824 VII. Geschichte Israels in hellenistischer Zeit 825

VII. Geschichte Israels in hellenistischer Zeit 1. Überblick über die Geschichte der hellenistischen Epoche

Die hellenistische Zeit ist in zwei nicht scharf voneinander zu trennende Phasen einzu- teilen. Grob gesprochen ist die Zeit der ptolemäischen Vorherrschaft bis zum Beginn des 2. Jh.s v. Chr. von der Phase der seleukidischen Herrschaft zu trennen. In diese Zeit fallen die Krise unter Antiochus IV. Epiphanes, der Makkabäeraufstand und die Zeit des hasmonäischen Königtums, in der sich die Provinz Judäa von etwa 142 v. Chr. bis zum Beginn der römischen Herrschaft in Palästina (63 v. Chr.) noch einmal zu einem Literatur: R. Bichler, Hellenismus, Darmstadt 1983; E. J. Bickermann, Der Gott der Makkabäer, Berlin 1937; ders., Tue Jews in the Greek Age, Cambridge 1988; K. Bringmann, Hellenistische eigenständigen Staat entwickeln kann. Reform und Religionsverfolgung in Judäa, Göttingen 1983; J. J. Collins, Jewish cult and Helle- nistic culture (JSJ.S 100) Leiden 2005; ders., Beyond the Qumran Community. Tue Sectarian 1.1 Das Ende des Perserreiches und der Aufstieg Alexanders Movement of the Dead Sea Scrolls, Grand Rapids 2010; J. J. Collins/D. C. Harlow (Hg.), Tue Eerdmans dictionary ofEarly , Grand Rapids 2010; H. Cotton/M. Wörrle, Seleukos IV Das allmähliche Auseinanderbrechen der persischen Herrschaft lässt Raum für eine neue to Heliodoros: ZPE 159, 2007, 191-205; J. M. S. Cowey, Das ägyptische Judentum in hellenis- aufstrebende Macht, die nicht aus dem Zweistromland oder aus Persien kommt, sondern tischer Zeit - neue Erkenntnisse aus jürigst veröffentlichten Papyri, in: S. Kreuzer/]. P. Lesch vom Nordwestrand des Ägäischen Meeres (s. Karte 8). In der Schlacht bei Perinthus (Tra- (Hg.), .Im Brennpunkt: Die Septuaginta, Band 2, Stuttgart 2004, 24-43; I. Finkelstein, Tue Territorial Extent and Demography ofYehud/Judea in the Persian and Early Hellenistic Peri- kien) 340 v. Chr. schlägt Artaxerxes III. (359/58-338 v. Chr.) den Makedonen Philipp ods: RB 117, 2010, 39-54; J. Frey, Temple and rival temple - the cases ofElephantine, Mt. Ger- - II. (360/59-336 v. Chr.) zwar noch zurück, aber nicht vernichtend. 338 v. Chr. gewinnt izim, and Leontopolis, in: B. Ego u. a. (Hg.), Gemeinde ohne Tempel (WUNT 118) Tübingen Philipp von Makedonien die Schlacht bei Chaironeia, und nach seinem Tod beginnt sein 1999, 171-203; H.-J. Gehrke, Geschichte des Hellenismus, München 1990; D. Gera, Judaea Sohn, der 22-jährige Alexander III. (356-323 v. Chr.), als Nachfolger 334 v. Chr. seinen and Mediterranean politics 219 to 161 B. C. E„ Leiden 1998; ders„ Olympiodoros, Heliodoros Siegeszug, zunächst mit dem Sieg über die kleinasiatischen Satrapen am Granikus bei and the Temples ofKoile Syria and Phoinike: ZPE 161, 2009, 125-155; M. Goodman (Hg.), Troja. Ein Jahr später schlägt Alexander d. Gr. bei Issos (333 v. Chr.) das persische Reich Jews in a Graeco-Roman World, Oxford 1998; L. L. Grabbe, Judaism from Cyrus to Hadri- gegen Darius III. (336-330 v. Chr.), womit der Weg über Phönizien nach Süden frei ist. an, London 1994; ders., First Century Judaism, London 1995; ders. (Hg.), Did Moses speak Nach siebenmonatiger aufwändiger Belagerung von Tyrus und weiteren zwei Monaten Attic? (JSOT.S 317) Sheffield 2001; ders„ A History of the Jews and Judaism in the Second Belagerung Gazas zieht Alexander nach Ägypten, wird zum Pharao und lässt sich als Temple Period. Volume 2: Tue Coming of the Greeks: Tue Early Hellenistic Period (335-175 Sohn des Gottes Amon feiern. In der Folgezeit fällt das persische Reich geradezu wie eine BCE), London/New York 2008; E. Haag, Das hellenistische Zeitalter (BE 9) Stuttgart 2003; K. G. Hoglund, Tue Material Culture of the Seleucid Period in Palestine: Social and Economic Reihe von Dominosteinen an die Makedonen. 