegenseitig bedrohen zu können. Der Vorschlag von VfP wurde intensiv und kontrovers disku- tiert.308 Bei Entwicklungsländern stieß er auf nahezu ungeteil- te Zustimmung. Vertreter von NATO-Staaten kritisierten dagegen vor allem die Forderung, auch alle militärischen Vakzine-Aktivitäten müssten einbezogen und völlig transpa- rent gemacht werden. Beispielsweise sei zu berücksichtigen, dass es für militärische und zivile Aufgaben in der Regel unterschiedliche Haushalte gäbe, also auch für zivile und

332 militärische Vakzine-Aktivitäten. Aber die Situation hat sich geändert. Angesichts der bioterroristischen Bedrohung, der in erster Linie die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist, die aber mit militärischen Instrumenten, mit Bio- und Toxinwaffen erfolgt, ist das Beharren auf getrennten Haushaltsposten für solche Präventivmaßnahmen total antiquiert und muss über- wunden werden.

Das nationale Recht auf Selbstverteidigung Einige lehnten VfP mit dem Hinweis auf das nationale Recht auf Selbstverteidigung ab. Dabei wird aber außer Acht gelas- sen, dass dieses Recht vor mehr als einem halben Jahrhundert verbrieft wurde, als von biologischen Agenzien und Toxinen weder eine militärische noch eine terroristische Bedrohung aus ging. Spätestens seit dem 11. September 2001 ist aber überdeutlich, dass der Terrorismus eine weltweite Dimension angenommen hat. Außerdem machen Krankheitserreger nicht vor Staatsgrenzen Halt. Globale Aktionen sind daher notwendig. Maßnahmen innerhalb der bestehenden politi- schen und/oder regionalen Bündnissen reichen dafür keines- wegs aus. Abgesehen davon schreien die zahlreichen, vor allem ökono- mischen Probleme bei der Entwicklung neuer Impfstoffe geradezu nach enger internationaler Zusammenarbeit. Aber die Impfprogramme der WHO konzentrieren sich nur auf die zehn wichtigsten Infektionskrankheiten, während die bioter- roristische Bedrohung zumindest zum Teil auf Erregern und Toxinen basiert, die nur regional, speziell in den ärmeren Weltgegenden verbreitet sind. Internationale Programme mit aus zusätzlichen, nämlich Verteidigungs-Haushalten gespeis- ten Mitteln könnten die Aktivitäten der WHO sehr wirksam ergänzen. Das könnte auch durch die von der WHO gemein- sam mit einigen Nichtregierungsorganisationen vorgeschla- gene „Allianz gegen Infektionskrankheiten“ (AllAID) erfol- gen.309 Das Scheitern des Zusatzprotokoll-Entwurfs bedeute- te leider das — vorläufige — Ende von AllAID.

333 Transparenz und Abschreckung Ein weiteres kritisches Argument gegen VfP war, dass derar- tige völlig uneingeschränkte internationale Gemeinschafts- arbeiten an dual-threat-Agenzien zur Weiterverbreitung solcher Kampfmittel beitragen. Gegner bekämen dadurch Zugang zu sensiblen Informationen und Techniken und würden noch dazu über die Achilles-Fersen der anderen informiert. Das könnte es potenziellen Aggressoren ermög- lichen, bei geplanten biologischen Attacken die Schutz- barrieren des Gegners zu umgehen.

Dieses Argument ist nur auf den ersten Blick überzeugend. Tatsächlich könnte die Kenntnis über ein globales biologi- sches Abwehrsystem einen potenziellen Anwender vielmehr vor dem Einsatz solcher Kampfmittel abschrecken. Der wüsste dann, dass er nicht ein einzelnes, mehr oder weniger verwundbares Land angreifen würde, sondern eine weltweite zum wechselseitigen Beistand verpflichtete Allianz. Sein einziger Ausweg wäre, auf solche Mittel auszuweichen, die noch nicht auf der Agenda der Schutzvorkehrungen stünden. Das würde ihn aber vor erhebliche wissenschaftlich-techni- sche Probleme stellen. Die Geschichte lehrt, dass bei der Auswahl von Bio- und Toxinwaffen ein bemerkenswerter Konservatismus an den Tag gelegt wurde: Spätestens seit 1763 kommen immer wieder die gleichen Agenzien in die engere Wahl: Pockenviren, Anthrax-Bazillen, Botulinum-Toxin und die anderen Mittel des „dreckigen Dutzend“.

Natürlich schützt selbst vollständige Transparenz nicht vor möglichen Verletzungen der Norm gegen den Einsatz von biologischen oder Toxin-Kampfmitteln. Vielleicht kann dies tatsächlich durch Geheimdienste auskundschaftet und/oder Whistleblower enthüllt werden. Die auf diese Weise gewon- nen Informationen bedürfen aber, das haben die vergangenen neunzig Jahre eindrucksvoll bewiesen, einer Überprüfung. Es kann nicht länger akzeptiert werden, dass solche Angaben

334 allein als Begründung für militärische Aktionen herhalten, ohne dass zuvor zumindest dem Sicherheitsrat entsprechende Beweise vorgelegt worden sind. Deshalb ist es unerlässlich, ein entsprechendes Kontroll- regime mindestens von der Art des vorerst ad acta gelegten Zusatzprotokolls einzuführen. Präventivschläge gegen angeb- liche Bio- und Toxinwaffeneinrichtungen bedürfen nicht nur der völkerrechtlichen Sanktionierung, sondern auch der Vorlage eindeutigen Beweismaterials.

Unverzichtbar ist auch ein gemeinsamer biologischer Schutzwall Weil trotzdem nicht ausgeschlossen werden kann, dass Terroristen oder Schurkenstaaten Biowaffen nicht nur völlig unentdeckt entwickeln, sondern auch einsetzen, und weil dual-threat-Agenzien auch eine anhaltende natürliche Bedrohung darstellen, sind zusätzlich Vorkehrungen zum Schutz gegen solche Mittel zu treffen. Auch hier müssen wie- der zivile und militärische Interessen gebündelt sowie mit dem Schutz vor natürlich verursachten Infektions- krankheiten und Intoxinationen verbunden werden. Eine wesentliche Voraussetzung ist dabei wieder, zumindest in diesem Bereich die Mauer zwischen zivilen und militärischen Haushalten aufzuheben. Auch das muss wieder internationaler Basis erfolgen, nicht nur weil biologische Agenzien nicht vor Ländergrenzen Halt machen und um potenzielle Anwender biologischer und Toxin-Kampfmittel durch den gemeinsamen Schutzwall abzuschrecken, sondern auch um Kosten zu sparen. Nach Angaben des Kommandeurs des amerikanischen Biowaffen- instituts USAMRIID kostet gegenwärtig die marktreife Entwicklung eines einzigen Impfstoffs etwa 600 Millionen Dollar.310 Auf internationaler Ebene könnten wir uns des großen Vorteils bedienen, dass ein gemeinsamer biologischer Schutzwall auch vor solchen Pathogenen zu schützen vermag,

335 die speziell in den unterentwickelten und Schwellenländern eine ständige natürliche Bedrohung darstellen, aber vor allem aus ökonomischen Gründen nicht wirksam bekämpft werden können. Dabei könnten wir uns sowohl auf die in einzelnen Staaten, insbesondere in den USA, gemachten Erfahrungen stützen wie uns auch der Unterstützung durch internationale Organisationen versichern, beispielsweise durch die Weltgesundheitsorganisation.

Maßnahmen gegen Biokrieg und Bioterror in den USA (Auswahl)

1998: Bildung eines Komitees zur Einschätzung der Möglichkeiten, mit denen USA vor dem terroristischen Einsatz von Massenvernich- tungsmitteln geschützt werden können.311 1999: Schaffung dezentraler Lager (National Pharmaceutical Stockpile) von Antibiotika, Impfstoffen, Beatmungsgeräten usw, die innerhalb von zwölf Stunden in betroffene US- Regionen geliefert werden können.312 Juni 2002: Verabschiedung des „Public Health Security and Bioter- rorism Response Act“ der USA.313 Juli 2002: Verabschiedung der „National Strategy for Homeland Security“ der USA.314 August 2002: Maßnahmen des Nationalen Instituts für Allergie und Infektionskrankheiten zur Verbesserung des B-Schutzes (u.a. Schaffung von zehn regionalen „Centers of Excellence“, von denen sechs mit Hochsicherheitslaboratorien ausgerüstet werden).315 Dezember 2002: Einrichtung eines Zentrums für Katastrophen- schutz durch die Amerikanische Medizinische Gesellschaft.316 Dezember 2002: Vorschlag, der Präsident möge ein mit weitreichen- den Vollmachten ausgestattetes nationales Zentrum zur Bekämpfung des Terrorismus (National Counter Terrorism Center) gründen.317 Januar 2003: Veröffentlichung von Entwürfen verschärfter Sicherheitsregeln für die Arbeit mit dual-threat-Agenzien, die Anfang des Jahres in Kraft treten sollen.

336 Aber all das reicht nicht aus, auch die Schwellen- und Entwicklungsländer müssen in diese abgestimmten Maßnahmen einbezogen werden, und alles muss in völliger Transparenz erfolgen.

Multinationale Maßnahmen gegen Biokrieg und Bioterror (Auswahl)

1993: Einrichtung von ProMedMail, eines inzwischen stark ausge- bauten Systems zur globalen epidemiologischen Überwachung.318 Dezember 2001: Gründung der „Bio-response Working Group“ der Europäischen Kommission.319 Mai 2002: Bereitschaftserklärung der Weltgesundheitsversammlung, Expertise sowie personelle und technische Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.320 Mai 2002: Vorlage des „Globalen Pathogen-Überwachungsgesetzes“ zur Bereitstellung 150 Mio $ zur Kontrolle von Infektionskrank- heiten in Entwicklungsländern 2003/04.321 Juni 2002: Vereinbarung einer „Globalen Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln“ durch die G8- Staaten.322 Juni 2002: Vereinbarung von Initiativen zur Verteidigungsfähigkeit gegen Massenvernichtungsmittel durch die Verteidigungsminister der NATO.323 September 2002: Appell des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes zur Verhinderung des Missbrauchs der molekularen Biotechnologie.324 November 2002: Schaffung eines Systems zur globalen Registrierung und Analyse von Krankheitssymptomen im Internet („Rapid Syndrome Validation Project“).325 Dezember 2002: Gründung des „Global Emergency Response Fund“ durch WHO und Nuclear Threat Initiative.326

337 Natürlich können solche Vorschläge nur dann realisiert werden, wenn viele über ihren eigenen Schatten springen, unilateralistische Vorstellungen über Bord werfen, vielleicht auch Dividendenkürzungen hinnehmen: Welche Rolle kann angesichts der unermesslichen Gefahren, die von einem Einsatz von Bio- und Toxinwaffen drohen, das Recht auf privates intellektuelles und technologisches Eigentum spie- len, das bisher von Teilen der Industrie so nachdrücklich eingeklagt wurde. Noch immer wird von den meisten Experten — im Gegensatz zur bioterroristischen Bedrohung — die Gefahr des militäri- schen Einsatzes von Bio- und Toxinwaffen als gering einge- schätzt: Ist es da nicht an der Zeit, dass die Staaten beweisen, dass der Abschluß der Biowaffenkonvention nicht nur eine beruhigende abrüstungspolitische Geste war, sondern wirk- lich den ehrlichen Willen bekundete, wenigstens diese Klasse von Massenvernichtungsmitteln endgültig aus den Arsenalen zu verbannen? Es wäre zutiefst ermutigend und zugleich ein überaus wirksa- mer Schritt zur Stärkung der internationalen Allianz gegen den Terrorismus, wenn Präsident George W. Bush es seinem Vorgänger Richard Nixon gleichtun und die entscheidenden Schritte zur Bildung einer Allianz gegen biologische Bedrohungen unternehmen würde, anstatt auf der Grundlage fragwürdiger Geheimdienstberichte und Emigrantenstories folgenschwere Präventivschläge gegen mutmaßliche Bio- waffenprogramme zu erwägen.

338 Danksagung

Ohne die ständige Unterstützung durch meine liebe Frau hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Sie hielt mir während der Arbeit am Manuskript den Rücken frei und las den gesamten Text aufmerksam und kritisch.Auch meinen Kindern Cornelia, Torsten und Hans-Ulrich bin ich sehr dankbar. Sie sahen Teile des Textes durch und halfen mir durch vielfältige Hinweise. Sehr zu Dank verpflichtet bin ich außerdem den Mitarbeitern der verschiedenen, in der Einführung erwähnten Archive und vor allem auch den Damen der Zentralbibliothek des Max- Delbrück-Centrums für molekulare Medizin, die mir sehr bei der Erfüllung – mitunter exotischer – Literaturwünsche halfen. Zahlreiche weitere Publikationen machten mir Jean- Pascal Zanders zugänglich, der Leiter des CBW-Projektes des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts SIPRI, sowie Julian Perry Robinson von der Science Policy Research Unit, University of Sussex, Brighton, UK. Professor Detlev Ganten und den anderen leitenden Mitarbeitern des Max-Delbrück-Centrums bin ich sehr dank- bar dafür, dass ich auch im Unruhestand am Institut arbeiten und seine technischen Möglichkeiten nutzen kann. Schließlich danke ich auch Kai Homilius sehr dafür, dass er den Mut hatte, den spröden Text in sein Verlagsprogramm aufzunehmen.

339

Glossar, Abkürzungen und Akronyme

ADW Akademie der Wissenschaften

Aerosol Kolloides System, bei dem feste Stoffe oder Flüssigkeiten der Teilchen- größe 0,1 bis 20 µm in Luft oder einem anderen gasförmigen Dispersionsmittel fein verteilt sind. Seit den 1920er Jahren ist bekannt, dass zahlreiche Pathogene und Toxine als Aerosol verbreitet werden können („Tröpfcheninfektion“). Heute wird die Verbreitung durch Aerosole als wirksamste Methode zur Ausbringung der meisten Bio- und Toxinwaffen angesehen. Damit solche Kampfmittel, die als Aerosol verbreitet werden sollen, nicht zu schnell sedimentieren, sondern sich genügend lange in der Luft halten, um eingeatmet werden zu können, und damit sie nicht in der Nase und den oberen Atemwegen zurückgehalten werden, sondern schließlich die Lungenalveolen erreichen, muss sich ihre Größe zwi- schen 1 und 5 µm bewegen.

AIDS ➝ Erworbenes Immundefizienz-Syndrom

AllAID Allianz gegen Infektionskrankheiten

Anthrax ➝ Milzbrand (Anthrax)

Arenaviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

ATCC American Type Culture Collection

Bacillus anthracis ➝ Milzbrand (Anthrax)

BAK Bundesarchiv Koblenz

BAMA Bundesarchiv Militärarchiv, Freiburg i. Brg.

341 Biologische Kriegsführung militärischer Einsatz von Bio- oder Toxin-Waffen.

Biologische Waffen (Biologische Kampfmittel, Biowaffen): Krankheitserreger – Bakterien, Viren und Pilze – sowie Schädlinge, die als Kampf-, Terror- oder Sabo- tagemittel eingesetzt werden, um bei Mensch, Tier oder Pflanze Krankheit oder Tod zu verursachen.

Bioterror, Bioterrorismus Einsatz biologischer oder Toxin-Waffen in terroristischen Anschlägen einschließlich von Attentaten.

Biowaffen ➝ Biologische Waffen

Biowaffenaktivitäten in diesem Buch: alle Aktivitäten, die der Vorbereitung des Einsatzes von Bio- oder Toxin-Waffen oder entsprechenden Schutzmaßnahmen (➝ B-Schutz) dienen.

Biowaffen-Konvention ➝ B-Waffen-Konvention

BMVG Bundesministerium der Verteidigung

BMWF Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung

Botulinum-Toxine (Botuline) von dem Bakterium Clostridium botulinum gebildete, höchst wirksa- me Nervengifte, die als giftigste bekannte Substanz gelten. Immunolo- gisch können sieben verschiedene Typen (Botulin A – G) unterschieden werden, die aber alle identisch wirken. Ein einzelnes Gramm könnte mehr als eine Million Menschen töten (wofür allerdings die praktischen Voraussetzungen fehlen). Das Toxin ist ein Enzym, das solche Proteine spaltet, die den Neurotransmitter Azetylcholin freisetzen. Das führt unter anderem zum Versagen der Atemmuskulatur. Unter natürlichen Bedingungen verursacht Botulin Lebensmittel- botulismus. Dies ist die klassische Lebensmittelvergiftung, verursacht durch vergiftete Konserven. Botulismus kann durch Schutzimpfung mit einem Antitoxin (Toxoid) verhindert werden, das aus entgiftetem Botulin hergestellt wird. Das Antitoxin kann auch zur Therapie einge-

342 setzt werden, sofern dies unmittelbar nach der Intoxination erfolgt. Botulin ist nicht nur ein dual-threat-. sondern auch ein dual-use-Agens: Wegen seiner neurotoxischen Wirkung kann dieses Toxin erfolgreich zur Behebung spastischer Muskelstörungen eingesetzt werden. Botulin wurde bereits in den 1930er Jahren von Japanern als Kampf- mittel entwickelt und getestet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Botulin mindestens im Irak, in der Sowjetunion und in den USA als Kampfmittel produziert und munitioniert, wobei in erster Linie die Ver- breitung des Toxins durch Aerosole vorgesehen wurde. Auf diese Weise kann überaus wirksam Inhalationsbotulismus verursacht werden.

B-Schutz Schutz vor biologischen und Toxin-Kampfmitteln durch physikalisch- technische Maßnahmen, diagnostische Verfahren, medizinische Vorkeh- rungen und Dekontaminationsmaßnahmen. Dem physikalisch-technischen Schutz dienen vor allem Schutzmasken und -anzüge sowie luftdichte Verschlüsse von Räumen, Fahrzeugen und Schiffen. Diagnostische Verfahren dienen der Früherkennung eines bio- logischen Angriffs sowie der Diagnose der vom Gegner eingesetzten Kampfmittel. Eine Dekontamination angegriffener Objekte ist vor allem dann not- wendig, wenn ein Angriff mit Sporen bestimmter Krankheitserreger geführt wurde, beispielsweise mit Milzbrandsporen. Medizinische Vorkehrungen bestehen in Prophylaxe und Therapie. Zur Vorbeugung stehen Impfstoffe gegen einige biologische und Toxin- Kampfmittel zur Verfügung. Ihre Wirksamkeit ist allerdings begrenzt, nicht zuletzt deshalb, weil sie schon Wochen vor einer Attacke eingesetzt werden müssen, um einen Impfschutz zu gewährleisten. Zur Therapie dienen in erster Linie Antibiotika und Chemotherapeutika. Sie können erfolgreich gegen die Mehrzahl der bakteriologischen Kampf- mittel eingesetzt werden, gegen virologische dagegen nur sehr bedingt.

Bunyaviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Burkholderia mallei bakterielle Erreger von ➝ Rotz

B-Waffen-Konvention, B-Waffen-Übereinkommen (BTWC, BWC, BWÜ) ➝ Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Her- stellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) und von Toxin-Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen

343 BW-Agens ➝ Biologisches Kampfmittel

CDC Centers for Disease Control and Prevention, US-Gesundheitsbehörde in Atlanta, Georgia chemische Waffen (chemische Kampfstoffe, C-Waffen) chemische Substanzen einschließlich von ➝ Toxinen, die als Kampf-, Terror- oder Sabotagemittel eingesetzt werden, um bei Mensch, Tier oder Pflanze Krankheit oder Tod zu verursachen.

CIA Central Intelligence Agency

Clostridium perfringens bakterieller Erreger des ➝ Gasbrand

COSPAR Committe on Space Research

Coxiella burnetti bakterieller Erreger des ➝ Q-Fieber

C-Waffen-Konvention, C-Waffen-Übereinkommen (CWC, CWÜ) ➝ Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen.

Dengue-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

DTA ➝ dual-threat-Agens dual-threat-Agens (DTA) Alle biologischen und Toxin-Kampfmittel sind dual-threat-Agenzien, sie sind zwiefach bedrohlich – sowohl als natürliche Krankheitserreger und Schädlinge als auch als Waffen. dual-use-Aktivitäten, -Einrichtungen, –Kenntnisse Die Nutzung von Kenntnissen und Einrichtungen entweder für friedli- che Zwecke (zur Wissensvermehrung, zum Schutz vor Krankheiten oder Schädlingen oder auch vor Kampfmitteln) oder mit offensiv-mili- tärischer oder terroristischer Absicht.

344 Ebola-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

F Frankreich

FBI Federal Bureau of Investigation

FhG Fraunhofergesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V.

Filoviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Flaviviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Francisella tularensis bakterieller Erreger der ➝ Tularämie F. tularensis ist eines der am meisten infektiösen Bakterien. Nicht mehr als zehn Erreger genügen zur Auslösung der Krankheitssymptome.

Gasbrand (Gasödem) eine durch Clostridium perfingens und andere Bakterien verursachte Infektionskrankheit und Kriegsseuche: Im Ersten Weltkrieg war Gas- brand die schlimmste Wundinfektion; 0,6% der Verwundeten erkrank- ten und mehr als ein Drittel starben daran. Gasbrand entsteht, wenn die im Boden vorkommenden Sporen von C. perfringens und andere Erreger in tiefe Verletzungen geraten. Ein Impfstoff steht nicht nur Verfügung; die Krankheit kann aber mit Penizillin und anderen Antibiotika therapiert werden. Clostridium perfringens wurde vor bzw. während des Zweiten Weltkrieges in Frankreich und Japan als Kampfmittel untersucht. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden die Erreger auch im Biowaffenprogramm des Irak produziert und bearbeitet. Dabei wurden 340 Liter einer C. perfringens-haltigen Suspension hergestellt.

Gelbfieber-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Genfer Protokoll 1925 vereinbarter Vertrag über das Verbot der Verwendung von ersti- ckenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege. Dem Genfer Protokoll traten bis Ende 2002 133 Staaten bei.

345 HA Hauptabteilung

Hämorrhagische Fieber-Viren (HFV) Hämorrhagische Fieber-Viren rufen schwere Erkrankungen hervor, die vor allem durch eine stark erhöhte Permeabilität der Blutgefäße cha- rakterisiert sind, was zu Blutungen der inneren Organe sowie aus Nase, Mund, After und anderen Schleimhäuten führt. Eine spezifische Therapie ist nicht möglich; lizenzierte Impfstoffe stehen nur gegen Gelbfieber zur Verfügung, gegen einige andere HFV gibt es noch nicht zugelassene „experimentelle Vakzinen“. HFV sind sämtlich RNS-haltige Viren. Sie gehören aber verschiedenen Familien an, und zwar Arenaviren: Lassa-V., sowie Junin-V., Machupo u.a. Viren der Neuen Welt, Bunyaviren: Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber-V., Rifttal- Fieber-V., u.a., Flaviviren: Dengue-V., Gelbfieber-V., u.a. Filoviren: Ebola-V.,Marburg-V. Natürlicherweise steckt man sich durch Kontakt mit infizierten Tieren oder durch Insektenbisse an. Viele dieser HFV sind potenzielle Kampfmittel, die meisten – mit Ausnahme von Dengue-V. – können durch Aerosole verbreitet werden. Ebola-, Junin-, Lassa-, Machupo- und Marburg-Viren sollen in der Sowjetunion als Kampfmittel entwi- ckelt worden sein, Rifttal-Fieber- und Gelbfieber-V.durch die USA.

Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

HVA Für Auslandsspionage zuständige Hauptabteilung des DDR- Ministeriums für Staatssicherheit.

IAe Institut für Aerobiologie

Intoxination Vergiftung (Intoxikation) durch ein ➝ Toxin

JAMA Journal of the American Medical Association

Junin-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

346 KA in der DDR gängige Bezeichung für „kapitalistisches Ausland“

KGB Komitet Gsudarstvdnnoi Bezopasnosti, sowjetisches Komitee für Staatssicherheit

Kriegsseuchen (Infektions-)Krankheiten, die infolge von kriegsbedingten Störungen der Nahrungsmittelversorgung, der hygienischen Bedingungen, etc. sowohl unter den Streitkräften als auch unter der Zivilbevölkerung gehäuft auftreten und sich auch zu Epidemien entwickeln können. Zumindest bis zum Zweiten Golfkrieg von 1991 haben Kriegsseuchen stets mehr Verluste unter den bewaffneten Kräften verursacht als gegne- rische – oder auch eigene, fehlgeleitete – Waffen.

Lassa-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Machupo-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Marburg-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Maul- und Klauenseuche (MKS) eine von Viren verursachte meist akut verlaufende fieberhafte Infektionskrankheit der Klauentiere, in deren Verlauf sich an den Schleimhäuten des Verdauungstraktes, am Klauenspalt und –saum sowie an anderen unbehaarten Stellen der Haut charakteristische Blasen entwickeln. Die MKS ist die volkswirtschaftlich bedeutsamste akute Tierseuche. MKS-Viren sind in der Sowjetunion und während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland als Kampfmittel getestet worden.

MfAA Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR

MfS Ministerium für Staatssicherheit der DDR

Milzbrand (Anthrax) Durch das Bakterium Bacillus anthracis, bzw. seine Dauerform, die Anthrax-Sporen verursachte Infektionskrankheit von Rindern, Schafen und Ziegen und anderen Pflanzenfressern, die auf den Menschen über- tragbar ist. Wenn man mit infizierten Tieren oder deren Produkten in

347 äußerlichen Kontakt kommt, kann der relativ häufige Hautmilzbrand entstehen. Darmmilzbrand kann die Folge des Verzehrs von rohem oder nicht ausreichend gegartem infiziertem Fleisch sein. Lungenmilz- brand kann nach Einatmen von (mindestens einigen tausend) Anthrax- Sporen entstehen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist in der Regel ausgeschlossen. Die Inkubationszeit beträgt 1-5 Tage, die Mortalität von Lungenmilzbrand kann bis zu 90 Prozent betragen, sofern nicht rechtzeitig mit Ciprofloxacin oder anderen Antibiotika behandelt wird. Einige Impfstoffe stehen zur Verfügung, müssen jedoch mehrfach appliziert werden. Da Milzbrandsporen leicht verbreitet werden können, sehr wider- standsfähig und über viele Jahrzehnte haltbar sind, zählt Bacillus anthracis zu den am meisten gefürchteten biologischen Kampf- und Sabotagemitteln.

MKS ➝ Maul- und Klauenseuche

N während des Zweiten Weltkrieges angloamerikanische Codebezeich- nung für Anthrax

NACP US- Nationalarchiv, College Park, Md.

NKWD Narodny Kommissariat Wnutrennich Del, sowjetischer Staatssicher- heitsdienst.

NSW „Nicht-sozialistisches Währungsgebiet“, in der DDR eine gängige Bezeichung für „kapitalistisches Ausland“

OSS Office of Strategic Services, Vorläuferorganisation der ➝ CIA

Östliche Pferde-Enzephalitis (EEE) ➝ Venezolanische Pferde-Enzephalitis

PAAA Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin

PCR ➝ Polymerase-Ketten-Reaktion

348 Pest durch das Bakterium Yersinia pestis hervorgerufene, häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit verschiedener Verlaufsformen. Nor- malerweise am häufigsten ist die Beulenpest (Bubonenpest), die meist durch einen Flohstich verursacht wird und die durch schmerzhafte blaurote Schwellungen der nächsten Lymphknoten charakterisiert ist. In vielen Fällen, vor allem wenn nicht sofort eine Antibiotika-Therapie einsetzt, verbreiten sich die Pestbakterien anschließend über den ganzen Körper und lösen eine Bakteriämie aus, die auch zur Lungenpest füh- ren kann. Lungenpest wird auch verursacht durch Tropfeninfektionen sowie wenn Yersinia pestis als Aerosol in militärischen oder terroristi- schen Aktionen verbreitet wird. Zur Prophylaxe stehen Impfstoffe zur Verfügung, die aber wohl noch nicht ausreichend gegen Aerosolinfek- tionen schützen. Pest-Erreger wurden von Japan vor und während des Zweiten Welt- kriegs intensiv auf ihre Eignung als Kampfmittel untersucht, vor allem auch in Menschenexperimenten, und wurden mehrfach gegen China eingesetzt. Während des Kalten Krieges wurde sowohl in der Sowjet- union als auch in den USA an der Entwicklung von Y. pestis als auf dem Aerosolweg verbreitetes Kampfmittel gearbeitet.

Pocken eine von dem Virus Variola major hervorgerufene, höchst ansteckende, entstellende und schmerzhafte Infektionskrankheit, die üblicherweise durch Tröpfcheninfektionen übertragen wird. Nach dem Einatmen eini- ger weniger Viren bilden sich innerhalb weniger Tage aus einem Hautausschlag zahlreiche Bläschen, die dann in Pusteln, die Pocken, übergehen. Blutungen in den und um die Pusteln führen zu den „schwarzen Pocken“. Unter Fiebersteigerung erfolgt dann eine Ver- eiterung der Pusteln. Die Letalität betrug vor Einführung der Pocken- Schutzimpfungen 30% und mehr. Eine Therapie ist noch nicht möglich; ein unmittelbarer Einsatz des Impfstoffs nach Exposition mit den Erregern kann dem Auftreten der Symptome noch weitgehend vorbeu- gen, vor allem wenn noch eine Restimmunität besteht. Durch eine weltweite Impfaktion mit dem ➝ Vakziniavirus konnten die Pocken ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts weltweit ausgerottet werden. Deshalb, und weil die Impfung gelegentlich nicht ohne Nebenschäden verlief, wird seit Beginn der 1980er Jahre auf Empfehlung der WHO nicht mehr gegen Pocken geimpft. Seitdem steigt das Risiko, dass ein militärischer oder terroristischer Einsatz von Pockenviren gegen die zunehmend un- oder nicht ausrei- chend geschützte Bevölkerung katastrophale Bedeutung haben könnte.

349 In der Sowjetunion sollen in den 1980er Jahren Pockenviren als Kampfmittel entwickelt und produziert worden sein. Offiziell werden diese Erreger heute nur noch in zwei Einrichtungen gelagert; schwer nachprüfbaren Behauptungen zufolge soll es aber auch noch andern- orts Pockenviren geben.

Polymerase-Ketten-Reaktion Die PCR ist ein enzymatisches Verfahren, das es erlaubt, selbst gering- ste Mengen von Abschnitten des Erbmaterials zu vervielfachen und dabei in kürzester Zeit Millionen von Kopien davon herzustellen. Die können anschließend weiterverarbeitet und beispielsweise hinsichtlich ihrer Zusammensetzung analysiert werden.

PRO Public Record Office, britisches Staatsarchiv

Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege ➝ Genfer Protokoll

Pseudomonas mallei bakterieller Erreger von ➝ Rotz

Pugwash-Bewegung Wissenschaftler-Initiative, die eine Tagung zurückgeht, die der amerika- nische Industrielle Cyrus Eaton im Juli 1957 in dem kleinen Ort Pugwash in Nova Scotia, Kanada veranstaltet hatte. Vorwiegend Kernphysiker aus Ost und West sollten gemeinsam überlegen, wie das atomare Wettrüsten aufgehalten werden konnte. Die Konferenz verlief so ermutigend, dass weitere folgten und zu einer weltweiten Bewegung Anstoß gaben, die 1995 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Seit 1958 widmet sich die Pugwash-Bewegung zunehmend auch der chemischen und biologischen Rüstungskontrolle. 1964 bildete sie eine Studiengruppe für Biowaffen, die sich vor allem vornahm, ein Inspektionssystem auszuarbeiten, das als Muster für einen angestrebten Stopp der Erforschung und Produktion biologischer Kampfmittel die- nen sollte. Das geschah in enger Zusammenarbeit mit dem damals im Aufbau befindlichen Stockholmer Internationalen Friedensforschungs- institut SIPRI. Dieses wurde dadurch gleichzeitig veranlasst, Fragen der chemischen und biologischen Rüstungskontrolle zu einem der Schwer-

350 punkte seiner Arbeit zu machen. Ein Ergebnis davon war die Veröf- fentlichung von sechs Bänden über „The Problem of Chemical and Biological Warfare“ (1971-75), die auch heute noch als Standartwerk gelten (und inzwischen auch als CD-ROM erhältlich sind).

Q-Fieber (Balkangrippe) durch das zur Gruppe der Rickettsien gehörende Bakterium Coxiella burnetti verursachte grippeartige, fiebrige Erkrankung. Zur Auslösung dieser kaum tödlichen Erkrankung genügen einige wenige, vielleicht nur ein einzelner Erreger. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis drei Wochen. Natürlicherweise wird man durch Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Ausscheidungsprodukten angesteckt, insbesondere durch Einatmen von erregerhaltigem Staub, seltener durch den Genuss infizierter roher Milch. Gefährdete Berufsgruppen können durch Impfung geschützt werden. Eine Therapie mit Doxycyclin und anderen Antibiotika ist möglich. Coxiella burnetti bildet sporenähnliche infek- tiöse Dauerformen aus, die sehr widerstandsfähig sind. Deshalb, und wegen ihrer hohen Infektiosität gelten die Q-Fieber-Erreger als wirksa- me kampfunfähigmachende Kampfmittel. C.burnetti wurde mindes- tens in den Biowaffenprogrammen der Sowjetunion und der USA bear- beitet, speziell auch hinsichtlich seiner Verbreitbarkeit durch Aerosole.

RG Record Group

Rifttal-Fieber-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren

Rizin ein überaus starkes Gift, das relativ einfach in großen Mengen aus den Samen des Wunderbaums Ricinus communis bzw. aus Rizinusöl gewonnen werden kann. Es wirkt über eine Hemmung der intrazellulä- ren Eiweißsynthese. Bisher gibt es weder einen Impfstoff gegen Rizin, noch Möglichkeiten zur spezifischen Therapie. Wie Botulin ist Rizin ist nicht nur ein dual-threat-, sondern auch ein dual-use Agens: gekoppelt an entsprechende geeignete Antikörper wird es als Therapeutikum zur Behandlung bösartiger Geschwülste und bestimmter Autoimmunerkrankungen erprobt. Vor und während des Zweiten Weltkriegs wurde in Frankreich und USA die Eignung von Rizin als Toxin-Kampfmittel untersucht. Der Irak hatte Ende der 1980er Jahre mindestens zehn Liter Rizin produ- ziert und in Feldversuchen getestet, obwohl amerikanische Studien er- geben hatten, dass es als Gefechtsfeldwaffe wenig geeignet ist. Dagegen

351 ist es für Attentate geeignet. Rizin wurde u.a. beim sog. „Regenschirm- Mord“ eingesetzt.

Rotz Infektionskrankheit von Pferden und Maultieren, verursacht durch das Bakterium Burkholderia (früher: Pseudomonas) mallei. Rotz ist auf den Menschen übertragbar und zählt auch heute noch zu den wichtig- sten biologischen Kampfmitteln. Die Erreger können – bei Verbreitung als Aerosol – eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen werden oder durch Wunden in den Körper eindringen. Die Inkubationszeit beträgt 3 – 5 Tage, die Mortalität 50-70%. Streptomycin und andere Antibiotika sind begrenzt wirksam. Ein Impfstoff steht nicht zur Verfügung. Seit dem Ersteinsatz von Rotzerregern durch den deutschen militäri- schen Nachrichtendienst im Ersten Weltkrieg steht Burkholderia mal- lei auf der Liste potenzieller biologischer Kampfmittel.

Ruhr, Shigellose Weltweit verbreitete Infektionskrankheit, verursacht durch Shigella sonnei, Shigella flexneri und andere Shigellen. Shigella-Bakterien wurden mindestens von den Japanern als Kampfmittel erprobt.

Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis Form der Zecken-Enzephalitis, verursacht durch einen Subtyp des ➝ Zecken-Enzephalitis-Virus

Salmonella typhimurium Im Tierreich weit verbreiteter Seuchenerreger („Mäusetyphus“), der beim Menschen akute Lebensmittelvergiftungen hervorrufen kann. Mit Methoden der molekularen Biotechnologie konnte nachgewiesen wer- den, dass S.typhimurium über 4451 Gene verfügt. Allein 919 davon benötigen die Erreger für eine erfolgreiche Infektion. S. typhimurium gilt nicht als biologisches Kampfmittel, wurde aber 1984 von der Rainishee-Sekte für Bioterror eingesetzt.

