MELANCHTHONS ASTROLOGIE Der Weg der Sternenwissenschaft zur Zeit von Humanismus und Reformation

Jürgen G.H. Hoppmann (Hrsg.) Melanchthons Astrologie

Der Weg der Sternenwissenschaft zur Zeit von Humanismus und Reformation

Katalog zur Ausstellung vom 15. September bis 15. Dezember 1997 im Reformationsgeschichtlichen Museum Lutherhalle Wittenberg ISBN 3-9804492-8-9

© 1997 by Drei Kastanien Verlag, Wittenberg

Jürgen G.H. Hoppmann (Hrsg.): Melanchthons Astrologie Der Weg der Sternenwissenschaft zur Zeit von Humanismus und Reformation

Katalog zur Ausstellung vom 15. September bis 15. Dezember 1997 im Reformationsgeschichtlichen Museum Lutherhalle Wittenberg

Layout, Computersatz und Umschlaggestaltung: Jürgen G.H. Hoppmann Druck: Elbe-Druckerei Wittenberg GmbH Umschlag unter Verwendung eines Altarbildes von Lucas Cranach, 1518, Museum der bildenden Künste, Leipzig, sowie einer Grafik aus Sacrobosco, Libellum de spherae, Wittenberg 1550, Archiv des Herausgebers Inhalt

MARTIN TREU Zum Geleit ...... 7

EDELTRAUD WIEß NER Vorwort ...... 8

I - Causa Materialis: Die Sternenwissenschaften

WOLF-DIETER MÜLLER-JAHNCKE Magister Philippus und die Astrologie - eine kleine Zitatensammlung ...... 9

HEINRICH KÜHNE Wittenberg und die Astronomie ...... 10

EDGAR WUNDER Melanchthons Verhältnis zu Horoskopen - eine Beurteilung aus heutiger wissenschaftlicher Sicht ...... 13

GÜNTHER OESTMANN Das Astrolabium - ein universelles Mess- und Recheninstrument ...... 16

RÜDIGER PLANTIKO Die Horoskope Luthers und Melanchthons in der Deutung durch Lucas Gauricus ...... 18

ARNOLD ZENKERT Die Arachne von Görlitz - Dokument der Astrologie ...... 21

MANFRED SCHUKOWSKI Astronomische Monumentaluhren in Kirchen - Indikatoren für mittelalterliche Mentalitäten ...... 24

IRMGARD HÖß Georg Spalatin und die Astrologen ...... 27

GÜNTHER MAHAL Kannte Melanchthon Faust? Anfragen an eine ungewisse Semantik ...... 29

II - Causa Formalis: Himmlische Künste

JÜRGEN G. H. HOPPMANN Astrologische Ikonografie in Werken von Botticelli, Dürer, Cranach und Schaffner ...... 32

BERND A. MERTZ Leonardo da Vincis Abendmahl ...... 38

KARL RÖTTEL Religionspolitische und astronomische Themen in Hans Holbeins „The Ambassabors" ...... 42

OTTO KAMMER Eine neue Melanchthonbüste zum Jubiläumsjahr ...... 44

INGEBORG STEIN Musikalischer Ausdruck kosmologischer Ordnungen im Werk von Heinrich Schütz ...... 46 III - Causa Efficiens: Horoskopie im Christentum

MARTIN TREU „Heillos und schäbig“ - Martin Luthers Verhältnis zur Astrologie Melanchthons ...... 49

REINHART STAATS Noch einmal: Luthers Geburtsjahr 1484 ...... 51

PAOLA ZAMBELLI Martin Luther: Der Komet ist des Teufels ...... 54

FELIX STRAUBINGER Astrologie und Christentum in der Renaissance ...... 58

KRZYSZTOF POMIAN Astrologie als naturalistische Theologie der Geschichte ...... 61

GERHARD VOSS Der Niederaltaicher Horoskopstein ...... 65

CHRISTOPH SCHUBERT-WELLER Gott und die Sterne - zum Verhältnis von Astrologie und Christentum im Wandel der Geschichte ...... 68

HELMUT HARK Der Traum-Glaube Melanchthons ...... 70

IV - Causa Finalis: Nachfolger und Wirkungsgeschichte

FRIEDERIKE BOOCKMANN Wittenberger Gelehrte im Leben von Johannes Kepler ...... 72

REIMER HANSEN Wittenberg, Tycho Brahe und sein astronomisches Weltsystem ...... 75

WOLFGANG WILDGEN Giordano Bruno in Wittenberg ...... 78

GABRIELE SPITZER Leonhard Thurneysser zum Thurn - Arzt, Astrologe und Drucker im des 16. Jahrhunderts ...... 80

OLIVIA BARCLAY William Lillys Schriften und das Bedürfnis nach traditioneller Astrologie ...... 82

RALF T. SCHMITT Der Wittenberger Meteoritenforscher Chladni ...... 87

Anhang

JÜRGEN G. H. HOPPMANN Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate ...... 89 Leihgeber ...... 115 Danksagungen ...... 117 Sponsoren ...... 119 Namensregister ...... 121 Sachregister ...... 125 MARTIN TREU Zum Geleit

Anläßlich seines 500. Geburtstages hat die Verdikt der Scharlatanerie oder bestenfalls die Sponsoren wäre die Ausstellung nicht neuere Melanchthonforschung erheblichen des Selbstbetruges. Dazu will wenig pas- zu realisieren gewesen. Besonderen Dank Nachdruck auf die Tatsache gelegt, daß der sen, daß bis heute selbst seriöse Tageszei- verdienen die 28 Beiträger des vorliegenden „Praeceptor Germaniae“ weit mehr war als tungen Horoskope abdrucken. Zwar glau- Bandes. In ihrer Unterschiedlichkeit, ja der Systematiker der lutherischen Theo- ben nach einer neueren Umfrage lediglich Disperatheit, verkörpern sie idealtypisch logie. Sein Arbeitsgebiet erstreckte sich auf 4 Prozent der Bevölkerung an deren Rich- die Herausforderungen und Probleme des die lateinische, griechische und hebräische tigkeit, jedoch vermögen andererseits nur Themas. Nicht zufällig kommen im Begleit- Philologie, auf die Geschichtsschreibung 40 Prozent der Befragten mit absoluter band Verfechter wie Bekämpfer der Astro- und die Poesie. Zunehmende Beachtung Sicherheit zu behaupten, daß es mit der logie ebenso zu Wort wie renommierte in der Wissenschaft gewannen auch Me- Astrologie ganz und gar nichts auf sich Fachwissenschaftler und Amateure. Dies lanchthons Bemühungen um die Mathe- habe (Studie des BAT-Institutes 1997)· entspricht dem Sachstand der „Sternen- matik und die Astronomie. Im Schnitt- Die Ausstellung „Melanchthons wissenschaft“ im 16. Jahrhundert und bereich dieser beiden Wissenschaftsberei- Astrologie“ kann und will diese heutigen seinen Wirkungen. Den Kontroversen che lag für den Wittenberger Professor ein Zahlen nicht kommentieren. Ihre Aufga- innerhalb des Sammelbandes werden sich weiteres Tätigkeitsfeld, das heute allerdings be ist es vielmehr, die Verhältnisse in der zweifellos Kontroversen bei den Lesern als keinesfalls unumstritten gelten kann: Zeit von Reformation und Konfessiona- anschließen. Dies ist durchaus beabsich- Die Astrologie. lisierung zu dokumentieren. Dem weiß sich tigt, solange klar bleibt, was im folgen- Umstritten war sie schon zu Melan- auch der vorliegende Begleitband ver- den zu lesen ist: Ein Zwischenbericht, eine chthons Zeiten. Gerade Martin Luther hielt pflichtet. Die dabei auftretenden inhalt- Momentaufnahme auf dem Weg zu bes- nichts von der Sternendeutung und äu- lichen und methodischen Schwierigkelten serem Verständnis und abschließendem Ur- ßerte dies auch drastisch. Trotzdem tole- waren jedoch so beträchtlich, daß man teil. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. rierte er Melanchthons Bemühungen zu- eigentlich auf den provisorischen Charakter Jürgen G. H. Hoppmann wird in ei- mindest. Umgekehrt konzentrierte sich des Unternehmens schon im Untertitel nem Ende 1997 erscheinenden Buch un- Melanchthon wiederum auf eine Astro- hinweisen müßte. Ausstellung und Begleit- ter dem Titel „Astrologie der Reformati- logie als christlicher Wissenschaft. Denn band stellen einen ersten Versuch dar, sich onszeit“, Clemens-Zerling-Verlag, Berlin, auch wenn in Zeiten des Renaissance- auf vielfältige Weise dem Thema zu nä- seine Erfahrungen aus dem Ausstellungs- Humanismus der Astrologie neue Impul- hern. Bildlich gesprochen, kann nicht eine projekt für die gegenwärtige Astrologie se zuflossen, so gab es doch spätestens seit durchgearbeitete Topographie geboten nutzbar machen. Dessen Lektüre sei hier der Hochscholastik eine theologische Tra- werden, sondern nur eine erste Umriß- ausdrücklich empfohlen, nicht zuletzt dition, die die Sternendeutung als durchaus skizze, der weitere Detailarbeiten folgen deswegen, weil der Kontrast die Zielstellung vereinbar mit dem christlichen Glauben müssen. Trotzdem scheint das Thema unseres Vorhabens verdeutlicht. verstand. wichtig genug und das dazugehörige Mate- In einem Brief an Veit Dietrich in Nach biblischem Weltverständnis rial in seiner Anschauung von so erheb- Nürnberg vom Oktober 1543, der sich mit bildete der Sternenhimmel einen Teil der licher Bedeutung, daß diese erste Auf- dem Abendmahlsstreit zwischen Luther guten Schöpfung Gottes, die auf den schlußbohrung gewagt werden mußte. In und den Schweizern befaßte, kam Me- Menschen ausgerichtet war. Der Mensch bisher einmaliger Weise bedurfte es dazu lanchthon zu dem Schluß, daß als letzter wiederum als Ebenbild Gottes konnte der Hilfe von außen. Grund für die Kontroverse die unheilvolle durchaus als „kleine Welt“ verstanden Konjunktion zwischen Mars und Saturn werden, die im Zusammenhang mit der Ohne Jürgen G. H. Hoppmann wären weder verantwortlich sei. Aber genau deswegen „großen“ des Kosmos stand. Abgewehrt Ausstellung noch Begleitband zustande- müßten fromme und gelehrte Leute ver- werden mußte nur die Gefahr eines blind gekommen. Als Kurator des Projektes hat suchen, die Einflüsse der Sterne abzumil- waltenden Schicksals, das dem Menschen der Berliner Astrologe und Physiothera- dern, um das Gespräch nicht abreißen zu keinen Handlungsraum bot und das gleich- peut sich unermüdlich um „Melanchthons lassen (CR5, 209). Mag man auch mit zeitig die theologische Einsicht von der Astrologie“ bemüht und mancherlei Wi- Luther Zweifel an der Analyse haben, das Allmacht Gottes einschränkte. In diesem derstände überwunden. Zurecht steht Ziel dürfte sich auch heute als erstrebens- Rahmen versuchte Melanchthon seinen daher sein Name auf dem Begleitband als wert darstellen. eigenen Weg zu gehen, wenn er meinte, Herausgeber. Zu danken ist aber auch der daß die Sterne eine Neigung vermittelten, langjährigen Leiterin des Wittenberger aber keinen Zwang. Melanchthonhauses, Edeltraud Wießner, Wittenberg, im Juli 1997 die die Kontakte nach Berlin knüpfte und Das Fortwirken der Astrologie im deut- das Fundament für eine fruchtbare Zusam- schen Protestantismus ist ein komplexes, menarbeit legte. Die Fülle der Leihgeber Martin Treu wenig aufgearbeitetes Thema. Spätestens erforderte einen eigenen Abschnitt (vgl. Direktor der Lutherhalle seit der Aufklärung steht sie unter dem Danksagungen S. 108 ff.). Ohne sie wie auch und des Melanchthonhauses 8

EDELTRAUD WIEß NER VVVorwort

"Wie wäre es, wenn die Kenntnis über die Teil der Physik, wie dieses Werk Melanch- von Melanchthon für seine Freunde, Stu- Bewegung der Himmelskörper etwa in ganz thons zeigt. denten und Verwandten erstellt. Sein in- Europa unbekannt wäre? ... Den Zugang Eingehend beschäftigte sich Me- tensives Studium der Astrologie ermög- zur Vollkommenheit in der Wissenschaft lanchthon in seiner Wittenberger Zeit mit lichte ihm, die Konstellation der Sterne zu eröffneten viele geistvolle und lernbegie- Ptolemaeus’ "Tetrabiblos" (Vier Bücher über beurteilen und entsprechende Ableitun- rige Männer wie Purbach, ... Cusanus, ... die Sternenwissenschaften) und hielt zwi- gen zu treffen. So trat Melanchthon selbst Regiomontanus, Copernicus. Sie nie eine Reise an, ohne zuvor die haben durch ihren geistvollen Sterne befragt zu haben. Da sein Scharfsinn und ihre Findigkeit ... Geburtshoroskop aussagte "meide den ganzen Bereich der Wissen- das Wasser", ist er nie einer Ein- schaft erleuchtet." ladung und auch Berufung (z.B. nach Dänemark oder England) ge- Worte eines hervorragenden Gei- folgt, die die Überquerung großer stes, eines Mannes, der als Refor- Wasser erforderte. mator, universaler Gelehrter und "Praeceptor Germaniae" von 1518 Der Autor der Ausstellung, Herr bis 1560 an der Wittenberger Jürgen G. H. Hoppmann, hat es "Leucorea" wirkte und dessen 500. durch seine internationalen Ver- Geburtstag wir in diesem Jahr be- bindungen zu Astrologen und Wis- gehen. senschaftlern verstanden, Autoren für seinen Katalog zu gewinnen Philipp Melanchthon, am 16. Fe- und Exponate für die Ausstellung bruar 1497 in Bretten geboren und zu beschaffen. am 19. April 1560 in Wittenberg Mögen die Sonderausstellung gestorben, ist dieser Katalog zur und der Katalog dazu beitragen, Sonderausstellung "Melanchthons daß einmal der Aspekt der Astro- Astrologie - Der Weg der logie im Leben Melanchthons stär- Sternenwissenschaften zur Zeit ker in den Vordergrund gerückt, von Humanismus und Reforma- und so dem Besucher und Leser tion" gewidmet. nicht nur die Person, sondern auch Als Melanchthon 1512 die die Zeit, in der er lebte, uns rein Heidelberger Universität verläßt, menschlich näher gebracht wird. um in Tübingen seine Studien fort- zusetzen, kommt er in enge Be- Bildnachweis: rührung mit dem dortigen Profes- sor der Mathematik und Astrono- L. Cranach d. J.: Bildnis des Philipp Me- Lucas Cranach der Jüngere: Philipp Melanchthon lanchthon, Holzschnitt, entstanden 1550 mie Johannes Stoeffler und wird - 1560 (Archiv Melanchthonhaus Bretten) durch diesen maßgeblich geprägt. Seine mathematischen und astronomi- schen 1535 und 1545 Vorlesungen dar- schen Kenntnisse erlangte Melanchthon über. Er vertritt die These, daß die Astro- durch diesen Mann. Dies trifft auch auf logie großen Nutzen für das Leben brin- Anm.d.Hrsg.: seinen Glauben an die Astrologie zu, der ge und eine wahre Wissenschaft sei. So Die Diplomhistorikerin Edeltraud Wießner war über sich nicht nur in seinen Briefen, sondern finden die Mathematiker und Astrologen zwei Jahrzehnte Museumsdirektorin, zuerst des Stadtgeschichtlichen Museums und ab 1978 bis Ende auch in einigen seiner Werke widerspie- Georg Joachim Rheticus und Erasmus 1993 des Melanchthonhauses Wittenberg. Danach gelt. So setzte er sich u.a. in seiner "Initia Reinhold an der Wittenberger Universi- war sie bis Ende 1996 Kustos dieser Einrichtung. doctrinae physicae", die 1549 erschien, tät Melanchthons volle Unterstützung und Von ihr herausgegeben wurden Teil 1 bis 5 der Schrif- mit dem All und den Himmelskörpern Förderung. Erasmus Reinhold verfaßt sogar tenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Witten- berg. Bezogen auf das Ausstellungsthema ist besonders auseinander. Für ihn war die Astrologie die Geburtstagshoroskope von Melanch- der zweite Band interessant: Die weisse Frau im nicht nur prophezeihender Teil der astro- thons Kindern. Solche "nativitates", wie Wittenberger Schloss - Sagen und Geschichten aus nomischen Wissenschaft, sie war auch ein man sie damals bezeichnete, wurden auch dem Kreis Wittenberg, Wittenberg 1970. 9

I - CAUSA MATERIALIS: DIE STERNENWISSENSCHAFTEN

WOLF-DIETER MÜLLER-JAHNCKE Magister Philippus und die Astrologie - eine kleine Zitatensammlung

Das erste, was von einem Rang und er- der Stellung des Gestirns abhängen. Dies cher Stunde auch immer er geboren ist, ster Gewichtung ist, ist nämlich [die Astro- glauben einige mehr, andere weniger. (Et diese wunderbare Stellung im Skorpion nomie], von der wir gewissenmaßen die arbitror vetustissimam hanc fuisse Sapien- kann keinen streitbaren Mann hervorbrin- Zeit der Umläufe der Sonne und des Mon- tiam, insignes materiae inferioris muta- gen. (Philippus ad Schonerum Genesim Lu- des und der anderen Sterne, deren Stel- tiones multas referra ad Siderum positus, theri quam Philo inquisiuit transtulit Carion lung untereinander und wie sie die Erde qua in re alii plura, alii pauciora scrutati in horam 9. Mater enim dicit Lutherum ansehen, erlernen. Das andere aber [die sunt.) 3 natum esse ante dimidium noctis {sed puto Astrologie], durch welches wir die Verän- Es ist aber wahr, daß durch die Stel- eam fefelli}. Ego alteram figuram prae- derungen, die in den Körpern entstehen, lung der Gestirne die Temperamente ge- fero et praefert ipse Carion Etsi quoque haec die aus den Stellungen der Gestirne her- lenkt und verändert werden. (Verum est est mirrifica propter locum h et q in domos rühren, erfahren wir durch die natürlichen autem, stellarum positu gubernari et variari 5° quae habet coniunctionem magnam cum Qualitäten der Gestirne. (Unum, quod temperamenta.) 4 ascendente Caeterum quacunque hora natus primum ordine est, et potestate, quo de- ... Vor 60 Jahren ließ mir mein Va- est hac mira qqq in C non potuit non prehendimus quodlibet tempore motus Solis ter das Horoskop stellen. Er besorgte es bei efficere uirum acerrimum.) 6 et Lunae et aliorum siderum, eorumque dem pfälzischen Mathematiker und hoch- positus inter sese, aut spectantes terram. begabten Mann Hassfurt, seinem Freund. Literaturhinweise: Alterum vero, quo mutationes, quae effi- In dieser Vorhersage wurde beschrieben, ciuntur in corporibus, quae congruunt ad daß mein Weg nach Norden gefährlich sein 1 CR (Corpus Reformatoricum), Bretschneider, illos positus, consideramus per naturales werde und daß ich Schiffbruch im balti- C.G. (Hrsg.), Schleswig 1852, S. 10-11 qualitates siderum.) 1 schen Meer erleiden werde. Ich habe mich 2 CR 10 (1842), S. 263 ... da ich ja diesen wunderbaren oft gewundert, warum ich, nahe den Hü- 3 Initia doctrinae physicae, Philipp Melanchthon, Zusammenklang der himmlischen Körper geln des Rheins geboren, im arktischen Wittenberg 1578, S. 9 mit dem Unteren bewundere, mahnt mich Ozean eine Gefahr fürchten sollte. Aber 4 Melanchthon (wie Anm. 3), S. 82 diese Ordnung und Harmonie, daß die Welt ich wollte nicht hingehen, wenn ich nach 5 CR 9 (1842), Sp. 188-189 nicht zufällig geschaffen worden sei, son- Britannien oder Dänemark gerufen wur- 6 Cod. Monac. lat. 27003, Bayerische Staatsbi- dern nach göttlichem Willen. de, denn ich fürchtete das Schicksal, auch bliothek (Abbildung siehe Artikel von Reinhard (... cum hunc Staats in diesem Ausstellungskatalog) mirificum consensum corporum coelestium wenn ich kein Stoiker bin. (..., Ante et inferiorum contemplor, ipse me ordo et sexaginta annus meus pater describit harmonia admonet, mundum non casu Genethliam; curavit a Palatini Mathematico Bildnachweis: ferri, sed regi divinitus.) 2 viro ingenioso Hasfurto, amico suo. In ea Manuskript der Initia doctrinae physicae: (Übers. Und so glaube ich, daß es eine ur- praedictione scriptum est, intinera me ad d. Hrsg.): „... der Teil, durch den er die Bewegun- alte Wahrheit ist, daß die Anzeichen der Boream periculosa habiturum esse, et me gen der Sterne überliefert, den man jetzt allgemein Änderungen in der unteren Materie oft von in mare Baltico naufragium facturum esse. ... Astronomie nennt, muß erlernt werden. Aber es Saepe miratus sum, cur mihi ratio in ist nützlich, noch einen anderen Teil hinzuzufügen, durch den er die Wirkungen der Sterne untersucht, collibus Rheno vicinis praedixerit pericula die man jetzt Astrologie nennt.“ (Universitätsbiblio- in Arcto Oceano. Nec volui eo accedere thek Leipzig, Handschrift 0358X, 52v) vocatus in Britanniam et in Daniam. Metuo tamen fata, etiamsi non sum Stoicus.) 5 Philipp an Schöner. Die Geburts- stunde Luthers, die Philo untersucht hat, Anm.d.Hrsg.: verwandelt Carion auf die neunte Stun- Prof. Dr. Wolf-Dieter Müller-Jahncke, langjähriger de. Die Mutter aber sagte, Luther sei in der Kurator des Deutschen Apotheken-Museums in Hälfte der Nacht (aber ich glaube, daß sie Heidelberg, leitet seit Juli 1997 ein privates For- schungsinstitut zur Pharmaziegeschichte. Hinzuwei- sich getäuscht hat), geboren worden. Ich sen sei auf folgende seiner Publikationen: selbst bevorzuge eine andere Nativität und Magie als Wissenschaft im frühen 16. Jahrhundert, diese bevorzugt auch Carion, obgleich sie Marburg 1973; Astrologisch-magische Theorie und unangenehm ist, wegen des Ortes des Mars Praxis in der Heilkunde, Wiesbaden 1984; Kostbar- und der Konjunktion in den Häusern [um] keiten aus dem Deutschen Apotheken-Museum, Berlin 5°, welche eine große Konjunktion mit dem 1993; Philipp Melanchthon und die Astrologie - Theoretisches und Mantisches. In: Melanchthonpreis Melanchthons Initia-Manuskript Aszendenten darstellt. Übrigens, in wel- 3, Stefan Rhein (Hrsg.), Bretten 1997 10

HEINRICH KÜHNE Wittenberg und die Astronomie

Im Gegensatz zu Martin Luther hat sich zweite Professur der Mathematik an der wurde, erstmalig der wissenschaftlichen Philipp Melanchthon zeit seines Lebens mit Alma mater angenommen hätte 1. Rheticus Welt von den Forschungsergebnissen des Astronomie und Astrologie beschäftigt. (1514-1576) hatte, bevor er endgültig nach Domherrn berichtete. Copernicus hatte sich Schon bei seiner Geburt ließ sein Vater ein Wittenberg kam, hier und in Zürich stu- eingehend mit der Trigonometrie beschäf- Horoskop stellen, dasselbe tat der Humanist diert. Dann hielt er sich in Nürnberg auf, tigt und seine Arbeit über die ebene und anläßlich der Geburt seiner Kinder. wo er in Johann Schöner (1477-1547) sphärische Trigonometrie "DE LATERIBUS Planetenläufe, Kometenerscheinungen, einen sachkundigen Astronomen und ET ANGVLIS TRIANGULORUM" wurde Sonnen- und Mondfinsternisse versuch- Lehrer fand. Für ihn hatte Melanchthon 1542 von dem berühmten Bibeldrucker te er zu deuten. Da ist es wirklich erstaun- eine zusätzliche zweite Professur für Ma- Hans Lufft in Wittenberg gedruckt. Das vor lich, wie unter den damaligen Verkehrs- thematik beim Senat durchgedrückt, er war mir liegende Original hat begreiflicherweise verhältnissen die ersten Mitteilungen über 23 Jahre alt, als er diese Stelle übernahm. weder den Namen des Verlegers noch ein die Forschungsergebnisse von Nicolaus Für seinen Lieblingsschüler hatte Melanch- Signet desselben. Copernicus bis in das kleine Wittenberg thon einen längeren Urlaub erreicht, so daß In diesem Zusammenhang sei an den gelangten. Die zahlreichen Studenten aus dieser die Reise zu Copernicus nach From- Universitätsprofessor Titius erinnert, der

Abb. 1: Wittenberg zur Zeit des Rheticus, Cranach-Werkstätt um 1558 allen Ländern Europas verlangten sicher- bork antreten konnte. Irgendwie lockte es in einer Gedenkrede auf Melanchthons 2oo. lich von ihren berühmten Lehrern darüber den großen Humanisten sicherlich, mehr Todestag 1760 sagte: "In Wittenberg wurde Auskunft und ihre Stellungnahme. Es ist über die neue Lehre des Domherrn zu er- ohne Melanchthons Rat oder Beihilfe kein bekannt, welche abweisende Haltung Lu- fahren, keiner war besser dazu geeignet Buch gedruckt." 2 So ist es auch nicht ver- ther dazu nahm und sich allein als 'Theo- als der junge Mathematiker. wunderlich, daß das berühmte Werk von loge äußerte. Melanchthon übernahm mit Copernicus: „De revolutionibus orbium der astrologischen Meinung des Ptolemäus Rheticus machte den Umweg über Nürn- coelestium", das er 1515 begonnen und auch dessen geozentrisches 'Weltbild’. Da- berg und besuchte noch kurz seinen ehe- etwa 1530 beendet hatte, nicht in Witten- mit stellte er sich ebenfalls zunächst ge- maligen Lehrer Johann Schöner. In From- berg erschien. Erst durch die Bemühun- gen die neuen Erkenntnisse des Domherrn bork wurde der junge Gelehrte von Coper- gen seiner Freunde und nicht zuletzt durch in Frombork (Frauenburg). nicus herzlich begrüßt:. Hier blieb er nun, Rheticus willigte der Domherr ein, das Werk Zu mehreren mathematischen und abgesehen von einem kurzen Zwischen- der Öffentlichkeit zu übergeben. Eine Ab- astronomischen Büchern schrieb Melanch- aufenthalt in Wittenberg 1540, fast zwei schrift hatte Rheticus angefertigt, wollte thon das Vorwort, hier sei nur an Ausga- Jahre. Aus der wissenschaftlichen Zusam- in der berühmten Druckerwerkstatt Wit- ben des Ptolemäus, Purbach (Peuerbach), menarbeit entwickelte sich schließlich eine tenberg das Erscheinen durchführen las- Schöner, Stifel, Regiomontanus und an- enge Freundschaft und ein enges Vertrau- sen, doch der Senat soll es abgelehnt ha- dere erinnert. In seiner Antrittsrede ensverhältnis. So kam es nach Abstim- ben, so daß es dann in Nürnberg bei Jo- „Praefation in arithmeticen“ aus dem Jahre mung mit Copernicus dazu, daß Rheticus hann Petrejus (Petreins) 1543 herauskam. 1536 sagt Georg Joachim von Lauchen, durch seine Schrift "De libris revolutionum Durch das Vorwort und die Veränderung der sich nach seiner Heimat Rhaeticon ...Nicolai Copernici ...Narratio prima" (Erster des Titels durch den Nürnberger Theolo- (Voralberg) Rheticus nannte, bescheiden, Bericht...über die Bücher von den Umläufen gen Andreas Osiander ( 1498-1552) wurden daß er nur auf wiederholte Anregung seiner ...des Copernicus), die 1540 in Danzig er- die Freunde des Fromborkers und nicht zu- Lehrer Vorlesungen halten würde und die schien und ein Jahr später in Basel gedruckt letzt auch Rheticus verärgert. Eine erzäh- Wittenberg und die Astronomie 11 lende Darstellung gibt folgende Situati- die Angriffe und die Mißgunst der Übel- on wieder: „Mit Freude bemerkte dies der wollenden verteidigen.“ 4 Erasmus Rein- Kanonikus Jerzy Donner, er beugte sich hold (1511-1553), ein Schüler von Rheti- über den Kranken (Copernicus) und sag- cus, berechnete als Mathematikprofessor te mit starker Stimme: ‘Ich bringe dir, an der Wittenberger Universität neue geliebter Doktor, eine freudige Botschaft. Planetentafeln, die auf der copernica- Von Georg Joachim Rheticus kam ein Bote nischen Grundlage fußten. Sie erschienen und brachte das erste Exemplar deines ge- 1551 unter der Bezeichnung "Prutenicae druckten Werkes De revolutionibus orbium tabulae coelestium motuum" ("Preußische coelestium, noch fast feucht und nach Tafeln der Himmelsbewegungen"). Sie wur- Druckerschwärze duftend. Gleichzeitig hat den so genannt, weil Herzog Albrecht von man dein Werk an bedeutende Gelehrte Preußen (1490 - 1568) die Herausgabe und in der ganzen Welt versandt.’ " 3 den Druck finanzierte. 1571 und 1584 ka- Darmit hatte Rheticus seine wichtigste Ar- men weitere Veröffentlichungen heraus, beit getan. Er hatte kein Interesse daran sie beherrschten bis zu Kepler die rech- unter diesen Umständen in Wittenberg zu nende Astronomie. lehren und ging nach Leipzig und dann Abb. 3: Titelblatt des ersten Berichtes nach Krakau. Während man sich zunächst Tycho Brahe (1546-1601 ) kam nach Wit- des Rheticus über das Weltsystem von im katholischen Lager ruhig verhielt, grif- tenberg, um sein Studium hier fortzuset- Copernicus. fen die Wittenberger das berühmte Werk zen, das er in Leipzig begann und nach an, 1541 verlangte Melanchthon sogar ein seinem Fortgang von Wittenberg in Ro- staatliches Eingreifen. Erst in seinen letzten stock fortsetzte. 1599 kam er noch ein- aus einer zunächst isolierten astronomi- Lebensjahren änderte er seine Meinung und mal hier her und wohnte im Melanchthon- schen Lehre zum Ausgangspunkt einer erklärte: „Wie wäre es, wenn die Kennt- haus in der Collegienstraße, bis er seine neuen Naturphilosophie. nisse über die Bewegung der Himmelskör- Reise nach Prag zu Kaiser Rudolf II. an- Inzwischen waren die Wittenberger per etwa in ganz Europa unbekannt trat. Auf über seine wissenschaftliche Ar- Gelehrten eifrig bemüht, auf den Festungs- wäre?... Den Zugang zur Vervollkom- beit in Prag und der seines Mitarbeiters wällen von einer Beobachtungsstelle aus menheit in der Wissenschaft eröffneten vie- Johannes Kepler (1571-1630), des berühm- Himmelsbeobachtungen durchzuführen. le geistvolle und lernbegierige Männer, wie ten Entdeckers der Urgesetze der Planeten- 1587 erregte das den Unwillen des Peurbach, Cusanus, Regiomontanus, Ko- bewegung hier einzugehen, würde zu weit Festungskommandanten, der erreichte, daß pernikus. Sie haben durch ihren geistigen führen. Soviel sei hier erwähnt, daß der der sächsische Kurfürst Christian I. (1586- Scharfsinn und ihre Findigkeit den gan- berühmte Astronom bei der Besetzung 1591) bestimmte, daß sich die Astronomen zen Bereich der Wissenschaften erleuch- einer Stelle als Mathematikprofessor hier einen anderen Platz für ihre Beobachtun- tet.“ zur engeren Wahl stand. 1611 heißt es in gen suchen sollten. Anstelle von Kepler Auch Melanchthons Schwiegersohn, einem Bericht: "Wenn dann Johannes nahm man Ambrosius Rhode. Er war ein der Universitätsprofessor Caspar Peucer Keplerus, der uns sonst seiner Geschick- (1525-1602), lehnte die neue Lehre in sei- lichkeit halben berühmt, nicht zu erlan- nem 1551 erschienenen Lehrbuch über die gen“ (ist) 5. Vermutlich hat das Oberkon- Astronomie glatt ab. Doch innerhalb der sistorium in Dresden, das das Mitsprache- Gelehrten an der Alma mater war man an- recht hatte, Kepler abgelehnt. derer Meinung. So schrieb Mathias Lauter- Giordano Bruno (1548-1600) war bach einmal an Rheticus in Leipzig: "Wir 1575 aus dem Kloster in Neapel geflohen werden den Kopernikus lieben und gegen und kam, nachdem er in Genf ins Gefäng- nis geworfen worden war, über Marburg nach Wittenberg. Von 1586 bis 1588 hielt er an der Wittenberger Universität Vor- lesungen ab, wobei er sich als überzeug- ter Anhänger der Copernikanischen Lehre gab. Bei seinem Fortgang von der Elbe- stadt verfaßte er ein langes Gedicht, worin er den hohen Stand der Bildung an der Alma mater pries und die Studenten aus allen Ländern Europas, die er hier vorfand, nannte. In seinen Büchern stellte er eine Anzahl Thesen auf, die seiner Epoche vor- auseilten und erst durch spätere astrono- Abb. 4: Titelblatt "De lateribus et mische Entdeckungen bestätigt wurden. angvlis triangulorum...", Copernicus, Mit ihm wurde das heliozentrische System Abb. 2: Frombork (Frauenburg) 1542 bei Hans Lufft in Wittenberg 12 Heinrich Kühne

daß sie kosmischen Ursprungs sind. Aus einer Pechschwelerfamilie stammte Johann Gottfried Galle,der in der Dübener Heide geboren wurde und von 1812 bis 1910 leb- te. Er besuchte das Wittenberger Gymna- sium, studierte in Berlin und entdeckte, nachdem er von dem französischen Astro- nomen Lerrier wichtige Unterlagen erhal- ten hatte, am 23. September 1846 den Pla- neten Neptun. Abschließend möchte ich das Zeiss- Kleinplanetarium mit 44 Sitzplätzen er- wähnen, das in der hiesigen Rosa-Luxem- burg-Schule am l. September 1987 ein- geweiht wurde 6. Ferner hat der rührige Berliner Musikalienverleger Rolf Budde unter großen Mühen und unter Einsatz er- Abb. 5: Titelblatt der "Prutentinischen heblicher finanzieller Mittel den Wieder- aufbau (ab 1995, Anm.d.Hrsg.) eines turm- Tafeln" des Wittenb. Universitätsprofes- ähnlichen Sternwartenhäuschens veran- Abb. 7: Johannes Kepler (1571-1630) sors Erasmus Reinhold (1511-1553) laßt, so wie es einst der Wittenberger Uni- wurde als Professor der Mathematik an versitätsprofessor Johann Jacob Ebert Schüler und Mitarbeiter Brahes gewesen (1737-1805) auf seinem Grundstück Bür- der Wittenberger Universität vom und hat es verstanden, die Gedanken seines germeisterstraße 16 in Wittenberg errichtet Oberkonsistorium in Dresden abgelehnt. Lehrers an der Leucorea erfolgreich fortzu- hatte. setzen. Ein interessanter Gelehrter war der • W.Friedensburg: Urkundenbuch der Universi- Professor der Mathematik, Johann Präto- Anmerkungen: tät Wittenberg. Teil II. Magdeburg 1927 rius (1537 - 1616), er war ein direkter Geg- • G.Harig: Die Tat des Kopernikus. Leipzig/Jena/ ner der Astrologie und des Kometenaber- 1 C.R.XI.284 Berlin 1965 glaubens. Eine gewisse Bedeutung hatte 2 Memoria Melanthonis. Wittenberg • J.Adamczewski: Polnische Kopernik-Städte, der Gelehrte Valentin Otto, der hier nur kur- 1760 Warschau 1972 ze Zeit war, doch das große trigonome- 3 Ludvrik Hieronimus Morstin: Polnischem Boden • J.Adamczewski: Mikolaj Kopernik und seine trische Werk von Rheticus vollendete. Er- entsprossen. In: "POLEN" Nr. 2. Warschau Epoche: Warschau 1972 1973 wähnen sollte man Johann Friedrich Weid- • H.Wußing: -Leben und 4 Gerhard Harig: Die Tat des Kopernikus. Leip- Wirken. In: Wissenschaft und Fortschritt. Nr. ler, dessen Geschichte der Astronomie bis zig/Jena/Berlin 1965, S.5o 2. Berlin 1973 in unsere Zeit von größtem Wert war. 5 J. Chr. Grohmann: Annalen der Univ. Witten- • S.Wollgast / S. Marx: Johannes Kepler. Leip- Ernst Florens Friedrich Chladni (1756 berg. Meißen 1801, S. 192 zig/Jena/Berlin 1976 - 1827), Jurist und Physiker, sammelte Me- 6 "Freiheit“, Kreisausgabe Wittenberg vom • O.Heckmann: Copernicus und die moderne teoriten in ganz Europa und wies nach, 25.8.1987 Astronomie. In: Nova Acta Leopoldina. NF. Bd. 38, Nr. 215. Halle 1981

Bildnachweis: 1 Archiv des Autors 2 Aus : W. Strube: Domherr und Astronom. Ber- lin 1988, S. neben 273 3 Aus: wie 2 vor S. 337 4 Bibliothek des Predigerseminars Wittenberg 5 Aus: Wollgast / Marx: Johannes Kepler. Leip- zig/Jena/Berlin 1976, S.92 6 Aus: wie 5, S.36 7 wie 5, S. 52 Anm.d.Hrsg.: Der Historiker Heinrich Kühne leitete jahrzehnte- lang das Stadtgeschichtliche Museum im Melanch- Literatur: thonhaus Wittenberg. Von seinen zahlreichen Publikationen seien hier nur • J.Jordan/O.Kern: Die Universitäten Wittenberg die aktuellesten genannt: Die Geschichte des Hau- - Halle vor und bei ihrer Vereinigung. Halle 1917 ses Bürgermeisterstraße 16 und seiner Bewohner in • W.Friedensburg: Geschichte der Universität Wit- Wittenberg, Wittenberg 1994 - Vom Wittenberger tenberg, Halle 1917 Rechtswesen, von Scharfrichtern und ihren Tätig- Abb. 6: Tycho Brahe (1546-1601) keiten, Wittenberg 1995 13

EDGAR WUNDER Melanchthons Verhältnis zu Horoskopen - eine Beurteilung aus heutiger wissenschaftlicher Sicht

Die Entstehung moderner wissenschaft- Surrogat in Reaktion auf die lehre, in deren Rückenwind und Nachfolge licher Disziplinen ist mit vielen Ausschei- Individualisierungsschübe der Moderne die astrologische Wiederbelebung erst dungsprozessen verbunden, bei denen und der daraus entstehenden Sinnkrise 2. denkbar und ohne deren Hintergrund viele mythische und magische, teleologische und Charateristika der heutigen Astrologie geschichtsphilosophische, sowie andere Freilich sollte man nicht übersehen, daß überhaupt nicht verständlich wären. vorwissenschaftliche und spekulative Ele- weder die heutige Astronomie noch die ak- Sowohl die objektiv bestehende als mente hinter sich gelassen werden. Als Bei- tuelle Astrologie mehr sonderlich viel mit auch die subjektiv empfundene Distanz spiele sind die Lösung der Astronomie von ihren Erscheinungsformen zur Zeit Melan- zwischen Astronomen und Astrologen der Astrologie, der Chemie von der Alche- chthons zu tun haben. Die Astronomie ist könnte heute kaum größer sein. Wenn mie, oder auch - im 20. Jahrhundert - der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zur nämlich Astrologen von einem Zusam- Psychologie von der Psychoanalyse zu Astrophysik mutiert und behandelt heu- menhang zwischen “Oben und Unten”, von nennen. te Fragen, die für Melanchthon undenk- einer “Einbettung des Menschen in den Philipp Melanchthon steht an einem bar bzw. unbeantwortbar und als nicht der Kosmos” sprechen, dann muß Astronomen historisch interessanten Punkt im Loslö- Astronomie zugehörig erschienen wären. auffallen, daß der ihnen bekannte, reale sungsprozeß der Astronomie von Kosmos im Horoskop überhaupt der Astrologie, der wenige Jahr- nicht vorkommt. Tierkreiszeichen zehnte vorher erstmals massiv von und Häuser sind willkürliche Pico de Mirandola angestoßen und menschliche Setzungen, die keine vorangetrieben wurde. Dabei ging physische Entsprechung in den es - im Unterschied zur Spätan- Weiten des Alls haben. Die Astro- tike - nicht darum, die Astrologie logen interessieren sich auch nicht aus religiösen Gründen zu dä- für die Planeten als reale Himmels- monisieren und zu verdammen, körper, ihre Entfernung, Zusam- sondern es gelang zunehmend zu mensetzung, Größe oder auch für zeigen, daß ihr die wissenschaft- die von ihnen ausgehenden Kraft- liche Grundlage fehlt. Als ein Ver- felder. Das einzige, was für Astro- treter neoscholastischen Denkens logen relevant ist, sind die von mußte sich Melanchthon in die- Menschen erdachten Planeten- sem Streit mit einer gewissen Symbole und ihre Assoziationen zu Zwangsläufigkeit auf die konser- antiken Planeten-Gottheiten und vative Seite schlagen und die ihren Mythen. Die Rede vom Zu- Astrologie ebenso wie das über- sammenhang zwischen “Oben und holte heliozentrische Weltbild ge- Unten” ist aus astronomischer Sicht gen die Angriffe der Kritiker ver- somit schon allein deshalb irrefüh- teidigen. rend und eine Farce, weil das 500 Jahre später ist dies nur “Oben”, der real existierende Kos- noch aus wissenschaftshistorischer mos, im Horoskop überhaupt nicht Perspektive interessant. Inhaltlich vorkommt. Stattdessen findet der sind die von Melanchthon in dieser Astronom im Horoskop als ver- Sache vertretenen Positionen mit meintlichen “Kosmos” ein irreales, Recht schon lange auf dem Müll- willkürlich zusammengeschustertes haufen der Geschichte gelandet. Abb. 1: Georg Purbach: Theoricarium nouarum, 1515 Zerrbild vor, das mit dem erfahr- Doch während die letzten Vertreter baren Universum kaum etwas zu heliozentrischen Denkens im 19. Jahrhun- Die moderne Astrologie ist - nachdem Mitte tun hat. Erklärbar ist diese ideologische Er- dert endgültig ausgestorben sind, hat die des 19. Jahrhunderts astrologisches Denken starrung der Astrologie nur durch ein kon- Astrologie im 20. Jahrhundert als “gesun- beinahe vollständig von der Bildfläche ver- tinuierliches Ignorieren beinahe sämtlicher kenes Kulturgut” 1 eine unvermutete schwunden war - dagegen weitgehend ein neuer astronomischer Erkenntnisse seit den Wiederauferstehung gefeiert: als Pseudo- Kind der Theosophie, eine von Helena Zeiten Melanchthons, als die Erde noch wissenschaft jenseits jeglicher wissen- Petrowna Blavatzky (1831-1891) ins Le- im Mittelpunkt der Welt und die Entfer- schaftlicher Anerkennung, als religioides ben gerufene okkult-spirististische Geheim- nungen der Gestirne nicht bekannt wa- 14 Edgar Wunder

gen. Die Astronomie am allerwenigsten!”. ihnen stünden 8, sondern auch Astrologen Nicht nur sind also Astronomen und Astro- wie z.B. Peter Niehenke 9 geben offen zu, logen unterschiedlicher Ansicht, sondern daß der Versuch, die Astrologie “physisch- ihnen fehlt bereits eine gemeinsame Ge- kausal aufzufassen, unvereinbar ist mit der sprächsbasis, auf der man überhaupt noch Art, wie Astrologie praktisch betrieben streiten könnte. wird”. Neben diesem “Erklärungsnotstand” Auch das in der Tradition von Ptolemäus entscheidend sind schließlich noch viele stehende Bestreben Melanchthons, die Hunderte seit 1908 durchgeführte empi- Astrologie im Sinne von kausalen Gestirns- risch-statistische Überprüfungen, die vor einflüssen als einen “Teil der Physik” zu allem von Psychologen durchgeführt wur- begründen, so seine Abhandlung Oratio den und für die Astrologie zu vernichten- de dignitate astrologiae 7, die er 1535 durch den Resultaten führten (vgl. Anm. 10 zur seinen Schüler Jakob Milich an der Witten- Übersicht). Spätestens hier wird deutlich, berger Universität vortragen ließ, gerade daß die Ablehnung der Astrologie bei wei- diese Vorstellung ist heute restlos über- tem nicht nur eine Sache der Astronomie Abb. 2: Jakob Milich, 1559 holt. Nicht nur Astronomen und andere oder der Naturwissenschaften ist, sondern Naturwissenschaftler stellen heute fest, daß ebenso vehement durch die wissenschaft- ren, die Planeten als physische Himmels- solche postulierten astrologischen Gestirns- liche Psychologie erfolgt, die ihm Rahmen körper noch nicht vorstellbar und die einflüsse im Rahmen der mittlerweile gut ihrer Untersuchungen zahlreiche psycholo- Astronomie auf bloße Mathematik bekannten Naturgesetze keinen Platz ha- gische Mechanismen identifizieren konnte, reduzierbar war. “Kein Naturwissenschaft- ben bzw. sogar im groben Widerspruch zu die vermeintlich positive subjektive “Er- ler sagt”, so der bekannte Astronom Joa- chim Herrmann 3, “daß wir Menschen iso- liert, ohne Beziehung zum Weltall leben. Aber gerade die wirklich nachgewiesenen Zusammenhänge (z.B. Gezeiten, Sonnen- aktivität) sind gar nicht von Astrologen gefunden und erklärt worden und spielen auch im astrologischen Lehrsystem über- haupt keine Rolle. Die Welt ist komplizier- ter, aber auch faszinierender aufgebaut, als Astrologen vorgeben”. In Wirklichkeit sei die Astrologie “eine staubtrockene, papie- rene Angelegenheit, die nichts mit der Mannigfaltigkeit des Universums und der menschlichen Psyche zu tun hat”. Und was die Idee der kosmisch-irdischen Lebens- einheit betreffe, so der Astronom Robert Henseling 4, hätten diese die Astrologen “weder erarbeitet noch gepachtet”. Das astrologische Lehrsystem sei “nicht ein an- gemessener Ausdruck dieser Idee, sondern ein gehaltloser, karikierender Mißbrauch dieser Idee”. Sich gegen die von astronomischer Seite geübte Kritik immunisierend, aber durchaus auch in Kenntnis dessen, daß an “eine astronomische Begründung der Astrologie derzeit kaum im Ansatz zu denken ist”, so der Astrologe Schubert- Weller 5, wird von astrologischer Seite her nicht weniger harsch geantwortet. So stellt z.B. der langjährige Vorsitzende des Deut- schen Astrologen-Verbands, Peter Nie- henke 6, kategorisch fest: “Die Naturwis- senschaft hat zur Frage der Gültigkeit der Astrologie nichts Grundlegendes beizutra- Abb. 3: Sacrobosco: Buch der Sphären, Auflage 1559 mit Vorwort Melanchthons Melanchthons Verhältnis zu Horoskopen - eine Beurteilung aus heutiger wissenschaftlicher Sicht 15 fahrungen” zugunsten der Astrologie her- Einfluß der Gestirne auf das Wetter sei vorbringen und sie als paranormales Über- durch die für 1524 aufgestellten Sintflut- zeugungssystem stabil halten 11. Das war Prophezeiungen belegt (vgl. 16). Den Un- zu Zeiten Melanchthons nicht anders. tiefen und Gefahren der subjektiven Er- Auf den Punkt gebracht hat das Urteil fahrung 17, im Gegensatz zur Empirie, stand der modernen Wissenschaften der Publi- Melanchthon noch durchaus unkritisch ge- zist Ludwig Reiners 12: “Astrologie ist nichts genüber, er ließ sich treiben und ängsti- anderes als eine nachweislich falsche Theo- gen von seiner astrologischen Vorstellungs- rie zur Erklärung nachweislich nicht vor- welt, und erwies sich dabei im Gegensatz handener Tatsachen”. Eine ähnliche Spra- zu vielen Zeitgenossen auch nicht als lern- che findet sich in zahlreichen öffentlichen fähig angesichts seiner eigenen zahlrei- Stellungnahmen verschiedener astrono- chen astrologischen Fehlprognosen. Wo mischer Fachgesellschaften, wie beispiels- könnte dies besser zum Ausdruck kom- weise 1996 in der Erklärung des Rates deut- men als in einer von Luthers Tischreden scher Planetarien (RDP) 13, in der die Astro- aus dem Januar 1537: “Es schmerzt mich, logie schlicht als “Aberglaube und Ersatz- daß Philipp Melanchthon so der Astrologie religion” bezeichnet wird. anhängt, weil man sich sehr über ihn lu- Sofern nun moderne Astrologen ver- stig macht. Denn er läßt sich leicht von Abb. 4: S. Brant: Narrenschiff, 1498 suchen sollten, unter Berufung auf den den Himmelszeichen beeinflussen und in lügen nicht. Skeptiker 9 (4), S. 139. Praeceptor Germaniae Horoskopen neue seinen Gedanken zum Besten halten. Es 13 Reiners, L. (1951): Steht es in den Sternen? Paul Legitimität zu verschaffen, eine Legitimität, hat ihm oft gefehlt, doch ist er nicht zu List, München, S. 191. die sonst nirgends mehr zu gewinnen ist, überzeugen. Als ich einst von Torgau kam, 14 Melanchthon, Philipp: Initia doctrine Physicae, dann ist dies nicht sonderlich schwer als ziemlich krank, sagte er, es sei nun mein Wittenberg 1578. unhistorisches und interessengeleitetes Schicksal zu sterben. Ich habe nie geglaubt, 15 Knappich, W. (1967): Geschichte der Astro- Denken zu erkennen. Vor allem aber tra- daß es ihm so ernst ist”. Wollten wir aus logie. Klostermann, Frankfurt, S. 203. gen solche auf längst historisch gewordene all dem wirklich eine Lehre für die heuti- 16 Müller-Jahncke, W.-D. (1985): Astrologisch- Autoritäten gestützte “Versöhnungsversu- ge Zeit ziehen, so könnte Philipp Melanch- magische Theorie und Praxis in der Heilkun- de der frühen Neuzeit. Franz Steiner, Stuttgart, che” mit der modernen Wissenschaft allzu thon geradezu als Musterbeispiel dafür die- S. 229. deutlich scholastischen Charakter, weshalb nen, wie wir uns der Astrologie nicht nä- 17 Wunder, E. (1997): Subjektive Erfahrung - sie von vornherein zum Scheitern verur- hern sollten. Chance oder Gefahr? In: Köbberling, J.: Zeit- teilt und als Wunschdenken zu betrach- fragen der Medizin. ten sind. 18 Luther, Martin: Tischreden, 3. Band, Nr. 3520. Anmerkungen / Literatur: Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1914, S. 373. Was können uns die astrologischen Nei- 1 Bender, H. (1973): Verborgene Wirklichkeit. gungen des Philipp Melachthon heute noch Walter, Olten, S. 227. sagen? Bei seiner Begründung der Astro- 2 Wunder, E. (1995): Astrologie - alter Aber- Bildnachweis: logie hat Melanchthon in seinem Werk glaube oder postmoderne Religion? In: Kern, G., Traynor, L.: Die esoterische Verführung. initia doctrinae physicae 14 im wesentli- 1 Purbach, Georg (1515): Theoricarium nouarum. Alibri, Aschaffenburg. Universitätsbibliothek „Bibliotheca Albertina“ chen drei Argumentationslinien verfolgt. 3 Herrmann, J. (1995): Argumente gegen die Leipzig, Math. 34/2 Erstens berief er sich auf die Philosophie Astrologie. Skeptiker 8 (2), S. 49. 2 Iacobus Milichius, Kupferstich um 1559, Ar- des Aristoteles und setzte damit Autori- 4 Henseling, R. (1939): Umstrittenes Weltbild. chiv des Melanchthonhauses Wittenberg täten an die Stelle eines erfahrungswissen- Reclam, Leipzig, S. 330. 3 IOANNIS DE SACROBVSTO LIBELLVS DE schaftlichen Zugangs. Dies ist ein Weg, der 5 Schubert-Weller, C. (1993): Spricht Gott durch SPHÆRA: CVM PRÆFATIONE Philippi Melan- uns heute für immer versperrt sein soll- die Sterne? Claudius, München, S. 108. thonis, Wittenberg 1559, S. 13recta. Archiv JGH Hoppmann. te. Zweitens versuchte er, eine Autorität 6 Niehenke, P. (1985): Astrologie - Das falsche Zeugnis vom Kosmos? Meridian 6/85, S. 5. 4 Dürer, Albrecht (1498): Satirische Darstellung der Bibel auch in naturkundlicher Hinsicht der Sternengläubigkeit aus dem „Narrenschiff“ ins Feld zu führen. Damit hat er, wie 7 Melanchthon, Philipp: CR (Corpus Refor- matoricum), Bretschneider, C.G. (Hrsg.), Schles- des Sabastian Brant. Die auf den Himmel wei- 15 Knappich richtig betont, nicht zuletzt wig 1852, S. 262. sende Person trägt eine Narrenkappe (Mütze mit Eselsohren). in theologischer Hinsicht seinen Schülern 8 Kanitscheider, B. (1989): Steht es in den Ster- ein schlechtes Beispiel gegeben. Schließ- nen? Universitas 44 (4), S. 330. lich berief er sich drittens auf diverse vor- 9 Niehenke, P. (1994): Astrologie - Eine Ein- wissenschaftliche, subjektive und unkon- führung. Reclam, Stuttgart, S. 233. Anm. d. Hrsg.: trollierte “Erfahrungen”, die auch schon 10 Dean, G., Mather, A., Kelly, I.W. (1996): Der Soziologe Edgar Wunder ist Redaktionsleiter der Zeitschrift „Skeptiker“ und bei der Gesellschaft zur seinen damaligen Zeitgenossen, nicht Astrology. In: Stein, G.: Encyclopedia of the Paranormal. Prometheus, Amherst/New York. wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissen- zuletzt Luther, als suspekt erschienen. Ein schaften (GWUP) sowie der Vereinigung der Stern- 11 Wunder, E. (1994): Von der psychologischen freunde (VdS), dem größten astronomischen Verband schönes Beispiel ist seine noch 1535 in der Astrologie zur astrologischen Psychose. Astro- von ihm verfaßten Oratio de dignitate im deutschsprachigen Raum, zuständig für Astro- nomie + Raumfahrt 31 (23), S. 19. logie. astrologiae enthaltene Behauptung, ein 12 Rat deutscher Planetarien (1996): Die Sterne Anschrift: Bergheimer Str. 88, 69115 Heidelberg. 16

GÜNTHER OESTMANN Das Astrolabium - ein universelles Mess- und Recheninstrument

Der seit 1507 in Tübingen tätige Astronom dend zur Verbreitung des Instruments in 2. Die Winkel bleiben gleich (winkeltreue Johannes Stoeffler (1452-1531) schuf mit Europa bei. Bis 1620 sind 16 Ausgaben und Projektion). 4 seiner 1513 erstmals gedruckten Anleitung auch eine französische Übersetzung (Pa- über Konstruktion und Gebrauch des ris 1556, 1560) erschienen. 1 Die Zentralbohrung der Einlegescheibe Astrolabiums (Elvcidatio fabricae vsvsque stellt das Projektionszentrum dar. Senk- astrolabii a Ioanne Stoflerino Iustingensi Das Astrolabium planisphaerium 2 (übers.: recht verläuft der Ortsmeridian (Linea medii viro Germano: atque totius Spherice doc- „Sternenfasser“) diente bis in das 17. Jahr- coeli), wobei oben Süden und unten Norden tissimo/ nuper Ingeniose concinnata atque hundert hinein vielfach als didaktisches ist; rechtwinklig zu diesem liegt die als in lucem edita. Impressum Oppenheym. Hilfsmittel für den astronomischen Unter- Horizon rectus bezeichnete Verbindung von Anno JC. 1513) so etwas wie das Stan- richt und wurde vor allem für Zwecke der Osten und Westen. Da beide Großkreise dardwerk zum Thema. Melanchthon, der Zeitbestimmung und Astrologie verwendet. durch das Projektionszentrum laufen, wer- in seinen Tübinger Jahren 1512-18 bei Es besteht aus folgenden Teilen: Eine den sie als Geraden auf die Ebene proji- Stoeffler studierte, steuerte ein Widmungs- dickere Messingplatte, die Mater astrolabii, ziert. Der Himmelsäquator und die beiden gedicht bei. ist am äußersten Rand (Limbus) mit einer Wendekreise erscheinen als konzentrische Die Elucidatio Stoefflers ist eines der Gradeinteilung und innen mit einer Aus- Kreise zum Mittelpunkt des Tympanum, schönsten und am meisten verbreiteten drehung versehen. Hier kann eine flache wobei beim „nördlichen Astrolabium“ Bücher über das Astrolabium. Sicherlich Scheibe, das Tympanum, eingelegt wer- (Projektionszentrum im Südpol) der Wen- trugen die in dem Werk überaus instruk- den. Auf dem Tympanum sind die Wen- dekreis des Steinbocks außen liegt und tiv dargelegten Konstruktionsprinzipien dekreise von Steinbock und Krebs, der gleichzeitig dessen äußere Begrenzung bil- und Anwendungsmöglichkeiten entschei- Himmelsäquator, die Almucantarate (Hö- det. Im Gegensatz zu den eben genann- henparallele) und Azimute (Vertikalkrei- ten Linien hängt der Abstand zwischen se, die die Almucantarate im rechten Himmelspol und dem Zenit des Beobach- Winkel schneiden) für den Hori- ters von der geographischen Breite ab. Die zont des Beobachters in ste- Horizontlinie (Horizon obliquus) verläuft reographischer Projektion 3 durch die Schnittpunkte des Horizon rectus eingraviert. Diese besitzt zwei mit dem Himmelsäquator und über ihr sind Hauptcharakteristika: die Almucantarate (Höhenparallele) ange- geben, die mit zunehmender Höhe über 1. Jeder Kreis wird als Kreis dem Horizont kleiner werden und deren abgebildet. Großkreise, die Mittelpunkte auf dem Meridian liegen. Die- durch das Projektionszen- se werden von den Azimutlinien, welche trum gehen, erscheinen als strahlenförmig vom Zenit des Beobach- Geraden. ters ausgehen und an der Horizontlinie enden, rechtwinklig geschnitten, so daß ein Koordinatennetz wie auf einem Erd- globus entsteht. (Das Azimut ist der Winkel zwischen dem Nord- oder Südpunkt des Beobachters bis zum Schnittpunkt der Senkrechten des jeweiligen Himmelskör- pers mit dem Horizont). Unterhalb des Horizon obliquus liegen die Linien für die „ungleichen“, d. h. jahreszeitlich unter- schiedlich langen Stunden (Horae tempo- rales), welche die Nacht zwischen Sonnen- untergang und Sonnenaufgang in 12 Ab- schnitte teilen. Über dem Horizont wur- den diese Linien nicht aufgerissen, um das aus Almucantaraten und Azimuten gebil- dete Koordinatennetz nicht zu verwirren. Abb. 1: Astrolabium planisphaerium Schließlich sind auf dem Tympanum die Das Astrolabium - ein universelles Mess- und Recheninstrument 17 zwölf Orte (Loci; zumeist weniger korrekt gegen konzentrisch zum Tierkreis, müs- ten des Instrumentes bietet John David North, als „Häuser“ bezeichnet) markiert. Sie sind sen die Teilungspunkte entsprechend von „The Astrolabe“, Scientific American, 230, 1974, No. 1, S. 96-106. Der Katalog des Time Muse- entsprechend der bei Astrolabien durch- ungleicher Länge sein. Mit der Ablesekante ums (Rockford, Illinois) enthält auf den Sei- gängig üblichen Verfahrensweise Regio- der Alhidade kann man das Datum ein- ten 1-57 eine ausgezeichnete Einführung über montans konstruiert. Hierbei wird der stellen und den Ort der Sonne in der Eklip- Ursprung, Geschichte und Entwicklung des Himmelsäquator in zwölf Abschnitte zu tik ermitteln. Daneben sind oftmals auch Astrolabiums sowie auf S. 243-260 eine um- fangreiche Bibliographie (Anthony J. Turner, je 30° geteilt und die kreisförmigen Begren- noch andere Liniensysteme für astrologi- Time Measuring Instruments, Part I: Astrolabes, zungslinien der stereographisch projizierten sche und geodätische Zwecke eingraviert. Astrolabe Related Instruments, Rockford (Ill.) Loci, von denen die ersten sechs ganz unter Ein Stift mit Langloch (Clavus) und Keil 1983). und die restlichen über dem Horizont lie- (Equus) hält die Bestandteile des Instru- 3 Der Terminus stereographische Projektion wurde gen, laufen im Nord- und Südpunkt zu- mentes zusammen. von Francois d’Aguilon geprägt und taucht erst- mals in dessen Opticorum Libri sex (Antwer- sammen. Letzterer liegt außerhalb des Die Aufhängevorrichtung des Astro- pen 1613) auf (Jean-Baptiste Joseph Delambre, Tympanum und ist daher nicht sichtbar. labiums ist so konstruiert, daß sich das In- Histoire de l’Astronomie ancienne, Paris 1817, Die zugehörigen Ekliptikbögen sind von strument senkrecht stellt, wenn man es Bd.II, S. 457). ungleicher Länge, weshalb auch von ei- zum Visieren hochhält. Oben befindet sich 4 Michel, Traité de l’Astrolabe, S. 16, 27-29. ner „inaequalen Manier“ der Häuserein- ein Ansatzstück (Armilla fixa) mit Boh- teilung gesprochen wird. rung, durch die (senkrecht zur Fläche) ein Die zwölf Loci geben Aufschluß über Stift gesteckt ist, um den sich ein Bügel Bildnachweis: verschiedene Bereiche des menschlichen (Armilla reflexa) drehen kann. Durch diesen 1 Astrolabium planisphaerium - Zeichnung des Lebens gemäß dem mittelalterlichen Merk- Bügel ist wiederum ein Ring (Armilla Autors vers „Vita lucrum fratres genitor nati suspensiora) gezogen. 2 Himmelsglobus des Johannes Stoeffler, Justingen valetudo / Uxor mors pietas regnum Mit diesem wahrhaft universellen In- 1493 , Württembergischen Landesmuseums, Stuttgart benefactaque carcer“ und ihnen wurden strument kann eine Vielzahl astronomi- bei der astrologischen Prognose unter- scher, astrologischer und geodätischer Pro- schiedliche Wertigkeiten zugemessen. blemstellungen (etwa Ermittlung der Orts- Zumeist sind einem Astrolabium zeit, Kulmination von Fixsternen oder Anm.d. Hrsg.: mehrere Tympana für verschiedene Breiten Sternbildern, Sonnenaufgang, -untergang Dr. Günther Oestmann forscht am Institut für Ge- beigegeben. etc.) auf mechanischem Wege ohne Rech- schichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Über dem Tympanum liegt eine nungen oder die Benutzung von Tafeln ge- Technik der Universität Hamburg in den Gebieten durchbrochene Scheibe, die Rete (Aranea, löst werden. Durch Drehen der Rete ist die Astronomie und wissenschaftliche Instrumente. „Spinne“ oder „Netz“), welche um den Veranschaulichung der täglichen Bewe- 1959 in Bremen geboren, studierte er nach einer drei- Nord- oder Südpol (je nach der verwen- gung der Gestirne am Himmel möglich. jährigen Ausbildung zum Uhrmacher Kunstgeschich- te, Geschichte der Naturwissenschaften und Geschich- deten Projektion), d. h. der Zentralbohrung, te an den Universitäten Tübingen und Hamburg, herum drehbar ist und in stereographischer promovierte über „Die astronomische Uhr des Straß- Projektion den Zodiacus sowie bestimmte Anmerkungen: burger Münsters, Funktion und Bedeutung eines wichtige Fixsterne zeigt. Bei europäischen 1 Josef Benzing, Die Buchdrucker des 16. und Kosmos-Modells des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 1993“. Die Arbeit wurde im gleichen Jahr mit dem Astrolabien befindet sich über der Rete oft 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, Philipp-Matthäus-Hahn-Preis der Stadt Kornwest- noch ein Lineal (Ostensor) zur Erleichte- Bd.12), 2. Aufl. Wiesbaden 1982, S. 375f.; Jean- heim ausgezeichnet. Zu erwähnen sei ferner ein im rung der Ablesung. Um das Instrument ein- Charles Houzeau und Albert Lancaster, Biblio- Rahmen eines wissenschaftlichen Volontariats am stellen zu können, ist die Höhe der Son- graphie Générale de l’Astronomie, Brüssel 1882/ Württembergischen Landesmuseum herausgegebe- ner Ausstellungskatalog „Schicksalsdeutung und ne oder die Höhe eines auf der Rete an- 89, Bd. I.1, S. 643f., No. 3256; Karl Steiff, Der erste Buchdruck in Tübingen (1498-1534): Ein Astronomie. Der Himmelsglobus des Johannes gegebenen Sterns zu ermitteln. Dies ge- Beitrag zur Geschichte der Universität, Tübingen Stoeffler von schieht mittels der Alhidade (Regula), die 1881 (Ndr. Nieuwkoop 1963), S. 238f., No. 33; 1493, Stutt- zwei Diopter (Absehen) besitzt und auf der 247. gart 1993.“ mit einer Gradeinteilung versehenen Rück- 2 Die Literatur zu diesem Instrument ist sehr seite des Instrumentes (Dorsum astrolabii) umfangreich; hier seien nur die wich- montiert ist. Die Visierlinie (Linea fiducia) tigsten Titel genannt. Neben dem Werk von Henri Michel (Traité de l’Astrolabe, geht durch die Zentralbohrung. Außerdem Paris 1947; Ndr. Paris 1976) sind finden sich auf der Rückseite die in je 30° die von Willy Hartner verfaß- geteilten zwölf Tierkreiszeichen und ein ten Handbuchartikel „The Kalenderring. Aufgrund der exzentrischen Principle and Use of the Astrolabe“ und „Asturlab“, beide Sonnenbahn (bzw. der elliptischen Bahn abgedruckt in: Ders., Oriens- der Erde) enthalten die vier Jahreszeiten Occidens: Ausgewählte Schriften nicht die gleiche Anzahl von Tagen. Da- zur Wissenschafts- und Kultur- her ist auf den meisten Astrolabien der geschichte (= Collectanea, III) Hildesheim 1968, S. 287-311 Kalenderring exzentrisch angeordnet, um und S. 312-318, grundlegend. Tagesdekaden gleicher Länge eingravie- Eine knappe, leicht verständli- ren zu können. Liegt der Datumsring da- che Einführung in die Geschich- te und Anwendungsmöglichkei- Abb. 2: Stoefflers Himmelsglobus, 1493 18

RÜDIGER PLANTIKO Die Horoskope Luthers und Melanchthons in der Deutung durch Lucas Gauricus

Es ist heute schwer, sich einen Begriff von der ersten Versuche einer astrologischen milder - möglicherweise aufgrund der wis- der allumfassenden Bedeutung zu machen, Kasuistik Es handelt sich um eine Samm- senschaftlichen Zusammenarbeit von die der Astrologie im geistigen Leben der lung von insgesamt 180 Horoskopen zu Gauricus und Melanchthon auf astrolo- Renaissance zukam. Die ersten Schriften, fünf verschiedenen Themenkreisen: Ho- gischem Felde. die sich nach Erfindung des Buchdrucks roskope von Städten, von geistlichen über Europa verbreiteten, waren nicht so Würdenträgern wie Päpsten und Kardinä- Hier zuerst der Text zum Horoskop Mar- sehr naturwissenschaftlicher, sondern len, von weltlichen Würdenträgern, von tin Luthers: überwiegend magischer, alchemistischer Martin war zuerst viele Jahre lang und vor allem astrologischer Natur. Die Mönch und lernte, sich mönchisch zu Astrologie, damals die stolze „Königin geben. Er heiratete eine Wittenbergische der Wissenschaften“, erfreute sich durch Äbtissin von hohem Stand und bekam alle Schichten der Bevölkerung einer von ihr zwei Kinder. Die Zusammen- großen Beliebtheit, von den Landwir- kunft von fünf Planeten im Zeichen ten, die sich aus astrologischen Kalen- Skorpion im IX. Himmelshause, das die dern mit Wetterprognosen versorgten, Araber der Religion zuordneten, ist bis zu den Mächtigen im Lande, den sonderbar und hinreichend erschreckend. Königen und Päpsten, die sich die gün- Sie machte ihn zum Frevler, zum Ket- stigsten Zeiten für ihre Unternehmun- zer, zum schärfsten Feind der christli- gen berechnen ließen. chen Religion, und sie machte ihn pro- fan. Bei der Direktion Aszendent Kon- Ein weithin berühmter Sterndeuter aus junktion Mars ging der Ungläubige zu- dieser Zeit war der Italiener Lucas grunde. Seine verworfene Seele fuhr zur Gauricus (12. 3. 1475 bis 5. 3. 1558). Hölle, wo sie von Allectus, Tesiphon und Lucas Gauricus wurde in Giffoni bei Megera mit glühenden Geißeln auf ewig Neapel geboren, weshalb er sich spä- gequält wird.2 ter nach humanistischer Gepflogenheit den Beinamen „Geophonensis“ zulegte. Der haßvolle Ton dieser Kurzbeschrei- Wie sein Bruder Pomponius Gauricus, bung sicherte den Italiener vor dem ein durch sein Lehrwerk über die Bild- Verdacht einer geistigen Nähe zur Re- Abb. 1: Lucas Gauricus, 1475 - 1558 hauerkunst bekannter Humanist, stu- formation, dem er vor allem durch seine dierte Lucas zuerst an der Universität Zusammenarbeit mit Melanchthon aus- zu Padua bei dem Philosophen Pietro Gelehrten - das letzte Kapitel enthält eine gesetzt war.3 Interessant ist, daß die letz- Pomponazzi. Weitere Stationen seines ganze Serie von grausam zu Tode gekom- ten drei Sätze in den 1559 in Basel erschie- Lebensweges sind Lehrtätigkeiten als menen, von Schiffbrüchigen, mit Blind- nenen Opera Omnia des Gauricus fehlen. Astronom und Astrologe in Bologna, heit Geschlagenen, aber auch von Ver- Gauricus erwähnt im Text eine Di- Mantua und Ferrara. Ab 1522 lebte und brechern. Jede Seite enthält eine Horoskop- rektion, die mit dem Tod Luthers einher- lehrte er in Venedig, von wo aus er dem figur und einige kurze Anmerkungen zur gegangen sein soll. Mit den Horoskop- damals noch ganz unbedeutenden Person, meist nicht mehr als drei Sätze. daten von Gauricus berechnen wir den Alessandro Farnese die Papstwürde vor- Direktionsbogen als Differenz der schrä- hersagte. Als dieser im Jahre 1534 als Paul Auch die Horoskope der Reformatoren gen Aufsteigungen von Mars und Aszen- III. den heiligen Stuhl bestieg, erinnerte Luther und Melanchthon sind im vierten dent. Der Bogen wird nach dem von Gau- er sich des Astrologen und machte ihn zum Kapitel des Tractatus aufgeführt. Die Texte, ricus verwendeten Ptolemäusschlüssel 1 Bischof von Giffoni und 1545 zum Bischof die der gläubige Katholik den Horosko- Grad = 1 Jahr in ein Ereignisalter umge- der Provinz Capitanata. Ab 1535 hielt sich pen beifügte, geben einen Eindruck von wandelt. Gauricus als dem Papst nahestehender der Stimmung der Zeit. Astrologe in Rom auf, bis zu dessen Tode Während die Besprechung des Lu- Breite von Eisleben 51°32' im Jahre 1550. Dann kehrte er nach Ve- therhoroskops (auf dem wahrscheinlich Ekliptikschiefe 23°30' nedig zurück.1 falschen Geburtsdatum 22.10.1484 basie- RAMC 232° 24' —> OA Asc. 322° 24' Dort verfaßte der mittlerweile 77jäh- rend) vernichtend ausfällt, ist der Kom- Mars 29°47' Widder —> OA Mars 12°58' rige seinen Tractatus Astrologicus, einen mentar zur Geburtsfigur Melanchthons —> Direktionsbogen 50° 34' Lucas Gauricus’ Horoskope von Luther und Melanchthon 19

Verfolgt man die im Tractatus angegebenen Auch diese beiden Möglichkeiten führen Horoskope, so kommen Rechenfehler ge- also zu ganz unrealistischen Direktions- legentlich vor - oft sind es Ablesefehler, bögen, womit wir auch die Hypothese, daß oft aber auch systematische, in den zur Gauricus eventuell nach einem anderen Planetenberechnung verwendeten Alfon- Verfahren dirigiert hat als nach schräger sinischen Tafeln begründete Fehler. Aufsteigung, zu verwerfen haben. So ver- Die Direktion würde auf den bleiben wir mit der folgenden Hypothe- Todeszeitpunkt Luthers führen, wenn der se: Radixmars auf 19° 59' Stier gestanden hätte. Wir müßten also dem Astrologen 3.) War Gauricus über das Todesdatum zutrauen, daß er nicht nur die Zehnerstelle Luthers falsch informiert? des Längenwerts, sondern zugleich auch Es klingt unwahrscheinlich, daß ein noch das Tierkreiszeichen falsch übertragen Bischof und apostolischer Protonotar über hat. Für einen erfahrenen Astrologen wie Ereignisse wie den Tod des Erzketzers Gauricus ist dieser doppelte Fehler eher un- Luther falsch informiert war, zumal wahrscheinlich.4 Gauricus ja in Korrespondenz mit Melan- chthon stand. Aber es gibt Anhaltspunk- 2.) Sollte Gauricus ein anderes als das sonst te, daß Gauricus im Zweifelsfalle den Ster- von ihm bevorzugte Direktionsverfahren nen mehr vertraute als der urkundlichen gewählt haben? Wahrheit. Abb. 2: Tractatus Astrololgicus, 1552 In diesem Fall haben wir es mit der So mag es auch im Fall Luther ge- Direktion zu einer Achse (Aszendent) als wesen sein: Vielleicht war er an der hi- Signifikator zu tun, so daß die natürliche storischen Wahrheit nicht interessiert - oder Mit dem von Gauricus angenommenen Wahl die oben durchgeführte Führung seine Überzeugung von der Wirksamkeit Geburtsdatum Luthers sowie dem von ihm nach schräger Aufsteigung ist. Gauricus, der Gestirne war so stark, daß auch Lu- verwendeten Ptolemäusschlüssel kommt der nach der auf Ptolemäus zurückgehen- ther zu gar keinem anderen Zeitpunkt ge- man auf den 17.5.1535 als Auslösungs- den Halbbogenmethode dirigierte, hätte storben sein konnte als dem durch die datum dieser Direktion. Dies ist ein deut- hierbei zu demselben Ergebnis kommen Primärdirektion ausgewiesenen. Diese Hy- licher Unterschied zum tatsächlichen To- müssen wie Regiomontanus, der in seinen pothese erhält zusätzliches Gewicht durch desdatum Luthers, dem 18.2.1546. Wie Tabulae directionum profectionumque eine Bemerkung Luthers aus den kommt es zu dieser Differenz? (1467) ein neues Verfahren propagiert hatte. Wartburger Tischgesprächen: „Es schmerzt Das Verfahren unterschied sich nämlich mich, daß Philipp Melanchthon der Astro- Es gibt drei mögliche Erklärungen: nur im Falle der interplanetaren Direktio- logie so sehr anhängt, weil er meist ge- nen von der Halbbogenmethode, während täuscht wird; denn leicht wird er von 1.) Hat Gauricus die Direktion möglicher- die Direktionen zu den Achsen wie bei himmlischen Zeichen beeindruckt und von weise fehlerhaft berechnet? Ptolemäus nach schräger bzw. gerader seinen Vorstellungen genarrt. Es ist ihm Aufsteigung geführt wurden. Auf jeden Fall oft mißlungen, aber doch kann er nicht wäre man auf 1535 statt auf 1546 als Aus- überzeugt werden. Als ich einmal ziem- lösungsjahr gelangt. lich angeschlagen aus Torgau kam, sag- Entfernt in Betracht zu ziehen wä- te er, daß mir der Tod bevorstehe. Ich habe ren auch: nie glauben wollen, daß es so ernst wäre.“6 - die konverse Führung des Aszen- Vielleicht basiert diese Aussage Melanch- denten zur mundanen Position des Radix- thons auf einer Information des von ihm mars. Mit den obigen Daten kommt man hochgeschätzten Gauricus. auf Direktionsbögen von 80° 33', wenn Fassen wir das Gesagte zusammen, man nach der von Gauricus bevorzugten so ist die wahrscheinlichste Annahme zur Halbbogenmethode rechnet, bzw. auf 72° Erklärung der unpassenden Direktion die, 54' nach der Methode des Regiomontanus, daß Gauricus ein von ihm selbst errech- die Gauricus sonst allerdings nicht ver- netes Todesdatum Luthers für das histo- wendete. risch Richtige gehalten hat. - die Führung nach gerader Auf- steigung; diese hätte dem Reformator sogar Kommen wir nun zum Horoskop Melanch- eine Lebensdauer von rund 95 Jahren ver- thons, das von Gauricus mit dem folgen- sprochen, abgesehen davon, daß es den den, deutlich freundlicheren Kommentar Prinzipien praktisch aller Astrologen bedacht wurde: widersprach, Direktionen zum Aszenden- ten nach gerader Aufsteigung zu berech- Philipp Melanchthon, der überaus gewandte 5 Abb. 3: Lutherhoroskop nen. Redner, herausragende Schriftsteller, ist im 20 Rüdiger Plantiko

dies zu bedauern ist oder ob damit dem sacrilegum hereticum, Christianae religionis Lutheraner Melanchthon recht geschieht, hostem acerrimum, atque profanum. Ex horoscopi directionis ad Martis coitum wird offengelassen. Die Horoskopfigur im irreligiosissmus obiit. Eius Anima scelestissima modernen Design zeigt das Horoskop mit ad Inferos navigavit; ab Allecto, Tesiphone et dem von Gauricus angegebenen Aszen- Megara flagellis igneis cruciata perenniter. denten auf 27°18’ Jungfrau. Der Außen- 3 So berichtet Aby Warburg sogar von einer Reise kreis enthält die primär dirigierten Ach- des Gauricus nach Berlin (in Heidnisch-anti- ke Weissagung, Hamburg 1919). sen und Häuserspitzen des Siebzehn- 4 Die wahre Position des Mars am 22.10.1484 jährigen. Man sieht, daß die Venus-Saturn- um 1 Uhr 10 p.m. betrug 28°50' Widder. Konjunktion zu dieser Zeit ungefähr mit 5 Für eine Einführung in die Theorie der Primär- dem Deszendenten zusammenfällt. Dies direktionen siehe mein Buch Primärdirektionen, ist die von Gauricus erwähnte „directio Chiron Verlag, Mössingen 1996. horoscopi ad oppositionem Saturni“. 6 Zitiert aus: Luther, Werke, Kritische Ausga- Als erstes ist anzumerken, daß der be, Tischreden, III, 3520, Weimar 1933. von Gauricus angegebene Wert für die 7 Philippus Melancton Orator facundissimus, RAMC (86° 4') nicht genau zu den ange- Poeta egregius, profitetur literas Latinas, Graecas & Hebraicas, Astrorum peritus. In Italia eius gebenen Längenwerten der Häuserspitzen scripta sordent & sunt explosa, quoniam redolent führt; die der Figur zugrundeliegende heresim Lutherianam. Ab uxore suscepit RAMC muß vielmehr 86° 18' betragen. plerosque liberos ingeniosos. Ex directione Abb. 4: Melanchthonhoroskop Für die geographische Breite Brettens horoscopi ad oppositionem Saturni annp aetatis suae 17 cum uno mense diebus 10, febre wurde der Wert 49° zugrundegelegt (tat- periculosa ipsum in primis corripuit, dein erupit lateinischen, griechischen und hebräischen sächlicher Wert: 49° 2'). Rechnet man nun in pectori ignes & tetrum apostema. Schrifttum bewandert, auch der Sterne noch mit der Länge Saturns nach Gauricus 8 Die wahre Saturnposition ist allerdings eine an- kundig. In Italien schweigen seine Schriften, (9° 44' Widder), so bestätigt sich auf den dere: Der Saturn stand zu Melanchthons Ge- Tag genau das von Gauricus errechnete burt nicht auf 9°44', sondern auf 8°40'. Das denn sie verbreiten die Lutherische Häre- korrekte Ereignisalter der Direktion beträgt sie. Von seiner Frau empfing er zahlrei- Ereignisalter für die Direktion Aszendent demnach 15.866 Jahre. 8 che begabte Kinder. Wegen der Direktion Opposition Saturn. 9 Ebensogut paßt aber diese Direktion auf die des Aszendenten zur Opposition Saturns Ob Melanchthon in dieser Zeit wirk- Kränkung, die Melanchthon durch die Zurück- befiel ihn mit 17 Jahren 1 Monat 10 Ta- lich an einem Fieber mit den beschriebe- weisung von seiten der Heidelberger Universität gen ein gefährliches Fieber, worauf eine nen Folgen litt, ist mir unbekannt.9 Wie im Jahre 1512 erleben mußte, die ihm wegen seines „jungen und kindlichen Aussehens“ die Entzündung im Brustbereich und ein häß- kam Gauricus an diese Information? Ist Magisterwürde versagte. licher Abszeß folgten.7 es eine Erfindung ad astrologiae gloriam - oder war der nachweisliche Briefverkehr Gauricus hebt also die humanistische Bil- des Gauricus mit den Wittenbergern doch Bildnachweis: so intensiv, daß man sogar seine Erkran- dung und die Astrologiekenntnisse Me- 1 Titelbild aus der venezianischen Ausgabe des lanchthons hervor, während die Angehö- kungen im Jugendalter austauschte? Tractatus, als Titelbild verwendet in: Erasmo rigkeit zum Lager der Luhtheraner an Percopo: Luca Gaurico, Neapel 1896 weniger wichtiger Stelle rangiert. Im Ge- Wie auch immer - die Texte des Gauricus 2 Titelbild des Tractatus Astrologica von Lucas gensatz zum Lutherhoroskop enthält er sich über die Humanisten und Reformatoren Gauricus Venedig 1552 hier einer Stellungnahme und berichtet nur, (z.B. sind auch Erasmus von Rotterdam, 3 Lutherhoroskop aus o.a. Tractatus, fol. 69v, daß Melanchthons Werke aufgrund der Camerarius und Georgius Sabinus im (22.10.1484 um 21.10 Uhr) Zensur in Italien nicht zugänglich sind. Ob Tractatus aufgeführt) werfen ein interes- 4 Melanchthonshoroskop aus Tractatus,fol. 75 santes Streiflicht auf das astrologische r (16.2.1497 um 19.06 Uhr) Umfeld der Reformation, das für Histori- 5 Radix- und Primärdirektionen, berechnet und gezeichnet mit SunWorld für Windows ker nicht weniger interessant ist als für die Freunde der Astrologie.