332 v. Chr. wird der letzte Satrap kampflos Observations, in: P. R. Davies/J. M. Halligan (Hg.), Second Temple Studies III. Studies in Poli- geschlagen, Babylon liefert sich ebenso wie JehUd der neuen Herrschaft ohne Gegenwehr tics, Class and Material Culture (JSOT 340) London 2002, 67-73; U. Hübner, Tradition und aus. Dass Alexander selbst Jerusalem besucht und sogar gegenüber dem Hohepriester Pri- Innovation. Die Münzprägungen der Hasmonäer des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. als Massen- vilegien für die Juden eingeräumt habe Qos. Ant. XI, 329-339), gehört in das Reich der medien, in: C. Frevel (Hg.), Medien im antiken Palästina (FAT 2/10) Tübingen 2005, 171-187; Legenden. Mit der Eroberung des Binnenlandes ist der Feldherr Parmenio beauftragt. 0. Keel/U. Staub, Hellenismus und Judentum (OBO 178) Fribourg/Göttingen 2000; K. Koch, Belegt ist der erwartungsgemäß erfolglose Widerstand Samarias 332/31 v. Chr., worauf- Der Artaxerxes-Erlaß im Esrabuch, in: M. Weippert u. a. (Hg.), Meilenstein (ÄAT 30) Wiesba- hin die Stadt strategisch nicht ungeschickt strafweise zur makedonischen Militärkolonie den 1995, 87-98; 0. Lipschits u. a. (Hg.), Judah and the Judeans in the fourth century B. C. E„ gemacht wird. Der bedeutende Hortfund von Papyri, Tonbullen, Schmuck und Münzen Winona Lake 2007; E. M. Meyers (Hg.), Galilee through the centuries, Winona Lake 1999; aus einer Höhle im Wädi d-Däliye steht vermutlich im Zusammenhang mit der Flucht E. Netzer, Die Paläste der Hasmonäer und Herodes' des Großen, Mainz 1990; W. M. Thiel, Vom Ornament zum Medium, in: C. Frevel (Hg.), Medien im antiken Palästina (FAT 2/10) kurz vor der Zerstörung der Stadt durch die Truppen Alexanders. Tübingen 2005, 189-235; J. C. VanderKam, From Joshua to . High priests after the Mit der Schlacht bei Gaugamela (Armenien) 331 v. Chr. ist das Ende des Perserrei- Exile, Minneapolis 2004; J. Zangenberg, Das Galiläa des und das Galiläa der Archäo- ches endgültig besiegelt. Im gleichen Jahr wird Alexandria in Ägypten gegründet. Die logie, in: C. Böttrich (Hg.), Tendenzen und Probleme der neueren Forschung, Greifswald 2007, Hafenstadt im Nildelta entwickelt sich unter den Ptolemäern zur größten Handelsme- 265-294; ders. u. a. (Hg.), Religion, ethnicity, and identity in ancient Galilee, Tübingen 2007. tropole im östlichen Mittelmeerraum und zum hellenistischen Zentrum der Künste, der Wissenschaften, der Literatur und der Philosophie. Mit dem Indienfeldzug 325 v. Chr. erreicht das makedonische Reich die größte Ausdehnung. 826 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichte Israels in hellenistischer Zeit 827

1.2 Der Tod Alexanders und die Kämpfe der Diadochen 1.31 Antiochus III. dehnt seine Herrschaft aus