SEB ➝ Staphylokokken-Enterotoxin B

SIPRI Stockholm International Peace Research Institute ➝ Pugwash- Bewegung

SOE ➝ Special Operation Executive

352 Special Operation Executive Während des Zweiten Weltkrieges Abteilung des britischen Geheimdienstes.

Staphylokokken-Enterotoxin B (SEB) ein von Staphylococcus aureus produziertes hochwirksames Gift. SEB verursacht wie andere von Staphylokokken gebildeten Toxine norma- lerweise die Symptome einer Lebensmittelvergiftung. SEB ist eines der wenigen Toxin-Kampfmittel, die bereits im Zweiten Weltkrieg verfügbar waren.Wenn SEB mit der Nahrung zugeführt wird – wie dies vermutlich im Falle des Schacht-Attentates erfolgte – macht es in der Regel nur vorübergehend handlungsunfähig. Das sehr stabile Toxin kann inzwischen aber auch als Aerosol verbreitet werden und dann tödlich wirken. Deshalb sind Experten auch heute noch sehr besorgt über eventuelle feindliche oder terroristische Einsätze von SEB, zumal bisher weder ein Impfstoff gegen eine SEB-Intoxination noch Methoden zur spezifischen Therapie zur Verfügung stehen.

Toxine von Lebewesen gebildete Giftstoffe wie z.B. ➝ Botulinum-Toxin, ➝ Rizin, ➝ Staphylokokken-Enterotoxin B.

Toxin-Waffen als Kampf-, Terror- oder Sabotagemittel verwendete ➝ Toxine. Da sie sich im Gegensatz zu ➝ biologischen Waffen nicht vermehren kön- nen und leblos sind gehören sie zu den ➝ chemischen Waffen und werden von der ➝ Chemie-Waffen-Konvention erfasst.

Tsutsugamushi-Fieber (Scrub typhus, Buschfleckfieber) fiebrige akute Erkrankung mit hoher Letalität, hervorgerufen durch das zu den Rickettsien gehörende Bakterium Rickettsia tsutsugamushi, das durch Milben übertragen wird.

Tularämie (Hasenpest) von Francisella tularensis hervorgerufene Infektionskrankheit, die aber nicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Nager und andere Tiere sind natürliche Reservoire. Menschen infizieren sich durch Insektenbisse, Umgang mit verseuchten Tieren, Materialien und Flüssigkeiten, Verzehr verunreinigter Nahrung oder Einatmung infektiöser Aerosole. In den USA wurden 1990-2000 insgesamt 1368 Fälle von Hasenpest gemeldet. Die Erkrankung kann erfolgreich mit Streptomycin u.a. Antibiotika behandelt werden. Unbehandelt kann sie in etwa 1% der Fälle zum Tode führen. Ein Lebend-Impfstoff ist verfügbar. Dessen Einsatz wird aber

353 nur für entsprechend exponiertes Laborpersonal empfohlen. F. tularensis wurde in den Biowaffenprogrammen Japans, der Sowjetunion, und der USA produziert und munitioniert. Dabei sollen auch Antibiotika-resistente Stämme entwickelt worden sein. Nach WHO-Berechnungen könnte seine Verbreitung über einer 5-Millionen- Stadt 250.000 Personen erkranken und 19.000 sterben lassen. Trotzdem gilt der Erreger nicht als tödliches, sondern als handlungsunfähig machendes Kampfmittel.

Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) und von Toxin-Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (BWC, BWÜ) 1975 in Kraft getretene Konvention zur Kontrolle von biologischen und Toxinwaffen. Bis zum 31. Dezember 2002 haben 146 Staaten das BWÜ ratifiziert, weitere 18 Staaten haben signiert.

Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (CWC, CWÜ) 1995 in Kraft getretenes Abkommen zur Kontrolle chemischer Kampfmittel und ihres Einsatzes. Der CWC traten bis zum 27. Septem- ber 2002 147 Staaten bei, weitere 27 Staaten haben das Abkommen sig- niert. Wie die ➝ B-Waffen-Konvention erfasst die CWC auch ➝ Toxin-Waffen. UK Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland

UNMOVIC United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission

UNSCOM United Nations Special Commission

USA Vereinigte Staaten von Nordamerika

USAMRIID US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases

Vakzinia-Virus (Impfpockenvirus) ➝ Pocken

Variola major (Pockenvirus) ➝ Pocken

354 Venezolanische Pferde-Enzephalitis (VEE) Infektionskrankheit, die – wie einige ähnliche Erkrankungen (Östliche und Westliche Pferde-Enzephaliitis, EEE bzw. WEE) – durch Alpha- viren verursacht wird, die zur Familie der Togaviren gehören. Unter natürlichen Bedingungen werden die hochinfektiösen Viren durch Moskitos übertragen, sie können aber auch hoch effektiv durch Aerosole verbreitet werden. VEE, EEE und WEE befallen nicht nur Pferde, sondern u.a. Menschen. Die Krankheit, zu deren Ausbruch das Einatmen von 10-100 Erregern ausreicht, äußert sich in starken Kopfschmerzen, hohem Fieber, Übelkeit und Durchfall, gelegentlich in Enzephalitis, die dann häufig tödlich verläuft, vor allem bei Kindern. Die Inkubationsperioden betragen zwei bis sieben Tage (VEE) bzw. ein bis zwei Wochen (EEE, WEE). Mehr oder weniger gut wirksame, noch nicht zugelassene Impfstoffe stehen zur Verfügung; eine spezifische Therapie ist jedoch nicht möglich. Da diese Viren relativ leicht in großen Mengen produziert werden kön- nen, hoch infektiös und gleichzeitig ziemlich stabil sind und als Aerosol verbreitet werden können, bieten sie sich als effektive biologische Kampfmittel an.VEE wurde mindestens in den Biowaffenprogrammen der Sowjetunion und der USA bearbeitet.

VfP Vaccines for Peace Westliche Pferde-Enzephaliitis (WEE) ➝ Venezolanische Pferde- Enzephalitis

Whistleblower Personen die zum Nutzen der Gemeinschaft und nicht zum eigenen Vorteil andere frühzeitig auf einen Missstand oder drohende Gefahren aufmerksam machen.

Yersinia pestis bakterieller Erreger der Pest

Zecken-Enzephalitis-Virus ➝ Flaviviren

355

Literatur

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360 Anmerkungen

1 - Powell, C. 1994, Erklärung anlässlich der „Hearings on National Defense Authorization Act FYI 1994 – HR 2401“, 103rd Congr., 1st sess. H201-233. Zitiert in Crowley, M. 2001, Disease by Design. De- mystifying the Biological Weapons Debate. British American Security Information Council, London, Washington, 15. 2 - Churchill, W.S. 1925: in The Second World War. Volume I. The Gathering Storm, Wellington: Cassell & Co. Ltd, London, Toronto, Melbourne, Sydney, 1948, 33-34. 3 - Bush, G.W. 2002, „Erklärung bei der Unterzeichnung des Bioterrorgesetzes am 12. Juni 2002 in Washington“. Internationale Politik 57, Nr. 7, 132-133.

Einführung 4 - Committee of Imperial Defence. Sub-committee on Bacteriological Warfare 1937, „Germany, Bacteriological Warfare“. Note by Joint Secretary, 25 October. Public Record Office, Kew, London, [PRO] WO188/650 XP010754. 5 - Committee of Imperial Defence. Sub-committee on Bacteriological Weapons 1936, „Extract of Information received up to the 21st October, regarding the development of Bacteriological Warfare in Germany“, 4 November. PRO WO188/650 XP010754.

I. Eine Rüstungsspirale kommt in Gang 6 - Die meisten Quellen sind angegeben in Geißler 1999, 51-122. 7 - Nadolny, R. 1985, Mein Beitrag. Erinnerungen eines Botschafters des Deutschen Reiches. dme-Verlag, Köln, 299. 8 - Buchheit, G. 1966, Der deutsche Geheimdienst. Geschichte der militä- rischen Abwehr. List Verlag München, 23. 9 - Nicolai, W. 1920, Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg. Mittler, Berlin; ders. 1923, Geheime Mächte. Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute. K.F. Koehler, Leipzig. 10 - Geissler, E. 1997, „Anwendung von Seuchenmitteln gegen Menschen nicht erwünscht“, Militärgeschichtliche Mitteilungen 56, 107-155.

361 11 - Inglesby, T.V., D.A. Henderson, J. Bartlett et al., 2001, „Anthrax as a biological weapon“, Journal of the American Medical Association [JAMA]. 285, 1059-1070. 12 - Polish Business News, 28 February 2001. Zitiert in The CBW Conventions Bulletin No. 52, 2001, 43. 13 - Nadolny 1985, Anm. 7, 36. 14 - Quellen zitiert in Wheelis 1999. 15 - Inglesby, T.V., D.A. Henderson, J.G. Bartlett et al. 2000, „Plague as a biological weapon: medical and public health management“, JAMA 283, 2281-2290. 16 - Scott, S. and C. Duncan 2001, Biology of Plagues. Cambridge University Press, Cambridge. 17 - Quellen zitiert in Wheelis 1999; Fenn, E.A. 2000, „Biological war- fare in eighteenth-century North America: Beyond Jeffery Amherst“, J.Amer.History 86,1552-1580. 18 - Henderson, D.A., T.V. Inglesby, J.G. Bartlett et al. 1999, „Smallpox as a biological weapon. Medical and public health management“. JAMA, 281, 2127-37. 19 - Thomas, D.H. 1995, Die Welt der Indianer. Frederking und Thaler, München. 20 - Quellen zitiert in Lepick 1999. 21 - Quellen zitiert in Geißler 1999, 123-161. 22 - Die meisten Quellen zitiert in Geißler 1999, 163-202; Sims 2001. 23 - Young, R. 2002, „Withdrawal of reservations to the 1925 Geneva Protocol“. In: ICRC 2002, Biotechnology, Weapons and Humanity. Summary Report. International Committee of the Red Cross, Geneva, 18; Young, R. 2002, persönliche Mitteilung, November. 24 - Han Wie, 1983, „Die Bakterien-Mode der japanischen Armee im Nordosten Chinas“, Zusammenstellung historischer Quellen (in chi- nesisch), Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, Nr. 91, 192-191; zitiert von Bärninghausen 1996. 25 - Harris 1999. 26 - Die meisten Quellen sind zitiert in Bojtzov and Geissler 1999. 27 - Arnon, S.S., R. Schechter, T.V. Inglesby et al. 2001, „Botulinum toxin as a biological weapon. Medical and public health manage- ment“, JAMA 281, 1735-1745; Patocka, J. and M. Splino 2002,

362 „Botulinum toxin: From poison to medical agent“, The ASA Newsletter, 02-1, 14-18. 28 - Alibek und Handelman 2001. 29 - Birstein 2001, 149.

II. Falschmeldungen beschleunigen die Rüstungsspirale 30 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geißler 1999, 203-244. 31 - Linder, H. 1998, Von der NSDAP zur SPD. Der politische Lebensweg des Dr. Helmuth Klotz (1894-1943). UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz. 32 - Dürr, H.-P., „Begrüßung“, in: D. Deiseroth und A. Falter (Hrsg.) 2002, Zivilcourage im BSE-Skandal – und die Folgen. Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, Berlin, 15-17. 33 - Amberg, 1926, „Abschlußbericht der Reichswehr- Forschungsgruppe Amberg über die Organisation und Erprobung von chemischen Kampfstoffen“. Geh Kommandosache. In:F.P. Kahlenberg, R.G. Pichoja und L.V. Dvojnych (Hrsg.) 1995 Reichswehr und Rote Armee. Bundesarchiv, Koblenz, 43-50. 34 - Die meisten Quellen sind zitiert in Lepick 1999. 35 - Zitiert in Geißler 1999, 230. 36 - Garrett, B. 1992, „Ricin: A case study for the treaty“, The ASA Newsletter 92-2, 1, 10-12; Heimann, G. 2003, „aus dem Garten der Natur“, Tagesspiegel, 9. Januar. 37 - Kliewe, H. 1940, „Kurzer Auszug zu den mit Nr. 6213/40g Prüf 9 übersandten Le Bouchet-Akten“. U.S. National Archives, College Park, Md., Record Group 319, Box 1, Folder BW2. 38 - Die meisten Quellen sind zitiert in Bojtzov and Geissler 1999; Rimmington, A. 2000, „Invisible weapons of mass destruction: The ’s BW programme and its implications for contem- porary arms control“. The Journal of Slavic Military Studies, 13, No. 3, 1-46. 39 - Domaradskij, I.V. and W. Orant 2001, „The memoirs of an inconve- nient man: Revelations about biological weapons research in the Soviet Union“, Critical Revs. in Microbiol. 27, 239-266. 40 - Birstein 2001, 124. 41 - Dennis, D.T., T. Inglesby, D.A. Henderson et al. 2001, „Tularemia as

363 a biological weapon. Medical and public health management“. JAMA 285, 2763-2773; Hayes, E., S. Marshall and D. Dennis 2002, „Tularemia – United States, 1990-2000“, JAMA 287, 1519-1520. 42 - Die meisten Quellen sind zitiert in Carter and Pearson 1999. 43 - Balmer 2001. 44 - Geißler 1999, 262-271. 45 - meisten Quellen sind zitiert in Avery 1999; Bryden 1989; van Courtland Moon 1999. 46 - Geissler 1999, 693-694. 47 - Quellen zitiert in Geissler 1999, 245-291. 48 - Geißler, E. (Hrsg.) 1986, Fachlexikon ABC Virologie. Verlag Harri Deutsch, Thun/Frankfurt/M. 1986. 48a - Gewin, V. 2003, „Bioterrorism: Agriculture shok“. Nature 421, 106-108.

III. In Europa schweigen die Biowaffen 49 - Quellen zitiert in Geissler 1999, 293-325.. 50 - Quellen zitiert in Bärninghausen 1996; Harris 1996 und 1999. 51 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geißler 1999, 341-370. 52 - Geißler 1998. 53 - Brissaud, A. 1996, Canaris. Legende und Wirklichkeit. Bechtermünz Verlag, Augsburg, 459. 54 - Merck, G.W., W.M.Adams, G.W.Anderson et al. 1945, „Summary and Estimate of Enemy Intentions and Capabilities in Biological Warfare“, Memorandum To Members Of The USBWC. Secret. 19 May. U.S. National Archives, College Park, Md., Record Group 112, Box 4, 5, and 11. 55 - Brophy, L.P.,W.D. Miles and R.C. Cochrane 1959, „Biological Warfare Research“. In: S. Conn (ed.) 1959, United States Army in World War II. [X:] The Technical Services [Band 2]. The Chemical Warfare Service: From Laboratory to Field. Washington, D.C., Department of the Army, 114. 56 - Inglis, T.B. 1947, „Naval Aspects of Biological Warfare“. Top Secret. 5 August. U.S. National Archives, College Park, Md., Record Group 112, Box 4, 5, and 11. 57 - Quellen zitiert in Geißler 1999, 370-374.

364 58 - AP 1970, „When the Nazis tried to starve out Britain by beetle- bombing crops“, International Herald Tribune, 25 February. 59 - Die meisten Quellen sind zitiert in Balmer 2001; Carter and Pearson 1999; van Courtland Moon 1999; Avery 1999. 60 - Die meisten Quellen sind zitiert in Bojtzov and Geissler 1999, 153- 167; Geißler 1999, 584-588. 61 - Belousowa, T., „Tschuma“ [„Pest“], Sowerschenno Sekretno [Streng geheim] Nr. 10 (Oktober) 1998, 18-19. 62 - The CBW Conventions Bulletin, No. 41, 1998, 23. 63 - Croddy, E. and S. Krčálová 2001, „Tularemia, biological warfare, and the battle for Stalingrad (1942-1943), Military Medicine, 166, 837-838. 64 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geißler 1999. 65 - Franz, D., P.B. Jahrling, A.M. Friedlander et al. 1997, „Clinical recognition and management of patients exposed to biological warfare agents“, JAMA 278, 399-411. Nachgedruckt in Lederberg 1999. 66 - Birstein 2001, 118. 67 - Miller, Engelberg und Broad 2002, 107; Schäfer, I. und H. Schäfer 2002, „Mord-Report“. In: A. Schölzel (Hsrg.) 2002, Das Schweigekartell. Fragen & Widersprüche zum 11. September. Kai Homilius Verlag, Berlin, 213-243. 68 - Garrett 1992, Anm. 36. 68a - Bennetto, J. and K. Sengupta 2003, „Alarm over terror suspects with deadly toxin“, The Independent, 8 January. 69 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geißler 1999, 769-793. 70 - Dörner, K., A. Ebbinghaus und K. Linne (Hrsg.) 1999, Der Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47. Wortprotokolle, Anklage- und Verteidigungsmaterial, Quellen zum Umfeld. K.G.Saur Verlag, München. 71 - Anonym 1950. 72 - Quellen sind zitiert und reproduziert in Tsuneishi 1985. 73 - Bärninghausen 1996. 74 - The CBW Conventions Bulletin, Nr. 49, 2000, 32; Nr. 53, 2001, 37. 75 - dpa/AFP 2002, „Chinas Kriegsopfer erhalten von Tokio keine Entschädigung“. Tagesspiegel, 28. August; Kahn, J. 2002, „Shouting

365 the pain from Japan’s germ attacks“, New York Times, 23 November. 76 - Die meisten Quellen sind zitiert in Tsuneishi 1985. 77 - Kahn 2002, Anm. 75. 78 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geissler, E. 2000, „Kartoffelkäfer als dual-threat agents“. In: E. Höxtermann, J. Kaasch, M. Kaasch & R.K. Kinzelbach (Hg.) Berichte zur Geschichte der Hydro- und Meeresbiologie und weitere Beiträge der 8. Jahrestagung der DGGTB. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, 5, Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin, 209-237. 79 - Johnson, U. 1988, Jahrestage 4. Aus dem Leben der Gesine Cresspahl. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 1726-27. 80 - Johnson, U. 1980, Begleitumstände. Frankfurter Vorlesungen. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 50-51. 81 - Lehmbäcker, H. 2000 (ein ehemaliger Mitschüler Johnsons), per- sönliche Mitteilung. 82 - Pergande, F. 2001, „Vorbild waren die Geschwister Scholl“. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Dezember.

IV. Die Spirale dreht sich weiter 83 - Die meisten Quellen sind zitiert von Cole 1988; Cole, L.A. 1991, „Biological warfare tests over American cities: lessons from the past“. In: Geissler and Haynes 1991, 107-127; Miller, Engelberg und Broad 2002. 84 - Leitenberg, M. 1998, The Korean War Biological Warfare Allegations Resolved. Center for Pacific Asia Studies at Stockholm University, Stockholm. 85 - Endicott, S. and E. Hagerman 1998, The United States and Biological Warfare: Secrets from the Early Cold War and Korea. Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis; van Courtland Moon, J.E. 1999, „Review“. The ASA Newsletter 99-2, No. 71, 1, 8. 86 - USA 1996, „Declaration of Past Activities in Offensive and/or Defensive Biological Research and Development Programs“. Confi- dence Building Measure F.April. CDA/11-96/BW-III/Add. 1, 148-172.