Anmerkungen: Anm. d. Hrsg: 1 Alle biographischen Angaben aus Erasmo Der Mathematiker Dr. Rüdiger Plantiko ist haupt- Percopo: Luca Gaurico, Atti della reale academia beruflich als Informatiker tätig und lebt in 69226 di archeologia, lettere e belle arti, Napoli Nußloch, Konrad-Adenauer-Ring 2. 17(1896),ii. Neben seinem bereits im Artikel erwähnten Buch zur 2 Martinus fuit imprimis Monachus per multos Theorie der Primärdirektionen sei an dieser Stelle annos, demum expoliavit habitum monialem noch auf die direkt beim Autor erhältliche Studie duxitque in uxorem Abbarissam altae staturae „Lucas Gauricus - Ein Astrologe der Renaissance, Victimbergensem & ab illa suscepit duos liberos. Zürich 1993“ hinzuweisen. Haec mira satisque horrenda 5 Planetarum coitio Weitere seiner Publikationen sind in der Rubrik sub Scorpii asterismo in nona coeli statione „Astrologie und Geschichte“ im Internet abrufbar Abb. 5: Radix und Primär Melanchthon quam Arabes religioni deputabant, effecit ipsum über die Website http://astrologix.de 21

ARNOLD ZENKERT Die Arachne von Görlitz - Dokument der Astrologie

Die zum Freistaat Sachsen gehörende, einst meisten Betrachter ihre Schwierigkeiten, Planeten zueinander sowie im Tierkreis niederschlesische Stadt Görlitz an der Neiße da die Bezeichnung "ARACHNE" den mei- zum Zeitpunkt der Geburt war von über- gehört mit ihren gotischen Kirchen, statt- sten unverständlich sein dürfte. Sieht man ragender Wichtigkeit. Das Horoskop war lichen Tortürmen und den prächtigen genauer hin, bemerkt man eine Vielzahl gleichsam der Leitfaden fürs Leben, eine Renaissancehäusern aus dem 16. Jahr- an geraden und gebogenen Linien sowie unumstößliche Wahrheit, von der man fest hundert zu den schönsten Städten Deutsch- zahlreiche Planetensymbole von Merkur überzeugt war. lands. Von dem langgestreckten Obermarkt bis Saturn sowie von Sonne und Mond. Die Menschen waren damals gewiß nicht "dümmer" und wir dürfen uns an der Wende zum 3. Jahrtausend nicht für "klü- ger" halten. Die Astrologie hatte noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts im Zeital- ter des Geozentrismus ihre Berechtigung. Wundern wir uns daher nicht, wenn be- deutende Männer wie Tycho Brahe, Johan- nes Kepler und Phlipp Melanchthon der Astrologie ihre Reverenz erwiesen. Noch Leibniz hat es geduldet, daß man an sei- ner Sternwarte um 1700 fürstlichen Per- sonen das Horoskop stellte. Der Ingolstädter Theologe Adam Tanner S.J. veröffentlichte 1615 eine Schrift "Astrologia sacra", d.h. Astrologie als theologischer Wissenszweig, in der er aber spitzfindig vier Voraussa- gen der Astrologen unterscheidet und den Abb. 1: Gesamtansicht der Sonnenuhr Einfluß der Gestirne bereits weitgehend zu- rückdrängt. Zum Verständnis der führt der Weg zum von Bogenhallen (Lau- Dieser Tafel soll unsere Aufmerksamkeit ARACHNE müssen wir uns also in die ben) umgebenden Untermarkt mit dem gelten. Denkweise der Menschen der damaligen Rathaus aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Es ist das Jahr 1550, als der Görlitzer Zeit versetzen. Bekannt ist die Freitreppe mit dem Stand- Mathematiker und Astronom ZACHARI- bild der Gerechtigkeit, der Tür und einer AS SCULTETUS (1530...1560) dieses ein- Verkündigungskanzel, die den deutschen malige Werk schuf, das zu den bedeutend- Das Zifferblatt der ARACHNE Renaissancestil in seiner schönsten Ent- sten Sonnenuhren Mitteleuropas zählt. Ver- Das scheinbare Durcheinander des Linien- faltung zeigt. Beachtenwert sind am Rat- setzen wir uns in diese Zeit! Sieben Jah- gewirrs (Abb. 1) ähnelt einem Spinnen- hausturm eine alte Stundenuhr mit der re zuvor war Nicolaus Copernicus verstor- gewebe, das griechische Wort hierfür ist darüber befindlichen Monduhr mit der ben. Sein revolutionierendes Werk dürf- "Arachne". Diese soll nicht wie das daneben Anzeige der Phasen. te damals in Görlitz noch nicht bekannt befindliche SOLARIUM die Zeit anzeigen, gewesen sein. Nur wenige Gelehrte die- sondern die Stellung der Sonne zum Gör- ser Zeit hatten andeutungsweise etwas von Die Sonnenuhr an der alten litzer Horizont und Meridian angeben. Es dem Frauenburger Domherrn gehört, der handelt sich hierbei also um eine örtliche Ratsapotheke am Haus die Sonne in den Mittelpunkt des Welt- Angabe des Sonnenstandes. Untermarkt Ecke Peterstraße systems setzte. Die Ausmaße des Feldes sind mit 3,25 Die Menschheit war noch ganz im Allein das prächtige alte Haus fesselt schon x 1,25 m die gleichen wie beim SOLARI- geozentrischen, d.h. anthropozentischen den Blick des Betrachters. Über den Fen- UM. Aus Symmetriegründen hat der Her- Denken befangen. Alles war für den Men- stern des ersten Stockwerkes befinden sich steller auch dieses Feld im oberen Teil schen geschaffen, der sich als Mittelpunkt auf zwei länglichen Tafeln, deren linke bald ausgespart. fühlte und für den die Welt der Gestirne als eine Sonnenuhr zu erkennen ist, worauf Am Rande finden wir die Zeichen der ein Buch darstellte, das er zu lesen glaubte auch die Bezeichnung SOLARIUM ver- sieben Planeten nach Ptolemäus, d.h. Mer- und davon auch regen Gebrauch mach- weist. Bei der rechten Tafel haben die kur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn sowie te. Die Stellung von Sonne, Mond und Sonne und Mond. Jedem Planeten wird 22 Arnold Zenkert für Tag und Nacht ein Tierkreiszeichen als "Haus" zugeordnet, d.h. als Ort stärkster Wirkung. Für Sonne und Mond besteht nur je ein Haus, für die Sonne eins für den Tag, für den Mond eins für die Nacht.

Die Abbildung 2 zeigt das Liniensystem der Planetenstunden, deren Zeitmessung eine Ergänzumg zum SOLARIUM darstellt. Diese "horae antiquae" werden auch als jüdische oder Temporalstunden bezeich- net. Tag und Nacht werden getrennt zu 12 Abb. 2: Liniensystem der Planetenstunden Stunden gezählt. Die Länge der Temporal- stunden ist von der Jahreszeit abhängig, Mond) folgten für die weiteren Tages- Bei der Ablesung wird zuerst mit Hilfe des so dauert eine Temporalstunde am kürze- stunden, so daß in 21 Stunden diese Rei- Schattenendpunktes die Planetenstunde sten Tag des Jahres nur etwa 40 Minuten he dreimal durchlaufen wurde. SSS Saturn, bestimmt. Dann wird die Reihe des betref- am längsten Tag dagegen 80 Minuten. Zur jjj Jupiter und h Mars kamen als Regen- fenden Wochentages aufgesucht, um dort Tag- und Nachtgleiche stimmt diese mit ten noch einmal an die Reihe. Auf die in der zuerst bestimmten Planetenstunde unserer bürgerlichen Stunde von 60 Mi- genannte Reihenfolge der Planeten ver- den Regenten abzulesen. So ist z.B. der Re- nuten überein. weist auch die bildliche Darstellung links gent der 4. Planetenstunde am Donners- Man achte auf die Farbgebung: In und rechts außerhalb des Feldes. tag die ggg Venus. der Arachne sind diese Stunden grün dar- Die erste Stunde des neuen Tages (25. Ein rotes Liniensystem teilt die gestellt und nicht numeriert, nur die Li- Stunde) beherrschte der nächste Planet, die ARACHNE fächerartig in sechs rote und weiße Felder, so daß immer 2 Planeten- Planet Nacht < Häuser für > Tag stunden zu einem Himmelshaus der Sonne (DOM) gehören (Abb. 4). Die Sonne ver- ______bleibt somit zwei Stunden in jedem Feld. Saturn SSS Wassermann NNN Steinbock ZZZ Da die Zählung mit dem Sonnenuntergang Jupiter jjj Fische MMM Schütze V beginnt, kommen nur die Häuser 7 bis 12 Mars hhh Widder x Skorpion C in Frage. Das 10. Haus beginnt zu Mittag. Sonne sss - Löwe nnn Venus ggg Stier ccc Waage XXX Die Höhen- und Azimutlinien Merkur fff Zwillinge vvv Jungfrau mmm Mond ddd Krebs bbb - Außer der beschriebenen Einteilung war es für die Bewohner von Interesse, Höhe und Azimut (Richtung) der Sonne zu ken- Abb. 3: Verteilung der Häuser nen. Dafür dienten zwei verschiedene Liniensysteme. Die Höhe der Sonne kann nie "6", die mit der Mittagslinie zusam- sss Sonne. Auf den Samstag (Sabbat) folgt an den schwarzen, gebogenen Linien in menfällt, ist rot gezeichnet. Das Feld wird somit der Sonntag. Nach weiteren 24 Stun- 5°-Abständen abgelesen werden (Abb. 5). durch die Planetenstunden fächerartig in den gelangen wir in der Planetenfolge wie- Diese schwankt in Görlitz zu Mittag zwi- 12 Streifen geteilt, die verlängerten Lini- der um drei Stellen weiter und kommen schen 62,5° (21.6.) und 15,5° (21.12.) Die en haben keinen gemeinsamen Schnitt- so zum d Mond, dem Montag. Für die wei- hyperbelartigen Linien ähneln zwar den punkt. Für die Ablesung ist das Schatten- teren Tage der Woche ist dieses Verfah- Tierkreislinien auf dem SOLARIUM, sind ende maßgeblich. ren anzuwenden. aber von anderer Beschaffenheit. Die ARACHNE wird oft auch als "Pla- Betrachten wir die oberste Reihe der Das andere, rötliche Liniensystem netarium" bezeichnet. Der Grund hierfür Planetenzeichen: Diese beginnt mit der enthält senkrecht parallel verlaufende Li- sind die Planetenzeichen und die Wochen- Sonne als Regent der 1. Stunde und gilt nien, deren Abstände zueinander in Rich- tage zwischen den Stundenlinien. Hier für den Sonntag. Die Reihe der Wochen- tung Mittag kleiner werden. Diese Linien müssen wir uns die astrologischen Vor- tage ist an den Planetenzeichen im 1. und zeigen die ständig veränderliche Sonnen- stellungen zu eigen machen: Jeder Plane- 8. Feld (von links nach rechts) zu erken- tenstunde wurde ein Planet als Regent zu- nen. Die ARACHNE enthält alle 84 Stun- geordnet. Die Verteilung richtete sich nach denregenten in den 12 Feldern. Die Ab- der Reihe der Planeten, wobei mit dem SSS bildung 2, nicht aber das Original, enthält Saturn begonnen wurde, der die erste neben den Planetenzeichen Buchstaben, Stunde des heiligen Tages, des Sabbats, die jeweils von links nach rechts in rich- regierte. Die übrigen Planeten (jjj Jupiter, tiger Zusammenstellung gelesen, den be- h Mars, s Sonne, ggg Venus, fff Merkur, ddd treffenden Wochentag ergeben. Abb. 4: Sonnenhäuser-Liniensystem Die Arachne von Görlitz - Dokument der Astrologie 23 richtung, das Azimut, an. Der Winkel kann an 27 Graden abgelesen, die Zählung er- folgt hier nicht im Vollkreis, sondern von Süd aus nach beiden Seiten von 0° bis 180°. Am oberen Rand des Feldes findet man zwei Zahlenreihen. Die obere gibt den Ab- stand vom Südpunkt an, die untere den vom Ost- bzw. Westpunkt (Abb. 6). Die rechts befindliche Inschrift 1 erläutert in vier Hexametern den Sinn der ARACHNE:

Hora planetarium viridi est expressa colore Et rubra ostendunt albaque plana domus. Abb. 6: System der Azimutlinien Stamine deinde nigro contexta ascensio solis, Uhrzeit begnügen, wollte der Mensch im an dem auswendigen Kirchenpfeiler ad Quo rutila asimuth ordine noch sterngläubigen 16. Jahrhunderts mehr meridiem mit dem hores meridiana et norma secat. wissen. Er versuchte, die Zeit mit der Stel- occassu solis, sowohl auch dem tropicis lung der Gestirne in einen Zusammenhang lineis, Tageslängen und Quatembern zu- zu bringen, der für uns an der Jahrtau- gerichtet und verfertigt." Abschließend seien noch die Funktionen sendwende nicht mehr verständlich und Eine alte Fotografie um 1880 zeigt beider Uhren an der Alten Ratsapotheke für den uns jedweder Sinn verloren ge- noch den Polstab, mehrere Stundenlinien angeführt: gangen ist. mit den gotischen Zahlenzeichen sowie ei- nige Tierkreislinien. Das Alter der Uhr kann SOLARIUM auf die Zeit um 1600 datiert werden. Es Die alte Sonnenuhr an der wäre zu begrüßen, wenn diese, fast bis zur 1. Gewöhnliche Stunden Peterskirche 2. Tierkreislinien Unkenntlichkeit zerstörte, historische Son- 3. Italische Stunden Die beiden mächtigen Kirchtürme von St. nenuhr sachkundig restauriert werden 2 4. Nürnberger Stunden Peter und Paul lenken den Blick aus der könnte. 5. Tageslängen engen Altstadt zum Himmel. Im Gegen- satz zu den großen Tafeln an der Rats- Anmerkungen: ARACHNE apotheke befindet sich auf dem rechten 6. Planetenstunden Stützpfeiler beim Südportal in 4 m Höhe 1 "Die Planetenstunden sind in grüner Farbe angegeben, abwechselnd rote und weiße Flä- 7. Ihre Regenten für alle Wochentage der Rest einer Sonnenuhr, die der hastig chen zeigen die (Himmels-) Häuser der Sonne 8. Häuser der Sonne Vorübereilende nicht bemerkt. an. Mit schwarzen Linien ist die Sonnenhöhe 9. Höhen der Sonne eingezeichnet, und rötliche lotrechte Gerade be- 10. Azimut der Sonne BARTHOLOMÄUS SCULTETUS (1540 - stimmen das Azimut." 1614), Mathematiker, Astronom und Bür- 2 Beschreibung der Sonnenuhren nach Hellmut Winkler: Astronomische Uhren in Görlitz. Mit- Eine längst vergangene und fremde Welt germeister seiner Heimatstadt sowie Ver- teilungen der Einstein-Sternwarte Görlitz, Nr eröffnet sich dem Betrachter, der seinen fasser eines Lehrbuches über die Herstel- 3., 1956. Blick auf die beiden Uhren mit ihrem nicht lung von Solarien, war der jüngere Bru- leicht verständlichen Liniengewirr richtet. der von Zacharias. Er schreibt folgendes: Während wir uns heute mit der exakten "1567, am 4. Juli, habe ich das Solarium

Anm. d. Hrsg.: Drei Jahrzehnte notierte Arnold Zenkert, Potsdamer Astronom und langjähriger Leiter der Bruno-H.- Bürgel-Gedenkstätte, auf seinen Reisen im In- und Ausland Inschriften von Sonnenuhren. Von seinen zahlreichen Veröffentlichungen sei im Zusammenhang mit obigem Artikel vor allem auf „Zähl die heitren Stunden nur - Sinnsprüche auf Sonnenuhren“ (ISBN 3-359-00317-9) hingewiesen, eine Sammlung von zweihundertfünfzig besinnlichen, komischen und auch paradoxen Lebensweisheiten, Abb. 5: System der Höhenlinien die zugleich kulturhistorische Zeugen sind. 24

MANFRED SCHUKOWSKI Astronomische Monumentaluhren in Kirchen - Indikatoren für mittelalterliche Mentalitäten

Astronomische Uhren sind Zeitmesser, die de. Von ihr existiert nur noch der bekrö- gische Anzeigen. Im hansischen Raum außer der Uhrzeit Astronomisches mittei- nende mechanische Hahn. In den folgen- betrifft das die astronomischen Uhren im len. Darüber hinaus wurden sie sehr früh den 250 Jahren entstanden weitere astro- Dom zu Münster sowie in den Marienkir- zu Repräsentationsobjekten an städtischen nomische Uhren unterschiedlicher Ausstat- chen von und Lübeck. Davon sind Rathäusern und in Kirchen, an Schlössern tung, darunter 1571/74 die zweite Straß- die beiden ersteren erhalten. und in Klöstern. Astronomische Kirchen- burger Münsteruhr. Eine Reihe von ihnen uhren tragen mit ihrer ikonographischen hat sich bis heute erhalten. Die münsterische Domuhr erhielt ihre heu- Gestaltung eine christlich-religiöse Aus- Einige besonders reich ausgestatte- tige Gestalt 1540, die Rostocker Marien- sage. Man darf sie als eine Art "Bilderbibel" te monumentale Uhren des 15. und 16. kirchuhr 1472 bzw. 1641/43. Zwar liegen bezeichnen. Jahrhunderts in Kirchen geben Einblicke die Ursprünge beider Uhren in der Zeit um Ein frühes und berühmtes Beispiel in Denkweisen und Geisteshaltungen der 1400, aber ihr damaliges Aussehen ist nur einer astronomischen Uhr gibt die erste Menschen dieser Zeit. Sie bezeugen vor zu vermuten. Straßburger Münsteruhr, die 1352/54 von allem christliche Sinnesart. Einzelne der- Beiden monumentalen Uhren ist ge- einem unbekannten Meister erbaut wur- artige Großuhren besitzen auch astrolo- meinsam, daß sie in ihrer Gesamtgestaltung die tief verinnerlichte, selbstverständliche christliche Geistesart der Menschen des 15. und 16. Jahrhunderts sichtbar machen: Der Kosmos wie die Erde sind gottgeschaffen, die Zeit ist eine Gottesgabe, ihr Ablauf liegt in Seiner Hand. Ikonographisch wird aus- gedrückt, daß Gott (oder sein Sohn oder Maria mit dem Kinde) über der Zeit, den kosmischen Bewegungen und dem irdi- schen Kalender steht. Dies ist der domi- nierende Mentalitätsbefund an den astro- nomischen Kirchenuhren. Darum sind diese technischen Wunderwerke Teil der religiö- sen Ausgestaltung der Kirchen. Der reformatorische Einfluß der Zeit Melanchthons zeigt sich an beiden Uhren in der Hinzufügung der Evangelisten- symbole in den Ecken der Uhrscheiben. In Münster wurden die Bildnisse 1542 von Ludger tom Ring geschaffen. Ihre Spruch- bänder tragen in Latein die Aussagen:

- Siehe, die Magier kommen von Osten (Mat- thäus 2,1) - Finsternis lagert sich über die ganze Erde (Lucas 23,44) - Sie kommen zum Grabe, als die Sonne schon aufgegangen ist (Marcus 16,2) - Sind nicht des Tages zwölf Stunden? (Johan- nes 11,9)

In Rostock sind diese Symbole 1641/43 nachträglich angefügt worden. Sie besit- zen keine Spruchbänder. An anderen vorreformatorischen Uhren im Hanseraum finden bzw. fanden Abb. 1: Straßburger astronomische Uhr sich in den Zwickeln der Uhrscheiben resp. Astronomische Monumentaluhren in Kirchen - Indikatoren für mittelalterliche Mentalitäten 25 er Marienkirchuhr . 2: Uhrscheibe Rostock Abb

der Kalendarien "Weltweise" mit Sentenzen turbeobachtung und den Versuchen zur Bretter hinter den jeweiligen Schlitzen wer- in Latein. Das trifft auf Stralsund, Doberan, Deutung der Erscheinungen erwachsen und den um Mitternacht vom Uhrwerk um Lübeck, Stendal, Rostock und Lund zu (bei in Gottes Welt und Willen eingeordnet, knapp 52° gedreht. den beiden letztgenannten an den Kalen- standen miteinander noch in weitgehen- In Rostock gibt es eine andere Lö- darien). In Rostock ist die zu vermutende der Übereinstimmung. sung: Auf der einen Hälfte des Stunden- ursprüngliche Beschriftung durch die Aus- Allerdings ist das Verhältnis der zeigers befindet sich eine astrologische sage "Ein Tag saget's den andern - Und christlichen Lehre zum astrologischen Scheibe, die in 28 Sektoren je viermal die eine Nacht thut's kund den andern - 0 Glauben in dieser Zeit kaum einheitlich, Namen und Zeichen der 7 Regenten trägt. Mensch bedenk` das Ende - So wirst du sondern zeitlich und örtlich unterschiedlich. Ein immer senkrecht stehender roter Zeiger nimmer übel thun" ersetzt1. Für Münster Es reichte von strikter Ablehnung und Ver- gibt den jeweils herrschenden Regenten bleibt offen, ob und welche Zwickel- bot bis zur Tolerierung und Einbindung an. Die Scheibe besitzt ein Getriebe, durch gestaltung es bis zur Beschädigung der Uhr in das christliche Weltbild. Melanchthon das sich in 24 Stunden bei der Drehung 1534 durch die "Wiedertäufer" gab. ironisierte die eingerissenen "wunderliche des Stundenzeigers 24 der 28 Sektoren heidnische Greuel und Mißbräuche etc. ..., unter dem roten Zeiger vorbeibewegen. Tiefe Gläubigkeit aber schloß nicht aus, daß die Bilder ein eigen heimliche Kraft Hier ist es ein rückseitig befestigtes Masse- daß im Menschen auch andere Stimmen hätten, wie die Zauberer und Magi dafür stück, das durch seine Schwere die Dre- Gehör fanden. Jedenfalls weisen bzw. wie- halten, daß wenn man etlicher Sternzei- sen die Uhren von Münster, Lübeck und chen zu gewisser Zeit in Gold oder ander Rostock auch auf andere Mächte hin, die Metall gräbt oder bildet, die sollten ein son- die Tage und die Stunden regieren: Die Pla- derliche heimliche Kraft haben und Wir- neten der antiken Astronomie Sonne, kung ..."2 Mond, Jupiter, Mars, Merkur, Venus und Saturn treten an den astrologischen In- Bei den astronomischen Uhren von Mün- dikatoren dieser Uhren als Tages- und als ster und Lübeck besteht bzw. bestand die Stundenregenten auf. Als von Gott ge- Anzeige in 2 senkrechten Feldern links und schaffene Himmelskörper konnte ihrem Ort rechts der Uhrscheibe mit insgesamt 24 am Himmel (bzw. beim Mond: seiner Tafeln, auf denen die Regenten für jede Gestalt) Gottes Wille untergelegt, konn- Stunde des jeweiligen Tages abgelesen ten ihnen Kräfte und Wirkungen zugespro- werden können. Der Regent der 1. Stun- chen und sie sozusagen in eine de nach Mitternacht ist gleichzeitig Tages- "Stellvertreterfunktion" gebracht werden. regent (Possessor) und gibt dem beginnen- Astronomie und Astrologie, aus der Na- den Tag den Namen. Die siebeneckigen Abb. 3: Detail Uhrscheibe in Münster 26 Manfred Schukowski hung der Getrieberäder und der Scheibe Anmerkungen: Wieschebrink, Theodor: Die astronomische Uhr im bewirkt. Eine direkte Verbindung zum Uhr- Dom zu Münster. Verlag Aschendorff zu Mün- 1 Psalm 19,3/Sirach 7,40 ster/Westfalen, 2. Aufl. 1983. *) werk gibt es nicht. (Indirekt ist sie aller- *) In diesen Arbeiten finden sich weitere Literatur- dings durch den vom astronomischen 2 Apologie der Confessio Augustana des Philipp Melanchthon, Artikel XI I "Von Anrufen der hinweise. Zeigerwerk bewegten Stundenzeiger doch Heiligen" (Hervorhebung M.Sch.) vorhanden; denn erst dessen Bewegung bewirkt die Drehung der astrologischen Bildnachweis: Scheibe.) Offen ist, ob diese astrologische Literatur: 1 Tobias Stimmer, Die astronomische Uhr des Schwerkraftscheibe aus der Entstehungszeit Boer, Emilie u. Strohmaier, Gotthard: Mittelalter- Straßburger Munsters. Titelholzschnitt zu: Lucas der Uhr um 1472 stammt oder ob sie erst liche Inschriften auf astronomischen Uhren des BATHODUIS, Alter vnd Newer Schreibkalender 1641/43 hinzugefügt wurde. 14. Jhs. in Stralsund und Bad Doberan. In: mit der Practica auff das Jahr M.D.XCVIII (Titelabb. Oestmann, op. cit., Kopie des GNT- Verlags) In Lübeck und Münster wie in Rostock 2 Die Uhrscheibe der monumen- wurden keine geringen tech- talen Rostocker Marienkirchuhr nischen Anstrengun- - Aufnahme: M. gen unternom- Schukowski, Rostock men, um den 3 Ausschnitt astrologi- der Uhr- scheibe schen der

astro- Sach- nomi- schen Uhr verhalt im Dom zu darzustel- Münster. Das len. Symbol des Evangelisten Markus trägt ein Schriftband mit dem Text "Venium ad monument- Menschliche Befindlich- um orto iam sole" (Sie kommen zum Grabe, keiten hatten immer viele Schat- als die Sonne schon aufgegangen ist - Marcus 16,2). Rechts 5 der insgesamt 24 Fenster mit tierungen. Da sind für Zeiten unerklärli- Philologus, Akademie-Verlag Berlin/ den Stundenregenten. Tagesregent ist Merkur. cher Naturphänomene und schwerer Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung Wiesba- Die Aufnahme wurde an einem Mittwoch ge- den, Bd. 123 (1979) H. 1, S. 108 - 114. menschlicher Schicksale Deutungen be- wonnen. - Aufnahme: Ignaz Lins, Münster, sonders verständlich, die vor heutigem Jimmerthal, H.: Die astronomische Uhr in der St. Habichtshöhe 78a Marienkirche zu Lübeck. H.G. Rahtgens, Lü- Wissen nicht Bestand haben. Christlicher 4 Astrologische Scheibe an der Rostocker astro- beck 1861. Glaube, der Gedanke der Einbindung der nomischen Uhr von 1472 - Aufnahme: Menschen in ein Weltganzes und Horo- Oestmann, Günther: Die astronomische Uhr des M. Schukowski, Rostock Straßburger Münsters - Funktion und Bedeu- skopprognostik waren verschiedene Sei- tung eines Kosmos-Modells des 16. Jahrhun- Der Verfasser dankt den Herren Ulrich Nath ten einer Medaille, bei der die Welt des derts, Stuttgart 1993. *) in Rostock und Otto-Ehrenfried Selle in Menschen und der Kosmos von der trans- Schukowski, Manfred: Die Astronomische Uhr in Münster für ihre helfende Beratung. zendenten Welt Gottes eingefaßt sind. St. Marien zu Rostock. Unter Mitarbeit von Wolf- So sind die astronomischen Monu- gang Erdmann und Kristina Hegner. Karl Ro- Anm.d. Hrsg.: bert Langewiesche Nachf. Verlagsbuchhandlung Prof.Dr. sc. Manfred Schukowski, bekannt durch mentaluhren des 14. bis 16. Jahrhunderts Königstein/T. 1992. *) nur voll zu verstehen, wenn man die Men- zahlreiche Publikationen zu Fragen der Didaktik des Warncke, Johannes: Die astronomische Uhr zu St. astronomischen Unterrichts sowie über astronomische talitäten zur Zeit ihrer Erbauung berück- Marien in Lübeck. Verlag v. Gebr. Borchers Uhren, Kulturpreisträger 1995 der Hansestadt Ro- sichtigt. Andererseits erlauben sie uns, mit- Nachf. (W. Dahme) Lübeck, 2. Aufl. 1935. stock, wohnt in 18107 Rostock, Helsinkier Straße 79. Er teilte kürzlich mit, daß nach mehr als zehn- telalterliches Denken und Fühlen nachzu- Abb. 4: Astrologische Scheibe an der empfinden. jähriger Restaurationszeit auch die Astronomische Rostocker Uhr Uhr in Danzig wieder voll funktionstüchtig ist. 27

IRMGARD HÖß Georg Spalatin111 und die Astrologen222

Spalatin hat sich zeitlebens für die Astro- er Himmelserscheinungen sorgfältig no- vakante Professur für Mathematik machte, logie interessiert. Dieses Interesse, das für tiert; zunächst überwog die Sammeltätig- die dann in Verbindung mit einem die damalige Zeit keineswegs ungewöhn- keit: natürlich war er von seinen Vorla- Kanonikat am Allerheiligenstift an Volmar lich war, dürfte vor allem sein zweiter gen abhängig, hat er doch mittelalterli- ging, der auch einige Schriften im Druck humanistischer Lehrer Mutianus Rufus che erzählende Quellen gesammelt, aus- herausbrachte. geweckt haben, an den ihm sein bisheri- geschrieben und ausgewertet, ohne dar- Außer diesen zu den Altbeständen ger Mentor Nikolaus Marschalk bei der über zu reflektieren. So wuchs eine gewal- aus Spalatins Nachlaß im ThHStA Weimar Rückkehr von Wittenberg nach Erfurt einen tige Materialsammlung an, in die er auch zählenden Stücken hat Signora Zambelli Brief mitgegeben hatte. Mutian, der vom Briefauszüge oder ganze Briefwechsel, ja auch das von mir in dem Band Astrologi Florentiner Neuplatonismus und beson- diverse Abhandlungen - darunter auch hallucinata behandelte Iudicium eines ders von Ficino geprägt war, lebte seit astrologische - einfügte, die sicher einmal ungenannten Mathematikers (5.124 f.), das seiner Rückkehr aus Italien nach einem im Tagesgeschäft eine Rolle gespielt ha- sich in einer eigenhändigen Kopie von hessischen Zwischenspiel als Kanoniker in ben mögen, dann aber für künftige Nut- Spalatin ursprünglich in der Landesbib- Gotha, blieb aber für die Erfurter Huma- zung in seinen Papieren verwahrt wurden. liothek Weimar befand (Q16), einbezogen. nisten der führende Kopf. Spalatin, der Einige wichtige Stücke, die im Be- Als sie in Weimar war, fand sie den Band, durch Mutians Vermittlung Novizenlehrer zug zu Problemen der Astrologie stehen, wie sie schreibt, "in der Stiftung Weima- im Gotha benachbarten Zisterzienserkloster hat die erfahrene Spezialistin auf diesem rer Klassik (vormals Goethe-Schiller-Ar- Georgenthal geworden war und auch die Gebiet, Paola Zambelli, aus dem Weima- chiv)4 (DerHimmel über Wittenberg S. 46 Klosterbibliothek verwaltete, gehörte zu- rer Archivmaterial herausgezogen und in A. 17). sammen mit dem Klosterökonomen Ur- ihrem ursprünglichen Kontext gewürdigt. Mittlerweile ist in Weimar nochmals ban (Heinrich Fastnacht aus Orb) fortan Dazu zählen auch die Briefe des Witten- alles umstrukturiert worden, der Band ist zum engsten Zirkel an seinem end- des Mutiankreises. gültigen Aufbe- In dieser Zeit äu- wahrungsort ge- ßerte sich Mutian landet, nämlich in einem Brief an im Thüringischen Urban über den Hauptstaatsarchiv Nutzen der Weimar, wo er Himmels- nun unter Beibe- beobachtungen; haltung der zugleich bedankte Spalatins eigenhändige Unterschrift bisherigen Blatt- er sich für die Über- zählung unter der sendung eines Werkes von Proclos und er- berger Mathematikers Johannes Volmar Signatur EGA, Reg 0 157b zu finden ist. bat eigene nach Georgenthal ausgeliehene von Villingen an Spalatin und Kurfürst Auch dort wird er unter dem Titel Mate- Exemplare von Werken antiker Autoren Friedrich d.W. von Sachsen aus den Jah- rialsammlung für Spalatins Chronik ge- zurück 3. Bei der engen Zusammenarbeit ren 1519-21 (Thüringisches Hauptstaats- führt, eine Bezeichnung, die P.Z. gestört der beiden Georgenthaler waren briefli- archiv Weimar Reg. 0 144), auf die ich die hat (S. 46 A. 18), die aber nicht ausschließt, che Mitteilungen an den einen immer auch Kollegin seinerzeit aufmerksam machen daß ein einzelnes Stück ursprünglich eine für den anderen bestimmt. Wir dürfen also konnte. Sie hat sie ediert im Anhang zu Propagandaschrift gewesen sein kann. Die voraussetzen, daß Spalatin die wichtigen ihrem Aufsatz Astrologi consiglieri de Signatur wurde mir in einem Schreiben astronomischen und astrologischen Lehr- principe a Wittenberg, in; Annali dell' des ThStW vom 17.2.97 az: bl mitgeteilt. gedichte und Lehrbücher der genannten Istituto storico italo-germanico in Trento Durch ihre neuen Funde in Weimar Autoren kannte. XUIII (1992) 531-543. 3 neigt nun die anfangs noch zurückhaltende Seit 1508 stand Spalatin - auch auf Bei der Auswertung der Sammlung P.Z. doch zu der Ansicht Warburgs5, daß Empfehlung Mutians - in kursächsischen von astrologischen Abhandlungen ebd. Spalatin eine "Pressepolitik" durch astro- Diensten in einer ganzen Reihe wechseln- Reg 0 147 entdeckte sie dabei einen bis- logische Schriften gefördert habe. Sie stehe der Funktionen. Auch der Auftrag zur her kaum bekannten Astrologen Heinrich ohne Zweifel im Zusammanhang mit der Geschichtsschreibung gehörte dazu. In Lauterfelsch von Saalfeld, der propagan- aufgeheizten Stimmung angesichts des seinen historiographischen Arbeiten, von distisch verwertbare Texte lieferte und sich Herannahens des Jahres 1524, für das man denen nur wenige gedruckt wurden, hat ebenso wie Volmar Hoffnungen auf die schon auf Grund der Prophezeiungen des 28 Irmgard Höß

Johannes Lichtenberger eine große Kon- Schließlich noch ein spätes Beispiel für York Walter de Gruyter 1986, 123-127. junktion im Zeichen der Fische, die auf eine Spalatins doppeltes Interesse - an astro- 3) Karl Gillert (Hrsg.), Der Briefwechsel des große Sintflut hinweisen sollte, erwarte- logischen Fragen und an Unterlagen für Conradus Mutianus, Halle 1890 (= Geschichts- quellen der Provinz Sachsen Bd. 18) Nr. 103, te. Dagegen halte ich es zumindest für seine Geschichtsschreibung. Seit seinem Gotha zw. Frühjahr 1506 und Herbst 1508. diesen Zeitpunkt (Wormser Reichstag 1521) Ausscheiden aus dem Hofdienst nach 4) P. Zambelli, Der Himmel über Wittenberg ... für ausgeschlossen, daß Spalatin auch eine Friedrichs d. W. Tod wurden die Gelegen- in: Annali dell' Istituto storico italo-germanico grobe Bildpropaganda mit monstrologi- heiten zur Einflußnahme seltener, zumal in Trento XX (1994).S.46, A-.117. schen Warnungsbildern unterstützt hat- er beim Aufbau einer völlig neuen Kirchen- 5) A(by) M. Warburg, Heidnisch-antike Weissa- te. (S. 35 bzw. 233). In dem von Warburg organisation übermäßig in Anspruch ge- gung in Wort und Bild zu Luthers Zeit, Hei- herangezogenen Lutherbrief an Spalatin nommen war. In einem Brief an Kurfürst delberg 1922 (Sbb. der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 1919, 26. vom 7. März 1521 (WAB II, Nr. 385) er- Johann Friedrich vom 7. Juli 1535 (Reg Abh.), reprinted in ders., Ausgewählte Schriften wähnt Luther das im Erscheinen begrif- 0 490 B1.1-2) bestätigt Spalatin den Emp- und Würdigungen, hrsg. v. Dieter Wuttke, Ba- fene Passional Christi et Antichristi, das fang folgender ihm durch zwei Boten den-Baden 1979 - Saecula spiritalia, S. 36, mit Bildern Cranachs ausgestattet sein wür- zugestellter Unterlagen: Zeitungen von resp. 233. de, Luther teilte mit, Cranach habe befoh- einer Schlacht in Dänemark (in der sog. len, er - Luther - solle "has effigies" un- Grafenfehde, die auf den Versuch des Bildnachweis: terschreiben. Luther zog es jedoch vor, sie abgesetzten Christian II., seinen Thron an Spalatin weiterzusenden, der das be- zurückzugewinnen, folgte) und von der Spalatins Unterschrift - Archiv der Autorin via Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Reg sorgen möge. Später (1545) hat Luther Eroberung von Münster, ferner einen von 0 84 Bl. 1b. solche erklärenden Texte zu Cranachschen Herzog Wilhelm von Sachsen an einen Illustrationen, noch dazu mit Unterschrif- Papst gerichteten Brief und das Progno- ten, unbedenklich beigesteuert ("Gegen das sticon oder Practica des Dr. Torquatus an Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet"), König Matthias von Ungarn. Die beiden 1521 aber versagte er sich und respektierte Kriegsberichte will er in seine Chronik also stillschweigend, was selten genug war, aufnehmen, ebenso den Brief an Herzog Spalatins Appelle, maßzuhalten. Doch auch Wilhelm. Spalatin lieferte die Unterschriften nicht, Das Torquatus Praktiken an König sondern schob den Schwarzen Peter Me- Matthias habe er, so gut es in der Eile mög- lanchthon zu, der zusammen mit Johann lich gewesen sei, aus dem Lateinischen ins Schwertfeger die interpretierenden Bei- Deutsche übertragen; die Zusätze am Rand schriften zu formulieren übernahm. habe er weggelassen, um den Text nicht Wenn Spalatin von ungewöhnlichen zu zerreißen. Er schicke den lateinischen Himmelserscheinungen erfuhr, pflegte er Text und die Übersetzung zurück. Er habe sich um Augenzeugenberichte zu bemü- die Praktiken mit Interesse gelesen und hen und Freunde zu fragen, was sie da- finde es wundersam, was von den Voraus- von hielten (CRII Nr. 1272 u.a.) oder aber sagen eingetroffen sei. er führte einen entsprechenden Auftrag des Es handelt sich hier um das angeb- Kurfürsten aus, wie in ThHStAW Reg 046 lich 1480 geschriebene Prognosticon "De mit einem ihm über Gregor Brück 1522 eversione Europae" aus der Feder des ita- übermittelten Wunsch zu erkennen ist (vgl. lienischen Arztes und Astrologen Niko- Zambelli Der Himmel über Wittenberg, S. laus Arquato aus Ferrara, der in lateini- 50-53). schen Manuskripten und Drucken Tor- quatus genannt wird. Dabei muß Spalatin Beunruhigt zeigt sich Spalatin durch die ein Druckexemplar vorgelegen haben, in vom päpstlichen Astrologen Luca Gaurico dem als Marginalien die zu den Prophe- durch Abänderung des Geburtsdatums auf zeiungen passenden Ereignisse verzeichnet Luther gedeutete Weissagung des falschen waren; das könnten die Drucke von 1534 Propheten aus Lichtenbergers Progno- oder 1535 gewesen sein. sticon. Er muß Luther nach seiner Nati- vität gefragt haben: dieser antwortete, er habe diese seine Nativität, die kürzlich aus Anmerkungen: Anm. d. Hrsg.: Italien geschickt worden sei, schon vor- 1) Georg Spalatin (Burckhardt) * 17. Januar 1484 Prof. Irmgard Höß wohnt in 90480 Nürnberg, Bal- her gesehen, "Aber da die Astrologen be- in Spalt (Hochstift Eichstätt), + 16. Januar 1545 thasar-Neumann-Str. 76/IV. züglich dieses Jahres [1524] solche Hal- in Altenburg. Im Zusammenhang mit oben abgedruckten Text seien erwähnt ihr Buch „Georg Spalatin. Ein Leben in der luzinationen gehabt haben, ist es kein 2) Ich greife hier z.T. auf meinen Beitrag zu dem von Paola Zambelli im Anschluß an eine Ber- Zeit des Humanismus und der Reformation, Wei- Wunder, wenn auch einer dieses daher- liner Tagung herausgegebenen Sammelband mar 1956, 2. erw. Aufl. ebd. 1989“ sowie ihr Ar- zurede wagt." WAB IIII, Nr. 724, dazu zurück: ‘Astrologi hallucinati’ Stars and The tikel „Das Jugendbildnis Georg Spalatins von Lucas Nachtrag Bd, 13, S, 63f. (23. März 1524.) End of the World in Luthers Time, Berlin, New Cranach d.Ä. 1509“. In: „Archiv für Reformations- geschichte, Jahrgang 87, Gütersloh 1996“, 400-404. 29

GÜNTHER MAHAL KKKannte Melanchthon Faust? Anfragen an eine ungewisse Semantik

persönlich-engen Umgangs stützen; aber kationen oder Wundern, über die ja schon hier bewegen wir uns auf unsicher-mut- am Tisch Luthers gesprochen worden war, maßendem Gelände - zumal diese amü- von Dritten erhalten hatte; in seiner sante Geschichte ihres Schlusses wegen in Brettener Kinder- und Knabenzeit war Umlauf gesetzt worden sein dürfte: der mit Faust jedenfalls noch keine aufsehener- dem Verlust des Küchengeräts Bedrohte regende Größe. (was seine Frau Katharina gewiß nachhal- Auf überprüfbaren Boden kommen tiger erbost hätte) weist Faust in seine wir erst, sobald wir die von Vater Georg Schranken: im Haus des Frommen haben Schwarzerd bei Johann Virdung in Auf- teuflische Aktivitäten keinen Raum. trag gegebene Nativität des am 16. Februar In seinen Sonntags-Postillen hat Me- 1497 geborenen Sohnes Philipp heranzie- lanchthon den von Simon Magus berich- hen, nach deren Warnungen sich der aus teten und dort tödlich endenden Flugver- England und Dänemark umworbene Hoch- such vor Kaiser Nero und dem Apostel schullehrer gerichtet haben soll: die Mah- Paulus auf Faust übertragen und in Ve- nung, nicht über Wasser zu reisen, hielt nedig glimpflich ausgehen lassen; nach der Melanchthon ab, den ehrenvollen Rufen studentischen Mitschrift bleibt es im Un- Folge zu leisten. gewissen, ob der Reformator hier ein ruf- Der Heidelberger Mathematiker und Abb. 1: Abt Trithemius steigerndes Gerücht oder eine Selbst- Hofastrologe Johann Virdung, der auch reklame Fausts referierte; daß er selbst an Franz von Sickingen das Geburtshoroskop Die vielzitierte Äußerung Melanchthons, eine Levitation des Knittlinger Nachbarn gestellt hatte, war der Adressat eines Brie- er habe einen gekannt namens Faust, aus geglaubt hätte, dürfte ausgeschieden wer- fes, den der Sponheimer Ex-Abt Johann Knittlingen, nahe seiner Heimatstadt den. Trithemius am 20. August 1507 schrieb: Bretten, steht am Beginn eines Abschnitts eine geharnischte Warnung, keinesfalls je- in den Collectanea des Wittenberger Me- Vieles spricht dafür, daß Melanchthons nes üble Subjekt namens Faust zum ver- lanchthon-Schülers Johann Manlius, den ‘Kenntnis’ von Fausts Taten oder Provo- abredeten Besuch zu empfangen, da die- eine „Biographie“ Fausts zu nennen des- sen fiktional und pastoral verwertbare Zu- richtung zum Teufelsbündler mit einer nüchternen Datenreihe verwechseln will. Daß Manlius, aus dem Ansbachischen stammend, eine Aussage seines akademi- schen Lehrers wiedergibt, bevor er selbst einen dunklen Ehrenmann zusammen- fabuliert, darf als sicher gelten. Wann und wo, auch mit welcher Aussagegenauigkeit, Melanchthon den geburtsnachbarschaft- lichen Hinweis gegeben hatte, ist nicht mehr zu klären; zum Zeitpunkt der latei- nischen Erstausgabe der Manlius- Collectanea war er bereits drei Jahre tot. Nun bietet die Bekundung, man habe jemanden gekannt, für den Intensitätsgrad einer Vertrautheit breiten Spielraum: sie reicht vom Hörensagen über ein zufälli- ges Treffen bis hin zu regelmäßigem Ver- kehr. Die Anekdote von der Drohung Fausts, er wolle in Melanchthons Haus alle Töpfe zum Fenster hinausfliegen lassen, könnte, wäre sie verifizierbar, die These Abb. 2: Faustscher Höllenzwang 30 Günther Mahal

norar von zehn stand sich im Fall des 1534 nach Vene- Gulden für „ein zuela aufbrechenden und dort 1546 ermor- nativitet oder In- deten Philipp von Hutten als zutreffend dicium“, das er dem erwiesen, ganz im Gegensatz zur Prog- Bamberger Fürst- nostikation von Melanchthons bestem bischof Georg III., Freund Joachim Camerarius, ist ebenso Schenk von festzuhalten wie die drängend-neugieri- Limpurg, erstellt ge briefliche Erkundigung des letzteren bei hatte. Dieser erbit- seinem Freund Daniel Stibar in Würzburg terte Feind des Götz vom 13. August 1536, was denn sein von Berlichingen, Vertrauter Faust zum Ausgang des dabei aber aner- neuerlichen Krieges zwischen Karl V. kannter Kunst- und Franz I. prophezeit habe. - Spätestens mäzen und von von Camerarius wird Melanchthon von Dürer porträtiert, dessen astrologischem Konkurrenten Faust hätte Faust gewiß unterrichtet worden sein. nicht mit der Aus- arbeitung und Deu- Ob Melanchthons Faust-Kenntnis über tung seines Horo- Besucher aus der alten Heimat, ob sie über skops betraut, wä- Virdung oder Camerarius (oder andere, hier re diesem nicht der ungenannte, da nur spekulative Stationen) Ruf eines hervorra- zustandegekommen war, muß ungewiß genden Astrologen bleiben. Eine schriftliche Bestätigung hat (oder auch eines sich auch im riesigen Briefe-Corpus nicht Abb. 3: Faust (als Mönch) und Mephistopheles ausgemachten finden lassen, dessen Erschließung der Schwarzmagiers) Brettener Melanchthon-Preisträger 1997, ser ein Großmaul, ein Verächter der Kir- vorausgegangen. Heinz Scheible, in Heidelberg vorangetrie- che und gar ein Päderast sei - in Franz von Daß Fausts Vorhersa- ben hat. Freilich würde Melanchthon, Sickingens Stadt Kreuznach habe er sei- gen aus dem bekanntermaßen stets von vor- ne Anstellung als Lehrer zur schändlichen Sternen- sichtiger Zurückhaltung, Unzucht mit den ihm anvertrauten Kna- Fausts Namen ben mißbraucht. deswegen Zwei Jahre nach dem Steckbrief des wohl Trithemius immatrikulierte sich Melanch- thon als Zwölfjähriger an der Heidelber- ger Universität; möglicherweise hör- te er durch Virdung erstmals vom Knittlinger Faust. - Gleichgültig aber, wann, von wem, wo und in welcher Färbung Melanch- thon über Faust informiert wor- den sein mag: sein ‘ ich habe Faust gekannt’ bleibt eine Äu- ßerung von höchst ungenauer Kontur. Solange, unwahrschein- lich genug, nicht weitere Nach- weise tatsächlichen Aufeinan- dertreffens auftauchen, wird man davon ausgehen müssen, daß das von Manlius übermittelte ‘Kennen’ Fausts nur oberflächlicher Natur war.

In astrologischen Fragen hätten Faust und Melanchthon ein gemeinsames Interessen- gebiet vorfinden können. Im selben Jahr 1520, als Melanchthon auf Wunsch des Kurfürsten über die „Historia naturalis“ des Plinius las, erhielt Faust das stattliche Ho- Abb. 4: Zauberkreis Kannte Melanchthon Faust? Anfragen an eine ungewisse Semantik 31

Abb. 5: Sator-Arepo-Formel

heimnisvollen Lebens“ begegnen, das kaum erwähnt haben, weil bei aller ge- zuerst 1980 erschien und das seit 1995 in meinsamen Vorliebe für den zwar nicht einer seitenidentischen Neuauflage als zwingenden, aber doch steuernden Him- Rowohlt Taschenbuch 13713 greifbar ist. mels-Paß der kurpfälzische Geburtsnachbar doch zu viel Eigenschaften hatte oder auch zu haben verbreitete, die näheren Umgang Bildnachweis: mit ihm ungeraten erscheinen ließen. Die folgenden Abbildungen wurden vom Knittlinger Wer nach all diesen Einschränkun- Faust-Archiv zur Verfügung gestellt: gen von der Annahme nicht lassen woll- 1 Grabmal des Abtes Johannes Trithemius im Neu- te, zwischen Melanchthon und Faust habe münster in Würzburg doch wohl intensiverer Kontakt bestan- 2 Zauberkreis aus einem Faust zugeschriebenen den, der greife zu des Verfassers - er lei- Höllenzwang, aus: J. G. Neumanns Faustdruck 1693. tet in Knittlingen (unweit Pforzheim und 3 Christoph von Siechem: Mephistpheles - Ioann nur 5 km vom Kloster Maulbronn gele- Faustus, Kupferstich, 1677 gen) Faust-Museum und Faust-Archiv - 4 Zauberkreis aus einem Faust zugeschriebenen Aufsatz „Ein sehr spät nachgelassenes Höllenzwang Schreiben des weiland Philipp Schwarzerd 5 Pergamentszettelchen mit schon vorchristlich an seine Statthalterei zu Brettheim, einen belegter Sator-Arepo-Formel, einem Abwehr- pfälzischen Landsmann betreffend“, der zauber. Gefunden in Fausts Geburtshaus in eben in dem von Stefan Rhein edierten Knittlingen Sammelband „Melanchthon und die Na- turwissenschaften seiner Zeit“ (Sigmarin- weitere Literaturhinweise: gen 1997) erschien; es handelt sich dabei um den unveränderten Text eines Vortrags, • Gerlach, Hildegard und Mahal, Günther: He- xen - Brocken - Walpurgisnacht (Sonderaus- dem ohne expertenfundiertes Murren zu stellung 1980) Knittlingen 1980 lauschen die Teilnehmer(innen) des gleich- • Mahal, Günther: Faust - Die Spuren eines ge- namigen Symposiums die dankenswerte heimnisvollen Lebens, Bern und München 1980 Liberalität hatten. - Wem freilich ironische • Der historische Faust - Ein wissenschaftliches Spekulationen als Melanchthon ungemäß Symposium, Knittlingen 1982 Anm. d. Hrsg.: erscheinen sollten, dem wird der praeceptor • Faust-Museum Knittlingen (Museumsführer), Dr. phil. habil. Günther Mahal ist wissenschaftli- Germaniae mehrfach unverstellt in mei- Braunschweig 1984 cher Leiter des Faust-Museums und Faust-Archivs, nem Buch „Faust. Die Spuren eines ge- • ABC um Faust, Freiburg i. Br. 1985 75438 Knittlingen, Kirchplatz 2 32 II - CAUSA FORMALIS: HIMMLISCHE KÜNSTE

JÜRGEN G. H. HOPPMANN Astrologische Ikonografie in Werken von Botticelli, Dürer, Cranach und Schaffner

Über Geschmack läßt sich bekanntlich thologischer oder wissenschaftlicher Be- Effekten, Stofflichkeit und die Erschließung nicht streiten, über die „richtige“ Interpre- schreibungen. Zwar konnte die mittelal- des Raumes, bewirkten eine Dreidimen- tation eines Bildes hingegen um so mehr. terliche Kunst Fragen innerhalb der Bild- sionalität, die die Figuren in einer geschick- Das Wissen um die Bedeutung und den programme aufwerfen, die jedoch eher auf ten Inszenierung in einem Theaterraum Gebrauch von Symbolen im Kontext der die komplexen Herrschaftsstrukturen ver- agieren ließ. In diese neu geschaffenen jeweiligen Zeit, in der ein Künstler lebt und weisen, als auf eine eigenständige, über ‘realen’ Bildräume konnten nun anderer- wirkt, ist hierbei entscheidend. Und um den sakralen Rahmen gehende Bild- seits irreale, mythologische Ereignisse zum Beispiel Elemente des Sternenglaubens schöpfung. verlegt werden. in einem Werk entdecken zu können, ist Um diesen Rahmen zu sprengen, be- Der Wille zur Gestaltung begann das darüber hinaus ein tieferes Wissen um die durfte es grundlegender politischer und gesamte Leben der Menschen zu durch- dort verwendete Mythologie und Ikono- ökonomischer Veränderungen. Solange die dringen, der Lebensraum sollte nach den graphie erforderlich. Daß es daran allzu- Kirche Auftraggeber war, konnten sich die neuen Vorstellungen verändert werden. häufig mangelt, hat Erich von Beckerath Bildinhalte nur langsam im Rahmen der Städte wie Florenz wurden durch Bauvor- 1 zu der Frage „Wann endlich werden die Exegese ändern. Mit der Herausbildung der haben in ein Modell der Schönheit, Ord- Kunsthistoriker die Astrologie als Pflicht- mittelitalienischen Stadtstaaten im Trecen- nung und Harmonie verwandelt. Aus die- fach in ihre Studien aufnehmen?“ veran- to veränderten sich Bedingungen des sem ästhetischen Bewußtsein entwickel- laßt. Nicht verschwiegen werden soll in Kunstschaffens. Es entstand das Bürger- te sich die Idee eines vollkommenen Neu- diesem Zusammenhang allerdings auch, tum als eine neue gesellschaftliche Schicht, beginns der Kultur: Es entstand die Vor- daß es denjenigen, welche versiert im Deu- das Handwerk konnte sich in den Städ- stellung, eine weitgehend demokratische ten von Horoskopen sind, oftmals bei der ten behaupten. Es entwickelte sich ein Ge- und gleichberechtigte Gesellschaft auf einer Deutung eines Gemäldes an kunsthisto- genpol, der sich sowohl politisch als auch Insel Utopia (Insel der Glückseligen, Tho- rischem Wissen fehlt. Wie vielschichtig ökonomisch gegenüber den feudal-kleri- mas Morus 1516) mit Hilfe eines neuen sachgerechte Interpretation sein kann, soll kalen Machtstrukturen behaupten konn- Menschentyps neu zu gründen. Die Aus- im Folgenden anhand einiger Beispiele aus te. Der Wechsel von jenseitig-bäuerlichen erwählten dieser Gemeinschaft, allseitig der Zeit von Humanismus und Reforma- ausgerichteten Denkweise zu einer dies- gebildet und forschenden Geistes (Homo tion dargelegt werden. seitig-handwerklichen brachte viele tech- Universalis), sollten die Künstler sein. Die nische Neuerungen. Der Mensch begriff Epoche des Rinascimento in Italien be- Das spätmittelalterliche philosophische sich nicht mehr als von Gott bestimmtes schränkte sich nicht nur auf die Wieder- System beruhte auf einem langewährenden Wesen, sondern als Individuum, das durch entdeckung bzw. Wiederbelebung der An- gesellschaftlichen und auch wirtschaftli- seinen Verstand und handwerkliches Ge- tike, sondern ist im wörtlichen Sinne als chen Konsens, in dem sich die Schemata schick seine Lebenswelt verändern konnte. ein kultureller und gesellschaftlicher Neu- 2 der Kunst verfestigt hatten, und sich der Für die Künstler bedeutete die politische anfang zu verstehen. In der Folge wur- Auftrag des künstlerischen Schaffens der und technische Selbstbestimmung der de sogar das Modell eines „Sonnenstaates“ Norm der sakralen Erfordernisse des Auf- Menschen nicht nur neue Bildinhalte und (Citta del Sole, Tommaso Campanella 1623) traggebers Kirche zu unterwerfen hatte. Auftraggeber, der Künstler wurde selbst entwickelt, in dem eine ganze Stadt und Neue Muster konnten sich nur schwer, im zu einem nach Erkenntnis forschenden In- ein ganzes Bildungssystem auf die astro- profanen Bereich überhaupt nicht durch- dividuum. logische Philosophie ausgerichtet ist. setzen. Dies ist nicht verwunderlich, stellten Die Beschäftigung mit den Lehren der Antike förderte ein neues Bewußtsein von Auftraggeber und Künstler in den meisten Die Venus Botticellis Fällen eine Einheit dar. Die Buchmalerei der Welt, philosophische Begriffe von Geo- entstand in den Klöstern, Ausgestaltung metrie, Harmonie, Mimesis wurden in Li- Es gehört zu den Mythen der Weltgeschich- der Kirchen unterstand den Bischöfen. Die near/Zentralperspektive, Kontrapost und te 3 , daß Sandro Botticelli, ein bedeuten- Bildinhalte wurden aus dem geschriebe- Naturalismus umgesetzt. Der Bildausschnitt der Meister der florentinischen Quatro- nen Wort der Bibel entlehnt. Kunst dien- öffnete sich in den Außenraum, die Na- centomalerei, zugleich Großmeister eines te dazu, die Worte im sakralen Bereich tur eroberte die Szenerie. In der naturge- geheimen Templerordens war, sein mysti- sichtbar zu machen, konnte aber keines- treuen Wiedergabe des Lebensumfeldes sches Wissen und seine Würde als „Nau- wegs eigene Geschichten bzw. Bildinhalte spiegelt sich eine realistische Sicht der Welt tonier“ dann auf Leonardo da Vinci über- entwickeln. Auch in der Buchmalerei, die wider. In der flämischen Kunst wurde dieser trug. Gesichert ist zumindest, daß seine einen nie verlorenen Bezug zur Antike hat- Naturalismus in den Innenraum verlagert. Gemälde den damaligen Zeitgeist ausdrük- te, diente das Bild nur als Illustration my- Detailgetreue Wiedergabe von optischen ken, sich in ihnen die Hochblüte der Re- Astrologische Ikonografie in Werken von Botticelli, Dürer, Cranach und Schaffner 33

für seine Kastration entsteht der weibli- Die Frauenfigur entstammt der christlichen che Archetypus Venus, das Sinnbild für Tradition der Tugend- und Laster- Kunst und Kultur. Dieser Mythos bestimmt darstellungen. Hier wird das Laster der damals wie heute die Horoskopdeutung. ‘acedia’ (Träghiet „ Schlaf des Nicht-Ge- Als Ende des 18. Jahrhunderts der Planet rechten) dargestellt. Das Schwarze (Be- Uranus entdeckt, wurden die Analogiekette schattete) findet sich in medizinischer und n der Interpretation auch auf ihn ange- astrologischer Literatur, Dürer ist jedoch wendet. der erste, der den pathologischen Befund Im Italien der Renaissance war die- der ‘Schwarzgesichtigkeit’ wortwörtlich im se Symbolik derart ‘en vogue’, daß ein Fürst Bild umsetzt. Aber die Figur schläft nicht, sogar sein gesamtes Horoskop als Bildwerk die Augen sind geöffnet. Die Figur der sin- umsetzen ließ. Im riesigen Saal des Palazzo nenden Trägheit steht im Kontrast zum Schifanoia von Ferrara speiste man qua- schreibenden Putto. Sie versinnbildlicht si „innerhalb“ der Planetenkonstellation nicht nur aktive Jugend und nachdenk- des Gastgeber-Horoskops 5. Auch kirch- liche Erfahrung, sondern steht auch da- licherseits war man von dieser Umsetzung für, daß ‘sinnlose’ Betriebsamkeit und ‘sinn- astrologischer Kunst angetan, wie Leonardo volles’ Nichtstun dasselbe Ergebnis bewir- da Vincis Abendmahl 6 zeigt. ken. Im Gegensatz zueinander stehen auch die wirr verstreuten handwerklichen Ge- räte des Bauhandwerks, mit deren Hilfe Dürers MELENCOLIA I ordentliche geometrische Gebilde konstru- Die entscheidenden Impulse für die deut- iert und hergestellt werden sollen, die aber sche Kunst der Reformationszeit kamen für die Figur in ihrer Nachdenklichkeit un- aus Italien. Dürer hält sich dort mehrere brauchbar geworden sind. Abb. 1: Detail aus Botticellis Venus Male auf , lernt die technische und inhalt- Für die Geometrie als messende liche Neuerungen der Kunst kennen 7. Er Kunst stehen Waage, Sanduhr und Stun- naissance widerspiegelte. In der Floren- eignet sich das Gedankengut der italieni- denglocke (die als Eremitenglöckchen tiner Villa Careggi trug der Philosoph schen Humanisten an und setzt es in sei- wieder auf die Einsamkeit der Melancholie Marsilius Ficino griechische und lateini- nen Werken um, die nur aus dieser Sicht- verweist). Kugel und Rhomboeder zeigen sche Originalschriften zusammen, mit weise zu deuten sind. Diese ‘Sprache’ ist die Klarheit, aber auch die Komplexität der denen auch die alten Ideen der Astrolo- vielschichtig, daher gie in die Geistesströmung des Humanis- sind seine Bilder hin- mus einflossen. Großzügig gefördert wur- sichtlich einer Inter- den solche Bestrebungen durch den Kauf- pretation offen. Er mann und Politiker Cosimo di Medici, verbindet religiöse, später durch die ebenfalls stark astrologie- mythologische, poli- gläubigen Medici-Päpste Leo X und Cle- tische und technische mens VII, schließlich dann durch Katha- Motive der humani- rina di Medici, Ehefrau Heinrich II von stischen Geisteswelt, Frankreich 4. Botticellis 1478 entstande- modifiziert traditio- nes Gemälde „Die Geburt der Venus“ zeigt nelle Bildinhalte, ver- zwar kein einziges Tierkreiszeichen- oder mischt vorhandene, Planetensymbol, kann aber dennoch astro- standardisierte logisch interpretiert werden: Nach der grie- ikonographische Zei- chischen Mythologie verschmähte der chen mit neuen. Himmelsgott Uranus alle mit der Erdgöttin Dürer arbeitet mit Gäa gezeugten Kinder. Gäas häßlicher Sohn Versatzstücken der Saturn entmannte darauf hin seinen Va- gesamten Kunstge- ter. Das abgetrennte Glied des Himmels- schichte und kommt gottes fiel ins Meer, daraus entstand Ve- so zu Bildneuschöp- nus-Aphrodite, die Schaumgeborene. fungen, die in ihrer Wenn wir Botticellis Gemälde betrachten, Gesamtheit eine völ- sollten wir zugleich auch eine moderne lig andere Aussage psychologische Archetypen-Deutung in haben wie die Teile. Sinne haben: Ein „abgehobener“ männ- Nehmen wir als Bei- licher Intellekt sieht seine Ideale in der Rea- spiel Dürers Kupfer- lität nirgends ganz verwirklicht, allzu über- stich 8 aus dem Jah- zogen sind seine Ansprüche. Quasi als Trost re 1514: Abb. 2: Dürers MELENCOLIA I 34 Jürgen G.H. Hoppmann

det sie mit Neuem. In dem Stich drückt sich eben gerade die Vielschichtigkeit hu- manistischen Denkens aus. Dürer entwik- kelt daraus ein völlig eigenständiges Bild- programm. Es wird nicht das Bild „So sieht ein Mensch aus, der melancholisch ist“ (pa- thologischer Befund) gezeigt, noch dient das Bild einer Illustration des Einflusses von Saturn (im Sinne der Planetenkinder). Es heißt, daß Dürer sein Werk für Kaiser Maximilian I angefertigt habe, um dessen Saturnfürchtigkeit durch ein geschicktes Arrangement mit Jupiter-Symbolen ent- gegenzuwirken. So gesehen könnte der ins Bild eingebrachte Schriftzug MELENCOLIA I auch frei übersetzt „Melancholie weiche“ bedeuten 10. Vieles spricht für diese Inter- pretation, schließlich beköstigte der Habs- burger Kaiser an seinem Hof in Wien ei- nige bedeutende Astrologen. Dennoch: Kunsthistoriker 11 , die sich eingehend mit Dürers Werk beschäftigen, halten es auch für möglich, daß mit „I“ die römische Zahl gemeint wäre, es sich also um die erste einer ganzen Reihe an Dar- stellungen von Melancholieformen han- delt, gemäß der mittelalterlichen Säfte- theorie. Der Kupferstich wäre aus dieser Sicht eher als Darstellung humanistischer Philosophie zu verstehen. Man sollte also vorsichtig sein mit allzu eindeutigen Interpretationen Pro oder Contra Sternenglaube. Dürer hatte be- kanntlich starke Bindungen zu Wittenberg. Seine erste große Auftragsarbeit war ein Abb. 3: Dürers „Reiter der Apokalypse“ Portrait Friedrich des Weisen. Aus Luthers Religiosität schöpfte er viel Kraft, sein Por- Geometrie. Der Hund der traditionell auf Der Kranz, den die Figur auf dem Kopf hat, trait des jungen, noch vor Enthusiasmus den Gelehrten verweist, ist hier abgemergelt und das magische Quadrat über dem Kopf. sprühenden Melanchthon ist berühmt. und müde. Durch eine Sinnveränderung Der Kranz, geflochten aus Kresse und Während sein Holzschnitt „Sol Justitiae“ macht ihn Dürer zum Leidensgefährten der Reppich, beides Pflanzen die am/im Wasser noch erstaunliche ikonographische Doppel- Melencolia. In der Astrologie gilt er als Tier leben, soll der erdhaften Natur der Melan- deutungen in Richtung Astralkult, Gnostik des Saturn. cholie entgegenwirken, erhöht gleichzeitig einerseits und erstarkendem Christentum den positiven, nachdenklichen Aspekt der andererseits zeigt 12 , wirken astrologische Die Meerlandschaft stellt die Beziehung Melancholie 9. Das magische Quadrat mit Interpretationen 13 seines Stiches „Apo- zu der astrologischen Vorstellung her, die den Zahlen des Planeten Jupiters wirkt dem kalypse“ eher peinlich. Sicherlich erkennt Saturn als Herr der Meere sieht, und des- schädlichen Einfluß Saturns entgegen. Die man auf diesem Bild eine Waage und ein sen Kinder ebenfalls mit dem Element Leiter weist den Weg, das unvollständige Schwert. Doch wird es sich dabei kaum Wasser in Kontakt stehen. Der Komet des Gebäude nach der Phase der Trägheit/ um das gleichnamige Tierkreiszeichen han- Saturn bringt Überschwemmungen (Bäume Nachdenklichkeit zu vollenden. deln und ist der schwerttragende Reiter stehen im Wasser), eine Katastrophe, die Die Interpretation ist hierbei aller- auch bestimmt nicht der Kriegsgott Mars. gerade von Melancholikern prophezeit dings nicht so eindeutig, wie es dem Lieb- Der tiefreligiöse Dürer wird sich hierbei werden könne. Der Regenbogen versinn- haber von Horoskopen erscheinen mag: vielmehr an die Endzeitschilderungen der bildlicht aus christlicher Sicht die Hoff- Dürers Stich besteht ausschließlich aus Ge- biblischen Apokalypse gehalten haben. Fast nung, die nach dem Untergang der gensätzlichkeiten, die den ganzen Kosmos alle Details deuten darauf hin - fast alle. Menschheit folgt (Sintflut/Apokalypse). der Melancholie beschreiben. Ikonogra- Lediglich das Gesicht der links unten lie- Den trüben Gedanken an den Untergang phisch setzt er die verschiedensten Bereiche genden Gestalt läßt an einer ausschließ- sind zwei Gegenstände entgegengerichtet: der Kunsttradition zusammen und verbin- lich christlichen Interpretation ein wenig Astrologische Ikonografie in Werken von Botticelli, Dürer, Cranach und Schaffner 35

roskop gleich um Hundert schichtsbuch wurde, vielfach verbreitet an Jahre auf 1584 und Gymnasien und Universitäten Europas. Die schrieb in einer Rand- der Astrologie kundigen Leser werden fest- glosse über Luther und stellen, daß die Einteilung der historischen Melanchthon: „der ein Epochen 21 in diesem Werk durchaus Ähn- hat gelogen / der ander lichkeiten mit den Zeitkonzeptionen ara- die Welt betrogen / das bischer Astrologen 21 (Jupiter-Saturn-Kon- wirdt Anno 1584. wol be- junktionen) haben könnte. kannt werden.“ 18 Auch der Witten- Astrologen-Portraits kommen im 16. Jahr- berger Maler-Unterneh- hundert meist nur als Holzschnitt vor, zum mer Lucas Cranach d. Ä. Beispiel gedruckt in den Horoskop- hat zu Beginn seine r sammlungen des Cardanus. Das Carion- Schaffenszeit Planeten- Portrait ist in seiner prachtvollen Weise tafeln hergestellt, viel- noch am ehesten mit dem 1546 erstellten leicht inspiriert durch sei- Portrait des evangelischen Reformators, ne Wiener Lehrjahre. Bald Astrologen und Astronomen Nicolaus jedoch konzentrierte sich Prugner vergleichen 22. Cranach auf den Druck protestantischer Schriften und Portraits der Refor- Martin Schaffners matoren. So wäre es himmlisches Universum wirklich völlig abwegig, Gänzlich verwoben zu einem vielschich- z.B. Ornamente und En- tigen Kunstwerk ist Schaffners Tisch- gel auf einer Lutherbibel gemälde 23 von 1533. Der Ulmer Stadtmaler Abb. 4: Cranach: Johann Carion in Sinne des Sternenglau- (er stimmte beim Augsburger Reichstags- bens zu interpretieren. abschied 1530 gegen die Reformation und zweifeln: Es hat genau die gleichen Züge Doch sei hier ausdrücklich auf ein bedeu- ist in den Ulmer Musterungslisten vor dem wie der alte Mann auf Hans Baldung Griens tendes Werk von Lucas Cranachs d. Ä. hin- Schmalkaldischen Krieg als Hellebarden- Zeichnung „Saturn“. gewiesen, das ein wirklich unumstößliches träger genannt) fertigte es als Auftrags- Dokument für die Bedeutung der Astro- arbeit für den wohlhabenden Straßburger logie in der Zeit der Reformation ist: Um Cranachs Astrologenportrait Goldschmied Erasmus Stedelin (Straßburg das Jahr 1530 wurde in seiner Schule war eine Hochburg der Reformation, die Zu den am häufigsten aufgelegten Druk- (wahrscheinlich sogar vom Meister per- gleichzeitige Liebe der Bürger zur Astro- ken des beginnenden 16. Jahrhundert zähl- sönlich anläßlich eines Berlin-Besuches) logie und Astronomie dokumentiert die Ge- ten die astrologischen Kalenderblätter. Die der kurbrandenburgischen Hofastrologe schichte der dortigen Münsteruhr). berühmte Lichtenberger-Prognostica 14 , die Johann Carion, Freund und Studienka- Ein paar scheinbar unwichtige De- einen Mönch als religiösen Erneuerer astro- merad Philipp Melanchthons, im würdi- tails verhindern eine eindeutige Würdigung logisch voraussagte und deshalb in der Zeit gen Pelzrock gemalt mit der Aufschrift: der reichhaltigen und vielfältigen Verwen- der Reformation nochmals mit einem ei- dung astrologischer Symbole in diesem genen Vorwort Luthers veröffentlicht wur- SI QVIB EST LECTIS MEA COGNITA Kunstwerk. So heißt es auf einer der Schrift- de, ist im Kontext religiöser Propaganda FAMA LIBELLIS / QVOS MEA SOLERTI rollen: „Das schwär Blev vñs die Venus der Reformationszeit zu betrachten. Quasi CVRA LABORE DEDIT / ILLE EGO SV geyt“. Ferner wird Eisen der Venus zuge- als Gegengewicht dienten die Versuche der CARION, COELI QVI SIDERA TRACTO ordnet und Kupfer dem Mars. Diese Zu- katholischen Astrologen Cardanus 15 und CLARIS ET ASTROR V NOMEN AB ARTE ordnungen stehen jedoch in keiner astro- Gauricus 16 , Luther durch den Abdruck ne- FERO - Ich bin Carion, der berühmte Ver- logischen Tradition, ebenso einige Zuord- gativer Horoskopdeutungen zu schaden fasser von vielgelesenen Werken, die ich nungen von Farben zu den dargestellten und als Antichristen zu diffamieren. Doch auf Grund meiner Arbeit und meines Stu- artes liberales (Freien Künsten). Richtig nicht alle Drucke hatten einen derart ern- diums verfasst habe, ich untersuche die Ge- wäre vielmehr: Blei = Saturn, Kupfer = sten Bedeutungsinhalt. Bereits Ende des stirne und rühme die Namen der Stern- Venus und Eisen = Mars. Eine konsequente 19 15. Jahrhunderts ironisierte der junge Al- bilder. kunsthistorische Schlußfolgerung ist, daß brecht Dürer die Vulgärastrologie in Se- es sich bei dem prunkvollen Gemälde le- bastian Brants Narrenschiff 17. Die ver- Carion hatte die Astrologie gemeinsam mit diglich um ein Repräsentationsobjekt han- meintliche oder vorsätzliche Horoskop- Melanchthon bei Johann Stoeffler er- delt, weder Maler noch Auftraggeber tat- 20 fälschung des großen Reformators führ- lernt und veröffentlichte in seiner Ber- sächlich gebildete Humanisten waren. te dann zu weiteren Parodien astrologisch- liner Zeit am Hofe Joachim I die Chronica Streng genommen sind die fehlerhaften prophetischen Schrifttums. So verschob der Carionis, die in der Nachbearbeitung durch Zuordnungen fast nur durch Unkenntnis katholische Reformtheologe Nas das Ho- Melanchthon zum ersten deutschen Ge- zu erklären. 36 Jürgen G.H. Hoppmann