Die umfassend befriedete »Weltherrschaft« kann Alexander jedoch nicht lange aus- Am Ende des 4. syrischen Kriegs 217 v. Chr. versucht Antiochus III. Megas (222-187 üben. In den Vorbereitungen für weitere Et:oberungsfeldzüge nach Westen und nach v. Chr.) den Einfluss der Seleukidenherrschaft auszudehnen und Phönizien und Palästina Arabien stirbt der 33-Jährige 323 v. Chr. in Babylon. Da es an einem Nachfolger man- unter seine Oberherrschaft zu zwingen, doch Ptolemäus IV. Philopator (221-204 v. Chr.) gelt (Alexanders erstes Kind ist noch nicht geboren, sein Halbbruder Arrhidaios gilt siegt in der Schlacht von Raphia erneut. In restaurativer Anknüpfung an die Anfänge als »schwachsinnig«), ringen seine Feldherren (Diadochen, gr. öuiöoxm, »Nachfolger«) des Seleukidenreiches dehnt Antiochus III. als »Großkönig« jedoch in der Folgezeit sei- um die Macht in dem Riesenreich, nachdem eine friedliche Einigung durch Aufteilung ne Herrschaft über Kleinasien (216-213 v. Chr.) und die östlichen Satrapien (212-204 von Satrapien fehlschlägt. Die Reichseinheit zerbricht in den bis 281 v. Chr. andau- v. Chr.) aus. Die syropalästinische Landbrücke bleibt aber weiter ausgespart. Erst 200 ernden sog. vier Diadochenkriegen. Es verbleibt Kassadros in Griechenland, Thrakien v. Chr. (nach älteren Datierungen 198 v. Chr.), als der Nachfolger auf dem ptolemäischen und Kleinasien fallen an Lysimachos, der Rest Kleinasiens und Syrien sowie das Zwei- Thron Ptolemäus V. Epiphanes (204-180 v. Chr.) noch ein Kind war, gelingt im 5. syri- stromland an Seleukus und Ägypten an Ptolemäus. Die syropalästinische Landbrücke schen Krieg in der Schlacht von Paneas/Biiniyas (dem späteren Cäsarea Philippi am Fuß ist zwischen Ptolemäern, Seleukiden und Antigoniden zunächst hart umkämpft. Mehr- der Golanhöhen) gegen den ptolemäischen Feldherrn Skopas die Durchsetzung der Vor- fach durchziehen Heere das palästinische Binnenland. 320 v. Chr. übernimmt Ptole- herrschaft der Seleukiden. mäus 1. Soter (323-306 v. Chr. Satrap von Ägypten, 306-283 v. Chr. ptolemäischer König) die Herrschaft über die Satrapie Syrien-Transeuphratene, kann das Gebiet aber 1.32 Die kulttheologische Restauration in Jerusalem unter Simeon II. nicht dauerhaft halten. Antigonus 1. Monophtalmos und sein Sohn Demetrius Polior- ketes machen es ihm streitig. Seleukus 1. Nikator (321-305 v. Chr. Satrap von Babylo- In Jerusalem, das Skopas kurz zuvor verwüstet und die im Süden des heutigen Tempel- nien, 305-281 v. Chr. seleukidischer König) erkämpft an der Seite der Ptolemäer einen platzes gelegene burgähnliche Akra .besetzt hatte, erkennen die proseleukidischen To- Sieg gegen Demetrius bei Gaza 315 v. Chr. und gewinnt so »seine« Satrapie Babylonien biaden (s. VII.4.) die Zeichen der Zeit und bereiten den Wechsel durch Verhandlungen zurück. 302 v. Chr. besetzt Ptolemäus schließlich Jerusalem. Freiwillig- und vielleicht vor. Der Hohepriester Simeon II. (ca. 215-196 v. Chr.) - Vertreter einer kulttheolo- z. T. auch unfreiwillig (Jos. Ant. XII, 3-9) - ziehen viele Bewohner nach Ägypten, was gischen Restauration - scheint auf politischem Wege einen Steuererlass für die Tem- zur Blüte Alexandrias (s. o. B.IIl.1.1 zur Septuaginta und zum Aristeasbrief) als Stadt pelwirtschaft in der »Stadt des Heiligtums« (vgl. zu der Bezeichnung Neh 11,l u. ö.) des hellenistischen Judentums weiter beiträgt. Nach der Schlacht zwischen Antigonus 1. erreicht zu haben (vgl. Sir 50,1-4). Josephus zitiert einen Brief, nachdem Antiochus Monophtalmos gegen den Feldherrn Lysimachos bei Ipsos in Phrygien 301 v. Chr. geht III. den Wiederaufbau der Stadt und des Tempels gefördert und Maßnahmen zur Ab- Syrien/Palästina gegen den Widerstand Seleukus' an die Ptolemäer. sonderung von allem Fremden und Unreinen angeordnet hat (Jos. Ant. XII, 138-144). Damit wird zunächst das konservative Element durch die Seleukiden am Beginn des 2. 1.3 Machtkämpfe zwischen Ptolemäern und Seleukiden Jh.s v. Chr. gestärkt.