366 87 - Borio, L., T. Inglesby, C.J. Peters et al. 2002: „Hemorrhagic fever viruses as biological weapons. Medical and public health manage- ment“, JAMA 287, 2391-2405. 88 - Miller, Engelberg und Broad 2002. 89 - Franz et al. 1997, Anm. 65. 90 - The CBW Conventions Bulletin No. 57, 2002, 33, 48. 91 - Balmer 2001; Canada 1997, Annual Report of Confidence Building Measures. Biological and Toxin Weapons Convention. 15 April. CDA/BWC/1997/CBM, 74-138; United Kingdom 1992, {Report} Convention on the Prohibition of the Development Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on Their Destruction, 14 April. DDA/4-92/BWIII, 213-51. 92 - France 1992, {Declaration} 15 May, DDA/4-92/BWiii/ Add.2. 41-111. 93 - Geißler 1999, 761-766. 94 - Alibek und Handelman 1999, 56. 95 - Russische Föderation 1992, „Information über Anlagen und Tätig- keiten der Russischen Föderation im Zusammenhang mit dem Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxin-Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen“. [in Russisch] 3. Juli. UN Document DDA/4-92/BWIII/Add.3, 32-90. 96 - Tucker, J.B. and R.A. Zilinskas (eds.) 2002, The 1971 Smallpox Epidemic in Aralsk, Kazakhstan, and the Soviet Biological Warfare Program. Monterey Institute of International Studies. 97 - Garthoff, R. L. 2000, „Polyakov’s run“, Bulletin of the Atomic Scientists, 56, No. 5, 37-40. 98 - Worobjow, A. und A. Maslow 1968, „Die biologische Waffe und einige Probleme des biologischen Schutzes“, Militärisches Denken (in Russisch), vertrauliche Verschlußsache, Nr. 1 (83), 90-97. 99 - Wise, D. 2000, Cassidy’s Run. The Secret Spy War Over Nerve Gas, Random House, New York. 100 - Morrow, E.A. 1947, „British seize hundreds“, New York Times, 24 February; U.P. 1947, „Anthrax threat discounted“, New York Times, 25 February; „Nazi try at germ warfare“, Science News Letter 51, 8 March 1947.

367 101 - Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (Hsrg.) 1969, Bonn bereitet den Giftkrieg vor. Staatsverlag der DDR, Berlin. 102 - Schabowski, G. 1968, „’Ich konnte nicht länger schweigen’. Von der Physiognomie mißbrauchter Wissenschaft / Notizen nach einer Begegnung mit Dr. Petras“. Neues Deutschland, 28. Dezember. 103 - [Petras, E.] 1968, „Dr. Petras war Zeuge des B-C-Programms. Aus seiner sensationellen Rede vor Journalisten“, Neues Deutschland, 7. Dezember. 104 - Kohrt, G. 1968, „DDR: Neuem Völkermord Halt gebieten!“ Neues Deutschland, 7. Dezember. 105 - Schoene, E. 2002, persönliche Mitteilung. 106 - ND 1968, „Internationale Pressekonferenz in Berlin: Bonns ver- stärkte Rüstung mit B- und C-Waffen – Bruch des Völkerrechts“. Neues Deutschland, 7. Dezember. 107 - Carstens, K. 1967, Schreiben an Staatssekretär Dr. von Heppe im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, Bad Godesberg, 16. August. Bundesarchiv Koblenz (BAK), Bestand B 138 / 6669. Wahl, A. 1968, Schreiben an den Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, „Betr.: Zusammenarbeit mit Forschungsorganisationen; hier: Geheimhaltung in der Wehrforschung“. 18. Mai. BAK B 196 / 07176. Gassner, E. 1969, „Ausarbeitung im Auftrag des ‚Ausschusses für Geheimhaltungs- fragen in der Wehrforschung beim Bundesminister der Verteidi- gung’“. 14. April. BAK B 196 / 07178. 108 - Lehr 1972, Schreiben an Herrn Staatssekretär [vom Bundesminis- terium für Forschung und Technologie] vom 18. Dezember. „Betr.: Fraunhofer-Gesellschaft; hier: Verhältnis zum BMVg -ver- trauliche Forschungsarbeiten“. 18. Dezember. BAK B 196 / 16785. 109 - Petras, E. und K. Bisa 1967, „Überlebenschancen von Mikro- organismen im Milieu von Ionosphäre und Stratosphäre“. November. BAK B 196 / 13610. Veröffentlicht 1968 unter dem Titel „Überlebensdauer von Mikroorganismen im Milieu von Ionosphäre und Stratosphäre“ in: BMBW, FB-W 68-09. Petras, E. 1967, „Überlebenschancen von Mikroorganismen im Milieu von

368 Stratosphäre und Ionosphäre“, Monatskurse für ärztliche Fortbil- dung, 602; Petras, E. and K. Bisa 1968, „Microbiological studies on the radiation environment of ionosphere and stratosphere“, Life Sciences and Space Research. 110 - Epp 1967, Schreiben an den Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, 13. Oktober. BAK B 196 / 13609. 111 - Bücker, H. 1968, Schreiben an den Bundesminister für wissen- schaftliche Forschung, „Betr.: Labor-, Ballon- und Raketenexperimente des Instituts für Aerobiologie, Grafschaft/Sauerland“. 13. Februar. BAK B 196 / 13610. 112 - von Alvensleben 1968, Herrn Abteilungleiter IV über Herrn Unterabteilungsleiter IV a im Hause [des BMWF], „Betr.: Weiterbestehen der Weltraumbiologischen Arbeitsgruppe am Institut für Aerobiologie der Fraunhofergesellschaft“, 4. April. Strathmann 1968, Schreiben an das Bundesministerium für wis- senschaftliche Forschung, Bonn, „Betr.: Institut für Aerobiologie, hier: Ihr Forschungsvorhaben ‘Vorbereitung und Durchführung eines biologischen Testversuches mit einer Höhenrakete Véronique-AG I’“ , 11. April. BAK B 196/13609. 113 - von Alvensleben 1968, „Alternativen für Unterbringung Dr. Petras (Besprechung im BMWF am 30. 4. 68)“. Epp, 1968, An das Bundes- ministerium für wissenschaftliche Forschung, Herrn Ministerialrat Dr. Regula, „Betr.: Forschungsvertrag WRK 87 Fortsetzung (Dr. Petras)“. 27. Juni. BAK B 196 /13609. Regula 1968, An die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. z.Hd. Herrn Epp, München, „Betr.: Förderungsvorhaben WRK 87 – Fortsetzung“, 22. Juli. Regula 1968, An die Fraunhofer- Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. z.Hd. Herrn Epp, München, „Betr.: Förderungsvorhaben WRK 87 – Fortsetzung“, 22. Juli. Seboldt 1968, An die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Forschung e.V. z.Hd. Herrn Epp, München, „Betr.: Förderungsvorhaben WRK 87 - Fortsetzung“, 25. Juli. Unleserlich (Geschäftsführung der FhG) 1968, An das Bundes- ministerium für wissenschaftliche Forschung - z.Hd. Herrn Seboldt – Bonn, „Betr.: Förderungsvorhaben WRK 87/Fortsetzung“, 4. No- vember. BAK B 196 / 13609.

369 114 - Dürr 2002, Anm. 32. 115 - ND 1968, „Ausland über Bonner B- und C-Programm erregt und empört“, Neues Deutschland, 8. Dezember. Ebenda: „Weltpresse: Enthüllungen Dr. Petras’ stark beachtet“. 116 - AP 1968, „Wissenschaftler aus Protest in die ‚DDR’ übergesie- delt“. Der Tagesspiegel, 26. November. 117 - Auswärtiges Amt 1969, „Die Westeuropäische Union“. Halbjahresbericht der Bundesregierung für die Zeit vom 1. April 1969 bis 30. September 1969. 16. Oktober. Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksache V/4693. 118 - Schoene 2002, Anm. 105. 119 - „Gesetz betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag“ vom 24. März 1955. Bundesgesetzblatt Teil II, 25. März 1966, 256-273. 120 - Petras, E. 1972, „Genetik und biologische Kriegsführung“, in: E. Geissler und H. Ley (Hsrg.) 1972, Philosophische und ethische Probleme der modernen Genetik, Akademie-Verlag, Berlin, 118- 123; von Weizsäcker, H. 1972, Diskussionsbemerkungen, ebenda, 135-137, 141-143. 121 - AP 1968, Anm. 116. 122 - Quellen bei Thränert, O. 1991, „The United States’ unilateral renunciation of biological and toxin warfare agents, 1969“, in: Geissler and Haynes 1991, 129-140; Robinson, J.P.P 1998, „The Impact of Pugwash on the debates over chemical and biological weapons“, Ann. NY Acad. Sci, December; Sims 2001. 123 - Laird, M. 1970, Memorandum für Präsident Richard Nixon, 6 July, zitiert in The CBW Conventions Bulletin, No. 54, 2001, 56. 124 - „Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Bakteriologischen (biologischen) und Toxin- Waffen und über ihre Vernichtung“. Gesetzblatt der DDR, Teil I,1972, 267-282. 125 - „Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxin-Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen“. Bundesgesetzblatt, Teil II,1983, 133-138. 126 - Miller, Engelberg und Broad 2002, 107-108.

370 127 - Ikle, F.C. 1974, in: Prohibition of Chemical and Biological Weapons. Hearing before the Committee on Foreign Relations United States Senate. U.S. Government Printing Office, Washington, D.C., 15. 128 - Brown, G.S. 1974, The Joint Chiefs of Staff, Schreiben an Hon. J.W. Fulbright, Chairman, Committee on Foreign Relations, U.S. Senate, 6 December. In: Prohibition … 1974, Anm. 127, 62-63. 129 - USA 1980, Soviet Biological Warfare Activities, Permanent Select Committee on Intelligence, US House of Representatives, June, p. 2, zitiert von M. Leitenberg 1991, „Soviet activities related to bio- logical weapons“, Arms Control 12, 161-190. 130 - Sidel, V. 1989, „Testimony on Germ wars: Biological weapons pro- liferation and the new genetics“, in USA 1990, Global Spread of Chemical and Biological Weapons. Hearings before the Committee on Governmental Affairs and its Permanent Subcommittee on Investigations, United States Senate, U.S. Goverment Printing Office, Washington D.C., 512-518; Owens, W. 1989, ebenda, 180-182. 131 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geissler and Woodall 1994. 132 - Cieslak, T.J., G.W. Christopher, M.G. Kortepeter et al. 2000, „Immunization against potential biological warfare agents“, Clinical Infectious Diseases 30, 843-850. 133 - United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland 2001, Background Paper on New Scientific and Technological Developments Relevant to the Convention on the Prohibition of Development, Production, and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on Their Destruction, BWC/CONF.V/4/Add.1, Geneva, 26 October; The CBW Conventions Bulletin, No. 50, 2000, 27. 134 - Borio et al. 2002, Anm. 87. 135 - Nass, M., 1998, „Anthrax vaccine and the´prevention of biological warfare?“, The ASA Newsletter, no. 98-2, 1, 23-25; The CBW Conventions Bulletin, No. 57, 2002, 35, 43-44, 50, 53. 136 - Huxsoll, D.L., Patrick III, W.C., and Parrott, C.D. 1987, „Veteri- nary services in biological disasters“. J. Am. Veterin. Assoc., 190, 714-722.

371 137 - „Summary of the Genetic Engineering Expert Panel“, 26 May 1981, 4. 138 - „Genetic engineering’s war potential called slight by State Dept. advisors“. Genetic Engineering Letter, 1, No. 10, 24 May 1981, 4. 139 - Johnson, S.T. 1984, Schreiben an Arthur H. Westing, Stockholm International Peace Research Institute, 1 February. 140 - Quellen angegeben bei Geissler 1986, 1990. 141 - Singer, M. and D. Söll 1973, „Guidelines for DNA hybrid mole- cules“. Science 181, 1114. 142 - Berg, P., D. Baltimore, S. Brenner et al., 1974, „Potential bioha- zards of recombinant DNA molecules“. Science 185, 303. 143 - Russell, A.M. 1988: The Biotechnology Revolution. An Interna- tional Perspective. Wheatsheaf Books: Sussex - St. Martin’s Press: New York, 59-61. 144 - Plasmid Working Group 1975: „Proposed Guidelines and Poten- tial Biohazards Associated with Experiments involving Geneti- cally Altered Microorganisms“, 19. Zitiert von S. Krimsky, 1982: „Social responsibility in an age of synthetic biology“, Environ- ment. 24, No. 6, 2-11. 145 - Kaplan, M.M. 1983, „Another view“, Bulletin of the Atomic Scientists, 39, No. 9, 27. 146 - Möllemann, J.W. 1986, Rede im Deutschen Bundestag zum Thema „Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über biologische Waffen“. Bundesministerium des Auswärtigen, Bonn, 25. Sept. 147 - Geissler E. 1986. 148 - Jackson, R.J., A.J. Ramsay, C.D. Christensen et al. 2001, „Expression of mouse interleukin-4 by a recombinant ectromelia virus suppresses cytolytic lymphocyte responses and overcomes genetic resistance to mousepox. J. Virol. 75, 1205-1210. 149 - Epstein, G.L. 2001, „Controlling biological warfare threats: Resolving potential tensions among the research community, industry, and the National Security Committee“, Critical Reviews in Microbiology, 27, 321-354. 150 - Gläser, H.-U. 2000, „Schnellnachweis von Krankheitserregern. Molekularbiologie im Technischen B-Schutz“. Zeitschrift für Wehrtechnik u. Verteidigungswirtschaft, Nr. 1, 75-77.

372 151 - Siehe beispielsweise Sunshine Project 2001, „Biologische Waffen: Forschungsprojekte der Bundeswehr“, Hintergrundpapier Nr. 7, Juni; van Aken, J. 2002, „Gentechnische Arbeiten bei der Bundeswehr 2002“, Biowaffen-Telegramm 3, 2. April, 2-5 152 - siehe z.B. M. Kieper und J. Streich 1990, Biologische Waffen: Die geplanten Seuchen. Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Reinbeck. 153 - Segal, J. 1987, „Where does AIDS come from?“ Moscow News, No. 17. 154 - „AIDS – Man-made in USA“. Interview von Jakob Segal durch Stefan Heym. TAZ 18. Februar 1987. 155 - Zitiert in The CBW Conventions Bulletin, No. 52, 2001, S. 53, 58; No. 57, 2002, 23.. 156 - Zapevalov, V. 1985, „Panik im Westen – oder: Was steckt hinter der AIDS-Sensation“ (in Russisch), Literaturnaja Gaseta, 30. Oktober. 157 - Meselson, M., J. Guillemin, M. Hugh-Jones et al. 1994, „The Swerdlowsk anthrax outbreak“. Science 266, 1202-1208; Guillemin 1999. 158 - Meselson, M. 1989, Hearings …, Anm. 130, 218. 159 - Glenn, J. and H.A. Homes 1989, Hearings … Anm. 130, 190-191. 160 - Miller, Engelberg und Broad 2002, 140; Alibek und Handelman 1999. 161 - Komsomolskaya , 17. Mai 1992, zitiert von V. Israeljan 2002, „Fighting anthrax: A cold warrior’s confession“, The Washington Quarterly 25, No. 2, 17-29. 162 - Russische Föderation 1992, Anm. 95. 163 - Lugar, R.G. 1998, Interview. Zitiert in The CBW Conventions Bulletin, No. 43, 1999, 23. 164 - Leitenberg, M. 1997, „The Possibilities and limitations of biologi- cal weapons conversion“, in Geissler, Gazsó and Buder 1997, 119- 133; Rimmington, A. 2000a, „Konversion sowjetischer BW- Produktionseinrichtungen: Der Fall Biomedpreparat, Stepnogorsk, Kasachstan“. In: Buder 2000, 245-262. Alibek und Handelman 1999. 165 - Malakhova, O. 2002, „They have disavowed plague“, Novoye Pokoleniye, 29 November, auszugsweise in Englisch veröffentlicht

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V. Ist die Rotation der Spirale noch zu stoppen? 263 - Geissler 1990; Pearson and Dando 2001; Sims 2001. 264 - Mertes, A, 1980, Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, 223. Sitzung, 18. Juni, 18058; Deutscher Bundestag 1981, Vorschläge

382 zur kontrollierten Abrüstung der biologischen, chemischen und atomaren Waffen. Drucksache 9/1083. 26. November. 265 - Unterrichtung durch die Bundesregierung. „Bericht zum Stand der Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie der Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis 1986“: Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode. 25. 6. 1986. Drucksache 10/5762. 266 - Geissler, E., F. Blackaby, R.A. Falk et al. 1986, „Conclusions and recommendations“ in: Geissler 1986, S. 124-125. 267 - von Stülpnagel, P.J. 1986. „Statement“, 9 September. [Von der Delegation der Bundesrepublik Deutschland während der Konferenz verteilter Redetext. Leicht gekürzt wiedergegeben in: Second Review Conference of the Parties to the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction, Final Document, Geneva 1986, BWC/CONF.II/13, SR.3, 5. 268 - Israeljan, V.L. 1986, „Statement“, 15 September. [Von der sowjeti- schen Delegation während der Konferenz verteilter Redetext. Leicht gekürzt wiedergegeben in: Second Review Conference, Anm. 267, SR.7, 13-14. 269 - Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Abgeordneten Frau Beer, Dr. Mechtersheimer und der Fraktion DIE GRÜNEN – Drucksache 11/22 –. 7. 10. 1987. Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode. Drucksache 11/911. 270 - Geissler 1990. 271 - Geißler, E., H. Bochow, C. Coutelle et al. 1987, „Vorstellungen zur Vorbereitung des Expertenmeetings zur Konvention über biologi- sche Waffen“, Berlin 12. März, unveröffentlicht. 272 - Quellen bei Geißler 1999, 724-725. 273 - Ireland and Austria 1987, „Proposal on agenda item 4 (a)“, in United Nations 1987, Report, Ad Hoc Meeting of Scientific and Technical Experts from States Parties to the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction. BWC/CONF.II/EX/2. 21 April. Attachment, p. 30.