Andererseits ist dieses Bild eine wunder- licher, astrologischer und alchimistischer Astrologie des 20. Jahrhunderts wurden bare Kombination von heidnisch-antiker Symbolik ist im gesamten Bildaufbau sie auch von einem der bedeutendsten Tradition mit christlichem Weltverständnis. derart vielfältig, kaum etwas scheint dem Astrologen Deutschlands, der auch durch Während zum Beispiel Ptolemäus aus dem Zufall überlassen zu sein. Ob die merkwür- seine konsequent moderne astrologische ägyptischen Alexandria (symbolisiert durch digen Metall-Planet-Zuordnungen doch Bildinterpretation bekannt wurde 24 , zu- Sphinx und Löwe auf seinem Sitz) die alten beabsichtigt sind? Nach den Regeln der mindest zeitweilig verwendet. In ein Brief astrologischen Schriften studiert, hält die Elevation ist Saturn im Zeichen Waage er- an den Ausstellungskurator schreibt Wolf- Rhetorik im weißen Kleid das Kruzifix in höht, Waage wiederum der Venus zuge- gang Döbereiner in der für ihn typischen der Hand. Auf der danebenliegenden ordnet. Wurde deshalb das saturnine Blei kritisch-exakten Diktion: „Die vier Qua- Schrifttafel stellt „Nach allem wissen nie- in den Spruch der Waage hineingegeben? dranten sind ohne historische Vorbilder aus mand ringt / Weyl doch der Glaub bes- der Münchner Rhythmenlehre selbst ent- chleust alle ding“ christliche Tugend über standen, was in den Erstveröffentlichungen den Intellekt. Ursprünglich nahmen (dies Ikonographie nachvollziehbar ist. Erst später wurden die zeigt eine Röntgenaufnahme der Tischplat- im modernen Kontext aristotelischen Nomina verwendet, um ei- te) die Planetengötter einen viel größeren Auch die 1997 in der Lutherhalle Witten- nerseits den Lehrstoff griffiger zu machen, Teil des Himmels ein. Ihre Reduktion auf berg gezeigte Ausstellung „Melanchthon andererseits eine Verbindung zur Philo- winzig kleine, dennoch gut erkennbare und die Astrologie“ ist in ihrer äußeren sophie herzustellen. Darauf wurde später Bildchen dürften der Hauptintension des Konzeption einer astrologischen Struktur wieder verzichtet, insofern die Begriffe des Bildes geschuldet sein, astrologische Analo- entlehnt: Grundlage ist die Verwendung Aristoteles nicht deckungsgleich mit der giedaenken mit der zentralen Idee eines der von Aristoteles (Melanchthon verehrte Aussage der vier Quadranten sind. Es wur- Alles verbindenden christlichen Gottes zu bekanntlich dessen Philosophie über alle de eine Funktion für einen Inhalt über- kombinieren. Die Kombination von christ- Maßen) postulierten Causae, der stofflichen, nommen, der sich vollständig von der ari- emotionalen, geistigen und letztlich erwirk- stotelischen Lehre unterscheidet, somit war Abb. 5: Schaffners Himmelsbild ten Urgründe des Seins. In der modernen es ein Fehler, beides verbinden zu wollen. Astrologische Ikonografie in Werken von Botticelli, Dürer, Cranach und Schaffner 37

chen 1980; Green, Liz: Schicksal und Astro- Lucas Cranach der Jüngere, Ausstellungska- logie, München 1985, S. 209-217 talog, Berlin 1937 5 Mori, Gioia: Arte e Astrologia. In: Art e Dos- 20 Fürst, Dietmar und Hamel, Jürgen: Johann sier, Florenz 1987; Huber, Bruno: Ferrara Pa- Carion (1499 - 1537), der erste Berliner Astro- lazzo Schifanoia. In: Astrolog 27/8, Adliswil nom, Berlin 1988 1984 21 siehe hierzu auch: Campion, Nicholas: Astro- 6 Sementowsky-Kurilo, op. cit., S. 24-216; Barker, logy, Millenarianism and History in the We- Douglas: Verborgene Aspekte in Leonardo da stern Tradition, Bristol 1994 Vincis Abendmahl. In: Astrolog 10/2, Adliswil 22 Mackensen, Ludolf von: Der Astronom in Por- 1981; Perrig, Alexander: Der Renaissance- trait. In: Röttel, Karl: Peter Apian, Buxheim Künstler als Wissenschaftler. In: Funkkolleg 1995 Kunst, Band II, (W. Busch Hrsg.), München 1987; 23 Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister, Gesamtkatalog, Mainz 1996, S. 271- 7 Weiss, E.: Albrecht Dürers geographische und 272 (sowie besonders die dort erwähnten Ar- astronomische Tafeln, 1888; Weber, P.: Bei- beiten von Wirth und Schneckenburger- trag zu Dürers Weltanschauung. In: Studien zur Abb. 6: Astrologische Quadranten Broschek!); siehe auch: Voss, Gerhard: Mu- deutschen Kunstgeschichte 23, 1900; Panofsky, sik des Weltalls wiederentdecken - Christliche Erwin: Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers, Astralmystik, Regensburg 1996 Es ist dabei nur natürlich, daß jeder so- Hamburg 1977 24 Döbereiner, Wolfgang: Astrologischen Lehr- und fort auf diese ‘Verbindung’ zurückgreifen 8 Panofsky, Erwin und Saxl, Fritz: Dürers Me- Übungsbuch. Münchner Rhythmenlehre, Mün- will, um in ihr fälschlicherweise eine lencolia. I. In: (Studien der Bibliothek Warburg, chen 1978; ders: Astrologisch-homöopathische Kontinuo zu finden“. 1923; Hoffmann, Konrad: Dürers Melencolia. Erfahrungsbilder, Band 1, München 1982; ders: In: Busch, W. - Hausherr, R. (Hrg.), Kunst als Astrologisch definierbare Verhaltensweisen in Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter der Malerei, München 1986 Streng genommen ist dieser experimen- Bandmann. 1978. 251-277; Das Buch als Kri- 25 Siehe hierzu auch das Kapitel „Der Künstler, telle Versuch, neue Wege für die Ausstel- tik, In: Funkkolleg Kunst I,II. Busch, W. (Hrg.) 1987; ein Abbild Gottes“ in: Hoppmann, Jürgen G.H.: lung historischer Themen zu finden und Astrologie der Reformationszeit, Berlin 1997 hierbei auf moderne Adaptionen zurück- 9 Klibansky, R. und Panofsky, E. und Saxl, F.: Saturn and Melancholy, 1964 zugreifen, vielleicht ein Prokrustresbett. 10 Strauss, Heinz Arthur: Der astrologische Ge- Bildnachweis: Die ikonographische Doppeldeutigkeit mit- danke in der deutschen Vergangenheit, Mün- telalterlicher und neuzeitlicher Astrologie chen / Berlin 1926 1 Sandro Botticelli: Geburt der Venus (ca. 1481) in Raumgestaltung und Struktur des Kata- 11 Panofsky 1964, op. cit.; Schuster, Peter-Klaus: Florenz, Uffizien, nach: Peterich, Eckart: Göt- logs sind sicherlich eine Provokation. Aber Melencolia I, Dürers Denkbild, Band 1 und 2, tinnen im Spiegel der Kunst, Frankfurt 1941 ermöglicht es nicht gerade dieser Kunst- Berlin 1991 2 Albrecht Dürer: MELENCOLIA I (1514 ) griff, Melanchthons universalen Anspruch 12 Springer, Jaro: Albrecht Dürer, Kupferstiche, 3 Albrecht Dürer: Apokalypse (1498) München 1914; Beckerath, Erich von: Geheim- 4 (Schule des) Lucas Cranach d.Ä.: Johann Ca- angemessen darzustellen, ja fordert eine sprache der Bilder. Die astrologische Lehre und 25 rion (um 1530), Bode-Museum, Berlin Beschäftigung mit ars astrologicae nicht ihre Symbolik in der bildenden Kunst, Wien gerade dazu auf, den Inhalt auch in der 1984; siehe auch Hoppmann, Jürgen G.H.: 5 Martin Schaffner: Tischplatte für Asymus Ste- delin (1533), Gemäldegalerie Alte Meister, Kas- ihm gemäßen Form zu präsentieren? Der Astrology in the art of painting at Luthers time. In: Campion, Nicholas (Hrsg.), Cosmos and sel Ausstellungsbesucher und Leser dieses Ka- Culture, Bristol 1997 6 Graphik des Autors talogs möge sich ein Urteil bilden - über 13 Perrig, Alexander: Albrecht Dürer oder Die Geschmack läßt sich bekanntlich nicht Heimlichkeit der deutschen Ketzerei. Die Apo- Der Verfasser möchte an dieser Stelle Herrn Frank streiten. kalypse Dürers und andere Werke von 1495 bis Meyer-Fembach für seine helfende Beratung in vielen 1513, Weinheim 1987; Krotky, Fred: Apoka- wichtigen Fragen der Kunstgeschichte danken. lypse: Die vier Reiter. In: Astrolog 45/7, Adliswil Anmerkungen: 1988 14 Kurze, Dietrich: Johannes Lichtenberger - Eine 1 Beckerath, Erich von: Geheimsprache der Bilder. Studie zur Geschichte der Prophetie und Astro- Die astrologische Lehre und ihre Symbolik in logie, Lübeck 1960 der bildenden Kunst, Wien 1984 15 Cardano, Girolamo: Hieronymi Cardani libelli 2 Cassirer, Ernst: Individuum und Kosmos in der due, Geniturae LXVIII (liber de iudiciis geni- Philosophie der Renaissance, Darmstadt 1976; tarium), Nürnberg 1543; Eberl, Nikolaus: Panofsky, Erwin: Ikonographie und Ikonologie. Cardanos Encomium Neronis, Frankfurt 1994 Anm.d.Hrsg.: Eine Einführung in die Kunst der Renaissance. In: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, 16 Gauricus, Lucas: Nativität Luthers, Ausgabe Ve- Der Astrologe und Physiotherapeut Jürgen G.H. Köln 1978; Busch, Werner: Die Autonomie der nedig 1552; Tractatus Astrologicus. Venedig, Hoppmann wohnt teils in 14050 Berlin-Charlot- Kunst. In: Funkkolleg Kunst, Band I, W. Busch Curtius Troianus Navo, 1552. Mit handschrift- tenburg, Fredericiastraße 7 und teils in 14789 Vehlen (Hrsg.), München 1987 licher Horoskopsammlung der Familie Ritter im Havelland, Bergstraße 43 sowie in und erstellt Wolfenbüttel 35.2 Astronom. 4°; Plantiko, Rü- in Zusammenarbeit mit Electric Ephemeris in Dä- 3 Lincoln, H., Baigent, M. und Leigh, R.: Der Hei- diger: Lucas Gauricus - Ein Astrologe der Re- nemark sowie CosmoWorld in München Computer- lige Gral und seine Erben, Bergisch Gladbach naissance, Zürich 1993 programme zu Berechnung und Interpretation von 1984; Green, Liz: Die Dame des Puppenspie- Horoskopen. lers, München 1989, S. 365 17 Brant, Sebastian: Das Narrenschiff, 1494 18 Pfister, Silvia: Parodien astrologisch-prophe- Kontakt mit dem Melanchtonhaus Wittenberg be- 4 Sementowsky-Kurilo, Nikolaus von: der Mensch kam er erstmalig bei Recherchen zu einer Sendereihe Griff nach den Sternen. Astrologie in der Gei- tischen Schrifttums 1470 - 1590, Baden-Ba- den 1990, S. 400 - 402 für Radio Sachsen-Anhalt. Parallel zur Ausstellung stesgeschichte des Abendlandes, Zürich 1970, erscheint von ihm eine literarische Studie - siehe 19 Zimmermann, H.: Lucas Cranach der Ältere und S. 239; Green, Liz: Ich, Nostradamus, Mün- Anmerkung 25. 38

BERND A. MERTZ Leonardo da Vincis Abendmahl

Leonardo kannte Schriften von Ptolemäus, der ein Zunächst erkennt der astrologische Laie nichts, Unglück, besonders, wenn sie als Datum auf einen berühmter Astronom, Mathematiker, Geograph und was auf die Sternenlogik hinweist. Und doch woll- Freitag fällt. Gesellschaften mit dreizehn Personen Astrologe war. Ptolemäus lebte ca. 90 bis 160 n. te Leonardo die in zwölf Regionen eingeteilte Welt gelingen nicht, so heißt es, sie bringen Streit und Chr. und war Meister der Alexandrinischen Schule. in einer kleinen Welt mit zwölf Gestalten malen, Verrat, weil ein Judas sich unter den anwesenden Er schrieb über Optik und Akustik, gab einen astro- wobei zwölf dieser Gestalten die unterschiedlichen Gästen befände. Hier könnten wir nur von Aber- nomischen Sternenkatalog mit 1028 Sternen her- Merkmale der menschlichen Natur im Sinn der glauben reden. Aber der schlechte Ruf der „Dreizehn“ aus und verfaßte neben vielen anderen Büchern die astrologischen Typologien repräsentieren sollten. hat viel tiefere Wurzeln und hier begegnen wir dem ‘Tetrabiblos‘ (griechisch), lateinisch Quadripartitum, So übertrug Leonardo - nach eigenen Worten - die Mond. Es wurde schon gesagt, daß wir zwei Mond- das heißt das Werk der vier Bücher, die alles da- Himmel auf die Erde. Der Künstler gebrauchte also umläufe kennen, den Phasenumlauf, also den von malige Wissen über die Astrologie zusammenfas- keine astrologischen Graphiken, nicht die Zeichen Vollmond zu Vollmond, oder von Neumond zu Neu-

Abb. 1: Abendmahl, Leonardo da Vinci (Das Original befindet sich in der Kirche Maria della Gracia in Mailand. Hier abgebildet ist eine Kupferstich-Reproduktion aus dem 18. Jahrhundert. Anm. d. Hrg.) sen und bis in unsere heutige Zeit Gültigkeit ha- des Löwen, der Jungfrau oder der Waage, obwohl er mond, das ist der synodische Umlauf (Zeit 29 - 30 ben. Leonardo da Vinci (geboren am 15.4.1452, ge- diese sehr gut kannte, wie wir noch sehen werden. Tage). Astronomisch ist das aber nicht exakt. Ex- storben am 2.5.1519) galt als der wohl vielseitigste Wir finden noch heute diese Zeichen in unzähli- akt wird von einem Fixstern als Ausgangspunkt Meister der italienischen Hochrenaissance und war gen Gotteshäusern der Christen, in Kirchen und zum Umlauf bis zu diesem Fixstern zurück gemes- auch ein mathematischer Astronom. Auszüge aus Domen. Man gehe in den Dom von Milano, man sen oder von und bis zu einem bestimmten Grad Kontobüchern sollen beweisen, daß er Hofastrologen besuche die berühmtesten Kathedralen Frankreichs, des Tierkreises, das ist der siderische Umlauf (Zeit konsultierte. Leonardo wußte um die Elemente und - man wird immer wieder auf diese astrologischen 27 1/3 Tage). Der eine Umlauf (synodisch) ist 12 Bausteine der Astrologie, die in einem seiner be- Symbole treffen. Blicken wir nun auf das Bild von mal im Jahr möglich, der andere (siderisch) 13 mal. rühmtesten Werke, der Darstellung des Abendmah- Leonardo, dann sehen wir dreizehn Personen bei - Als sich die Wissenschaft immer mehr vom Bild les, großartig zum Ausdruck kommen. Dieses große oder genauer - nach dem Abendmahl. löste und die exakte Messung in den Vordergrund Wandfresco in der Mailänder Kirche Maria della rückte, wurden die Mondläufe siderisch gezählt. Damit Gracia ist nicht nur künstlerisch besonders gelun- Die Dreizehn lösten sie sich vom Bild des Himmels. Nach 27 1/ gen, sondern auch im astrologischen Sinn, da es 3 Tagen war der Umlauf zwar vollendet, aber es war eindeutig einen astrologischen Hintergrund vermittelt. Die Zahl Dreizehn scheint bei vielen Furcht auszu- noch nicht Vollmond. Der Vollmond hinkte hin- Betrachten wir dieses Bild daher einmal in seiner lösen. Immer wieder wird gesagt, diese Zahl bringe terher. Deswegen sind alle hinkenden Götter meist Gesamtheit: verflucht (Loki, Mephisto). Da jedoch die Völker ge- Leonardo da Vincis Abendmahl 39

Symbolik weist vielmehr sehr deutlich darauf hin, standen. Ursprünglich sollte das energische Kinn daß Jesus, obwohl als Vertreter der Sonne gemalt, dieser Figur hervortreten, aber die Restaurateure haben wieder Mond werden muß, also zu sterben hat, um den Bart bestehen lassen. dann neu aufzuerstehen. Dazu eine kleine Zwischenbemer- Der Künstler betont sehr das Gütige, das kung. Dieses großartige Bild entstand zwi- Verzeihende. Das Dreieck seiner Person ist Ausdruck schen den Jahren 1495 bis 1498. Schon für die Göttlichkeit. Von diesem Kopf geht viel Ruhe frühzeitig war es jedoch vom Verfall be- aus, obwohl Jesus von seinem schweren Gang weiß. droht, woran der Künstler Leonardo selbst Die Hände liegen ruhig auf dem Tisch. Der Menschen- mit Schuld war. Immer auf der Suche nach sohn scheint seine Mitte gefunden zu haben. Scheint Neuerungen arbeitete er auf einer trocke- - weil er am Kreuz doch noch einmal in Verzweif- nen Wand mit noch nicht erprobten Ölfarben, so lung ausbricht. daß bereits zwanzig Jahre nach der Vollendung er- Im Hintergrund dämmert es, auch hier be- ste Verfallserscheinungen zu erkennen waren. tont Leonardo das nahende, wenn auch vorüberge- Gegen die Kopflastigkeit des Simon sticht hende Ende der Himmelslichter. Wenn wir die hell- Thaddäus (Stier) durch seinen sehr ausgeprägten, fast ste Stelle des gesamten Bildes suchen, dann finden riesigen Hals deutlich ab. Sein kantiger Schädel wirkt wir diese auf dem Scheitelpunkt des Kopfes Christi. bäurisch, wie auch die erregte Beherrschung gut aus- Das Abendmahl ist beendet, das Brot verteilt, der zumachen ist. So leicht läßt sich ein Stier nicht rei- Kelch getrunken. Jesus hatte gerade gesagt, daß ei- zen. Eine Hand ist zum Körper gerichtet, die andere ner der Jünger ihn verraten werde. Davon waren hält, bewahrt etwas auf dem Tisch, wie es Stierart Abb 2: Jesus die Jünger sehr erschüttert. ist. In dieser Bewegung ist auch die Form des astro- logischen Stierzeichens herauszusehen. wohnt waren, die Mondfeste mit dem Bild der Pha- Da fragte einer den anderen, wer von ihnen das wohl Thaddäus ist sichtlich der beharrlichste be- sen zu feiern (siehe Ostern), verfluchten sie die Rech- sei, der so etwas tun werde. (Lk 22,23) harrlichste, der ruhigste dieser Gruppe, er fragt mehr nung mit den 13 Umläufen. So geriet die Dreizehn zu sich als zu den anderen: Bin ich es etwa, Rabbi? in Verruf. Mit dem Abendmahl hatte dies nichts zu Und gleichzeitig mögen viele wie Judas Ganz entgegengesetzt dagegen der junge, le- tun, die Wurzeln lagen schon viel früher, nur taucht Jesus gefragt haben. bendige Matthias als Zeichen Zwillinge. Er schaut eben immer wieder unbewußtes Wissen der Seele „Bin ich es etwa, Rabbi?“ (Mt 26,25) Simon an, aber seine Hände weisen in die andere auf, wenn irgendein Bild dazu Anlaß gibt. Richtung. Allseits orientiert, möchte man sagen. Er Wie reagierten nun die Jünger auf diesem spricht in zwei Richtungen was als Merkmal der Das Bild Bild gemäß ihrer Tierkreis-Typisierung? Zwillinge gilt, denen auch stets Zweigleisigkeit zu- Vom Betrachter aus von rechts nach links: gesprochen wird. Das Gesicht des Matthias ist be- In der Mitte ist Jesus als Vertreter der schöpferischen Simon als Symbol des Abschnittes redt, überhaupt nicht abgeklärt. Seine Frage: Rabbi, Sonne dargestellt (wie noch zu erläutern ist). Rechts Widder, daneben Thaddäus als Stier und bin ich es, scheint daher weniger an Jesus, als in und links sitzen je sechs Jünger, in zwei Gruppen Matthias als Zwillinge, die drei Vertreter den Raum hineingestellt zu werden. zu drei Personen gegliedert. Wir wissen, daß der der Frühlingsgruppe. Diese Gruppe ist am scheinbare Weg der Sonne in zwölf Abschnitte ein- beweglichsten, am temperamentvollsten Von rechts nach links nun die Sommer- geteilt ist. Diese zwölf Abschnitte sind in je vier gemalt. Der Jünger Simon (Widder) ist ganz gruppe. Großabschnitte (Quadranten) gegliedert, die den kopfbetont. Das Haupt ist kahl und er be- vier Jahreszeiten entsprechen. Es gäbe auch eine Ein- sitzt eine sehr starke, scharfe Nase. Seine Philippus als Symbol des Abschnitts Krebs, Jacobus teilung in die vier Elemente zu je drei Einzelzu- Hände sind kampfbereit. Im Gegensatz zu der Ältere als Symbol des Löwen und Thomas, der ordnungen, aber die hat der Künstler hier nicht gemeint. Thaddäus und Matthias visiert Simon Jesus den Abschnitt Jungfrau typisiert. Die Krebsschalen- Die vier Jahreszeiten sind deutlich zu erkennen. Be- direkt an, schaut for- ginnen wir die Betrachtung von rechts nach links, dernd zu ihm hin, als vom Beschauer her gesehen. Außen erkennen wir hätte er den Ausspruch die Frühlingsgruppe, dann folgt die Gruppe des Som- „Einer von Euch wird mers, danach in der Mitte Jesus, ihm schließen sich mich verraten“ als die drei Jünger des Herbstes an und den Abschluß persönliche Kampf- bildet die Wintergruppe. Jesus in der Mitte symbo- ansage empfunden. lisiert zwischen 30 Grad Jungfrau und 0 Grad Waage Thaddäus und Matthi- sozusagen den Moment der Herbst-Tagundnacht- as schauen auf den so gleiche und zeigt damit an, daß jetzt die Zeit des motorisch agierenden Mondes beginnt, die Zeit des Schattenreiches, da Simon, so zieht er die die Sonne (auf das Jahr gesehen) an Kraft und da- ganze Frühlingsgruppe mit an Macht verliert. Ihre Zeitspanne am Himmel in seinen Bann. wird immer kürzer. Diese Symbolik des Bildes hat Der Bart übri- selbstverständlich nichts mit der Jahreszeit zu tun, gens, der den Kopf zu- in der das Abendmahl stattfand, da war es ja Früh- sätzlich zu betonen Abb.3: Die Frühlingsgruppe ling, die Sonne stand im Abschnitt Widder. Die scheint, stammt nicht von Leonardo, son- dern ist durch Schmutz und Luftfeuchtigkeit ent- 40 Bernd A. Mertz geste des Philippus fällt jedem Betrachter sofort auf. In der Herbstgruppe erkennen wir Johannes als Symbol der Gunst. Da Salz zudem reinigt, wurde es zum Symbol Auch sein etwas abwesender, aber lieb träumender, des Waageabschnittes, Judas, dem Skorpion zuge- der Redlichkeit. In den Sarg gelegt, sollte es die Seele in sich gekehrter Blick (Mondblick). Empfindsam schrieben, und Petrus, der das Zeichen Schütze re- an die Unsterblichkeit mahnen. berührt wiederholt er eher die Feststellung von Je- präsentiert. Diese Gruppe ist am schwersten zu ent- In dem Sinne sieht es so aus, als wolle sus, als daß er Antwort gibt. Flehentlich fast wen- schlüsseln, weil die Sitzordnung nicht den Köpfen Judas sogar etwas gut machen, da er un- det er sich an seinen Nachbarn, um bei ihm festen entspricht. bewußt und ungeschickt das Salz freigibt. Halt zu finden. Und in der Tat, Jacobus der Ältere Von der Feststellung „einer wird mich Bei Jesus Ausspruch, daß einer ihn verraten würde, beherrscht „löwenähnlich“ die Szene dieser Gruppe. verraten“ scheint der weiche, hingebungs- hob Judas schnell mit gespieltem Entsetzen seine Seine Arme sind weit ausgebreitet, er will sein Herz volle Johannes am schwersten betroffen Hand hoch und stieß dabei das Salzgefäß um, so offenlegen und fragt mehr autoritär als vorsichtig: zu sein. Unwillkürlich rückt er von Jesu daß es einer Antwort gar nicht mehr bedurfte. Üb- Rabbi, bin ich es? In der Art diese Fragestellung ab. Anschmiegsam sucht er Halt an den rigens ist der Kopf von Judas der einzige, der im liegt bereits die Antwort: Ich stelle mich jeder Ver- anderen der Gruppe, aber der ist dort nicht Schatten liegt. Es steckt mehr dahinter als die Ab- antwortung. Da ist kein Arg, eher eine Stolzverletzung, zu finden. Dankbar nimmt er zwar wahr, sicht, daß kein Licht mehr auf den Verräter fallen die für den Löwen typisch scheint. Fast versteht man daß Petrus ihn mit seiner Hand wohl stüt- soll. Skorpiongeborenen wird mit Recht nachgesagt, einen leisen, vorwurfsvollen Satz dieser Darstellung: zen will, doch lehnt er sich noch nicht an. daß sie sich besonders intensiv mit den Schatten Bin ich Dir, Herr, nicht am ähnlichsten? Er ist es in So scheint die Waage (in ihm) zu kippen. auseinandersetzen müssen. der Tat, wenn man sich die beiden Köpfe anschaut, Die Balance ist fort. Aber seine Hände hält Petrus ist der letzte Jünger dieser Gruppe. Auch und in der Astrologie ist ja der Abschnitt Löwe die er noch wie eine Waage übereinander und er (wie Simon und Jacobus der Ältere) ist voller Feuer. Heimat der Sonne. So nimmt Jacobus als Löwe auch in seinem Gesicht ist noch keine Enttäu- Er, der einmal Stellvertreter Gottes auf Erden wer- eine Führungsstelle ein, er will mit seinen ausge- schung spürbar. den soll, steht hier für den Abschnitt Schütze, der breiteten Armen in väterlicher Geste alle anderen Vom Kopf her wäre Petrus der Näch- zum Jupiter gehört. Petrus weist nun ein ausgesprochen beruhigen, in der festen Überzeugung, daß keiner ste, von der Sitzordnung her ist es aber jupiterhaftes Aussehen auf, auch was seine großen der Verräter ist. Der letzte dieser Gruppe ist Thomas, Judas, als Vertreter des Skorpiontyps (ohne Gesten betrifft. Er sieht aus (und soll es sein) wie als Symbol des Jungfrauabschnittes und ganz ge- daß der Verrat nun etwa skorpionisch ein Lehrender voll innerem Feuer, der aber auch ein gensätzlich zum feurigen Jacobus. wäre!). Judas hält in seiner Hand die Sil- Weiser ist. Petrus hält ein Messer in der Hand, das Hier wird ein Grundgesetz der Astrologie her- berlinge. Dies ist meist zu einseitig als er jedoch bewußt in die äußere Richtung hält, als vorragend deutlich, daß nämlich die nebeneinan- materiell besessen gedeutet worden. Es ist wolle er Verbindung zur Wintergruppe aufnehmen, derliegenden Abschnitte stets auch die hier eher ein Absichern für die Zeit da- wie Matthias (der Zwilling) die Verbindung zur gegensätzlichsten Abschnitte sind. Ungläubig, fast nach zu sehen. Denn - und das wäre eher Sommergruppe schafft. Zwillinge und Schütze ste- erzieherisch, hebt Thomas (auch der Ungläubige ge- typisch „skorpionisch“ - Judas ist unsicher, hen sich im Gegenschein gegenüber und bei Oppo- nannt, was aber nichts mit dem Religionsglauben voller Ängste. So will er sich absichern. sition ist stets eine Verbindung festzustellen. Der zu tun hat) seinen Finger, mit dem er Jesus zu be- Oppositionszeichen Stier als Opposition Gegenschein ergänzt. drängen scheint. Sehr kritisch scheint er zu fragen: zum Skorpion. Skorpione brauchen die Rabbi, bin ich es? Selbstbehauptung. Sie wissen, wie kurz das Wir sehen in der Wintergruppe Andreas Er will so einen Vorwurf nicht groß- Leben ist, um so leidenschaftlicher hän- als Repräsentanten des Abschnittes Stein- zügig, wie Jacobus, im Raum stehenlas- gen sie daran. Die Silberlinge können hel- bock, Jacobus der Jüngere als Symbol des sen, für ihn gibt es keinen Verrat, das wäre fen, es zu bewahren. Dieses Denken be- Zeichens Wassermann und Bartholomä- keine Realität für ihn. Je mehr wir uns in stimmte wohl sein Handeln, so daß er un- us als Sinnbild der Fische. das Bild vertiefen, um so stärker erkennen wir, daß bewußt das Salz verschüttete. Andreas reagiert sehr gemäßigt, ganz Thomas Jesus wie ein Lehrer bedrängen würde, wenn Jesus aber hat gesagt: saturnisch. (Saturn ist „Herrscher“ des ihn nicht Jacobus der Ältere zurückhielte. „Denn jeder wird mit Feuer gesalzen wer- Steinbockzeichens.) Seine Geste scheint zu den. Das Salz ist etwas Gutes. Wenn das sagen: Nichts behaupten, ohne konkrete Salz die Kraft zum Salzen ver- Beweise zu erbringen. Die Bewegungen liert. womit wollt ihr ihm sei- sind sparsam und man könnte sogar zu dem Er- ne Würze wiedergeben? Habt gebnis kommen, daß Andreas Jesus prüfen wollte, Salz in Euch und haltet Frie- was ja Steinböcken häufig zugeschrieben wird. den untereinander.“ (Mk 9,50) Alle Vertreter der Erdzeichen geben sich am gemäßigsten. Sie sind die Realisten, die Beherrsch- Salz wurde als heilige Substanz ten, am wenigsten noch Thomas als Sinnbild des angesehen. Auch die Römer sa- merkurischen Zeichens Jungfrau. (Merkur ist als hen das Verschütten des Sal- Abendstern dem Abschnitt Jungfrau zugeordnet.) zes als Omen für ein Unglück Neben ihm Jacobus der Jüngere, dessen Haar an. Früher wurde auch bei den mit seinen Wellen sofort an das bekannte graphi- heidnischen Bräuchen kein sche Wassermannzeichen erinnert. Wassermann steht Opfer ohne Salz dargebracht. im Gegenschein zum Löwen, was hier durch die Namen Das Wort Salär leitet Jacobus der Ältere und der Jüngere deutlich wird. sich vom Wort Salz ab, man Im Abschnitt Wassermann ist die Sonne schon Abb. 4: Sommergruppe reichte Salz auch als Zeichen ein schönes Stück nach oben - dem Himmel zu - Leonardo da Vincis Abendmahl 41 gewandelt. Der Winter ist zwar auf seinem Höhe- melswissens um die Historie des punkt, aber das Ende der dunklen Zeit ist gekom- Heilands tief in seiner Seele er- men, das befreit, läßt die Gedanken aufwärts flie- spürt, um das dann in diesem Bild gen, wie Ikarus, dessen Sternbild (wie das des Fuhr- umzusetzen und hat somit das manns) hier auch zu finden ist. Der Mensch will Archetypische erfaßt, nämlich die auf neuen Wegen zum Engel werden. Erfahrungen der menschlichen Wassermann ist das letzte Luftzeichen und Seele, die immer auch auf dem Er- wenn wir die drei Luftzeichen auf diesem Bild be- lebnis der Auseinandersetzung mit trachten, dann erkennen wir ihre innere Bewegung; Werden und Vergehen und der nicht so temperamentvoll wie die Feuerzeichen, eher Hoffnung auf ein neues Werden mit ruhigen Gesichtern, doch der ganze Körper ist beruhen. beweglich, wie bei Matthias (Zwillinge), Johannes (Waage) und Jacobus der Jüngere als Wassermanns- Abb. 4: Sommergruppe. innbild. Der letzte der Jünger steht. Es ist Bar- tholomäus, der den Abschnitt Fische symbolisiert. Von allen Jüngern sind hier die Füße am deutlich- sten zu sehen. Die Füße wurden stets mit dem Ab- schnitt Fische in Verbindung gebracht. Doch auch der Kopf des Bartholomäus verrät manches. Man erkennt klar den gläubigen, auch ahnungsvollen Blick. Vielleicht weiß er (außer Judas) am sicher- sten, instinktiv, daß an der Aussage des Rabbi et- was Wahres ist. Wie die anderen Wasserrepräsentanten ist auch er sehr innerlich, also seelisch betroffen. Die Wasserzeichen werden als die seelischen Ab- schnitte interpretiert, ganz besonders beim inneren Horoskop, also in Bezug auf die Häuser. Das ist bei Philippus als Krebs und auch bei Judas als Skorpi- on leicht erkennbar. Batholomäus ist aufgesprun- gen, er stellt sich auf die (Hinter-) Füße, möchte man sagen. Hier ist vielleicht schon der Priester, das Mitglied eines Klosters herauszuspüren.

Es erweist sich als gut, sich jetzt noch ein- mal mit dem Gesamtbild zu beschäftigen und man wird von der künstlerischen Ge- staltung und dem tiefen astrologischen Wissen dieses Künstlers sehr bewegt und angetan sein. Leonardo da Vinci hat ja die Einteilung in die zwölf Tierkreisabschnitte nicht aus einer Laune heraus gewählt, son- dern den wahren Hintergrund des Him-

Anm. d. Hrsg.: Bernd A. Mertz, einer der namhaftesten Astrologen Deutschlands, gab dem Herausgeber dieses Ausstel- lungskatalogs seine Einwilligung zur Veröffentli- chung dieses Textes Mitte November 1996. Kurze Zeit später, am 17.11.1996 gegen 20.35, verstarb er. Das Manuskript für sein fünfzigstes Buch hatte er gerade vollendet. Dieser Text wurde erstmals veröffentlich in: Die Lich- ter des Himmels geben Zeichen. Astrologie un d Chri- stentum, CH-Münsingen 1990. Weitere Bücher von B.A. Mertz zum Ausstellungsthema: Die Esoterik in der Astrologie, Freiburng i.Br. 1988, Grundlagen der klassischen Astrologie, München 1989, Para- Abb. 5: Herbstgruppe celsus und seine Astrologie, Wettswil 1993 42

KARL RÖTTEL Religionspolitische und astronomische Themen in Hans Holbeins „The Ambassabors"

Mit einem Buchnachdruck, einer umfang- 1. Historischer Kontext Verhandlungen zum Religionsfrieden reichen Ausstellung und einem Jubiläums- währten von März bis Ende Juli 1532. band wurde Ende 1995 des 500. Geburts- 1891 kam das Bild an die National Gallery Das Jahr der Bildentstehung (1533) tages des Astronomen, Kosmographen und London. Es gibt mehrere Deutungen der paßt zur Nürnberger Vereinbarung. Jedoch Mathematikers Peter Apian gedacht. Vom Personen, die auf diesem Doppelporträt war noch keiner der pfalz-neuburgischen Geographieuniversitätsprofessor abwärts abgebildet sind. Mary Hervey (1900) zu- Herzöge zur Reformation übergetreten. Sie hatte niemand eine genaue Vorstellung des folge steht links der französische Gesandte liebäugelten mit der neuen Lehre, führ- berühmten Mannes, obwohl bisher schon Jean de Dinteville, rechts Georges de Selve, ten sie aber erst nach dem Tod von Otthein- einiges über ihn veröffentlicht worden war der 1534 Bischof von Lavaur wurde. An- richs erzkatholischer Gattin Susanna ein. Die intensiven Forschungen der Autoren dere sprechen von einer Gesandtschaft an Ihr Onkel Ludwig, Pfalzgraf und Kurfürst, zum Jubiläum brachten viel Neues, und den Großmogul. war vom Kaiser beauftragt, die Vorver- ein paar gängige Urteile mußten ebenfalls Nach Auffassung von W. F. Dickes handlungen mit den evangelischen Für- korrigiert werden. (1903), die wir hier zugrunde legen wol- sten zu führen. Aus den Einstellungen an An Neuem fänd man u. a. noch vor- len, ist das Bild zur Erinnerung an den den astronomischen Geräten auf dem Bild handene Spuren seines Lebens, Kartenwer- Nürnberger Religionsfrieden vom 23. Juli glaubt Dickes jedoch die beiden Pfalzgrafen ke, Nachschriften, Werke zum Einfluß der 1532 angefertigt worden und stellt die Brü- identifiziert zu haben. Gestirne auf den Menschen, Autographen der Ottheinrich und Philipp, Pfalzgrafen Ottheinrich erbat 1539 bei Melanch- bei Wappenbriefen und anderen Dokumen- von Neuburg, dar. Der eine (rechts, Phil- thon den bedeutenden Reformator Georg ten sowie Quellen und Nachwirkungen sei- ipp) soll zur Reformation übergetreten, der Karg, leider ohne Erfolg. Andreas Osiander nes Schaffens. andere katholisch geblieben sein. Im aus Nürnberg führte schließlich die Refor- „Nürnberger Anstand" vereinbarte Kaiser mation im Fürstentum Pfalz-Neuburg Kaum bekannt war, daß Hans Holbein d. Karl V. mit den Fürsten des Schmalkal- durch. J. im Jahr 1533 ein Gemälde, meist „The dischen Bundes, Religionsstreitigkeiten bis Ambassadors, die Gesandten" genannt, fer- zu einem klärenden Konzil auszusetzen, tigte, das neben dokumentarischen und um die Hand frei zu haben für ein Stop- 2. Bildkomposition pen des Vormarsches der Türken, die im künstlerischen Inhalten Kernpunkte des Im Zusammenhang mit dem Manierismus September 1529 Wien erreicht hatten. Die Apianschen Schaffens enthält. des 16. Jahrhunderts sind verschiedene Er- scheinungen zu beobachten. Eine, die „Anamorphose"-Technik, war gern von Monarchen für ihre Porträts gewünscht. Dabei sind Porträts oder Teile des Bildes unter Nutzung der Perspektive so gezeich-

Abb net, daß sie nur aus einer bestimmten Blick-

. 1: Hans Holbei 1533: Die Gesandten richtung und in entsprechender Entfernung erkennbar sind. Im Vordergrund des Hol- beinschen Bildes ist auf der „Tafel" ein Totenschädel zu erkennen, wohl auf die Vergänglichkeit hinweisend.

Im Hintergrund astronomische Instrumen- te: das Torquetum, das Apian in einigen Werken beschrieb; ein Himmelsglobus, ein Erdglobus, eine Polyeder-Sonnenuhr, eine Zylindersonnenuhr sowie ein Gerät zur Be- stimmung der Sonnenhöhe („Astrolab") und dahinter ein Quadrant. Der Himmels- globus, auf dem die Sternbilder wie spä- ter in Apians „Astronomicum Caesareum" eingetragen sind, zeigt Ottheinrichs Geburtszeit an. Religionspolitische und astronomische Themen in Hans Holbeins "The Ambassabors" 43

Abb. 3: Apian Kaufmannsrechnung und Luthers Gesangbuch

beim Vertrag und 12. November 1503 (Phi- Peter Apians Sohn Philipp, für sei- lipp) bei der Porträtierung. ne geistige Pionierleistung bei der Landes- Ähnlich wie in den wenigen ande- aufnahme bekannt, mußte als Sympathi- ren Rechenbüchern seiner Zeit werden in sant der neuen Lehre Bayern verlassen. In Apians „newe unnd wolgegründte under- seiner neuen Heimat Tübingen, wo man Abb. 2: Stoefflerglobus weysung aller Kauffmanß Rechnung" be- ihm den Eid auf das protestantische Be- handelt: Regel-Detri-Rechnung, Regula kenntnis abverlangte, weigerte er sich Unter den Büchern sind zu erkennen vor falsi, Jungfrauen- und Tolletrechnung, ebenfalls, auf jene Ideologie zu schwören. der Laute das „Geystliche gesangk Kettenregel sowie zahlreiche Textaufgaben Nun, Philipp bezog ein Dauergehalt aus Buchleyn" Luthers mit der Vertonung durch mit hervorragenden Holzschnittillustratio- Bayern und hatte einen reichen Vater, so J. Walther und vor dem Erdglobus Apians nen und Potenzen mit cossischen Sym- daß er in religiöser Hinsicht frei bleiben „Kaufmannsrechnung". Vom Gesangbuch bolen. konnte. sind die Lieder "Kom heiliger geyst", dessen zweite und dritte Strophe von Luther stam- 4. Besonderheiten men, und „Mensch wittu leben seliglich“ Literatur: aufgeschlagen. Die Texte sind gezielt aus im Rechenbuch Apian, Peter: Eyn Newe unnd wolgegründte under- Ausgaben von 1524 zusammengesetzt. Erstmalige Aufnahme des „binomischen weysung aller Kauffmanß Rechnung, Ingolstadt 1527. (Reprint mit Erläuterungen: Polygon- Dreiecks" (Titel) in einem euröpäischen Verlag. Buxheim 1995). 3. Das Mathematikbuch Druckwerk, Verfahren des Radizierens (von Dickes, WiIIiam Frederick: Holbein's celebrated "Kaufmannsrechung" der vierten bis zur achten Wurzel erstmals picture, now called "The Ambassadors". Lon- im deutschen Sprachraum), Erläuterung der don, Paris, New York und Melbourne 1903. Vom Buch „Eyn Newe unnd wolgegründte Rechnung mit Brüchen (samt eindrucks- Hervey, Mary F.S.: Holbein’s „Ambassadors“, London underweysung aller Kaufmanns Rech- voller Piktogramme), arithmetische und 1900. nung" ist eine Seite auf und wieder zu- geometrische Folgen (ganz im Sinne der Röttel, Karl (Hrsg.): Peter Apian - Astronomie, Kosmographie und Mathematik am Beginn der geschlagen: Der eingelegte Winkel erlaubt DIN-Normen von heute), mittlere Propor- Neuzeit. Buxheim 1995. jedoch, die Überschrift Divisio, zu erken- tionale von Kubikzahlen, Mitteilung vieler nen. Es sollte angedeutet werden, daß die zeitgenössischer Maße, Umrechnungen gegensätzlichen Auffassungen zwischen und Preise. Sowohl die Mathematik sei- Bildnachweis: der alten und neuen christlichen Lehre (we- ner Zeit als auch die Apianschen Beson- 1 Hans Holbein: The Ambassadors, 1533. Na- nigstens vorübergehend) begraben sein sol- derheiten sind durch den Nachdruck zu- tional Gallery, London len. Das Buch beim Ellenbogen der rech- gänglich. Ausführliche Erläuterungen W. 2 Detail aus op. cit. ten Person berichtet „aetatis sue 29", das Kaunzners findet man im Jubiläumsband. 3 Detail aus op. cit. Alter von 29 Jahren, passend zu den Ge- 4 Peter Apian: Abbildung und Text aus Panta- burtstagen 10. April 1502 (Ottheinrich) leon 1570, Archiv des Autors. Im Text wird er- Die Beziehungen Apians zur wähnt, daß „ ein Münch bey der hand besich- Reformation sind ungeklärt. tigung geweyssaget wann er studieren / wur- de er ein fürnemer man werden". Außerdem Obwohl in Ingolstadt lebend, wurde, quasi als Empfehlung, darauf hingewie- wo man zu seiner Zeit „Ket- sen, daß Apian dem „Philippo Melanchtoni“ zer" verbrannte, wurde Apian bekannt wurde. Hofmarksherr in der prote- stantischen Oberpfalz und Anm d. Hrsg.: hatte er Kontakte mit dem Dr. Karl Röttel ist Mathematiklehrer in Ingolstadt. pfalz-neuburgischen Herzog Zusammen mit seiner Frau gestaltete er im Jahr 1995 Philipp, dem er seinen Neu- die große Apian-Ausstellung, die seither an meh- druck des Physikbuches von reren Orten in Bayern und Sachsen gezeigt wurde. Das Ehepaar ist Inhaber des Polygon-Verlages in Abb. 4: Pantalon 1570 Witelo widmete. 85114 Buxheim, Am Aschweg 57. 44

OTTO KAMMER Eine neue Melanchthonbüste zum Jubiläumsjahr

Vor allem waren es Historiker, Pädagogen thon-Porträt, die Zeichnung und den Kup- rin besonders beeindruckt hatten, zur Gel- oder Theologen, die im Vorfeld des Melan- ferstich Dürers aus dem Jahr 1526. tung zu bringen: chthonjahres dem Mitstreiter Luthers und Ausgehend von den vorhandenen Präzeptor Germaniae besondere Aufmerk- Bildern hat Frau Heer einen längeren Ar- - sein große Bescheidenheit, samkeit zuwandten und dazu beitrugen, beitsprozeß durchschritten, in welchem sie - die Begeisterung, mit der er das, was er sein Leben, Werk und Wesen neu sicht- sich mit Form und Proportionen vertraut in den Quellen selbst entdeckt hatte, wei- bar zu machen. In anderer Weise hat dies mach- terzugeben suchte: das Evangelium und Almut Heer, die Hamburger Bildhauerin die neue Sicht von Bildung und Wis- getan. Sie griff die Anregung auf, zum 500. senschaft, Geburtstag eine neue Melanchthonbüste - die selbstlose Bereitschaft, sich zu schaffen. in den erkannten und über- nommenen Aufgaben einzu- Wie entsteht die plastische Darstellung setzen und für andere Men- einer Person, die nicht mehr lebt? Es schen da zu sein. beginnt damit, daß die Künstlerin oder der Künstler Ausschau nach vorhan- Bei den bisherigen bedeuten- denen, möglichst authentischen den Melanchtonbüsten finden Bildern hält. Hinzu tritt die Beschäf- wir immer wieder an erster tigung mit der Persönlichkeit, die Stelle die überragende Intelligenz wiedergegeben werden soll, der Melanchthons betont. Das gilt Versuch, die entscheidenden We- schon für die klassizistische senszüge zu erfassen. Schließlich Büste von Johann Gottfried gilt es, das Erkannte und Geschaute Schadow (1817, Andreaskirche in der eigenen künstlerischen Hand- Eisleben). Zwar gehörte Schadow schrift auszudrücken und zur Geltung zu der Generation, für die das Ge- zu bringen. bot einer Porträt-Genauigkeit neu Zu dieser Handschrift gehört bei Al- an die erste Stelle rückte. Dennoch mut Heer die grob oder rauh wirkende hat er bei den beiden Büsten, die Oberfläche, die auf den ersten Blick flüchtig er für das 300. Reformations- oder unfertig wirken mag. Sie ist jedoch jubiläum schuf, Luther als den An- ein Stilmittel, das Plastiken ein erhöhtes reger und Prediger charakterisiert, dane- Maß an Lebendigkeit verleiht. Bei wech- ben Melanchthon als den nachdenklichen selndem Blickwinkel und unterschiedli- Gelehrten. Scharf herausgearbeitet ist dies cher Beleuchtung können gerade so im- dann bei den expressionistischen Büsten mer wieder andere Eindrücke hervortre- von Gerhard Marcks, die mehr als 100 Jahre ten und etwas von der Vielschichtigkeit später entstanden (1930, Universität Halle): der Wesenzüge widerspiegeln. Luther ist mit einer Betonung der unte- Da Melanchthon in der Zeit lebte, in ren Gesichtspartie als "Willens-" oder "Tat- welcher die Kunst mit Leidenschaft und mensch", Melanchthon mit der hohen und Entdeckerfreude Menschendarstellungen Abb. 1: Büste von Almut Heer, 1997 ausgeprägten Stirn als "Denker" dargestellt. in den Vordergund stellte und in hoher Mei- Geradezu überspitzt wird dies sterschaft Porträts hervorbrachte, können te. Aus verschiedenen Stadien dieser Vor- schließlich zur Geltung gebracht in der wir heute auf eine Fülle authentischer Bil- arbeit hat sie Abgüsse angefertigt, so daß Melanchthonbüste von Wolfram Spitzer der zurückgreifen. In den Augen einer Bild- der Prozess der Vorstudien noch nachvoll- (Speyer) aus dem Jahr 1983. Sie gehört mit hauerin ergibt sich jedoch eine Unterschei- ziehbar ist. drei anderen Büsten {Luther, Erasmus, Karl dung: Viele Melanchthonbilder, deren Nach dieser gründlichen Vorarbeit V.) zu einem Ensemble, in welchem jede künstlerische Qualität unbestritten ist, er- entstand dann in einem erneuten, schnellen Persönlichkeit jeweils in einer eigenen scheinen dennoch "flach", während an- und spontanen Arbeitsgang der endgül- künstlerischen Ausdrucksform typisiert ist. dere die plastische Fantasie anregen. Dies tige Porträtkopf. Es ging darum, die Wesen- Bei Melanchthon läßt Spitzer das Gesicht gilt vor allem für das früheste Melanch- züge Melanchthons, welche die Künstle- fast verschwinden, begnügt sich mit ei- 45 Eine neue Melanchthonbüste zum Jubiläumsjahr

Abb. 2: Kupferstich von Albrecht Dürer, 1526 Abb. 3: Büste von Schadow, 1817 ner Andeutung der Nase und betont den „Eierkopf“ ein. Spitzer hat zwar später ein- merkenswerte Bereicherung in der bishe- rund hervortretenden Schädel noch durch geräumt, er habe 1983 extreme Ausdrucks- rigen Reihe künstlerischer Rezeption und eine glatte Oberflächengestaltung. Unwill- formen gesucht und werde Melanchthon Gestaltungen. Sie gehört zu den Markstei- kürlich stellt sich hier die Assoziation anders darstellen, wenn er noch einmal nen, welche das 500. Geburtsjahr Melanch- „Intelligenzbombe" oder „Egg-head"/ vor der Aufgabe stünde. Dennoch erscheint thons gesetzt hat. seine Ausformung wie eine folgerichtige Bildnachweis: Fortsetzung der Linie, die durch Schadow 1 Almut Heer, 1997: Bronzebüste des Philipp Melanchthon - Fotografie der Künstlerin und Marcks vorgege- 2 Albrecht Dürer, 1526, Kupferstich - via ben war. Melanchtonhaus Bretten. 3 Johann Gottfried Schadow, 1817, Gipsabguß Hängt diese Linie da- der Büste in der Andreaskirche Eisleben, mit zusammen, daß Melanchthonhaus Wittenberg - Fotografie des hier die Sicht von Autors Männern im Spiel 4 Wolf Spitzer / Speyer, 1983, Abbildung aus dem war? Ist es typisch, Archiv des Autors. daß die Melanchthon- büste, die nun zum er- Anm. d. Hrsg.: sten Mal von einer Der evangelische Pfarrer Otto Kammer lebt seit seiner Frau gestaltet wurde, Pensionierung in Griesheim bei Darmstadt. gerade nicht die Intel- Die hamburgische Bildhauerin Almut Heer, geb. 1956, ligenz, sondern die studierte von 1976 bis 1980 in Hamburg bei Prof. Ulrich Rückriem und von 1980 bis 1984 in Berlin "menschlichen Züge" bei Prof. Lothar Fischer. Sie hatte Einzelausstellungen des Reformators in in Hamburg und Kiel sowie Ausstellungsbeteiligungen den Vordergrund zu in Berlin, München und Schleswig-Holstein. 1993 stellen sucht? schuf sie ein Fresko für den Altarraum der Paul- Gerhard-Kirche (Hamburg) und 1995 wurde ihr Jedenfalls ist Entwurf eines sechsteiligen Sandsteinfrieses für den die neue Büste von Eingang des U-Bahnhofs Dehnhaide realisiert, eben- Abb. 4: Büste Spitzers, 1983 Almut Heer eine be- falls in Hamburg. 46

INGEBORG STEIN Musikalischer Ausdruck kosmologischer Ordnungen im Werk von Heinrich Schütz

Die Lebenszeit von Heinrich Schütz (1585- ner Musik den Menschen seiner Zeit Mut te: "Ich hab' mein Sach' Gott heimgestellt. 1672) fällt in die Phase der Durchsetzung zuzusprechen, ihnen Trost zu vermitteln, . . " (SWV 94), so lautet der Text einer Trau- der philosophischen Neuzeit in Europa und ein Prediger des Wortes Gottes auf dem ermusik in jener Zeit. die in Nachfolge der Reformation und Ge- Weg der Musik zu sein. Durch Herkunft genreformation einsetzenden Kämpfe auf und Erziehung hing er dem orthodoxen In seiner Lebensauffassung, wie in seiner allen Gebieten des Lebens um politische, Luthertum an, war ein tief gläubiger Christ, Musik haben die Zeichen der Zeit ihren wirtschaftliche und geistige Niederschlag gefunden: Ei- Vormachtstellung. Die unge- nerseits war Schütz mit dem heuer rasch wachsende Er- neuen Wissen und den Er- weiterung der Welterkenntnis kenntnissen seiner Zeit ver- seit dem 15. Jahrhundert - traut. Stammbucheintra- markiert mit Namen wie Ko- gungen, die er mehrfach im lumbus, Kopernikus, Bruno, gleichen Wortlaut vornahm, Galilei, Kepler, Descartes - verraten seine Kenntnis des hatte ein völlig neues Durch- heliozentrischen Weltbildes, denken der bisher als unver- das zu seiner Zeit noch im- änderlich angesehenen mer unter dem Verdikt der Wahrheiten und Normen katholischen Kirche stand: nach sich gezogen. "Ut Sol inter planetas/ Ita Es war eine Zeit des MVSICA inter Artes/ libera- Umbruchs, geschüttelt von les in medio radiat" - so trug Kriegen um die Neuvertei- er sich mit einem individuell lung von Macht und Besitz abgewandelten Zitat nach I. in der weit gewordenen Welt, Owen im Jahre 1640 in das zerissen von Glaubens- Stammbuch des Studenten kämpfen und Gewissens- Andreas Möring in Hildes- zweifeln, geprägt von einem heim ein 1. Die Musik "als Lebensgefühl, das zwischen die Sonne unter den sieben einem neuen Selbstbewußt- freyen Künsten", in deren sein der sich ihrer Individua- Mitte (!) sie "helle glentzet lität bewußt gewordenen und weit leuchtet", zu be- Menschen einerseits und von zeichnen, war zu seiner Zeit tiefer Unsicherheit über die ein ebenso kühnes wie ge- Zeitlichkeit des Daseins und fährliches Gleichnis. Hein- aller irdischen Güter ande- rich Schütz war vermutlich rerseits hin und her gerissen bereits als l5jähriger Schü- war. ler des Mauritianus in Kassel mit dem neuen Wissen in Heinrich Schütz erlebte von Berührung gekommen. Sein seinem 33. bis 63. Lebensjahr Gönner und Förderer, Mo- den 30 Jahre währenden ritz von Hessen, besaß eine "Großen Krieg" als kur- der modernsten Sternwar- sächsischer Hofkapellmeister Abb. 1: Heinrich Schütz im Alter von 42 Jahren ten Europas, die u.a. mit in Dresden. Obwohl er sich Tycho de Brahe in Däne- zeitweilig durch Aufenthalte in Dänemark der den Erschütterungen seiner Zeit und mark Beobachtungen des Sternhimmels und Italien den ihn - wie seine Briefe be- seines eigenen Lebens - er verlor nach austauschte. zeugen - tief deprimierenden Verhältnis- kurzer Ehe seine Gattin, beide Töchter star- So mag etwas von dem neuen Wis- sen zu entziehen suchte, kehrte er doch ben noch vor ihm, auch nächste Angehö- sen auch an die Schülerschaft des immer wieder an seine Dresdner Wirkungs- rige und Freunde entriß ihm der Tod - Mauritianums gekommen sein. In einer stätte zurück, suchte mit dem Credo sei- durch Glaubensstärke zu begegenen such- Eingabe an seinen Kurfürsten vom 7. März Musikalischer Ausdruck kosmologischer Ordnungen im Werk von Heinrich Schütz 47

1641, in der Heinrich Schütz den Erhalt der musikalischen Einrichtungen trotz der Kriegsumstände forderte, benutzte er eben- falls dieses Gleichnis: "Sie erhalten auch hiermit an Ihrem Churf(ürstlichen) Hoffe diejenige Profession, welche nicht min- Abb. 3: Planetentöne nach Johannes Kepler, Reprint 1751 der (als die Sonne unter den Sieben Pla- neten:) also auch unter den Sieben freyen "Geistreichen Gesangbuch" (1676) zur Er- sich bereits in frühesten musikalischen Künsten, in der Mitte helle glentzet und läuterung beigegeben, das nicht nur Hein- Gestaltungen gleichbedeutend finden las- weit leuchtet." 2 . Naheliegend ist, daß rich Schütz als "Christlichen Assaph"- Sän- sen. Kompliziertere Setzungen sind dage- Schütz auch durch den Dresdner Hofpoeten ger Gottes - ausweist, sondern zahlen- gen Figuren wie z.B. die "Circulatio", eine Johannes Seussius in seinem Wissen be- symbolisch Details des Kirchenraumes auf- halbkreisförmig angelegte musikalische Fi- stätigt wurde, der in Briefaustausch mit einander bezieht und himmlisches und ir- gur, die auftaucht, wenn es sich um "Sonne, Johannes Kepler stand und an dessen Ver- disches Musizieren zum Lob Gottes in ein den runden Tisch, um den die Jünger sitzen öffentlichungen regen Anteil nahm 3 . großangelegtes Gleichnis faßt. und ähnliche Gegebenheiten im Text han- Kepler hatte bereits in seinem Erstlings- Auf verschiedenen Ebenen des kom- delt. Melodienbildung, Satztechnik und werk, dem "Mysterium cosmograficum" positorischen Stils läßt sich bei Heinrich Harmonik dienten dem Anliegen, Text- (1596) die Harmonie der Welt Gottes als Schütz ebenfalls dieses Gleichnisdenken interpretation mit musikalischen Mitteln eine musikalisch erfahrbare zu begründen festmachen: Die Analysen seiner Werke zu leisten und auf "hinter den Worten" Ste- versucht, einen Gedanken, den er dann in zeigen, daß er mit der Figurenlehre, wie hendes weiterführend zu verweisen, mit den "Harmonices mundi" (1619) weiter sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts von musikalischen Mitteln Weltinterpretation ausführte, indem er den Planetenum- der Musiktheorie entwickelt worden war zu leisten und die Harmonie Gottes tönend laufbahnen in ihrem Verhältnis zueinander (einer von der Rhetorik übertragenen Deu- erfahrbar zu machen. Melodien zuordnete und die Dinge der Welt tung musikalischer Verhältnisse auf au- ebenso mathematisch-musikalisch zu de- ßermusikalische Gegebenheiten), wohl Die Summe möglicher musikbezogener finieren suchte. vertraut war und sie sinnentsprechend kosmologischer Vorstellungen des 17. Jahr- anwandte. hunderts zeigt sich genial gebündelt in den Inwieweit sich Heinrich Schütz mit die- "Musikalischen Exequien" (SWV 279-281) sen Gedankengut auseinandersetzte, ist Die Figurenlehre hatte nach den Abhand- von Heinrich Schütz. bisher nicht bekannt und nicht belegbar. lungen von Burmeister (1599,1601,1606) Heinrich Postumus Reuß (1572- Andererseits war er - in scheinbarer Ab- eine zweifache Funktion: Sie sollte neben 1635), früherer Landesherr von Heinrich sehung seines naturwissenschaftlich ori- den Regeln des Kontrapunktes dem rich- Schütz, hatte sein geistliches Credo in Bi- entierten Wissens - tief von dem lutheri- tigen Erlernen des Komponierens dienen belsprüche und Liedverse gefaßt auf sei- schen Leitbild des gemeinsamen Musizie- und galt dabei gleichzeitig im Zusammen- nen Sarg schreiben lassen, Texte, die Hein- rens der himmlischen und irdischen Kan- hang mit der musikalischen Analyse als rich Schütz als Musik zu den Exequien torei durchdrungen. Instrumentarium der Werk-Betrachtung (Hinausgeleiten der Leiche) zu vertonen Ein Stich von David Conrad von 1662 und -deutung. hatte. Die Durchdringung theologischer stellt Heinrich Schütz in der Dresdner Es führt in unserem Zusammenhang geistiger und musikalischer Aspekte in die- Schloßkapelle im Kreis der Hofkantorey zu weit, das komplizierte System dieser sem Werk ist in ihrer Kompliziertheit von dar, ein Gedicht4 ist der Abbildung im Lehren hier darzulegen, die zudem von ih- der Musikwissenschaft oft und ausführ- ren Vertretern noch unterschiedlich inter- lich diskutiert worden 5. Nicht nur, daß die pretiert wurden. Im Wesentlichen basie- Vertonung der Bibelworte die reiche An- ren sie auf dem Versuch, das Wesen der wendung der Prinzipien der Figurenlehre Welt und ihrer Zusammenhänge bis hin erkennen läßt, sondern auch die formale zu den Emotionen der Menschen mittels Anlage des Werkes versucht, kosmologi- eines musikalischen Regelwerkes erklär- sche Ordnungen sinnenhaft erfahrbar und und deutbar zu machen. Vereinfacht dar- hörbar zu machen: Der Komponist verfügte gestellt, wurden z.B. aufsteigende musi- z.B. in der "Ordinantz" zur Aufführung, kalische Linien zur Darstellung von "ho- daß dem, "von Ihrer Seligen Gnaden bey hen" Gegebenheiten genutzt (z.B. bei dero herrlichen Leich beysetzung verord- Schütz in den "Symphoniae sacrae III" nete Gesang Simeonis `Herr nun Lässestu (1650) "Ich hebe meine Augen auf zu den deinen Diener in Friede fahren"` (Teil III Bergen" (SWV 399)). der Exequien), im sichtbaren Hauptchor Absteigende Linien verbanden sich ein zusätzlicher "absonderlicher Chor" (un- dagegen mit Krankheit, Tod, Sünde usw. sichtbar "nach Gelegenheit der Kirchen an Die Musiktheorie bediente sich hier ural- unterschiedlichen Orten" beigeordnet wer- ter menschlicher Vorstellungen, die im den sollte, der den Textworten "Herr, nun Abb. 2: Geistreiches Gesangbuch, 1676 synästhetischen Erlebnisbereichen fixiert, lässest du deinen Diener in Frieden fah- 48 Ingeborg Stein

Abb. 4: Heinrich Schütz in der Dresdner Schloßkapelle ren (gesungen von einem Bariton, der 1984. S. 93-101. Hier: S. 94 1751 (Reprint von Werken Anfang des Stimmlage des Heinrich Posthumus Reuß!) 2 Heinrich Schütz. Gesammelte Briefe und Schrif- 17. Jhdts.), Institut für Geodäsie der gleichsam das Engelgeleit gibt: Die zwei ten. Hrsg. im Auftrag der Heinrich-Schütz-Ge- Technischen Universität Berlin. Diskantstimmen singen "Selig seynd die sellschaft e.V. von Erich H. Müller. Regensburg Todten die in dem Herrn sterben" und 1931. S.144. Dok. 48 4 David Conrad: Heinrich Schütz in der Dresd- ner Schloßkapelle, Stich von 1662, Archiv des 3 Auf Seussius Distichon zu Keplers "Astronomia Schütz erläutert: "Mit welcher invention Heinrich-Schütz-Hauses, Bad Köstritz. Nova" nimmt Fechner im o.g. Beitrag Bezug. oder Choro secundo der Autor die Freu- Vgl. S. 96 de der abgeleibten ehligen Seelen im Him- 4 zitiert nach Hans Joachim Moser, Heinrich mel / in Gesellschaft der Himmlischen Schütz - Sein Leben, sein Werk. Kassel 1954 Geister vnd heiligen Engel in etwas ein- (Beilage) fiziren vnd andeuten wollen." 5 eine gute Zusammenfassung der Standpunkte gibt Breig, W.: Heinrich Schütz' Musikalische Auf diese und andere Weise versucht der Exequien". Überlegungen zur Werkgeschichte und zur textlich-musikalischen Konzeption. In: Komponist, kosmologische Ordnungen Schütz-Jahrbuch 1989, S. 53-66. s.a. Stein, musikalisch sinnfällig werden zu lassen, I. (Hrsg.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen Ordnung für die in Unordnung geratene im 17. Jahrhundert" Wiss. Veröffentlichungen Welt erlebnishaft herzustellen und damit der Forschungs- und Gedenkstätte Heinrich- Schütz-Haus, Quartus-Verlag Jena 1997 geistige, wie praktische Hilfe für die Men- schen seiner Zeit zu leisten. Bildnachweis: Anmerkungen 1 Heinrich Schütz im Alter von 42 Jahren, Kup- ferstich aus dem Archiv des Heinrich-Schütz- 1 s. Jörg-Ulrich Fechner "Wie die Sonne unter Hauses, Bad Köstritz. Anm.d. Hrsg.: den Planeten in der Mitte leuchtet, so die Mu- 2 Geistreiches Gesangbuch, 1676, Archiv des Dr. Ingeborg Stein ist Direktorin des Heinrich-Schütz- sik unter den freien Künsten". Zu Heinrich Heinrich-Schütz-Hauses, Bad Köstritz. Hauses, Forschungs- und Gedenkstätte im Geburts- Schütz' Eintrag in das Stammbuch des Andreas haus des Komponisten, 07586 Bad Köstritz / Thü- Möring. Eine Miszelle. In: Schütz-Jahrbuch 3 Epistulae ad Johannes Kepplerum von ringen, Heinrich-Schütz-Str. 1 49 III - CAUSA EFFICIENS: HOROSKOPIE IM CHRISTENTUM