Ein Gleichgewicht der Kräfte gibt es nur für etwa 30 Jahre, zu kurz für eine umfassen- 1.33 Beziehungen zu Ägypten und ihre Auswirkungen auf Juda de Erholung der Region. Die Folgezeit ist weiter von Machtkämpfen zwischen den in Alexandria regierenden Ptolemäern und den von Antiochia aus agierenden Seleukiden Antiochus III. unterhält diplomatische Kontakte zu den Ptolemäern, bestärkt nicht zu- geprägt, auch wenn die Ptolemäer in den folgenden syrischen Kriegen ihre Dominanz letzt durch die bereits 196 v. Chr. beschlossene diplomatische Heirat zwischen Ptole- über die Levante verteidigen können. mäus V. Epiphanes und seiner Tochter Kleopatra 1., die ca. 193 v. Chr. in Raphia bei Gaza geschlossen wurde. Dass Kleopatra das Steuerprivileg von Samaria, Judäa, Phö- Die syrischen Kriege zwischen Ptolemäern und Seleukiden nizien und Koilesyrien als Mitgift in die Ehe gebracht habe (Jos. Ant. XII, 154f.), wird Ptolemäer Seleukiden in der Forschung zu recht sehr skeptisch beurteilt, zumal es dafür keinen Anlass gab. 274-271 Ptolemäus II. Philadelphos (285/83-246) Antiochus I. Soter (281-261) Josephus bringt diese Notiz als Einleitung des sog. »Tobiadenromans« (Jos. Ant. XII, 2 260-253 Ptolemäus II. Philadelphos (285/83-246) Antiochus II. Theos (261-246) 154-236), dessen Geschehen er anachronistisch an den Beginn des 2. Jh.s v. Chr. setzt. 3 246-241 Ptolemäus III. Euergetes (246-221) Seleukus II. Kallinikus (246-226) 4 221/219-217 Ptolemäus IV. Philopator (221-204) Antiochus III. Megas (222-187) 5 202-198/194 Ptolemäus V. Epiphanes (204-180) Antiochus 111. Megas (222-187) 6 170-168 Ptolemäus VI. Philometor (180-145) Antiochus IV. Epiphanes (175-164) 828 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichte Israels in hellenistischer Zeit 829

Seleukiden Ptolemäer 1.41 Das Erstarken der Römer und die Begrenzung der seleukidischen Seleukus 1. Nikator (seit 321 312-281 Ptolemäus 1. Soter (ab 285 306-283 Macht Satrap von Babylonien) Ptolemäus 11. als Mitregent) Antiochus 1. Soter 281-261 Ptolemäus II. Philadelphus 283-246 Die seleukidische Expansion gerät schon wenige Jahre später an ihre Grenzen. Die Rö- Antiochus II. Theos 261-246 Seleukus II. Kallinikus 246-226 Ptolemäus 111. Euergetes 1. 246-221 mer übernehmen von dem Makedonier Philipp V. (222-179 v. Chr.) nach der Nie- Seleukus III. Soter 226-222 derlage in der Schlacht von Kynoskephalai im zweiten makedonisch-römischen Krieg Antiochus III. d. Gr. 222-187 Ptolemäus IV. Philopator 221-204 (200-197 v. Chr.) die Vorherrschaft in Makedonien. Der zusammen mit Hannibal un- Ptolemäus V. Epiphanes 204-180 ternommene Versuch Antiochus' III. Megas, auch Griechenland unter seine Kontrolle Seleukus IV. Philopator 187-175 Kleopatra 1. 180-176 Antiochus IV. Epiphanes 175-164 Ptolemäus VI. Philometor 180-164 zu bringen, scheitert an den Römern. Der Seleukide verliert die Schlacht bei den Ter- und als Ptolemäus VII. 163-145 mopylen 191 v. Chr. und die Schlacht bei Magnesia 190 v. Chr. vernichtend und muss Antiochus V. Eupator 164-162 Ptolemäus VIII. Euergetes II. 170-163 sich dem 188 v. Chr. geschlossenen Frieden von Apamea beugen, der den Einfluss der LI. 145-116 Seleukiden auf das Gebiet Syriens, Mesopotamiens und den Iran begrenzt. Unverkenn- Demetrius 1. Soter 