383 274 - Canada 1991, [Proposal for CBMs], in United Nations 1991, Final Document. PART III. Report of the Committee of the Whole, Third Review Conference of the Parties to the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction. BWC/CONF.III/23/Part III. Geneva, 9-27 September, 93. Canada 1991, „CBM (new): Declaration of vacci- ne production facilities“, ebenda, 86-87. 275 - Chevrier. M.I. and I. Hunger 2000, „Confidence-building measu- res for the BTWC: performance and potential“. The Nonproliferation Review 7, No. 3, 24-42. 276 - ’s General Affairs Council 2002, „List of Concrete Measures With Regard to The Implications of The Terrorist Threat on The Non-poliferation, Disarmament and Arms Control Policy of th EU“. http://ue.eu.int/newsroom/makeFrame.asp?MAX=1&BID=71&DI D=70160&LANG=1&File =/ pressData/en/gena/70169.pdf 277 - Wright, S. 2002, „Bioweapons: U.S. vetoes verification“, The Bulletin of Atomic Scientists, 58, No. 2, 24-26. 278 - Pearson, G. S. 2001, „The US rejection of the Protocol at the ele- venth hour damages international security against biological wea- pons“. The CBW Conventions Bulletin, No. 53, 6-9. 279 - Wright, S. and D.A. Wallace 2000, „Varieties of secrets and secret varieties: the case of biotechnology“, Politics and the Life Sciences 19, 45-57; Pearson, G. and N. Sims 2002, „Return to Geneva. Uncertainties and options“, October. www.brad.ac.uk/acad/sbtwc. 280 - Miller, J., S. Engelberg and W.J. Broad 2001, „U.S. germ warfare research pushes treaty limits“, New York Times, 4 September; Miller, J. 2001, „When is a bomb not a bomb? Germ experts con- front U.S.“ New York Times, 5 September. AFP 2001, „USA for- schen an neuer Biowaffe“. Tagesspiegel, 6. September. Siehe auch Wheelis, M. and M. Dando 2003, „Back to bioweapons“, Bull. Atomic Scientists, No. 1. 281 - Bender, B. 2002, „U.S.-Russia: Lugar to press Russians for biolo- gical weapons information“, Global Security Newswire, 27 December.

384 282 - Bolton, J. 2001, Ausführungen auf einer Pressekonferenz in Genf, 19. November. Zitiert in The CBW Conventions Bulletin Nr. 55, 16-17. 283 - Pearson and Sims 2002, Anm. 279 284 - USA 2002, „U.S. Biological Weapons Convention Talking Points“. In der „westlichen Gruppe“ der Genfer Diplomaten verteiltes „Non-paper“. 2. September. www.sunshine-project.de/in...lles/ 2002/02_09_19:US:RevCon.html 285 - Dhanapala, J., Erklärung vor dem Ersten Komitee der UN- Generalversammlung, 30. September. www.reachingcriticalwill.org/1com/1comO2/speeches/1/USG09300 2.html 286 - Fifth Review Conference of the States Parties to the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on Their Destruction. (Geneva, 19 November – 7 December 2002 and 11 – 22 November 2002). Final Document. BWC/CONF.V/17. 287 - Pearson and Sims 2002, Anm. 278. 288 - Fischer, J. 2002, „Erklärung zur 5. Überprüfungskonferenz des Biowaffen-Übereinkommens“. 14. November. http://www.auswaertigesamt.de/www/de/aussenpolitik/ausgabe_arc hiv?-id=3747&type_id=2&bereich_id=15 289 - Goosen, P. 2002, „Statement on Behalf of the Group of the Non- Aligned Movement and Other States“, 14 November. BWC/CONF.V/15. 290 - http://www.bwpp.org 291 - Schölzel, A. (Hsrg.) 2002, Das Schweigekartell. Fragen und Widersprüche zum 11. September. Kai Homilius Verlag, Berlin. 292 - Schröm, O. 2002, „Tödliche Fehler“. DIE ZEIT, Nr. 41, 2. Oktober. 293 - Brugger, S. 2002, „Briefing paper on the Status of biological wea- pons nonproliferation“, 17 September.www.armscontrol.org. 294 - Israeljan 2002, Anm. 161 295 - „Handhabung der B-Waffen-Thematik in der Bundesrepublik Deutschland“. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine

385 Anfrage der Abgeordneten Ursula Litzs, Hans Raidel, Paul Breuer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 14/75508, Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode. Drucksache 14/8082, 25. Januar 2002. 296 - Russian Journal, 7 January 1992, zitiert von Israeljan, V. 2002, „Fighting anthrax: A cold warrior’s confession“, The Washington Quarterly 25, No. 2, 17-29. 297 - Brophy, L.P.,W.D. Miles and R.C. Cochrane 1959, „Biological warfare research“. In: S. Conn (ed.) 1959, United States Army in World War II. [X.] The Technical Services [Vol. 2], The Chemical Warfare Service: From Laboratory to Field. Governmental Printing Office, Washington, DC, 101-122. 298 - Trevan 1999, 301. 299 - Stone, R. 2002, „Peering into the shadows: Iraq’s bioweapons pro- gram“, Science 297, 1110-1112. 300 - Miller, Engelberg und Broad 2002, 439-440. 301 - Wheelis, M. , R. Casagrande and V. Laurence 2002, „Biological attack on agriculture: low-tech, high-impact bioterrorism“, Biosciences, 52, 569-577. 302 - Zilinskas, R.A. and J.B. Tucker 2002, „Limiting the contribution to the open scientific literature to the biological weapons threat“. Journal of Homeland Security, No. 12. http://www.homeland- security.org/journal/Articles/displayarticle.asp?article=80 303 - Meselson, M. and J.P. Robinson 2002, „A draft convention to pro- hibit biological and chemical weapons under international crimi- nal law“. In: R. Yepes-Enriquez and L. Tabassi (eds.) 2002, Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal Matters. Asser Press, The Hague, 457-469. 304 - Barletta, M., A. Sands and J.B. Tucker 2002, „Keeping track of anthrax: The case for a biosecurity convention“, Bulletin of the Atomic Scientists 58, No. 3, 57-62. 305 - Kellman, B. 2002, Draft Model Convention on the Prohibition and Prevention of Biological Terrorism,April. International Weapons Control Institute, Chicago, Il. 306 - „Draft recommendations for a Code of Conduct for Biodefense Programs“, November 2002. www.fas.org/bwc.

386 307 - Geissler, E. 1992, „Vaccines for Peace. An international program of development and use of vaccines against dual-threat agents“, Politics and the Life Sciences 11, 231-43. 308 - Geissler and Woodall 1994. 309 - WHO, The AllAID Secretariat 2001, Alliance Against Infectious Diseases (AllAID). Programme Proposal for Global Monitoring, Research and Training To Control Infectious Diseases. Draft. WHO, Genf, February. 310 - Schmitt, E. 2003, „Military says it can’t make enough vaccines for troops“, New York Times, 9 January. 311 - Advisory Panel … 2002, Anm. 235. 312 - http://www.bt.cdc.org.stockpile 313 - USA 2002, H.R.3448. Public Health Security and Bioterrorism Response Act of 2002. 12 June. www.absa.org 314 - The CBW Conventions Bulletin, No. 57, 2002, 57. 315 - Holden, C., J. Mervis, A. Bostanci and E. Enserink 2002, „Science Scope. Biodefense buzz“. Science 297, 1109. 316 - Barclay, L. 2002, „AMA Center for Disaster Preparedness and Emergency Response“. http://www.medscape.com.com/viewarti- cle/446663 317 - Advisory Panel … 2002, Anm. 235. 318 - http://www.fas.org/promed/ http://www.healthnet.org/promed.html · Morse, S., B.H. Rosenberg and J. Woodall 1996, „ProMED global monitoring of emerging diseases: design for a demonstration program“, Health Policy 38, 135-153. 319 - The CBW Conventions Bulletin, No. 55, 2002, 20. 320 - World Health Assembly 2002, Deliberate Use of Biological and Chemical Agents to Cause Harm, Public Health Response. A55/20, 16. April. www.wh0.int/gb/EB_WHA/PDF/WHA55/ea5520.pdf; 321 - The CBW Conventions Bulletin, No. 57, 2002, 26. 322 - Weapons and Materials of Mass Destruction, Kananaskis, Kanada, June. www.g8.gc.ca/kan_DOCS/globpart-e.asp 323 - NATO 2002, „Erklärung zu den Verteidigungsfähigkeiten“, 6. Juni 2002. Internationale Politik 57, Nr. 7, 125-127.

387 324 - ICRC 2002, Biotechnology, Weapons and Humanity. Appeal of the International Committee of the Red Cross. September. Genf. 325 - http://www.cmc.sandia.gov/bio/rsvp/index.html 326 - Nunn, S., G.H. Brundtland and M. Hamburg 2002, „Formation of WHO-NTI Emergency Outbreak Response Fund“. Press Conference with the World Health Organization and Nuclear Threat Initiative. Washington, D.C., 2 December. Federal News Service, Inc.

388

ERREGER-INDEX

Alphaviren Viren ...... 233, 261, 344, 346 ➝ Togaviren ...... 199, 355 Ebola-Virus Amikäfer ➝ Hämorrhagisches-Fieber- ➝ Kartoffelkäfer ...... 11, 23, Viren ...... 39, 233, 187-189, 193-195 275, 300, 345, 346 Anthrax-Bakterien EEEV ➝ Bacillus anthracis . . . . 275, 318 ➝ Östliche-Pferde-Enzephalitis- Anthrax-Sporen Virus ...... 199, 348, 355 ➝ Bacillus anthracis . . . . . 32, 123, Enterovirus 17 ...... 263 139, 149, 154, 155, 157, 255, 259, Escherichia coli ...... 213 269, 278, 281, 282, 284, 287, 327, Fleckfieber-Erreger . . . . . 71, 123, 347 126, 179, 206, 207, 230, 240, 300, Bacillus anthracis ...... 32, 111, 353 113, 114, 118, 123, 139, 150, 152, Francisella tularensis . . . 94, 160, 159, 244, 263, 275, 278, 280, 283, 345, 353, 354 285, 328, 341, 347, 348, 378 Gasbrand-Erreger Bacillus botulinum ...... 149 ➝ Clostridium perfringens . . . . 84, Bacillus globigii ...... 213 102, 103, 125, 126, 172, 244, 261, Bacillus prodigiosus 262, 344, 345 ➝ Serratia marcescens ...... 49 Gelbfieber-Virus Botulin ➝ Hämorrhagisches-Fieber- ➝ Botulinum-Toxin . . . 63, 85, 102, Viren ...... 207, 233, 139, 149, 155-157, 166, 198, 227, 244, 263, 345, 346 261-263, 270, 275, 342, 343, 351 Getreiderostpilze ...... 71, 223 Botulinum-Toxin ...... 62, 63, Grippe 84, 90, 126, 139, 150, 152, 155, ➝ Influenza ...... 46, 56, 165, 206, 232, 260, 262, 268, 269, 156, 200, 278, 293, 351 275, 278, 334, 342, 353, 362, 363 Hämorrhagisches Krim-Kongo- Brucella suis Fieber-Virus ➝ Bruzellose-Erreger ...... 98 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Bruzellose-Erreger ...... 39, 46, Viren ...... 233 126, 155, 198, 202, 206, 227, 300 Hämorrhagisches- Cholera-Erreger Fieber-Virus ...... 39, 41, ➝ Vibrio comma ...... 46, 48, 126, 233, 300, 341, 343-347, 351 61, 62, 66, 71, 90, 123, 126, 131, HFV 158, 172, 177, 179, 244, 261, 300 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Clostridium botulinum Viren ...... 346 ➝ Botulin, Botulismus-Toxin, Human-Rotavirus ...... 263 Botulismus ...... 62, 63, 342 Hydrogenomonas ...... 213 Clostridium perfringens . . . . 103, Influenza-Erreger ...... 56, 126 263, 344, 345 Junin-Virus Coccidioides immitis . . . 156, 199 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Colorado-Käfer Viren ...... 233, 346 ➝ Kartoffelkäfer ...... 134 Kamelpockenvirus . . 263, 264, 302 Coxiella burnetti . . . 200, 344, 351 Kartoffelkäfer ...... 23, 58, 85, Dengue-Virus 131, 134, 136, 138, 142, 145, 146, ➝ Hämorrhagisches-Fieber- 187, 189, 191-195, 197, 203, 366

391 Knallgasbakterien Östliche-Pferde-Enzephalitis- ➝ Hydrogenomonas ...... 213 Virus ...... 199, 348, 355 Kokzidioido-Mykose-Erreger Papageienkrankheit ➝ Coccidioides immitis . . . . 156, 199 ➝ Psittacose ...... 156, 157, 198 Koreanisches-hämorrhagisches Paratyphus-Erreger ...... 48, 66, Fieber-Erreger 126, 150 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Pasteurella tularensis Viren ...... 126 ➝ Francisella tularensis . . . . . 198 Krim-Kongo-Fieber-HFV Pest-Bakterien ➝ Hämorrhagisches-Fieber- ➝ Yersinia pestis ...... 36, 42, Viren ...... 233, 263, 346 64, 84, 86, 124, 125, 130, 131, Lassa-Virus 142, 147, 158, 159, 167, 176, 182, ➝ Hämorrhagisches-Fieber- 183, 232, 261, 292, 349 Viren ...... 233, 346, 347 Piricularia oryzae Machupo-Virus ➝ Magna porthe grisea ...... 223 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Pocken-Virus Viren ...... 233, 346, 347 ➝ Variola major ...... 21, 44, Magna porthe grisea 166, 232, 241, 243, 263, 264, 277, ➝ Reisbrandpilz ...... 223 298, 299, 301-304, 334, 349, 350, Marburg-Virus 354 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Pseudomonas mallei Viren ...... 233, 346, 347 ➝ Burkholderia mallei . . . 29, 350, Maul- und 352 Klauenseuche-Virus ...... 16, 17, Psittakose ...... 300 23, 46, 71, 108-110, 123, 145- Puccinia spec. 147, 203, 276, 323, 347, 348 ➝ Getreiderostpilze ...... 223 Melioidose ...... 300 Q-Fieber-Erreger Melitensis ...... 125 ➝ Coxielle burnetti . . . . . 200, 351 Micrococcus prodigiosus Reisbrandpilze ...... 223 ➝ Serratia marcescens ...... 49 Rifttal-Fieber-Virus Micrococcus radiodurans . . . 213 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Milzbrand-Bakterien Viren ...... 232, 233, 346, 351 ➝ Bacillus anthracis ...... 16-18, Rinderpestvirus ...... 84, 86, 21, 31-33, 35, 39, 51, 61, 62, 64, 124, 142 84, 102, 110, 111, 115, 117, 118, Rotz-Bakterien 123, 128, 142, 149, 152-154, 158, ➝ Burkholderia mallei . . . . 21, 29, 164, 183, 184, 223, 229, 231, 232, 30, 31, 32, 35, 65, 131, 182, 352 240, 246, 253, 255, 261, 264, 268, Ruhr-Erreger ...... 61, 71, 275, 281, 283, 287, 317 126, 131, 177 Milzbrand-Sporen Russische Frühjahrs-Sommer- ➝ Bacillus anthracis ...... 25, 32, Enzephalitis-Erreger ...... 352 33, 65, 85, 87, 112, 115-117, 124, Salmonella 131, 149, 152, 155-157, 255, 258- typhimurium ...... 273, 352 262, 272, 278, 280-282, 284, 286, Schweinepest-Erreger ...... 71 290, 343, 348 SEB MKS-Virus ➝ Staphylokokken- ➝ Maul- und Klauenseuche- Enterotoxin B ...... 162, 163, Virus ...... 17, 18, 352, 353 108-110, 142, 146, 147, 347, 348 Serratia marcescens ...... 48, 49, Mycobacterium 72, 80, 98, 144, 201, 213 tuberculosis ...... 159 Shigellose ...... 300, 352

392 Staphylokokken- Enterotoxin B ...... 39, 162, 200, 202, 227, 261, 352, 353 Tetanus-Erreger ...... 62, 71, 84, 102, 125, 126 Texas-Zecken ...... 131, 134 Tilletia ...... 263 Togaviren ➝ Venezolanische-Pferde- Enzephalitis-Virus, Östliche- Pferde-Enzephalitis-Virus, Westliche-Pferde-Enzephalitis- Virus WEE ...... 199, 355 Tollwut ...... 102 Tsutsugamishi- Fieber-Erreger . . . . . 126, 207, 353 Tuberkelbakterien ➝ Mycobacterium tuberculosis ...... 166, 295 Tuberkulose-Erreger ➝ Mycobacterium tuberculosis ...... 90, 126, 295 Tularämie-Erreger ➝ Francisella tularensis ...... 62, 90, 123, 125, 126, 155, 198, 202, 206, 223, 227, 232, 244, 324, 345 Typhus-Erreger ...... 46, 48, 62, 66, 123, 124, 126, 150, 158, 172, 274 Variola major ...... 44, 302, 349, 354, 380-382 VEEV ➝ Venezolanische-Pferde-Enze- phalitis-Virus . . . . 199, 300, 355 Venezolanische-Pferde- Enzephalitis-Virus ...... 39, 199, 200, 206, 223, 227, 232, 244, 300, 301, 355 WEEV ➝ Westliche-Pferde-Enzephalitis- Virus ...... 199, 355 Weizenbrand-Erreger ➝ Tilletia ...... 263 Westliche-Pferde-Enzephalitis- Virus ...... 355 Yersinia pestis ...... 41, 42, 152, 159, 176, 234, 277, 283, 349, 355