MARTIN TREU „Heillos und schäbig“ Martin Luthers Verhältnis zur Astrologie Melanchthons

Nimmt man allein Luthers Tischreden als tet, der glaubt nicht an Gott allein, son- - Dennoch sind wir die Herren der Ster- Grundlage, so erstaunt auf den ersten Blick dern betreibt Abgötterei. 1 ne, lautet Luthers Spitzensatz. 4 Aber der die Fülle des Materials. Offensichtlich stellte Die Sterne sind Teil der guten Schöp- gilt nur vom glaubenden Christen, der sich die Astrologie ein viel diskutiertes Thema fung Gottes, deswegen können und sol- wegen seines Glaubens an Christus vor zwischen den beiden Reformatoren dar. len sie auch nicht zu Unheilprophezeiungen keiner Himmelserscheinung fürchten muß. Luthers grundsätzlich kritische Haltung zur mißbraucht werden. „Die Theologie ver- „Wer den Einfluß der Sterne fürchtet, sollte Astrologie hat sich zeit seines Lebens nicht heißt Gutes, die Astrologie deutet Unglück wissen, daß das Gebet kräftiger ist als die geändert. Jedoch bleibt es von Interesse, an“, meint Luther in einem Gespräch mit ganze Astronomie.“ 5 Allerdings heißt dies zu verfolgen, worauf diese Kritik beruh- Melanchthon 1537. 2 nun nicht, daß der sündige Mensch ohne te. Dabei lassen sich zwei verschiedene Deswegen kann man Sterne vielleicht Sorgen um die Zukunft leben kann. Nur Argumentationsstränge unterscheiden. als Zeichen, keineswegs als Ungeheuer ist es Gottes Alleinwirksamkeit, die ihm Zuerst einmal versteht Luther die ansehen. 3 Gottes Schöpfung ist zugunsten als Schicksal erscheint. „Philipp Melanch- Astrologie als einen Verstoß gegen das erste des Menschen erschaffen, nicht gegen ihn. thon sagte, daß Menschen, die unter dem Gebot. Wer sich nach den Sternen rich- „et tamen nos sumus domini stellarum“ Aspekt der Waage nach Mitternacht ge-

Schöpfung, kolorierter Holzschnitt von Georg Lemberger, 1540 50 Martin Treu boren werden, unglücklich würden. Worauf mond war. Ein anderes mal wollte er bei lanchthons christlichen Glauben sah er Luther antwortete: ‘Unglücklich sind die Neumond nicht über die Elbe fahren.“ 15 durch die Astrologie nie gefährdet, dar- Astrologen, die sich Kreuz und Betrübnis Jedoch gilt die Verurteilung der Astrolo- um duldete er sie. Wenn ihn die Astrolo- nicht von Gott erwarten, sondern von den gie und nicht dem Freunde, der in dieser gie ängstigte, suchte er den Freund zu Sternen herträumen.’“ 6 Kunst dilettierte. Luther beobachtete näm- trösten. Astrologie war für Luther von Gott Allerdings verstand Luther die Astro- lich sehr genau, daß Melanchthons gene- nicht verboten, allerdings schien sie ihm logie nicht als Sünde gegen Gott wie die relle Ängstlichkeit in engem Zusammen- auch nicht besonders hilfreich für das Magie oder die Handlesekunst, die unmit- hang mit astrologischen Unheilsprophe- christliche Leben. Wenn Melanchthon an telbar zum Teufel führten. 7 Das hängt zum zeiungen stand und das tat ihm als Freund diesem Punkt anders urteilte, konnte Lu- einen damit zusammen, daß die Astrono- weh. „Es tut mir leid, daß Philipp Melanch- ther das tolerieren. mie für Luther die älteste Wissenschaft dar- thon so an der Astrologie hängt, weil er stellt, die schon Abraham kannte. 8 Denn fürchterlich getäuscht wird. Denn der ist als Teil der guten Schöpfung haben die schnell betrübt durch himmlische Zeichen Anmerkungen Sterne durchaus einen angemessenen Ge- und führt sich mit seinen Gedanken selbst 1 WATR1, 513, Nr. 1026. Vgl. auch Klaus brauch: Aus ihnen ist die Zeiteinteilung in die Irre. Sie haben ihn oft getäuscht und Lämmel, Luthers Verhältnis zu Astronomie und Astrologie (nach Äußerungen in Tischreden und abzulesen, auf der das gesamte zivilisierte doch konnte man ihm nicht abraten. Als Briefen), in: Lutheriana hg. v. Gerhard Ham- Leben beruht. Allerdings soll man sie nicht ich einmal ziemlich krank aus Torgau mer und Karl Heinz zur Mühlen, Köln Wien zu Prophezeiungen mißbrauchen. 9 „Ich zurückkam, sagte er mir, daß der Tod mir 1984 (AWA5), 299-314. lobe die Astronomie und die Mathema- nahe wäre. Ich habe nie glauben wollen, 2 WATR2, 109, Nr. 1480. tik, weil sie auf Beweisen beruhen. Der daß es ihm so ernst wäre. Ich selbst fürch- 3 WATR1, 321, Nr. 678. Astrologie traue ich gar nichts zu.“ 10 Diese tete die Zeichen des Himmels nicht.“ 16 4 WATR4, 684, Nr. 514. Verbindung zur Astronomie dürfte Luther Vielleicht findet sich hier der Grund, warum 5 WATR3, 275, Nr. 3332. wohl auch davon abgehalten haben, die Luther zwar Melanchthon gegenüber seine 6 WATR3, 114, Nr. 2952. Astrologie als Sünde in aller Schärfe zu Ablehnung der Astrologie klar, aber nie 7 WATR3, 79, Nr. 2919. verurteilen. verletzend zum Ausdruck brachte. Anderen 8 WATR2, 619, Nr. 2730. gegenüber wurde er deutlicher: Die Astro- 9 WATR4, 668, Nr. 5115. Daraus ergibt sich ein zweiter Argumen- logie sei eine besoffene Magd, die das Kind 10 WATR2, 457, Nr. 2413. 17 tationsstrang, der sich auf Luthers Wis- beim Schaukeln aus der Wiege wirft. „Es 11 WATR3, 12, Nr. 2834 b. senschaftstheorie und den gesunden Men- ist ein Dreck mit ihrer Kunst.“ 18 Melanch- 12 WATR1, 418, Nr. 855. schenverstand bezieht. „Die Astrologie thon gegenüber blieb er einfühlsam und 13 WATR5, 558, Nr. 6251. kann keine Wissenschaft sein, da sie nicht freundlich: „Ich denke, daß Philippus sich 14 WATR3, 57, Nr. 2892. auf festen Grundlagen und Beweisen be- mit Astrologie beschäftigt, wie ich einen 15 WATR4, 147, Nr. 684. ruht, sondern vielmehr erst im Nachher- starken Trunk Bier tue, nämlich bei schwe- 16 WATR3, 373, Nr. 3520. ein die Dinge erklärt und belegt.“ 11 Luther ren Gedanken.“ 19 Mit dieser Bemerkung vergleicht sie mit der traditionellen Aus- entschärft Luther einen potentiell hefti- 17 WATR1, 73, Nr. 155. sagenlogik, die ebenfalls auf fiktiven gen Konflikt. Wie er selbst sagte, läßt er 18 WATR4, 5612 f., Nr. 5013. Praedikamenten beruhte. So wie die Kir- Melanchthon mit der Astrologie spielen.20 19 WATR1, 7, Nr. 17. chenväter die Scholastik nicht kannten, Grundsätzlich waren Luther und 20 WATR4, 612, Nr. 5013. kannten die ursprünglichen Astronomen Melanchthon so weit nicht auseinander. 21 WATR3, 12, Nr. 2834 b. die Astrologie nicht. 12 Statt wissenschaft- „Kunst ist vorhanden, aber niemand hat 22 WATR3, 449, Nr. 3606. licher Experimente betreiben die Astrolo- sie.“, gab selbst der Praezeptor Germaniae 21 gen ein Würfelspiel, wobei nur eine Zwölf zu. Umgekehrt stimmte der Reformator Abbildung: Bewertung findet, egal, wie oft geworfen dem alten astrologischen Satz: „Die Sterne werden muß. 13 Die Ergebnisse der Astro- bewirken eine Neigung, aber keinen Schöpfung, kolorierter Holzschnitt von Georg nomen beurteilt Luther denn auch mit Zwang“ zu, wenn er auch meinte, daß man Lemberger, 1540 aus einer Almanach, daß man in den Sommer nicht ten könne. 22 Nicht ohne Ironie bemerkte Lutherbibel von 1550. Schnee setzt noch Donner in den Winter, Luther die Fülle von Sintflut- daß man im Frühling sät und im Herbst prophezeiungen für 1524, während den erntet. Das können die Bauern auch Bauernkrieg von 1525 niemand vorher- wohl.“14 gesagt habe. Diesen trügerischen Zug der Astro- logie nimmt Luther in seinem vernichten- Letzten Endes ging es Luther nicht um die Anm.d.Hrsg.: den Urteil auf, wenn er über die Versamm- Astrologie, sondern um die christliche Dr. Martin Treu ist Direktor der Reformations- historischen Museen Lutherhalle und Melanchthon- lung in Schmalkalden 1537 erzählt: „Herr Freiheit. Für ihn resultierten aus dem be- haus Wittenberg . Unter seinen zahlreichen Veröf- Philippos hielt mich in Schmalkalden ei- dingungslosen Glauben an Jesus Christus fentlichungen sei im Zusammenhang mit dem obi- nen Tag (zusätzlich) auf mit seiner heil- die Unabhängigkeit des Einzelnen von gen Artikel besonders auf sein 1995 in Wittenberg losen und schäbigen Astrologie weil Neu- allen anderen Lehren und Mächten. Me- erschienenes Buch „Martin Luther und Torgau“ hingewiesen. 51

REINHART STAATS Noch einmal: Luthers Geburtsjahr 1484

In den Ebernburg-Heften (27. Folge 1993, lichten astrologischen Unheilspropheten echte“ Parallele vorliegen könne. Aber auch S. 37—44 = Blätter für Pfälzische Kirchen- entlastet worden war. Hätte Kerner nicht daß die von mir außerdem genannte Par- geschichte und religiöse Volkskunde 60. auf eine Auseinandersetzung mit diesem allele (Ericeus: Anno 1484 natus suum 1993,185-192) hat Jürgen Kerner unter der Argument verzichtet, so hätte er erklären Mansfeldt, certum est, vgl. WA TR Nr. 5347) Frage „Luthers Geburtsjahr 1484?“ kritisch müssen, wie die Tradition 1484 überhaupt nicht selbständig sein soll, bleibt proble- Stellung bezogen zu meiner Beobachtung, entstehen konnte. Ich kann die Entstehung matisch. Immerhin taucht mehrmals in Lu- daß Martin Luther nicht 1483, sondern ein beider Traditionen, 1484 und 1483, aus den thers eigenen Lebensberichten die Jahres- Jahr später geboren sei (vgl. R. Staats, Lu- Quellen erklären. Dagegen haben die Be- zahl 1484 auf, was selbst im Falle, daß diese thers Geburtsjahr 1484 und das Geburts- fürworter der bisher noch üblichen 1483- Zeugnisse nur von einer Quelle abhängig jahr der evangelischen Kirche 1519. In: Bi- Tradition, wie die Bemühungen Kerners wären, diesem einen Befund sein volles bliothek und Wissenschaft 18, 1985, S. 61- belegen, noch keine Erklärung dafür ge- Gewicht für die Datierung beläßt. 84. Vgl. auch meine Zusammenfassung mit funden, warum die so breit bezeugte Tra- weiterer Erörterung in Zwingliana 16, 1985, dition für das Geburtsjahr 1484 entstehen Zu Nr. 2: Wenn Luther beiläufig in einer S. 470-476). Kerner behauptet, meine Ar- konnte. Predigt (WA 47, 581) erwähnt, daß ein Papst gumentation habe sich nicht als durch- in seinem Geburtsjahr gestorben sei, so schlagend erwiesen, jedoch räumt er ein, Einwände wurden nur gegen die Argumen- bleibt das gleichwohl ein schweres Argu- daß für 1484 „immerhin gewisse Indizi- te Nr. 1-3 und 6 erhoben, aber diese wurden ment für 1484, weil Papst Sixtus IV. im en“ sprechen. keineswegs widerlegt, sondern nur kritisch selben Jahr am 12. August gestorben war. betrachtet. Nach Adam Riese und den Re- Der Irrtum Luthers, es sei Papst „Julius“ Anzuerkennen ist Kerners sorgsames Re- geln historischer Wissenschaft darf ich also gewesen, kann demgegenüber gar nicht ferat meiner Beweisführung; und über- erwarten, daß auch ein unparteiischer Be- ins Gewicht fallen. Gerade die Originali- haupt, daß endlich meine These gründlich trachter dieses wissenschaftlichen Strei- tät der Angabe, daß im Geburtsjahr ein diskutiert wurde. Freilich hatte ich selbst tes zu dem Schluß kommen müßte: Es steht Papst gestorben sei, paßt zur Erfahrung ei- nur von ganz neu auftauchenden Quel- Zwei zu Null für len und Arrgumenten eine Widerlegung das Geburtsjahr erwartet. Kerner bringt aber keine neuen 1484. Oder? Quellen und Argumente ins Spiel, sondern sucht alle meine 6 Argumente einzeln zu Nur kurz weise ich widerlegen. Diese „Widerlegung“ kann aber hin auf einige of- nach meinem Eindruck auch für den Au- fene Probleme in ßenstehenden nicht als überzeugend be- Kerners Kritik an zeichnet werden. Denn ein schlagendes Ar- den Argumenten gument (die Wittenberger Universität do- 1-3 und 6. kumentiert im Jahr 1558, daß Luther 1484 geboren sei = Nr. 5) wurde ohne Kritik an- Zu Nr. 1: Luthers erkannt, und ein weiteres Argument (1484 eigener Lebens- war ein astrologisches Unheilsdatum und lauf im Brettener wurde deshalb durch Melanchthons Fest- Blatt mit der An- schreibung des Jahres 1483 nach Luthers gabe „Anno 1484 Tod korrigiert = Nr. 4) wurde einfach bei- natus“ soll einma- seite gelassen, das heißt: auch dieses Ar- lig sein und ohne gument spricht weiter für meine These. Ja, eine „sichere Par- das geradezu penetrante astrologische In- allele“. Wenige teresse Melanchthons (s. dazu jetzt auch Zeilen vorher G. Zimmermann in ZKG 96, 1985, S. 324), räumt aber Kerner das in diesem Argument zentral ist, kann selbst ein, daß in überhaupt die von Melanchthon 1546 voll- WA TR Nr. 2250 zogene Festschreibung des Geburtsjahres mit der sonderba- auf 1483 erklären, weil damit Luthers Ge- ren Angabe 1414 burtsjahr endlich von damals veröffent- eine „tatsächlich Abb. 1: 22.10.1484, 21h 00m (Melanchthon/Schöner) 52 Reinhart Staats

1484 tatsächlich nach Mansfeld gezogen waren. Dieses Argument erklärt immer- hin mehrere Selbstzeugnisse Luthers, wo- nach er eigentlich aus Mansfeld stamme, wogegen die 1484-Hypothese diese Mans- feld-Tradition nur erklären kann wenn sie davon ausgeht, Luther habe nicht den Ort, sondern die Grafschaft Mansfeld gemeint. wozu Eisleben gehörte. Dafür könnte al- lerdings die oben bei Nr. 1 zitierte Tisch- rede bei Ericeus sprechen. Kerner kann nun aber gar nicht erklären, warum Luther ge- legentlich seine Geburt zu einem Zeitpunkt ansetzte, als sein Vater in Mansfeld an- sässig geworden war. Kerner ist selbst unsicher und meint zum Schluß seines Auf- satzes (S.192), daß es wie für das Geburts- jahr 1484 so auch für den „Geburtsort“ Abb. 2: 22.10.1484, 21h 00m Abb. 3: 22.10.1484, 13h 10m Mansfeld „immerhin gewisse Indizien“ gibt. (Erasmus Reinhold) (Hieronimus Cardanus) Aber so weit war nicht einmal ich selbst gegangen: Nicht Luthers Geburtsort war ner Mutter, die sich zwar nicht immer an Zu Nr. 6: Die Auswertung verschiedener Mansfeld, das bleibt Eisleben, sondern die genauen Geburtstage ihrer Kinder, wohl späterer Legenden um Luthers Geburt ist Mansfeld war der Wohnort seiner Eltern aber an bekannte persönliche oder poli- in der Tat problematisch, und ich hatte die- zur Zeit seiner Geburt am 10. November tische Erfahrungen aus der Zeit der Ge- ses Argument auch nicht als mein stärk- 1484 in Eisleben. burt eines einzelnen Kindes genau erin- stes bezeichnet. Dennoch bezeugt eine Tra- nern kann. Solche Information vom Tode dition, daß Luther zwar in Eisleben am 10. Schließlich sei noch auf einige allgemei- eines Papstes im Geburtsjahr, damals ein November geboren war, jedoch in einem ne Aspekte dieser Kontroverse hingewie- weltbewegendes Ereignis, konnte Luther Jahr, als die Eltern schon in Mansfeld sen. die dankenswerterweise durch Kerners ja nur von seiner Mutter haben. Kerner je- ansässig waren und als die Mutter zu ei- Darlegungen nun endlich ein breiteres In- doch disqualifiziert dieses wichtige Argu- nem Besuch in Eisleben weilte. Somit setzt teresse finden wird und die nun wohl nicht ment: „Es handelt sich lediglich um eine gerade diese Tradition das Geburtsjahr 1484 mehr mit einer so dürren Auskunft abge- Nebenbemerkung“. Dabei können gerade voraus, weil die Eltern im Frühsommer funden werden darf, wie sie z. B. bei Rein- in der Frage der Datierung derartige Neben- bemerkungen von einer relativen Chro- nologie zu einer absoluten Chronologie hinführen (vgl. die an sich nebensächli- che Erwähnung des Statthalters Gallio in Apg I8, l2ff. und ihre zentrale Bedeutung für die Paulus-Chronologie. Dazu jetzt J. Becker, Paulus. Der Apostel der Völker, Tü- bingen 1989, S. 15. 30f.).

Zu Nr. 3: Ich folge gern der Kritik Bernd Moellers, die Kerner hier aufnimmt, daß Luther in jenem Disput mit Melanchthon keineswegs einen nur „fröhlichen“ Streit ausfocht, als nämlich Luther de facto mein- te, er sei 1482 geboren (WA TR Nr. 5428 = Band 5, S. 138f.). Aber das war bei die- sem Punkt gar nicht entscheidend. Kerner hat völlig außer acht gelassen, daß Me- lanchthon in demselben Disput das Ge- burtsjahr 1484 voraussetzte und sich da- bei ausdrücklich auf eine Auskunft von Luthers Mutter beriet, die es doch am besten wissen mußte: „das hat mir eur Mutter ge- sagt“. Abb. 4: 10.11.1483, 23h 20m (Johann Garcaeus) Noch einmal: Luthers Geburtsjahr 1484 53 höhere Laufbahn bestimmt, weil sie eine hard Schwarz steht: „Das Geburtsjahr l483 so sehr frühe Priesterweihe zuließen. freilich seit dem Zeitalter von Renaissance steht nicht absolut fest, ist aber besser über- und Humanismus gelegentlich auch von liefert als das Jahr 1484“ (Luther, KIG 3, Wirklich wichtig ist der kulturgeschicht- Christen übernommen werden konnte und I, Göttingen 1986 S. I 4 Anm. 1.) liche Aspekt dieser Diskussion: Offensicht- das seit dem 19. Jahrhundert zum Sym- Der Datierungsstreit um Luthers Ge- lich konnte im 16. Jahrhundert jede Be- bol einer christlich-bürgerlichen Famili- burtsjahr lehrt im Grunde, wie unsicher stimmung eines Geburtstages von astro- enfeier geworden ist. selbst allgemein bekannte Daten der Welt- logischen Spekulationen beherrscht wer- Geburtstagsfeiern könnten heute geschichte sein können und wie wichtig den. Im Gegensatz zu Melanchthon wollte vielleicht auch als „Muttertage“ christlich die stete kritische Kontrolle des Überlie- aber Luther davon frei sein. Luthers Ein- begründet werden. Denn wer sonst als un- ferten ist. Noch 1902 hatte Julius Köstlin spruch gegen die Astrologie kannte üb- sere Mutter verbindet lebenslang mit un- im Jahr 1484 die einzige diskutable Al- rigens das umwerfende Argument der serem Geburtstag eine echte persönliche ternative zu 1483 gesehen (RE3,11. S. 723). zwei-eiigen Zwillinge, das schon bei Au- Erinnerung an große Schmerzen und an Doch dann wurde bis zur ersten Presse- gustin begegnet: Jakob und Esau hätten, großes Glück! Dieser „feministische“ veröffentlichung der These (Sonntagsblatt wenn die Astrologie recht hätte, ein ähn- Aspekt des Geburtstages als eines Mutter- Nr. 46, 1984, S.17) am Jahr 1483 unkri- liches Schicksal erleiden müssen (TR Nr. tages wäre freilich heute von feministi- tisch festgehalten, und das 500jährige Lu- 5573, vgl. Augustin, De civitate Dei V, 4). scher Seite erst noch zu entdecken. Die ther-Jubiläum wurde 1983 sehr groß be- Doch ist bekanntlich das Geburtsdatum in oben mit Jürgen Kerner erörterten Argu- gangen, das doch wahrscheinlich eine 499- weiten Kreisen der Bevölkerung noch heute mente Nr. 2 und Nr. 3 zeigen, daß selbst Jahr-Feier gewesen war. Meine im Jahr nicht frei von astrologischer Spekulation. in diesem Streit um Luthers Geburtsjahr 1984 (aus Anlaß von Luthers 500. Geburts- Die christliche Kirche hat von jeher da- natürlich die Mutter Luthers diejenige hi- tag!) publizierte These hatte auch keines- gegen Zeugnis eingelegt. storische Zeugin war, die es genau wis- falls die alte Diskussion wieder Auch daher durfte es sen mußte. aufgewärmt, sondern nun in Antike und Mittel- auch neue Quellen und alter keine christ- Abbildungen: Argumente in die liche Geburts- Diskussion ge- tagsfeier ge- Die dargestellten Lutherhoroskope wurde nachträglich vom Heraus- bracht. Das hat - ben (vgl. A. geber - also nicht vom Autor des vorangegangenen Textes - zur Dekoration eingefügt: immerhin Kern- Stuiber, er erstmals ge- Geburts- würdigt. Die tag, RAC 1 Unbekannte Handschrift, vermutlich Abschrift eines Briefes von Melanchton an Schöner, Bayerische Staatsbibliothek, Diskussion soll- IX, Cod. Monac. lat. 27003 (22.10.1484 um 21.00 Uhr) te nun aber 1976, 2 Erasmus Reinhold, Stadtbibliothek Leipzig, Cod. auch zeigen, 224-229). DCCCCXXXV, Bl. 158 (22.10.1484 um 21.00 wie solche chro- Christi Uhr) nologischen einzigartiger 3 Hieronimus Cardanus - Bibliotheka Augustea Übungen, mögen sie Geburtstag, im Predigerseminar Wittenberg (22.10.1484 um 13.10. Uhr) auch nur sozusagen seine Mensch- 4 Johann Garcaeus - Franciceumsbibliothek Zerbst „Etüden“ der Ge- werdung, sollte der (10.11.1483 um 23.20 Uhr - unter dem Luther- schichtswissenschaft sein, in Orientierungspunkt im horoskop eines zu Melanchthon) unerwartete Gefilde der Kulturgeschich- Leben jedes einzelnen Christen 5 Moderne Computerberechnung (10.11.1484 gegen Mitter- te Einblick gewähren. Für die Luther-Bio- bleiben, für dessen eigenes privates Ge- nacht) gemäß Brettener Blatt. Die Grafik erstellte der Ausstel- graphie springt bei diesem Streit allerdings denken nur der jeweilige Tauftag (oder Na- lungskatalog--Herausgeber mit dem Programm SunWorld für Windows, CosmoWorld GmbH, München nur wenig heraus. Nur so viel dürfte in- menstag) und der Sterbetag in Frage ka- teressant sein: Luther wurde am 3. April men. Erst mit dem Bürgerturn des 19. Jahr- 1507 schon im Alter von 22 Jahren zum hunderts, bezeichnenderweise mit einer Priester geweiht, wenn er 1484 geboren nachlassenden Besinnung auf Sterben und war. Das widerspricht dem normalen „ka- neues Leben durch die christliche Taufe, nonischen“ Alter von 25 Jahren, von dem beginnt die Tradition der alljährlichen Ge- freilich die Vorgesetzten dispensieren konn- burtstagsfeiern von einzelnen und damit ten. Auch im Falle der Geburt 1483 wäre auch die Tradition von runden Geburts- er ja noch keine 25 Jahre alt gewesen. Kurz- tagsjubiläen: In Deutschland wurde m.W. um: die Erfurter Oberen haben offensicht- erstmals 1883 Luthers Geburtstag groß ge- Anm. d. Hrsg: lich die hohe Begabung Luthers erkannt feiert - auf kaiserliche Anordnung! Ge- Prof. Dr. h.c. Reinhardt Staats ist tätig am Institut und den Frater Martinus alsbald für eine burtstagsfeiern sind also kein christliches, für Kirchengeschichte und Kirchliche Archäologie, sondern ein antikes, heidnisches Erbe, das Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Dieser Beitrag ist mit freundlicher Genehmigung des Autors entnommen worden: Ebernburg-Hefte 28, 1984 = Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und Abb. 5: 10.11.1484, gegen 24h 00m (Brettener Blatt) Religiöse Volkskunde 61, 1994. 54

PAOLA ZAMBELLI Martin Luther: Der Komet ist des Teufels

(Anm.d. Hrsg.: In Anbetracht der wissen- hielt, und andernorts gesichtet wurde. Es einen sehr hellen Kometen, der ordentlich 5 schaftlichen Bedeutung der Arbeit von Frau handelte sich entweder um den berühm- verzeichnet und bestätigt wurde . Prof. Zambelli wurde dieser Auszug aus ten Halleyschen Kometen, der zwei Jah- Laut einer späteren Zeugenaussage (1559) 6 einem Fachartikel ohne Übersetzung der re zuvor so große Aufregung verursacht von Wilhelm Zenocarus (Snoeckaer) hatte lateinischen Passagen in den Ausstellungs- hatte, daß die Historiker sich noch heute auch Kopernikus den Kometen von 1533 4 katalog aufgenommen. Wir bitten um an sie erinnern oder um den auch von gesichtet, was durchaus wahrscheinlich ist Verständnis, verweisen zugleich auf die in Luther beobachteten Kometen, wie man und darüber hinaus durch einen von Lud- den Anmerkungen erwöhnten weiteren in Warburgs Ergänzungen liest, jedoch um wig A. Birkenmajer bemerkten Umstand Werke der Autorin.)

... Es ist von Bedeutung, daß Spalatin, äußerst einflußreicher Ratgeber Friedrichs, des Kurfürsten von Sachsen l , d. h. des mächtigsten Verteidigers Luthers, sich um das Neujahr 1523 herum auf Anfrage seines Landesherrn einer eingehenden Untersu- chung der volkstümlichen Beobachtungen einer bescheidenen Himmelserscheinung widmete (welche, falls als solche nachge- wiesen, dem Bereich der sogenannten „stellae secundae“ angehören würde) und daraus finsterste Schlußfolgerungen zog. Es ist zwar richtig, daß er bisher we- der in Widerspruch zu den Ideen des Kur- fürsten 2 noch zu denen des Reformators geraten war, wenn man bedenkt, daß die natürliche Weissagung, prophetisch inter- pretiert, im Mittelpunkt des Interesses Lu- thers und seiner Anhänger stand: im Ge- gensatz zur künstlichen Wahrsagung, d. h. der Astrologie, war sie selbst in den Schriften und Reden Luthers anzutreffen und zugelassen. Aber Spalatin scheint die luthersche Verdammung der Astrologie nicht zu teilen: auch wenn er wohl die Technik nicht sehr eingehend erforscht hat, oder gerade aus diesem Grund, stellt er in diesem für die Reformation entscheiden- den Zeitraum zumindest zwei Astrologen in den Dienst des Kurfürsten, braucht sie aber in Wahrheit, um den Kurfürsten zu seinen Zwecken zu manövrieren 3.

Eine spätere, aber darum nicht uninter- essantere Befragung findet 1533 anläß- lich des Erscheinens von Feuer am Him- mel über Wittenberg statt (welches neben vielen anderen auch Luther und Philipp Melanchthon gesehen haben), das aber auch in Altenburg, wo Spalatin sich auf- Abb.1 Lichtenberger-Prognostica Martin Luther: der Komet ist des Teufels 55 bestätigt wird: Zenocarus nennt Kopernikus xephias. Hunc interpretati sunt Nicolaus ad Dirrachium, ut trajicerent in Italiam. „Vratislaviensis“, und da er tatsächlich ein Brugnerus et Achilles Gassarus medici“ 12. Sed cum intelligerent totam Italiam cum Scholasticus des Heiligen-Kreuz Kapitels Der von Spalatin aufbewahrte Be- Caesare Carolo consentientem in armis in Preßburg war, hätte er vielleicht seine richt scheint auch einer der sehr seltenen esse, metu retenti, reduxerunt exercitus in Beobachtung von dort aus machen oder belegten Fälle zu sein, in denen Luther an Thraciam. Haec videntur initia esse ingen- unterzeichnen können 7. Weniger wahr- einer astronomischen Beobachtung teil- tium bellorum, et discordiae Germanicae scheinlich ist die weitere Behauptung des nahm 13. Dies ist als eine Ausnahme in Lu- vix videntur habiturae placidam cata- Zenocarus, daß Kopernikus eine Auseinan- thers Haltung gegenüber der Kunst der strophen. Itaque nondum judico eventus dersetzung („decertatio“) mit Petrus Api- Astronomen und Astrologen anzusehen. denunciatos a Cometis praeterüsse: monuit anus, Gerolamo [Fracastoro], Julius Sca- Das Ergebnis war jedoch nicht brillanter nos Deus ut pietate et moderatione con- ligerus, Gemma Frisius und Gerolamo Car- als dasjenige Galileis, als er Cremonini siliorum mitigemus impendentes poenas. dano gehabt hätte: eine solche Zusammen- zwang, einen Blick durch das Teleskop zu Hoc animo prodigia considerare nos opor- kunft oder auch eine Auseinandersetzung werfen: während andere Gelehrte seines tuit, ut et Dei iram emendatione morum aus der Entfernung wäre sicherlich von Kreises Beobachtungen anstellten, leug- et praecibus flecteremus, et moderatis con- größtem Interesse. Trotz der größten Sorg- nete er zwar nicht die Realität der Erschei- siliis conaremur publica mala sanare. Non falt, mit der alle Kopernikanischen Aus- nung, interpretierte sie aber in theologisch- enim probandae sunt illae stoicae opini- sagen geprüft worden sind, wurde jedoch apokalyptischem Sinne dahingehend, daß ones, quae mutari et mitigari fata, hoc est, leider keine authentische Spur dieser Be- eine Himmelserscheinung unzweifelhaft impendentia bona aut mala negant“ 16. obachtungen von 1533 gefunden, im Ge- des Teufels sei 14. Doch sein Teufelshaß hält gensatz zu dem, was Jane Jervis schreibt ihn nicht davon ab, einige Jahre später in Obwohl der Komet von allen „summa cum 8 ; eine eigenhändige Postille bezüglich ei- gleicher Gesellschaft den am 18. Januar admiratione“ betrachtet wurde, blieb Luther ner Sonnenfinsternis von 1525 hingegen 1538 gesichteten Kometen zu beobachten, bei seinen Bedenken: „Ich wil Germanie ist bei den beobachteten Daten sehr ge- den er als Unheilsboten nur für die Gott- nicht ex astris war sagen, sed ego illi iram nau, doch wird vor allem deshalb auf sie losen definierte 15: wieder wurde Luther Dei ex theologia annuntio“ 17. hingewiesen, da Kopernikus dort jede astro- von Melanchthon und Justus Jonas be- Daß viele Lutheranische Autoren an logische Entwicklung vermeidet 9. gleitet, denen sich die beiden Astronomen der Auseinandersetzung über die große Ein respektabler, zeitgenössischer Milichius und der spätere Kopernikaner Konstellation und die Sintflut teilnahmen, Wissenschaftler wie Girolamo Fracastoro Erasmus Reinhold zugesellten. Es gibt eine die im Jahre 1524 das Ende der Welt hätte hatte den Komet 1531 im Veroneser Raum von Milichius nach wenigen Jahren ge- herbeiführen sollen, ist ein historischer beobachtet 10. Seine Beobachtungen wa- schriebene und gedruckte Erklärung: „Sed Skandal, der eine Untersuchung wert ist. ren vorher geplant, ja, er war stolz dar- nuper adeo tres vidimus, quorum primus Wie kommt es, daß achtbare Intellektu- auf, im Laufe jener Jahre drei Kometen fulsit anno 1531, mense Augusto,... secun- elle, die Lutheraner waren, ihr Heil in der erforscht haben zu können. „Nos vero tres dus anno 1532 qui in fine septembris eitlen Kunst der Astrologie suchten, die illos cometes, qui annis superioribus appa- conspici coepit et duravit tres menses... mit der heidnischen Wahrsagung erfolg- ruere diligentissime observavimus ac om- Tertius anno 1533 mense julio. Etsi autem reich den volkstümlichen Aberglauben nes miro quodam motu in latitudinem non res multae memorabiles secutae sunt, verdrängt hatte, um ihre Polemik gegen parum actos conspeximus... Ergo anno tamen praecipui eventus adhuc impendent die Römische Kirche voranzutreiben? Die 1531 primus cometa visus est die 8 et 9 aut certe catastrophe. Post hos cometas Anfangsphase der internationalen Kontro- Septembris: apparuit autem primum matu- Turci magna expeditione suscepta, bellum verse schließt sich an den Reichstag zu tinus ac valde septentrionalis, utpote qui Germaniae intulerunt, sed parte copiarum Worms und Seitz’ Warnung des Suntflut aestivo circulo borealior multo esset, idem Turcicarum in extremis finibus Germaniae an, in dem Zeitraum der Verbannung mox vespertinus emersit circa aestivum caesa, Turci fugientes reduxerunt reliquos Luthers auf der Wartburg; sie ist jeden- circulum; sequentibus vero diebus longi- exercitus. In Dania asperrimum bellum falls auf Betreiben von Protestanten an- tudine parum mutata, in latitudinem adeo gestum est et ingens mutatio in regno facta. derer Ausrichtung angeregt worden, und se egit, ut ultra aequinoctialem spectaretur Facta est et mutatio in Anglia et orti dies, bevor Luther sich zur Astrologie äu- non longe a Iove, qui tum gradu 13° Scorpii horribiles tumulti, qui multis prestantissimis ßerte: mit einem genialen Fingerzeig hatte vertebatur, circa diem autem 18um’sensim viris necem attulerunt. In Germania ortus schon Aby Warburg - der sowohl von der absumptum est“ 11. Sehr viel näher steht est tumultus anabaptisticus et magno Grundlegung als auch von der pädago- dem Wittenberger Kreis und dessen Denk- negocio urbs Monasteriensis in Westfalia gisch-politischen Wirksamkeit der Astro- weise Conradus Lycosthenes, der die Da- expugnata et deleti sunt Anabaptistae. In logie überzeugt war - weniger in Melan- ten des Kometen in kurzer Zeit rekonstru- Italia Francisco Duce Mediolanensis sine chthon (dessen Distanz zu Luther in die- iert: „Mense Iulio fulsit cometa spargens liberis extincto, rex Gallorum coepit repe- sem Punkt er im übrigen klar hervorge- flammam versus brumalem occasum, adeo tere Mediolanum a Caesare Carolo. Deinde hoben hatte) als in Georg Spalatin den Ver- longa ut circiter 8 gradus occuparit. Fuit Gallus movit bellum adversus Ducem antwortlichen und Organisator der Akti- autem candidus et flammam mirae longi- Sabaudiae eumque ducatu expulit. Cae- on ausgemacht. „Es scheint nun, als ob auf tudinis efficiebat seu ensis seu perticae sar ut defenderet Sabudiensem bellum protestantischer Seite Spalatin, der Ver- speciem, eratque Milichü iudicio proprie movit adversus Gallum. Turci eodem tem- trauensmann Luthers und des Kurfürsten pore bellum parantes duxerunt exercitum Friedrich des Weisen, diese Pressepolitik 56 Paola Zambelli durch astrologische oder monstrologische astrologers, in Zambelli, Paola (Hrsg.): Astrologi in Regensburg eine Schrift des Apianus für Karl Warnungsbilder ausdrücklich förderte als hallucinati - Stars in the End of the World in V, der sie lesen wollte, ins Französische über- Luther’s Time, Berlin 1986, S. 123-127. setzt hatte. Was mir über seine Biographie be- ‘künstliche’ oder ‘wunderliche’ Weissagung. 2 Vgl. P. Zambelli, Astrologi constglieri del kannt ist, läßt nicht vermuten, daß Zenocarus Schon daß er sich bereits 1519 ein Gut- principe a Wittenberg, in: Annali dell’istituto Kopernikus in den Fromborker Jahren getrof- achten über die große Konstellation von storico italo-germanico, XVIII, 1992, S. 502 fen haben könnte. 1484 kommen ließ,... weist darauf hin, daß Anm. 24. 6 L.A. Birkenmajer, Mikolaj Kopernick. Czesc Spalatin sich in dem Ideenkreis bewegte, 3 Ibidem, S. 592. pierwsza. Studia nad pracami Kopernika oraz meterialy biograficzne, Krakow 1900, S. 525- dem jene Weissagungsflugschrift von Jo- 4 Vgl. G.B. Riccioli, Historia cometarum Bolo- 532, Kap. XXIV Ich bedanke mich herzlich bei hann Lichtenberger angehörte“ 18 , welche gna 1651, S. 9; ES. Archenhold, Kometen, meinen Freunden Lech Szczucki und Jerzy bekanntermaßen 1527 in Wittenberg mit Weltuntergangsprophezeiungen und der Halley- Dobrzycki, die meine Aufmerksamkeit auf diese sche Komet, Treptow-Berlin 1910; J. Rauscher, der berühmten Vorrede Luthers erschien. Biographie gelenkt und für mich einige Stel- Der Halleysche Komet, S. 259-276. Um das len derselben kritisch zusammengefaßt haben. Der Fall des ersten Kometen (um ihn so enorme Echo der verschiedenen Durchgänge des Kometen zu ermessen, vgl. R.S. Freytag (ed), 7 L.A. Birkenmajer, Mikolaj Kopernick, S. 525 zu nennen) von I522 beweist dies: wäh- f. korrigiert die von Zenocarus in kontaminierter rend Melanchthon in Abwesenheit Luthers Halley’s Comet. A Bibliography, Washington 1984, insbesondere die Einträge 76-77 (Apianus oder unvollständiger Form zitierten Namen und Wert darauf legt, zu betonen, daß das er- 1531 und 1532), 348 (Ferrerio 1540, doch zum scheint dessen von einer Autorität wie Curtze ste Erscheinen des Feuers am Himmel ihn Kometen 1531), 349 (Brelochs 1531), 365 herausgegebene Aussage anzunehmen; muß (Brotbeihel 1531), 413 (Carion 1531), 960 jedoch zugeben, daß man für ihre Erklärung eine nicht von seinen harten Studien abgehalten unbekannte oder verlorene Quelle anzunehmen hatte und er sich erst dann entschloß, vom (Fincel über Kometen 1517-1556, aber auch zum Kometen 1531), 997 (Flock über Kome- hat, und weist darauf hin, daß Tycho Brahe, Schreibtisch aufzustehen, als die Erschei- ten I531-I558),1056 (Gasser 1531),1740 De cometa anni 1557, s.l. 1588, die Namen nung anhielt, scheint Georg Spalatin im (Krautwadel 1531), 2163 (Nausea 1531), 2309 Apianus’, Gemma Frisius’, Fracastoros, (Paracelsus 1531), 2338 (Perlach 1531), 2628 Cardanus aufzählt, ohne jedoch Kopernikus zu Gegensatz zu Jonas oder Amsdorf dazu nennen. zu neigen, die nächtliche Beobachtung des (Sabinus 1531), 2675-2676 (Schoner, Auß- legung und Konjektur 1531), 2960 (Virdung 8 J.J. Jervis, Cometary Theory in Fifteenth-Century betrunkenen Ibach als genuin anzusehen. 1531), 2850 (Szadek 1531). Das Anhalten die- Europe, Wroclaw-Warszawa ecc. 1985 ("Studia In Anbetracht der Tatsache, daß der Zeuge ser Problematik geht aus dem bei J.H. Robinson, Copernicana", XXVI), S. 123, vgl. auch S. 121- nicht nüchtern war, wird in diesem Fall The Great Comet of 1680. A Study in the History 123, wo Jervis richtig die 1533 gemachten Be- unter der Wittenberger Prominenz die of Rationalism, Northfield Min. 1916, zitier- obachtungen bezüglich der der Sonne entgegen- ten Material hervor, dem jedoch einige metho- setzten Richtung, die der Schwanz des Kome- Klugheit überwogen haben, mit dem Be- dische Naivitäten unterlaufen sind. ten normalerweise nimmt, als interessant, ja schluß, die Erscheinung nicht zu propa- 5 Gulielmus Zenocarus (Snoeckaert) a Schauwen- sogar grundlegend herausstellt. gandistischen Zwecken zu mißbrauchen burg, in De republica, vita, moribus, gestis... 9 M. Curtze, Inedita copernicana, in "Archiv der 19. Wenig später trifft jedoch die ganze Augusti quinti Caroli [1559], Antverpiae Mathematik" zit., S. 346-347, wo eine eigen- Flugschriftenflut zu der für 1524 prophe- 15963, S. 197-198: "Tertius cometa apparuit händige Postille aus einem Sammelband der mense Iunio die 8, anno vitae Caesaris 33. Ac Fromborkschen Bibliothek wiedergegeben wird: zeiten Sintflut ein. Luthers Anhänger er- esse noscebatur in tertio gradu, quarto minuto „Haec effiguracio eclipsis Lunaris adaptatur finden eine neue Literaturgattung, und Geminorum.. Hinc magna inter Vratislaviensem A.C.1525 currente quarta die Julii. Apparebit zwar die als Antipracticae vorgelegten Pre- Copernicum, et Ingolstadiensem Apianum, et super meridianum Cracoviensi 21 gradu Capri- digten, die von C. Ginzburg präzise dar- Hieronymum Scalam, et Cardanum Medio- corni, hora 9, minutis 48 principium, medium lanensem, et Gemma Frisium fuit decertatio: vero hora 10, minutis 45, finis vero hora 1 l, 20 gestellt worden ist . Die berühmte Vor- quod contra signorum ordinem a Geminis (ubi minuto 42. Duracio vero eius erit una hora, rede Luthers zur Wittenberger Ausgabe von initio apparuit cometa) non in Cancrum minutia 51, secunda 56“. 1527 der zwanzigjährigen Weissagung progressus sed in Taurum, et versus Arietem 10 Vgl. A.G. Pingré, Cométographie ou traité Johann Lichtenbergers (des Bekanntesten Cometa sit regressus; quem tamen (si quemquam historique et théorique des cométes, Paris 1783, alium) secundum signorum ordinem moveri I, S. 496 ff., der sehr viele Zeugnisse angibt, unter den astrologisch-prophetischen Best- oportebat: remotiorem scilicet a terra quam alius 21 darunter die wissenschaftsgeschichtlich grund- seller-Autoren) , ist meines Erachtens An- fuisset, longissime enim a Sole aberat". Die- legenden Zeugnisse von Petrus Apianus (in dem zeichen für das Vorherrschen der Erwä- ser Abschnitt ist von M. Curtze, Inedita 2. Teil seines weltberühmten Astronomicum gungen politisch-religiöser Propaganda, copernicana, in "Archiv der Mathematik und caesareum), Gemma Frisius, Achilles Pirmin Physik", 62, 1878, S. 113-147 (und auch in die Spalatin so am Herzen lag, gegenüber Gasser (Gasserus) und Jacobus Milichius; be- den „Mitteilungen des Coppernicus Verein/ merkenswert ist die divinatorische Interpreta- den wiederholt von Luther geäußerten star- Thorn“, I, 1878, S. 43-45, die ich nicht gese- tion Cardanos im De rerum varietate (L. XIV, ken philosophisch-theologischen Beden- hen habe), veröffentlicht worden; vgl. A. Favaro, cap.70), in Opera omnia, curante C. Spon, ken. Dieser hatte sie bereits beiseitege- Intorno ad alcune notizie inedite relative a Lugduni 1663, III, S. 276, sowie in der Schrift Niccolò Coppernico raccolte e pubblicate dal... schoben, als er die Zustimmung dazu gab, In Ptolomaeum de astrorum iudicia (L. II, cap. Curtze, in „Bullettino di bibliografia e di storia IX text. 54; ibidem, V, S. 218): "exarserunt et eine seiner Predigten aus dem Advents- delle scienze fisico-matematiche", XII, 1879, nostra tempestate anno 1530 cometes: Florentia zyklus, in der er eine nahende Sintflut er- S. 775-807, besonders S. 802-803. Der aus in servitutem redacta est.1531 alius per wähnte, im Jahre 1524 als Flugschrift her- Gent gebürtige Zenocarus (1518-1565), der Cancrum, Leonem, Virginem et Libram dis- durch Heirat Herr von Bincorst geworden war, auszugeben 22. currens, terraemotus fuit in Lusitania. 1532 machte seinen Doktor der Rechte in Frankreich, alius in Virgine, Libra, Scorpione, intra tropicos, war Sekretär des kaiserlichen Botschafters Cor- unde Frisij, Batavi, Zeelandi ac Flandri aquarum nelius de Schepper, bevor er außerordentlicher, inundatione submerguntur. Sequenti a fine Iunü Anmerkungen: dann ordentlicher Rat am Holländischen Hof usque ad initium Septembris [1533] per wurde. Danach Bibliothekar Karls V und Phil- 1 Vgl. I. Höss, Georg Spalatin 1484-1545, Ein Geminos, Taurum et Arietem alius retrocessit, ipps II. Sein einziges hier zitiertes Werk bezeugt de quo dictum est, terraemotus ac ventus Rheno Leben in der Zeit des Humanismus und der sein großes Interesses an der Astrologie, wel- 2 vicinas regiones circa medium noctis exagitavit. Reformation, Weimar 1989 ; siehe auch von ches auch dadurch bestätigt wird, daß er 1541 der gleichen Autorin: Georg Spalatin and the Fames Germanos vexavit. Subsequenti anno in Martin Luther: der Komet ist des Teufels 57

Polonia tam gravis fuit inundatio aquarum, ut 14 Weimar, HA, Reg. O 46, Bl. 8r-9v, wo Spalatin logie (nach Äußerungen in Tischreden und Brie- Cracoviae et Casimyriae lapidei pontes et moenia am Rand in derselben Handschrift anfügt: "der fen), in G. Hammer-K.-H. zur Muhlen (edd), cum plurimis aedificüs sint eversa. In Brabantia gleichen ist die selbs steit auch hie zu Aldenburg Lutheriana, Köln-Wien 1984, S. 305. Zu fortuito igne apud Bredanium 960 domus und umb die Newenstadt an der Orlan, umb Milichius siehe ADB, s.v.; s. die Briefe Rein- conflagrarunt". Vgl. ibidem, S. 210: "Talem Brandsteyn etc. gesehen"; Bl. 8r, vgl. Anm. 55; holds, hrsg. in J. Voight, Briefwechsel der be- [significantem dissidia sacerdotum in religione Bl. 9r folgen ganz unabhängige Berichte aus rühmten Gelehrten... mit Herzog Albrecht von christiana, praelia, etc.] fuisse eum qui visus Eisleben, wo bei Meyer Graf von Mansfeld ein Preußen, Königsberg 1841, S. 514-546, und est anno 1533 in Ariete sub septentrionali parte Reformator (G. Witzel?) von denen, die keine Vgl. A. Birkenmajer, Etudes d’histoire des galaxiae credendum est. Nam Iupiter legem Gottesfurcht haben, ausgelacht wird. sciences en Pologne, Wroclaw 1972, S. 761- Christianam, Aries Britanniam, Mars et 15 Weimar, HA, Reg. O 46, BI. 8r-9v, über Feuer- 66; O. Gingerich, s.v, in Dictionary of Scientific Mercurius significaverunt dissidium et per- erscheinungen am Himmel über Wittenberg (die Biography, XI, New York 1975, S. 365-67; A. mutationem, quae facta est post triennium in unter vielen anderen auch Luther und Philipp Birkenmayer, Colloquia copernicana, II, Wroclaw tota illa provincia iubente Rege illorum Henrico Melanchthon gesehen haben), aber auch in 1972, S. 43 ff.; H. Hugonard-Roche-E. Rosen VIII. Fuit autem cometes ipse diuturnus a fine Aldenburg, wo Spalatin schreibt: "Nechste J.-P. Verdet, Introduction à l’astronomie de Iunii ad initium Septembris". Der von Spalatin Freytag um zehen hor in der Nacht bis umb zwolf Copernic, Paris 1975; J. Henderson, Erasmus aufbewahrte Bericht präzisiert das Datum auf oder ein hor hat Martinus Luther selbs neben Reinhold’s Determination of the Distance of the einen Freitag, der im Juli 1533 entweder auf vil andern an allen ortern des himmels uber den Sun from the Earth, in R.S. Westman (edd), The den 4., 11., 18. oder 25. des Monats fiel. gantzen himmel sehen etlich vil tausent feu- Copernican Achievement, Berkeley 1975, S. 108 11 Hieronimus Fracastorius, Homocentrica. De riger fackeln schießen, das nicht sterne, son- ff.; J. Henderson, On the Distance Between Sun, causis criticorum dierum per ea quae in nobis dern recht feuer gewest ist. Und sagt das er der Moon and Earth, Leiden 1991, S. XV Anm. sunt, Venetüs 1538, Bl. 59v-60r (sectio III, cap. gleichen seyn leben lang nicht gesehen habe. 19 A. Warburg, Heidnisch-antike Weissagung in 23); vgl. Opera omnia, Genevae 1671, II, S. Und achtets dafur das es nicht gemeyner hymmel Wort und Bild zu Luthers Zeiten, in A. War- 211: "Omnes enim comam seu barbam proicere und lufft werk, sonder weiss nicht was teufel burg, Die Erneuerung der heidnischen Antike e diruto semper in opposito Soli partem, ut si gespenst sey in der lufft, die demnoch etwas (Gesammelte Schriften, II), Leipzig-Berlin 1932, Sol in aequinoctiali fuisset versus Orientem, großes bedeuten. Umb der alden Krepsyn gar- S. 513. barbam in aequinoctiali versus occidentem ten hie des magister Philipps Melanchton 20 C. Ginzburg, Il Nicodemismo, Torino 1970, S. protendebatur et quantum Sol unam in partem schweiger nicht fern von der stat hie Witten- 28-43 zu Brunfels, Kettenbach, Baltzer Wil- deflexisset tantum in oppositum barba illa berg hat man gehort eyn großes [gereusch] gleich helm. Die Literaturgattung der Antipracticae semper et ipsa sese vertebat quod et illa etiam aber eynes reysigen zeugs der zusammentref- wird im evangelischen Raum noch viele Jahr- cometa fecisse legitur, qui anno 1473 apparuit". fe. Das hat mir Philippus selbs gesagt welcher zehnte weiterleben. Nach seinen eigenen Beobachtungen und de- es von seiner schweiger gehort hat. Die er von nen von Augenzeugen, die schon am ersten Juli iren gertneryn gehort hat. Die auch heute re- 21 Ein weiterer berühmter Astrologe erweist sich den Komet sehen konnten, "stella erat paulo det sie habs nicht erdacht. Doktor Martinus des als am Horizont Luthers präsent: es handelt sich maior Iove, verum caudae aut barbae tam longae teufel und der [unlesbar Flecke] erfaren hat um den großen Wiener Humanisten Johannes ut militaris hastae longitudinem in caelo spricht es sey eitel teufels gespenste, dann dieweil Stabius, von Maximilian als "kaiserlicher Ma- aequaret". Der Komet befand sich vom 7. bis der teufel wider das liebe Evangelium so wolt thematiker und Geschichtsschreiber“ geehrt, der zum 29. Juli „in capite Gorgonis“. Fracastorius er uns gerne mit falschem schrecken schenkter als Überbringer des Schutzbriefes nach Worms hat den ersten "prope stellam quae est in machen, weil er mit rechten ernst und Krieg zu Luthers Geleit entsandt wurde; vgl. G. eathedra Anthiopis septentrionalis" beobach- solchs nicht vermag zu wegen zubringen dieweil Spalatin, Annales... Jahrbücher von der Refor- tet und ihn am Ende um dreißig Grad verschoben ghott so gnadiglich mit seinem schutz uber uns mation Lutheri aus dessen Autographo ans Licht messen können; aber nach anderen Beobach- heldeth. Doch meinet er man in alle weg umb gestellet von E.S. Cyprian, Leipzig, S. 5. Sie- tern betrug die Verschiebung ungefähr 65 Grad. fried und fur die Obrigkeit mit allen trewen und he auch A. Kleeberg (ed), Georg Spalatins Chronicon, S. 42. 12 Hieronimus Fracastorius, Opera, II, S. 211. Man ernst Bitten soll. Doktor Martinus schreibt: ‘itst beachte jedoch, daß der letzte der drei Kome- eyn wunder, nutzlich bricht und eyn ser starcken 22 Vgl. WA, Werke, 23, Weimar 1901, S. 7-12. ten, den Fracastoro sich rühmt,1533 beobachtet stoßen wider die gantze eysern mann der Vgl. mein Fine del mondo, S. 297, Anm.17. zu haben, laut Pingre nicht mit den Daten der Babstumb so noch einiger vor handen. Und bevor anderen Wissenschaftler übereinstimmt, da er wider die Babstische weyhe und die Winkel- wahrscheinlich mit dem im Vorjahr durchge- messen“. Bildnachweis: zogenen Halleyschen Kometen verwechselt wur- 16 Vgl. WA, Briefwechsel, VI, Weimar 1935, S. de. Die Ungenauigkeit könnte vielleicht dadurch 380-381, N. 1969, Luther an Gerhard Wis- Weissagung Johannis Lichtembergers. unterricht erklärt werden, daß Fracastoro in diesem Werk kamp, aus Wittenberg am 19. Oktober 1538: Doctor Martini Luthers, Wittenberg bei Hans Lufft die Noten oder Aufzeichnungen des Giambattista "Cometes et apud nos visitur in oriente de mane. 1527 - Archiv der Lutherhalle Wittenberg della Torre benutzt, wie er selbst (ibidem, S. 5) Sed nolite timere a signis caeli, quae gentibus im an den Bischof von Verona, Matteo Giberti, tantum sunt metuenda; oremus pro invicem ut gerichteten Vorwort angibt. Vgl. E. Peruzzi, Note salvemus“. Die Anmerkungen des Herausgebers e ricerche sugli ‘Omocentrica’ di Girolamo verweisen auf Nikolaus Prugner und auf die be- Fracastoro, in „Rinascimento", II serie, XXV, kannten Astrologen Carion und Virdung. 1985, S. 247-268, besonders S. 249. 17 Jacobus Milichius, Liber II Caii Plinii de mundi 13 C. Lycosthenes, Prodigiorum et ostentorum historia cum commentariis, Frankfurt a.M. chronicon, Bl. 549r. Von A.P. Gassarus (vgl. 1543, Bl. 94v-95r; zum Teil von Stanislaus zu diesem NDB, VI, S. 79-80 und die dort zitierte de Lubienietz, Theatrum cometicum pars Bibliographie) siehe Annales augstburgenses, posterior, sive historia cometarum a Diluvio ad in J.B. Menckenius, Rerum germanicarum A.C.1665, Amsterdam 1667, S. 340, zitiert scriptores, I, S. 1796: "Sub medium dein Junium und astrologisch erklärt. Es ist bemerkenswert, Anm. d. Hrsg.: [1533] coepit denuo longus cometa adparere, daß Milichius in seinem Kommentar zu Plinius fulsitque vesperi in medium Augustum". Sie- (zehn Jahre nach dem Auftreten der drei Ko- Dieser Text ist Teil eines erstmalig im Jahrbuch / he außerdem E. Nausea, Libri mirabilium meten gedruckt, aber er schrieb "praesenti anno" Annali dell’Istituto Storico italo-germanico (Trient), septem, Coloniae 1532, das ganze L. VI, und 1541, siehe Bl. 71r), die Auswirkung der Ka- XX, Bologna 1994 unter dem Titel „Der Himmel über insbesondere über den Halleyschen Kometen Bl. tastrophe als noch nicht erschöpft betrachte- Wittenberg: Luther, Melanchthon und anderer Be- LIVr: „Super huius anni post Christum natum te. obachter von Kometen“ erschienenen Artikels. 1531 et quolibet alio cometa"; Bl. LVIIr: "De 18 WA, Tischreden 3, 3711, zitiert bei K. Lämmel, Frau Prof Paola Zambelli ist tätig an der Universita nominibus et effectibus cometae". Luthers Verhältnis zu Astronomie und Astro- Degli Studi di Firenze, Dipartimento di Filosofia. 58

FELIX STRAUBINGER Astrologie und Christentum in der Renaissance

Während etwa der ersten rund fünf Jahr- entwickelte sich die junge christliche Kirche Verkündigungsauftrag in der Welt (Matth. hunderte nach Christus, also der Zeit der durch die intensive Auseinandersetzung 28,19-20), anderseits aber auch mit dem griechischen und lateinischen Kirchenväter, einerseits mit der Bedeutung des Ereignis- genannten hellenistischen Synkretismus, sowie der großen Konzilien von Nicaea ses Jesus Christus für sie selber und mit in welchem das ganze kulturelle, beson- (325), Ephesos (431) und Chalcedon (451), dem daraus sich ergebenden kirchlichen ders religiöse und philosophische Erbe der Antike, zu dem eben auch die Astrologie gehörte, zusammengeflossen war. Diese er- sten Jahrhunderte waren für die christli- che Kirche eine Zeit der notwendigen Selbstbehauptung, und angesichts der Be- sonderheit und Einmaligkeit ihrer Botschaft war ihre Reaktion auf das geistesgeschicht- liche Erbe der Antike anfänglich überwie- gend defensiv und ablehnend.

Diese Ablehnung gegenüber allem „Heid- nischen" überdauerte die nächsten rund 300 Jahre. Im 8. Jhdt. n. Chr., zur Zeit der Karolinger, begann aber in Mitteleuropa eine neue geistige Regsamkeit, und das In- teresse am kulturellen Erbe der Antike konnte erwachen, da der Islam dieses über Spanien hinweg vermittelte. Zentren dieser neuen geistigen Regsamkeit wurden die Klöster und Abteien, wo fortan griechi- sche Philosophie (Platon, Aristoteles), Stoi- zismus und Neuplatonismus studiert wurde. Astronomisches und astrologisches Wis- sen vermittelte, abgesehen von den phi- losophischen Texten, in Spanien erhält- liche arabische Literatur, und in den Lern- zentren waren Mönche und Priester mit der Übersetzung der Dokumente vom Ara- bischen oder Griechischen ins Lateinische beschäftigt. Diese viel fruchtbarere Aus- einandersetzung mit dem vormals abge- lehnten „heidnischen" Erbe der Antike schuf die Voraussetzungen für das, was dann in der Scholastik des frühen Mittel- alters in Sachen Astrologie und Christen- tum erreicht wurde. Die scholastischen Disputationen waren zunächst, was die Astrologie betraf, sehr schwierig, denn sie ließ sich mit zen- tralen Themen der christlichen Lehre, wie beispielsweise der Allmacht des einen Got- tes, der göttlichen Prädestination oder der menschlichen Willensfreiheit, nicht ver- einbaren. Vor allem waren die Theologen Abb. 1: Papstes Leo X. mit der grundsätzlichen Frage beschäftigt, Astrologie und Christentum in der Renaissance 59 wer denn nun über die Welt und die Men- schen herrschen würde, Gott oder die Pla- neten. Die Astrologie, in ihren babyloni- schen Wurzeln und auch unter dem Ein- fluss der Philosophie Platons eine poli- theistische Astralreligion, traf zusammen mit dem Monotheismus der jüdisch-christ- lichen Religiosität. Es war schließlich der große scholastische Theologe Thomas von Aquin (1227-1274), der vom aristoteli- schen, monotheistischen Gottesverständnis her die Astrologie verstehen, und sie dann für die katholische Kirche annehmbar machen konnte. Durch die integrierende Auseinandersetzung mit der Astrologie in seinem Hauptwerk, der „Summa Theolo- gica", schuf Thomas ein kosmotheolo- gisches Lehrsystem. Darin war, ganz im aristotelischen Sinn, der eine Gott die „erste Ursache" oder „prima causa" aller Schöp- fung, und von ihm geschaffen waren die „sekundären Ursachen", zu denen u.a. die Planeten gehörten. Und diesen gab Gott die Herrschaft über die physische, mate- rielle Welt. Insofern als der Mensch einen Körper hat, ist er nach Thomas positiven und negativen planetaren Einflüssen aus- gesetzt. In seiner wahren Natur als unsterb- liche Geistseele aber untersteht er allein der Herrschaft Gottes und ist deshalb auch in der Lage, die planetaren Einflüsse zu meistern. In der Astrologie selber mach- te Thomas die strenge Unterscheidung zwischen „erlaubter" und „verbotener" Astrologie. Die „erlaubte" hieß auch „na- türliche" Astrologie und umfaßte mundane, medizinische, landwirtschaftliche und me- teorologische Bereiche und war dazu be- stimmt, dem Menschen bei der Erforschung und beim Verstehen der physischen Welt behilflich zu sein. „Verboten" und somit auch sündhaft aber war Astrologie dann, wenn sie sich über die Allmacht und All- Abb. 2: Papst Gregor XIII. wissenheit Gottes hinwegsetzte, die Leh- ren der Kirche mißachtete, Wahrsagerei dem Christentum begegnende Astrologie Antike und ihrer Kultur, dh. ihren geisti- betrieb und den Menschen fatalistisch die war nicht mehr primär „heidnisch", son- gen Werten und Idealen, ihren Philosophien Zukunft voraussagte. Nach Thomas obliegt dern ein erstes Mal theologisch durch- und Religionsformen, ihrer Literatur und es Gott allein, die Zukunft zu kennen, nicht reflektiert und damit kirchlich anerkannt. Kunst, ihrem Welt- und Menschenbild. All aber dem Menschen. Darum zählte er zur Angesichts der Machtstellung der Kirche das war Inhalt der sogen. „humanistischen „verbotenen" Astrologie vor allem die trug diese Anerkennung wesentlich bei zu Bildung" eines freien, fortschrittlichen und Geburtshoroskopie. der nun folgenden großen Popularität der autonomen Menschen, die sich nun aber Im Blick auf die Begegnung von Astrologie im 15. und 16. Jahrhundert, die nicht mehr als Gegensatz zu den christ- Astrologie und Christentum in der folgen- derjenigen zur Zeit des alten Rom (Hel- lichen Bildungsinhalten verstand, sondern den Zeit von Renaissance und Humanis- lenismus) im Grunde sehr ähnlich war. sich mit diesen vielmehr zu verbinden mus, Reformation und Gegenreformation, Dann aber war diese Popularität vorallem trachtete. Da die Astrologie wesentlicher ist die vorgängige, spezifisch theologische auf das zurück zu führen, worum es in Re- Bestandteil des antiken Bildungsgutes war, Auseinandersetzung mit der Astrologie in naissance und Humanismus wesentlich ist somit einleuchtend, daß Renaissance der Scholastik sehr wichtig, denn die nun ging, nämlich eine erneute Zuwendung zur und Humanismus, von ihrem Wesen her 60 Felix Straubinger gesehen, für eine erneute Blütezeit der der Astrologie, die auch während der astro- suchte man zwar seit Thomas von Aquin Astrologie sehr fruchtbaren Boden schaffen logischen Hochkonjunktur im alten Rom mit dem Christlichen zu verbinden, und konnten. zu verzeichnen ist, war dann aber einer noch zu Beginn des l7. Jhdts. gab der letzte So kam es zu der für die Renaissance der Hauptgründe, weshalb sowohl die große Renaissance-Astrologe William Lilly charakteristischen Populärastrologie, die Päpste der Gegenreformation (z.B. Pius in England seinem Hauptwerk den Titel sich durch eine rege und vielseitige prak- V.1566-1572, oder Gregor XIII.1572-1585 „Christian Astrology“. Aber wie oben fest- tische Tätigkeit der Astrologen auszeich- - der Papst der Kalenderreform) als auch gestellt, degenerierte die Astrologie im Lau- nete. Sie stellten eine gesellschaftliche Elite die Reformatoren - unter ihnen vor allem fe der Renaissance dennoch zu fatalisti- dar und galten als Leute, die tiefen Ein- Martin Luther - die Astrologie ablehnten. scher und deterministischer Wahrsagerei, blick in die Lebensprozesse, in Verände- Deshalb ist nach der in der Scholastik er- weil man sich von den thomistischen Prin- rungen und vorallem zukünftige Entwick- zielten „thomistischen Lösung" die Ent- zipien immer mehr entfernte. Und eine lungen hatten. Deshalb wurden sie weit wicklung der Astrologie, und damit auch Astrologie, nach welcher also das mensch- herum konsultiert und wirkten wie in den ihrer Beziehung zum Christentum, wäh- liche Leben und Schicksal von den Pla- Tagen des alten Rom als Berater, Diplo- rend der Renaissance zu bedauern. Die neten abhängig war und gelenkt wurde, maten, Botschafter in öffentlichen, poli- trotzdem zu jener Zeit auch zu verzeich- konnte mit reformatorischem Gedankengut tischen Funktionen, im Dienst von Königen nenden positiven Erscheinungsformen der niemals vereinbar sein. Deshalb konnte für und Personen von gesellschaftlichem Rang Astrologie sollen durch diese Feststellung Martin Luther im Lichte seiner zentralen und Ansehen. allerdings gewiß nicht abgewertet werden. reformatorischen Erkenntnis, nämlich der So sehr hatte die katholische Kirche Generell gesehen bewirkte die erneu- Gerechtsprechung des Menschen allein aus seit der Scholastik die Astrologie anerkannt te Zuwendung zu den philosophischen und Glauben (Römer l,16- I 7), weder die Astro- und integriert, daß nun während der Zeit religiösen Richtungen der Antike während logie, noch überhaupt die geistige Welt der der Renaissance sogar die Päpste Astro- der Renaissance eine sehr komplexe, un- Antike von Bedeutung sein, denn diese logen in ihre persönlichen Dienste berie- einheitliche Religiosität, abermals eigent- Erkenntnis führte für ihn weit über all das fen und sich von ihnen beraten ließen. Kir- lich einen Synkretismus, wie schon im Hel- hinaus. Anders hingegen sein Mit- chengeschichtlich erscheinen aber diese lenismus am Ende der Antike. Da war bei- reformator und Freund Philipp Melanch- sogen. „Renaissance-Päpste" in einem spielsweise das Epikureertum (in seiner thon, der als „Grenzgänger" gesehen wer- zwiespältigen Licht: Denn einerseits för- weltlichen und vergeistigten Form), die den kann: Als Humanist und Wissenschaft- derten sie Literatur und Kunst, wie bei- stoische Philosophie, oder vor allem der ler der Astrologie gegenüber offen, konnte spielsweise der erste Renaissance-Papst, Neuplatonismus, und in diesem integriert er beispielsweise in seiner Vorrede zu Nikolaus V. (1447-1455), der die Vatika- alte orientalische Geheimlehren wie die Ptolemäus' „Tetrabiblos" sagen: "Denn nische Bibliothek gründete; oder Julius II. Kabbalah, die hermetische Philosophie, dieses eine steht fest: Wertvoll und wahr- (1503-1513), der das V. Oekumenische La- oder die Schriften eines Dionysus Areo- haftig ist die Wissenschaft der Astrologie, terankonzil (1512-1517) eröffnete und sich pagita. Alle diese geistigen Inhalte versuch- eine Krone ist sie des Menschengeschlech- große Verdienste um die Kunst erwarb. te man zwar dieses Mal mit den christli- tes, und ihre ganze ehrwürdige Weisheit Anderseits aber war es eine Zeit der Ver- chen zu verbinden, was teilweise auch ein Zeugnis Gottes.“ weltlichung des Papsttums; diese Päpste gelang; man denke nur an die Gemein- betrieben egoistische Machtpolitik und ver- samkeiten von stoischer und christlicher fielen sowohl der materialistischen Genuß- Ethik. Dennoch aber wirkte der Synkre- Abbildungsnachweis: sucht als auch der Unmoral und Unsitt- tismus auch wieder relativierend und 1 Hulsen, Friedrich von: Bildnis des Papstes Leo lichkeit. Beispiel dafür ist etwa Leo X. (1513 auflösend auf das spezifisch Christliche. X. (1601/1633) Germanisches National- -1521), dem 1520 sein Astrologe Domi- Diesem am nächsten stand zwar noch der museum Nürnberg, Graphische Sammlung, nicus Maria Castaneolus voraussagte, er Neuplatonismus mit seinem Ziel der Ver- 2 op.cit: Bildnis des Papstes Gregor XIII. werde über alle Feinde triumphieren, viel geistigung und Wiedervereinigung des Gold zusammentragen und seine Herr- Menschen mit Gott, aber es brauchte dazu schaft klug erweitern. Dieser Papst soll keinen Vermittler, weil der Mensch sich ungeistlich und genußliebend gewesen in seiner Freiheit selber für oder gegen die- sein. ses Ziel entscheiden konnte. Gerade die- Gerade diese Negativbilanz der Re- se Vermittlung, diese durch Jesus Christus naissance-Päpste führt aber in Bezug auf möglich gewordene Versöhnung des Men- die Thematik dieses Artikels zur wichti- schen mit Gott, war aber der Kern refor- gen Feststellung, daß was in der Schola- matorischer Erkenntnis, die sich deshalb stik Thomas von Aquin noch als „verbo- von aller Sympathie mit den antiken In- Anm. d. Hrsg.: tene", sündhafte Astrologie bezeichnet halten scharf abgrenzen mußte. Felix M. Straubinger D.F.Astrol.S. ist Theologe und hatte, nun in der Renaissance allen Ver- Und das galt auch für die Astrolo- diplomierter Astrologe der britischen Faculity of Astrological Studies, leitet eine eigene Schule und boten zum Trotz weiterhin praktiziert wur- gie, die im Laufe ihrer langen Geschich- Beratungspraxis in Basel. Sein 1993 in Basel de. Und dies betraf aber nicht nur die in te, vor allem durch den Einfluss der stoi- herausgegebens Buch "Du sollst keine anderen Götter päpstlichem Dienst stehenden Astrologen, schen Philosophie, diese antiken Inhalte neben mir haben; die heutige Astrologie nimmt sondern auch alle anderen.Diese Dekadenz in sich aufgenommen hatte. Auch sie ver- Stellung" ist direkt beim Autor erhältlich: CH-4054 Basel, Altkircherstrasse 17. 61