162-151/50 bar hat die neue Weltmacht Rom nun die Bühne in der Levante betreten. Auch wenn Alexander Balas 150-145 Demetrius II. Nikator 145-140 die Oberherrschaft Roms die syropalästinische Landbrücke erst mit dem Eroberungs- u. 129-126/25 zug des Pompeius 64/3 v. Chr. erreicht, ist die Macht Roms auch jetzt schon zu spüren, Antiochus VI. Epiphanes 145-142/1387 da Antiochus HI. erhebliche Reparationszahlungen (15.000 Talente Silber, d. h. über Antiochus VII. Sidetes 138-129 400 t, davon 3.000 Talente sofort) an die Sieger erbringen muss. Seleukus V. 126 Kleopatra Thea 125-121 Antiochus VIII. Grypus 125/121-96 1.42 Tempelplünderungen Antiochus' III. und seine Folgen Antiochus IX. Kyzikenus 1157-95 Ptolemäus IX. Soter II. 116-107 Ptolemäus X. Alexander 1. 107-88 Die Steuerprivilegien, die er dem proseleukidischen Hohepriester Simeon II. (ca. 215- Seleukus VI. Epiphanes Nikator 96/95 196 v. Chr.) zugestanden hatte, werden zurückgenommen, und die Zugriffe auf die Antiochus X. Eusebes Philopator 95-83 Demetrius III. Eukairus 95-87 Wirtschaftsgüter des Tempels durch Konfiszierungen bzw. Plünderungen nehmen zu. Antiochus XI. Philadelphus 95/94 Mit Tempelplünderungen reagiert Antiochus auch in anderen Gebieten auf die Lage, Philippus 1. Philadelphus 94-83 Ptolemäus IX. Soter II. 88-81 um seine Vertragspflichten zu erfüllen und die in Rom gehaltenen Geiseln aus der Fa- Antiochus XI 1. Dionysios 87-84 Kleopatra Berenike III. 81-80 milie nicht zu gefährden. Bei dem Versuch, den Baal-Tempel bei Susa zu schröpfen, Ptolemäus XI. Alexander II. 80 Antiochus XIII. Asiatikus 69-64 wird Antiochus III. 187 v. Chr. getötet. Da der rechtmäßige Thronfolger Antiochus IV. Philippus II. 67-65 in Rom gefangen gehalten wird, besteigt Seleukus IV. Philopator (187-175 v. Chr.) den Ptolemäus XII. Neos Dionysios 80-58 Thron und versucht auf den Jerusalemer Tempelschatz zuzugreifen. Die Erfolglosigkeit u. 55-51 des damit beauftragten Heliodor wird in 2 Makk 3 (vgl. Dan 11,20) legendenhaft ge- Kleopatra Berenike IV. 58-55 Kleopatra VI 1. Philopator 51-30 schildert und bleibt historisch schwer einzuschätzen (s. u. VII.4.5). Das Folgegeschehen nach der Ermordung Seleukus' IV. Philopator durch Heliodor J.4 Entwicklungen im 2. ]h. v. Chr. in Antiochien, in dem das Seleukidenreich weiter ins Wanken gerät, ist so eng mit den inneren Entwicklungen in der Provinz Judäa verknüpft, dass es aus dem Überblick ge- Auch unter den Seleukiden kehrt in der Provinz Koilesyrien keine Ruhe ein. Im Gegen- löst und in einer Einzeldarstellung (VII.6.) erläutert werden soll. teil: Das 2. Jh. v. Chr. ist nicht nur von den Auseinandersetzungen zwischen den gro- ßen politischen Kräften (den sich immer weiter in Nachfolgestreitigkeiten verstricken- den Seleukiden, den nach einer Wiederherstellung des Einflusses auf Syrien/Palästina 2. Hellenismus strebenden Ptolemäern, den außenpolitisch immer stärker eingreifenden Römern und den aus Eurasien in die Levante drängenden Parthern) bestimmt, sondern auch durch 2.1 Der BegriffHellenismus andauernde Machtkämpfe im Inneren zwischen proptolemäischen und proseleukidi- schen Parteigängern. Der erstmals in 2 Makk 4, 13 für den Einfluss der griechischen Kultur aufJerusalem be- legte Begriff'EUrJVLaµoi;; bezeichnet seit der Antike zunächst den korrekten Gebrauch des Koine-Griechisch (aus tj Kotvtj ÖtaA!::K'to<;, »die gemeinsame Sprache«), das als Verkehrssprache im Alexanderreich etabliert wurde. Seit]. G. Droysen (1836) wurde 830 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichte Israels in hellenistischer Zeit 831