393 ORTSREGISTER

Aachen ...... 157 Dresden ...... 193 Afghanistan ...... 231 Dugway, Utah . . . . . 157, 172, 284 Ägypten ...... 324 Feodossija ...... 40 Aksu ➝ Stepnogorsk ...... 257 Finnland ...... 312 Ames, Iowa . . . 283, 284, 290, 353 Florida ...... 202, 280 Aralsee ...... 90, 206, 257 Fort Pitt ...... 42, 43, 45 Aralsk ...... 206, 257, 367 Frankenberg/Sa...... 142, 160 Argentinien ...... 32, 34, 35, 290 Frankfurt am Main . . . . 157, 253, Asilomar, CA ...... 239, 240 359, 366 Astrachan ...... 160 Frankreich ...... 11, 21, Äthiopien ...... 59 31, 46, 49, 58, 62, 69, 78, 79, 84, Australien ...... 58 85, 101, 103, 119, 121, 123, 135, Bagdad ...... 260, 299, 375 137, 139, 145, 195, 205, 299, 303, Beijing ...... 126, 128 312, 322, 329, 345, 351 Berchtesgaden ...... 163 Frederick, MD ...... 156, 247 Berlin ...... 16-20, 27, Fulton, Missouri ...... 197 28, 31, 32, 34, 54, 72, 77, 100, Genf ...... 22, 23, 110-113, 121, 124, 125, 130, 142, 56-60, 62, 90,102, 126, 136, 149, 147, 157, 168, 169, 187, 192, 193, 150, 221, 305, 308, 312, 314, 319, 203, 204, 217, 246, 248-250, 308, 321, 329, 331, 345, 350, 385, 387, 348, 358, 361, 363, 365, 366, 368, 388 370, 376, 381, 383, 385 Genua ...... 40 Bordeaux ...... 187 Geraberg bei Ilmenau ...... 142 Budapest ...... 96 Grafschaft im Sauerland . . . . 209 Bukarest ...... 29, 31, 35 Granada ...... 230 Cartagena ...... 31 Greiz ...... 193 Chabarowsk ...... 23, 168, Großbritannien ...... 11, 16, 172, 173, 186, 204, 205 22, 23, 33, 58, 60, 96, 99, 139, Changchun ...... 128 202, 208, 225, 232, 303, 354 China ...... 23, 42, Guanzhou ...... 128 58, 101, 113, 197, 315, 324, 349, Güstrow ...... 192 357, 362, 365 Hamburg ...... 72, 111, Dachau ...... 142 157, 286, 359, 380, 388 DDR ...... 23, 187-189, Harbin ...... 126 192-195, 197, 203, 209, 211, 214, Horn von Afrika ...... 231 218-222, 225, 235, 248-250, 306, Indien ...... 324 307, 309, 311, 312, 328, 346-348, Indochina ...... 113 368, 370 Irak ...... 15-18, Deutschland ...... 12, 16, 24, 25, 58, 59, 63, 85, 103, 254, 18, 19, 27, 29, 46, 49, 57-60, 65- 260-271, 283, 286, 299, 302, 324, 67, 69, 71, 76, 84-86, 89, 99-103, 326, 328, 329, 343, 345, 351, 374, 105, 106, 109, 110, 112, 118, 121, 375 131, 136, 139, 141, 150, 155, 156, Iran ...... 374 159, 171, 187, 189, 195, 197, 208- Irland ...... 182, 312, 354 210, 216, 230, 246, 267, 290, 292, Israel ...... 58, 262, 297, 303, 309, 322, 323, 347, 358, 265, 299, 303, 308, 309, 324, 332, 368, 370, 382, 383, 385 373, 383, 385, 386

394 Italien ...... 22, 41, New York ...... 25, 69, 50, 59, 88, 96, 100, 102, 262 201, 282, 303, 305, 313, 357, 359, Japan ...... 11, 22, 366, 367, 372, 374-378, 381, 382, 23, 42, 60, 94, 103, 126, 130, 175- 384, 388 177, 277, 322, 329, 331, 345, 349, Nordkorea ...... 15, 16, 354, 366 197, 299, 324 Jekaterinburg ...... 253, 257 Nordvietnam ...... 163 Kaffa ...... 40, 41 Norwegen ...... 32 Kairo ...... 141 Nürnberg ...... 19, 23, Kanada ...... 22, 58, 105, 168, 170-172, 185, 204, 208, 102, 131, 139, 154-156, 201, 202, 358, 365 225, 303, 312, 350, 388 Obersalzberg ...... 163 Kanton ...... 128 Obolensk ...... 256 Karibik ...... 202 Ostberlin . . . . . 169, 187, 193, 204 Kasachstan ...... 257, 373 Pakistan ...... 324 Kiew ...... 161 Palästina ...... 332 Kirow ...... 159, 205, 257 Palm Beach County, Kongo, Demokratische Florida ...... 280 Republik ...... 166, 233, Paris ...... 48, 69, 263, 302, 346 72, 73, 76, 77, 79, 80, 87, 88, 112 Konstantinopel ...... 41 Pazifik ...... 101, 173, 177, 202 Kosovo ...... 231 Perkuschkowo ...... 89, 159 Krim ...... 40, 161, 233, 263, 346 Persischer Golf ...... 232 Kruft ...... 142 Petersburg ...... 50 Kuwait ...... 261 Pingfan ...... 126, 127, Lawton ...... 278 172-175, 204, 205 Leningrad . . . . . 89, 159, 254, 256 Pola ...... 31 Libyen ...... 324 Polen ...... 34, 69 Lissabon ...... 165 Porton Down ...... 150, 153, London ...... 16, 19, 157, 272, 317 36, 69, 70, 72, 73, 76, 77, 79, 96, Portugal ...... 165 97, 99, 102, 103, 131, 149, 150, Posen ...... 142, 147 166, 167, 213, 272, 291, 292, 358, Quedlinburg ...... 203 359, 361 Rangun ...... 128 Lüneburger Heide . . 17, 108-110 Rom ...... 96 Mainz ...... 230 Rostow ...... 161 Mandschukuo ...... 61, 126 Rumänien . . . . 29, 30, 34, 35, 131 Mandschurei ...... 61, 101, 173 Russland ...... 16, 58, McAlester ...... 278 66, 77, 135, 159, 161, 195, 257, Mecklenburg ...... 189, 192, 193 298, 299, 315, 318, 324 Medicine Hat, Alberta . . . . . 202 Sachsen ...... 189 Minsk ...... 161 Sachsen-Anhalt ...... 189 Moskau ...... 16, 50, Sachsenburg ...... 142, 160, 203 66, 67, 77, 88, 89, 159, 205, 230, Sagorsk ...... 159, 205, 206, 257 253, 299 San Francisco . . . . . 201, 249, 272 München ...... 19, 70, SBZ ➝ Sowjetische 357, 358, 359, 361, 362, 365, 369, Besatzungszone ...... 187, 203 377 Schweden ...... 225 Najing (Nanking) ...... 128 Schweiz ...... 31, 149 Namibia ...... 246 Sergejew-Posad ➝ Sagorsk . . . . . 159, 205, 206, 257

395 Shanghai ...... 128 Vert-le-Petit ...... 84, 87 Singapur ...... 128 Warschau ...... 161, 222 Sowjetische Wasco County, Besatzungszone ...... 187, 203 Oregon ...... 273, 274 Sowjetunion ...... 11, 15, Washington D.C...... 16, 19, 18, 19, 22, 24, 42, 44, 58, 62, 63, 157, 170, 179, 182, 269-271, 277, 66, 67, 77, 88, 90, 94, 109, 141, 279, 280, 282, 358, 361, 364, 371, 158, 197, 199, 200, 203, 206, 207, 373, 374, 380, 386, 388 228, 233, 254, 255, 259, 260, 283, Wien ...... 142, 203 298, 301, 309, 310, 312, 313, 318, Wilhelmshaven ...... 157 322, 323, 325, 326, 331, 343, 346, Wlasia 347, 349-351, 354, 355 ➝ Perkuschkowo ...... 89, 159 Spanien ...... 31, 34 Woroschilowgrad ...... 161 Stalingrad ...... 159, 161, 365 Wosroschdenije . . . . 90, 206, 257 Stepnogorsk ...... 257, 258, Zimbabwe ...... 246 313, 327, 373 Stuttgart ...... 157, 377 Sudan ...... 324 Suffield ...... 155, 157, 202 Surat ...... 290, 379 Swerdlowsk ...... 15, 24, 205, 206, 253-255, 257, 305, 309, 313, 373 Syrien ...... 324 Taiwan ...... 324 The Dallas, Oregon ...... 24, 273, 274 Thüringen ...... 189, 190 Tokio ...... 25, 61, 126, 168, 175, 179, 185, 274, 275, 291, 365 Trenton, New Jersey . . . 280, 282 Trondheim ...... 33 Tschechow ...... 256 Tulsa ...... 278 Tuttenhof bei Wien ...... 142 Ukraine ...... 257 Ungarn ...... 22, 96, 131, 312 Ural ...... 148 USA ...... 15, 16, 18, 22-25, 32, 42, 56, 58, 63, 65, 85, 94, 100-102, 131, 135, 138, 139, 141, 143, 147, 154-157, 169, 172, 173, 176, 179, 181, 183, 187, 189, 193, 197-202, 204, 207, 208, 223, 224, 227, 228, 232-234, 237, 246, 248, 249, 253, 254, 261, 262, 264, 265, 267, 269, 270, 276-279, 281, 283, 284, 286, 289, 291, 298, 301-304, 312, 315- 319, 323, 324, 329-331, 336, 343, 346, 349, 351, 353-355, 366, 371, 373, 374, 378, 379, 384, 385, 388

396 SACHREGISTER

ABC-Spürpanzer Fuchs . . . . . 245 Amerikanische Gesellschaft zur Abrüstungskonferenz ...... 59 Förderung der Abteilung Kliewe ...... 142 Wissenschaft ...... 248 Abteilung Wissenschaft des Allge- Amikäfer meinen Wehrmachtamtes . . . . 146 ➝ Kartoffelkäfer ...... 11, 23, Abwehr ...... 19, 52, 187-189, 193-195 64, 66, 92, 106, 107, 113-115, Amt für Technologiefolgen- 119, 128, 131, 132, 134-136, 138, abschätzung ...... 235 139, 141, 159, 161, 212, 297, 361 Amt für Wasserreinigung der Admiralstab ...... 34 Kwantung-Armee Aerobiologie ...... 209, 211, ➝ Unit 731 ...... 126, 128 212, 214-217, 219, 369 Anthrax Aerosol ...... 232, 233, ➝ Milzbrand ...... 3, 10, 262, 263, 274, 275, 277, 278, 11, 15, 23, 32, 102, 110, 111, 113, 283, 292, 301, 329, 341, 343, 123, 139, 149, 152, 154-157, 346, 349, 351-353, 355 233, 255, 259, 261-263, 269, Aflatoxin ...... 262-264, 268 270, 275, 278-289, 291, 318, Agricultural and Water Resources 322, 327, 334, 341, 347, 348, Research Center, Fudhaliyah . 263 358, 362, 367, 371, 373, 378, 379 AIDS ...... 327, 341, 373 Anthrax-Bakterien Airfield 37 ...... 263 ➝ Bacillus anthracis . . . . 275, 318 Akademie der Wissenschaften der Anthrax-Sporen DDR ...... 219, 341 ➝ Bacillus anthracis . . . . . 32, 123, Akademie der Wissenschaften der 139, 149, 154, 155, 157, 255, USA ...... 239, 277 259, 269, 278, 281, 282, 284, al Dawrah Foot and Mouth 287, 327, 347 Disease Vaccine Facility ...... 263 Antikörper . . . . . 85, 245, 311, 351 al Hakam Single-cell Protein Arbeitsgemeinschaft Production Plant ...... 263 Blitzableiter ...... 136, 138, AllAID 145, 161, 169 ➝ Allianz gegen Infektions- Arms Control krankheiten ...... 333, 341, 387 Association ...... 324, 359, 360 Allianz gegen biologische Ärzteprozess ...... 105, 170, 171 Bedrohungen ...... 338 ATCC Allianz gegen den ➝ American Type Culture Terrorismus ...... 338 Collection ...... 261, 341 Allianz gegen Attentate Infektionskrankheiten . . . 333, 341 ➝ Schacht ...... 11, 23, 162, 353 Alphaviren Attentate ➝ Togaviren ...... 199, 355 ➝ Hitler ...... 163, 164 Al-Qaida ...... 266, 282, Attentate 286, 292, 304 ➝ Strasser ...... 164, 165 Alsos-Mission ...... 80, 88, Attentate 136, 141, 169 ➝ Heydrich ...... 165 American Type Culture Attentate Collection ...... 261, 341 ➝ Lumumba ...... 166

397 Attentate Biowaffen, Ausbringung . . 47, 49, ➝ Markov ...... 166 123, 124, 138, 143, 146, 341 Attentate Biowaffen, Bewertung . . . . 38, 47, ➝ Castro ...... 166, 388 77, 106, 117, 119, 317, 326 Attentate Biowaffen, ➝ Korczak ...... 167 Hitlers Verbot ...... 23, 133, Attentate 139, 146, 323 ➝ Kostov ...... 167 Biowaffen, Attentate Munitionierung ...... 18, 85, ➝ Trotzki ...... 167 139, 157, 263, 281, 323 Aum-Shinrikyo- Biowaffen, psychologische Sekte ...... 25, 276, 291 Wirkung ...... 289 Außenministerium Biowaffen, Verbreitung durch der USA ...... 181, 234 Agenten ...... 17, 18, Auswärtiges Amt ...... 76, 370 34, 35, 52, 67, 72, 73, 80, 91, 98, Azziziyah Schießplatz ...... 263 100, 111, 115, 121, 123, 135, 138, Bacillus anthracis 139, 161, 163, 207, 219, 221 ➝ Anthrax, Milzbrand . . . 32, 111, Biowaffen-Konvention . . . . 24, 25, 113, 114, 118, 123, 139, 150, 152, 225, 227-231, 235, 237, 239, 159, 244, 263, 275, 278, 280, 245, 250, 253-255, 257, 259, 283, 285, 328, 341, 347, 348, 378 260, 305-309, 311, 313-316, 319, Bacillus botulinum ...... 149 320, 324, 329, 331, 332, 338, Bacillus globigii ...... 213 342, 343, 354, 370, 383 Bacillus prodigiosus Biowaffenprogramm, ➝ Serratia marcescens ...... 49 britisches ...... 18 bakteriologisches Labor der Biowaffenprogramm, Kommission für Chemische deutsches ...... 110 Studien und Experimente . . . . . 48 Biowaffenprogramm, Balkangrippe französisches ...... 79, 108 ➝ Q-Fieber ...... 39, 161, Biowaffenprogramm, 198, 200, 206, 207, 223, 232, irakisches ...... 17, 24, 300, 324, 344, 351 103, 260, 261, 264, 265, 302, 345 Behringwerke Biowaffenprogramm, Marburg ...... 159, 160 japanisches ...... 60, 94, BILD ...... 253 125, 126, 172, 173, 323, 354 Biochip ...... 245 Biowaffenprogramm, Biopräparat ...... 256 sowjetisches ...... 11, 19, Bio-response Working 25, 50, 51, 62, 64, 65, 67, 88, 90, Group ...... 337 94, 159, 199, 200, 252, 254, 301, Biosabotage ...... 18, 27, 309, 313, 355 29, 32, 35, 36, 46, 50, 61, 128, Biowaffenprogramm, 135, 150, 276, 329 US-amerikanisches . . . . . 101, 198, Biosecurity 199, 200, 246, 283 Convention ...... 331, 386 Bioweapons Monitor ...... 321 Biotechnologie ...... 24, 219, Bioweapons Prevention 227, 234, 235, 237, 241-243, Project ...... 321, 360 247, 256, 259, 273, 298, 306, Blitzableiter-Komitee 317, 325, 337, 352 ➝ Arbeitsgemeinschaft Biotechnology Industry Blitzableiter ...... 136, 138, Organisation ...... 317 145, 161, 169 Biowaffen der zweiten Blutproben ...... 311 Generation ...... 236, 242

398 Botulin Central Intelligence Agency ➝ Botulinum-Toxin ...... 63, 85, ➝ CIA ...... 344, 375 102, 139, 149, 155-157, 166, Centre d’etudes du 198, 227, 261-263, 270, 275, Bouchet ...... 202 342, 343, 351 Chekiang-Offensive ...... 106 Botulinum-Toxin ...... 62, 63, Chemical Defence Experimental 84, 90, 126, 139, 150, 152, 155, Station Porton Down ...... 152 165, 206, 232, 260, 262, 268, Chemical Warfare 269, 275, 278, 334, 342, 353, Service ...... 101, 364, 386 362, 363 Chemiewaffen- Botulismus ...... 9, 63, Konvention ...... 16, 353 207, 232, 261, 300, 342, 343 chemische Brucella suis Kampfstoffe ...... 117, 136, ➝ Bruzellose-Erreger, 172, 212, 344 Maltafieber ...... 198 Chemisches Forschungsinstitut Bruzellose ...... 39, 46, der französischen Marine . . . . . 46 126, 155, 198, 202, 206, 227, 300 Chemisch-pharmazeutisches Bruzellose-Erreger ...... 39, 46, Institut Moskau ...... 89 126, 155, 198, 202, 206, 227, 300 Cholera ...... 46, 48, B-Schutz 61, 62, 66, 71, 90, 123, 126, 131, ➝ Schutzforschung ...... 25, 84, 158, 172, 177, 179, 244, 261, 300 138, 139, 143, 144, 145, 230, Cholera-Erreger ...... 46, 48, 231, 243, 245, 257, 284, 286, 61, 62, 66, 71, 90, 123, 126, 131, 289, 290, 301, 316, 318, 324, 158, 172, 177, 179, 244, 261, 300 332, 336, 342, 343, 372 CIA Bundesministerium der ➝ Central Intelligence Verteidigung ...... 212, 215, 342 Agency ...... 15, 162, Bundesministerium für wissen- 163, 166, 167, 200, 227, 246, schaftliche Forschung ...... 214, 248, 261, 262, 264, 265, 271, 342, 368, 369 276, 285, 301, 318, 322, 326, Bundestag ...... 240, 305, 327, 344, 348, 374 306, 310, 370, 372, 382, 383, 386 Cipro Bundesverteidigungsministerium ➝ Ciprofloxacin ...... 290 ➝ Bundesministerium der Ciprofloxacin ...... 2, 280, Verteidigung ...... 209 282, 291, 348 Bundeswehr ...... 212, 213, Clostridium botulinum 245, 373 ➝ Botulin, Botulismus-Toxin, Bunker ...... 107, 258 Botulismus ...... 62, 63, 342 BWC Clostridium perfringens ➝ Biowaffen-Konvention . . . . . 324, ➝ Gasbrand ...... 103, 263, 331, 343, 354, 360, 364, 367, 344, 345 371, 377, 383-385, 387 Coccidioides immitis Camp Bani Sa'ad ...... 263 ➝ Kokzidioido-Mykose . . . 156, 199 Camp Detrick ...... 155, 156, Colorado-Käfer 163, 176, 179, 198 ➝ Kartoffelkäfer ...... 134 cattle cakes ...... 152 Committee of Imperial CDC Defence ...... 112, 361 ➝ Centers for Disease Control and COSPAR ...... 213, 344 Prevention ...... 261, 276, Coxiella burnetti 287, 298, 300, 344, 378, 381, 388 ➝ Q-Fieber ...... 200, 344, 351 Centers for Disease Control and Daily Telegraph ...... 253 Prevention ...... 261, 344 Dark Harvest ...... 272