KRZYSZTOF POMIAN Astrologie als naturalistische Theologie der Geschichte111

In einem Artikel, der vor fast einem Jahr- himmlische Ereignisse durch irdische ver- ge Identifikation mit der universellen Natur hundert geschrieben wurde, aber immer ursacht werden. Um ihr Tun zu verstehen, rechtfertigt.7 noch anregend ist, beharrt von Bezold auf müsse man ihrer Kräfte mit Hilfe der na- (2) In menschlichen Wesen wirken der Relevanz von Astrologie in der mit- türlichen Wissenschaften kundig werden.5 die durch himmlische Körper bedingten telalterlichen Geschichtsdarstellung und Zwischen diesen beiden Polen gab es ein Einflüsse nicht nur auf körperliche Zeichen veranschaulichte dies durch eine Reihe von komplettes Spektrum von dazwischenlie- und rein körperliche Aktivitäten, sondern Beispielen.2 In jüngster Zeit konzentrier- genden Positionen, die sich bemühten, auch, selbst wenn nur indirekt und per ac- te sich Gregory auf den Gegensatz von Augustinus mit Aristoteles, Theologie mit cidens, auf den Intellekt und den Willen. astrologischen und christlichen Zeit- Physik und Astronomie, Signifikanz mit Solch eine Position des Aquinaten4 ist die konzepten und in seiner Konsequenz auf Kausalität, Prophezeihung mit Voraussage schwächste, die gerade noch kompatibel die Vorstellung von Geschichte im späten zu versöhnen oder zu vereinen. Den größ- mit dem Anerkennen der Gültigkeit von Mittelalter.3 Meine Absicht ist im folgenden ten Einfluß unter ihnen hatte diejenige von Astrologie ist, denn wenn man himmli- ist, näher und systematischer Lösungen zu Aquin.6 schen Körpern jeglichen Einfluß auf den betrachten, die die Astrologie zu solchen menschlichen Intellekt und Willen ab- Problemen bietet wie jenen der Einzigar- Während einem das Zulassen himmlischer spricht, verneint man die allermeisten Ein- tigkeit menschlicher Geschichte, des Un- Kausalzusammenhänge ermöglicht, die Zy- flüsse auf die Geschichte abgesehen von terschiedes zwischen Welt- und Partikular- denen, die sich direkt zeigen durch Krank- geschichte, jenen der Periodizität, der heiten, Plagen, Hungersnöte, Überschwem- Beziehung zwischen räumlicher und zeit- mungen, Erdbeben, Unwetter usw. Da licher Dimensionen von Geschichte etc. diese Position mit den christlichen Mit anderen Worten, meine Absicht Dogmen weitgehend übereinstimmt, ist es, zu zeigen, daß Astrologie eine scheint sie seit den letzten Dekaden zusammenhängende Zeitphilo- des dreizehnten Jahrhunderts von sophie war, und spezieller noch: zahlreichen westlichen Praktikern eine naturalistische Theologie der oder Gläubigen der Astrologie Geschichte im Gegensatz zu und übernommen worden zu sein. Es logischerweise inkompatibel mit gab aber auch Anhänger von viel ihren theozentrischen Varianten. radikaleren Positionen, wie sie Bis zum 16. Jahrhundert von früheren und arabischen hinein wurde von jedermann ganz Schriftstellern ausgedrückt wurden, selbstverständlich die Existenz ei- und denen zufolge alle menschli- ner Verbindung zwischen himmli- chen Handlungen einschließlich je- schen und irdischen Körper und zwi- ner durch Intellekt und Willen gesteu- schen himmlischen und irdischen Ereig- erten durch himmlische Einflüsse positiv nissen eingeräumt. Aber bezüglich der gesteuert sind. Dies bedeutet, daß man nicht Natur dieser Verbindung gab es keine Über- klen des Entstehens und Vergehens durch dazu neigt, in irgendeine Richtung zu han- einstimmung. Die damaligen Anhänger des periodische Bewegungen von Himmels- deln, was einem die Freiheit läßt, auch eine Augustinus betrachteten himmlische Er- körpern zu erklären, reicht dies nicht aus, andere zu wählen, sondern daß man not- eignisse als Zeichen für irdische. Die er- um eine Reihe historischer Ereignisse ver- wendigerweise in einer bestimmten Weise steren kündigen die letzteren an, weil Gott ständlich wiederzugeben. Wenn man eine handeln muß, sich der Wille der Bewegung auf sie die Bedeutung überträgt. Und diese astrale Chronosophie entwickeln möch- himmlischer Körper fügt und von ihnen Bedeutung könnte nur von jenen wirklich te, die letztlich effektiv angewendet werden abhängig ist.9 verstanden werden, die in den Himmel kann, muß man drei ergänzende Annah- (3) Verschiedene Himmelskörpern ha- schauen, geführt von göttlich inspirierten men einführen. ben verschiedene Qualitäten10, üben ver- Schriften. Solch einem mit besonderer Vi- (1) Die ursächliche Handlung von schiedene Einflüsse aus und sind mit ver- talität von Wilhelm von Auvergne4 ver- Himmelskörpern wird auf alle unbeleb- schiedenen Individuen, Menschen, Insti- tretenen Standpunkt setzten die Aristote- ten und belebten Wesen bezogen, ein- tutionen usw. verbunden. Jedes himmli- liker ihre Überzeugung entgegen, daß schließlich der Menschen. Himmlische sche Ereignis ist deshalb ein einzigartige Kausalität wird deshalb definiert als all- Kombination von Eigenschaften und Ein- Abb. 1: Christus in Evangelistenzeichen umfassende Ausdehnung, die ihre häufi- flüssen, und als solches macht es den ei- 62 Krzysztof Pomian

Dreieck Beziehungen ziell, verbinden sie mit den speziellen Qua- zum gleichen Ele- litäten eines Himmelskörpers (oder himm- ment, hat eine Affi- lischer Körper), von denen sie regiert wer- nität zu einem Teil den. So wie jede große Zelle kleinere und der bewohnten Welt. kleinste umgibt, so wird der generelle Ein- Darauf läßt sich die fluß von himmlischen Körpern moduliert spätere Einteilung in und modifiziert von bestimmten Um- vier Regionen oder ständen ihres Auftauchens und der Relation Gegenden, regiert zwischen einem von ihnen und allen an- von verschieden ge- deren. Infolge einer enormen Vielfalt von koppelten Planeten örtlichen Determinationen wird die eine und eingeteilt in Kö- enorme Vielfalt in der äußeren Erschei- nigreiche, Provinzen nung von Menschen, von kollektiven und und Städte ver- individuellen Temperamenten, von Ge- bunden mit einzel- bräuchen, Institutionen und Bedingungen nen Tierkreiszeichen usw. usf. verständlich. Für die Astrologie oder ihren Teilen und sind jene örtlichen Zuordnungen von grö- Abb. 2: Ptolemäus mit verschiedenen ßerer Bedeutung als der gemeinsame Ur- Planeten zurückfüh- sprung aller Menschen, weil die Bestim- genartigen Charakter irdischer Ereignis- ren.14 Die Idee von Albumasar ist in die- mung von Individuen und die Geschich- se aus und wird als deren Ursache betrach- ser Sache viel komplexer und scheint nicht te von Menschen prinzipiell von ihnen ab- tet. Ein Sterndeuter, der weiß, welche folgerichtig zu sein.15 Einst unterschied er hängig sind. Die sichtbare Vielfalt von himmlischen Ereignisse in der Zukunft vier Teile der Welt, welche mit vier Ele- Menschen ist deshalb kein überwiegend stattfinden und wann, ist infolgedessen in menten und vier zodiakalen Dreiecken kor- empirischer Faktor. Sie folgt notwendiger- der Lage, die irdischen Ereignisse voraus- respondierten. Dann unterscheidet er vier weise aus der qualitativen Vielfalt himm- zusagen, die notwendigerweise dann fol- Königreiche, erzeugt durch die Projekti- lischer Körper. Sie erwirbt Vernunft und gen, mit anderen Worten ein Horoskop auf on auf die Eroberfläche durch die Teilung Würde. ein Individuum, eine Dynastie, eine Stadt von zodiakalen Zeichen in genauso viel Solch eine Insistenz auf die mensch- etc. zu erstellen. Auch eröffnet das Wis- Triplizitäten. Später ruft er die Untertei- liche Vielfalt steht einer Anwendung der sen um vergangene irdische Ereignisse die lung in sieben Klimata hervor, deren jede Astrologie auf die Geschichte so lange nicht Möglichkeit, ihre himmlischen Gründe zu einem Planeten untergeordnet ist und zu im Wege, wie es sich um die Geschichte identifizieren und darauf historische Ho- den zodiakalen Zeichen, betrachtet als eines Landes handelt, einer Stadt, einer roskope zu erstellen.11 Die Beschreibung deren Häuser. Und Albumasar entwickelt Dynastie oder eines individuellen Herr- von Qualitäten himmlischer Körper, des ferner eine Palette von Korrespondenzen schers, mit einem Wort: so lange es lokale Ausmaßes an Einfluß jedes einzelnen von zwischen zodiakalen Zeichen und Ländern, Geschichte ist. Aber wie steht es mit der ihnen, der Besonderheiten verschiedener Provinzen und Plätzen, charakterisiert Weltgeschichte unter Einbeziehung aus- Ereignisse, die am Himmel geschehen und durch einige physikalische Besonderhei- schließlich jener Ereignisse, die das Schick- deren vermuteten terrestrischen Wirkungen ten, und zwischen zodiakalen Zeichen, Pla- sal der Menschheit in ihrer Gesamtheit be- machte den größten Teil der astrologischen neten und Sternen einerseits und Ländern stimmen? Ist der Begriff der Menschheit Bücher aus, wie man leicht feststellen kann andererseits.16 als Ganzes vereinbar mit dem astrologi- beim Überschlagen der Seiten des Unsere zwei Autoren Tetrabiblos von Ptolemäus12 oder des De divergieren in mehreren magnis coniunctionibus von Albumasar wichtigen Punkten, und das (Abu Ma'shar)13, zwei Exemplare astrolo- gleiche gilt wohl für jedes zu- gischer Literatur, auf die im Laufe des Mit- fällig gewählte Paar von telalters am häufigsten zurückgegriffen Astrologen. Trotzalledem wurde. wenden sie die selben Grund- sätze an. Sie teilen den irdi- Die unmittelbare Konsequenz aus diesen schen Raum in qualitativ un- drei Annahmen ist, daß eine astrologische terschiedliche Zellen auf, die Anthropologie in der menschlichen Vielfalt eine Hierarchie zunehmender nicht nur eine empirische und infolgedes- Größe bilden, beginnen mit sen nebensächliche Tatsache erblickt, son- von kleinen Gruppen (Städ- dern auch, oder ziemlich hauptsächlich, ten, Ländern) besetzten eine sichtbare Wirkung auf die essentielle, Raumeinheiten bis hin zu vier qualitative Vielfalt von Himmelskörpers Regionen, Klimata oder Kö- selbst. So hat gemäß Ptolemäus jedes aus nigreichen. Und sie erklären zodiakalen Zeichen zusammengesetztes die Qualitäten jeder Zelle spe- Abb. 3: Albumasar Astrologie als naturalistische Theologie der Geschichte 63 schen Gesichtspunkt? Es gibt hier offen- Saturn und Jupiter reserviert ist, zweier die alle 20 Jahre vorkommen; alle 30 Jahre sichtlich ein Problem. Die erste Antwort Planeten, die in der Astronomie der Al- sind die beiden Planeten in Opposition.22 hierzu ist die Idee eines Weltenjahres, tertums und Mittelalters als die am wei- Der erste Vorteil dieses Systems liegt in entsprechend dem „das Universum zyklisch testen von der Erde entfernten und des- der Nähe der 960-Jahres-Periode zum Jahr- aufgebaut und zerstört wird, und die suc- halb als die ältesten angesehen wurden, tausend, was den Weg für Versuche zur zessiven Kataklysmen mit einer großen ersterer älter als letzterer, und einen gro- Harmonisierung dieser beiden historischen Konjunktion aller Planeten auf Null Grad ßen Einfluß auf menschliche Angelegen- Zeiten eröffnet. Der zweite ist seine gro- der Ekliptik koinzidieren“17, d.h. auf 0° heiten ausübend. Da Saturn eine Periode ße Kompatibilität mit der Idee des Welten- Widder. Zusammen mit der Annahme von von ungefähr 30 Jahren hat und die des jahres und, obgleich nicht so leicht, mit positiven und notwendigen Determinatio- Jupiter nahezu 12 Jahre, erscheinen ihre der theozentrischen Geschichtstheologie. nen irdischer Ereignisse durch ihre himm- Konjunktionen nahezu alle 20 Jahre, Und der dritte ist seine Fähigkeit, eine lischen Ursachen führt diese Idee eines während alle 30 Jahre diese beiden Pla- Rahmen zu bilden, in den historische Er- Weltenjahres zu einem Glauben, daß nach neten einander gegenüberstehen, d.h. sich eignisse konform mit ihrer Bedeutung ge- bestimmten Perioden, deren Länge von auf maximaler Distanz zueinander befin- liefert werden können, und der, was das verschiedenen Astrologen unterschiedlich den. Wenn die erste Konjunktion am Start- explizite Erbringen verborgener Wieder- definiert wird, alle himmlischen und dem- punkt der Ekliptik angesiedelt ist, werden holung-Regulative in der Geschichte er- zufolge alle irdischen Ereignisse sich wie- möglicht, eine bloße Sequenz von Ereig- derholen werden, und dann, nach dem nissen in ein verständliches Muster über- selben Intervall, sich noch einmal trägt. wiederholen werden, und so wei- Nun sind Saturn und Jupiter ter ad infinitum. Wer auch im- gemeinschaftlich mitverantwort- mer sich der Annahme von lich für Religion, Prophezeiung, positiven und notwendi- Kaiserreiche, Königreiche, gerweise astralen Deter- Dynastien.23 Eine universel- minationen irdischer Er- le Geschichte, unterstrichen eignisse nicht ver- durch ihre Konjunktion, pflichtet fühlt, ist nicht erlangt somit einen ge- logischerweise ge- wissen Gehalt. Es ist zwungen, solch ein Bild hauptsächlich die Ge- von streng kreisförmi- schichte der Veränderung ger Geschichte anzu- religiöser Überzeugungen, nehmen, die von Aristo- von Aufstieg und Fall von teles18 als sinnwidrig ab- Reichen, Menschen Dyna- qualifiziert und von St. Au- stien, von gewonnenen und gustinus19 verdammt wur- verlorenen Schlachten. Und es de. Aber es reicht aus, an ein ist zweitrangig wegen des Einflus- Weltenjahr zu glauben, um die ses auf andere himmlische Körper, Einzigartigkeit unserer gegen- der Geschichte natürlicher Katastro- wärtigen Geschichte abzustreiten, weil phen: Seuchen, Hungersnöte, Flutkatastro- sie vorbestimmt wäre und gefolgt von un- phen usw. Ein gutes Beispiel solch einer zähligen anderen Geschichten, auch wenn mehrere folgende Konjunktionen im sel- Geschichte ist das Buch von Masha’allah jene mit anderen Ereignissen angefüllt wä- ben Dreieck von Widder, Löwe und Schüt- mit dem programmatischen Namen „Über ren, ungleich denen unserer Vergangen- ze, dem Feuertrigon stattfinden. Aber auf Konjunktionen, Religionen und Men- heit, unserer Gegenwart und unserer Zu- Grund der langsamen Abweichung der schen“, ein Fragment, welches eingebet- kunft. Es ist schwer zu sagen, ob diese Dok- Orte, an denen die Konjunktionen auftritt, tet in die Arbeit eines anderen Astrolo- trinen der unendlichen Wiederholung glei- bewegen sich diese ungefähr alle 240 Jahre gen überlebte. Es umfaßt das Intervall von cher Geschichte und damit der geschicht- in ein anderes Trigon: von Feuer zu Erde, der Sintflut bis zu den Zeiten des Autors lichen Multiplizität von westlichen Phi- dann zu Luft, dann zu Wasser. Die Wie- und teilt die Jahrtausende unter die Herr- losophen und Astrologen effektiv akzep- derkehr zum Ausgangspunkt geschieht je- schaft von Planeten und in von Großen tiert wurden. Aber es ist in ausreichendem weils nach 960 Jahren.21 Konjunktionen Saturns und Jupiters ein- Maße bekannt, daß sie verdammt wurden.20 geteilten Perioden. Weitaus interessanter und nützlicher Wir haben somit nicht nur eine generel- Die hauptsächlichen Ereignisse, für für einen Studenten der Geschichte ist die le Hierarchie himmlischer Einflüsse, son- die Masha’allah Horoskope erstellte, sind: zweite Lösung des Problems universeller dern auch im speziellen eine Hierarchie die Hinweise auf die Sintflut, die die Sintflut Geschichte in einem astrologischen Rah- von Saturn-Jupiter-Konjunktionen mit den selbst anzeigende Konjunktion, die Kon- men. Sie besteht in der Einrichtung einer alle 960 Jahre auftretenden großen Kon- junktion für die Geburt Christi, die Anzei- Hierarchie von himmlischen Ereignissen, junktionen, alle 240 Jahre auftretenden an deren Spitze für Konjunktionen von kleinen Konjunktionen und den kleinen, Abb. 4: Zyklus großer Konjunktionen 64 Krzysztof Pomian chen für das Aufkommen des Islams, die der Erschaffung des ersten Menschen oder des Iatromathematikers und Astronomen Jo- Konjunktion für die Geburt des Prophe- mit der Sintflut. Dadurch wurde viel wich- hannes Engel (vor 1472-1512)“, Sudhoffs Ar- chiv, Band 67, Heft 2 (1983) pp.129-144. ten, die den Fall der Sassaniden und den tiger als diese wirbelnden Berechnungen, Aufstieg der Araber anzeigende Konjunk- welche große Bedeutung Astrologen der 14 Ptolemy, Tetrabiblos, II, 3. tion, die Konjunktion für den Aufstieg der Bestimmung von Längenintervallen ga- 15 Dies wurde von Pierre d’Ailly notiert, Tractatus de Legibus et Sectis contra superstitiosos ‘Abbasiden und die Indikatoren für den Be- ben, die die himmlischen Ereignisse ein- Astronomos [...], c.IV in: Johannis Gersonii ginn des Kalifats von al-Ma’mun. teilen, was einen großen Einfluß auf die Opera omnia (Antwerp, 1706), t.I, col. 785 A. Praxis der Chronosophie hatte. 16 Albumasar, De magnis coniunctionibus, tract. All diese himmlischen und irdischen Er- I, dif. II; tract. IV in fine (nach dif. XI eignisse, verbunden durch kausale Wir- 17 E. S. Kennedy, The world year concept in islamic kungen, gehören zu der universalen Ge- Anmerkungen: astrology (1962) in: E. S. Kennedy et al., Studies in the Islamic Exact Sciences, (Beirut,1983), schichte und liefern als solche einen al- 1 Bezüglich weiterer Details und Referenzen siehe: S. 351-371. K. Pomian, L’Ordre du temps (Paris, 1984) les umgebenden Rahmen, in den lokale 18 Aristoteles, Problemata, XVII, 3, 916,18-39 Geschichte leicht hineingestellt werden 2 F. von Bezold, „Astrologische Geschichtskon- quoted in: P. Duhem, Le Systeme du monde. kann. Jedes Ereignis in all seinen Details struction im Mittelalters“, Deutsche Zeitschrift Histoire des doctrines cosmologiques de Pla- für Geschichtswissenschaft, VIII (1892), pp. ton à Copernic, t. I, (Paris,1913), S.168-169 scheint in der Geschichte durch astrale 29-72. Determinationen erklärbar zu sein. Folg- 19 St. Augustine, De Civ. Dei, XII,10-20 und cf. 3 Vgl. T. Gregory, <> in: Le temps chrétien de la fin de ris,1978), S. 6-13 und 227-233. Und die Geschichte als ein Ganzes, obwohl l’Antiquité au Moyen Age (IIIe-XIIIe s.) (Pa- ris,1983), S. 557-573. 20 Vgl. diese Thesen 6, 9,10 von Tempier 1277 zwecklos und damit unbedeutsam, ist verdammt 1277: Chartularium Universitati: verständlich durch die Verständlichkeit von 4 Vgl. zum Beispiel Guillelmi de Alvernia De Parisiensis, t.I, S. 544. Universo, la lae, 46 in Idem, Opera omnia (Paris, Saturn-Jupiter-Konjunktionen. Darüber 1674), t.II, col. 658 A-E. 21 Vgl. E. S. Kennedy, op. cit., pp. 358-360. hinaus ermöglicht ihre Verständlichkeit 5 Vgl. eine gute Zusammenfassung von E. Grant, 22 Albumasar, De magnis coniunctionibus, tract. dem Astrologen-Historiker, Ereignisse vor- „Cosmology“ in: D. C. Lindberg, ed., Science I, dif. I; tract. II, dif. III; - Ibn Khaldun, op cit., auszusagen, die nach seinem Tode passie- in the Middle Ages (Chicago-London),1978, S. Kapitel 3, 51, S. 689-692; Pierre d’Ailly, op. cit., c. IV, col. 782 D-786 A. ren werden. Und so endet das Buch von 288-290. 23 Albumasar, De magnis coniunctionibus, tract. Masha’allah mit fünf Horoskopen, die die 6 Vgl. T. Litt, Les corps celestes dans I‘univers de saint Thomas d‘Aquin (Louvain-Paris,1963). 1, dif. IV; tract. Ill, dif. I. zukünftigen Konfigurationen von Him- 24 E. S. Kennedy und D. Pingree, The Astrological melskörpern ankündigen, worauf die Vor- 7 Vgl. R. de Vaux, Notes et textes sur l’avi- cennissme latin aux confins des XIIe - XIIIe History of Mãshã’allãh Cambridge, Mass., 971). aussage von der Unbeständigkeit des Staa- siècles (Paris, 1934), S. 115. - R. Bacon, Liber 25 Vgl. D. Pingree, The Thousands of Abu Ma‘shar tes folgt, von Kriegen, vielen Tötungen und primus Communium Naturalium, S. I, d. 2, c. (London,1968}, speziell die Seiten 27-45. Tod in der östlichen Region, vom Erschei- 2 und S. II, d. 2, c. 7; Opera hactenus inedita, 26 Vgl. E. S. Kennedy, op. cit., Seite 354-358. nen eines Gegenspielers des Sultans in der ed. R. Steele, t. II (Oxford, s.d.), S. 21 und 92. - T. Litt, op. cit. 154-166, wo 15 Texte von selben Region, und später von Tod und Aquin zitiert werden. Krieg unter den Arabern, von der Heu- 8 Vgl. T. Litt, op. cit., S. 200-219 mit 40 Tex- schrecke und der Kälte, und noch später ten von Aquin, und speziell S. 205-207. Bildnachweis von Tod, der sich weit über die Länder von 9 Solch eine Position wurde 1277 durch den Nachträglich vom Herausgeber eingefügt wurde: Persien und Andalusien hinzieht, und von Bischoff von Paris E. Tempier verdammt, vgl. 1 Christus mit den vier Evangelistenzeichen, einer brutalen Schlächterei bei Isfahan und Thesen 74, 110, 112, 132, 133, 143, 161, 162, Nikolaikirche Stralsund. 206 in: H. Denifle und E. Chatelain, ed. seiner Region, usw. usf. Chartularium Universitatis Parisiensis, t. I (Paris 2 Bild des Ptolemäus (wurde im Mittelalter häufig Astrologische Chronosophie kann 1899, S. 547, 549, 551, 552, 555. mit dem gleichnamigen, aber zu einer ganz nicht von Chronologie und Chronometrie anderen Zeit lebenden ägyptischen König ver- 10 T. Litt, op.cit S. 240-241 zeigt, daß diese wechselt - deshalb die Krone) aus der astro- getrennt werden. Folglich führt die Idee Annahme von Aquinaas akzeptiert wurde. Seui nomischen Uhr in der Stralsunder Nikolaikirche. eines Weltenjahres zu komplexen Berech- wurde von Ibn Khaldün ausdrücklich zurück- gewiesen in Discours sur l’histoire universelle 3 Bild des Albumasar aus o.a. Uhr. nung seiner Länge, was durch arabische (Al-Muquddima), Kapitel 6, 31; übersetzt von 4 Johannes Kepler: Epitome astronomiae Autoren, zitiert von indischen und persi- V. Monteil (Paris, 1978), t. III, S. 1188. Copernicae, Linz 1616, Bibliothek des Predi- schen Vorgängern, häufig geschieht. 11 Vgl. D. Pingree., „Historical Horoscopes“, Jour- gerseminars Wittenberg. Manchmal wird das Weltenjahr als eine nal of Americanm Oriental Society, 82 (1962), S. 487-502. Periode von 180.000 Jahren zwischen zwei Anm. d. Hrsg: 12 Vgl. Ptolemy, Tetrabiblos, übersetzt und editiert großen Konjunktionen mit allen Planeten Krzysztof Pomian ist tätig am Centre de Recherches von E. E. Robbins, (London-Cambridge, Mass., bei 0° Widder definiert, wie in dem chro- Historiques U.M.R. 149 der L’Ecole des Hautes Etudes 1964; The Loeb Classical Library). nologischen System von Abu Mashar,25 en Sciences Sociales, 54 Boulevard Raspail, F - 13 Vgl. Albumasar, De magnis coniunctionibus, 75006 Paris manchmal wird die in Betrachtung genom- annorum revolutionibus ac eorum profectionibus Die deutsche Übersetzung einer auf Vorschlag des mene Periode nur auf 36.000 Jahre ver- octo continens traetatus (Augsburg, 1489). Da Autors leicht gekürzten Fassung des Artikels besorgte 26 Johann Engel für diese Edition verantwortlich anschlagt. Aber diese lange, von ara- der Herausgeber Jürgen G.H. Hoppmann. Dieser Text war genauso wie für jene von Pierre d’Ailly, die bischen Astrologen der Welt zugeschrie- erschien erstmals unter dem Titel ‘Astrology as a ich später erwähne, siehe auch E. Knobloch, Naturalistic Theology of History’ in: Zambelli, Paola bene Dauer war in der meisten Zeit erei- „Astrologie als astronomische Ingenieurkunst (Hrg.): Astrologi hallucinati - Stars in the End of gnisleer, ihre Geschichte beginnt erst mit des Hochmittelalters. Zum Leben und Wirken the World in Luther’s Time, Berlin 1986 65

GERHARD VOSS Der Niederaltaicher Horoskopstein

Ein einzigartiges Dokument christlichen fest, daß Papst Leo X. und Kaiser Maxi- Als Datum ist angegeben: 24. Juli 1514. Astrologieverständnisses am Vorabend der milian der Römischen Kirche bzw. dem Der im Horoskop eingezeichneten Position Reformation findet sich am älteren der bei- Römischen Reich vorstanden und Wigileus des Medium Coeli bei JUNGFRAU 13° den Kirchtürme des Benediktinerklosters Bischof von Passau war, als Abt Kilian entspricht als Tageszeit 2h 8’ nachmittags. Niederaltaich an der Donau in Niederbay- Weybeck (1503 - 1534) „den Grundstein Das Horoskop ist in der damals üblichen ern: seine vom Steinmetzen Jörg Amberger dieses Turmes” legte. Darunter befindet sich Weise quadratisch gestaltet, und zwar so, kunstvoll in Salzburger Marmor gehauene, eine Horoskop-Darstellung und darunter daß sich zwischen einem äußeren und gut 2 m hohe und 1 m breite Grundstein- in deutscher Sprache die Notiz, daß da- einem inneren Quadrat zwölf (am Außen- urkunde. Sie hält in lateinischer Sprache mals „also stuenden des Hymels Figurn”. rand bezifferte) Dreiecke für die „Häuser” ergeben. Ihre Position ist genau angege- ben; ohne weitere Angaben sind in sie die Planeten eingefügt. Das innere Quadrat, in dem normalerweise Name und Geburts- zeit des Horoskopeigners notiert sind, zeigt eine Kosmosdarstellung, in der m. E. ein differenziertes Astrologieverständnis zum Ausdruck kommt, das besondere Aufmerk- samkeit verdient. Das Horoskop bezieht sich nicht auf die - schon 731 erfolgte - Gründung des Klosters, sondern lediglich auf die Grund- steinlegung für einen neuen Kirchturm (nachdem der alte Turm 1505 eingestürzt war). Türme sind Wahrzeichen, in denen der Mensch sich selbst zur Darstellung bringt. Kirchtürme sind Zeichen des auf Gott ausgerichteten Menschen. Ein Schlüs- sel zum Verständnis des Steines ist wohl das für die Grundsteinlegung gewählte Datum: Am 24. Juli wurde damals der Vigiltag des Festes des Apostels Jakobus begangen, der im ganzen Mittelalter als Patron pilgernden Unterwegsseins verehrt wurde. Mehrere ihm geweihte Kirchen zeu- gen noch heute davon, daß damals auch unweit von Niederaltaich an der Donau entlang eine der Pilgerstraßen nach Sant- iago de Compostela verlief. Im Jahre 1514 war der 24. Juli ein Montag: ein Mond- Tag. Der Mond ist in der mittelalterlichen Symbolsprache ein Bild des menschlichen Wandels, Bild vor allem der noch pilgern- den Kirche. Offenbar soll das Horoskop den Weg charakterisieren, auf dem sich die klö- sterliche Gemeinschaft von Niederaltaich befindet. Bei der Seitenlänge des Quadrats, in das das Horoskop eingefügt ist, dürfte es sich um das Rastermaß für alle Maße und Proportionen des Turmes handeln. Die Abb. 1: Horoskop am Südturm der Klosterkirche Seitenlänge des wuchtigen Turmes beträgt 66 Gerhard Voss etwa das Zwölffache dieses Maßes. Das läßt Die Kosmosdarstellung im Innern des himmlischen Bereichs”, zu dem der Mönch an „die heilige Stadt Jerusalem” denken, Horoskops zeigt wie in einem Wellenmeer sich aufmacht in der „Waffenrüstung die im Ritus der Grundsteinlegung wie in sieben harmonisch einander zugeordne- Gottes” (vgl. Brief an die Epheser 6,10-17). der Liturgie der Kirchweihfeste immer te Inseln - in ihrer mythischen Siebenzahl Auf der oberen Insel ist ein Mann auf ei- wieder besungen wird (vgl. Offenbarung eine von Gott gewollte und geordnete nem Pferd dargestellt, offenbar ein „Rit- des Johannes 21,14-16). Ganzheit aufgrund ihrer Entsprechung zum ter”, der das Animalisch-Triebhafte bereits Zeitgenössische literarische Quellen, aus Himmel mit der Siebenzahl seiner Planeten. gebändigt hat. „Der weise Mensch steht denen wir etwas über diesen Stein oder Auf sechs der Inseln befinden sich Gebäu- über den Sternen.” Diesen in der christli- auch nur über die Beschäftigung mit der de. Die siebte dürfte das Paradies symbo- chen Astrologie immer wieder zitierten Satz Astrologie im Kloster Niederaltaich erfah- lisieren. Auf der Insel ihr gegenüber ist ein hat Thomas von Aquin3 damit begründet, ren könnten, gibt es nicht. Wohl wissen Eber dargestellt, nach Psalm 80,14 und dem daß es zwar einen Zusammenhang gibt wir von Abt Kilian, daß er einen Kommen- VIII. Buch der Metamorphosen Ovids Sym- zwischen den Himmelskörpern und den tar der Mönchsregel Benedikts ins Deut- bol innerweltlicher feindlicher Kräfte, die menschlichen Leidenschaften - denen die sche übersetzte und von Papst Hadrian VI. das Wohnland verwüsten. Die sieben In- Mehrzahl der Menschen folgt, so daß „die (1522-1523) zum Reformator der Baye- seln sind von einem Kreis umschlossen, Sterndeuter für die Mehrzahl der Fälle rischen Klöster ernannt wurde. Zum Ver- der nach innen und nach außen je 36 Win- Wahres vorhersagen können, besonders ständnis des Steins sind wir auf eine ge- dungen hat, insgesamt also 72. Als der 360. wenn sie sich an allgemeine Aussagen naue Betrachtung und die damalige astro- Teil eines „Platonischen Jahres” gelten 72 halten” - doch „nichts hindert einen Men- logische Literatur angewiesen. Als damals Jahre als ein kosmischer Tag. Zugleich gilt schen, durch freie Selbstbestimmung den verbreitetstes Nachschlagewerk ist beson- 72 in der biblischen Tradition als Gesamt- Leidenschaften zu widerstehen”. ders der 1499 in Ulm erschienene, latei- zahl der Heidenvölker (vgl. Lukasevan- Auf unserem Horoskop stehen die nisch und deutsch verfaßte Almanach von gelium 10,1), als „die ganze Welt” (Beda beiden Männer in der Achse, die durch die Johannes Stöffler zu nennen. Er enthält Venerabilis1), auch als die Zeit des Unter- beiden Mondbahnknoten, die in der Tra- neben den Ephemeriden für die Jahre 1499 wegsseins, die in der Heiligen Schrift durch dition „Drachenkopf” und „Drachen- bis 1531 und den Häusertabellen für 42° drei Tage (= 72 Stunden) angedeutet wird schwanz” heißen, und den „roten” Planeten bis 54° nördlicher Breite auch eine astro- und die Vollendung des menschlichen We- Mars bestimmt ist. Schräg über dem „Dra- logische „erklerung”, wie sie vorher schon ges im Licht der Auferstehung Christi er- chenkopf” steht das Symbol für das Tier- - seit 1489 von Auflage zu Auflage über- scheinen läßt. Die jüdische Kabbala, für kreiszeichen JUNGFRAU, neben ihm der arbeitet - Erhart Ratdolt in Augsburg den die sich in der Zeit der Renaissance auch Mond. Hier haben wir ganz eindeutig ei- Ephemeriden des berühmten Astronomen christliche Theologen interessierten, kennt nen Hinweis auf das in der Offenbarung Johannes Regiomontanus beigegeben hat- 72 Attribute und Kräfte Gottes. Sie um- des Johannes (12. Kapitel) dargestellte „gro- te. Vom Saturn, der sowohl die Abgeschie- schließen - könnte man sagen - die sie- ße Zeichen”: eine Frauengestalt im denheit des Klosters wie auch die Geometrie ben Inseln wie eine schützende Ringmauer. Schmerz des Gebärens neuen Lebens, deren und alles, was mit Messen und Bauen zu Trotzdem ist dieser irdische Kosmos den Kind ein vor ihr stehender „Drache, groß tun hat, symbolisiert, heißt es hier, er sollte heftig blasenden vier Winden ausgesetzt. und feuerrot” verschlingen will. Doch „ihr in einem Sextil (= 60°) zum Mond stehen, Diese kosmischen Kräfte aber sind Kind wurde zu Gott und seinem Thron um „schlossern und thurnen grund von einem Quadrat fest umgrenzt: Alles entrückt”, und der Drache wurde besiegt zemachen, baufellige ding wider zu brin- hat im mittelalterlichen Weltbild gemäß „durch das Blut des Lammes”, durch Chri- gen”. Dieses Sextil ist in unserem Horo- der Ordnung Gottes seinen umgrenzten stus: Die Zahl 13, die die Zwölf-Zahl ir- skop tatsächlich gegeben. Im 1. Haus, in Platz, von ihm nach Maß und Zahl geord- discher Vollendung überschreitet und auf dem Saturn sich in unserem Horoskop be- net. „Nichts steht außerhalb der göttlichen den Drei-Einen Gott hinweist, und das Tier- findet, heißt es von ihm zwar, er „bewegt Ordnung” (Augustinus2). Auf dieser kos- kreiszeichen FISCHE als Symbol für Chri- hartseligkeit in allen seinen anfenngen”, mischen Ordnung basierte in der Antike stus beherrschen die beiden Felder, in denen doch gilt die angegebene Position des As- das Bildungsprogramm der „Freien Kün- sich der Drache aufrichtet. Nicht aus der zendenten bei SKORPION 20° als „glück- ste”, deren Ziel die ethische Vervollkomm- astrologischen Deutung, sondern aus der mehrend”. Durchweg stehen in unserem nung der in jedem Menschen angelegten Botschaft von der Gottesherrschaft er- Horoskop die „Sterne” für ein Benediktiner- Harmonie aufgrund einer Übereinstim- wächst auf dem christlichen Pilgerweg die kloster gut: Im 9. Haus, das nach dem mung mit den kosmischen Gesetzen war. Zuversicht, ans Ziel zu kommen: eine theo- erwähnten Almanach „itinera longa Dieses Bildungsprogramm erfährt in logische Astrologiekritik, die Abt Kilian peregrinationis, fidem, religionem, unserer Darstellung eine deutliche Kritik: mit Martin Luther teilte. sapientiam, philosophiam, divinationes et Auf der unteren Insel ist ein Mann dar- In unserer Horoskopdarstellung ent- insomnia” anzeigt, stehen die Sonne (die gestellt, der den Wanderstab des Pilgers, sprechen die sieben kosmischen Inseln als im 9. Haus „naigt die liebhabung der ere”), aber auch ein Schwert trägt. Für den die Welt der Menschen den sieben Planeten. der Merkur („zucht, kunst und weißheit”) Mönch, der nach der Regel Benedikts lebt, Diese Entsprechung von Mikrokosmos und und die Venus, die als Symbol der Liebe verbindet sich mit diesem Bild der Gedanke Makrokosmos zeigt, daß Abt Kilian - klö- zur Schönheit, aber auch „zu bilgerschaft” an die „militia Christi”, an den geistlichen sterlichem Geist entsprechend - in der im 9. Haus ebenfalls im Dienst der reli- Kampf „gegen die Beherrscher dieser fin- platonischen und nicht in der aristoteli- giösen Zielsetzung (z.B. der Liturgie) steht. steren Welt, gegen die bösen Geister des schen Tradition der Astrologie steht. Den Der Niederaltaicher Horoskopstein 67

Planeten kommt nicht eine wirkursäch- 6 Abgedruckt in: P. Gasparri (ed.), Codicis Juris Ost. Aufgrund dieser Werte durchgeführte liche, sondern eine anzeigende Bedeutung Canonici Fontes, Vol. I, Rom 1923, 281- 285. Horoskopberechnungen (mit dem Computer- 4 programm SunWorld für Windows aufgrund der zu - was selbst Augustinus konzedieren äußerst exakten Planetenroutinen von Dr. Alois kann und was unter den bekannteren Literatur: Treindl) in der Manier des Regiomontanus er- Zeitgenossen Kilians besonders auch geben erhebliche Differenzen zu der in Stein Agrippa von Nettesheim (+ 1535)5 vertritt. G. Stadtmüller/B. Pfister, Geschichte der Abtei gehauenen Zeichnung. Folgendermaßen läßt sich Niederaltaich, München/Grafenau 1986. dennoch eine sinnvolle Rekonstruktion vorneh- Das Verdikt die Zukunft voraussagender men: Astrologia iudiciaria durch die Bulle Coeli A.J. Carr/R.L. Kremer, Child of Saturn.The Renais- sance Church Tower at Niederaltaich, in: The Man nehme das Häusersystem des Porphyros. 6 et terrae des Papstes Sixtus V. (1586) trifft Sixteenth Century Journal (Kirksville, Missouri/ Es wurde schon im Altertum für Horoskope ver- diese Astrologie nicht. Sie gibt der gläu- USA), Vol. XVII = 4/1986, 401-434. wendet und war Anfang des 15. Jahrhunderts gebräuchlicher als das damals ganz neu geschaf- bigen Zuversicht Raum, auch in dieser Welt G. Voss, Astrologie christlich, Regensburg 31996, fene System des Regiomontanus. in der Hand Gottes zu sein. 62-72. Als nördliche Breite setze man 54° statt 49° G. Voss, Ein spätmittelalterliches Zeugnis kosmi- ein. Begründung: entweder ein Irrtum beim Ab- scher Erfahrungstheologie, in: A. Kreiner/ lesen der Häusertabellen (passiert auch heute P.Schmidt-Leukel (Hg.), Religiöse Erfahrung und Anmerkungen: noch öfter, als man gemeinhin annnimmt!) oder theologische Reflexion, Paderborn 1993, 211- falsche Ortsangabe. Damals war die Polhöhen- 1 Expositio in Evangelium S. Lucae, zu Lk 10,1: 228. PL 92,461f. berechnung sehr schwierig und die Ortsanga- be oft fehlerhaft, da zum größten Teil noch auf 2 De ordine II/7,24: PL 32,1006. über Tausend Jahre alte Tabellen des Claudius 3 Summa Theologica I, quaestio115,4,resp.ad 3. Bildnachweis: Ptolemäus zurückgegriffen wurde. Erst Tycho 4 Vgl. De civitate Dei V,1 („Quod si dicuntur stellae Brahe ändert dies. 1 Horoskop am Südturm der Niederaltaicher Klo- significare potius ista quam facere...”): CSEL sterkirche - Archiv des Autors So entsteht ein Horoskop mit ASC 20°C und XXXX/I,210. MC 13°m. Auch die Zwischenhäuser stimmen 2 Der Autor Pater Gerhard Voss gestattet dem 5 „Non ut causae, sed ut signa per effectus fast genau: Spitze 2 auf 27°V, Spitze 3 auf Herausgeber des Ausstellungskatalogs, das consimiles, ab eadem causa causatos.” Zit. nach 5°N, Spitze 5 auf 5°x, Spitze 6 auf 27°x. Niederaltaicher Grundsteinhoroskop in die oben P. Zambelli, Umanesimo magico-astrologico e abgebildete moderne Darstellung zu übertragen So stimmen bei fast allen Planeten Berechnung raggruppamenti segreti nei platonici della (bei der der Hinweis auf Offenbarung 12 frei- und Zeichnung überein. Auch die Unterschie- preriforma, in: Umanesimo e Esoterismo. lich nicht mehr deutlich wird). Der Herausge- de in der Eintragung von Mondknoten k und Archivo di Filosofia 2-3/1960, 141-170. ber Jürgen G.H. Hoppmann erläutert seine Jupiter j lassen sich gut erklären: Jupiter steht Darstellung wie folgt: zwar in 7, aber zugleich im der achten Häuser- spitze zugehörigen Zeichen v. Also hat er sehr Grundlage einer Nachberechnung sind das an- viel der Eigenschaft des achten Hauses. Es ist Abb. 2: Moderne Nachberechnung des gegebene Datum 24.7.1514, der eingetragene darum legitim, ihn dort einzuzeichnen! Entspre- Aszendent von 20° Skorpion C sowie die tat- chendes gilt für den Mondknoten in 9 im Zei- Klosterturmhoroskops sächlichen Ortskoordinaten 48°46’ Nord 13.02 chen m, welches zugleich die Spitze des 10. Hauses bestimmt. Conclusio: Eine bewußte Manipulation oder Fälschung bei der Horoskop-Aufzeichnung durch Abt Kilian wird nicht unterstellt, vielmehr ist bei irrtümlicher Einsetzung von 54° Nord und regulärer Verwendung der Manier Porphyrii so- wie der Häuserregenten lege artis astrologiae gearbeitet worden.

Anm. d. Hrsg.: Dr. theol. Gerhard Voss ist Mönch der Benedikti- nerabtei Niederaltaich, Rektor des dortigen Ökume- nischen Instituts und Schriftleiter von UNA SANCTA - Zeitschrift für ökumenische Begegnung. In der Fachzeitschrift Astrologie Heute, Nr. 50, CH - Wettswil 1994, findet sich ein mehrseitiges In- terview mit dem Autor. Zu erwähnen ist ferner sein Buch: Musik des Weltalls wiederentdecken - Christ- liche Astralmystik, Regensburg 1996. 68

CHRISTOPH SCHUBERT-WELLER Gott und die Sterne - zum Verhältnis von Astrologie und Christentum im Wandel der Geschichte

Die Deutung von Kometen ist in der Gegen- sprechungslehre4. Im Lehrgebäude der Diese Phänomene wurden als Prodigia be- wartsastrologie von wenigen Ausnahmen hellenistischen Astrologie konnte man, trachtet, Wunderzeichen, mit denen Gott abgesehen1 kein Thema. Dies war im aus- ohne "orakeln" zu müssen, Geschehnisse sozusagen unerfragt auf seine Macht hin- gehenden Mittelalter noch ganz anders. Der und Entwicklungen ganz bestimmten wies und seinen Willen in der Geschich- Reformator Melanchthon selbst, Wegge- astrologischen Konstellationen und himm- te bekundete5. Gott zeigte mit solchen fährte Luthers, war durchaus von der lischen Phänomenen zuordnen. Das "Stan- Prodigia gleichnishaft künftige Ereignis- Kometenfurcht und Kometengläubigkeit dardlehrwerk" der hellenistischen Astro- se an, doch war es dem deutendem Him- beseelt, die nicht nur seine Zeit mit prägte. logie wurde schließlich der "Tetrabiblos" melsbeobachter erst im Nachhinein mög- Ihm waren während seiner Heidelberger von Ptolemäus (ca. 90 -160 n.Chr.) lich, Ereignisse und Phänomene einander Studienzeit allnächtlich Gestalten "wie fal- zuzuordnen. Das freilich geschah ausgiebig; lende Sterne" begegnet, die er als Stern- Himmelsbeobachtung wurde mehr um der geister begriff. In seine astrologischen Prodigia als wegen der wissenschaftlichen Vorlesungen in Wittenberg bezog er die Erfassung der Phänomene betrieben6. Kometologie selbstverständlich ein2. Christliche Astrologie Omina und Prodigia im Hochmittelalter Astrologie, Sterndeutung, Kometenfurcht Die Scholastik und insbesondere Thomas - und die "Freiheit eines Christenmenschen" von Aquin (1225 -1274) gaben der Astro- (Luther): wie reimt sich das? Zumal doch logie eine neue, überwiegend positive Stel- schon die Bibel Zeichendeuterei untersagt lung innerhalb des Christentums. Vorauf- und die Astrologen als "dem Herrn ein gegangen war im 11. und 12. Jahrhundert Greuel" bezeichnet (5. Mose 18, 9-12). - die Übersetzung zahlreicher griechischer In der Zeichendeutung der Völker, mit und arabischer Schriften ins Lateinische. denen das Volk Israel zu biblischen Zei- Abb.: 1: Himmelshand Erst so wurden u.a. die Werke des Aristo- ten in Kontakt war, ging es vor allem teles, aber auch der Tetrabiblos von Pto- darum, den Willen der Götter aus Him- Freilich war die hellenistische Astrologie lemäus der Gelehrtenwelt wieder zugäng- mels- und Wetterphänomenen, aus Leber- deterministisch gedacht: Die himmlischen lich gemacht. schau und Traumorakel usw. zu erschlie- und die irdischen Gegebenheiten standen Thomas von Aquin konstruierte die ßen. Wer diese Zeichendeutung ausübte, untereinander in einem festen Wirkungs- aristotelische und ptolemäische Kosmo- war zugleich Beschwörer, Magier, Zauberer. zusammenhang. Alles geschah nach in- logie um in einen christlichen Kosmos, an Der Gott Israels hingegen untersagte solch nerer Notwendigkeit; Schicksal war un- dessen Spitze Gott selbst stand. Er war es, tastende Deutung aus derartigen Omina. vermeidbar, und von daher war eben auch der die Bewegungen und Konstellationen Er offenbarte sich seinem Volk direkt durch astrologische Vorhersage möglich. der Planeten verursachte. Er bediente sich die prophetische Rede derer, die er beauf- War die babylonische Omendeuterei zu dabei besonderer Intelligenzen, der "Gestir- tragt hatte und die im Namen Gottes nicht primitiv (so daß sich die Bibel direkt dar- nengel". Die Planeten und die Gestirnengel "orakelten", sondern klare Worte sprachen3. über lustig machen konnte, vgl. etwa Jer.10, waren Mittler und Ausführende des gött- Nun reichte schon die hellenistische 2-5), so ging die hellenistische Astrolo- lichen Willens. Gottes Vorsehung und Astrologie seit dem dritten vorchristlichen gie einfach schon zu weit: "Was verbor- Vorauswissen waren allumfassend und Jahrhundert weit über die Omendeuterei gen ist, ist des Herrn" (5. Mose 29,28). Wer von Zeit und Raum unabhängig; sie wa- hinaus, die in der Bibel be- und verurteilt sich einer astrologischen Vorhersage ver- ren darum auch scharf unterschieden von wird. Das Verdienst der hellenistischen sichern wollte, griff gewissermaßen schon dem natürlichen Vorauswissen aufgrund Astrologie ist es, babylonischen und ägyp- in Gottes Vorsehung ein. Das stand dem astrologischer Prognosen, die eben nicht tischen Astralglauben und die vergleichs- Menschen nicht an. unabhängig von zeitlichen und räumlichen weise primitive Omendeuterei in ein aus- In diesem Sinn dachte das christli- Begrenzungen waren7. gefeiltes System einzubetten, dessen wich- che Mittelalter über Astrologie bis hin zur Thomas hat mit seinem Entwurf der tigster Pfeiler die Lehre von der Entspre- Scholastik. Freilich gab es da die allgemein Astrologie den Ruch des Fatalismus und chung kosmischer Phänomene und irdi- sichtbaren Himmelsphänomene (Meteore, Determinismus genommen, hat aber zu- scher Geschehnisse ist. "Wie oben, so un- Kometen, Ringe um die Sonne), die von gleich auch, um mit einem Terminus der ten", lautet die Grundformel dieser Ent- jedermann beobachtet werden konnten. modernen Astrologie zu sprechen, die Gott und die Sterne - zum Verhältnis von Astrologie und Christentum im Wandel der Geschichte 69

"Aussagegrenzen" der Astrologie markiert. Zug um Zug das aristotelische Weltbild beratung und Therapie findet9. Daß von Der Entwurf von Thomas von Aquin ist widerlegten - und damit auch die christ- astronomischer Seite her inzwischen zu- für das Verhältnis von Astrologie und Chri- liche Kosmologie der Scholastik und die stimmende Begründungsversuche zur stentum wegleitend bis weit nach dem Zeit- auf dieser Kosmologie aufruhende Astro- Astrologie unternommen werden, sei nur alter der Reformation. Erst mit dem Nie- logie. am Rande erwähnt10. dergang der Astrologie seit dem Dreißig- Heutige kirchliche Kritik, die die Gott setzte die Lichter an den Him- jährigen Krieg konnte und wollte das Chri- Astrologie in Bausch und Bogen als unbib- mel, "zu geben Zeichen, Zeiten, Tage und stentum auf die Astrologie überhaupt ver- lisch verurteilt8, versäumt zumindest ei- Jahre" (1. Mose 1,14). Die Lichter erschöp- zichten. nen genaueren Blick in die Kirchenge- fen sich nicht in ihrer Funktion als "Him- schichte - einmal abgesehen von dem meist melslampen", sondern wollen in ihrer unkritisch geschlossenen Pakt zwischen Zeichenhaftigkeit ernst genommen und Wissenschaft; Glaube; Astrologie Theologie und mechanistischer Naturwis- Verstanden werden. Dies hat Gott den Ster- Der Niedergang der Astrologie seit dem senschaft. - In der heutigen "Postmoderne", nen zugedacht - wie das im einzelnen auf- 17. Jahrhundert hat nicht nur mit der Ver- da wir den Niedergang technisch-rationaler zufassen ist, können nach Jahrhunderten wilderung und Verödung Europas im Drei- Weltbilder und zugleich die "Wieder- gegenseitiger Sprachlosigkeit Theologie ßigjährigen Krieg zu tun. Die "Sternen- verzauberung der Welt" erleben, gewinnt und Astrologie hoffentlich im gemeinsa- schwindler" (Comenius), die in den schlech- auch die Astrologie zunehmend gesell- men Dialog erörtern. ten Zeiten Hochkonjunktur hatten, brach- schaftliche Resonanz. Dies freilich nicht in einer Wiederbelebung alter, womöglich ten das Fach in Verruf, aber erst recht die Anmerkungen aufkommenden Naturwissenschaften, die doch deterministischer Denkweisen, son- dern in der maßvollen Form eines psycho- 1 Lenz, Hans-Gerhard: Wirtschaftliche Perspek- tiven kosmischer und astrologisches Zyklen Abb. 2: Gott als „unbewegter Beweger“ logischen, lebensdeutenden Modells, das mehr und mehr Eingang in die Lebens- 1990-1995, Wetter 1990, S. 146ff. 2 Gundel, Wilhelm: Sterne und Sternbilder im Glauben des Altertums und der Neuzeit. Bonn und Leipzig 1922, S. 324 f. 3 Riemann, Fritz: Lebenshilfe Astrologie. Mün- chen 19762 Gerritzen, Christian (Hrsg.): Le- xikon der Bibel. EltviIle/Rhein 1990, S. 352 ff. 4 Knappich, Wilhelm: Geschichte der Astrolo- gie. Frankfurt/M. 1967, S. 46-75 5 Reichel, Ute: Astrologie, Sortilegium, Traum- deutung. Formen von Weissagung im Mittel- alter. Bochum 1991, S. 65 6 siehe Anm. 4 7 vgl. Anm. 3, S.160 f. und Anm. 4, 99-104 8 Schubert-Weller, Christoph: Spricht Gott durch die Sterne? Astrologie, Gesellschaft und christ- licher Glaube, München 1993, S.139-161) 9 Riemann, Fritz: Lebenshilfe Astrologie. Mün- chen 1976, sowie Anm. 7, S. 39-76) 10 vgl. Seymor, Percy: Astrologie, Beweise der Wis- senschaft. Frankfurt/M. 1992, und: Landscheidt Theodor: Astrologie, Hoffnung auf eine Wis- senschaft? Innsbruck 1994

Abbildungen: Die folgenden Abbildunge wurden vom Herausge- ber nachträglich dem Artikel beigefügt: 1 Himmelshand aus einer Stöfflerephemeride, Franzisceumsbibliothek, Zerbst 2 Titelholzschnitt von Erhard Schön zum Nativitäts-Kalender des Leonhard Reymann 1515, aus: Strauß, 1926.

Anm. d. Hrsg. Christoph Schubert-Weller, Jahrgang 1950, ist Mit- glied der Herrnhuter Brüdergemeine, lebt und prak- tiziert als Astrologe in Bad Boll (Württemberg). 70

HELMUT HARK Der Traum-Glaube Melanchthons

Durch das Studium zahlreicher Werke von tet. Diese Erfahrung oder genauer gesagt, Berg als Siegeszeichen ein goldenes Kreuz Melanchthon und vor allem durch die dieses spirituelle Widerfahrnis möchte ich durch Engelshand befestigt ist. Bei dieser tiefenpsychologische Analyse und Deutung am Beispiel des auf der Mitte dieser Seite spirituellen Bildgestalt drängt sich der Hin- seiner archetypischen Träume ist Melan- wiedergegebenen Traumes 3 verdeutlichen. weis auf Matthias Grünewald und ande- chthon für mich zu einem Propheten für Melanchthon gibt selber folgende re Maler auf, die dem Träumer sicherlich unsere Zeit des Übergangs in ein neues Deutungen zu seinem Traum, indem er das bekannt waren. Selbst wenn dies nicht der Jahrtausend geworden. Dies möchte ich Bild des altgriechischen Helden auf sei- Fall sein sollte, kann die Seele in Zeiten zum einen dahingehend verstanden wis- ne Ängste und Nöte während der kriege- existentieller Bedrängnis derartige Bilder sen, daß Melanchthon in seiner Traum- rischen Auseinandersetzungen während hervorbringen, weil sie archetypisch in uns psychologie die Archetypen-Theorie von des Schmalkaldischen Krieges bezieht. verankert sind. C. G. Jung in wesentlichen Teilen vorweg- Durch seine humanistischen Studien und Nach meinen langjährigen Erfahrun- genommen gen in der hat 1. Zum Ich sah Aiax da stehen, der seine jugendlichen Glieder praktischen anderen war mit dem gelbbraunen Fell eines Löwen bekleidet hatte. Traum- es für ihn als therapie ha- Humanisten Und während er in der kräftigen Rechten einen Speer aus Eschenholz hielt, ben auch die und Lehrer war seine linke Seite durch einen Schild geschützt. Farben in der alten Darin sollen sieben große Rindshäute den Träu- Sprachen sehr durch die kundige Hand eines Künstlers verbunden gewesen sein. men eine wesentlich, zu Aber über dem Kopf des Aiax erhebt sich ein hoher Berg, besondere den Quellen Wirkkraft und den Ur- von Blumen und üppigem Gras überall grün. und Be- texten zu ge- Auf dessen hohem Gipfel steht Christus als Sieger, deutung. Im hen und in der eingeborene Sohn des ewigen Vaters, Traum sieht diesem Zu- der Triumpf Zeichen trägt, von der Art wie damals die Schar der Begleiter Melan- sammenhang ihn bei seiner Rückkehr nach Überwindung des Todes hat tragen sehen. chthon ei- auch zu den nen hohen Quellen in Unter seinen Füßen mitten auf dem Berg ist als Siegeszeichen Berg voller seiner eige- ein goldenen Kreuz durch engelshand befestigt. Blumen, üp- nen Seele und pigem Gras deren Bildersprache in den Träumen ei- seine Vorlesungen über Homer und die und überall Grün. Dieses Grün erscheint nen Zugang zu suchen. In seiner Traum- griechischischen Klassiker identifizierte er in den Träumen häufig dann, wenn Hoff- psychologie unterscheidet er natürliche sich innerlich mit dem Helden Aiax, dem nung in der Seele enweckt werden soll, so Träume von weissagenden Träumen, ferner großen Sohn des Königs von Salamis. Der wie die Volksweisheit sagt: Grün ist die göttliche Träume von satanischen oder Mythos berichtet ferner von einem Streit Hoffnung! Als Amplifikation (stimmiges teuflischen. In zahlreichen Briefen und zwischen Aiax und Odysseus wegen der Vergleichsmaterial aus anderen Bereichen) Schriften 2 geht Melanchton über einhun- Waffen des Archilleus, die durch ein an- können wir dazu auch an den Lobpreis dert Mal auf seine Träume ein und stellt gerufenes Schiedsgericht schließlich dem der Grünkraft der Hildegard von Bingen sie in den Kontext seines persönlichen Le- Odysseus zugesprochen wurden. Mit die- denken. bens, sowie seiner theologischen Arbeit im sem Motiv läßt sich eine Verbindung her- In seinen Anmerkungen zum Traum reformatorischen Prozeß. In den unzäh- stellen zu den vielgestaltigen Rivalitäten schöpft Melanchthon Hoffnung, daß dieser ligen theologischen Streitigkeiten jener Zeit zwischen Luther und Melanchthon, die Christus, der ihm erschienen ist, ein Sie- und dem fortwährenden Ringen um die wohl nur durch den gemeinsamen Bezug geszeichen dafür ist, daß trotz aller An- göttliche Wahrheit empfängt er aus sei- auf Christus aufgehoben werden konnten. feindungen und Verfolgungen die Kirche nen Träumen Klarheit, Wegweisung und So erscheint es in der Trauminszenierung bestehen bleiben wird. Nach der eingangs Vergewisserung, daß der Christus in nobis nur folgerichtig, wenn auf dem Berggip- erwähnten Traumpsychologie von Me- auch gegenwärtig erscheinen kann und wie fel über Aiax der Christus als Sieger er- lanchthon gehört dieser Traum nach mei- der heilige Geist uns in alle Wahrheit lei- scheint. Es ist das Bild des auferstande- ner Sicht sowohl in die Kategorie der gött- nen Christus, der das Triumpf-Zeichen trägt lichen Träume als auch der weissagenden. Abb. 1: Ein Traum Melanchthons und unter dessen Füßen mitten auf dem Nach Melanchthon ist diese Schau des Zu- Der Traum-Glaube Melanchthons 71 künftigen angeboren und kann in be- D. Philippus hat getreumet, er were in Bernhard Lohse in seiner kritischen Wür- stimmten Menschen "erweckt und getrie- einem Schloß, und ging in einem schö- digung formuliert: "Gegenüber der ganz ben werden, dermaßen zukünftige Dinge nen gemach, welches mit köstlichen Tep- auf die zentralen Fragen konzentrierten zuvor zu melden" 4. Leider ist hier nicht pichen und gülden stucken gezieret, theologischen Arbeit Luthers muten Me- der Raum, zu diesem interessanten Phä- Und wie er die schöne Teppiche besiehet, lanchthons theologische ßeiträge zunächst nomen eines überzeitlichen und erweiter- wird er unter einem teppiche einer blutlos und rein verstandesmäßig an" 8. ten Zeitverständnisses sowie der Synchro- Thür gewar, da findet er eine Kammer, Dennoch möchte ich den humanistischen nizität mehr zu sagen 5. die vil hüpscher dann das vorige gemach Ansatz in Melanchthons Anthropologie zugericht, darinnen ist ein brautbette abschließend positiv würdigen, indem er aus dermassen köstlich geschmuckt. neben der Bibel auch auf die Botschaft Ein erotischer ANIMA-Traum aus dermassen köstlich geschmuckt. Und in dem er das köstlich Brautbette seiner Träume hört, die nach ihm zu ei- Als nächstes möchte ich in meinem kur- besiehet, wird er eines gar nacketen ner vergessenen Sprache Gottes geworden zen Beitrag zum unbekannten Melan- schönen weibes bildes hinter dem Bette sind 9. chthon noch auf das ANIMA-Problem des auff einer laden sitzend, gleich als obs auff jren breutigam wartet, gewar vnd großen Humanisten hinweisen. In der Tie- auff jren breutigam wartet, gewar vnd Anmerkungen und fenpsychologie nach C. G. Jung verstehen wie jn gedaucht, so hette er alle seine wir darunter einen Archetypus im Seelen- lebtag kein solches Weibsbild gesehen, Literatur zu Melanchthon: leben, der als ein starker anordnender Fak- darob er dann erschrocken, vnd zur 1 C.G. Jung: Ges. Werke Bd.6, Defin. Archety- tor und wie ein Magnet die Beziehungen kammer hinaus geeilet, Aber gleich im pus und Bild beeinflußt und darüber hinaus auch Be- eilen, hat jn das schön nacket weiblin 2 H. Scheible: Art. Melanchthon in: Theol. gegnungen mit Gott und dem Heiligen an- angered, Ah Philippe weich nicht von Realenzykl. Bd. 22, 1992 S. 371 ff (*) ordnet und strukturiert 6. Wir können die mir, In dem ist er erwacht. 3 Corpus Reformatoricum 6, 349 f ANIMA auch als Archetypus des Lebens 4 Corpus Reformatoricum 6, 679 und des seelischen Erlebens bezeichnen. Leider ist hier nicht der Raum, diesen ero- 5 H. Hark: Lex. Jungscher Grundbegriffe, 3.Aufl. Dieser Begegnung und Auseinanderset- tischen Traum einer Analyse zu unterzie- 1994, Art. Synchronizität zung hat Melanchthon sich weitgehend hen, aber die Bilder sprechen für sich eine 6 H. Hark a.a.O., Art Archetypus entzogen, wie wir aus seiner schwierigen verständliche Sprache. Ich bin überzeugt, 7 St. Rhein: Katharina Melanchthon. Ein Wit- tenberger Frauenschicksal der Reformationszeit, 7 daß die Ängste und Depressionen von Me- Ehe wissen . Auf der seelischen und un- in: Siebenhundert Jahre Wittenberg 1995 lanchthon, sowie seine zahlreichen funk- bewußten Ebene spiegelt die Problematik 8 B. Lohse: Philipp Melanchthon in: Die Großen der folgende ANIMA-Traum, den er 1544 tionellen Störungen und psychosomati- der Weltgeschichte, Bd. IV, München 1973, S. oder 1543 im Beisein von Martin Luther schen Krankheiten eine Folge der nicht in- 1009 und anderen Theologen erzählt hat: tegrierten ANIMA-Kräfte sind. Obwohl 9 H. Hark: Der Traum als Gottes vergessene Spra- Melanchton in seinem Lieblings- che, 6. Aufl. 1992 gebet immer wieder Chri- ders: Religiöse Traumsymbolik, Diss. 1980 stus dankt, daß er die Menschennatur an- (*) Dem Leiter der Melanchthon-Forschungsstelle in Heidelberg sei herzlich gedankt für die hilf- genommen habe, reiche Unterstützung! blieb er in der Ent- wicklung seiner ei- genen Persönlich- Abbildungen: keit und seiner 1 Melanchthons Traum, siehe Anmerkung 3 Menschennatur 2 Wappen, Francisceumsbibliothek Zerbst wegen seiner ANIMA-Problema- tik hinter einer not- wendigen ganzheitli- chen Lebensgestaltung zurück und mußte deswe- Anm. d. Hrsg.: gen wohl die genannten Lei- Dr. Helmut Hark, Jahrgang 1936, war nach seinem den auf sich nehmen. Zu die- Studium der Theologie zehn Jahre als Gemeinde- pfarrer tätig. Nach einer Ausbildung in analytischer ser Annahme paßt auch mein Eindruck, Psychotherapie nach C.G. Jung arbeitete er dann 22 daß Melanchthon zwar die neuen Gedan- Jahre als Landesbeauftragter für die Lebens- , Ehe- ken und theologischen Einsichten in scharf und Erziehungsberatung sowie Psychotherapie in geschliffene Begriffe faßte, die nach mei- der evang. Landeskirche Baden. Er promovierte bei Prof. Ulrich Mann über religiöse Traumsymbolik. nem Empfindgen oftmals rein Hinzuweisen sei ferner auf seine zahlreichen Bü- verstandesmäß und blutleer wirken, wie cher zu den Themen Traum, Engel, Lebensbaum und Religiöse Neurosen, sowie auf seine rege Vortrags- und Seminartätigkeit über spirituelle Therapie und Abb. 2: Wappen Melanchthons die Arbeit mit Träumen. 72

IV - CAUSA FINALIS: NACHFOLGER UND WIRKUNGSGESCHICHTE

FRIEDERIKE BOOCKMANN Wittenberger Gelehrte im Leben von Johannes Kepler

Der Astronom Johannes Kepler (1571- Als 1536 der mathematische Lehrstuhl neu der Freund des Copernicus und Bischof von 1631) gilt durch die drei nach ihm benann- besetzt werden sollte, wurde er zweige- Culm, beschwerte sich beim Senat in Nürn- ten Planetengesetze als einer der Begründer teilt und an Erasmus Reinhold (1511-1553) berg (Copernicus VI.1, S.357-360). Zu einer der modernen Naturwissenschaft. Er stand und - auf Betreiben Melanchthons - an Berichtigung kam es jedoch nie. in weitreichendem Briefwechsel mit der Georg Joachim Rheticus (1514-1576) ver- astronomisch interessierten Gelehrtenwelt geben. Der erstere hielt Vorlesungen über seiner Zeit. Darunter nehmen die Witten- die höhere Mathematik, d.i. Astronomie. II. Keplers berger Professoren eine besondere Stel- Rheticus dagegen war für die sogenann- Mysterium Cosmographicum lung ein. Waren es doch Wittenberger te niedere Mathematik, d.i. Arithmetik und auf copernicanischer Grundlage Astronomen, die als erste überhaupt das Geometrie, vorgesehen, lehrte aber eben- Das copernicanische Weltbild wurde auch Copernicanische Weltbild anerkannten und falls Astronomie. an der Tübinger Universität, ebenfalls einer durch ihre Schriften für dessen Verbrei- Beide, Reinhold wie Rheticus, waren Hochburg der protestantischen Theologie, tung sorgten. Ihre Werke hatten schon den Anhänger der neuen Lehre des Copernicus, gelehrt. So auch von dem seit 1584 dort Studenten Kepler in Tübingen begeistert. von dem man zwar in Wittenberg gehört tätigen Professor für Mathematik und Später findet der Kaiserliche Mathemati- hatte, aber keine Schrift in Händen hielt. Astronomie Michael Mästlin (1550-1631), ker Kepler in Prag Worte der höchsten Daher besuchte Rheticus in den Jahren von einem Schüler Philipp Apians, obwohl er Wertschätzung für sie. Man möchte fra- 1539 bis 1541 Copernicus in Frauenburg. dem neuen Weltsystem mit wesentlichen gen: Wie kam es im einzelnen zu diesen Die erste Mitteilung über das neue Welt- Vorbehalten gegenüberstand. Zu seinen bemerkenswerten Verbindungen? bild des Copernicus gab er in der Narratio Studenten gehörten u.a. Wilhelm Schickard prima de libris revolutionum Copernici und Johannes Kepler. (Danzig 1540) heraus und trug damit we- Als Johannes Kepler dann - als Pro- I. Astronomie und Mathematik sentlich zur Verbreitung des neuen Welt- fessor für Mathematik und Astronomie in an der Universität Wittenberg systems bei. Kurz darauf (1543) veranlaßte der obersten Klasse der evangelischen er den Druck des bahnbrechenden Coper- Die 1502 von Friedrich dem Weisen ge- Stiftsschule in Graz - sein Erstlingswerk nicanischen Werkes De revolutionibus beim gründete Universität zu Wittenberg wurde Mysterium Cosmographicum 1596 in Tü- Nürnberger Drucker Johannes Petreius seit Luthers Auftreten für lange Zeit zum bingen drucken ließ, beaufsichtigte sein (1497-1550) und übergab - nachdem er Hauptsitz der Reformationsbewegung. ehemaliger Lehrer Mästlin die Drucklegung. Ende 1542 eine Professorenstelle in Leipzig Zinner (S.264) schreibt über die junge Uni- Zum leichteren Verständnis dieses auf angetreten hatte - die Arbeit Andreas versität, „sie hat die Mathematik und Astro- copernicanischer Grundlage geschriebe- Osiander (1498-1552), dem Hauptgeist- nomie, wozu auch die Astrologie zählte, nen Werkes gab Mästlin mit Zustimmung lichen Nürnbergs. Schon in einem Brief sehr gepflegt. Melanchthon hat viel für die Keplers die Narratio prima des Rheticus vom 20.4.1541 hatte Osiander Copernicus Entwicklung geeigneter Lehrbücher getan als Anhang bei. Es war inzwischen die um eine besänftigendere Vorrede gebeten, und durch seine Einleitungen die Verbrei- vierte Auflage der Narratio. Gerade die- worauf jedoch Copernicus nicht eingegan- tung verschiedener Werke sehr gefördert. ses Werk hat Kepler aufs tiefste angeregt gen war (Der Brief ist nur auszugsweise Für den Unterricht an der Wittenberger und für Copernicus begeistert. erhalten, KGW 20.1, S.27f. und Copernicus Universität sind Tafelwerke, Planetarien Des weiteren fügte Mästlin dem My- VI.1, S.302f.). und Sternkarten veröffentlicht worden. sterium Cosmographicum einen Auszug aus Osiander hat dann - aus Rücksicht Reinholds Erklärung der Planetentheorie einem Brief von Tycho Brahe bei. Der Brief auf die ablehnende Haltung Melanchthons Peuerbachs, Melanchthons Elementa doc- entstand am 13. Sept. 1588 und war an und der Mehrzahl der Theologen gegen- trinae physicae und Peucers Elementa Brahes ehemaligen Lehrer und Freund über der copernicanischen Lehre - ohne doctrinae de circulis coelestibus sind aus Caspar Peucer gerichtet, dem Schwieger- Zustimmung und dann auch ohne Wis- Vorlesungen an der Universität entstan- sohn Melanchthons und zeitweiligen Rek- sen des Copernicus - dem Hauptwerk eine den.“ Auch die Astrologie kam nicht zu tor der Universität Wittenberg. Hierin anonyme Vorrede vorangestellt und die kurz. Zinner (S.289) berichtet, „Melanch- gesteht Brahe, er müsse aufgrund seiner des Copernicus weggelassen. Somit mußte thon, Peucer und Reinhold haben darüber Beobachtungen dem Copernicus mehr und ein unbefangener Leser die neue Vorrede Vorlesungen gehalten. Reinhold, Rheticus mehr Vertrauen schenken. (KGW 1, S.119f., als von Copernicus stammend - der sein u.a. haben Geburtshoroskope berechnet vollständig ist dieser Brief abgedruckt in: Werk als bloße Hypothese darstellt - auf- und Vorhersagen verfaßt.“ Dreyer, Opera 7, 1924, S.127-141). fassen (Zinner, S.246-254). Rheticus war Aber nicht nur die alte geozentrische Dies sind also Keplers erste Annä- empört, und Tiedemann Giese (1480-1550), Astronomie wurde in Wittenberg gelehrt. herungen an die Wittenberger Tradition. Wittenberger Gelehrte im Leben von Johannes Kepler 73

III. Kepler, Brahe und die Der Drucker Johannes Petreius hatte die- lich wurde -, und so blieb auch Keplers Apologia contra Ursum ses Exemplar Schreiber selbst gewidmet. Richtigstellung zunächst verborgen. Kepler Schreiber hatte dann in diesem Exemplar hatte sie jedoch nicht vergessen. 1609 er- Seine originelle Erstlingsschrift Mysteri- unter die Vorrede den Namen Andreas klärte er der wissenschaftlichen Öffentlich- um Cosmographicum machte Kepler mit keit in der Astronomia Nova in einer be- einem Mal berühmt. Er trat dadurch in rühmt gewordenen Stelle (KGW 3, S. 6), Verbindung u.a. mit Galilei und Brahe. daß die De revolutionibus-Vorrede von Tycho Brahe (1546-1601) lud Kep- Osiander stammt. Wie erwähnt, hat- ler zu einem Besuch in Benatek te Osiander damit das Werk des bei Prag ein, woraus sich im Copernicus als reine Hypothese folgenden eine fast zweijäh- dargestellt. rige - nicht immer unpro- Übrigens strich Kepler in blematische - Zusammen- seinem Handexemplar von De arbeit ergab. Es war eine der revolutionibus den wohl eben- Sternstunden der Astrono- falls von Osiander herrüh- miegeschichte. Der erst seit renden Titel-Zusatz orbium coe- kurzem in Prag niedergelassene lestium durch. eplers Exemplar Brahe hatte in jahrzehntelanger Ar- wird heute in der Leipziger beit die umfangreichsten und genau- Universitätsbibliothek aufbewahrt esten Beobachtungen seiner Zeit zusam- (Wußing, S. 196). mengetragen. Der 25 Jahre jüngere Kep- ler besaß dagegen den mathematischen Scharfsinn und das geometrische Vorstel- IV. Kepler und Jessenius lungsvermögen. 1601 wurde Kepler nach Kepler lernte schon in seiner ersten Zeit dem Tode Brahes dessen Nachfolger und in Prag den schon genannten Freund Tycho damit Kaiserlicher Mathematiker in Prag. Brahes, Johannes Jessenius (1566-1621), Hier entdeckte Kepler, aus Brahes Beob- kennen. Jessenius war 1600 vorüberge- achtungsdaten heraus, in langwierigen Be- hend nach Prag gekommen, um einen rechnungen die nach ihm genannten er- Prozeß seines Vaters am Kaiserhof voran- sten beiden Planetengesetze - abgedruckt Osiander gesetzt. Kepler zitiert in der zutreiben. Brahe und Kepler strebten beide in der Astronomia Nova (1609); das drit- Apologia aus dem heute verschollenen eine längerfristige fruchtbare Zusammen- te Gesetz beschreibt er in der Weltharmonik Brief Osianders an Copernicus, in dem er arbeit an, hatten aber wegen ihrer gegen- (1619). diesen um ein einschränkendes Vorwort sätzlichen Charaktere Schwierigkeiten. In Zunächst (1600) aber arbeitete Kepler bittet. Es ist denkbar, daß Kepler mit Brahe dieser Situation bat Kepler Jessenius um bei Brahe als Assistent. Er widmete sich über diesen Sachverhalt gesprochen hat Fürsprache bei Brahe (Caspar, S.119-123). sogleich der Berechnung der Marsbahn. und daß Brahe ihm möglicherweise den Ende Oktober 1601 kam Jessenius erneut Daneben hatte Kepler weitere Verpflich- genannten Brief Osianders zur Verfügung nach Prag, traf aber seinen Freund Tycho tungen zu übernehmen. So verfaßte er um stellte. Unter Gelehrten kursierten häufig nicht mehr lebend an. Er hielt die Leichen- die Jahreswende 1600/1601 die Auftrags- solche Abschriften von wissenschaftlichen rede in der Teynkirche und veröffentlichte arbeit Apologia Tychonis contra Reimarum Briefen. Außerdem hatte Brahe auf seinen sie im gleichen Jahr zusammen mit einem Ursum, mit der er in den Streit um die beiden Studienreisen (1562-1565, 1566- Gedicht Keplers auf Tycho Brahe, der Elegia Urheberschaft des Braheschen Weltsystems 1568) jeweils längere Zeit in Wittenberg in obitum Tychonis Brahe (KGW 12, S. 234- zwischen Brahe und Ursus eingreifen muß- studiert (u.a. bei Caspar Peucer). Bevor er 238, 404-407). Diese Elegie wurde mehr- te. Für Brahe war die Erde der Mittelpunkt sich in Prag niederließ, hielt er sich län- mals nachgedruckt. Jessenius siedelte 1602 des Weltalls, um den Sonne, Mond und gere Zeit in Wittenberg auf. Dort hatte er nach Prag über, 1609 nach Wien. 1614 Fixsternsphäre kreisen, während für ihn im früheren Melanchthon-Haus gewohnt kehrte er nach Prag zurück und wurde nach zugleich die Sonne das Zentrum der fünf - bei seinem Freund Johannes Jessenius, dem Prager Fenstersturz dort enthauptet. Planetenbahnen bildete. In Keplers Apolo- der seit 1594 Leibarzt und Professor der Von einem denkbaren Briefwechsel zwi- gia (KGW 20.1 S.17ff., insbes. S.27-30) Anatomie und Chirurgie in Wittenberg und schen Kepler und Jessenius ist nur ein Brief enthüllte Kepler, daß die Vorrede zum auch mehrfacher Dekan und Rektor war. an Kepler vom 30. November 1617 erhal- Hauptwerk des Copernicus nicht von die- Brahe kannte also die Verhältnisse in ten, in dem Jessenius als Rektor der Pra- sem selber stammt, sondern von Andre- Wittenberg. Daher ist es nicht auszuschlie- ger Universität Kepler eine Stelle an die- as Osiander anonym vorangestellt worden ßen, daß Brahe von der nicht autorisier- ser Hochschule anbietet (KGW 17, S. 243). war. Keplers Handexemplar der Revolu- ten Vorrede Osianders gehört hatte und tiones war früher Eigentum des gelehrten Briefe in Abschrift von Osiander besaß. Nürnberger Patrizier Hieronymus Schreiber. Kepler gab die Apologia nie heraus V. Kepler, Jöstelin und Rhodius - da Tycho Brahe schon im Oktober 1601 Die beiden Nachfolger von Rheticus und Abb. 1: Mysterium Cosmographicum starb und somit diese Streitschrift entbehr- Reinhold auf dem mathematischen Lehr- 74 Friederike Boockmann stuhl in Wittenberg, Jöstelin (1559-1611) ernannten „Kaiserlichen Mathematiker“ ge- 3. Aufl. bearbeitet von J. Hamel erscheint dem- und nach ihm Rhodius, kannte Kepler richtet ist (KGW 14, S.193f.). Nach Jöstelins nächst. ebenfalls. Jöstelin galt als Anhänger des Tod im Jahr 1611 hatte die Philosophische Caspar, M.: Johannes Kepler. Hrsg. von der Kep- ler-Gesellschaft Weil der Stadt. 4. Aufl. Nach- Braheschen Weltsystems. Das Verhältnis Fakultät der Universität Wittenberg Kepler druck der 3. Aufl., ergänzt um ein vollständi- zwischen Jöstelin und Kepler ist wohl eher und Rhodius als mögliche Nachfolger auf ges Quellenverzeichnis. Stuttgart 1995. kühl gewesen. Jedenfalls besteht der er- dem mathematischen Lehrstuhl vorge- Copernicus, N.: Gesamtausgabe. Hrsg. von H. N. haltene Briefwechsel zwischen beiden nur schlagen. Kepler lehnte ab, und Rhodius Nobis und M. Folkerts. Bd. VI,1, bearbeitet von aus Beobachtungsergebnissen. Dennoch bekam die Stelle (KWG Bd.18, S.571f. und A. Kühne. Berlin 1994. spricht Kepler ihm und seiner Arbeit ho- KGW 19, S.349). Dreyer, I.L.E.: Tychonis Brahe Dani Opera Omnia, hes Lob aus in dem 1604 erschienenen Es bleibt zu erwähnen, daß Kepler 15 Bd. Kopenhagen 1913-1929. Werk Astronomiae pars optica (KGW 2, auch weiterhin in seinen späteren Werken KGW - Kepler, J.: Gesammelte Werke. Hrsg. von der Kepler-Kommission der Bayer. Akademie der S. 312f.). Bald darauf sollte Jöstelin auf seine Wertschätzung gegenüber den Wit- Wissenschaften. München 1937 ff. Anfrage des Kurfürsten von Sachsen die tenberger Gelehrten - allen voran Philipp Pilz, K.: 600 Jahre Astronomie in Nürnberg. Nürnberg Schrift des Calvisius zur Kalenderreform Melanchthon - zum Ausdruck brachte. Von 1977. begutachten. Beides, die Schrift von Cal- den Schriften Melanchthons kannte Kepler Schmidt, J.: Johann Kepler. Sein Leben in Bildern visius und Jöstelins Gutachten, wurden selbstverständlich die theologischen Schrif- und eigenen Berichten. Linz 1970. anschließend Kepler zur Beurteilung vor- ten als auch die astronomischen Beobach- Wußing, H.: Geschichte der Naturwissenschaften. gelegt (KGW 15, S.548 und KGW 16, tungen, die Harmonielehre und auch seine 2. Aufl. 1987. S.442). griechische Ausgabe der Werke des Pto- Zinner, E.: Entstehung und Ausbreitung der Coper- nicanischen Lehre. 2. Aufl. durchgesehen und Der Briefwechsel mit Ambrosius lemaeus (z.B. KGW 16, S.463). Caspar ergänzt von Heribert M. Nobis. Rhodius dagegen verrät einen herzlichen Peucer, der Schwiegersohn Melanchthons Umgangston. Kepler widmete dem damals und Freund Tycho Brahes, wird von Kepler jungen Studenten ein Exemplar seines 1601 in der Widmung seiner Epitome Astro- Abbildungen: gedruckten Werkes De Fundamentis astro- nomiae Copernicanae (KGW 7, S. 7) ge- 1 Kepler plante, sein im Mysterium Cosmogra- logiae certioribus. Rhodius setzte in Wit- nannt - neben Erasmus Reinhold und phicum dargestelltes Planetenmodell in einem tenberg seine Studien fort und berichte- anderen Astronomen. Dem längst verstor- Kredenzbecher dem Württembergischen Herzog te Kepler darüber und auch über die ge- benen Astronomen Reinhold fühlte sich zu überreichen. Von diesem Becher wurden meinsamen Beobachtungen mit Jöstelin Kepler ganz besonders verbunden. Dessen jedoch nur die Modellzeichnungen ausgeführt (KGW 1, S.26/27). Hieran wird Keplers Idee in Wittenberg. Aus seiner Feder stammt Werke zitiert Kepler häufig in seinen Schrif- anschaulich: die sechs Planetenbahnen um- der erste Brief, der an Kepler als frisch ten und Briefen. Andererseits werden auch schreiben bzw. beschreiben die Um- bzw. Inkugel heute noch im Prediger- der fünf Platonischen Körper. So liegt die äu- seminar von Wittenberg Ori- ßere Saturnbahn auf der Umkugel des Würfels; die ihr nächstliegende Jupiterbahn auf der ginaldrucke aus Keplers Zeit Inkugel des Würfels und zugleich auf der aufbewahrt (s. Bibliographia Umkugel des Tetraeders, das zwischen der zu KGW Bd. 4 von 1610, Jupiter- und Marsbahn angebracht ist, und so Bd. 7 von 1618 und Bd. 10 fort. von 1628). 2 Ausschnitt aus dem Frontispiz der Rudol- phinischen Tafeln nach Keplers eigenem Ent- Wie wir gesehen haben, wurf (KGW 10, S.7). Das gesamte Bild zeigt hatte Kepler seit seinen Stu- den Tempel der Astronomie, dessen Säulen den dienjahren als Anhänger des Beobachtungen des Hipparch, Ptolemaeus, Copernicus besonders die wis- Copernicus und Brahe entsprechen. Kepler selbst hat sich nur auf einer der Seitenflächen des senschaftliche Entwicklung in Tempelsockels dargestellt. Wir sehen ihn bei Wittenberg beobachtet. Hier Kerzenschein rechnend an einem Tisch. Vor sich in Wittenberg hatten lange hat er das Dachmodell des Astronomie-Tem- vor Kepler die Professoren pels stehen, wodurch Kepler als der Vollender des Astronomiegebäudes erscheint. Auf einer Rheticus und Reinhold als er- Tafel sind seine wichtigsten Werke aufgeführt: ste das copernicanische Welt- Mysterium Cosmographicum, Astronomiae pars bild anerkannt und tatkräf- optica, Astronomia Nova, Epitome Astronomiae tig für dessen Verbreitung ge- Copernicanae. sorgt. Die zu seinen Lebzei- ten in Wittenberg wirkenden Gelehrten hatte Kepler vor- nehmlich durch Tycho Brahes Vermittlungen kennengelernt. Anm. d. Hrsg.: Frau Dr. Friederike Boockmann arbeitet seit 1979 Literatur: in der Kommission für die Herausgabe der Gesam- melten Werke von Johannes Kepler an der Bayeri- Bibliographia Kepleriana. 2. Aufl. Abb. 2: Kepler am Arbeitstisch schen Akademie der Wissenschaften in München. von Martha List, München 1968. Die 75

REIMER HANSEN Wittenberg, Tycho Brahe und sein astronomisches Weltsystem

I stian IV., in ernsten Konflikt geriet, ent- schon zu seinen Lebzeiten begann sich die Unter den großen Astronomen des Kon- schloß er sich, das Land zu verlassen und Astronomie merklich aus diesem Zusam- fessionellen Zeitalters der europäischen Ge- den Ausgang in sicherer Distanz in menhang herauszulösen und zunehmend schichte hat einer ihrer bedeutendsten Köp- Deutschland abzuwarten. Erst nachdem von der Astrologie zu trennen. Die tief- fe, Tycho Brahe (1546-1601), in einer ganz eine Aussöhnung immer unwahrschein- greifende Epochenwende der naturwissen- besonderen Beziehung zu Wittenberg, sei- licher geworden war, folgte er einem Ruf schaftlichen Revolution des 17. Jahrhun- ner Universität und dem Hause Philipp Me- Kaiser Rudolfs II., der ein entschiedener derts war mit einem grundlegenden Be- lanchthons gestanden. Er hat den Prae- Förderer der Wissenschaften und der Kün- deutungswandel der Himmelsbeobachtung ceptor Germaniae nicht mehr persönlich ste war. An seinem Hof in Prag versam- verbunden, der schließlich zur langfristigen erlebt, aber er war seinem Schüler und melte er einen Kreis berühmter Gelehrter Trennung, ja Entgegensetzung von Astro- Schwiegersohn, dem universal gebildeten und Künstler. Mit Tycho Brahe und Johan- logie und Astronomie geführt hat. Daß die Gelehrten, Mathematiker und Mediziner nes Kepler waren die bedeutendsten Astro- Begründer der modernen empirisch-theo- Kaspar Peucer (1525-1602) seit seiner Stu- nomen der Zeit in ihm vertreten: der "größ- retischen Astronomie, Tycho Brahe und dienzeit in Deutschland persönlich verbun- te Beobachter" und der "genialste Theo- Johannes Kepler, ebenfalls namhafte Astro- den. Brahe entstammte einem alten ein- retiker", wie Keplers Biograph Max Caspar logen waren, vermag die historische Ein- flußreichen dänischen Adelsgeschlecht und sie treffend charakterisiert hat. Da in Prag ordnung ihrer Biographien mit Hilfe der hatte - wie Melanchthon - bereits mit 12 eine Epidemie grassierte, mußte Tycho Periodisierung Dietrich Kurzes einleuch- Jahren das Universitätsstudium begonnen, Brahe seine Übersiedlung an den kaiserli- tend zu erklären: auf der Schwelle zwi- das ihn von Kopenhagen über Leipzig nach chen Hof in Sachsen unterbrechen und den schen zwei Epochen waren sie noch der Wittenberg und schließlich nach Rostock Winter 1598/99 über dort bleiben. Er ent- weissagerischen Tradition und schon der führte. schied sich für Wittenberg und fand Woh- naturwissenschaftlichen Revolution der An der Universität Wittenberg ver- nung in dem - ihm aus der brachte er das Sommersemester 1566. Er Studienzeit vertrauten - Haus studierte vor allem bei Peucer, der von 1554 Philipp Melanchthons, das bis 1560 als Professor für Mathematik und Peucer noch besaß, aber von Astronomie an der Artistenfakultät gelehrt seinem Kollegen, dem Profes- hatte und seither als Ordinarius für Me- sor der Medizin Johannes dizin wirkte. Peucer war zudem Leibarzt Jessenius bewohnt wurde. des Kurfürsten und galt neben dem Juri- sten Georg Cracow als führender Kopf der Schule Philipp Melanchthons, der Philip- II pisten. Beide waren zugleich zu kurfürst- Der Berliner Historiker Diet- lichen Räten aufgestiegen, Cracow 1565 rich Kurze hat in verschiede- sogar zum Kanzler. Sie sollten indes tief nen einschlägigen Untersu- stürzen, in Ungnade fallen und gefangen chungen die große allgemei- genommen werden, als die Philippisten im ne Bedeutung von Prophetie zeitüblichen konfessionellen und politi- und Astrologie für sämtliche schen Streit als "Kryptocalvinisten" ver- Lebensbereiche des Spätmit- dächtigt und verfolgt wurden. Als Peucer telalters und den Übergang zur schließlich nach zwölf Jahren aus der Neuzeit unterstrichen und trif- Festungshaft freikam, ging er nach Des- tig begründet, daß man das sau, wo er die restlichen Jahre seines Le- halbe Jahrtausend vom 12. bis bens als Rat und Leibarzt des Fürsten von zum 17. Jahrhundert "sub Anhalt verbrachte. Tycho Brahe hat von specie prophetiae et astrolo- Dänemark aus mit seinem Wittenberger giae geradezu als eine histo- Lehrer korrespondiert und ihm 1589 in rische Periode begreifen" kön- einem berühmt gewordenen Brief sein ne. Philipp Melanchthon darf Weltsystem mitgeteilt und erläutert. mit Fug und Recht noch als Als Tycho Brahe 1597 mit seinem Repräsentant dieses spezifi- Fürsten, dem jungen dänischen König Chri- schen Zeitalters gelten. Doch Abb. 1: Tycho Brahe in seiner Werkstatt 76 Reimer Hansen

Himmelsbeobachtung und ihrer Deutung Heinrich Rantzau, hat den Umriß des neuen ten ließ. In der Geozentrizität ließ Tycho verbunden. Weltsystems (nova mundani systematis Brahe sich vor allem von der Heiligen Anders als Kepler hat Tycho Brahe hypotyposis) mit zwei erläuternden Absät- Schrift leiten, in der Heliozentrizität folgte sich im Laufe seines Lebens zunehmend zen in mehreren Exemplaren aus dem Werk er auf Grund seiner eigenen Beobachtun- von der Astrologie gelöst und ihren pro- exzerpieren lassen und an verschiedene gen der neuen Lehre des Copernicus. Die gnostischen Erkenntniswert schließlich Experten verschickt. Er griff damit in den Geo-Heliozentrizität der fünf bekannten grundsätzlich in Zeifel gezogen. 1587 äu- Streit um die Urheberschaft des neuen Planeten ermöglichten ihm eine Erklärung ßerte er freimütig in einem Brief an sei- Weltsystems ein, das Brahe vor allem von ihrer Bahnen am abendlichen Sternenhim- nen entfernt verwandten "Schwager", den Nicolaus Reimers Ursus streitig gemacht mel, die an der Kreisform festhalten konnte, mecklenburgischen Adligen Heinrich Beloff wurde, während Brahe seinen Kontrahen- ohne auf den von Ptolemaios wie von (Below), daß er seinem König, dem er üb- ten des Plagiats bezichtigte. Eines dieser Copernicus noch benötigten Behelf der rigens auch schon mehrere ausführliche Exemplare ist bei der Korrespondenz Peu- Epizykel angewiesen zu sein. Horoskope angefertigt hatte, zwar jährlich cers erhalten geblieben (Katalog Nr. 4.6.1). Tycho Brahe und sein Weltsystem er- ein Astrologisch Prognosticon scheinen somit auf der liefern müsse, jedoch nicht vill Schwelle zwischen tradier- darauf halte vnd nicht gerne ter und moderner Astrono- mitt solchen zweiffelhafftigen mie. Es bedurfte erst noch praedictionibus vmbgehe, dar- der bahnbrechenden theo- in man die eigenttliche retischen Einsicht Johannes warheitt nicht durchauß er- Keplers, um auf Grund der forschen mag, wie sonst in gleichen Beobachtungen Geometria vnd Arithmetica, zur Erkenntnis der drei darauff die Astronomia durch Planetengesetze vorzudrin- hulff der vleißigen observation gen und damit die Schwelle ihm lauff des Himels gebawet zur modernen Astronomie wirtt. An anderer Stelle des zu überschreiten. Tycho Briefes bekennt er in der glei- Brahes Weltsystem erfreu- chen bündigen Argumenta- te sich im ausgehenden tion und Wertung, daß er sich 16. und frühen 17. Jahr- nicht gern auf die Astrologie hundert großer Verbreitung einlasse, weil darauff nieht und erheblicher Akzeptanz. vhill zu bawen sei, sondern Es vermied den Bruch nur auf die Astronomie, die mit der Kirche und refor- den wunderlichen lauff des mierte zugleich das Pto- gestirns um der Erkenntnis lemaische durch bedeu- seiner gewissen vnd tende Vorzüge des Coper- rechtmeßigen Ordnung wil- nicanischen. Es hat sich len erforsche. Hierum habe er in der Wissenschaftsge- sich seit etlichen Jahren be- schichte als das Tycho- müht, denn so könne durch nische Weltsystem einge- rechtgeschaffene Instrumenten prägt und im einzelnen nach Geometrisch vnd Arith- diverse Variationen erfah- metisch grundt vnd gewisheit Abb. 2: Tychonisches Weltsystem ren, für die sich die Be- die eigentliche wahrheitt zeichnung Semi-Tychoni- durch langwirigen fleiß vnd arbeitt gefunden Tycho Brahe betrachtete die eigene - auf sche Weltsysteme eingebürgert hat. werden. jahrelange, präzise Observation gestütz- Ohne die große praktisch-empirische Als Tycho Brahe diese Zeilen schrieb, te - Deutung des Laufs der Gestirne selbst- Leistung Tycho Brahes wäre die theore- hatte er soeben sein - bereits vor einem bewußt als die gefundene eigentliche tische Johannes Keplers und damit die Jahrzehnt begonnenes - Werk über neuere wahrheitt und hielt sie der alten des wissenschafliche Revolution der Himmels- Himmelserscheinungen De Mundi Aetherei Ptolemaios wie der neuen des Copernicus beobachtung und -deutung im 17. Jahr- recentioribus Phaenomenis abgeschlossen, für überlegen, weil sie deren Mängel aus- hundert schwerlich möglich gewesen. Der das sich zur Hauptsache mit dem Kome- schließe und den Himmelserscheinungen Herausgeber der Opera Omnia und Bio- ten des Jahres 1577 befaßte, aber auch den genauestens entspreche. Dabei war sie eher graph Tycho Brahes, J.L.E. Dreyer, spricht Umriß und die Erläuterung seines Welt- ein Kompromiß oder eine Synthese aus bei- daher völlig zu Recht von der "Umwäl- systems enthielt. Brahes Mittelsmann, der den, denn sie hielt an der Geozentrizität zung ..., die Tycho in der praktischen Astro- Melanchthon-Schüler, Humanist und kö- des Ptolemaischen Weltbildes fest, wäh- nomie" herbeigegeführt habe. Der Ort dieser niglich-dänische Statthalter in den rend sie für alle anderen Planeten die grundlegenden Neuerungen war die im Herzogtümern Schleswig und Holstein, Heliozentrizität des Copernicanischen gel- Öresund gelegene kleine Insel Hven, die 77 Wittenberg, Tycho Brahe und sein astronomisches Weltsystem

Tycho Brahe 1576 vom dänischen König gesetzt und seinen Namen auf Dauer mit Christianson, Cambridge u.a.1990 Friedrich II. auf Lebenszeit zu Lehen er- dem Werk Tycho Brahes und Johannes D. Kurze, Astrologie und Prophetie im spätmittel- halten und mit dessen großzügiger Unter- Keplers verbunden. alterlichen Geschichtsdenken, in: A. Mächler u.a. (Hg), Historische Studien zu Politik, Ver- stützung durch die Errichtung seiner be- fassung und Gesellschaft. Festschrift f. Richard rühmten Instrumente auf der Uraniborg Literatur: Dietrich, Bern u.a.1976, S. 164-l86 (Arx Uraniborgum) und der sie ergänzenden C. Jones Schofield, Tychonic and semi-Tychonic world Stjerneborg (Stellaburgum) zum vielbe- I.L.E. Dreyer (Hg.),Tychonis Brahe Dani Opera systems (The Development of Science. Sources suchten und weithin bestaunten, modern- Omnia,15 Bde, Kopenhagen 1913-29 for the History of Science), New York 1981 sten astronomischen Observatorium Eu- ders., Tycho Brahe. Ein Bild wissenschaftlichen Le- E. Rosen, Three Imperial Mathematicians. Kepler ropas ausgebaut hatte. Hier ist in zwei Jahr- bens und Arbeitens im sechzehnten Jahrhun- trapped between Tycho Brahe and Ursus, New dert. Aus d. Dän. v. M. Bruhns. Mit e. Vorwort York 1986 zehnten kontinuierlicher exakter Beobach- v. W. Valentiner, Karlsruhe 1894 (Nachdruck A. Blair, Tycho Brahe's Critique of Copernicus and tung der Sternkatalog entstanden, dessen Wiesbaden 1972) the Copernican System, in: Journal of the Daten Kepler systematisch ausgewertet und M. Caspar, Johannes Kepler, Stuttgart 31958 History of Ideas 51 (1990), S. 3 55-3 77. 1627 in den Tabulae Rudolphinae veröf- K.P. Moesgaard, Tyge Brahe, in: Dansk Biografisk fentlicht hat. Dieses Werk hat mit seinem Leksikon, 3. Ausgabe, 2 {1979), S. 429-436 Titel Kaiser Rudolf II. ein würdiges Denkmal W. Norlind, Tycho Brahe.En levnadsteckning med Abbildungen: nya bidrag belysande hans liv och verk, Lund 1 Tycho Brahe bei der Sternbeobachtung am gro- 1970 ßen Mauerquadranten in seiner Uraniborg auf V.E. Thoren, The Lord of Uraniborg. A Biography Abb. 3: Rudolphinische Tafeln Hven im Jahre 1587. Kupferstich aus dem Atlas of Tycho Brahe. With contributions by J.R. von Joan Blaeu, Amsterdam 1662 (Det Kongelige Bibliotek København) 2 Tycho Brahes Weltsystem. Abbildung aus sei- nem Werk De Mundi Aetherei recentioribus Phaenomenis, Uraniborg 1588. Im Mittelpunkt des Tychonischen Weltsystems steht die Erde. Um sie bewegen sich auf Kreisbahnen Mond und Sonne, während die fünf bekannten Pla- neten um die Sonne kreisen. Den äußeren Rand bildet die Späre der Fixsterne. Der lateinische Text lautet: "Umriß des neuen Weltsystems, das unlängst vom Verfasser entdeckt worden ist, durch das nicht bloß jene alte Ptolemaische Überfülle und Plumpheit ausgeschlossen wer- den, sondern auch die jüngste Copernicanische natürliche Absurdität in der Bewegung der Erde und alles den Himmelserscheinungen genaue- stens entspricht". (Det Kongelige Bibliotek København) 3 Frontispiz der Tabulae Rudolphinae,1627, des von Johannes Kepler auf Grund der Beobachtungsdaten Tycho Brahes erarbeiteten astronomischen Tafelwerks, das den Namen ih- res Förderers, Kaiser Rudolfs II., trägt. Das Frontispiz hat Georg Celer nach einem Entwurf Keplers gestochen. Es zeigt fünf historische Astronomen in einem zehneckigen offenen Säulengebäude mit ihren Instrumenten: einen namenlosen alten Chaldäer, Hipparch um die Mitte des zweiten Jahrhunderts vor und Ptolemaios um die Mitte des 2. Jahrhunderts nach Christi Geburt, Copernicus (1473-1543) und Tycho Brahe. Tycho zeigt zum Himmel und fragt Copernicus: "Was, wenn es so wäre?" (quid si sic?). Auf dem Sockel ist vorn die Insel Hven mit der Uraniborg, rechts Kepler selbst darge- stellt. Auf dem Dach stehen sechs allegorische Figuren, die mathematische und naturwissen- schaftliche Disziplinen verkörpern, und über allem gleitet der kaiserliche Adler, aus dessen Schnabel Geldstücke herabfallen. (Staatsbiblio- thek Berlin)

Anm.d.Hrsg.: Prof. Dr. Reimer Hansen lehrt Neuere Geschichte am Friedrich-Meinicke-Institut der Freien Universität Berlin. 78

WOLFGANG WILDGEN Giordano Bruno in Wittenberg

Eigenes Zeugnis Professor der Rechte und verhalf mir durch lehren kann. Trotz aller religionspolitischer seine Gunst dazu, eine Vorlesung über das Schwierigkeiten konnte Giordano Bruno Beim zweiten Verhör vor der Inquisition Organon des Aristoteles zu halten. Diese hier für einige Zeit eine „normale“ Lehr- in Venedig (30. Mai 1592) gibt Giordano und andere Vorlesungen zur Philosophie tätigkeit ausüben und dabei sogar einige Bruno den folgenden kurzen Bericht sei- gab ich während zwei Jahren. Zu dieser Schüler für seine Sache gewinnen: Hie- nes Aufenthaltes in Deutschland: Zeit, als dem alten Herzog, der Luthera- ronimus Besler, der ihm später als Schreiber ner war, sein Sohn, der Kalvinist war, auf half, Gregor Schönfeld, Justus Meier, Hans „Ich verließ Paris wegen der Tumulte und dem Thron gefolgt war, begann dieser die- von Warnsdorf, Michael Forgacz. Zu ei- ging nach Deutschland; den ersten Halt jenige Partei zu unterstützen, welche ge- nem weiteren Kreis von Interessierten machte ich in Mainz, einer Stadt mit ei- gen mich war. Deshalb nahm ich meinen gehörten Velens Havekental, Alcidalius nem Erzbischof, welcher der erste Kurfürst Abschied und ging nach Prag, wo ich sechs (1567-1595) und Matthäus Wacker von des Reiches ist. Dort blieb ich zwölf Tage. Monate blieb.“ (Übersetzung und Hervor- Wackenfels (1550-1619), der später Johan- Da ich weder dort noch in Wiesbaden, ein hebung W.W.; vgl. Firpo, 1993) nes Kepler auf Brunos Tod aufmerksam Ort in der Nähe, eine Gesellschaft nach mei- machte, und dem Kepler seine Neujahrs- nem Bedarf vorfand, ging ich nach Wit- schrift „Vom sechseckigen Schnee“ gewid- tenberg in Sachsen. Dort fand ich zwei Wissenschaftliche Tätigkeit met hat (1611). Fraktionen vor, eine philosophische, die an der Leucorea In Wittenberg entstehen 1587 drei aus Kalvinisten bestand, und eine theolo- Nach der turbulenten Rückkehr von Lon- Schriften, von denen die beiden letzten gische, die von Lutheranern gebildet wurde. erstmals 1890 und 1891 gedruckt wurden: Unter diesen befand sich ein Doktor na- don nach Paris und der Reise durch ver- mens Alberigo Gentile aus den Marken, den schiedene deutsche Städte findet Bruno in Wittenberg wieder einen Ort, wo er frei - De lampade combinatoria lulliana ich in England kennengelernt hatte. Er war (Wittenberg, 1587) - Animadversiones circa lampadem lullianam (Fragment; 1890 gedruckt) - Lampas triginta statuarum (1891 erst- mals gedruckt)

In der lullischen Schrift: „De lampade combinatoria lulliana“ (Wittenberg 1587) fällt zuerst auf, daß alles, was die Londoner Zeit an reicher Ernte eingebracht hat, wie vergessen scheint. Bruno bedankt sich aus- führlich bei den Mitgliedern des Senats der Akademie Wittenberg, die er namentlich nennt. Man hat den Eindruck, als mache unser Philosoph sich klein, um unter den Fittichen der Akademie Duldung zu fin- den. Bruno kommentiert auch kurz seine philosophischen Bezugspersonen: Johan- nes Eruigena, dessen Werk für die Lullische Tugendlehre wichtig ist; Cusanus, der die Idee der unendlichen Welten und der Ver- einigung der Gegensätze vorgedacht hatte. Kritisch nimmt Bruno zu Paracelsus Stellung, den er zwar lobt, dem er aber vor- wirft, nicht deutlich zu machen, daß sei- ne Methode vom Lullismus ausgeht. Agrip- pa von Nettesheim ist für Bruno in erster Abb. 1: Holzschnitt, vermutlich von Brunos eigener Hand Linie ein Lullist, nur rückt er allzusehr sich Giordano Bruno in Wittenberg 79 selbst in den Vordergrund. Bruno selbst erscheint somit als einer ehrwürdigen Tradition verpflichtet und als besonders kompetent in Fragen des Lullismus. Es ist denkbar, daß Bruno sich im Kontext ei- nes erneuten Interesses an Lullus als der wichtigste Vertreter dieser Richtung ne- ben Paracelsus und Agrippa anbieten woll- te. Vom Copernicanismus, der in der Nach- folge Melanchthons in Wittenberg abge- lehnt wurde, ist keine Rede. Bruno bietet der Akademie Wittenberg an, die schwie- rigen Stellen des Lullus zu erläutern, Ver- wirrtes in seinem Werk zu trennen und Ver- stecktes zugänglich zu machen.

Der Weggang erfolgte nicht unter Zwang, die Konsequenzen der Visitation waren aber bereits absehbar. Eventuell hat ihn der Humanist Nicodemus Frischlin, der im Abb. 2: Mondgöttin aus einem Werk Brunos, unspezifischer Druckstock Juli 1587 aus Prag nach Wittenberg kam, bewogen, in der kaiserlichen Residenz sein gen illustrieren dieses Nebeneinander. Man Ciliberto, Michele, 1992. Giordano Bruno, Editori Glück zu suchen. könnte sagen, daß Giordano Bruno (wie Laterza, Bari. In Prag (1588), wo Bruno nur sechs später Johannes Kepler) versucht, die Firpo, Giordano, 1993. Il processo di Giordano Bruno Monate lebt, publiziert er die erste Schrift Astrologie und eine diese nutzende Mne- (hg. und eingeleitet von Diego Qualioni), Salerno mit neuen Widmung und schickt ihr die Editrice, Rom; erste Ausgabe 1949. motechnik auf der Basis der neuen Er- kleinere Schrift „De lulliano speciorum Friedensburg, Walter, 1917. Geschichte der Univer- kenntnisse des Copernicus zu reformieren. scrutinio“ voraus. sität Wittenberg, Niemeyer, Halle. Bereits 1594 beschreibt er in dem Dialog Wildgen, Wolfgang, 1993. Anschauung, Phantasie „Spaccio de la bestia trionfante“, wie und mentale Repräsentation (von Giordano Verhältnis zu Jupiter die Benennung der Tierkreiszeichen Bruno bis zur kognitiven Semantik), in: H.J. so verändert, daß ein Atlas der Tugenden Sandkühler (Hg.), Repräsentation und Modell, Astronomie und Astrologie Formen der Welterkenntnis, Schriftenreihe des und Laster am Himmel entsteht. Zentrums Philosophische Grundlagen der Wis- Brunos Bezug zur Astrologie ist zwiespältig. senschaft, Bremen, Universitätsverlag, Bd. 14: In seiner Komödie „Candelaio“ verspot- 61-88. tet er den Aberglauben von Chiromanten Literaturhinweise: und Astrologen, in dem Pariser Hauptwerk Bruno, Giordano 1591(a): De triplici minimo et „De umbris idearum“ vertritt er eine neu- mensura. Ad trium scientiarum & multarum Abbildungen: platonische Kosmologie, bei der ewige activarum artium principia, Libri V, Francofurti 1591. (Bremen, Staats- und Universitätsbiblio- 1 Holzschnitt (vermutlich von eigener Hand Ideen über die äußeren Bezirke des Kos- thek, IV, C, 143). Giordano Brunos für diesen Druck eigens ge- fertigt) aus: Bruno, Giordano 1591(a):143. mos, die Tierkreiszeichen und die plane- Bruno, Giordano 1591(b): De imaginum, signorum tarischen Schalen, zu denen er noch die & Idearum compositione, Ad omnia 2 Holzschnitt (vermutlich vom Drucker aus ei- Sonne zählt, auf den menschlichen Ver- Inventionum, Dispositionum & Memoriae genera ner Ausgabe von „Flores Astrologiae“ (z.B. die Libri tres, Francofurti, 1591 (Bremen, Staats- Ausgabe von 1500) eingefügte Tierkreisbilder, stand wirken (dies beinhaltet grob die vgl. Bruno, 1991(b): Einführung b:XXXIV-XIV. Redeweise von den „Schatten der Ideen“). und Universitätsbibliothek, Bib.: VII, C, 49b). In seiner in London verfaßten kosmolo- -, 1991a. De Umbris Idearum, Bd. 1 von: Le Opere Latine: Editione storico-critica, Instituto gischen Trilogie vertritt Bruno offensiv Nazionale de Studi sul Rinascimento, Florenz. Anm. d. Hrsg.: einen ins Unendliche projizierten Coper- -, 1991b. On the Composition of Images, Signs and Prof. Dr. Wolfgang Wildgen ist Professor der Lin- nicanismus. Im Detail weicht er aber sy- Ideas (hg. von D. Higgins), Willis, Locker & guistik an der Universität Bremen und Mitglied des stematisch von Copernicus ab, so daß Owens, New York. Zentrums Philosophische Grundlagen der Wissen- seine Astronomie eher symbolisch als -, 1993. Chandelier, Bd. 1 von: Oeuvres Complètes schaften (Universität Bremen). Seine wichtigsten streng geometrisch zu nennen ist. Brunos (übers. von Yves Hersant), Les Belles Lettres, Arbeitsbereiche sind: Moderne Sprachtheorien (mit Paris. Schwerpunkt auf der Modellbildung im Rahmen der Position wird deshalb von technischen -, 1994. Giordano Bruno. Ausgewählt und vorge- Theorie Dynamischer Systeme), Sprachphilosophie Astronomen (z.B. Tycho Brahe) abgelehnt. stellt von Elisabeth von Samsonow, Diederichs (mit Histographie der Sprachwissenschaft und In der Frankfurter Spätschrift „De ima- (Reihe: Philosophie jetzt!), München. Semiotik) und Soziolinguistik. ginum, signorum et idearum compositione“ Canone, Eugenio (Hg.) 10992. Giordano Bruno. Gli Ende 1997 erscheint, als Resultat seiner seit 1992 (1591) verbindet er geometrisch definierte anni napolitani e la ‘peregrinatio’ europea, laufenden Beschäftigungen mit Giordano Bruno, von Prof. Wildgen ein Buch mit dem Titel „Das kosmi- Gedächtnisorte mit traditionellen astrolo- Immagini, Testi, Documenti. Università degli Studi, Cassino. sche Gedächtnis“, aus dem einige Passagen in oben gischen Bildinhalten. Die beiden Abbildun- abgedruckten Artikel eingeflossen sind. 80

GABRIELE SPITZER Leonhard Thurneysser zum Thurn - Arzt, Astrologe und Drucker im Berlin des 16. Jahrhunderts

Leonhard Thurneysser zum Thurn ist eine wurde sein erster Kalender für das Jahr Als Leibarzt verfügte er über ein ge- der widersprüchlichsten, aber auch faszi- 1572 gedruckt, der durch seinen alchimi- sichertes Einkommen. Er erteilte medizi- nierendsten Gestalten in der Berliner Ge- stisch-astrologischen Inhalt besten Absatz nische Ratschläge auch an zahlreiche Per- schichte. fand. sonen außerhalb der kurfürstlichen Familie. Seine Wirksamkeit geht weit über Eine Begegnung in Frankfurt/Oder mit dem Das von ihm entwickelte Harnproben- Berlin hinaus, war er doch ein weitgerei- brandenburgischen Kurfürsten Johann verfahren ermöglichte ihm medizinisch ster und vielseitiger Mann. Georg und die Heilung dessen Frau durch sehr eigenwillige Ferndiagnosen gegen Be- Thurneysser wurde 1530 in Basel ge- Thurneysser veränderte Thurneyssers Le- zahlung. Er verfaßte Horoskope und Na- boren, wo er zunächst eine Lehre als Gold- ben stark. Er wurde vom Kurfürst zum Leib- tivitäten, fertigte in den von ihm einge- schmied bei seinem richteten Laboratorien Kosme- Vater absolvierte. Doch tika, Medikamente und alchi- frühzeitig interessierte mistische Produkte, die gegen ihn die Medizin und er guten Gewinn verkauft wur- wurde Famulus bei ei- den. nem Basler Arzt. In den folgenden Jahren ging 1574 gründete er im Grauen er auf Wanderschaft, Kloster seine eigene Drucke- kam nach England und rei, die die von ihm verfaßten Frankreich und ver- Werke in bester Ausstattung dingte sich als Söldner drucken sollte. Zur Einrichtung in der Armee des der Druckerei erwarb er zahl- Markgrafen Albrecht reiches Typenmaterial, das er von Brandenburg. Er im wesentlichen aus Witten- geriet in Gefangen- berg bezog, jener Metropole schaft und kehrte 1555 des Druckwesens im 16. Jahr- nach Basel zurück. hundert. Unzählige Briefe be- Nach einer überstürz- legen, welches Typenmaterial ten Heirat verließ er die benötigt wurde, in welcher Stadt erneut und berei- Schriftart und in welchem ste Portugal und Spa- Umfang. nien, Italien, Kleinasien Den Papierhandel führte und Ägypten. Durch er mit dem Wittenberg Buch- seine Kenntnisse im händler, Verlegen und Druk- Bergbau und im Hüt- ker Samuel Selfisch, der Thur- tenwesen legte er im neysser auch oft bei den Mes- Auftrag des Erzherzogs sen in Leipzig und Frankfurt Ferdinand von Öster- vertrag. reich Schmelz- und Schwefelhütten an. Als Nach einer Apothekertaxe Apothekerarzt des Bi- 1574 und einem ersten Band schofs von Münster des „Onomasticums“ erschien konnte er sich nicht in Thurneyssers Druckerei recht fügen. Es boten 1575 sein Werk „Archidoxa“ sich neue Ziele. Thur- Abb. 1: Aus einem Brief an Thurneysser und noch im gleichen Jahr die neysser verfaßte zahl- „Erklärung der Archidoxa“. Der reiche Schriften auf seinen Reisen, die er arzt ernannt und ihm wurde das Graue Klo- Inhalt diese Werke ist eine Mischung aus nun drucken lassen wollte. Er begab sich ster in Berlin als Wohn- und Arbeitsstät- astrologischen und alchimistischen Be- nach Frankfurt/Oder, wo er in der Druk- te zur Verfügung gestellt. Es begannen die trachtungen, verbunden mit Berichten über kerei des Johann Eichhorn sein Buch „Pi- erfolgreichsten Jahre in Thurneyssers seine Erlebnisse auf seinen Reisen. Zur „Er- son“ drucken ließ. Ebenfalls in Frankfurt wechselhaftem Leben. klärung der Archidoxa“ gehören 8 groß- Leonard Thurneysser zum Thurn - Arzt, Astrologe und Drucker im Berlin des 16. Jahrhunderts 81

Abb. 2: Druckersignets Thurneyssers künstlerischem Interesse, denn die ner Widersacher und von Jost Amman (rechts) Zeichnungen lieferte der be- Feinde. 1596 starb er kannte Jost Amman. verarmt in Köln. In Thurneyssers Druk- Thurneysser war formatige Holzschnitte - „Astrolabium“ ge- kerei erschienen noch zahl- Arzt, Alchimist, nannt, die oft für eine eigenständige Pu- reiche Bände, zu den er- Astrologe und blikation Thurneyssers gehalten wurden. folgreichsten gehören die Drucker - einer Über den Holzschnitten befinden sich Kalender, die Thurneys- jener genialen drehbare Scheiben, die des Menschen ser jedes Jahr veröffent- und wider- Schicksal und Lauf aufzeigen soll. Jedem lichte. Dank seiner zahl- sprüchlichen Planeten ist eine Tafel gewidmet, ebenso reichen Kontakte im In- Personen des der Sonne und dem Menschen und dem und Ausland verfügte er 16. Jahrhundert Mond. Neben dem astrologischen Inter- über genügend Informatio- an der Schwelle esse, das sie weckten und sich als großer nen, die er in seinen Kalen- einer neuen Zeit. Verkaufsschlager erwiesen, sind sie von dern veröffentlichen konnte.

Nach erfolgreichen Jahren mußte Abb. 3: Landkarte Stella von Sigens mit Thurneysser Berlin 1584 fast fluchtar- astrologischen Motiven, gefunden in tig verlassen. Zu groß war die Zahl sei- Umschlag v. Thurneyssers Astrolabium Literaturhinweis: Spitzer, Gabriele: ...und die Spree führt Gold: Le- onhard Thurneysser zum Thurn, ‘Astrologe - Alchi- mist - Arzt und Drucker im Berlin des 16. Jahr- hunderts; (Ausstellung der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz vom 15. August - 30. Sep- tember 1996), Wiesbaden 1996

Abbildungen: 1 Johannes Sager an Leonhard Thurneysser. Be- schreibung von Astronomischen Geräten, die Thurneysser zum Kauf angeboten wurden. Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kul- turbesitz, Handschriftenabteilung Ms. Bor. Fol. 685, Bl. 278 2 Jost Amman: Leonhard Thurneyssers Drucker- signet, der Pegasus mit Thurneyssers Wappen und einer Armillarsphäre. Holzschnitt. Titel- blatt in: Leonhard Thurneysser, „Confirmatio Concertationis“, Berlin 1576. SBB - PK, Kc 920a R 3 Sigen, Tilmann Stella von: Die gemeine Landtaffel des Deudschen Landes. Wittenberg, 1560. Francisceumsbibliothek Zerbst Die Karte wurde für Johann Albrecht, Hzg. zu Mecklenburg, gedruckt. Sie wurde 1977 von einem Leipziger Geographen auf der Innenseite des vorderen Deckels eines „Astrolabiums“ von Thurneysser (um 1580) entdeckt und als sel- tener Druck erkannt. 1977/78 erfolgte die Heraustrennung sowie um- fangreiche Restaurierung in der Deutschen Bü- cherei Leipzig.

Anm. d. Hrsg.: Dr. Gabriele Spitzer ist wissenschaftliche Mitarbei- terin der Staatsbibliothek zu Berlin. 82

OLIVIA BARCLAY William Lillys Schriften und das Bedürfnis nach traditioneller Astrologie

Anm.d. Hrsg.: Christi Geburt und nun erstmals übersetzt. und die Regentschaft über das siebente und Die Prudensischen Tafeln des Melanchthonschülers Es war wichtig festzustellen, daß Paulus zwölfte Haus übernehmen. Der Mond be- Erasmus Reinhold wurden auch in England zur von Ptolemaeus abwich durch die Vergabe findet sich im Spiegelpunkt zur Sonne im Horoskoperstellung verwendet, vor allem von John Dee, über den in diesem Text die Rede sein wird. Dee der Wassertriplizität im astrologischen Steinbock, welches auf eine Neigung zu hatte auch intensive Kontakte zu Tycho Brahe und Herrschersystems tagsüber an die Venus. Reisen hindeutet. Aber es sind die Plane- reiste Ende des 16. Jahrhunderts durch Nordeuro- Aber wie können die durchschnittlichen ten Mars in Wassermann in dem zwölf- pa, nach Polen und Prag. Ob er Wittenberg auch Astrologen heutzutage, nicht vertraut mit ten und Saturn in Skorpion in dem sie- besuchte, ist nicht gesichert. Es lag jedenfalls auf der Reiseroute. den Bestimmungstabellen der Planeten, benten Haus, welche hindeuten auf Inhaf- Der von mir in Auszügen übersetzte Text ist für diesen Unterschied würdigen geschweige tierungen und sehr viele Gefahren und Miß- Freunde der klassischen Astrologie sehr informa- denn den Wert von Alexandrinus’ Arbeit geschicke und der Tod eines Ehemann, tiv. Daß nicht alle verwenden Begriffe auch Laien überhaupt bewerten? Hierfür müßten sie welcher ihr widerfuhr. verständlich sind, möge bitte toleriert werden. zuerst die althergebrachte Methoden, die Bei dem von Frau Barcley erwähnten ‘Project er diskutiert, verstehen - und dies deshalb, Es ist wahr, daß wir bereits ein paar alte Hindsight’ handelt es sich um ein großangelegtes weil es eine große Bildungslücke bei der Bücher in Englisch haben, die wir studieren Forschungsprojekt US-amerikanischer Astrologen. Zu den Klassikern der Sternendeutung, die von Robert können. Zum Beispiel können Sie ‘The Hand und Robert E. Schmidt bereits übersetzt Astronomica’ von Manilius, der ungefähr wurdem, zählt auch das in der Ausstellung gezeig- der Zeit von Christus lebte, erwerben. Es te Werk „De ivdiciis nativitatvm, Nürnberg 1545“ ist ein schönes Heldengedicht, beschrei- von Melanchthons engem Freund Johannes Schö- ner, zu dem der Praeceptor Germaniae das Vorwort bt die Auffassungen jener Epoche ein- schrieb. schließlich der Tatsache, daß die Erde eine Kugel ist. (Dieses Buch ist bei Loeb ver- öffentlicht.) Es enthält die früheste mir be- kannte Beschreibung von den Häusern und (...) Astrologie ist das Studium der Wir- zeigt, daß sie sich zu jener Zeit aus einer kung von Geist mittels himmlischer Körper primitiveren Astrologie heraus entwickelt auf alle manifesten materiellen Angele- hatten, in der Lichter und Winkel eine genheiten dieses Erde, oder wie Cardanus, besondere Bedeutung hatten. Die Häuser der berühmte, so begabte italienische wurden mit Namen benannt und nicht Astrologe des sechzehnten Jahrhunderts durch Zahlen, wie Sie es außerdem im es in einem meiner Lieblings-Aphorismen Tetrabiblos von Ptolemäus (Seite 273) fin- sagte: ‘Der Himmel ist das Instrument des Abb. 1: Queen Mary (7.12.1542) den können, das weniger als ein Jahrhun- allerhöchsten Gottes, der dort oben han- dert später geschrieben wurde. Manilius delt und die unteren Dinge regiert’. (...) erzählt uns, daß die Häuser Tempel genannt Ich würde gern einige große Astro- Mehrheit der gegenwärtigen Astrologen wurden, und die Wandelsterne, welche für logen der Vergangenheit erwähnen, welche gibt. Abgesehen vom sprachwissenschaft- Götter gehalten wurden, hatten ihre uns viel zu lehren haben. Es ist absurd, daß lichen Bemühungen des ‘Project Hindsight’ Wohnstätte in bestimmten Tempeln. Mer- ihre Arbeit derart ignoriert wurde, einfach es ist bedeutsam, daß Graeme Tobyn in kur hatte seinen Wohnsitz im ersten Haus nur deshalb, weil sie in einer sich so von London eine Arbeitsgemeinschaft ‘Latein wegen seiner Beziehung zum Kopf, der der unsrigen unterscheidenden Kultur leb- für Astrologen’ gegründet hat. (...) Hier ist Zunge und dem Gedächtnis. Merkur gab ten, welche nicht so sehr dem Materialis- das Horoskop von Queen Mary of Scots seinen Namen Stilbon (der Glitzernde) an mus verhaftet war und ganz andere Werte in Graemes Übersetzung. das erste Haus. Merkur im zehnten Haus, hatte. Vermutlich abonnieren die meisten dem des Erfolges, macht einen erfolgrei- von Ihnen ’Project Hindsight’, eine Orga- (...) Es sollte jedermann völlig klar sein, chen Redner. Merkur wird assoziiert mit nisation unter der Leitung von Robert der nach den früheren Glück und den der- dem Gehirn. (...) Hand, welche sich der riesigen Aufgabe zeitigen Katastrophe dieser Königin sucht, Sie sehen, daß jedes Haus des Ho- verpflichtet hat, all die maßgeblichen Ar- daß das Schicksal seinen eigenen Anteil roskops die Eigenschaften des Planeten an- beiten historischer Astrologen ins Engli- an den menschlichen Angelegenheiten hat. nimmt, der sich darin befindet Folglich hat sche zu übersetzen. Eines der meiner Mei- Und so hat die Königin in ihrer Nativität das fünfte, immer das Haus von Glück kön- nung nach namhaftesten ist das Buch von Saturn im Quadrat zu Mars, welche in nen, die Eigenschaften von Venus, Ver- Paulus Alexandrinus, geschrieben 378 nach ähnlichen und gewalttätigen Zeichen stehen gnügen, denn Venus hat ihre Wohnsitz im John Lillys „Christian Astrology“ und die Beschäftigung mit traditionellen Deutungstexten 83 fünften. Manilius erklärt, das sich durch unserer verweltlichten Gesellschaft gilt dies nannt, und Schlechtes Glück von Ptole- die Tempel die Bewegung des Tierkreises auch für Philosophie und tiefe Gedanken maeus. Arbeit wurde damals offensicht- hindurchzieht, und daß die Planeten wäh- und höhere Bildung sowie ihr Gegenstück lich als unerwünscht angesehen. Es be- rend des Durchquerens ihr Eigentum mo- auf dem physischen Ebene, weite Reise. schreibt außerdem Krankheit und herrscht difizieren (Seite 159). (...) Das vierte Haus ist die Basis der Horo- über kleine Tiere. Das achte zeigt die Res- Also hat es mindestes seit den letz- skopzeichnung. Die untere Himmelsmitte sourcen des siebenten und der Herrscher ten 2.000 Jahren in der abendländisch- wurde es von Ptolemaeus genannt und es des Zeichen an seiner Spitze ist der Herr westlichen Astrologie eine Unterscheidung herrschte über massive, unbewegliche des Todes. zwischen Häusern und Zeichen gegeben Objekte wie Gebäude und Land und Berg- hat. (Indische Astrologie verwendet andere werke. Es ist die Ursprung, der Anfang und Traditionell sind die Planeten von größerer Methoden) Wenn wir westliche Astrolo- das Ende; es beherrscht Väter und Alte, Wichtigkeit als die Zeichen. (...) In der se- gie studieren, sollten wir daher akzeptie- und es ist die Aufenthalt Saturns. (...) riösen Astrologie müssen wir uns daran ren, daß die Häuser und Zeichen nicht Das zehnte Haus wird der Haus von erinnern, daß die Zeichen nur Eigenschafts- zueinander gleichzusetzen sind. Ich zitiere Ruhm und Autorität. Es zeigt jemandes wörter sind, die die Planeten beschreiben. William Lilly, welcher schrieb: ‘Wer die Erfolg und gesellschaftlichen Stand. Das Sie werden ausschließlich mit vier verschie- Natur der Planeten und Zeichen ohne exakte elfte ist, wie ich bereits erwähnt habe, ist denen Dingen in Verbindung gebracht: Beurteilung der Häuser erlernen will, ist das glückliche von allen, der gute Dämon, Ländern, Krankheiten, Beschreibungen von gleich einem unvorsichtigen Mann, der sich beherrscht von Jupiter, dem Wohltäter. (Bei physischen Phänomenennungen und Orten mit Haushaltswaren ausstattet, aber kei- (Lilly, Christian Astrology, Seite 100) (...) ne Platz hat, wohin er sie stellen könnte’. Wir besitzen nicht die ursprünglichen Jede Handlung, jedes Ereignis, jede Arbeiten von Ptolemaeus mit seinen Ori- Person oder Ding in diesem Leben ist ei- ginaltabellen der essentiellen Zuordnun- nem dieser Häuser zugeordnet. Dieser gen der Planeten, aber ich benutze die von Herrschersystem ist kein Ansichtssache, Lilly in Christian Astrology gegebene Ver- sondern durch Tatsachen erprobt und von sion, weil Lilly sie für die Praxis einsetz- Generation zu Generation geprüft - und te und auch weil sie sich sehr Al Birunis so ist dies mit der ganzen Astrologie. (...) Version aus dem elften Jahrhundert an- nähert. Während Manilius das erste Haus Stilbon Ptolemaeus’ Astrologie, tatsächlich nannte, wurde es zu Ptolemaeus’ Zeit als alle Astrologie, wurde aus Europa im fünf- Horoscopus bezeichnet. Wenn Sie in al- ten Jahrhundert verbannte. Sie wurde sei- ten Büchern Horoskop lesen, bezieht sich tens der Araber gerettet und verwahrt. Pto- dies auf den Aszendenten, nicht auf die lemaeus’ Arbeit wurde ins Arabische über- gesamte Horoskopzeichnung. Das erste setzt. Europäische und arabische Astro- Haus beschreibt den Körper; es ist das Haus logie verschmolz. Jene Jahrhunderte brach- des Lebens. In der Stundenastrologie re- ten berühmte arabische und jüdische Astro- präsentiert es den Fragesteller. Das zwei- logen hervor, Al Kini und Abu Masha wa- te Haus bezieht sich auf die Ressourcen ren arabisch, Abraham Ibn Ezra war jü- des ersten, Lucrum (Barschaften) nannte disch. Wenn Sie in der alten Synagoge in es Firmicus im vierten Jahrhundert. Wir Kairo gewesen sind, dürfen Sie von ihm wissen nicht, wessen Wohnstätte es war, gehört haben. Die Synagoge wurde nach aber Manilius nannten es das Portal von ihm bezeichnet, als er ihre Schulden be- Pluto. Das dritte Haus ist der Wohnsitz des zahlte. Es dauerte bis zum dreizehnten Mondes, weil der Mond in Bewegung und Jahrhundert, daß die Astrologie über Spa- Abb. 2: William L:illy Form schwankt und deshalb veränderli- nien und Italien nach Europa zurück kam. che Dinge wie kurze Reisen und das, was Ptolemaeus wurde von Arabisch in Latein wir Kommunikation nennen, beherrscht. uns in der Gesellschaft wird Jupiter nicht zurückübersetzt. Sein Arbeit wurde in allen Es wurde das Haus der Brüder genannt. genug Aufmerksamkeit gezollt, er ist das Universitäten über drei Jahrhunderte ge- In der Zeit Ptolemaeus’ wurde es Dea = größte Geschenk von Gutem unter Gott.) lehrt. Er war ein großer Mann gewesen, Göttin genannt, weil es dem neunten, Deus Das zwölfte ist unglückselig und die hatte über Musik, Geographie, Optik und = Gott gegenüberstand. Das neunte Haus Freude von Saturn. Vom zwölften kommt Astronomie geschrieben; er berechnete den hing immer mit Religion und Gott zusam- nicht nur Verrat, Hinterhalt, Stiche in den Abstand des Mondes von der Erde. Er übte men und ist deshalb die Wohnstätte der Rücken und Selbstzerstörung, sondern einen enormen Einfluß auf das astrologi- Sonne. Das Wort Sonne war einst synonym auch einige angenehmere Dinge wie Al- sche Wissen aus. mit dem Wort Gott. Vettiusi Valens nannte, leinsein und große Tiere. als er die Konfiguration Jupiter Trigon Son- Ich habe die anderen unglücklichen Es war dann tatsächlich Guido Bonatus, ne beschrieb, diese Jupiter Trigon Gott. Die Häuser noch nicht erwähnt. Das sechste der eine Begeisterung für Astrologie nach Kirche gehört zum neunten Haus, und in wurde von Manilius laboris (Arbeit) ge- Europa zurückbrachte. Bonatus, wie Lilly 84 Olivia Barclay nach ihm, machte sich daran, Studenten traurige Vermutung auf, daß die Übersetzer in unsere Kunst einweisen. Seine Bücher Lilly nicht gelesen haben. sind an Leser gerichtet, welche noch nicht Es leuchtet ein daß Lilly mit der Ar- viel von Astrologie verstehen. Project beit von Bonatus vertraut und von ihr in- Hindsight hatte gerade einige seiner Ar- spirierte von, genau wie von der des Pto- beiten übersetzt, und natürlich habe ich lemaeus. Wenn Sie zufälligerweise Ptole- den Abschnitt über Stundenastrologie ganz maeus studieren, werden Sie die Wichtig- besonders genossen. Einerseits ist Bonatus keit von Dispositoren bemerken. Wenn er sehr bemüht, uns die Bedeutung von Re- uns Planeten beschreibt, beschreibt er sie zeptionen zu erklären, da die Wirksam- als Dispositoren von Eklipsen. (...) keit von einigen Aspekten sowohl von der Rezeption als auch der Natur der betrof- Vielleicht der früheste uns bekannte eng- fenen Planeten abhängt. lische Astrologe ist John Dee, persönlicher Der Übersetzer von Bonatus standen of- Astrologe von ihrer Majestät. Er war ein fensichtlich unter dem Eindruck, daß Lilly wichtiger und vermögender Mann an ih- Abb. 4: John Dee Rezeption nicht benutzte, nur gegensei- rem Hof und er wurde auch Geheimagent tige Rezeption, aber ich fand 129 Verweise für Elisabeth, nannte sich 007. Er erlang- erwähnte, war Junctius ein anderer Zeit- auf Rezeptionen allein in den Stunden- te neben anderen Dingen Berühmtheit genosse von Elisabeth. Hier die Überset- astrologie-Sektionen von ‘Christian durch sein Elektionshoroskop für die Krö- zung einer lateinischen Passage dieses gro- Astrology’, abgesehen davon erwähnte er nung der Königin im Jahre 1559. In je- ßen Sterndeuters. gegenseitige oder vermischte Rezeptionen, nen Tagen hing die Prosperität ihrer und Zweifler verweise ich nur auf Seite Regentschafts-Bestätigung von der Gunst Diese höchst heitere Königin hat in ihrer 185 von ‘Christian Astrology’, wobei die der gewählten Zeitpunktes ab. Ich habe es Nativität fünf Planeten in deren wesent- ganz Seite ist voll von Erläuterungen über ferner in meinem Buch gezeigt, weil es uns lichen Bestimmungen, nämlich Jupiter und Rezeption mit Aspekten. Vielleicht kamen brauchbare Lektionen vermittelt. Es de- Venus in ihren Domizilen, den Mond in die Übersetzer von Project Hindsight zu monstriert die Notwendigkeit, sich bei der seiner Exaltation und Freude, Merkur in ihren irrtümlichen Schlußfolgerungen, weil Erstellung eines Elektionshoroskop auf die seiner Triplizität und Mars in seinen Bonatus im dreizehnten Jahrhundert tat- Nativität zu beziehen. Dekanat. Aufgrund dieser Anhäufung er- sächlich von empfangenden Planeten Wie Geoffrey Cornelius einst aufzeig- langte sie ihres Vaters Königreich und sprach, und Lilly im siebzehnten Jahrhun- te, bilden die Lichter im Krönungshoroskop Erbschaft. Ja, die große Konjunktion(*) im dert genauso oft Dispositoren wie emp- Trigone zu den Wohltätern (Jupiter und Jahr 1484 auf exakt 21 Grad Skorpion, fangende Planeten erwähnte. Aber ein Venus) im Geburtshoroskop der Königin. von welcher viel gesprochen wurde, hat die empfangender Planet ist ein Dispositor. Es (Mond 20 Grad Widder Trigon Jupiter 20 Größe ihrer Kraft und Autorität gezeigt, ist die selbe Sache. Planeten in der Waa- Grad Schütze, und Sonne 4 Grad Wasser- und die Zeichen von Ehre, und hat ihr Leben ge werden von Venus in ihrem eigenen Zei- mann Trigon Venus 3 Grad Waage). Das mit natürlicher Würde gezeichnet, machte chen empfangen und von Saturn in sei- hier gezeigte Horoskop von Gadbury hat sie berühmt und beehrte sie mit einer Krone. ner Exaltation, was das gleich bedeutet, einen Schütze-Aszendent, aber Junctinius, Ebenfalls zeigen Venus und Merkur in ihren als wenn man davon spricht, daß Venus ein Zeitgenosse von Elizabeth, nimmt eigenen Zeichen eine bezaubernde Art zu vom Zeichen und Saturn von seiner Er- Steinbock als Aszendent. Aber welcher As- sprechen, Beredsamkeit und Wohlwollen höhung dispositiert wird. Es drängt die sich zendent auch immer richtig ist, (und ich inmitten aller Nationen, während der Mond vermute, es ist der von Junctinus, weil der im Stier unzweifelhaft ein ungewöhnliches Aszendent von Elisabeths Großvater sich Geschick in verschiedenen Sprachen und auf 16 Grad Steinbock befindet) die Kor- ein Wissen von vielen verschiedenen Wis- respondenz zwischen Lichtern und Wohl- senschaften anzeigt. tätern bleibt. In einem solchen Horoskop sollten Der Höhepunkt für die westliche Astro- auch Fixsterne benutzt werden, weil - wie logie war tatsächlich im siebzehntem Jahr- Bonatus uns erzählt - ‘die Fixsterne gro- hundert, als Lilly sein Meisterwerk ‘Chri- ße Geschenke verleihen und von Armut stian Astrology’ schrieb, 1647 vollendet zu einem außergewöhnlich Gipfel des und über 870 Seiten lang. Das ist das maß- Glück erhöhen, die Planeten tun solches gebliche Buch über traditionelle Astrologie. nicht’. Die Fixsterne erzielen dauerhafte Es ist befaßt mit Geburten ebenso wie mit Wirkungen und sollte in allen Elektionen Stundenastrologie, aber die Methoden und und all jenen Fällen benutzt werden, in denen die Situation lange anhalten wird. ______Hier ist der Mond im Trigon zum Glücks- Anm. d. Hrsg.: Nach den Deutungssystem der ‘Großen punkt, und Regulus, der königliche Stern, Konjunktionen’ wirken diese auch weit in die Zu- verleiht Triumph, Ehre und Ruhm. Wie ich kunft. Deshalb ist die Position des Mars bei 21° Skor- Abb. 3: Queen Elisabeth pion in Elisabeths Horoskop so bedeutend. John Lillys „Christian Astrology“ und die Beschäftigung mit traditionellen Deutungstexten 85

Nutzen auch seine eigenen Schlußfolge- wählen und synthetisieren, wie wir es in rungen hinzufügen. Er verstand nicht nur, ‘Christian Astrology’ finden. daß eine bestimmte Autorität die eine Methode vertrat und ein anderer eine Es gab andere ausgezeichnet Astrologen; andere Idee hatte, sondern er hatte auch Galileo (wir haben ein Horoskop für die eigene noch prägnantere Lösungen selbst Zeit, als er Neptun entdeckte, aber dach- entwickelt. Es ist diese Fähigkeit, derer die te, es wäre ein Mond von Jupiter) und der Übersetzer von Project Hindsight erman- Geograph Mercator; Newton, Kepler, Re- geln und noch entwickeln mögen. Auch giomontanus und Flamsteed, um ein paar sind die von Lilly gezogenen Schlußfol- zu erwähnen. gerungen mit jenen auf Basis mangelhafter Flamsteed war der Astronom des Kö- Informationen entwickelter heutiger Tage nigs, der das nächste Elektionshoroskop nicht zu vergleichen; Lilly veranschaulicht erstellt, das für die Gründung der Green- Abb. 5: Elisabeth (7.9.1533, 14h 26m) sein Denken mit klaren Tabellen, so daß wich Sternwarte 1675. Ich zeige es Ihnen wir die Techniken und Methoden, die er nun, weil es hoffentlich für die Jahr- erläutert hat, studieren können. (...) Techniken, die er uns zeigt, einst verstan- Wie Lilly schrieb, war er auf sein Haus den, sind für ganze Astrologie wichtig. Lilly fixiert, wegen der Pest außerstande, hin- hatte Zugriff auf eine Bibliothek von mehr auszugehen. Nachdem er einen Diener be- als 300 Büchern, und aus diesen übersetzte erdigt hatte, erwartetet er täglich den Tod. er von Latein nach Englisch. (...) Ich habe oft vermutet, daß solche Umstände Lilly war ein Mann von enormer Er- die Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit sei- fahrung. Derek Parker erzählt uns in nes Buches Rechnung tragen. So viele Ein- ‘Familiar to All’, seiner Biographie von zelheiten sind sorgfältig erklärt worden, Lilly, daß es dort Fallbücher gibt mit Da- um Studenten klar zu unterweisen, auf eine teien über Dateien von astrologischen Ta- strukturierte Weise. Seine riesige Leistung bellen, über 4.000 zwischen Juni 1654 und (man denke 870 handschriftliche Seiten!) September 1656. Lilly war ein wunderbar weicht völlig von der bevorstehenden Auf- er Arbeiter. Es beriet das Parlament wäh- gabe von Project Hindsight ab. Ich bin si- rend des Bürgerkriegs und er wurde be- cher, sie werden jene 300 Bücher gewis- stens bekannt. Er war versiert in Latein und senhaft übersetzen, Satz für Satz, und wir in Astrologie. Selbstverständlich übersetzte werden ihnen dankbar sein, daß sie uns er nicht 300 Bücher, Wort für Wort, aber die Bücher für die Anwendung verfügbar weil er in sein Sachgebiet eintauchte, machen. Aber sobald sie ihre Aufgabe voll- Abb. 7: John Flamsteed konnte nur die Essenz aus denjenigen In- endet und so viele Information übersetzt formationen unterscheiden und auswäh- haben, wird ihnen immer noch die prak- len, die ausreichten, um seine Studenten tische Erfahrung fehlen, die sie befähigen tausendvereinbarung relevant sein wird, zu lehren und zu befähigen. Er nahm nicht könnte, diese Methoden in einem Struk- auf Greenwich bezogen. Das demonstriert, nur die klügsten Köpfe der Vergangenheit turen bietenden Band zu vergleichen, aus- daß Flamsteed ein brillanter Astrologe war, in Anspruch, sondern er konnte uns zu zuerst einmal durch seinen Gebrauch von Fixsternen (Glückspunkt 11°57’ Schütze nach Regiomontanus) Spica, ein sehr wohltätiger Stern, der Ehre und Ruhm verleiht, befindet sich auf dem MC, und Regulus, der königliche Stern, konjugiert die Sonne, (das heißt für Au- gust l675). Wie ich sagte, nutzen wir Fix- sterne für Gründungshoroskope, da sie permanente Zustände wiedergeben. Zum Zweiten erweist sich Flamsteeds Brillianz durch seine Nutzung der Spiegel- punktposition von Jupiter. Jupiter be- herrscht den Aszendent und repräsentiert per se unsere Nation. Auf den ersten Blick sieht sein Position im zwölften Haus un- glücklich aus, aber nein, sein Spiegelpunkt oder Sonnenwende Punkt fällt exakt auf Abb. 6: Royal Greenwich Observatory die Spitze des zweiten Hauses, d.h. von 87

RALF T. SCHMITT Der Wittenberger Meteoritenforscher Chladni

200 Jahre nach Melanchthons Tod etabliert sich die naturwissenschaftliche Meteoritenforschung

Ganz dem Geist der Aufklärung verschrie- Teil geschenkt wurden. Diese Meteo- genes Bruchstück eines kosmischen Kör- ben war Ernst Florenz Friedrich Chladni ritensammlung führte Chladni auf seinen pers maßgeblich für das Aussterben der (geboren am 30.11.1756 in Wittenberg, ge- Reisen als Anschauungsmaterial mit und Dinosaurier und vieler weiterer Arten ver- storben am 3.4.1827 in Breslau). Dieser ei- verwendete sie in seinem wissenschaftli- antwortlich4. gentümliche Individualist hatte Forschun- chen Vortragsprogramm über die Meteori- Eigentlich ist dies eine nachträgli- gen über die Akustik angestellt und sich tenkunde. Nach seinem Tod hinterließ che wissenschaftliche Bestätigung für die irgendwann entschlossen, mit dem Plan- Chladni die Meteoritensammlung testa- Kometen- und Meteoritenfurcht des Mit- wagen durch ganz Europa zu ziehen, um mentarisch dem Berliner Mineralogischen telalters, von der auch Melanchthon und Vorträge zu halten. Zeit seines Lebens Museum, in dessen Nachfolgeorganisation Luther geprägt waren. So lächerlich ist es gelang es ihm nicht, eine sichere akade- sie noch heute aufbewahrt wird2. also nicht, wenn der Rat der Stadt Lübeck mische Anstellung zu bekommen. Selbst einst "in Ansehung des jungst erschienenen das Lob Napoleons, der ihn zu einer mehr- Ausgehend von Chladni konnte die mo- grossen und schrecklichen Cometens und stündigen Privataudienz einlud, konnte derne Meteoritenforschung nachweisen, besorglich obhanden vielfältigen Straffen hier nicht weiterhelfen. dass größere Fragmente dieser kosmischen dess durch unsere Sünde zu Zorn gereitzten Körper durch ihre hohe Geschwindigkeit Gottes" einen öffentlich Buss- und Bet- Auf einer seiner Reisen erhielt Chladni in bei einem Einschlag auf der Erde Ein- tag abhielt. Diskutieren müsste man höch- Göttingen durch den berühmten Physiker schlagskrater, sogenannte Impaktkrater, mit stes die Frage, ob Beten etwas hilft. Me- Georg Christoph Lichtenberg (1744 - 1799) Durchmessern von etwa 10 m bis zu meh- lanchthon und Luther hielten Kometen und die Anregung, sich mit den rätselhaften reren Hundert km erzeugen können3. In Meteoriten für Zeichen, die in erster Li- Phänomenen der Sternschnuppen, der Feu- Deutschland ist das Nördlinger Ries mit nie symbolisch, als Analogie zu deuten erkugeln und den vom Himmel fallenden einem Durchmesser von 24 km ein sol- sind. Steinen, den Meteoriten, zu beschäftigen. cher Impaktkrater, der vor 14.8 Millionen Diese Forschungsarbeiten wurden fortan Jahren entstand. Noch größere Einschlä- Chladni als aufgeklärter Mann des 18. Jahr- zu seinem zweiten wissenschaftlichen ge kosmischer Körper können sich auf- hunderts glaubte nicht an Zeichen und Standbein. Er führte auf seinen Reisen grund der enormen Freisetzung von En- Symbole5. Er betonte in einer seiner Schrif- durch die europäischen Universitätsstädte ergie sogar auf die Entwicklung des Le- ten über die Akustik ausdrücklich, dass umfangreiche Studien durch, in denen er bens auf der Erde auswirken, so ist ein vor man nun gänzlich auf die alten Schriften Beschreibungen dieser Phänomene in Bi- 65 Millionen Jahren nahe der Halbinsel des Ptolemäus verzichten könne. Damit bliotheken auswertete und die dazugehö- Yucatan im Golf von Mexiko eingeschla- bezog er sich auf dessen Sphärenharmo- renden Meteorite in naturkundlichen Sammlungen in Zusammenarbeit mit Che- mikern untersuchte. Schließlich gelang ihm die Lösung dieses Phämonens, die er 1794 in einer grundlegenden, noch heute gül- tigen Schrift veröffentlichte1. Chladni deu- tete die Meteorite als Bruchstücke kosmi- scher Körper, die auf die Erde fallen, und die dazugehörenden optischen Phänomene (Feuerkugeln, Sternschnuppen) als deren Fallerscheinungen. Diese und weitere Ver- öffentlichungen Chladnis bilden die Grundlage der modernen wissenschaftli- chen Meteoritenforschung.

Neben den Forschungsarbeiten baute Chladni eine für damalige Verhältnisse um- fangreiche Sammlung von 39 Meteoriten verschiedener Klassen auf, die ihm durch seine hohe Popularität und Wertschätzung in wissenschaftlichen Kreisen zum größten Abb. 1: Meteoritenfall, Holzschnitt von 1517 88 Ralf T. Schmitt nien, die an der Wittenberger Universität zu Zeiten der Reformation noch regelmässig auf dem Lehrplan gestanden hatten.