399 Dark Winter ...... 277, 278, Fraunhofer- 298, 377 Gesellschaft ...... 209, 212, Defence Research 214, 216, 345, 368, 369 Establishment ...... 202 G8-Staaten ...... 337, 388 Defense Intelligence Gasbrand ...... 102, 103, Agency ...... 317 125, 126, 172, 244, 261, 344, 345 Delawaren ...... 43 Gasbrand-Erreger Dengue-Virus ➝ Clostridium ➝ Hämorrhagisches-Fieber- perfringens ...... 84, 102, Viren ...... 233, 261, 344, 346 103, 125, 126, 172, 244, 261, Deutsche Presse Agentur 262, 344, 345 ➝ dpa ...... 249 Gasödem Deutsches Ärzteblatt ...... 380 ➝ Gasbrand ...... 103, 345 dpa Geflügelpest ...... 157 ➝ Deutsche Presse Geheimdienstberichte . . . . . 70, 87, Agentur ...... 249, 250, 90, 99, 106, 110, 121, 136, 137, 272, 365, 376, 379, 382, 141, 149, 261, 336 Ebola-Virus Geheimdienstberichte, ➝ Hämorrhagisches-Fieber- falsche ...... 18, 156 Viren ...... 39, 233, Gelbfieber-Virus 275, 300, 345, 346 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- EEEV Viren ...... 207, 233, ➝ Östliche-Pferde-Enzephalitis- 244, 263, 345, 346 Virus ...... 199, 348, 355 genetic engineering Einheit 731 ➝ Gentechnik ...... 234, 240, 372 ➝ Unit 731 ...... 179 Genfer Protokoll Einrichtung Nr. 19 ...... 255, 257 ➝ Protokoll über das Verbot der Enterovirus 17 ...... 263 Verwendung von erstickenden, Escherichia coli ...... 213 giftigen oder ähnlichen Gasen EU ...... 384 sowie von bakteriologischen Europäische Kommission . . . . 337 Mitteln im Kriege ...... 22, 23, Europäische Union 57-60, 62, 90, 102, 136, 149, ➝ EU ...... 217, 313, 370, 384 150, 314, 329, 331, 345, 350 Exobiologie ...... 214 Genomics ...... 237 Feldversuche ...... 16, 18, Gentaxi ...... 235 65, 85, 109, 110, 123, 144-147, Gentechnik ...... 12, 24, 152, 200, 202, 224, 257, 263, 224, 227, 232, 234, 237, 239- 323, 351 241, 243, 245, 247, 250, 282, Fleckfieber ...... 126, 179, 317, 328, 330, 359, 373 206, 207, 230, 240, 300, 353 Gentechnologie Fleckfieber-Erreger . . . . .71, 123, ➝ Gentechnik ...... 240, 243 126, 179, 206, 207, 230, 240, Getreiderostpilze ...... 71, 223 300, 353 Glanders Flöhe ...... 124, 125, ➝ Rotz ...... 131 128, 142, 176, Globales Pathogen-Überwa- Forschungsinstitut für Mikro- chungsgesetz ...... 337 biologie der Roten Golfkrieg ...... 15, 24, 59, Armee ...... 89, 159 97, 230, 232, 262, 271, 328, 347 Francisella tularensis Golfkrieg, Zweiter ...... 97, 230, ➝ Tularämie ...... 94, 160, 232, 262, 347 345, 353, 354 Granite Peak Frankfurter Allgemeine Installation ...... 156, 157 Zeitung ...... 251, 366, 376

400 Grippe 333, 335, 336, 343, 345, 346, ➝ Influenza ...... 46, 56, 348, 349, 351-353, 355, 382 156, 200, 278, 293, 351 Indianer-Aufstand ...... 43 Grosse Isle ...... 155 Influenza ...... 56, 126 Hämorrhagisches Influenza-Erreger ...... 56, 126 Fieber ...... 39, 41, Informatik ...... 237 126, 300, 341, 343, 344, 345- Informationsaustausch ...... 311 347, 351, 353 Insel Gorodomlia ...... 90 Hämorrhagisches Krim-Kongo- Insel Gruinard . . . . . 152, 154, 272 Fieber-Virus Insel Wosroschdenije . . . . 90, 206, ➝ Hämorrhagisches-Fieber- 257 Viren ...... 233 Inspektion der Artillerie ...... 52, Hämorrhagisches-Fieber- 76, 77, 143 Viren ...... 39, 41, Inspektion der 126, 233, 300, 341, 343-347, 351 Nebeltruppen ...... 115, 117 Hantan-Virus ...... 233 Institut für Aerobiologie . . . . . 209, Harvard-University . . . . . 224, 360 211, 212, 214-217, 219, 346, 369 Hasenpest Institut für Bakteriologie ➝ Tularämie . . . . . 39, 94, 207, 353 Leningrad ...... 89, 159, 254 Hauptkriegsverbrecher- Institut für Entomologie der prozess ...... 168, 204 Waffen-SS ...... 142 Heeres-Sanitätsinspektion . . . 76, Institut für Gesundheitsforschung 77, 106, 107, 115, 168 Moskau ...... 89 Heeresversuchsstelle Institut für hygienisch-bakteriolo- „Raubkammer“ ...... 109 gische Arbeitsverfahren ...... 214 Heeres-Veterinärinspektion . . 77, Institut für Kulturpflanzen- 117 forschung ...... 142, 203 HFV Institut für Medizin und ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Biologie ...... 204 Viren ...... 346 Institut für Mikrobiologie der Himmler-Bombe ...... 70 Wehrmacht 16, 112, 121, 142, 203 HIV Institut für Mikrobiologie und ➝ Humanes Immundefizienz- Epidemiologie Saratow ...... 90 Virus ...... 247, 251, 385 Institut für ultrareine biologische Hochsicherheits- Präparate ...... 254 laboratorien ...... 284, 311, 336 intellektuelles Eigentum . . . . . 317 Horn Island ...... 156, 157 Internationales Komitee des Hühner-Cholera ...... 123 Roten Kreuzes ...... 360 Human-Rotavirus ...... 263 Joint Vaccine Acquisition Humboldt-Universität ...... 204 Program ...... 232 Hydrogenomonas ...... 213 Junin-Virus Hygienisch-bakteriologisches ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Institut ...... 121, 214 Viren ...... 233, 346 IG Farben ...... 70 Kalter Krieg ...... 12, 42, Immuntechnik ...... 237 163, 197, 198, 205, 208, 223, Impfpocken-Virus 225, 325, 349 ➝ Vakzinia-Virus ...... 354 Kamelpockenvirus . . . . . 263, 264, Impfstoff 302 ➝ Vakzine ...... 12, 29, Kamikaze-Flieger ...... 101 32, 40, 42, 44, 85, 87, 94, 99, Kartoffelkäfer ...... 23, 58, 103, 109, 155, 156, 159, 162, 85, 131, 134, 136, 138, 142, 145, 199, 203, 229-236, 245, 261, 146, 187, 189, 191-195, 197, 283, 284, 304, 312, 317, 332, 203, 366

401 Kartoffelkäfer- Maltafieber Forschungsstation ...... 142 ➝ Melitensis ...... 156, 157, KGB 198, 227, 244 ➝ NKGB ...... 166, 167, Mandan ...... 45 205, 251, 254, 347 Marburg-Virus Killervirus ...... 241 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Knallgasbakterien Viren ...... 233, 346, 347 ➝ Hydrogenomonas ...... 213 Marshall Plan ...... 200 Kokzidioido-Mykose . . . . 156, 199 Maul- und Klauenseuche . . . . . 16, Kokzidioido-Mykose-Erreger 17, 23, 46, 71, 108-110, 123, ➝ Coccidioides immitis . . . 156, 199 145-147, 203, 276, 323, 347, 348 Komitee für biologische Maul- und Klauenseuche- Kriegsführung (USA) ...... 143 Virus ...... 16, 17, Komitee zur biologischen 23, 46, 71, 108-110, 123, 145- Kriegsführung (UK) ...... 150 147, 203, 276, 323, 347, 348 Kommission für Mehltau ...... 7, 51 Bakteriologie (F) ...... 47, 79, 84 Melioidose ...... 300 Koreakrieg ...... 24, 197 Melitensis Koreanisches-hämorrhagisches ➝ Maltafieber ...... 125 Fieber-Erreger Menschenversuche . . . . . 182, 183, ➝ Hämorrhagisches-Fieber-Viren, 266 Hantan-Virus ...... 126 MfAA Kriegsbrauch im ➝ Ministerium für Auswärtiges Landkriege ...... 36, 54, 331 Angelegenheiten der Kriegsgefangene ...... 126, 128, DDR ...... 306, 347, 368 176, 230, 311 Microbial Research Kriegsseuche ...... 11, 96, Department ...... 202 97, 103, 150, 230, 231, 345, 347 Micrococcus prodigiosus Krim-Kongo-Fieber 233, 263, 346 ➝ Serratia marcescens ...... 49 Krim-Kongo-Fieber-HFV Micrococcus radiodurans . . . 213 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Mikrobengenetik ...... 224, 326 Viren ...... 233, 263, 346 Mikroelektronik ...... 237 Kühlungsborner Militärärztliche Akademie Kolloquium ...... 217, 218 Berlin ...... 108, 121, 142, 168 KZ-Häftlinge ...... 230 Militärchemisches Amt . . . . 62, 64 Laboratoire de Militärisches Institut für Prophylaxie . . . . . 84, 119, 120, 122 Veterinärmedizinische Forschung, Lassa-Virus Maisons-Alford ...... 87 ➝ Hämorrhagisches-Fieber- Militärmedizinische Akademie Viren ...... 233, 346, 347 Leningrad ...... 89 Läuse ...... 123 Militär-Veterinärakademie Le Bourget ...... 48 Berlin ...... 34 lebende Bomben ...... 128 Militärveterinär-Forschungs- Literaturnaja Gaseta ...... 373 laboratorium in Paris ...... 48 Luftschiffe ...... 36 Milzbrand ...... 7, 9, MacDonald-Plan ...... 60 12, 15, 18, 21, 23, 24, 31, 32, 34, Machupo-Virus 35, 39, 46, 51, 61, 62, 65, 70, 71, ➝ Hämorrhagisches-Fieber- 84, 87, 90, 111, 113, 115, 117, Viren ...... 233, 346, 347 126, 152, 153, 154, 155, 158, Magna porthe grisea 172, 177, 198, 206, 207, 208, ➝ Reisbrandpilz ...... 223 223, 227, 231, 232, 240, 244, 246, 253, 254, 255, 256, 257, 268, 275, 275, 278, 279, 280,

402 281, 283, 284, 287, 290, 300, Nationales Zentrum für ange- 302, 305, 308, 317, 322, 323, wandte Forschung ...... 48 341, 347, 348, 378, 379 NATO ...... 317, 332, 337, 388 Milzbrand-Bakterien N-Bomben ...... 155 ➝ Bacillus anthracis ...... 16-18, Neues Deutschland . . . . . 189, 209, 21, 31-33, 35, 39, 51, 61, 62, 64, 210, 216, 368, 370 84, 102, 110, 111, 115, 117, 118, New York Times ...... 25, 100, 123, 128, 142, 149, 152-154, 317, 366, 367, 374-378, 381, 158, 164, 183, 184, 223, 229, 382, 384, 388 231, 232, 240, 246, 253, 255, Nicht-Regierungs- 261, 264, 268, 275, 281, 283, organisationen ...... 319, 321, 287, 317 332, 333 Milzbrand-Brief- NKGB Bomben ...... 25, 322 ➝ KGB ...... 91 Milzbrand-Sporen NKWD ...... 19, 67, 164, 348 ➝ Bacillus anthracis ...... 25, 32, Nürnberger 33, 65, 85, 87, 112, 115-117, 124, Ärzteprozess ...... 23, 105, 131, 149, 152, 155-157, 255, 170, 171, 358, 365 258-262, 272, 278, 280-282, 284, Office of Strategic Services 286, 290, 343, 348 ➝ OSS ...... 149, 162, 348 Ministerium für Nationale Operation Aladin ...... 152 Verteidigung der DDR ...... 312 Operation Desert Fox ...... 265 Ministerium für Staatssicherheit Operation Foxley ...... 163, 164 der DDR Operation Vegetarier ...... 152 ➝ Stasi ...... 187, 219, OSS 220, 222, 308, 347 ➝ Office of Strategic MKS Services ...... 162, 348 ➝ Maul- und Östliche-Pferde-Enzephalitis- Klauenseuche ...... 17, 108, Virus 109, 110, 146, 347, 348 ➝ EEEV ...... 199, 348, 355 MKS-Virus Panik ...... 12, 251, ➝ Maul- und Klauenseuche- 288, 290-292, 304, 373 Virus ...... 17, 18, Panjepferde ...... 148 108-110, 142, 146, 147, 347, 348 Papageienkrankheit Molekularbiologie ...... 249, 372 ➝ Psittacose ...... 156, 157, 198 Moratorium ...... 239 Paratyphus ...... 48, 126 Mücken ...... 142 Paratyphus-Erreger ...... 48, 66, Museum für 126, 150 Naturgeschichte ...... 48 Pasteurella tularensis Muthanna State ➝ Francisella tularensis . . . . . 198 Establishment ...... 263 Pasteur-Institut ...... 47, 48, 87 Mycobacterium Patriot ...... 251 tuberculosis ...... 159 PCR National Strategy for Homeland ➝ Polymerase-Ketten- Security ...... 336 Reaktion ...... 244, 348, 350 Nationale Sprengstoff-Fabrik Pearl Harbor ...... 155 Bouchet ...... 48, 120 Penizillin ...... 103, 345 Nationaler Sicherheitsrat der Pentagon ...... 241, 262, USA ...... 202, 224, 277 281, 317, 318, 322, 380 Nationales Institut für Pest ...... 7, 21, Medizinische Forschung 39-42, 46, 51, 62, 66, 71, 90, 94, London ...... 96, 150 123-126, 147, 148, 155-160, 167, 168, 172, 176, 177, 198, 203,

403 206-208, 232, 236, 244, 256, Public Health Security and 261, 277, 278, 290-294, 298, Bioterrorism 300, 349, 353, 355, 365, 380 Response Act ...... 336, 388 Pest-Bakterien Puccinia spec. ➝ Yersinia pestis ...... 36, 42, ➝ Getreiderostpilze ...... 223 64, 84, 86, 124, 125, 130, 131, Q-Fieber ...... 39, 161, 142, 147, 158, 159, 167, 176, 198, 200, 206, 207, 223, 232, 182, 183, 232, 261, 292, 349 300, 324, 344, 351 Pharmaceutical Research and Q-Fieber-Erreger Manufacturers of America . . . 317 ➝ Coxielle burnetti . . . . . 200, 351 Pine Bluff Arsenal ...... 198 Quarantäne ...... 303 Piricularia oryzae Queens University ...... 155, 156 ➝ Magna porthe grisea, Rajneesh-Sekte ...... 24, 274 Reisbrandpilz ...... 223 Rapid Syndrome Validation Pocken ...... 12, 39, Project ...... 337, 360 40, 43-45, 126, 206, 207, 227, Ratten ...... 65, 107, 232, 243, 244, 278, 298-300, 108, 124, 125, 147, 148, 176 302-304, 349, 354, 382 Recht auf Pocken-Virus Selbstverteidigung ...... 333 ➝ Variola major ...... 21, 44, Reichsforschungsanstalt Insel 166, 232, 241, 243, 263, 264, Riems ...... 142, 146, 203 277, 298, 299, 301-304, 334, Reichsgesundheitsblatt ...... 292 349, 350, 354 Reichsinstitut für Grenzgebiete Politbüro ...... 187, 189, der Medizin ...... 142 192, 194, 250 Reichswehr ...... 11, 21, Polymerase-Ketten-Reaktion 50, 51, 55, 62, 70, 72, 76-79, 94, ➝ PCR ...... 244, 348, 350 111, 327, 363 Possew ...... 253 Reisbrandpilze ...... 223 Postfach 2076 ...... 257 Rifttal-Fieber-Virus Präventivschläge ...... 15-17, ➝ Hämorrhagisches-Fieber- 25, 267, 335, 338 Viren ...... 232, 233, 346, 351 Proliferation . . . 229, 371, 384, 385 Rinder ...... 17, 23, ProMedMail ...... 337, 360 31, 32, 35, 91, 108, 147, 152- Proteomics ...... 237 154, 347 Protokoll über das Verbot der Rinderpestvirus ...... 84, 86, Verwendung von erstickenden, 124, 142 giftigen oder ähnlichen Gasen Rizin ...... 39, 84, sowie von bakteriologischen 85, 157, 164, 166, 167, 232, 262, Mitteln im Kriege 263, 268, 270, 292, 300, 351-353 ➝ Genfer Protokoll ...... 57, 350 Robert Koch-Institut . . . . 54, 112, Pseudomonas mallei 203, 360 ➝ Burkholderia mallei . . . 29, 350, Rote Armee ...... 50, 51, 352 57, 77, 89, 94, 141, 147, 158, Psittakose 159, 168, 172, 173, 203, 324, 363 ➝ Papageienkrankheit ...... 300 Rotz ...... 29, 34, psychologische biologische 35, 39, 46, 62, 71, 123, 126, 148, Kriegsführung ...... 292, 293 156, 157, 177, 244, 256, 300, psychologische 343, 350, 352, 381 Kriegsführung ...... 197, 292, Rotz-Bakterien 295, 326, 380 ➝ Burkholderia mallei . . . . 21, 29, psychologische 30, 31, 32, 35, 65, 131, 182, 352 Wirkung ...... 107, 289 Ruhr-Erreger ...... 61, 71, Psychoterror ...... 304 126, 131, 177

404 Russische Frühjahrs-Sommer- Special Operation Enzephalitis-Erreger ...... 352 Executive ...... 163, 352, 353 Rüstungskontrollamt ...... 217 Spenitis Salman Pak ...... 263 ➝ Milzbrand ...... 131 Salmonella St. Bartholomew-the-Great . . 131 typhimurium ...... 273, 352 St. Thomas ...... 131 San-Joaquin-Tal-Fieber Staatliche Forschungsanstalt Insel ➝ Kokzidioido-Mykose ...... 156 Riems ...... 109, 203 Sarin ...... 243, 274, 275 Staatliches Forschungszentrum Schutzforschung für Virologie und Biotechnologie ➝ B-Schutz ...... 229, 325 „Vektor“ ...... 298 Schutzimpfung ...... 44, 63, Staphylokokken- 71, 105, 233, 234, 242, 243, 298, Enterotoxin B ...... 39, 162, 304, 342, 349 200, 202, 227, 261, 352, 353 Schutzimpfung gegen Stasi Milzbrand ...... 233 ➝ Ministerium für Staatssicherheit Schutzimpfung gegen der DDR ...... 218, 219, Pocken ...... 44, 243, 304, 349 220, 222, 308 Schweinepest-Erreger ...... 71 State Department ...... 235, 240 SEB Stockholmer Internationales ➝ Staphylokokken- Friedensforschungsinstitut Enterotoxin B ...... 162, 163, ➝ SIPRI ...... 219, 220, 352, 353 241, 339, 350 SED Suffield ...... 155, 157, 202 ➝ Sozialistische Einheitspartei Tabun ...... 243 Deutschlands ...... 189, 192, Taji Single-cell Protein 194, 217, 248 Production Plant ...... 263 Sektion Politik des Technisches Institut für Generalstabs ...... 27, 28, 33 Zoologie und Veterinärwesen Selbstmordattentäter ...... 101 Leningrad ...... 89 Senfgas ...... 73, 87, 123 Tetanus-Erreger ...... 62, 71, Serratia marcescens ...... 48, 49, 84, 102, 125, 126 72, 80, 98, 144, 201, 213 Texas-Zecken ...... 131, 134 Shigellose Threat Reduction Agency . . . . 318 ➝ Ruhr ...... 300, 352 Tilletia single-threat-Agens ...... 298 ➝ Weizenbrand-Erreger ...... 263 SIPRI Togaviren ➝ Stockholmer Internationales ➝ Venezolanische-Pferde-Enze- Friedensforschungs- phalitis-Virus, Östliche-Pferde- institut ...... 219, 221, Enzephalitis-Virus, Westliche- 241, 307, 339, 350, 352, 359, 376 Pferde-Enzephalitis-Virus, EEE, Slatogorow-Maslokowitsch- VEE, WEE ...... 199, 355 Laboratorium ...... 89, 159 Tollwut ...... 102 SOE TOPOFF 2000-Übung ...... 277 ➝ Special Operation Transparenz ...... 12, 245, Executive ...... 163, 164, 352 321, 322, 332, 334, 337 Solowezki-Inseln ...... 90 Trittbrettfahrer ...... 252, 290 Soman ...... 243 Truppenübungsplatz Munster- Sooner Spring-Übung ...... 278 Lager ...... 109 Sozialistische Einheitspartei Tsutsugamishi-Fieber- Deutschlands ...... 189 Erreger ...... 126, 207, 353 spanischer Bürgerkrieg ...... 100

405 Tuberkelbakterien Unterausschuss für bakteriologi- ➝ Mycobacterium sche Kriegsführung (UK) . . . . . 99 tuberculosis ...... 166, 295 Unterausschuss für notfallmedizi- Tuberkulose-Erreger nische Laboratoriumsdienste ➝ Mycobacterium (UK) ...... 99 tuberculosis ...... 90, 126, 295 URBAN 2000-Übung . . . . 277, 377 Tularämie ...... 39, 62, US Army Medical Research 90, 91, 94, 123, 125, 126, 155, Institute of Infectious Diseases 160, 161, 198, 202, 206, 223, 227, ➝ USAMRIID ...... 198, 354 232, 244, 256, 300, 324, 345, 353 USAMRIID Tularämie-Erreger ➝ US Army Medical Research ➝ Francisella tularensis . . 62, 90, Institute of Infectious 123, 125, 126, 155, 198, 202, Diseases ...... 281, 285, 206, 223, 227, 232, 244, 324, 345 286, 289, 299, 335, 354 Typhus-Erreger ...... 46, 48, V1 ...... 149 62, 66, 123, 124, 126, 150, 158, Vaccines for Peace 172, 274 ➝ VfP ...... 332, 355, 358, 387 U-Bahn ...... 12, 197, Vakzine 274, 288 ➝ Impfstoff ...... 91, 159, Überprüfungskonferenz . . . . . 306, 232, 233, 244, 245, 261, 301, 307, 308, 310-312, 319, 320, 303, 311, 312, 332, 333, 346 332, 372, 385 Vakzinia-Virus U-Boot ...... 31, 147 ➝ Impfpocken-Virus . . . . . 243, 302, Uji-Porzellanbombe ...... 129 354 UN Variola major ...... 44, 302, ➝ Vereinte Nationen . . . . 225, 254, 349, 354, 380-382 260, 265, 268, 270, 367, 374, VEEV 375, 385 ➝ Venezolanische-Pferde-Enze- UNESCO ...... 175 phalitis-Virus . . . . 199, 300, 355 ungewöhnliche Venezolanische-Pferde- Krankheitsausbrüche . . . 161, 311 Enzephalitis-Virus ...... 39, 199, Unit 100 ...... 128 200, 206, 223, 227, 232, 244, Unit 1644 ...... 128 300, 301, 355 Unit 1855 ...... 128 Vereinigung Deutscher Unit 731 ...... 126, 128 Wissenschaftler ...... 217, 363 Unit 8604 ...... 128 Vereinte Nationen ...... 197, 221, United Nations Monitoring, 225, 227, 262, 265, 305, 308 Verification and Inspection Verhaltenskodex für Commission Wissenschaftler ...... 320 ➝ UNMOVIC ...... 266, 354 Verifikation ...... 228, 305-307, United Nations Special 309-311 Commission vertrauensbildende ➝ UNSCOM ...... 262, 354 Maßnahmen ...... 12, 249, Unkrautsamen ...... 142, 203 310, 311, 315, 318 UNMOVIC VfP ➝ United Nations Monitoring, ➝ Vaccines for Peace . . . . 332-334, Verification and Inspection 355 Commission ...... 266, 268, Vietnamkrieg ...... 223, 301 269, 354, 375 Vigo Plant ...... 156, 157 UNSCOM Völkerbund ...... 49, 56, ➝ United Nations Special 59, 60, 322 Commission ...... 262, Warschauer Pakt ...... 222 264-267, 286, 354, 375

406 Washington Post ...... 286, 374, Zentralinstitut für 376, 379 Krebsforschung ...... 142, 147 Washington Times ...... 285 Zusatzprotokoll ...... 25, 303, WEEV 307-310, 315-317, 319, 331, 335 ➝ Westliche-Pferde-Enzephalitis- Virus ...... 199, 355 Wehrmacht ...... 16, 18, 21, 80, 105, 108, 111, 119, 121, 134, 142, 203, 224, 246, 324, 327, 328 Wehrmachtführungs- stab ...... 135, 143 Weizenbrand-Erreger ➝ Tilletia ...... 263 Weltkrieg, Erster ...... 27-29, 36, 38, 46, 50, 58, 66, 85, 103, 111, 234, 276, 322, 329, 345, 352 Weltkrieg, Zweiter ...... 18, 19, 42, 63, 85, 88, 95, 100, 101, 103, 105, 106, 108, 109, 111, 118, 119, 127, 130, 141, 142, 149, 153, 161, 162, 168, 174-176, 184, 187, 195, 197, 203, 208, 225, 246, 269, 292, 295, 323, 326, 329, 331, 343, 345, 347-349, 351, 353 Weltraumforschung ...... 213 Westeuropäische Union ➝ Europäische Union, EU ...... 217, 270 Westliche-Pferde-Enzephalitis- Virus ...... 355 Whistleblower ...... 71, 211, 216, 255, 259, 266, 267, 270, 283, 292, 326, 355 WHO ...... 44, 94, 299, 333, 337, 349, 354, 380, 381, 384, 387, 388 Wissenschaftliche Forschungs- und Produktionsanlage Stepnogorsk ...... 257, 258 wissenschaftlicher Gerätebau ...... 237 Wissenschaftlicher Senat für das Heeressanitätswesen ...... 54, 55 World Trade Center ...... 322 X-Waffen ...... 155 Yersinia pestis ➝ Pest ...... 41, 42, 152, 159, 176, 234, 277, 283, 349, 355 Zelltechnik ...... 237, 250

407 PERSONENREGISTER

Aken, Jan van . . . . . 286, 373, 379 Churchill, W...... 7, 51, Alhaznawi, Ahmed ...... 283 155, 197, 361 Alibek, Ken ...... 65, 161, Cieslak, Ted J...... 281, 371, 173, 205, 254, 255, 257, 259, 377, 381 285, 299, 301, 324, 326, 357, Curseen jr., Joseph ...... 279 363, 367, 373, 381 Daschle, Tom ...... 280, 281, Amherst, Sir Jeffrey . . 43, 44, 362 284, 288 Apen von ...... 158, 159 Delmer, Sefton . . . . 295, 297, 380 Aragon, Ferdinand von . . . . . 230 Denckmann, V...... 142 „Arnold“ ...... 32 Douglas, Stewart Ranken . . . . 96 Aspin, Les ...... 261 Ecuyer, Hauptmann ...... 43 Auer, Major ...... 52-54, 143 Eichler, Hansjörg ...... 142 Axen, Hermann ...... 250 Eisman, Hans Georg ...... 208 Balmer, Brian ...... 98, 357, Ekeus, Rolf ...... 265, 374 364, 365, 367 Feist, Manfred ...... 248 Banting, Sir Frederick Grant . . . . Fell, Norbert H...... 176, 177, 102-104, 149, 150 179, 183 Bärnighausen, Till . . . . . 174, 175, Fildes, Paul ...... 152, 154 184 Fischer, Joseph ...... 385 Barykin, Wladimir A...... 91 Fischman, Jakow . . . . . 51, 62-65, Bauer, H...... 142, 380 67, 90, 94 Bayer ...... 142, 145, 146 Forster, Don ...... 285 Beer, Angelika ...... 310, 383 Fox, Leon A...... 100, 101 Bergmann, Oberst ...... 76 Gaddafi, Muammar Al . . . . . 246 Berija, Lawrenti . . . . 91, 164, 205 Gildemeister, Eugen ...... 203 bin Laden, Osama . . . . . 282, 304 Gildemeister, Hermann . 142, 203 Bisa, Karl ...... 211, 368, 369 Ginsburg, A.N...... 62 Blair, Tony ...... 17, 267, 268 Glatzel, L...... 51, 52 Blanco, Ernesto ...... 280 Glenn, John ...... 254, 373 Blaškovič, Dionýz ...... 307 Goebbels, Josef ...... 163 Blix, Hans . . . . 266, 269, 271, 374 Göring, Hermann ...... 168 Blome, Kurt ...... 130, 138, Gross, Karl Josef ...... 142 142, 147, 148, 171, 203, 204 Haagen, Eugen ...... 204 Böhme, Helmut ...... 307 Hankey, Sir Maurice ...... 99 Borecký, Ladislav ...... 307 Harich, Wolfgang ...... 192 Brecht, Bertolt ...... 192 Harris, Larry Wayne . . . 283, 359, Brown, George S...... 228, 371 362, 364 Burton, Theodore H...... 56 Hatfill, Steven J...... 286, 379 Bush, George W...... 7, 15-17, Heinig, Alfred ...... 109 267, 268, 291, 292, 299, 304, Herbig, Werner ...... 193 319, 338, 361, 382 Heydrich, Reinhard ...... 165 Butler, Richard ...... 266, 375 Heym, Stefan ...... 246, 373 Calmette, Albert ...... 47 Himmler, Heinrich ...... 70, 86, Canaris, Wilhelm ...... 136, 364 130, 147, 148, 163, 165 Castro, Fidel ...... 166 Hindenburg, Paul von . . . . 69, 70 Cheney, Dick ...... 304 Hinsch, Friedrich ...... 32, 33 Chisholm, Brock ...... 149 Hirsch, Walter ...... 161

408 Hitler, Adolf ...... 11, 18, Malone ...... 234, 235 19, 22, 23, 60, 69, 70, 72, 78, Malzewa, Nelja N...... 299 105, 131, 132-137, 139, 143, Marguerre, Hans ...... 27, 135 144, 146, 151, 158, 163, 164- 166, 168, 191, 323, 327, 358 Markow, Georgi ...... 166 Hojo, Enryo ...... 124, 125 May, Eduard ...... 142, 364 Holmes, H. Allen ...... 254 McKee, Alexander ...... 43 Huxsoll, David ...... 234, 371 McQuail, Robert P...... 175 Ikle, Fred C...... 228, 371 Mechtersheimer, Ishii, Shiro ...... 60, 61, Alfred ...... 310, 383 125, 126, 172, 175, 179, 182, Mellanby, Sir Edward . . . 99, 150 183, 185, 360 Merck, George W...... 141, 364 Israeljan, Victor, L. . . . . 308, 309, Merker, Paul ...... 187, 189, 373, 383, 385, 386 192, 194 Janibeg ...... 41 Merkulow, Wsewolod ...... 66, Janka, Walter ...... 192 90-92 Jelzin, Boris ...... 25, 254, Mertes, Alois ...... 305, 382 256, 257, 259 Miller, Judith ...... 299, 359, Jewstignew, Walentin ...... 195 365-367, 370, 373-375, 378, 381, Johnson, Uwe . . . . . 192, 366, 372 384, 386 Jung, Friedrich ...... 307 Möllemann, Jürgen W...... 240, Kamal Hassan al-Majid, 372 Hussein ...... 265 Morris jr., Thomas . . . . . 279, 280 Kaplan, Martin . . . . 240, 372, 376 Mrugowsky, Joachim . . . 105, 171 Kawashiuma ...... 179 Müller-Hill, Benno ...... 251 Keitel, Wilhelm . . . . 134, 136, 168 Muntsch, Otto ...... 119 Kirchner, Hans-Alfred ...... 193 Mussi, Gabriel de ...... 41 Kirchner, K...... 296, 380 Nadolny, Rudolf ...... 27, 29, Kissinger, Henry A. . . . . 143, 224 31, 32, 34, 36, 59, 135, 361, 362 Kliewe, Heinrich ...... 110, 120, Nagel, H.C...... 142 121-125, 135-138, 142, 144, 145, Napoleon ...... 230, 240 149, 161, 170, 208, 293, 294, Nicolai, Walter ...... 27, 29, 361 363, 380 Nixon, Richard ...... 143, 202, Klotz, Helmut ...... 69-71, 79, 223-225, 227, 301, 338, 370 98, 102, 112, 327, 363 Nujoma, Sam ...... 246 Konrich, Friedrich ...... 38 Ochs ...... 142 Korczak, Boris ...... 167 Ochsner, Hermann . . . . 106, 107, Kostow, Wladimir ...... 167 115, 118, 289 Kritschewski, Ilja L...... 91 Ostertag, Robert von ...... 117 Kurasaba ...... 179 Otto, Richard . . . . 32, 33, 54, 298 Lebrun, Albert ...... 86 Owens, W...... 229, 371 Lederberg, Joshua . . . . . 224, 234, Pasetschnik, 235, 359, 365 Wladimir ...... 254, 299 Ledingham, John ...... 96, 99 Patrick III, William . . . . 281, 284, Leussink, Hans ...... 212 285, 371 Liepmann, Heinz ...... 113 Petras, Ehrenfried ...... 24, Linkin, G...... 88 209-218, 327, 368-370 Ljubarski, Wladimir A...... 91 Pfeiffer, Richard ...... 56 Ludendorff, Erich ...... 36 Rajneesh, Bhagwan Shree . . . 274 Lugar, Richard G...... 256, 373, Reagan, Ronald ...... 260 384 Reimer, W...... 142 Lumumba, Patrice ...... 166 Reitano, Hugo ...... 100

409 Richters, C. Eduard . . . . 50, 105, Steed, Wickham ...... 77-80, 88, 117 89, 96-102, 105, 271, 327 Riedel, G...... 142 Stevens, Robert ...... 9, 280 Riemer, Generalarzt . . . . . 54, 234 Stoltzenberg, Hugo . . . . . 110, 111 Ritter, Scott ...... 264-267, 328, Strasser, Otto ...... 164, 165 359, 374, 375 Stubbe, Hans ...... 142, 203 Rogosin, I.I...... 160 Stülpnagel, Rosen, Otto Karl von . . . . 32, 33, Paul Joachim von ...... 309, 383 377 Tito, Josef Broz ...... 167 Rosenberg, Barbaa . . . . 285, 377, Topley, William Whiteman 378, 379, 388 Carlton ...... 96, 99 Rosenfeld, Allan ...... 301, 381 Traub, Erich ...... 142 Rosenthal, Trillat, André ...... 46-48, 84, 87 Hans-Alfred ...... 248, 328 Trotzki, Leon ...... 167 Rothenberg, Mortimer A. . . . 172 Tschernow, Michail ...... 91 Rothmaler, Werner . . . . . 142, 203 Ulbricht, Walter ...... 192 Roux, Emile ...... 47, 48 Velu, H...... 80, 81, 84, 87 Rumsfeld, Donald H...... 260 Vogelsang, Thilo ...... 70 Sam, P...... 88 Wagner, Generalarzt . . . . 115, 119 Sanders, Murray ...... 173, 177 Wahl, Albert ...... 212, 368 Sartori, A...... 88, 89 Waldmann, Otto ...... 142, 203 Sartori, R...... 88, 89 Weizsäcker, Schabowski, Günter . . . . 209, 368 Ernst-Ulrich von . . . 217, 218, 370 Schacht, Hjalmar ...... 11, 23, Welikanow, Iwan 162, 353 Michailowitsch ...... 89, 91, 206 Schäfer, Werner ...... 142 Westing, Arthur ...... 235, 372 Schellenberg, Walter . . . 164, 165 Wichmann ...... 142 Schiwkow, Todor ...... 166 Wilhelm II...... 36 Schmidt, Helmut ...... 212 Winning, Erika von ...... 142 Schrader, Gerhard ...... 243 Winter, Stabsarzt ...... 234 Schreiber, Walter . . . 168-170, 208 Wirth, Fritz ...... 119 Schukow, Georgi Wolkogonow, Dimitri ...... 167 Konstantinowitsch ...... 198 Woroschilow, Kliment . . . . 62, 65, Schulze, Curt ...... 115-117 90 Schwartz, Martin ...... 142, 203 Zedong, Mao ...... 197 Schwarz, Otto ...... 142, 203 Zeiss, Heinrich ...... 66, 67, 91 Seeckt, Hans von ...... 51, 55 Zilinskas, Seel, Hans ...... 142, 204 Raymond A...... 272, 367, 386 Segal, Jakob ...... 246-252, 327, Zimmermann, Arthur ...... 34 328, 373 Seidel, Kurt ...... 248 Sellke, K...... 142 Sidel, Victor ...... 229, 371, 382 Slatogorow, Semen I...... 64, 65, 89 Smirnow, Leon N...... 173, 175 Sosnkowski, Casimir ...... 56 Spertzel, Richard O...... 286 Stalin, Josef W...... 11, 19, 22, 88, 158-161, 167, 197, 205, 323, 365

410