Bildnachweis: 1) Holzschnitt von 1517 über eine Meteoritenfall: Eine sphärische Chorona teilt einen Baum, wäh- rend ein abgesprengter Teil auf einen Mann zu- fliegt. 2) Der innere Aufbau eines Meteoriten, gesehen durch das Polarisationsmikroskop, die Bildbreite beträgt 5.4 mm - Archiv des Autors

Anmerkungen: 1) Ernst Florens Friedrich Chladni: Über den kos- mischen Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer ähnlicher Eisenmassen und über einige damit in Verbindung stehende Naturer- scheinungen. 1794, 63 Seiten, J. F. Hartknoch; Neuauflage mit Erläuterungen von Günter Hoppe, Leipzig 1979. 2) Die Sammlung befindet sich heute im Natur- wissenschaftlichen Forschungsinstitut Muse- um für Naturkunde, Zentralinstitut der Hum- boldt-Universität zu Berlin, Invalidenstr. 43, 10115 Berlin. 3) Richard A. F. Grieve: Irdische Meteoritenkrater. In: Spektrum der Wissenschaft 1990, Heft 6, 108 - 116, Spektrum der Wissenschaft Verlags- gesellschaft, Heidelberg. 4) A. R. Hildebrand, G. T. Penfield, D. A. Kring, M. Pilkington, Z. A. Camargo, S. Jacobsen und W.V. Boynton: Chicxulub crater: A possible creataceous-tertiary boundary impact crater on the Yucatan peninsula, Mexico. In: Geology 19 (1991), 867 - 871. 5) Ursula B. Marvin: Ernst Florens Chladni (1756 - 1827) an the origins of modern meteorite research. In: Meteoritics & Planetary Science 31, 545 - 588 (1996), Allen Press, Lawerence, Kansas, USA. Abb. 2: Querschnitt durch einen Meteoriten mit dem Elektronenmikroskop

Anm.d. Hrsg: Dr. Ralf T. Schmitt ist in der Meteoritenforschung tätig am Institut für Mineralogie, Naturhistorisches Forschungsinstitut des Museums für Naturkunde, Zentralinstitut der Humbold-Universität zu Berlin, 10115 Berlin, Invalidenstr. 43. 89

JÜRGEN G. H. HOPPMANNANHANG Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate

µ 1.4.15 H Leigabe von Astroscopia, Dosfeld 16, 26904 1 Causa materialis: Börger H Stadtbibliothek Berlin, oKB 345 Die Sternen- wissenschaften 1.2.2 1.3 Objekte in Vitrinen In Melanchthons Zeit gab es noch kein Modernes Fernrohr 1.3.1 Fernrohr, die Sternenwissenschaftler der Dieses um 1910 gebaute, circa 250cm große Reformationszeit trennten nicht zwischen Teleskop auf einem massiven Sockel an Rektorenszepter der Wittenberger Astronomie und Astrologie. der Ausgangstür der Ausstellung macht Universität Leucorea, 1509 deutlich, daß allein aufgrund des techni- Silber, teilweise feuer- schen Fortschritts die Gedanken Melan- vergoldet, Nürnberger 1.1 An der Raumdecke chthons und seiner Zeitgenossen in wis- Goldschmiedearbeit. senschaftlicher Hinsicht überholt sind. Die Wittenber- Um so interessanter ist es jedoch, sich ger Rektorenszepter 1.1.1 mit seinen ethischen-philosophischen sind qualitätsvolle Glow in the Dark Gedanken zu Sternenwissenschaft und spätgotische Arbeiten Christentum zu beschäftigen. Hier lassen eines bisher noch un- An transparenten Fäden hängen zwei klei- sich durchaus Anregungen für die Jetzt- bekannten Meisters. ne Scheiben mit den Sternzeichen- zeit finden. An der oberen Griff- konstellationen in floureszierender Farbe µ platte befinden sich von der Decke herab. Sie befinden sich in Zinner, Ernst: Die Geschichte der Sternkunde. Berlin 1931. Siehe auch: Bürgel, Bruno: Weltall zwei gravierte Visierrichtung des modernen Fernrohres, und Weltgefühl, Berlin 1925 Wappenschilde mit welches - am Ausgang der Ausstellung po- H Planetarium Potsdam den sächsischen Wap- sitioniert - symbolisch eine Grenze zur pen und dem Amts- Jetztzeit zieht. wappen des Erz- Heutzutage hat Astrologie (zumin- 1.2.3 marschalls des Heili- dest aus der Sichtweise der modernen gen Römischen Rei- Astronomie) nur noch dekorativen Cha- Moderne Astrolab-Wanduhr ches deutscher Natio- rakter und ist dem ihr noch zu Melanch- nach klassischer Manier nen - beide sind auch thons Zeiten zugeschriebenen Bedeutungs- Teil des Wittenberger inhalt weitgehends beraubt. Im Grunde überträgt das Astrolabium die Jahreszeit auf den Tageslauf. Dies ist Stadtwappens. µ Geleitworte von Martin Treu und Beitrag von Edgar Wunder möglich, da beide ein abgeschlossenes µ Speler, Ralf-Torsten: Kunst- und Kulturschätze der Alma Mater Halensis et Vitebergensis. Halle H Archiv des Kurators via Tycho-Brahe-Plane- Ganzes bilden und somit gleichnishaft (wie 1987, sowie: Clement, Otto: Aus den Anfän- tarium, Kopenhagen im Kleinen, so auch im Großen) sind. Der gen der Universität Wittenberg, In: Neue Jahr- Sonnenlauf wird auf dem Astrolabium mit bücher für Pädagogik, Leipzig 1906; Hahne, der Ekliptik dargestellt, die durch die zwölf Hans: Die Wittenberger Horoskope. In: Tierkreiszeichen verläuft. In der Astrolo- Leopoldina 5, Halle 1929; Owen, S. und Ging- 1.2 Objekte im Raum gie, Astronomie, dem Bauwesen, der erich: M.: Matriculation Ages in Sixteenth- Century Wittenberg. In: History of Universities Schifffahrt, Medizin, aber auch der Phi- 6, 1986-87; Scheible, Heinz: Gründung und 1.2.1 losophie wurde es bis hin zur Neuzeit des Ausbau der Universität Wittenberg, Beiträge 16. Jahrhunderts eingesetzt. Die moder- zu Problemen deutscherUniversitätsgründungen Widder, Stier und Zwillinge aus der ne Astroloab-Wanduhr stellt sich exakt auf der frühen Neuzeit, hg.v. Peter Baumgart / Astronomia Teutsch von 1578 Notker Hammerstein, Nendeln 1978 die jeweilige Tageskonstellation ein, so daß (Wolfenbütteler Forschungen 4), Seite 131-147. Gedicht und Beschreibung der Sonne im Aszendent, Medium Coeli und Häuser H Kustodie der Martin-Luther-Universität Hal- jeweiligen Zeichen auf volkstümliche Weise direkt ablesbar sind. le-Wittenberg - in transparenter Folie hinter dem µ Bruns, Josef: Astrolab-Horoskopie Band 1 - 10, Vitrinenglas angebracht. Börger 1994 90 Anhang

1.3.2 Erstmals entwickelt zwischen 1705 und 1.3.6 1709, wurde dieser Darstellung des Son- Mahgrebinisches Astrolabium Pappfernrohr nensystems in der Öffentlichkeit viel 13. Jahrhundert Italien, frühes 18. Jahrhundert Aufmerksamkeit zuteil. Auch Isaak Newton soll ein Planetarium gefertigt haben. Dieses Modell entspricht in Größe und Die Sonne und die Planeten sind auf Bauweise in etwa demjenigen, das Galileo einer einzigen Ebene dargestellt, wobei Galilei baute und mit dem er die Monde Wert auf die Darstellung der relativen des Jupiter und die Phasen der Venus ent- Bewegung gelegt wird. deckte. µ 1.1.2 µ 1.1.2 H Archiv Nehls, Berlin H Optisches Museum, Jena

1.3.4 1.3.7 Kompendium Nocturnal von 1660 astronomischer Instrumente Nachtuhr Nachbau der National Maritime Historic Pappmodell, Bausatz via National Society, London. Maritime Museum, Greenwich, London Auf der Bodenfläche des Instruments befindet sich der Sternzeichenkalender. µ 1.1.2 Die Universal-Sonnenuhr läßt sich H Archiv des Kurators mit Hilfe des Kompasses ausrichten. Die Monduhr dient der Bestimmung der Uhrzeit während der Nacht: Datum auf Ausführung nach Muhamed Ibn-Fattuh al 1.3.8 Hama’iri, 13. Jh. 12 Uhr stellen und Zeiger in eine Linie mit Dubhe und Merak, den beiden äußeren Astrolabium Galileo Galilei µ Beitrag von Günther Oestmnann, siehe auch: Sternen des Großen Bären bringen. An der Speler, Ralf-Torsten: Kunst- und Kulturschätze Nach der großen astronomischen Uhr im Schnittstelle zwischen Zeiger und Stunden- der Alma Mater Halensis et Vitebergensis. Halle Vatikan konstruierte Armbanduhr. 1987. scheibe läßt sich die Zeit ablesen. H Kustodie der Martin-Luther-Universität Hal- Mondvolvellen (Außenseite des Dek- Bestandteile des Planisphäriums: le-Wittenberg, Bibliothek der 1845 in Halle ge- kels) waren vom 13. bis zum 16. Jahrhun- Das Zifferblatt [1] stellt die Erde in einer gründeten Deutschen Morgenländischen Ge- dert in Gebrauch. Mit ihnen konnte man planisphärischen (ebenen) Form dar. Die sellschaft, Inventar-Nummer 43 Horinzontlinie [2] teilt den sichtbaren Teil Mondfinsternisse, die Positionen von des Himmels (oberer silbergrauer Teil) von Sonne, Mond oder Erde und anderen Pla- den unteren grauen Zonen ab, welche den neten bestimmen. hinter der Erde versteckten und unsichtbaren Teil des Himmelgewölbes darstellt. Wenn die 1.3.3 µ 1.1.2 Messkante des Sonnenzeigers oder die H Tellurium (Planetarium) Archiv Nehls, Berlin Messkante des Mondzeigers in der oberen nach John Rowley Silberzone ist, so sind Sonne und/oder Mond zu diesem Zeitpunkt am Himmel sichtbar, vorausgesetzt das Wetter erlaubt die Sicht auf Nachbau der National Maritime Historic 1.3.5 das Firmament. Society, London. Befindet sich die Messkante eines dieser Quadrant auf Holzsockel beiden Gestirne in den unteren grauen Zonen, so ist dieser Himmelskörper von der Erde Nachbau der National Maritime Historic verdeckt. Die Zifferblätter werden nach dem Society, London. Breitengrad einer bestimmten Ortschaft Mit dem Quadranten konnten die berechnet und hergestellt. Unsere Zeichnung Seefahrer die Gestirnshöhen vermessen und zeigt den 46. nördlichen Breitengrad (Genf oder Chicago) [2]. damit Zeit und Datum feststellen. [3] Das Fadenkreuz zeigt die µ 1.1.2 Himmelsrichtungen Nord, Süd, Ost und West. Die konzentrischen Kreise sind: H Archiv Nehls, Berlin [4] Der Wendekreis des Krebses (+ 23,5°). [5] Die Linie der Tag- und Nachtgleiche (Äquator Oo). [6] Wendekreis des Steinbocks (- 23,5o). [7] Die Horizontlinie wie sie von einer bestimmten geographischen Breite beobachtet werden kann. [8] Die Richtung der Sonne und des Mondes werden durch die über dem Horizont aufsteigenden Linien angezeigt. Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 91

[9] Die beiden exzentrischen Kreise über Professor Dr. Dr. Hans Hahne, Rektor der Lehre von den Großen Konjunktionen, die dem Horizont sind Höhenlinien (Deklination). Universität Halle, war lt. Zentralblatt für auch Johannes Kepler bei der Berechnung [10] Die Dämmerungslinie (16o18o) zeigt auf der rechten Seite die Abenddämmerung astrologische Forschung, 6, 1935, S. 128 des Jesus-Horoskopes anwendete. und auf der linken Seite die Morgen- ein Freund der wissenschaftlichen Astrolo- µ Beitrag Krzysztof Pomian, sowie: Campion, dämmerung an. gie. Zu seiner 1929 publizierten Arbeit über Nicholas: Astrology, Millenarianism and History µ Meier, Marco: Ludwig Oechslin. Die Uhr, die die Gründungshoroskope (siehe 1.3.1) der in the Western Tradition, Bristol 1994; Fried- Welt, der Kosmos. In: du - die Zeitschrift der Universität Wittenberg ist zu bemerken: rich, J. und Bezold, F. v.: Astrologische Kultur, Heft 2, Zürich 1995 Geschichtskonstruktion im Mittelalter, In: Aus Ein Blick in das 1502 begonnenen Mittelalter und Renaissance, München 1918; H Leihgabe der Firma Ulysse Nardin SA, 3 Rue Statutenbuch der Universität Wittenberg North, John D.: Horoscopes and History. In: du Jardin, Ch - 2400 Le Locle. zeigt, daß der Historiker die Zeichen Krebs Warburg Institute surveys and texts, London b und Löwe n verwechselt hat und alle 1986; Medievial Concepts of Celestial Influence, A Survey. In: Astrology, science and society, daraus gezogenen Schlußfolgerungen London 1984. falsch sind. In dem Gründungshoroskop H Universitätsbibliothek Jena, *Math. VII steht tatsächlich der Krebs b - Saturn S im Trigon u zu Sonne s und Mars h im Skorpion C. Der vermutlich von Martin Pollich vorausberechnete Gründungs- 1.4.4 zeitpunkt wurde also von Friedrich dem Franciscus Petrarca: Weisen akzeptiert. Handelt es sich also Von der Artzney bayder Glück, hierbei um Elektionshoroskop, wurde der des Guten und Widerwärtigen. 1532 astrologisch beste Zeitpunkt ganz bewußt ausgewählt? µ 1.3.1, sowie: Speler, Ralf-Torsten: Schätze aus den Sammlungen und Kabinetten, Halle 1994 1.3.9 H Kustodie der Martin-Luther-Universität Hal- le-Wittenberg Welt, 16. Jh. Italienischer Nachbau, neuzeitlich. Melanchthon hatte intensive Kon- takte mit Mercator, einem auch astrolo- 1.4.2 gisch interessierten Kartographen. Al-Biruni: Art of Astrology. 1029 Faksimile, Editionverlag Leipzig, 1983 µ Durme, Maurice (Hrg.): Correspondence Reprint von R. Wrights englischer Über- Mercatorienne, Antwerpen 1959 Die aufgeschlagene Abbildung hat, setzung von 1934 H Archiv des Kurators auch wenn das auf den ersten Blick nicht Al-Biruni gehört zu des arabischen zu erkennen ist, einen starken astrologi- Astrologen, die nach der Jahrtausendwen- schen Bedeutungsinhalt: Die Person be- de die Astrologie der Griechen neu zusam- rührt mit den Händen und Füßen die vier 1.4 Bücher in Vitrinen menfaßten und dazu beitrugen, daß über Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, die Spanien diese alten Werke auch nach Mit- auch bei der Strukturierung der Tierkreis- tel- und Nordeuropa kamen, dort bekannt zeichen eine große Rolle spielen. 1.4.1 wurden und eine Renaissance der Astro- µ Librum Statutorum logie auslösten. Das Glücksbuch des Petrarca H Academiae Witebergensis, 1632 Dieser Text enthält ein breites Spek- Archiv des Kurators trum an Astronomie, Geometrie und Astro- logie und Definitionen astrologischer Begriffe. 1.4.5 H Archiv des Kurators via Spende von Deborah Melanchthon, Philippus: Houlding, Ascella Publications Initia doctrine physicae. Wittenberg 1559, Peter Seitz Dieses Werk ist das Resultat jahrzehnte- 1.4.3 langer universitärer Vorlesungstätigkeit Albumasar: De magnis coniunctibus, Melanchthons über Astrologie und Astro- ed.Engel. Augsburg, 1489 E.Randoldt nomie. Sein Anliegen ist es, beide Sternen- Arabische Astrologen reproduzierten die wissenschaften auf ein akademisches Ni- griechische und persische Astrologie mei- veau zu heben und in den ethischen Rah- stens nur. Zu den eigenständigen Entwick- men des Christentums einzubinden. lungen der arabischen Astrologie zählt die µ Bellucci, Dino: Melanchthon et la Défense de 92 Anhang

l’Astrologie. In: Bibliothèque d’ Humanisme et 1.4.6 µ 1.4.5 Renaissance 50 (1988); Bernhard, Prof. Dr.: H Archiv des Kurators Philipp Melanchthon als Mathematiker und IOANNIS DE SACROBVSTO Physiker; Böhringer, Siegfried: Vortrag „Astro- LIBELLVS DE SPHÆRA. logie und christlicher Glaube - von Melanchthon Wittenberg, 1548 bis in die Gegenwart“ im Ev. Schuldekanat Bretten 24.2.1994; Braunsperger, Gerd: Beiträge 1.4.9 zur Geschichte der Astrologie der Blütezeit vom Johann Stoeffler: Ephemeriden 15. bis zum 17. Jahrhundert (Diss.), München 1928; Bretschneider, Karl Gottlieb: Corpus 1552-56. Tübingen, 1548 Reformatorum (CR) Philipp Melanchthon, Frankfurt / New York 1841, 1842, 1852; Caroti, Stefano: Melanchthon’s Astrology. In: Astrologi Die Gestirnsstandstabellen von Melanch- hallucinati, Paola Zambelli (Hrg.), Berlin 1986; thons Lehrer Johannes Stoeffler wurden Durme, Maurice (Hrg.): Correspondence noch viele Jahre nach dessen Tod zum Mercatorienne, Antwerpen 1959; Frank, Gün- ther: Die theologische Philosophie Philipp Erstellen von Horoskopen benutzt. Die hier Melanchthons 1497-1560. In: Erfurter Theo- vorliegende Ausgabe gehörte vermutlich logische Studien 67, Leipzig 1995; Friedrich, dem Wittenberger Universitätsprofessor Johann: Astrologie und Reformation - Die Bartholomäus Schönborn, der Ende des 16. Astrologen als Prediger der Reformation und Jahrhunderts wie auch andere Philippisten Urheber des Bauernkriegs, München 1864; Der Wittenberger Neuauflage dieses Stan- die Universität verließ und nach Zerbst Hamman, Gustav: Treysa und Melanchthons dard-Lehrbuches der Astrologie und Astro- Aberglaube. In: Schwalmer Jahrbuch, Schwalm ging. Im Jahre 1582 war dort in einem alten nomie des Mittelalters wurde als Vorwort 1978; Hartfelder, Karl: Der Aberglaube Phil- Franziskanerkloster, das bereits im 13. ipp Melanchthon’s. In: Historisches Taschen- ein Brief Melanchthons an Symon Gryneus Jahrhundert erbaut worden war, eine kleine buch, Leipzig 1889; Hellmann: Aus der Blü- vorangestellt. Hier die Übersetzung einer anhaltinische Landesuniversität gegrün- tezeit der Astrometeorologie. In: Beiträge zur Passage des lateinischen Textes: Geschichte der Meteorologie, In: Veröffentli- det, das „Gymnasium illustre Anhaltinum“. chungen des Königlich Preussischen Meteo- rologischen Instituts, Berlin 1914; Hoppmann, ... Da also die menschlichen Seelen nicht nur µ Beitrag von Günther Oestmann durch eine Art von Grund bewegt werden, folgt Jürgen G.H.: Astrologie der Reformationszeit, µ Abbildung Seite 68 daraus, daß die Gesetze der Schicksale auf Berlin 1997; Jungschlaeger, Paul: Melanchthons H Francisceumsbibliothek Zerbst, 4° N 4 Astrologie, In: Grenzgebiete der Wissenschaft, verschiedene Arten beeinträchtigt werden, Herausgegeben von Pater Resch; Koch, Wal- bisweilen durch göttlichen Anhauch, bisweilen ter A.: Melanchthon, Zwingli und die Astro- durch Unterweisung, bisweilen durch logie. In: Kosmobiologisches Jahrbuch 39, Aalen Überlegung, und es folgt daraus, daß die 1968; Kroker, Ernst: Nativitäten und Konstel- Gesetze des Schicksals bisweilen auch vom 1.4.10 lationen aus der Reformationszeiteit. In: Schrif- Teufel zum Schlechteren gewendet werden. ten des Vereins für die Geschichte Leipzigs, Band Ausgezeichnet sagt also Ptolemäus: Die Johannes Regiomontanus: 6, Leipzig 1900; Maurer, Wilhelm: Der junge Entscheidungen der Astrologen haben nicht Deutscher Kalender Nürnberg 1474 Melanchthon, Band 1, Göttingen 1967; prätorischen Charakter. Denn die Beschlüsse Montgomery, J.W.: L’astrologie et alchemie des Prätoren zwingen das Volk zu gehorchen. Der Nürnberger Johannes Regiomontanus lutherienne a l’epoque de la Réforme, In: Re- Jene Zeichen aber fügen den Menschen war nicht nur ein bedeutender Astronom, vue d’Histoire et de Philosophie Religione 46, keine Gewalt zu, wenn sie auch nicht überall sondern auch Astrologe. Das von ihm müßig sind. ... Nr.4, Paris; Müller-Jahncke, Wolf-Dieter: Philipp entwickelte System zur Berechnung der Melanchthon und die Astrologie - Theoreti- sches und Mantisches. In: Melanchthonpreis µ 1.4.5 Zwischenhäuserspitzen im Horoskop setzte 3, Stefan Rhein (Hrg.), Bretten 1997; Rump, µ Abbildung auch Seite 14 sich schnell als Standard durch und wurde Johann: Melanchthons Psychologie, Kiel 1897; H Archiv des Kurators erst im 17. Jahrhundert durch dasjenige Scheible, Heinz: Theologische Realenzyklopädie, des italienischen Mönchs Placidus de Titis 1992 Melanchthons Briefwechsel (Regesten), Stuttgart 1997; Sementowsky-Kurilo, abgelöst Nikololaus von: Der Mensch griff nach den µ Beiträge von Gerhard Voss, Heinrich Kühne und Sternen - Astrologie in der Geistesgeschichte 1.4.7 Olivia Barcley des Abendlandes, Zürich 1970; Steeg-Rotter- H dam, Rupertus: Melanchthons Gauricus-Horo- Fotografien aus „Sacrobosco“ Archiv des Kurators via Spende Tim Reeves, skop; Philippus Melanchthon. In:Astrologischer CosmoWorld GmbH, 82131 Gauting µ Auskunftsbogen, Nummer 67, 1957; Steinmetz, 1.4.5 Max: Johann Virdung von Haßfurt. In: H Archiv des Kurators Astrologi Hallucinati, Paola Zambelli (Hrg.), Ber- lin 1986; Thüringer,Walter: Die Melanchthon- 1.4.11.1 handschriften der Herzog-August- Bibliothek, Frankfurt /Main 1982; Thorndyke, Lynn: A Johann Keppler: History of Magic and Experimental Science, 1.4.8 De Stella Nova. Prag 1606 New York 1965; Paola Zambelli (Hrg.): Astrologi Claudius Ptolemäus: Tetrabiblos hallucinati - Stars in the End of the World in µ 4..2.3 Luther’s Time, Berlin 1986; The speculum Nach der von Philipp Melanchthon besorg- H Francisceumsbibliothek Zerbst, Liber astronomiae and its enigma., Dordrecht 1992. ten Ausgabe aus dem Jahre 1553. Ins Deut- Compactum 4° N 1a H Melanchthonhaus Wittenberg, Signatur 278 sche übertragen von Erich Winkel, Nach- druck von 1923, mit Vorwort von Thomas Schäfer. Mössingen 1995 Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 93

1.4.11.2 µ Abbildung Seite 11 historische Manuskripte Heft 6 , Rostock 1981; H Predigerseminar Wittenberg, Signatur 4° Astrologie - Tochter der Astronomie? Leipzig Joachim Camerarius: NW 65/1 1987; Astronomie und Astrologie im 17. Jh. Narratio historica. Frankfurt, 1607 In: Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte Band 7, Berlin 1988; Hübner, Wolfgang: Die Eigen- Camerarius gehörte zum humanistischen, schaften der Tierkreiszeichen in der Antike. In: Sudhoffs Archiv, Beiheft 22, Wiesbaden 1982; auch an Astrologie interessierten Freun- 1.4.14 deskreis Melanchtons. Bei historischen Die Begriffe „Astrologie“ und „Astronomie“ in Nicolaus Copernicus: der Antike, Mainz 1990; Knappich, Wilhelm: Geschichtsbeschreibungen stellte sich Geschichte der Astrologie, Frankfurt 1967; immer wieder die Frage, in wieweit die De revolutionibus. Nürnberg, 1543 Reichel, Ute: Astrologie, Sortilegium, Traum- deutung - Formen von Weissagungen im Mit- Einteilung der Zeitalter nach christlichen Faksimile der Erstausgabe oder astrologischen Gesichtspunkten vor- telalter, Bochum 1991; Schäfer, Thomas: Vom µ 1.4.13 Sternenkult zur Astrologie, Solothurn 1993; genommen werden solle. Talkenberger, H.: Sintflut. Prophetie und Zeit- H Melanchthonhaus Wittenberg µ Beitrag Krzyztof Pomian geschehen in Texten und Holzschnitten astro- logischer Flugschriften 1488-1528. 1990; H Francisceumsbibliothek Zerbst, Liber Vickers, Brian (Hrg.): Occult and Scientific Compactum 4° N 1a Mentalities in the Renaissance, Cambridge 1984 1.4.15 H Stadtbibliothek Berlin, oKb 345 1.4.12 Hans Orth von Bacharach: Erasmus Reinhold: Astronomia Teutsch Pruthenicae tabulae Himmels Lauff, Wirkung und 1.4.16 coelestium motuum. Tübingen 1571 natürliche Influenz. Frankfurt, 1578 Schöner, Johannes: DE IVDICIIS Diese Gestirnstabellen sind unter der stän- NATIVITATVM (mit Vorwort von digen Ermunterung Melanchthons und Ph. Melanchthon). Nürnberg 1545 seiner Vermittlung von fürstlicher Donationen für den Wittenberger Mathematikprofessor Erasmus Reinhold entstanden. Das Tabellenwerk ist astrono- misch, sein Zweck vor allem astrologisch. Reinhold selbst erstellte und sammelte Horoskope. µ Beitrag Heinrich Kühne µ Abbildung Seite 12 H Francisceumsbibliothek Zerbst, 4° N 9

1.4.13 Nicolaus Copernicus: De lateribus et anguli triangulorum. Wittenberg 1542 Diese Buch auch dem Besitz von Erasmus Astrologische Jahreskalender wurden im Reinhold beschreibt die mathematischen 16. Jahrhundert in hoher Auflage gedruckt Grundlage, auf Basis derer die neuen und erfreuten sich bei der breiten Masse modernen Preussischen Gestirnstafeln Reprodukton des Titelblattes. allgemeiner Beliebtheit. (1.4.12) in Wittenberg erstellt wurden. Der berühmte Nürnberger Astrolo- Jeweils drei Textpassagen zu den ge und Astronom Johannes Schöner war µ Beitrag von Heinrich Kühne, sowie: jeweiligen Tierkreiszeichen eines Quadran- einer der engsten Freunde Melanchthons. Adamczewski, Jan: Mikolaj Kopernik, Warschau ten, kopiert auf transparenter Folie, sind 1972; Blumenberg, Hans: Die Genesis der ko- Zu seinem Werk über die Deutung von in den Vitrinen der vier Abteilungen der pernikanischen Welt, Frankfurt /M. 1985; Geburtshoroskopen schrieb Melanchthon Bartmuss, Hans-Joachim: Zur Rezeption der Ausstellung angebracht. copernicanischen Lehre an der Universität Wit- das Vorwort. µ Curry, Patrick: Astrology, Science and Society, tenberg. In: Nicolaus Copernicus, Berlin 1973; µ Suffolk 1987; Dilthey, Wilhelm: Weltanschau- Beiträge von Olivia Barcley, Müller-Jahncke Hamel, Jürgen: Nicolaus Copernicus, Berlin und Reinhard Staats 1994; Wußing, Hans (Hrsg.): Nicolaus ung und Analyse des Menschen seit Renais- H Copernicus, Leipzig 1972; Zinner, Ernst: Das sance und Reformation. 9. Aufl. Göttingen 1970; Universitätsbibliothek Leipzig, 4° Astron 4150 Leben und Wirken des Nikolaus Koppernick. Füssel, Stephan (Hrg.): Astronomie und Astro- In: Deutsches Museum, 9. Jhg., Berlin 1937; logie in der frühen Neuzeit, Pirckheimer Jahr- Entstehung und Ausbreitung der buch Band 5, Nürnberg 1990; Hamel, Jürgen: Copernicanischen Lehre, Erlangen 1943; Astro- Die gesellschaftliche Stellung des Astrologen nomie, Freiburg 1951 in der Geschichte, In: Rostocker Wissenschafts- 94 Anhang

1.4.17 1.4.18 1.4.21 Schöner, Johannes: Opusculum Vom Einfluss der Gestirne Claude Dariot: Astrologicum. Nürnberg 1538 auf die Gesundheit Judgement of the Stars. 1557 und den Charakter des Menschen Übersetzungvon Robert S. Hand. Zweite Reprint überarbeitete und korrigierte Version. Die Texte Dariots enthielten wich- Berkeley Springs 1996. tige Neuerungen in der astrologischen Dieses grundlegende Astrologie- Interpretationslehre und waren somit eine lehrbuch des Melanchthonfreundes Johan- wichtige Quelle für die „Christliche Astro- nes Schöner gehört zu den zahlreichen logie“ des John Lilly. Klassikern der Astrologie, die eine Grup- µ Parker, Derek: Familiar to all: William Lilly and pe von amerikanischen Astrologen der Astrology in the 17th Century. Ascella Gegenwart aus dem Arabischen, Altgrie- Publications, Mansfield/Notts, 1975 chischen und Lateinischen ins Englische H Archiv Hoppmann via Spende von Deborah übersetzt. Im Vorwort von Robert S. Hand Houlding, Ascella Publications heißt es unter anderem: Eine astrologisch-medizinischer Ratgeber, Under Melanchthon’s lead Schoener and the 15. Jahrhunderts. other scholars around him took on the task Die Handschrift behandelt u.a. der of editing and publishing Regiomontanu’s works, many of them for the first time. Einfluß der Sonne in ihrem Lauf durch den 1.5 Drucke neben der Tür Schoener may well be the person most Tierkreis und den Mondes und die Planeten responsible for the popularization of the auf die Gesundheit des Menschen. Rational House System which became the 1.5.1 most dominant house system of the µ 4.3.15 Renaissance, used by Morinus, Lilly, Gladbury H Leihgabe des Faksimile-Verlags, Luzern Andreas Cellarius: PLANISPHERIVM and anyone else who was anybody until PTOLEMAICVM... Amsterdam 1660 Patrige introduced the methods of Placidus. To this day on the continent of Europe Reprint der British Library, London there is a strong Regiomontanus House faction. At the same time, quite aside from 1.4.19 µ Beiträge von Heinrich Kühne und Reimer the interest in Regiomontanus, Melanchthon’s Homannscher Weltatlas von 1758 Hansen interest in astrology promoted considerable H Archiv des Kurators activity in at the center of which Die aufgeschlagene Seite zeigt die im 16. was Schoener. und Anfang des 17. Jahrhunderts bedeu- tendsten Sternwarten Europas und in der Ferner schrieb Robert E. Schmidt dem Mitte einen Himmelsatlas. 1.5.2 Ausstellungskurator bezüglich des Buches: H Melanchthonhaus Wittenberg Andreas Cellarius: PLANISPHERIVM A convenient and well organized one volume COPERNICANVM... Amsterdam 1660 synopsis of late Medieval astrology prior to Reprint der British Library, London the work of the Renaissance revisionists, in which much of the material is tabulated for 1.4.20 µ 1.4.13 easy reference. H Archiv des Kurators Contains an introduction to astronomical Guido Bonatus: matters, a complete survey of astrological Anima Astrologiae. 13. Jh. principles, a lucid treatment of electional astrology, and a representative treatment of Faksimile einer Übersetzung von Henry nativities. Coley, editiert von William Lilly, aus dem 1.6 Drucke an der Wänden Translated and edited by Robert Hand. Jahre 1675. Available for $25 postpaid from Project Hindsight, 532 Washington Street, Dieser Band enthält 146 Betrachtun- 1.6.1 Cumberland Maryland 21502. Fax: 00301- gen dieses astrologischen Pioniers, zusam- 724-3003; Phone: 00301- 722-5140; e- men mit einer Sammlung von Aphoris- Philipp Melanchthon: mail:[email protected] men des ebenfalls italienischen Astrolo- Gründungshoroskop µ Beitrag von Olivia Barcley gen Hieronimus Cardanus aus dem 16. der Wittenberger Universität H Archiv des Kurators via Spende von Robert E. Jahrhundert. Fotografische Reproduktion Schmith, Project Hindsight, USA µ Parker, Derek und Julia: Astrologie - Ursprung, Unbekannte Handschrift, vermutlich Geschichte, Symbolik, München 1988 Abschrift eines Briefes von Melanchton an H Archiv Hoppmann via Spende von Deborah Schöner. Houlding, Ascella Publications Bei dem angegebenen Datum 17.10.1502 um 9.45 Uhr stimmen alle Achsen und Planetenstände bis auf dem Mond. Der steht an diesem Tag noch auf Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 95

22° c. Die im Ereignishoroskop mit 6° V mutlich stammt diese Randnotiz von Bar- angegeben Mondstellung deutet allerdings tholomäus Schönborn, einem Wittenberger auf den 18.10. hin. Universitätsprofessor, der später nach µ Beiträge von Reinhard Staats und Paola Zerbst ging. Zambelli H Francisceumsbibliothek Zerbst, 4° N 4 H Bayerische Staatsbibliothek, Cod. Monac. lat. 27003 1.6.4 Erasmus Reinhld: 1.6.2 Melanchthons Horoskop Portrait des Johannes Stoeffler aus seinen Ephemeriden von 1532 Fotografische Reproduktion aus Codex chartaceus saec. XVI, dem Horoskopbuch des Erasmus Reinhold. Datum: 16.2.1497, Bretten 19.20 LM sein Sohn Joachim II. führte, noch zu Carions Lebzeiten, die Reformation auch µ 1.4.5 in Brandenburg ein. µ Abbildung hintere Umschlagseite H Universitätsbibliothek Leipzig, DCCCCV, Rep. µ 4.4.13 IV, 4.87 H Geheimes Staatsarchiv, Rep.29A, Nr. 1 BPH

1.6.5 1.6.8 Philipp Melanchthon: Manuskript Johann Carion: Revolution für der Initia doctrine physicae. Herzog Albrecht von Preußen (Solar für das Jahr 1529) Fotografie aus dem Autographen µ 1.4.5 µ Abbildung Seite 9 Vier Fotografien aus dem Autographen. Johann Carion, Freund von Melanch- H Universitätsbibliothek Leipzig, Handschrift 0358x, 52v thon und Luther, beriet über viele Jahre Dieser Lehrer Melanchthons war einer der auch diesen Hohenzollernfürsten. Albrecht bedeutensten Astronomen und Astrologen von Preußen wandelte sein katholisches seiner Zeit. Bei ihm lernte auch Johann Ordenland nach langem Bedenken in ein Carion, kurbrandenburgischer Hofastrologe 1.6.6 Herzogtum um, führte dort gleichzeitig die unter Joachim I. in Berlin. Philipp Melanchthon: evangelische Konfession ein. Horoskop des Johann Carion µ 1.4.9 sowie Beitrag von Günther Oestmann µ 4.4.13 auf den 22.3.1499, 13.46 Uhr H Francisceumsbibliothek Zerbst, 4° N 4 H Geheimes Staatsarchiv, XX. HA, HBA 1529, A4, Fotografische Reproduktion Kasten 185, Blatt 5 und Blatt 6 Unbekannte Handschrift, vermutlich Abschrift eines Briefes von Melanchthon. 1.6.3 µ 4.4.13 1.6.9 Handschriftliche Notiz in den H Bayerische Staatsbibliothek, Cod. Monac. lat. Ephemeriden den Johannes Stoeffler Sternbild Fernrohr aus einem 27003 Himmelsatlas des 19. Jahrhunderts

1.6.7 Johann Carion: Das Vaticinum auf Joachim I. (Progressionen für das Jahr 1532) Zwei Fotografien aus dem Autographen. Gekennzeichnet ist das Datum der Schlacht Als Astrologe hatte Carion auch ei- bei Mühlberg, bei der die kaiserlichen nen bedeutenden Einfluß auf das Herr- Truppen unter Karl V. gegen jene im scherhaus der Hohenzollern. Zwar blieb nach einem Herschel-Teleskop gezeichnet Schmalkaldischen Bund zusammenge- Kurfürst Joachim I. ein strenger Verfech- Sternbild „Fernrohr“ macht deutlich, wie schlossenen Protestanten kämpften. Ver- ter der katholischen Glaubenslehre, doch sehr nach der Zeit der Aufklärung die

98 Anhang

H Archiv des Kurators µ 2.3.2 Boockmann und Reimer Hansen µ Abbildung Seite 33 H Archiv des Kurators via Heinrich Kühne, Wit- H Archiv des Kurators tenberg 2.6 Drucke an den Wänden

2.6.5 2.6.9 2.6.1 Albrecht Dürer: Portrait des Lucas Gauricus David Conrad: Heinrich Schütz Reiter der Apokalypse in der Dresdner Schloßkapelle. 1662 Reproduktion Nachdruck von Original-Druckstöcken µ Beitrag von Rüdiger Plantiko Kupferstich µ Beitrag Jürgen G.H. Hoppmann, sowie: Giehlow, µ Abbildung Seite 18 µ Beitrag von Ingeborg Stein C.: Dürers Stich ‘Melencolia I’ und der H Archiv des Kurators via Spende Dr. Plantiko, µ Abbildung Seite 48 maximilianische Humanistenkreis. In: Mittei- Nussloch lungen der Gesellschaft für vervielfältigte H Heinrich-Schütz-Haus, Bad Köstritz Kunst.1903; Hoffmann, Konrad: Dürers Melencolia. In: Busch, W. - Hausherr, R. (Hrg.), Kunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. 1978. 251-277; Das Buch 2.6.10 2.6.2 als Kritik, In: Funkkolleg Kunst I,II. Busch, W. Portrait des Hieronymus Cardanus (Hrg.) 1987; Rosenthal, A.: Dürers Dream of Augustus John: Portrait 1525. In: Burlington Magazine 69 (1936). 82ff.; Fotografische Reproduktion aus: des Heinrich Schütz. 1627 Schuster, Peter-Klaus: Melencolia I, Dürers Hieronymi Cardano Mediolanensis, Denkbild, Band 1 und 2, Berlin 1991; Weber, Kupferstich P.: Beitrag zu Dürers Weltanschauung. In: Stu- Libelli Duo. Nürnberg 1532 dien zur deutschen Kunstgeschichte 23, 1900.; µ Beiträge von Jürgen G.H. Hoppmann, Reinhard µ Beitrag von Ingeborg Stein Weiss, E.: Albrecht Dürers geographische und Staats, Paola Zambelli und Olivia Barcley µ Abbildung Seite 46 astronomische Tafeln, 1888. H Predigerseminar Wittenberg, 4° NW 64 H Heinrich-Schütz-Haus, Bad Köstritz µ Abbildung Seite 34 H Archiv des Kurators via Spende der Bundes- 2.6.3 Hans Holbein: druckerei Berlin The Ambassadors. 1533 2.6.11 Portrait des Iacobus Milichius. 1559 µ Beitrag von Karl Röttel µ Abbildung Seite 42 2.6.6 Holzschnitt H Archiv des Kurators via: National Gallery Lon- Albrecht Dürer: µ Beitrag von Edgar Wunder don, Reg.Nr. 1314 MELENCOLIA I. 1514 µ Abbildung Seite 14 H Melanchthonhaus Wittenberg, Inv.-Nr. MH V Nachddruck von Originaldruckstöcken / K / 2 / 5346 µ 2.6.5 2.6.4 µ Abbildung Seite 33 Sandro Botticelli: Geburt H Archiv des Kurators via Spende der Bundes- der Venus. Florenz, Ufficien 1482 druckerei Berlin 2.6.12 Lucas Cranach der Ältere (Schule): Fotografische Reproduktion Portrait des Johann Carion. 1530 Erste lebensgroße Darstellung einer heidnischen, dazu noch nackten Gottheit. 2.6.7 Fotografische Reproduktion Der erste Berliner Astrologe und Di- Nach griechischem Mythos entstand Ve- Caprarola - Palazzo Farnese nus Aphrodite (die Schaumgeborene), als plomat Carion war mit Melanchthon und Saturn, angestiftet durch seine Mutter, die Decke des Saales von Mappamondo - die Luther eng befreundet. Erdgöttin Gaia, seinen Vater kastriert, den Tierkreiszeichen. Daß er sich auch mit der wissen- Himmelsgott Uranus. Das abgetrennte µ Mori, Gioia: Arte e Astrologia. In: Art e Dos- schaftlichen Erforschung der Gestirne Glied fiel ins Meer, und daraus entstand sier, Florenz 1987. befaßt hat, ist nicht bekannt. Das manch- Venus. Der Kult der Liebesgöttin mit ero- H Archiv des Kurators mal gebrauchte Attribut „der erste Berli- tischen Sitten ist vorgriechischen Ur- ner Astronom“ ist irreführend. sprungs, wobei nach Platon zwischen einer µ 4.4.13 volkstümlichen (Aphrodite Pandemos) und µ einer himmlischen (Aphrodite Urania) 2.6.8 Abbildung Seite 35 H Symbolfigur der Liebe unterschieden wird. Portrait des Nicolaus Copernicus Gemäldegalerie Berlin Im Horoskop zeigt Venus das klei- Reproduktion eines zeitgenössischen Kup- ne Glück an. Der Planet ist den Zeichen ferstichs Waage (Taghaus) und Stier (Nachthaus) zugeordnet. µ Beiträge von Heinrich Kühne, Gabriele Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 99

2.6.13 Fotografische Reproduktion Auf dem Ölgemälde eines unbekannten 1575 besuchte Tycho Brahe Land- Meisters hält Hoffmann einen zur astro- Monogrammist ISI: Portrait graf Wilhelm IV., der in Kassel eine eige- nomischen Beobachtung hergestellten des Nicolaus Prugner. 1546 ne Sternwarte betrieb. Noch heute kann Oktanten in den Händen, man im astronomischen Museum in der µ Oehme, Barbara: Jenaer Professoren im Bild. Orangerie Kassel die gewaltigen astrono- Jena 1983; Schielicke, Reinhard: Astronomie mischen Instrumente der damaligen Zeit in Jena - historische Streifzüge von den mit- bewundern. telalterlichen Sonnenuhren zum Universarium, Jena 1988 Sowohl in Hinblick auf die Sternen- wissenschaften als auch betreffs des pro- H Kustodie Jena, Inv.-Nr. GP 49 testantischen Glaubens gab es starke Bande zwischen Kassel und Wittenberg. µ Mackensen, Ludolf von: Die erste Sternwarte 2.6.16 Europas mit ihren Instrumenten und Uhren. München 1988; Sievert, Hans H.: Im Zeichen Johann Crüger: Synopsis musica, von Kreuz und Rose, Berlin 1996 continens rationem constitutiendi & H Orangerie Kassel, Inventarnummer LM 1938/ componendi ... Berlin: Kally 1630 349

2.6.15 Portrait des Jenaer Astronomie- professors Heinrich Hoffmann. 1619 Fotografische Reproduktion Prugner, ein Zeitgenosse Melanch- thons, war sowohl Sternenwissenschaft- ler als auch Theologe. Er wirkte als evan- gelischer Reformator im Elsaß, wandte sich dann verstärkt der Astrologie und Astro- nomie zu und übernahm verschiedene Mis- sionen in den Reformationswirrnissen zwischen den deutschen Fürsten. µ Beitrag von Jürgen G.H. Hoppmann; Macken- sen, Ludolf von: Der Astronom im Portrait. In: Fotografische Reproduktion Röttel, Karl (Hrsg.): Peter Apian, Buxheim 1995 Musica et Liber Artes: Darstellung H Orangerie Kassel der sieben freien Künste sowie der Ana- logien zwischen Kosmologie und Musik. µ Beitrag von Ingeborg Stein 2.6.14 H Staatsbibliothek zu Berlin, Musikabteilung. Crüger: Synopsis 1630 = Mus. ant. theor. C 308 Caspar van der Borcht: Portrait des Fotografische Reproduktion Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen- Heinrich Hoffmann (1576-1652), Kassel mit Tycho Brahe. 1577 Professor für Mathematik und Astrono- mie an der Universität Jena, konzentrierte 2.6.17 sich ganz auf den wissenschaftlichen Teil Die Musik des der Sternenwissenschaft. Mysterium Cosmographicum Im Gegensatz zu seinem Nachfolger Erhard Weigel, welcher Christentum und Poster anläßlich des 400. Entdeckungstages Astrologie kombinierte und z.B. empfahl, der Planetengesetze von Johannes Kep- durch eifriges Beten die unheilvolle Wir- ler am 19.7.1595: Keplers Planetentöne aus kung von Kometen zu lindern, und dem dem „Mysterium Cosmographicum“ in aus der Wittenberger Schule um Melanch- Beziehung gesetzt zum Werk des evange- thon stammenden Jenaer Magister Michael lischen Kirchenmusikers Heinrich Schütz. Stifel, der den Weltuntergang für den µ Beiträge von Ingeborg Stein und Gabriele 19.Oktober 1533 um 10 Uhr vorhergesagt Boockmann hatte und dafür vom Volk beinahe gelyncht H Archiv des Kurators via Heinrich-Schütz-Haus, wurde, deutete Hoffmann keine Horoskope. Bad Köstritz 100 Anhang

2.6.18 Hinweis von Melanchtons Lehrer Johan- nes Stoeffler prognostizierte Epistulae ad Weltuntergangskonstellation vom 19. 2. Johannes Kepplerum von 1751 1524 dargestellt. Reprint von Werken Anfang des 17. Jh. µ Kurze, Dietrich: Johannes Lichtenberger - Eine µ Beiträge von Ingeborg Stein und Gabriele Studie zur Geschichte der Prophetie und Astro- Boockmann logie, Lübeck 1960. H TU Berlin, Institut für Geodäsie, Archiv-Nummer H Archiv des Kurators mit Horoskophäuserscheibe XX 52-1052 via Spende von Electric Ephemeris, DK - Nysted

3 Causa efficienz: 3.3.2 Horoskope Lithophanie der im Christentum Straßburger Münsteruhr von 1530 3.2.2 µ Beitrag von Manfred Schukowski Der Christ Melanchthon deutete Horo- µ siehe vergleichebare Abbildung eines Druckes Prämonstratenserkreuz auf Seite 24 skope. Sein Freund Luther hingegen im Dom von Havelberg H Archiv des Kurators via Spende Porzellan- baute im Glauben einzig auf die Bibel. Kunst-Cabinett Berlin Um die Reformation zu unterstützen, ließ er dennoch die alte Lichtenberger- Prognostica noch einmal drucken. 3.3.3 Später dann deutet der katholische Gerhard Marcks: Bischof Gauricus das Lutherhoroskop auf Martin Luther. 1930 zweifelhafte Weise.

3.1 An der Raumdecke

3.1.1 Christus mit Evangelistenzeichen Fotografie eines Details der Decken- gestaltung in der St. Nikolai-Kirche zu Stralsund µ Beitrag von Christoph Schubert-Weller, Bernd A Mertz und Krzysztof Pomian µ Abbildung Seite 61 H Archiv des Kurators Fotografie im Großformat µ Beiträge von Felix Straubinger, Christoph Schu- 3.2 Objekte im Raum bert-Weller und Bernd A Mertz Gipsabguß der Bronze H Archiv des Kurators Der Künstler schuf diese Büste und 3.2.1 als Pedant eine von Philipp Melanchthon Waage, Skorpion und Schütze aus 1930 im Auftrag des preußischen Mi- der Astronomia Teutsch von 1578 3.3 Objekte in Vitrinen nisteriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung für die Universität Halle- Gedicht und Beschreibung der Sonne im Wittenberg. 1931 wurden beide Büsten jeweiligen Zeichen auf volkstümliche Weise 3.3.1 vor der Aula des Löwengebäudes in Halle - in transparenter Folie hinter dem Astrodial-Horoskopscheibe des aufgestellt. Vitrinenglas angebracht. Weltuntergangshoroskop von 1527 µ Beitrag Martin Treu, sowie: 300 Jahre Univer- µ 1.4.15 Auf dieser dem Astrolabium nachempfun- sität Halle, Seite 154. Ferner: Gauricus, Lucas: Nativität Luthers, Ausgabe Venedig 1552; H Stadtbibliothek Berlin, oKB 345 denen modernen Horoskopscheibe ist die Tactatus Astrologicus. Venedig, Curtius Troianus von Melanchthons Freund Carion und Navo, 1552. Mit handschriftlicher Horoskop- vielen anderen Astrologen nach einem sammlung der Familie Ritter Wolfenbüttel 35.2 Astronom. 4°; Lämmel, Klaus: Luthers Verhältnis Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 101

zu Astronomie und Astrologie. In: Lutherina, 3.4 Bücher in Vitrinen 3.4.5 Archiv zur Weimarer Ausgabe, Weimar 1984; Ludolphi, Irmtraut: Luthers Verhältnis zur Astro- Johannes Garcaeus: logie. In: Astrologi Halluzinati, Paola Zambelli Astrologiae Methodus. Basel, 1570 (Hrg.), Berlin 1986; Neuser, Wilhelm H.: Lu- 3.4.1 ther und Melanchthon - Einheit im Gegensatz, Georg Lemberger: µ Beitrag von Reinhard Staats München 1961; Peuckert, Will-Erich: Die große Schöpfung. 1540 Wende . Apocalyptisches Saeculum und Lu- µ Abbildung Seite 53 ther, Hamburg 1948; Rade, Martin: Zum Kolorierter Holzschnitt aus einer Luther- H Francisceumsbibliothek Zerbst, liber Teufelsglauben Luthers. In: Marburger Theo- compactum, Folio N2 logische Studien 2, Marburg 1931; Wattenberg, bibel von 1550 Diedrich: Martin Luther und die Astronomie. µ Beitrag Martin Treu, sowie: Joestel, Strehle, In: Die Sterne, Berlin 1983 Wittig: Neuen Altes - Erwerbungen der Luther- H Lutherhalle Wittenberg, Inv.-Nr. S 369/48 halle Wittenberg 1983, Ausstellungskatalog, 3.4.6 Wittenberg 1995 µ Abbildung Seite 49 Lucas Gauricus: H Lutherhalle Wittenberg, VD 16 B 2728 Tractatus Astrologicus. Venedig,1552 3.3.4 µ Beitrag von Rüdiger Plantiko Marionette „Mönch“ µ Abbildungen Seite 19 und 20 2. Hälfte des 19. Jh., Marionettenbühne 3.4.2 H Archiv des Kurators via Spende Dr. Plantiko, Nussloch Kurt Listner. Erasmus Reinholds Horoskopbuch µ Beiträge von Günther Mahal, Jürgen G.H. Hoppmann und Paola Zambelli, siehe auch Codex chartaceus saec. XVI, scriptus (auf- Abbildung Seite 54 geschlagen ist das Horoskop Luthers) H 3.4.7 Puppentheatersammlung Radebeul, 15 177 µ Beitrag Reinhard Staats, sowie: Warburg, Aby: Luthers Gebetbuch mit Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten, Hamburg 1919. astrologischem Kalenderteil von µ Erasmus Reinhold. Wittenberg, 1543 3.3.5 Abbildung Seite 52 H Universitätsbibliothek Leipzig, DCCCCXXXV, µ Marionette „Teufel“ Rep. IV, 4.87 Beitrag von Martin Treu, sowie 3.3.3 H Melanchthonhaus Bretten, Signatur L 1086 2. Hälfte des 19. Jh., sächsich, Bühne unbekannt µ Beiträge von Günther Mahal, Jürgen G.H. 3.4.3 Hoppmann und Paola Zambelli, siehe auch 3.5 Drucke neben der Tür Abbildung Seite 54 Hieronymi Cardani Medici medio- H Puppentheatersammlung Radebeul, 19 345 lanis libelli due. Nürnberg, 1543 Mit Lutherhoroskop 3.5.1 Andreas Cellarius: COELI STELLATI µ Beitrag Reinhard Staats, sowie: Cardano, CHRISTIANI AEMISPHAERIUM 3.3.6 Girolamo: Hieronymi Cardani libelli due, Geniturae LXVIII (liber de iudiciis genitarium), POSTERIUS. Amsterdam, 1660 J. G. Neumann: Nürnberg 1543; Eberl, Nikolaus: Cardanos Faustbuch. 1693 Encomium Neronis, Dissertation, Frankfurt 1994 µ Faksimile Abbildung Seite 52 H Predigerseminar Wittenberg, 4° NW 64 µ Beitrag von Günther Mahal. Siehe auch: Ba- ron, Frank: Camerarius and the historical Doctor Faustus. In: Joachim Camerarius, München 1974; Faustus, Geschichte, Sage, Dichtung, München 1982; Faust on Trial, Tübingen 1992; 3.4.4 Domandl, Sepp: Agrippa von Nettelsheim, Faust und Paracelsus - drei unstete Wanderer. In: Pa- Weissagung Johannis racelsus und sein dämonenfürchtiges Jahrhun- Lichtembergers. Unterricht Doktor dert, Wien; Wießner, Edeltraud u.a. (Hrg.): Die Martini Luthers. Wittenberg, 1527 weisse Frau im Wittenberger Schloss - Sagen und Geschichten aus dem Kreis Wittenberg Teil µ Beitrag Paola Zambelli, sowie: Kurze, Dietrich: 1. In: Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Johannes Lichtenberger - Eine Studie zur Reprint der British Library, London Museums Wittenberg, Band 2, Wittenberg 1970. Geschichte der Prophetie und Astrologie, Lü- Christliche Sternenkarte von beck 1960. Ferner: VD 16 L 1597, Benzing 2403 µ Abbildung Seite 29 Schickard und Schiller, die 1625 die her- µ H Archiv des Kurators via Faust-Museum, Abbildung Seite 54 kömmlichen Sternbilder durch Figuren aus Knittlingen H Lutherhalle Wittenberg, Inv.-Nr. Ag 4° 208a dem Alten und Neuen Testament ersetz- te, die Tierkreissternbilder z.B. durch die zwölf Apostel. Die alten ‘heidnischen’ 102 Anhang

Tierkreiszeichen sollten durch christliche µ Abbildungen Seite 39 bis 41 3.6.7 Bilder ersetzt werden. Daß dies nicht ge- H Archiv des Kurators Niederaltaicher Horoskopstein lingen kann, da die christliche Mytholo- gie wiederum Wurzeln auch in der Astro- Fotografische Reproduktion logie hat, zeigt sich an der Zuordnung der µ Beitrag Gerhard Voss Apostel zu den Tierkreiszeichen: Dies ist 3.6.3 µ Abbildungen Seite 65 nur scheinbar modern, tatsächlich aber eine Albrecht Dürer: Mondsichelmadonna H Archiv des Kurators via Pater Voss, Benedik- alte Gnostische Analogie des frühen Mit- tinerabtei Niederaltaich telalters. mit Evangelist Johannes. 16. Jh. µ Beitrag von Bernd A. Mertz, siehe auch: Hübner, Wolfgang: Die Christianisierung der Sternbilder Nachdruck von Original-Druckstöcken in Schickards „Astroscopium“. In: Seck F. (Hrsg.): 3.6.8 Zum 400. Geburtstag von Wilhelm Schickard. µ 2.6.5, sowie: Ehmer, Manfred Kurt: Göttin Erde, Contubernium Band 41. Sigmaringen 1995 Kult und Mythos der Mutter Erde, ein Beitrag C. Meyer: H Archiv des Kurators zur Ökosophie der Zukunft. Berlin 1994 Portrait des Huldreich Zwingli. H Lutherhalle Wittenberg 16. Jh. Kupferstich 3.6 Drucke an den Wänden Zwingli schätzte die Astrologie und 3.6.4 meinte, daß sich Astrologen und Theolo- Astronomische Uhr gen nicht gegenseitig bekämpfen sollten, 3.6.1 im Dom zu Münster sondern vereint demselben Ziel anstreben, Lucas Cranach d. Ä.: nämlich die Zeichen Gottes zu erkennen, Der Sterbende. 1518 Fotografische Reproduktionen die er durch die Sterne gibt, und sie als µ Beitrag Manfred Schukowski, sowie: Hausmann, Mahnung zur Umkehr zu benutzen. Fotografische Reproduktion Tjark: Alte Uhren - Kataloge des Kunstgewer- Cranach schildert, ausgehend von bemuseums Band VIII, Berlin 1979; Hawking, dem im Mittelalter weit verbreiteten Ge- Stephen: Eine kurze Geschichte der Zeit, dankengut der „Ars moriendi“ den Kampf Reinbek bei Hamburg 1988; Huber, Bruno: Das Ziffernblatt einer Sonnenuhr, gezeichnet von zwischen Himmel und Hölle um die See- Hans Holbein d. J. In: Astrolog 34 /16 le des Sterbenden. µ Abbildung Seite 25 Nebem dem Arzt mit dem Uringlas H sitzt der personifizierte Höllenschlund mit Archiv des Kurators via Spende Ignaz Lins, Münster dem darin wartenden Teufel. Ein fliegendes Teufelchen sagt: „Verzweifle völlig, da du alle Gebote Gottes nachlässig erfüllt hast, meine jedoch mit Hilfe der Frau stets aufs 3.6.5 Eifrigste!“. Der Engel spricht: „ Deine Sün- Astronomische Uhr den bereue, bitte um Verzeihung, hoffe auf in der Marienkirche Rostock Barmherzighkeit!“ In der Bildmontage auf dem Titel- Fotografische Reproduktienon bild dieses Ausstellungskataloges wurde µ 3.6.4 zusätzlich ein stilisierter Tierkreis aus µ Abbildung Seite 25 Sacroboscos Buch der Sphären eingefügt. H Archiv des Kurators via Prof. Manfred µ Grun, Klaus: Lucas Cranach. Ein Maler-Unter- Schukowski, Rostock µ Zwingli, Huldreich: „De Providentia Dei“, cap. nehmer aus Franken. Augsburg 1994 VII, SS IV, 129-131. 1530; Koch, Walter A.: µ Abbildung vordere Umschlagseite Melanchthon, Zwingli und die Astrologie. In: H Museum der Bildenden Künste, Leipzig Kosmobiologisches Jahrbuch 39, Aalen 1968 3.6.6 H Lutherhalle Wittenberg, Inv.-Nr. 2942, 4° XXIII Astronomische Uhr 3.6.2 in der Nikolaikirche Stralsund 3.6.9 Leonardo da Vinci: Abendmahl. Fotografische Reproduktionen Mailand, Refektorium Chiesa die µ 3.6.4, sowie Krzystof Poimian Philipp Melanchthon: Horoskop Luthers Santa Maria della Grazzie. 1497 µ Abbildungen Seite 62 auf den 22.10.1484, 21.00 Uhr Fotografische Reproduktion H Archiv des Kurators Fotografische Reproduktion. Unbekann- µ Beitrag von Bernd A. Mertz, siehe auch: Barker, Douglas: Verborgene Aspekte in Leonardo da te Handschrift, vermutlich Abschrift eines Vincis Abendmahl. In: Astrolog 10 /2, CH - Briefes von Melanchton an Schöner. Adliswil Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 103

µ Beiträge von Reinhard Staats und Paola H Faust-Museum Knittlingen Zambelli 4 Causa finalis: µ Abbildung Seite 51 H Nachfolger und Bayerische Staatsbibliothek, Cod. Monac. lat. 3.6.13 27003 Wirkungsgeschichte Oratorium und Laboratorium eines Wahren Alchemisten. Viele Schüler und Freunde Melanchtons 3.6.10 Fotografie eines Miniaturmodells aufgrund (u. a. Erasmus Reinhold, Caspar Peucer, von Illustrationsmaterial des 16. Jh., ge- Philipp Melanchthon: Heinrich Rantzau) ließen sich vom of- baut im Faust-Museum Knittlingen von Horoskop Luthers fenen Geist der Wittenberger Universität Sigi und Ivor Swain. auf den 10.10.1483, 22.00 Uhr Leucorea inspirieren, erforschten die µ Beitrag von Günther Mahal Sternenwelt und deuteten zugleich Ho- Fotografische Reproduktion. Unbekann- H Faust-Archiv Knittlingen roskope. Auch weit über seinen Tod hin- te Handschrift aus einer fränkischen aus wirkten die unter dem der Präceptor Sammlung, vermutlich Abschrift eines Germanie geförderten kosmologischen Briefes von Melanchton an Schöner. Theorien. µ Beiträge von Reinhard Staats und Paola 3.6.14 Zambelli; siehe auch 1.6.6 Albrecht Dürer: H Bayerische Staatsbibliothek, Cod. Monac. lat. Maria auf der Mondsichel 27003 4.1 An der Raumdecke

3.6.11 4.1.1 Lucas Cranach d.Ä.: Josua im Harnisch. Strass-Kugel, beleuchtet Aus: Martin Luther: Melanchthons Wirkungsgeschichte in Das Ander teyl des alten testaments. Hinblick auf die Astrologie ist vielfältig, Wittenberg: Cranach-Döring 1524 zeigt sich in vielen kleinen Details. Seine Ausstrahlung wird gleichnishaft dargestellt Ablichtung anhand einer durch Punktstrahler beleuch- Dieser Holzschnitt schmückt auch teten Strass-Kugel, deren Lichtpunkte sich Luthers erste deutsche Gesamtbibel von im ganzen Raum verteilen. 1534. Das Blatt war Vorbild für mehrere freie Kopien, so z.B. von Erhard Schön und H Erhart Altdorfer. Leihgabe der Kristall-Buchhandlung, Berlin Für Luthers Überzeugung, daß die Reproduktion eines Holzschnittes Erde im Mittelpunkt des Universums steht, µ 2.3.3, sowie: Ehmer, Manfred Kurt: Göttin Erde, 4.2 Objekte im Raum bildet Josua 10, 12-13 die entscheidende Kult und Mythos der Mutter Erde, ein Beitrag zur Ökosophie der Zukunft. Berlin 1994 Belegstelle. Dort heißt es ausdrücklich, daß H Archiv des Kurators via Verlag Clemens Zerling Josua die Sonne aufforderte, stillzustehen, 4.2.1 dieses seinem Befehl auch nachkam. Für Steinbock, Wassermann und Fische Luther war somit klar, daß sich die Son- aus der Astronomia Teutsch von ne im Normalfall um die Erde bewegte, 3.7 Text an der Wand 1578 sonst wäre es ja kein biblisches Wunder Gedicht und Beschreibung der Sonne im gewesen. 3.7.1 jeweiligen Zeichen auf volkstümliche Weise µ Beitrag von Martin Treu - in transparenter Folie hinter dem Deutung des von Lucas Gauricus H Koepplin/Falk Nr. 227 Vitrinenglas angebracht. erstellten Lutherhoroskopes µ 1.4.15 µ Beiträge von Rüdiger Plantiko und Reinhard Staats 3.6.12 H Stadtbibliothek Berlin, oKB 345 H Archiv des Kurators Christoph von Sichem: Mephistopheles / Ioan Faustus. 1677 4.2.2 Kupferstich, Fotografische Reproduktion Sonnenuhrenhaus µ Beitrag von Günther Mahal Modell für die Demonstration der Kon- µ Abbildungen Seite 30 struktion von Sonnenuhrenmodellen 104 Anhang

µ Beitrag von Arnold Zenkert µ Beitrag von Gabriele Boockmann. Siehe auch: mern, die erste zeigt die Stunde am Vor- H Planetarium Potsdam Hammer, Franz: Die Astrologie des Johannes mittag, die zweite die Zeit des Nachmit- Kepler. In: Sudhoffs Archiv 55, Wiesbaden 1971; Kepler, Johannes: Warnung an die Gegner der tags. (Aus dem Spanischen von Wolf-Dieter Astrologie - Tertius Interveniens, hrsg. v. Fritz Brungs) Krafft. München 1971; Koch, Walter A.: Die µ 4.2.3 Aspektlehre nach Johannes Kepler, Hamburg Beitrag Arnold Zenkert, sowie: Brand, Rafael Gil: Zur Geschichte der Astrologie in Spani- Sonnenquadrant 1950; Lemcke, Mechthild: Johannes Kepler, Rowohlt Monographie, Hamburg 1995; Plant, en. In: Meridian 2/92. Freiburg 1992; Zinner, Ernst: Deutsche und niederländische astrono- Nachbau von Karl Röttel. Hier sein etwas David: Johann Kepler and the Music of the Spheres. In: The Traditional Astrologer 9, mische Instrumente des 11. bis 18. Jahrhun- gekürzter Erklärungstext: Mansfield 1995; Strube, Wilhelm und Helga: derts. München 1956 Kepler und der General, Berlin 1985; Watten- H Archiv des Kurators Für die Sternkunde ist von jeher das berg, Diedrich: Johannes Kepler, Berlin 1972 Bestimmen der Uhrzeit (z.B. Geburtsstunde H von Menschen) von Bedeutung. Eine von Peter Melanchthonhaus Wittenberg, Inv.-Nr. 18 Apian vorgestellte Nachtuhr (Nocturlab) nutzt dazu die Drehbewegung der Sterne um den 4.3.2 Polarstern. Modell Kepler. Für den Tag beschreibt Apian in seinem 4.3 Objekte in Vitrinen Instrumentenbuch einen Quadranten, mit Mittelalterliche Klappsonnenuhr dessen Hilfe man aus der Sonnenhöhe die Nachbau, Katalonien 1997 Uhrzeit findet. Im Mittelpunkt des 4.3.1 Viertelkreises ist ein Faden mit verschiebbarer Funktion in zusammengeklapptem Perle angebracht. Eine zweidimensionale Modell Pastor. Mittelalterliche Ge- Zustand: Bringe mittels der Visieröffnung Skala am Rand des Quadranten enthält drei nom-Sonnenuhr im Taschenformat. die Spitze des Pfeiles von der Nordnadel geografische Breiten und die Jahreszeit in mit dem Norden der Windrose zusammen, Form der Tierkreise. Man muß zunächst die Neuzeitlich, Katalonien 1997 dann weiß man, um welche der 32 Rich- Perle bis zur jeweiligen geografischen Breite In der Antike hat man den Lauf der und zum aktuellen Sternzeichen verschieben. tungen es sich handelt. Sterne von Ost nach West mit Hilfe einer Dann läßt man den mit einem Lot beschwerten Funktion geöffnet: Bringe die Spit- ursprünglichen Uhr bestimmt, die so gut Faden herabhängen und visiert mit einer ze des Pfeiles der Magnetnadel auf Nord Quadrantenkante zur Sonne (das Absehen mit war, daß sie weder vor noch nach ging. zeigend mit der Nummer 12 des Quadran- Lochblende und Kugel ist Apians Erfindung). Aber diese Uhr benötigte einen greifba- Die Perle liegt nun auf der ten zusammen. Der Schatten, der durch ren Mechanismus, der es erlauben wür- Quadrantenfläche bei einer der dort den Faden erzeut wird, zeigt die Sonnen- de, die Augenblicke in der Folge des Rhyth- gezeichneten Kurven. Da diese Kurven den stunde. (Aus dem Spanischen von Wolf- Stunden eines Tages entsprechen, hat man mus der Naturphänomene auf irgend eine Dieter Brungs) damit die Uhrzeit. Die bei Apians Gerät Weise zu unterscheiden. Es war der Me- auftretenden Stunden sind “ungleiche” µ 4.3.1 Stunden, d.h. es wird stets die Zeit von chanismus des “Solar-Genomen”, ein H Sonnenaufgang zu -untergang und umgekehrt genau senkrecht in der Erde stehenden Archiv des Kurators jeweils in 12 Stunden geteilt, die zwar je Tag Stäbchens, das durch die Sonne einen gleich sind, sich aber übers Jahr ändern. Schattenstrich warf. Mittags, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat, µ Beitrag von Karl Röttel, sowie: Röttel, Karl 4.3.3 (Hrsg.): Peter Apian, Astronomie, Kosmographie ändert der Schatten des Stäbchens Län- und Mathematik am Beginn der Neuzeit. ge und Richtung. Dieser primitive Appa- Melanchthons Sonnenuhr Buxheim 1995 rat wurde von Bayloniern, Chinesen, Ägyp- Fotografische Reproduktion H Planetarium Potsdam tern und Peruanern benutzt. Die Großen Obelisken auf der Place de la Concorde in Paris, Plaza de San Pedro in Rom und im Hippodrom in Konstanti- 4.2.4 nopel sind nichts anderes als antike Ge- Johann Püchler: nome. Auch zwei Schüler Melanchthons Astrologisches Tafelbild für den errichteten meterhohe steinerne Genome: Rat der Stadt Wittenberg. Linz, 1665 Heinrich Rantzau im holsteinischen Die Herkunft dieses Tafelbildes konnte Bredenburg und Georg Rhäticus im pol- bislang nicht geklärt werden. Eine Anfrage nischen Krakau. an die Universität Linz blieb unbeantwortet. Funktion: Die Spitze des Schatten- Vermutlich handelt es sich um eine werfers wird so gedreht, daß sie über dem Schenkung an die Stadt Wittenberg, ver- aktuellen Datum steht. Die Uhr an einer bunden mit der damals üblichen Hoffnung Schnur haltend wird die Spitze (Genom) auf finanzielle Honorierung. in Richtung auf die Sonne gerichtet, da- Kontakte zwischen Linz und Witten- mit der Schatten, der auf dem Fuß erzeut Das Original befand sich im Mathematisch- berg auf astrologisch- und astronomischem wird, exakt senkrecht fällt. Dort, wo der Physikalischen Salon des Dresdner Zwin- Gebiet bestanden bereits seit der Lehrtä- Schatten hinfällt,wird die lokale Sonnenzeit gers und ist seit dem zweiten Weltkrieg tigkeit von Johannes Kepler in Linz. angezeigt. Jede Zeitlinie bringt 2 Num- verschollen. Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 105

µ Beitrag Arnold Zenkert einem kleinen exzentrisch gelagerten Loch H Dresdner Zwinger zur Darstellung der Mondphasen und ei- nem an der Kreisscheibe befestigten Zei- ger zur Einstellung des Mondalters (1-29- Tageteilung) und des Mondwechsels, d.h. 4.3.4 der Tierkreiszeichen und der Monate. Die Ringsonnenuhr Augsburg, 1718 Mondalterung, die zwölf Tierkreiszeichen und die zwölf Monate sind in dieser Fol- ge von innen nach außen als Umrandung der messingnen Scheibe angebracht. Unterseite der oberen Platte: Jahreszeitenuhr mit waagerechtem Schattenstift und Ziffernblatt für die Tages- längen und die Stunden seit Sonnenauf- gang (13-24), seitlich beschriftet mit „der sunen auff gang“ bzw. „der sunen nieder Replik, vergoldet, funktionstüchtig, justiert gang“. Der Benutzungshinweis lautet: „die büchse erhebt. Sonnenuhr besteht aus auf die geografische Breite von Augsburg. spicz zeigt die gancz vhr vnd des tags sein Kreisring mit doppelter 1-12-Teilung, Funktion: Man drehe den Mittelring leng“. Vertikaluhr (VI-XII-VI) mit Polfaden Oberseite beziffert 3-12--9, Innenseite nur auf die aktuelle Monatsmarkierung. Dann (49°) und Beschriftung „der faden zeigt die mit Strichmarkierungen versehen. Sonne- halte man die Uhr an der Kette gegen die Halw vhr“. uhr besitzt feststehenden Polstab, der in Sonne und pendle sie ein; durch die win- Oberseite untere Platte: Kompaß mit einer quadrantenförmigen Polhöhenein- zige Bohrung fällt ein feiner Lichtstrahl 16teiliger Windrose in deutscher, Haupt- stellung (0°-90°) endigt, bezeichnet „Grad: auf die jeweilige Stundenmarke. windrichtungen in lateinischer Bezeich- Altud:poli“. nung und Mißweisungspfeil (etwa +8°). µ 4.3.5 µ 4.3.1 Horizontaluhr (4-12-8) als Umrandung von H Observatorium Niemegk H Archiv des Kurators via Spende des Carl E. Jahreszeitenuhr, deren Ziffernblatt mit Schünemann KG, Buch- und Kunstverlag, Post- fach 106067, 28060 Bremen Stundenlinien seit Sonnenuntergang (9- 24) und Schattenkurven für Solstitien und Äquinoktien versehen. Als Ziffernblatt- 4.3.7 umrandung sind die Tierkreiszeichen und Scarab Sundial 4.3.5 die Meistermarke Tuchers angebracht. Modernes technisches Modell einer Son- Hans Tucher: Viereckige Unterseite untere Platte: Polhöhen für nenuhr auf transparenter Folie. elfenbeinerne Klappsonnenuhr die einzelnen Landschaften und Städte, mit Kompaß. Nürnberg, 1579 Durchbohrungen für Nadelauflage-, µ 4.3.1 Schattenstift und Polfadenbefestigung. H Archiv des Kurators via Royal Maritime Mu- seum, Greenwich, London µ Körber, H.-G.: Katalog der Hellmannschen Oberseite der oberen Platte: Mond- und Sammlung von Sonnenuhren und Kompassen Äquatorialuhr, bezeichnet „NACHT VHR des 16. bis 19. Jahrhunderts im GENERAL VR“, bestehend aus einer in der Geomagnetischen Institut Potsdam. In: Jahr- Mitte durchbohrten messingnen Kreis- buch 1962 des Adolf-Schmidt-Observatoriums 4.3.8 in Nienegk, Berlin 1964 scheibe mit doppelter 1-12 Stundenteilung, Jakobsstab H Observatorium Niemegk Nachbau von Karl Röttel. Hier sein etwas gekürzter Erklärungstext:

4.3.6 Für Astronomie und Astrologie war und ist das Bestimmen von Sternörtern eine wichtige Michael Coignet: Aufgabe. An Hand von (drei verschiedenen) Runde messingne Tischsonnenuhr Gradnetzen auf der Himmelskugel, die jenem mit Kompaß. Antwerpen, 1604 auf der Erde mit geografischer Länge und Breite entsprechen, kann jeder Fixstern, Komet und Planet genau kalkuliert werden. Kompaß auf Grundplatte aufgesetzt. Neben Astrolabium und Triquetum ist der Schutzglas und Nadel fehlen. 4-teilige Jakobsstab ein sehr geeignetes Winkel- instrument. Die älteste bekannte Beschreibung Windrose mit Beschriftung außerhalb der des Jakobsstabs („baculus astronomicus“) Kompaßbüchse. Äquatorialuhr ist um eine stammt von Gerson aus dem 14. Jh. Von horizontale Achse drehbar in einer Art um- Regiomontanus wird berichtet, daß er einmal gekehrten Globusgestells gelagert, das sich seinen Jakobsstab nicht zur Hand hatte und statt dessen einen Rechen und dessen Zinken auf der Grundplatte über der Kompaß- nutzte. 106 Anhang

Um mit dem Jakobsstab beispielsweise Der hier ausgestellte Meteorit wurde in 1970; Thoren, Victor E.: The Lord of Uraniborg, den Winkel der Erhebung des Polarsterns über unserem Jahrhundert gefunden. Cambridge 1990; Troels-Lund: Himmelsbild und dem Horizont zu bestimmen, verschiebt man Weltanschauung im Wandel der Zeiten, Leip- den Querstab so lange, bis sich Stern und Welche Meteoriten der Wittenberger zig 1913; Wittendorf, Alex: Tyge Brahe, Ko- Horizont mit den Rändern des Querstabes Musiktheoretiker und Meteoritenforscher penhagen 1994. decken. Häufig sind auf den Längsstäben Chladni persönlich auf seinen Wanderun- H Archiv des Kurators via Tycho-Brahe-Muse- bereits die Winkel angegeben; mehrere gen durch Europa aufsammelte, ist in ei- um, Hven im Öresund Autoren, darunter auch Melanchthons Zeitgenosse Peter Apian, beschreiben im 16. ner ständigen Ausstellung im Naturkunde- Jahrhundert das Erstellen solcher Skalen. museum Berlin zu sehen. Probiert man einen Jakobsstab aus, indem µ etwas aus gemessenen Winkeln und Beitrag von Ralf T. Schmitt 4.3.12 H Naturkundemuseum Berlin. Inventarnummer Abständen von Auge zu Querholz die Länge Sternwarte Rundetårn des Querstabes errechnet, stellt man MfN 547194, Acfer 024, interne Nr. 2353 Meßgenauigkeiten von 1 Promille fest. Pappmodell µ Schück, A.: Der Jakobsstab. Jahresbericht 1627 legte Christian IV. den Grund- Geographishe Gesellschaft München für 1894 4.3.11 stein des Runden Turmes in Kopenhagen. und 1895, Heft 16. München 1896 Man wollte auf der Spitze des Turm ein H Archiv Karl Röttel, Ingolstadt Tycho Brahes Schloß Uraniborg Observatorium derselben Art wie Stjärne- Pappmodell borg (bei Uraniborg) anlegen. Am 1. Juli 1576 gegen 8 Uhr mor- Zum Chef wurde Longomontanus er- 4.3.9 gens legte Tycho Brahe den Grundstein für nannt, ein ehemaliger Schüler Tycho Brahes. In der zweiten Hälfte des 17. Jahr- Bronzemedaille 1910 (v. E. Torff) auf hunderts wurde der bedeutende dänische das Erscheinen des Halleyschen Astronom Ole Rømer Leiter des Obser- Kometen vatoriums. Der Halleysche Komet wurde auch von µ 4.3.11 Melanchthon und Luther beobachtet, regte H Archiv des Kurators via Rundetårn-Museum sie zu vielfältigen astrologischen Deutun- in Kopenhagen gen an. Die Bahn des Kometen wurde erstmalig vom englischen Astronomen Halley berechnet, der strikt naturwissen- 4.3.13 schaftlich ausgerichtet war und damit in scharfer Kontroverse zu seinem metaphy- Leonard Thurneysser: sisch und pro-astrologischen eingestell- seine „Burg der Himmelgöttin Urania“, ein Astrolobientafeln. Berlin um 1580 ten englischen Kollegen Newton stand. Renaissanceschlößchen mit Wohnräumen Aus „Erklärung der Archidoxa“. Vorderseite: ZUR. ERINNERUNG. A. und Observatorium. Die spitzigen Dächer µ Beitrag von Gabriele Spitzer. Siehe auch: D. ERSCHEINEN. KOMETEN. 1910. U.Z. waren aufmachbare Hauben über Instru- Moehsen, J.C.W.: Leben Leonhard Thurneissers FÖRDERUNG.WISSENSCHAFTLICHER. mentaltanen. Im südlichen Teil des Kel- ABEITEN.A.D.TREPTOW:STERNWARTE* lers lag ein alchimistisches Laboratorium. Brustbild Halley’s nach halblinks Bald nach Tycho Brahes Weggang Rückseite: DAS. ERSCHEINEN. DES. aus Hven im Jahre 1597 erlagen die Bauten HALLEYSCHEN KOMETEN (es folgen der Zerstörung. Wie neueste Untersuchun- mehrere Jahresangaben, unter anderem gen ergaben, wurden sie keineswegs von auch das von den Reformatoren beobach- den Inselbewohnern abgerissen. Vielmehr tete Erscheinen am 26. August 1532). gingen Tausende von Steinen in den Bau Unten die Treptower Sternwarte, im Fel- eines kleinen Schlosses auf der Insel für de Darstellung der Bahn des Kometen mit die Geliebte des verheirateten Königs der Bezeichnung der einzelnen Sternbil- Christian IV. der. µ Beiträge von Reimer Hansen und Heinrich µ Beitrag von Paola Zambelli Kühne. Siehe auch: Borup, Christian: The Rise H Melanchthonhaus Wittenberg, Inv.-Nr. V/G/ and Fall of Tycho Brahe (1546-1601) - The Life, 393.3498 Times, Charts and Predictions of an Royal Astrologer. Vortrag auf dem 6. Astrologie-Welt- Kongress, Luzern 1996; Christianson, J. R.: Tycho Brahe’s German Treatise on the Comet of 1577, A Study on Science and Politics. In: 4.3.10 Isis, Nr. 251 Decorah, Iowa USA, 1979; Dreyer, Sahara-Meteorit I.L.E.: Tychonis Brahe Danie opera omnia, 1924; Larsen, Lars Steen: The Idea of Astrology, from zum Thurn. In: Beiträge zur Wissenschafts- geschichte in der Mark Brandenburg, Berlin HS-Chondrit, 126.0 g Babylon to the Big-Bang-Theory. Kopenhagen 1995; Lauring, Palle: Tyge Brahe, Allingabro 1783 1989; Norlind, Wilhelm: Tycho Brahe, Lund H Staatsbibliothek zu Berlin, Unter den Linden Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 107

4.3.14 Museum, Berlin 1993; Pagel, Walter: Das medizinische Weltbild des Paracelsus, Wiesba- Heinrich Rantzau: den1962 Planetentafeln. 1572 H Deutsches Apothekenmuseum, Heidelberg

µ Beitrag von Reimer Hansen. Siehe auch: Hansen, Reimer: Krieg und Frieden im Den- ken und Handeln Heinrich Rantzaus (1526- 1598). In: Krieg und Frieden im Horizont des 4.3.16 Renaissancehumanismus, Worstbrock (Hrg.), Würfelförmiges Weinheim 1986; Haupt, Richard: Heinrich Schröpfschneidegerät Mit 12 Messern, auf der Deckplatte der Stempel: Griebel µ 4.3.15 H Deutsches Apothekenmuseum, Heidelberg Hexagramm, außen Tierkreiszeichen, in der Mitte Umschrift SIGNYM * SALOMONIS. Rückseite: DIESES+IST+DER+ MANGNEDISCHE+FLVS+GICHT+V+. 4.3.17 In einem Kreis von Tierkeiszeichen befindet Medizinisches Amulett sich ein Pentagramm. nach Paracelsus. 1540 µ Winter, Düsseldorf, Auktion Nr. 49 vom 17.5.1985, Nr. 2514. Ferner: Müller-Jahncke, Moderne Nachprägung nach Vorgaben von Wolf-Dieter: Astrologisch-magische Theorie und Paracelsus erstellt, um Sehschwächen aus- Praxis in der Heilkunde, Wiesbaden 1984 zugleichen, die visuelle Wahrnehmung zu H Melanchthonhaus Wittenberg, Inv.-Nr. V/G/ schärfen und das Augenlicht zu erhalten. 112/687 µ 4.3.15 sowie: Anrich, Elsmarie: Groß Göttli- che Ordnung - Thomas von Aquin, Paracel- sus, Novalis und die Astrologie, Tübingen 1951; Mertz, Bernd A.: Paracelsus und seine Astro- 4.4 Bücher in Vitrinen logie, Wettswil 1993; Also sprachen für die Astrologie..., Wettswil 1995 ; Rhein, Stefan: Me- Rantzau und die Künste. In: Zeitschrift der lanchthon und Paracelsus. In: Parerga 4.4.1 Paracelsica, Hrg.v. Joachim Telle, Stuttgart 1991; Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Ge- Paul Eber: Calendarium schichte, Band 56, Kiel 1927; Lohmeier, Die- Melanchthonpreis (1+2) (Hrg), Sigmaringen ter: Arte et Marte, Studien zur Adelskultur des 1988 /92; Waldemar, Claus: Paracelsus, Mün- Historicum. Wittenberg, 1551 Barockzeitalters, Neumünster 1978; Saxionius. chen 1959 H Melanchthonhaus Wittenberg, Signatur 45 In: Bibliographisches Lexikon für Schleswig- H Archiv des Kurator via Spende Ganesha Amu- Holstein und Lübeck, Neumünster; Ranzau, lette und Symbolschmuck, Britta Hesse, Im Heinrich: De conservanda valetutine, Leipzig Rosenhof 42a, 42859 Remscheid 1576; Diarium calendarium romanum, exeudebat Christopherus Axinus 1593; Tractatur 4.4.2 astrologicus, Frankfurt 1633; Sievert, Hans H.: Caspar Peucer: Commentarius de Im Zeichen von Kreuz und Rose, Berlin 1996 4.3.18 H Kunstgewerbemuseum Berlin, K 4682 Praecipius generibus divinationis. Arabische Tierkreiszeichenmünzen Wittenberg, 1576

Moderne Nachprägung, Tunesien H Melanchthonhaus Wittenberg, Signatur 169 4.3.15 µ Müller-Jahncke, Wolf-Dieter: Astrologisch- magische Theorie und Praxis in der Heilkun- Nierenförmige Blutschale de, Wiesbaden 1984 zum Aderlassen H Archiv des Kurator 4.4.3 Herkunft: Landesapotheke am St. Petrus Apianus: Johannesspital in Salzburg Cosmographia. Antwerpen, 1584 µ Koch, Hans-Theodor: Medizinische Promotio- 4.3.19 nen an der Universität Wittenberg in der Vor- H reformationszeit. In: Medizin und Naturwis- Medizinisch-magisches Francisceumsbibliothek Zerbst, 4° N 13 b senschaften in der Wittenberger Reformations- Amulett-Signum Salomonis. ära (Wissenschaftliche Beiträge der Martin-Lu- ther-Universität Halle-Wittenberg, 45), Halle 1982; Müller-Jahncke, Wolf-Dieter: Magie als Anonyme Zinnguß-Medaille o. J. Wissenschaft im frühen 16. Jahrhundert, Mar- Systhematische Einordnung: 17. Jh. burg 1973; Astrologisch-magische Theorie und Praxis in der Heilkunde, Wiesbaden 1984; ders: Vorderseite: FIEBER+SCHRECK+ Kostbarkeiten aus dem Deutschen Apotheken- PFENNIG+BEY+SICH+ZV+TRAGEN+.

110 Anhang

4.6 Drucke an den Wänden 4.6.3 4.6.8 Tycho Brahes Tycho Brahes 4.6.1 astronomische Instrumente Observatorium Stellaburgum Caspar Peucer: Korrespondenz µ 4.3.11 über das Tychonische System H Archiv des Kurators via Landskrona Kulturförvaltning, Schweden Melanchthons Schwiegersohn gehörte zum Kreis derjenigen, die sich an Heinrich Rantzaus Diskussion der Hypothese Tycho Brahes beteiligten. 4.6.4 µ Beitrag von Reimer Hansen Tycho Brahe bei der Sternenbeob- H Archiv Reimer Hansen via Göttinger Zentral- achtung. Amsterdam 1662 archiv Kupferstich aus dem Atlas von Joan Blaeu µ 4.3.11 H Archiv Reimer Hansen via Kongelige Bibliotek 4.6.2 København, Foto Nr. 155790 Systema tychonicum Beim starken Wind schaukelten die Instru- Das tychonische System war ein philoso- mente auf den Balkons von Uraniborg. phischer und mathematischer Kompromiß 4.6.5 Tycho Brahe gründete deswegen 1584 das zwischen dem klassischen Modell des Tycho Brahes Weltsystem halb unterirdische Observatorium Ptolemäus und dem damals allzu revolu- Abbildung aus seinem Werk Stjärneborg (Sternenburg). tionären Modell des Copernicus: Die Pla- „De Mundi Aetheri“. Uraniborg 1588 Das, was man heute auf der einst neten kreisen um die Sonne (ptolemäisch), dänischen, seit Mitte des 17. Jahrhunderts µ jene jedoch um die Erde (kopernikanisch). 4.3.11 schwedischen Insel Hven im Øresund se- H Mit diesem System konnten die Planeten- Archiv Reimer Hansen via Kongelige Bibliotek hen kann, ist eine Betonrekonstruktion aus København bahnen annähernd genau vorausberech- dem Anfang der 50er Jahre. Wenn man aber durch die Glasscheiben schaut, sieht man den Fußboden, die Treppe und 4.6.6 Instrumentfundamente, die Tycho Brahe Tycho Brahe: erbauen ließ. Horoskop für Prinz Ulrich µ 4.3.11 H Archiv des Kurators via Landskrona Kulturförvaltning, Schweden Fotografie aus: Dreyer, I.L.E.: Tychonis Brahe Danie opera omnia, 1924 Tycho Brahe hat in seinem Leben nur µ Abbildung Seite 25 wenige Horoskope gedeutet, diese aber mit großem Verständnis klassischer astrolo- 4.6.9 gischer Techniken. Am weitesten gibt Portrait des Heinrich Rantzau darüber das Buch von Lars Steen Larsen Auskunft. µ 4.3.11 H Hauptbibliothek der TU Berlin net werden, zugleich kam es in seiner re- ligiösen Bedeutung dem neuen Weltbild der Reformation sehr nahe. Deshalb wurde es über mehr als hundert Jahre an den pro- 4.6.7 testantischen Universitäten Deutschlands Tycho Brahes Schloß Uraniborg bevorzugt. µ 4.3.11 µ 4.3.11 H Archiv des Kurators via Landskrona H Archiv des Kurators via Landskrona Kulturförvaltning, Schweden Kulturförvaltning, Schweden Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 111

4.6.12 Fotografische Reproduktion nach H. Leonhard Thurneysser: Die astrolo- Goltzius. gische Verteilung der vier Elemente. µ 4.3.14 Aus: Quinta Essentia. Leipzig 1574 H Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel µ 4.3.13 H Staatsbibliothek zu Berlin, Mu 2011a R 4.6.10 Peter Cnemiander: Dem Markgrafen Johann von Küstrin Revolution 4.6.13 gestellt auf das Jahr 1565/66 Leonard Thurneysser: Rezept gegen Zahnweh. Fotografie des Autographen. Markgraf Johann von Küstrin, eben- Reproduktion einer Handschrift falls ein im nordöstlichen Deutschland µ 4.3.13 herrschender Regent aus dem fränkischen H Staatsbibliothek zu Berlin Hohenzollerngeschlecht, ließ sich viele Jahre astrologisch beraten. Das hatte ei- nen großen Einfluß auf seine Politik. Als 4.6.17 „Zünglein an der Waage“ pendelte er häufig 4.6.14 Aderlaßmann aus Heinrich Rantzaus zwischen den Lagern der Katholiken und Johannes Sager: Diarium Romanum. 1593 Protestanten. Liest man die Jahres- Brief an Leonhard Thurneysser horoskope seines Astrologen Cnemiander, Fotografische Reproduktion einem Schüler Philipp Melanchthons, dann Beschreibung von Astronomischen Gerä- µ 4.3.14 wird deutlich, wie sehr er seine Politik ten, die zum Kauf angeboten werden. H Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel, danach ausrichtete. µ 4.3.13 CxrG 79F H Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Bor. Fol. 685, Bl. 278 µ 4.4.13 H Geheimes Staatsarchiv, Rep XXIX, Nr. 5

4.6.15 4.6.11 Tilmann Stella von Siegen: Die gemeine Landtaffel des Leonhard Thurneysser: Deudschen Landes. Wittenberg, 1560 Portrait mit astronomischen- astrologischen und chemisch- Fotografische Vergrößerung alchimistischen Instrumenten. µ Beitrag von Gabriele Spitzer, siehe auch: Lan- Aus: Quinta Essentia. Leipzig 1574 desaufnahme der Ämter Zweibrücken und Kirkel des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken µ 4.3.13 (1564) / Tilemann Stella. Lüneburg 1989 H Staatsbibliothek zu Berlin, Mu 2011a R H Francisceumsbibliothek Zerbst

4.6.16 Europa um 1540 stilisierte Landkarte Diese moderen Karte hat genau die glei- che Ausrichtung und geografische Be- 4.6.18 schreibung wie die Landtafel des Stella von Tycho Brahes Insel Hven Siegen. Fotografie aus: Dreyer, I.L.E.: Tychonis µ 4.6.16 Brahe Danie opera omnia, 1924 H Archiv des Kuraotors µ 4.3.11 H Hauptbibliothek der TU Berlin 112 Anhang

µ Beitrag von Olivia Barcley, sowie: Kiesewetter, 4.6.25 Karl: John Dee und der Engel von westlichen Fenster. Hrg. v. Michael Kuper, Berlin 1993 Horoskop der Greenwich-Sternwarte µ Abbildung Seite 84 Fotografie des handschriftlichen Horoskops H Archiv Verlag Clemens Zerling von Flamsteed µ Beitrag von Olivia Barcley µ Abbildung Seite 86 4.6.22 H Cambridge University Library, Royal Green- Frontispiz der wich Observatory Archives; John Flamsteed V Tabulae Rudolphinae. 1627 papers: RGO 1/18 f2

µ Beitrag von Reimer Hansen 4.6.19 H Staatsbibliothek zu Berlin, Unter den Linden 4.6.26 Horoskop und Portrait Greenwich-Sternwarte - damals von Galileo Galilei 4.6.23 Reproduktion eines zeitgenössischen Kup- ferstichs Portrait Rudolf II. µ Beitrag von Olivia Barcley Reproduktion eines zeitgenössischen µ Kupferstichs Abbildung Seite 85 H Cambridge University Library, Royal Green- µ Beiträge von Heinrich Kühne und Reimer wich Observatory Archives; Astronomical Hansen Paintings and Drawings: RGO 116/18 f2V 6 H Archiv des Kurator

4.6.27 Greenwich-Sternwarte - heute Fotografie Der ‘Transit circle’ wurde von Sir George Galilelo Galilei stand in schriftlichem Kon- Airy, dem damaligen Royal Astronomer, takt mit Johannes Kepler, welcher in den zur Definition des Greenwich-Meridian Entdeckungen als einer der ersten eine Be- verwendet. Dieser gilt seit 1884 als Null- stätigung des Copernicanischen Welt- Meridian für die geografische Vermessung systems sah und diese begeistert aufnahm der Erde und den Nullpunkt der Weltzeit. und in öffentlichen Schriften verteidigte. Diese Sternwarte befindet sich im öst- µ Mirti, Grazia und Foglia, Serena: The lichen Teil Londons südlich der Themse und astrological Work of Galileo, London 1992; ist heutzutage als Museum zugänglich. Hemleben, Johannes: Galilei, Reinbek 1969 H Archiv des Kurators via Grazi Mirti, Vorsitzende µ Beitrag von Olivia Barcley des Italienischen Astrologenverbandes CIDA H Archiv des Kurators und Direktorin von Linguaggio Astrale, Via G. Collegno 12bis, I - 10143 Torino

4.6.24 4.6.28 4.6.20 Portrait des John Flamsteed Portrait des Ernst Florenz Friedrich Chladni Peter Apian: Wochentagsanzeiger Reproduktion eines zeitgenössischen Kupferstichs µ Pappmodell Beitrag von Ralf T. Schmitt Dieser erste Astronom der königli- H Melanchtonhaus Wittenberg µ Beitrag von Karl Röttel chen Sternwarte in Greenwich erstellte H Archiv des Kurators via Spende des Polygon- auch Horoskope und griff dabei auch auf Verlags die Pruthenischen Tafeln des Wittenber- ger Universitätsprofessors Erasmus Rein- 4.6.29 hold zurück. Blick in das Innere eines Meteoriten µ 4.6.21 Beitrag von Olivia Barcley Fotografie Portrait des John Dee µ Abbildung Seite 85 Der innere Aufbau eines Meteoriten, H Cambridge University Library, Royal Green- gesehen durch das Polarisationsmikroskop, Reproduktion eines Kupferstichs wich Observatory Archives die Bildbreite beträgt 5.4 mm. Ausstellungskatalog - Beschreibung der Exponate 113

µ Beitrag von Ralf T. Schmitt Die Sense und das Stundenglas des Gottes kann es so sehen, daß astrologisches Ge- H Archiv Ralf T. Schmitt sind zerstört, Krone, Kriegsgerät und Glocke dankengut vom Christentum übernommen, verwüstet, die Natur abgestorben. Die Melancholie, die Saturn im mythischen aber kultiviert und weiterentwickelt, letzt- Denken hervorrief, hat ihn selbst überwältigt, lich durch den christlichen Glauben über- so daß ihm nur noch das Motto für den wunden wurde. Eine entgegengesetzte Mei- 4.6.30 Niedergang einer Epoche menschlichen nung ist die, wonach das Christentum, Denkens entströmen kann: FINIS. Giordano Bruno: sobald es zur römischen Staatsreligion Geometrisch definierte µ 4.3.15 erklärt wurde, massiv den alten Mithraskult Gedächtnisorte. Frankfurt, 1591 H Archiv Prof. Dr. Müller-Jahncke, Kirchen (Sieg) unterdrückte und damit seine eigenen via Paulson, Ronald: Hogarth’s Graphic Works. esoterischen Wurzeln verleugnete. Tatsache Fotografische Reproduktion. Holzschnitt 2 Bde. New Heaven, London 1965 vermutlich aus seiner eigenen Hand. ist auf jeden Fall, daß gerade dort, wo der alte astrologische Kult des Sonnengottes µ Beitrag von Wolfgang Wildgen. Siehe auch: Mithras seine unterirdischen Kultstätten Batsch, Gerhard: Zum Umbruch im weltan- schaulichen Denken der bürgerlichen Neuzeit 0 Experimentalraum hatte, die ersten christlichen Kirchen er- - Nicolaus und Giordano Bruno. In: Nicolaus baut wurden. Copernicus, Berlin 1973; Bruno, Giordano: Von in der Krypta Aus dem Original-Begleittext von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen. Aby Warburg, 1930: „Der Gottesdienst der Herausgegeben von Paul Richard Blum, Ham- Mithrasgläubigen wurde in natürlichen burg 1977; Heroische Leidenschaften und in- Der Glaube an die Planetenrhythmen oder künstlich angelegten Grotten, soge- dividuelles Leben, hrg. von Ernesto Grassi, findet entsprechend zu den jeweiligen Hamburg 1957; Gesammelte Werke,Band 1-6 nannten Mithraeen, gefeiert. Das Modell kulturellen Zeitströmungen in viele hrg. v. Ludwig Kuhlenbeck, Jena 1904-1909; zeigt eine solche Kultstätte des Gottes. Die Spaccia delle bestia trionfante, 17. Jh, Italien?, Phasen der Menschheitsgeschichte sei- Decke des Raumes ist mit Sternen ge- Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. 273 nen Ausdruck. schmückt. Am Boden sind Kreisbögen, die Blankenburg; Drewermann, Eugen: Giordano Beispielhaft werden in dieser ex- Bruno, München 1992 die Planetenkreise bedeuten, an den Sei- perimentellen Rauminstallation moderne H Universitätsbibliothek Bremen - Bruno, ten die Bilder der Planetengötter. An den Adaptionen von Planetenharmonie- Giordano 1591(a):143. Bänken, auf denen die Gläubigen knieten Theorien der beginnenden Neuzeit, mit- oder lagen, sind die Bilder der Tierkreis- telalterliche Gestirnsmagie und vorchrist- zeichen. Die Mithrasgläubigen hofften, daß licher Sonnenkult in einer experimen- sie nach dem Tode von ihrem Kultgott 4.6.31 tellen Rauminstallation zusammenge- Mithras durch die Reiche der Planeten- bracht. Giordano Bruno: götter in den obersten Himmel geleitet Mondgöttin. Frankfurt, 1591 werden würden. So sollte schon auf Er- Fotografische Reproduktion eines Holz- 0.1 An der Raumdecke den der Gläubige, beim Kult im Mithras- schnitts (unspezifischer Druckstock) heiligtum von Planetenkreis zu Planeten- kreis fortschreitend, gleichsam geläutert µ 4.6.30 0.1.1 aufsteigen...“ H Universitätsbibliothek Bremen - Bruno, Giordano 1591(b):156 Floureszierender Sternenhimmel µ Beitrag von Paola Zambelli, siehe auch: Neuzeitlich, hergestellt durch eine von in- Fleckner, Uwe u.a. (Hrg.): Aby M. Warburg - Bildersammlung zur Geschichte von Stern- nen beleuchtete, getöpferte Kugel aus glaube und Sternkunde, Hamburg 1993; Katalonien. An der Decke des Tonnenge- 4.6.32 Gombrich, Ernst H.: Aby Warburg - Eine in- wölbes bilden sich somit in stilisierter Form tellektuelle Biographie, Hamburg 1992. William Hogarth (1697-1764): Lichtflecken von Mond und Sternen ab. H Planetarium Hamburg Das Ende Saturns µ Text im Faltblatt zur Ausstellung über die vier Kupferstich Quadranten von Jürgen G.H. Hoppmann Zu dieser ironischen Darstellung von H Archiv des Kurators 0.2.2 Hogart (1697-1764) über den Niedergangs Röhren-Gongspiel der Astrologie in der Zeit der Aufklärung Planetenton Pluto (Cis) schreibt Müller-Jahncke 1984: 0.2 Objekte im Raum Schon die alten Griechen wußten von der Wirkung von Klang und Klangbildern auf 0.2.1 unsere Seele und von unserem inneren Diorama eines Mithras-Tempels. Eingebundensein in die kosmischen Rhyth- Original in Ostia (Italien). men. Die Berechnungen von Hans Cousto 2. Jh. n. Chr. bauen auf diese alten überlieferten Theorien auf. Exponat aus der Warburg-Ausstellung. Pluto (ein erst im 20. Jahrhundert Astrologie liegt “unter” dem Christentum, entdeckter Planet) führt nach Auffassung räumlich und im übertragenen Sinne. Man 114 Anhang

vom Faust-Museum) in runder Form über die gesamte Breite des Bodens. µ 3.3.6 H Archiv des Kurators

von Astrologen in die Tiefe inneren Er- lebens, um den Menschen dann wie Phönix aus der Asche ganz und heil wieder auf- erstehen zu lassen. Aus diesem Grunde wird Pluto auch mit starker, aus der Tiefe kom- mender Heilkraft assoziiert. µ Cousto, Hans: Die Oktave - Das Urgesetz der Harmonie, Berlin 1988; Neubäcker, Peter: Harmonik und Glasperlenspiel, Beiträge ’93 u. ’94 Arbeitskreis Harmonik, München 1993, 1994 H Leihgabe von Wu Wei - Klang und Kunst, Düvelsbeker Weg 33, 24106 Kiel

0.3 Objekt an der Wand

0.3.1 Klangspiel Modell Luna Der Grundton ist das Gis, das sich aus der Umlaufbahn des Mondes um die Erde er- rechnet. Auf der psychologischen Entsprechungsebene sind ihm Liebe, Ge- fühl, Herz, Wärme und schöpferische Aus- druckskraft zugeordnet. Das Resonanzfeld des Mondes ist nach alter Überlieferung in besonderem Maße für Kunst und Künst- ler „zuständig“. Die Stimmgabeln der gro- ßen Komponisten der Barockära - Bach, Händel und Mozart - entsprachen in ih- rer Frequenz diesem Ton. µ 0.2.2 H Archiv des Kurators via Spende der Firma Schneider, Postfach 1430, 37107 Duderstadt

0.4. Objekt auf dem Boden

0.4.1 Zodiak Tierkreis aus Kunststoff-Folie nach klas- sischen Vorbildern (Marlowe-Holzschnitt 115

Leihgeber

Astronomisches Zentrum Gemäldegalerie Berlin Institut für Geodäsie „Bruno H. Bürgel“ Staatliche Museen zu Berlin und Photogrammetrie der Im Neuen Garten 6 Stauffenbergstr. 40 Technischen Universität Berlin 14469 Potsdam 10785 Berlin Straße des 17. Juni 135 10623 Berlin Astroscopia Geo-Forschungszentrum Potsdam Dosfeld 16 Adolf-Schmidt-Observatorium Institut für Mineralogie 26904 Börger Lindenstr. 7 Naturhistorisches Forschungsinstitut 14823 Niemegk Museum für Naturkunde Bayerische Staatsbibliothek Humbold-Universität zu Berlin Ludwigstr. 16 Geheimes Staatsarchiv Invalidenstr. 43 80328 München Stiftung Preußischer Kulturbesitz 10115 Berlin Archivstr. 12/14 Bibliothek des Evangelischen 14195 Berlin Heinrich Kühne Predigerseminars Wittenberg Historiker Collegienstr. 54 Gemäldegalerie der Kreuzstr. 22 06886 Lutherstadt Wittenberg Staatliche Museen Kassel 06886 Lutherstadt Wittenberg Postfach 410420 Cambridge University Library 34131 Kassel Kunstgewerbemuseum West Road Stiftung Preußischer Kulturbesitz UK - Cambridge CB3 9DR Germanisches Nationalmuseum Matthäikirchplatz 10 Graphische Sammlungen 10785 Berlin Deutsches Apotheken-Museum CD-ROM-Archiv im Heidelberger Schloß Kartäusergasse 1 Kunsthistorisches Seminar Friederichstraße 3 90402 Nürnberg und Kustodie 69117 Berlin Friedrich-Schiller-Universität Jena Prof. Reimer Hansen Am Planetarium 7 Deutsches Historisches Museum Freie Universität Berlin 07743 Jena DHM GmbH Fachbereich Geschichtswissenschaften Unter den Linden 2 Friedrich-Meinicke-Institut Landskrona-Vens Turistförening 10117 Berlin Habelschwerdter Allee 45 Slottsgatan / Rådhusgatan 3 14195 Berlin S - 26131 Landskrona Dom zu Havelberg Domgemeinde Kantor Almut Heer Ignaz Lins Platz des Friedens 10 Bildhauerin Habichtshöhe 78A 39539 Havelberg Moorburger Elbdeich 263 48151 Münster 21079 Hamburg Faust-Museum Reformationshistorisches Museum und Faust-Archiv Heinrich-Schütz-Haus Lutherhalle Wittenberg Kirchplatz 2 Heinrich-Schütz-Str. 1 Collegienstr. 54 75438 Knittlingen 07586 Bad Köstritz 06886 Lutherstadt Wittenberg

Francisceumsbibliothek Jürgen G. H. Hoppmann Martin-Luther-Universität Weinberg 1 Ars Astrologica Halle-Wittenberg 39261 Zerbst Fredericiastr. 7 Kustodie 14050 Berlin Emil Abderhalden Str. 6 Geheimes Staatsarchiv sowie: 06108 Halle Stiftung Preußischer Kulturbesitz Bergstr. 43 Archivstr. 12/14 4789 Vehlen 14195 Berlin 116 Anhang

Melanchthonhaus Bretten Alfred Roggan Thüringer Melanchthonstr. 1 Denkmalspfleger Universitäts- und Landesbibliothek 75015 Bretten Wernstr. 16 Friedrich-Schiller-Universität 03046 Cottbus Karl-Günther-Str. 11 - 13 Melanchthonhaus Wittenberg 07740 Jena Collegienstr. 60 Royal Greenwich Observatory Archive 06886 Lutherstadt Wittenberg Cambridge University Library Universitätsbibliothek West Road „Bibliotheca Albertina“ Grazia Mirti UK - Cambridge CB3 9DR Beethovenstr. 6 Linguaggio Astrale 04107 Leipzig Via G. Collegno 12bis Schleswig-Holsteinische I - 10143 Torino Landesbibliothek Pater Schloß Gerhard Voss Museum der Bildenden Künste 24103 Kiel Benediktinerabtei Niederaltaich Beethovenstr. 4 94557 Niederalteich 04107 Leipzig Prof. Manfred Schukowski H elsinkier Straße 79 Württembergisches Landesmuseum Museum für 18107 Rostock Schillerplatz 6 Astronomie und Technikgeschichte 70173 Stuttgart mit Planetarium Staatsbibliothek zu Berlin Staatliche Museen Kassel Handschriftenabteilung Zentral- und Landesbibliothek Berlin Brüder-Grimm-Platz 5 Unter den Linden 8 Berliner Stadtbibliothek 34117 Kassel 10117 Berlin Historische Sondersamlungen Breite Straße 32 - 34 National Gallery Staatsbibliothek zu Berlin 10178 Berlin Trafalgar Square Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv London WC2N 5DN Potsdamer Str. 33 Verlag UK - Großbritannien 10772 Berlin Clemens Zerling Graefestr. 26a Werner Nehls Staatliche Kunstsammlungen Dresden 10967 Berlin Harzer Str. 36 Puppentheatersammlung 12059 Berlin Hohenhaus Barkengasse 6 Dr. Günther Oestmann 01445 Radebeul Universität Hamburg Institut für Geschichte der Natur- Staatlicher wissenschaften, Mathematik und Technik Mathematisch-Physikalischer Salon Bundesstraße 55 im Dresdner Zwinger 20146 Hamburg 01067 Dresden

Optisches Museum der Staatliche Museen Kassel Ernst-Abbe-Stiftung Gemäldegalerie Alte Meister Carl-Zeiss-Platz 12 Schloß Wilhelmshöhe 07743 Jena 34131 Kassel

Planetarium Hamburg Stadtarchiv Ingolstadt Warburg-Sammlung An der Schanz 45 Hindenburgstr. Ö1 85049 Ingolstadt 22303 Hamburg St. Nikolai zu Stralsund Dr. Rüdiger Plantiko Der Gemeindekirchenrat Konrad-Adenauer-Ring 2 Auf dem St. Nikolaikirchhof 2 69226 Nussloch 18439 Stralsund

Dr. Karl Röttel Technische Universität Berlin Am Aschweg 57 Hauptbibliothek 85114 Buxheim Straße des 17. Juni 135 10623 Berlin Danksagungen 117

Danksagungen

„Jedem Anfang liegt ein Zauber inne.“ die Organisations- und Kommunikations- und Frau Dr. Mundt am Kunstgewerbemuseum Berlin, Dieses geflügelte Wort des Astrologie- kraft von Frau Ilona Kunze bauen. Astrologe Nicholas Campion von der Zeit- freundes Goethes, der in Dichtung und Mein Dank gilt natürlich auch all schrift Culture and Cosmos im britischen Wahrheit den eigenen Lebenslauf mit der jenen, die unter Verzicht auf Honorar Bristol, Planetenton-Forscher Hans Cousto Schilderung seines Geburtshoroskopes Artikel für den Ausstellungskatalog ge- in Berlin, Dipl. Psych. Ingo Dammer in beginnt, trifft auch auf dieses Ausstel- schrieben und zugleich auch durch Ab- Köln, Sally Davis im Sekretariat der lungsprojekt zu. bildungen oder wertvolle Hinweise zum Astrologers Association of Great Britain Da war zuerst einmal vor drei Jah- Gelingen des Projektes beigetragen haben: in London, Astrologe Wolfgang Döbereiner ren die große Offenheit der Historikerin Wittenbergs Stadthistoriker Heinrich Küh- in München, Heilpraktiker und Astrolo- Edeltraud Wießner, damals noch Direktorin ne, Soziologe und Astrologie-Kritiker Edgar ge Dr. Baldur Ebertin in Bad Wildbach, des Melanchthonhauses Wittenberg, die Wunder, Dr. Günter Oestmann an der Theologe Dr. Günther Frank in Erfurt, mir auch nach ihrer Pensionierung mit vie- Hamburger Universität, der Mathematiker Thomas Fräsdorf von der Elbe Druckerei len hilfreichen Informationen bei der Pla- Rüdiger Plantiko in Nussloch, Potsdams Wittenberg, D. J. Hall an der Cambridge nung und Realisierung von Ausstellung Astronom Arnold Zenkert, Rostocks Ehren- University Library, Lisa Harris von der und Katalog, der Suche nach Exponaten bürgen und Astronomie-Didaktiker Prof. National Gallery in London, Steffen und vielem mehr zur Seite stand. Manfred Schukowski, Astrologe Bernd A. Hoffmann an der Universitätsbibliothek Die ersten Hinweise für ein gründ- Mertz in Gedenken, Ingolstadts Apian- Leipzig, Chefredakteur Markus Jehle von liches Quellenstudium kamen in dieser Ausstellungsmacher Dr. Karl Röttel, Bild- Meridian in Freiburg i. Br., Thomas J. Anfangsphase aus dem Brettener Me- hauerin Almut Heer in Hamburg und Klamm von astrologix.de in Hamburg, lanchthonhaus von Kustos Dr. Stefan Melanchthonbüsten-Kenner Otto Kammer, Claudia Kligmann am Museum der Bilden- Rhein, von ihm erhielt ich auch den wich- Barockmusik-Expertin Dr. Ingeborg Stein den Künste Leipzig, Prof. Dr. Eberhard tigen Antiquariatsankauf eines 450 Jah- in Bad Köstritz, Kirchenhistoriker Prof. Knobloch am Institut für Wissenschafts- re alten „Sacrobosco “ mit Vorwort Me- Reinhart Staats an der Kieler Universität, und Technikgeschichte der Technischen lanchthons. Für den Kauf selbst konnte ich Renaissance-Kennerin Prof. Paolo Zambelli Universität Berlin, Dr. Hans-Theodor Koch hier in Berlin eine großzügige Spenderin am philosophischen Institut der Univer- in Merseburg, Astronom Rolf König am finden, die anonym bleiben möchte. Sehr sität Florenz, Theologe und Astrologe Felix Bruno-Bürgel-Planetarium in Potsdam, viel Mut machte mir im Anfangsstadium Straubinger in Basel, Krzysztof Pomian am Astrologe und Altphilologe Lars Steen des Projekts auch der Berliner Historiker Pariser Centre de Recherches Historiques, Larsen in Kopenhagen, Prof. Lelgemann Prof. Dietrich Kurze. Es war nicht nur sein Niederaltaichs Benediktinerpater Dr. Ger- am Institut für Geodäsie der Technischen großes Wissen um Melanchthon, Luther hard Voss, Dipl. Päd. und Astrologe Chri- Universität Berlin, Herrn Ignaz Lins in und die Lichterberger-Prognostika, son- stoph Schubert-Weller in Bad Boll, Theo- Münster, Prof. Dr. Dieter Lohmeier an dern auch der Respekt, den er als der aka- loge und Jungscher Analytiker Dr. Helmut Schlewig-Holsteins Landesbibliothek in demische Experte mir als engagiertem Hark in Karlsruhe, Prof. Irmgard Höß in Kiel, Elisabeth Lundin vom Tycho-Brahe- Laien entgegenbrachte. Nürnberg, Dr. phil. habil. Günther Mahal Projekt im schwedischen Landskrona, Nach der Integration des Melanch- in Knittlingen, Dr. Gabriele Spitzer und an Archivarin Dr. Dorothea McEwan am thonhauses in das Reformations- der Staatsbibliothek Berlin Unter den Lin- Warburg Institut der Universität London, geschichtliche Museum Lutherhalle Wit- den, Prof. R. Hansen am Friedrich-Mein- Frank Meyer-Fembach in Berlin, Chef- tenberg wurde das Projekt von Dr. Mar- ecke-Institut der Freien Universität Ber- redakteurin Grazia Mirti bei Linguaggio tin Treu die Fittiche genommen, bekam lin, Dr. Friederike Bookmann an der Baye- Astrale in Turin, Dr. Ulrich Montag an der den rechtlichen Rahmen und die Sicher- rischen Akademie der Wissenschaften in Bayerischen Staatsbibliothek, Unterneh- heit eines Werkvertrages. Ich habe ihn in München, Olivia Barclay Q.H.P. in Lon- mensberater Peter Müller in Paris, Prof. Dr. all den Jahren der Vorbereitungen seine don und Dr. Ralf T. Schmitt vom Institut Wolf-Dieter Müller-Jahncke in Heidelberg, Weitsicht schätzen gelernt. Mit ihm kön- für Mineralogie am Berliner Museum für Dr. Mark Nicholls an der Universitätsbi- nen auch unkonventionelle Ideen verwirk- Naturkunde. bliothek Cambridge, Gunnel Olsson bei der licht werden. Und letztlich konnte ich dann Ferne möchte ich mich für die Unterstützung Landskrona Kulturförvaltning, Archivar in der ‘heißen Phase’ der professionellen des Projekts recht herzlich bedanken bei: Chefre- Adam Perkins am Royal Greenwich Umsetzung alle Ideen in eine dakteur Armando Bertozzi bei ‘Astrologie Heute’ in Observatory, Dr. Platen an der Kustodie der Ausstellungskozeption auch auf die Erfah- Zürich, Pastor i. R. Siegfried Böhringer, Herbert Böss Universität Jena, Dr. Rohrlach an der rung und das ästhetischen Gefühl der von der Kosmobiologischen Akademie Aalen, Astro- Berliner Stadtbibliothek, Bibliothekar W.F. Ryan am Papierrestauratorin Karin Lubitzsch sowie loge Tony Bonin in Bad Wörishofen, Dr. Bursche Warburg Institut der Universität London, Heilpraktiker 118 Anhang und Astrologe Thomas Schäfer M.A. (phil.) in Eppen- heim, Dipl.-Hist. Joachim Schardin am Staatlichen Mathematisch-Physikalischen Salon Dresden, Dr. Erich Schleier an der Gemäldegalerie der Staatli- chen Museen zu Berlin, Herrn Schmidt von der Puppentheatersammlung Radebeul der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Dr. Bernhard Schnacken- burg an der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel, Pastor Matthias Schollmeyer in Bülzig bei Witten- berg, Dr. Ralf-Torsten Speler an der Kustodie der Martin-Luther-Universität Halle, Bibliothekarin Erika Schulz an der Bibliothek des Evangelischen Predi- gerseminars Wittenberg, Herrn Thieme von der Wil- helm-Weber-Gesellschaft in Wittenberg, Walter Thüringer an der Melanchthon-Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Astro- loge Gilbert Tj¢rnum in Kopenhagen, Dr. Alois Treindl von Astrodienst AG Zürich, Stephan Utpatel am Geheimen Staatsarchiv in Berlin, Peter Venus von der Werbe- und Projektagentur Venus & Klein in Berlin, Dipl. Psych Richard Vetter in Berlin, Astro- loge Alexander von Vietinghoff in Berlin, Biblio- thekarin Iruta Völlger an der Francisceumsbibliothek Zerbst, Dr. Vorsteher am Deutschen Historischen Mu- seum Berlin, Herr Helmut Werner am Württember- gischen Landesmuseum Stuttgart, Prof. Dr. W. Wild- gen am Fachbereich Sprach- und Literaturwissen- schaften der Universität Bremen, Prof. Alex Wittendorff am Historischen Institut der Kopenha- gener Universität, Bibliothekarin Petra Wittig am Reformationsgeschichtlichen Museum Lutherhalle Wittenberg, Cornelia Wolf an der Handschriften- abteilung des Staatsbibliothek Berlin Unter den Lin- den, Clemens Zerling in Berlin, last not least Prof. Helmut Ohloff sowie vielen anderen, die hier na- mentlich nicht aufgeführt worden sind. Möge ihnen durch die Ausstellung und den begleitenden Katalog gezeigt werden, daß sich die Mühen der letzten drei Jahre gelohnt haben, mögen sich alle Ausstellungsbesucher und Kalatogleser von den Sternenwissenschaften der Reforma- tionszeit bezaubern lassen!

Jürgen G. H. Hoppmann Astrologe Berlin und Vehlen im Havelland

120 Anhang

• Leihgabe einer Bronze-Büste Melanchthons: • Faksimile des Regiomontanus-Kalenders, Nürn- • Eine Reihe von Farbfotografien vom der astro- Bildhauerin Almut Heer, Moorburger Elbdeich berg um 1478: Tim Reeves, CosmoWorld GmbH, nomischen Uhr in Münster schenkte samt 263, 21079 Hamburg, Tel.: 040 740 17 56 Reismühler Weg 1, 82131 Gauting, Tel.: 089 Veröffentlichungserlaubnis des Gemeinde-Kir- 850 4282, Fax: 089 850 8699 chenrates Herr Ignaz Lins, Habichtshöhe 78a, 48151 Münster.

• Drucke aus den astrologischen Werken von Pa- racelsus: Armando Bertozzi, Chefredakteur von • Kristallähnliche Strass-Kugel von Michael ASTROLOGIE HEUTE, Albisriederstrasse 232, Gebauer, Kristall-Buchhandlung, Esoterik und Psychologie, Weimarer Str. 16, 10625 Berlin, CH - 8047 Zürich, Tel.: 0041 1 493 5130 Fax: 8699 0041 1 493 5135 Tel.: 030 313 8793, Fax 030 312 2285

• Übersetzung des Werkes „Opusculum Astrolo- gicum“ von Project Hindsight, 532 Washing- • Astrodial-Horoskopscheibe für die Orts- ton Street, Cumberland Maryland 21502. Fax: koordinaten von Wittenberg: Laurids Pedersen, 001301-724-3003; Phone: 001301- 722- Electric Ephemeris, Stubberupvej 14, DK - 4880 5140; e-mail: [email protected] • Lithophanie der Straßburger Münsteruhr von Nysted, Tel.: 00455387 1557 und Fax: 1530: Porzellan-Kunst-Cabinet, Spandauer Str. 00455387 1601 27/29, 10178 Berlin, Tel/Fax 030 24 25 677

• Zur Vorbereitung einer Internetseite kamen wertvolle technische Informationen von Herrrn Der. Alois Treindl, Astrodienst AG, Dammstr. 23, CH - 8702 Zollikon/Zürich, Tel.: 00411 392 1818, Fax 00411 391 7574.

• Übersetzung des Werkes „Astrologica Gallica“ von Jean-Baptist Morin aus dem Jahre 1661 von Herrn Reinhardt Stiehle, Chiron-Verlag, 72109 Mössingen, Tel.=Fax 07473-24267

• Horoskope von Galileo Galilei und Schriften über dessen astrologische Arbeiten von Grazi Mirti, Vorsitzende des Italienischen Astrologen- verbandes CIDA und Direktorin von Linguaggio • Replikate von Merkur-Statuette (1.Jhdt.v.Chr.) Astrale, Via G. Collegno 12bis, I - 10143 Torino, und Ringsonnenuhr (ca. 1720): Carl E. Tel. = Fax (011) 437 61 92 Schünemann KG, Buch- und Kunstverlag, Postfach 106067, 28060 Bremen, Tel.: 0421 • Eigens zur Information von Besuchern und Wer- 369 030, Fax: 0421 369 0339 bung von Sponsoren für die Ausstellung wur- de http://astrologix.de/melanchthon geschenkt von Thomas J. Klamm, Paul-Sorge-Str. 205, • Das Faksimile eines astrologisch-medizinischen 22455 Hamburg, Tel.: 040 551 87 48, Fax: Ratgebers aus dem 15. Jahrhundert stellte als 040 551 01 99 Leihgabe zur Verfügung: Faksimile Verlag Lu- zern, Maihofstr. 25, CH - 6000 Luzern 6, Tel.: 004141 4200380 Fax 004141 4200606

55753

• Für Reproduktionen von Drucken spendete DM • Faksimile-Ausgabe des Geburtsstundenbuches 2.000 Herr Thieme-Garmann (medizinischer von Pegius, Basel 1586: Iso Karrer, psych. Astrologe, dessen Vorfahren in Wittenberg stu- Astrologe, In den Ziegelhöfen 133, CH - 4054 dierten), Ul. Kosowa 23, PL - 66015 Przylep, Basel, Tel. und Fax: 0041 61 302 1887 Tel.: 0048-68-268975, Fax: 0048-68-2 Register 121

Namensregister

A Benzing, Josef 17 12, 87, 88, 111 Bernhard 91 Christian I (sächsischer Kurfürst) Abbasiden 64 Besler, Hieronimus 78 11 Adamczewski, Jan 12, 93 Bezold, Friedrich von 61, 91 Christian II. 28 Agrippa von Nettesheim 78 Birkenmajer, L.A. 56, 57 Christian IV. 75, 106 Aiax 70 Blaeu, Joan 77 Christus 24, 39, 40, 41, 53, 63, 66, Al-Biruni 91 Blair, A. 77 70 al-Ma’mun 64 Blavatzky, Helena Petrowna 13 Ciliberto, Michele 79 Albrecht von Brandenburg, Mark- Blumenberg, Hans 93 Clemens VII, Papst 33 graf 80 Boer, Emilie 26 Clement, Otto 90 Albrecht von Preußen, Herzog 11, Böhringer, Siegfried 91 Cnemiander, Petrus 108, 109 95 Bonatus, Guido 83, 84, 86, 94 Coignet, Michael 105 Albumasar 62, 64, 91 Bonincontrius 86 Coley, Henry 86 Alcidalius 78 Boockmann, Friederike 74 Comenius 69 Alexandrinus, Paulus 82 Borcht, Caspar van der 98 Confessio Augustina 25, 26 Almucantarate 16 Botticelli, Sandro 32, 37, 97 Conrad, David 47 Amberger, Jörg 65 Boynton, W.V. 88 Copernicus 8 Amman, Jost 81 Brahe, Tycho 11, 12, 21, 46, 56, 72, Copernicus, Nicolaus 10, 11, 21, Andreas (Jünger) 41 75, 76, 77, 79, 98, 106, 108, 109, 54, 56, 72, 73, 74, 76, 77, 79, 93, Aphrodite Urania 98 110 98 Apian, Peter 42, 43, 55, 56, 97, Brand, Rafael Gil 104 Cornelius, Geoffrey 84 103, 110 Brant, Sebastian 15, 35, 37 Cosimo di Medici 33 Apian, Philipp 43, 72, 107 Brelochs 56 Cousto, Hans 112 Aquin, Thomas von 59, 60, 61, 66, Bretschneider, Karl Gottlieb 91 Cracow, Georg 75 68, 69 Brotbeihel 56 Cranach, Lucas (der Ältere) 28, 35, Arachne 21 Bruno, Giordano 11, 78, 79, 111 37, 101, 102 Archidoxa 80 Burmeister 47 Cranach, Lucas (der Jüngere) 8 Areopagita, Dionysus 60 Busch, Werner 37 Crüger, Johann 99 Aristoteles 36, 58, 61, 63 Culpeper, Nicholas 86 Arquato, Nikolaus 28 C Curry, Patrick 86, 93 Augustinus 53, 61, 63, 67 Curtze, M. 56 Auvergne, Wilhelm von 61 Calvisius 74 Camargo, Z. A. 88 Cusanus 8, 11 B Camerarius, Joachim 30, 92 Cyprian, E.S. 57 Campanella, Tommaso 32 Bacharach, Hans Orth von 93 D Campion, Nicholas 37, 91 Baigent, M. 37 Canone, Eugenio 79 Dariot, Claude 94 Baldung, Hans (gen. Griens) 35 Cardanus, Hieronimus 35, 37, 55, Dean, G. 15 Barclay, Olivia 86 56, 82, 94, 98, 101 Dee, John 84, 86, 110 Barker, Douglas 37, 101 Carion, Johann 9, 35, 37, 56, 57, Delambre, Jean-Baptiste Joseph 17 Baron, Frank 100 95, 98, 108 Deus 83 Bartholomäus (Jünger) 41 Caroti, Stefano 91 Dickes, WiIIiam Frederick 42, 43 Bartmuss, Hans-Joachim 93 Carr, A. J. 67 Dilthey, Wilhelm 93 Bathodius, Lucas 26 Caspar, Max 74, 75, 77 Döbereiner, Wolfgang 36, 37, 96 Batsch, Gerhard 111 Cassirer, Ernst 37 Domandl, Sepp 100 Becker, J. 52 Castaneolus, Dominicus Maria 60 Donner, Jerzy 11 Beckerath, Erich von 32, 37 Celer, Georg 77 Drewermann, Eugen 111 Bellucci, Dino 91 Cellarius, Andreas 94, 97, 101, 108 Dreyer, J.L.E. 74, 76, 77, 110 Beloff, Heinrich 76 Charles I 86 Dürer, Albrecht 15, 33, 34, 37, 44, Bender, H. 15 Chladni, Ernst Florens Friedrich 45, 98, 101 Benedikt 66 122 Anhang

Durme, Maurice 91, 92 Green, Liz 37, 97 Joachim II 95 Gregor XIII., Papst 59, 60 Johann Albrecht, Herzog zu Meck- E Gregory 61 lenburg 81 Eber, Paul 107 Grieve, Richard A. F. 88 Johann Friedrich, Kurfürst 28 Eberl, Nikolaus 101 Grohmann, J. Chr. 12 Johann Georg, Kurfürst 80 Ebert, Johann Jacob 12 Grun, Klaus 101 Johann von Küstrin, Markgraf 109 Ehmer, Manfred Kurt 101, 103 Grünewald, Matthias 70 Johannes (Evangelist) 24 Eichhorn, Johann 80 Gryneus, Simon 92 Johannes (Jünger) 40, 41 John, Augustus 97 Eruigena, Johannes 78 H Ezra, Abraham Ibn 83 Jordan, J. 12 Hadrian VI., Papst 66 Jöstelin 74 F Hahne, Hans 90, 91 Josua 102 Judas (Jünger) 39, 40, 41 Faust, Johann 29, 30, 102 Hamel, Jürgen 37, 74, 93 Hamman, Gustav 92 Julius III., Papst 60 Fechner, Jörg-Ulrich 48 Junctinus 84 Ferdinand von Österreich, Erzher- Hammer, Franz: 103 Hand, Robert 82, 86, 93 Jung, C. G. 70, 71 zog 80 Jungschlaeger, Paul 92 Ferrerio 56 Hansen, Reimer 77 Ficino, Marsilio 32, 33 Harig, Gerhard 12 K Fincel 56 Hark, Helmut 71 Firpo, Giordano 78, 79 Hartfelder, Karl 92 Kammer, Otto 45 Flamsteed, John 85, 86, 111 Hartner, Willy 17 Kanitscheider, B. 15 Flock 56 Hassfurt, Virdung von 9 Karg, Georg 42 Forgacz, Michael 78 Hausherr, R. 37 Karl V. 30, 42 Fracastoro, Girolamo 55, 56, 57 Hausmann, Tjark 102 Katharina di Medici 33 Francois d’Aguilon 17 Havekental, Velens 78 Kaunzners, Wolfgang 43 Frank, Günther 92 Hawking, Stephen 102 Kelly, I.W. 15 Franz I. 30 Heath, Robin 86 Kepler, Johannes 11, 21, 47, 72, 73, Freytag, R.S. 56 Heckmann, O. 12 74, 75, 76, 77, 78, 79, 85, 92, 97, Friedensburg, Walter 12, 79 Heer, Almut 44, 45, 96 99, 103, 108 Friedrich der Weise, Kurfürst 27, Henseling, Robert 14, 15 Kern, O. 12 34, 56, 72 Herrmann, Joachim 14, 15 Kerner, Jürgen 51 Friedrich II. (Dänischer König) 77 Hildebrand, A. R. 88 Kiesewetter, Karl 110 Friedrich, Johann 91, 92 Hildegard von Bingen 70 Kini, Al 83 Frischlin, Nicodemus 79 Hoffmann, Heinrich 99 Kleeberg, A. 57 Frisius, Gemma 56 Hoffmann, Konrad 37, 98 Klibansky, R. 37 Fürst, Dietmar 37 Hogart, William 111 Knappich, Wilhelm 15, 93 Fürst von Anhalt 75 Holbein d. J., Hans 42, 43, 97 Koch, Walter A. 92, 103 Hoppmann, Jürgen G.H. 37, 92 Köstlin, Julius 53 G Höß, Irmgard 56 Kreiner, A. 67 Huber, Bruno 37, 102 Kremer, R.L. 67 Gadbury, John 84, 86 Hübner, Wolfgang 93, 101 Kring, D. A. 88 Galilei, Galileo 55, 73, 85, 90, 110 Hulsen, Friedrich von 60 Kroker, Ernst 92 Galle, Johann Gottfried 12 Hutten, Philipp von 30 Krotky, Fred 37 Garcaeus, Johann 52, 53, 101 Kühne, Heinrich 12 Gasparri, P. 67 I Kuper, Michael 110 Gasser, Archille 55, 56, 57 Kurze, Dietrich 75, 77, 100, 101 Gauricus, Lucas 20, 28, 35, 37, 98, Ignaz, Edgar 26 101, 103 J L Gentile, Alberigo 78 Georges de Selve 42 Jacobsen, S. 88 Lämmel, Klaus 100 Gerlach, Hildegard 31 Jacobus der Ältere (Jünger) 40, 41 Larsen, Lars Steen 96 Giambattista della Torre 57 Jacobus der Jüngere (Jünger) 41 Lauterbach, Mathias 11 Giehlow, C. 98 Jakobus, Apostel 65 Lauterfelsch von Saalfeld, Heinrich Giese, Tiedemann 72 Jean de Dinteville 42 27 Gillert, Karl 28 Jervis, Jane 55 Lehman, Lee 86 Gingerich, Owen 57, 90 Jessenius, Johannes 73, 75 Leibniz, Gottfried Wilhelm Frhr. Ginzburg, Carlo 56, 57 Jimmerthal, H. 26 von 21 Gombrich, Ernst H. 112 Joachim I, Kurfürst 35, 95 Leigh, R. 37 Register 123

Lemberger, Georg 100 Mertz, Bernd A. 41 Peucer, Caspar 11, 72, 73, 75, 76, Lemcke, Mechthild 103 Meyer, C. 102 107, 108 Leo X., Papst 33, 60, 65 Meyer, Hermann 96 Peuckert, Will-Erich 100 Leonardo da Vinci 32, 33, 37, 38, Michel, Henri 17 Peuerbach 72 39 Milich, Jacob 14, 15, 55, 56, 57, 98 Pfeil, Philo 9 Lerrier 12 Mirti, Grazia 110 Pfister, Barbara 37, 67 Lichtenberg, Georg Christoph 87 Moeller, Bernd 52 Philipp, Pfalzgraf von Neuburg 42, Lichtenberger, Johann 28, 35, 56, Montulmo 86 43 57, 101 Mori, Gioia 37, 97, 98 Philippisten 75 Lilly, William 60, 83, 84, 85, 86 Möring, Andreas 46, 48 Philippus (Jünger) 40 Lincoln, H. 37 Moritz von Hessen 46 Pico de Mirandola 13 Lohse, Bernhard 71 Morstin, Ludvrik Hieronimus 12 Pilkington, M. 88 Longomontanus 106 Morus, Thomas 32 Pilz, K. 74 Lucas (Evangelist) 24 Moser, Hans Joachim 48 Pingré, A.G. 56 Ludger tom Ring 24 Müller-Jahncke, Wolf-Dieter 9, 15, Pius V., Papst 60 Ludolphi, Irmtraut 100 92 Plant, David 103 Lufft, Hans 10 Münster, Sebastian 96 Plantiko, Rüdiger 20, 37 Lullus, Raimundus 78 Mutianus, Conradus 28 Platon 58 Luther, Martin 9, 10, 15, 28, 29, 35, Porphyros 67 37, 43, 44, 51, 52, 53, 55, 57, 60, N praeceptor Germaniae 31 66, 68, 70, 71, 72, 87, 97, 100, Nas (kath. Reformtheologe) 35 Prätorius, Johann 12 101, 102 Nath, Ulrich 26 Proclos 27 Lycosthenes, C. 57 Nausea, E. 56, 57 Prodigia 68 Prugner, Nicolaus 35, 57, 98 M Nero, Kaiser 29 Neumann, J.G. 31, 100 Ptolemaeus, Claudius 8, 10, 21, 36, Mackensen, Ludolf von 37, 97, 98, Neuser, Wilhelm H. 100 38, 62, 67, 68, 76, 82, 83, 84, 87, 99 Newton, Isaak 85 92 Magus, Simon 29 Niehenke, Peter 14, 15 Püchler, Johann 103 Mahal, Günther 31 Nikolaus V., Papst 60 Purbach, Georg 8, 10, 11, 13, 15 Manilius 82, 83 Norlind, W. 77 Putto 33 Manlius, Johann 29, 30, 82, 83 North, John D. 91 R Marcks, Gerhard 44, 100 Marcus (Evangelist) 24 O Rade, Martin 100 Maria, Königin von Schottland 82, Oehme, Barbara 99 Ramesay 86 86 Oestmann, Günther 17, 26 Rantzau, Heinrich 76, 104, 106, Marschalk, Nikolaus 27 Osiander, Andreas 10, 42, 72, 73 107, 109, 110 Marvin, Ursula B. 88 Ottheinrich, Pfalzgraf von Neuburg Rauscher, J. 56 Marx, S. 12 42, 43 Regiomontanus 8, 10, 11, 66, 67, Masha, Abu 83 Otto, Valentin 12 85, 92 Masha’allah 63, 64 Ovid 66 Reichel, Ute 93 Mästlin, Michael 72 Owen, I. 46 Reiners, Ludwig 15 Mather, A. 15 Owen, S. 90 Reinhold, Erasmus 8, 11, 52, 53, Matthäus (Evangelist) 24 55, 57, 72, 93, 95, 101 Matthias (Jünger) 39, 40, 41 P Reuß, Heinrich Postumus 47 Matthias von Ungarn, König 28 Rhein, Stefan 9, 31, 71 Maurer, Wilhelm 92 Panofsky, Erwin 37 Rheticus, Georg Joachim 8, 10, 11, Mauritianus 46 Paracelsus 56, 79, 106 72, 104 Maximilian, Kaiser 34, 57, 65 Parker, Derek 85, 94 Rhode, Ambrosius 11, 74 Melanchthon, Katharina 71 Paulson, Ronald 112 Riccioli, G.B. 56 Melanchthon, Philipp 8, 9, 10, 11, Paulus, Apostel 29 Robinson, J.H. 56 13, 15, 16, 21, 24, 25, 26, 28, 29, Pegius, Martin 107 Rosen, E. 77 30, 34, 35, 36, 42, 43, 44, 51, 52, Penfield, G. T. 88 Rosenthal, A. 98 53, 54, 55, 57, 60, 68, 70, 71, 72, Perlach 56 Röttel, Karl 43 75, 87, 91, 93, 94, 95, 102, 108 Perrig, Alexander 37 Rowley, John 90 Melencolia I 33 Peruzzi, E. 57 Rudolf II 11, 75, 111 Mephistopheles 102 Petrarca, Franciscus 91 Rufus, Mutianus 27 Mercator 85, 91 Petrejus, Johann 10, 72, 73 Rump, Johann 92 Petrus (Jünger) 40, 41 124 Anhang

S Steeg-Rotterdam, Rupertus 92 Warnsdorf, Hans von 78 Steiff, Karl 17 Wattenberg, Diedrich 100, 103 Sabinus, Georgius 56 Stein, G. 15 Watter, Barbara 86 Sacrobusto, Johannis de 15, 92 Stein, Ingeborg 48 Weber, P. 37, 98 Sager, Johannes 81, 110 Steinmetz, Max 92 Weidler, Johann Friedrich 12 Samsonow, Elisabeth von 79 Stella von Siegen, Tilmann 110 Weigel, Erhard 99 Santiago de Compostela 65 Stibar, Daniel 30 Weiss, E. 37, 98 Sassaniden 64 Stifel, Michael 10, 99 Weybeck, Abt Kilian 65 Saunders 86 Stimmer, Tobias 26 Wharton, George 86 Saxl, Fritz 37 Stoeffler, Johannes 8, 16, 17, 35, Wieschebrink, Theodor 26 Schadow, Johann Gottfried 44 66, 92, 94, 96 Wießner, Edeltraud 8, 100 Schäfer, Thomas 93 Straubinger, Felix M. 60 Wigileus, Bischof 65 Schaffner, Martin 35, 37, 96 Strauss, Heinz Arthur 37 Wildgen, Wolfgang 79 Scheible, Heinz 71, 90, 92 Strohmaier, Gotthard 26 Wilhelm IV., Landgraf von Hessen Schickard, Wilhelm 72 Strube, W. 12 98 Schmidt, Erasmus 108 Stuiber, A. 53 Winkel, Erich 92 Schmidt, J. 74 Szadek 56 Winkler, Hellmut 23 Schmidt-Leukel, P. 67 Wirth, Karl August 37 Schmitt, Ralf T. 88 T Wiskamp, Gerhard 57 Schnackenburg, Bernhard 37 Wollgast, S. 12 Schneckenburger-Broschek, Almut Talkenberger, H. 93 Wunder, Edgar 15 37 Tanner, Adam 21 Wußing, Hans 12, 74, 93 Schönborn, Bartholomäus 92 Thaddäus (Jünger) 39, 40 Schöner, Johannes 9, 10, 53, 56, 86, Thomas (Jünger) 40, 41 Z 93, 94, 102 Thoren, V.E. 77 Schönfeld, Gregor 78 Thorndyke, Lynn 92 Zambelli, Paola 27, 28, 56, 57, 67 Schopp, Caspar 95 Thüringer, Walter 92 Zenkert, Arnold 21, 23 Schreiber, Hieronymus 73 Thurneysser, Leonard 80, 81, 106, Zenocarus, Wilhelm 54, 56 Schubert-Weller, Christoph 14, 15, 109, 110 Zimmermann, H. 37 69 Titis, Placidus de 92 Zinner, Ernst 72, 74, 89, 93, 104 Schukowski, Manfred 26 Titius 10 Zwingli, Huldreich 102 Schuster, Peter-Klaus 37, 98 Tobyn, Graeme 82 Schütz, Heinrich 46, 47, 48, 97, 99 Treindl, Alois 67 Schwarz, Reinhard 53 Trithemius, Johann 29, 31 Schwarzerd, Georg 29 Tucher, Hans 104 Scultetus, Bartholomäus 23 Tycho de Brahe. Siehe Brahe, Scultetus, Zacharias 21 Tycho Seitz, Peter 91 Tyler, Pamela 97 Selfisch, Samuel 80 Selle, Otto-Ehrenfried 26 U Sementowsky-Kurilo, Nikolaus von Urban (Heinrich Fastnacht aus Orb) 37, 92 27 Seussius, Johannes 47, 48 Ursus, Nicolaus Reimers 73, 76 Sichem, Christoph von 102 Sickingen, Franz von 29 V Sievert, Hans H. 99 Sigen, Tilmann Stella von 81 Valens, Vettiusi 83 Simon (Jünger) 39, 41 Vickers, Brian 93 Sixtus IV., Papst 51 Vinci, Leonardo da 101 Spalatin, Georg 27, 28, 55, 56, 57 Virdung, Johann 29, 56, 57 Speler, Ralf-Torsten 90 Volmar, Johannes 27 Spitzer, Gabriele 81 Voss, Gerhard 37, 67 Springer, Jaro 37 Staats, Reinhardt 51, 53 W Stabius, Johannes 57 Wacker von Wackenfels, Matthäus Stadtmüller, G. 67 78 Stedelin, Asymus 96 Warburg, Aby 27, 28, 55, 57, 112 Stedelin, Erasmus 35 Warncke, Johannes 26 125

Sachregister

A Fuhrmann (Sternbild) 41 L Abendmahl (Gemälde) 37, 38 G laboris 83 acedia 33 Leucorea (Wittenberger Universität) Aderlaß 106 Gäa 33, 97 Löwe (Zeichen) 40, 41 Alchemie 102 Genom 104 Lübecker Domuhr 25 Anamorphose 42 Geo-Heliozentrizität 76 Lucrum 83 Anima-Problem 71 Gestirnengel 68 Apokalypse 34 Görlitz 21 Arachne 21 Greenwich-Observatorium 86, 111 M Große Konjunktion 35, 63, 64 Astrolab 16, 17, 42, 89, 90 Magisches Quadrat 34 Astrolabium planisphaerium 16 H Manierismus 42 Astronomicum Caesareum 42 Maria della Gracia (Kirche) 38 Azimutlinien 22 Halleyscher Kometen 105 Marienkirche Rostock 102 B Harmonices mundi 47 Mars 21, 22, 35 Havelberg 100 Medizinisches Amulett 106 Berliner Mineralogisches Museum hellenistische Astrologie 68 Melancholie 34 87 Hexen 31 Merkur 21, 22, 41, 82, 96 Brettener Blatt 51 Höhenlinien 22 Meteoriten 87, 105, 111 Homo Universalis 32 Mithras-Tempel 112 C horae antiquae 22 Mond 21, 22, 39, 83 Horizon obliquus 16 Causae 36 Monduhr 90 Horoscopus 83 Chronica Carionis 35, 108 Mondvolvelle 90 Hven, Insel 110 Chronosophie 61, 64 Münsterische Domuhr 24, 25 Mysterium cosmograficum 47, 72, D I 97, 99 Ikarus (Sternbild) 41 De magnis coniunctionibus 62 N Impaktkrater 87 De revolutionibus orbium initia doctrinae physicae 8, 9, 15, coelestium 11 Nachtuhr 90, 103 91, 95 Dea 83 Neptun 12 Islam 64 Dispositor 84 Niederaltaich, Kloster 65, 102 Nikolaikirche Stralsund 102 Dom von Mailand 38 J Dom zu Havelberg 100 Nocturlab 103 Dom zu Münster 102 Jakobsstab 105 Nocturnal 90 Dreizehn (Zahl) 38 jüdische Stunden 22 O Jungfrau (Zeichen) 39, 40, 41 E Jupiter 21, 22, 34, 41, 63, 79, 83 Obelisk 104 Omina 68 Einstein-Sternwarte 23 K Elektionshoroskop 85 Opposition 41 Evangelistensymbole 24 Kabbala, jüdische 66 Oratio de dignitate astrologiae 14, Knittlingen 29, 31 96 F Komet, Halleyscher 54 P Kometen- und Meteoritenfurcht 34, Fernrohr 89, 90, 95 56, 57, 68, 76, 87 Figurenlehre 47 Palazzo Farnese 98 Kompendium 90 Fische (Zeichen) 41 Palazzo Schifanoia 33, 37 Konzil von Nicaea 58 Fixsterne 84, 85 Peterskirche in Görlitz 23 Kreuznach 30 Francisceum 92 Phrodite Pandemos 98 Krebs (Zeichen) 40 Freie Künste 35, 66 Planet als Regent 22 Planetarium 22 126 Anhang

Planetenstunden 22 Temporalstunden 22 Planetenton 112 Tetrabiblos 8, 38, 62, 68, 82, 92 Planisphärium 90 The Astrological Association of Platonische Körper 97 Great Britain 86 Polstab 23 Tierkreislinien 22 Polyeder-Sonnenuhr 42 Torquatus 28 Prämonstratenserkreuz 100 Torquetum 42 Prodigia 68 Transit circle 111 Project Hindsight 82, 84, 85, 86, 94 Traumtherapie 70 Prutenicae tabulae 11, 93 Tychonisches Weltsystem 73, 76 Putto 33 Tympanum 16 Q U Quadrant 90 Uraniborg 77 Uranus 33, 97 R V Regulus 84 Rezeption 84 Venus 21, 22, 35, 82, 97 Rhomboeder 33 Rostocker Marienkirchuhr 24, 25 W Rundetårn 106 Waage (Zeichen) 39, 40, 41 S Wassermann (Zeichen) 41 Weltenjahr 63, 64 Salz (als heilige Substanz) 40 Weltuntergangskonstellation 100 Sator-Arepo-Formel 31 Weltweise 25 Saturn 21, 22, 33, 34, 35, 36, 37, Widder (Zeichen) 39 41, 63, 66, 83, 97 Schütze (Zeichen) 40, 41 Z Schwarzgesichtigkeit 33 Zwillinge (Zeichen) 39, 40, 41 Semi-Tychonische Weltsysteme 76 Zylindersonnenuhr 42 siderischer Umlauf 39 Siebenzahl 66 Sintflut 34, 55, 63, 64 Skorpion (Zeichen) 40, 41 Sol Justitiae 34 Solarium 21 Sonne 21, 22, 39, 40, 83 Sonnenquadrant 103 Sonnenuhren 21, 23, 103, 104 Sphinx 36 Spica 85 St. Nikolai-Kirche 99 Steinbock (Zeichen) 41 Stier (Zeichen) 39, 40 Stilbon 82 Stjerneborg 77 Straßburger Münsteruhr 24, 100 Stundenglocke 33 Stundenlinien 22 Stundenregenten 22, 25 Synkretismus 58 synodischer Umlauf 38, 39 T Tabulae Rudolphinae 77, 110 Tellurium 90