»Hellenismus« als Epochenbegriff benutzt und bezeichnet dabei die Verschmelzung B.III.1.1) und vielen außerbiblischen Einzelschriften besonders Philo von Alexandrien griechischer und orientalischer Kultur durch die Politik Alexanders d. Gr. (R. Bichler). (ca. 15 v. Chr.-50 n. Chr.), der als bedeutendster Repräsentant des hellenistischen Ju- Konventionell bezeichnet er bis heute das komplexe Phänomen des Einflusses der grie- dentums gilt, und der Geschichtsschreiber Flavius Josephus (37/8 n. Chr.-100 n. Chr.) chischen Kultur auf den nicht-griechischen Machtbereich im Großreich Alexanders, zu nennen. Eine aus der biblischen Darstellung abgeleitete fundamentale Opposition der mit der Einbeziehung Ägyptens in das römische Reich durch Kaiser Augustus 30 zwischen Judentum und Hellenismus gibt die Komplexität des Prozesses zu verkürzt v. Chr. endet. Der Begriff ist mehrfach problematisiert worden, zum einen weil er mit wieder. geistesgeschicht!ichen Wertungen verbunden wurde, zum anderen weil die klare raum- zeitliche Eingrenzung des griechischen Kultureinflusses so nicht nachvollziehbar ist. 2.4 Gymnasion und Ephebeion als Ausdruck der Hellenisierung So gab es etwa ab dem 7. Jh. v. Chr. griechische Söldner im persischen Heer, die auch Elemente der griechischen Kultur mitbrachten. Griechische Münzfunde sind ab dem Als zentraler Ausdruck der Hellenisierung gilt das Gymnasion (yvµvuatov), eine Bil- 6. Jh. v. Chr. archäologisch belegt, ab dem 6. Jh. v. Chr. expandiert der Handel mit dungsinstitution, in der durch musikalische und literarische Bildung sowie durch das hochwertigen griechischen Importen in der Levante (R. Wenning) und bereits gegen Zur-Schau-Stellen des (in manchen Städten auch) nackten Körpers in Wettkämpfen Ende des 5. Jh.s v. Chr. löst der griechische Einfluss die Vorherrschaft des ägyptischen und sportlichen Übungen eine kollektive hellenistische Identität und Lebensform ver- ab. Diese Rezeptions- und Transformationsprozesse sind nicht wie im 3./2. Jh. v. Chr. mittelt und öffentlich inszeniert wird. Im Ephebeion (EcflllßECov) wird der Übergang mit durchgreifenden Veränderungen der kollektiven Identität verbunden, bereiten die- junger Männer in die Volljährigkeit als Polis-Bürger durch Kleidung und Frisur sicht- se aber vor. Trotzdem sollte man nicht so tun, als sei der Hellenismus als Kultur erst bar gemacht und bei Festen und Kulthandlungen ritualisiert öffentlich in Szene gesetzt. nach 333 v. Chr. den »Barbaren« (so wurden die nicht-griechischen Bewohner genannt) Beide Institutionen werden 2 Makk 4,9 als der Hellenisierung dienendes Anliegen des der Levante übergestülpt worden. »Der Hellenismus ist nicht die Schöpfung Alexan- Hohepriesters erwähnt. ders des Großen und auch nicht das zivilisatorische Nebenergebnis seiner Welterobe- rung« und »Der Hellenismus ist älter als Alexander und spricht nicht immer griechisch« (A. Gunneweg, Geschichte 156.158). Das Stichwort »Revolution« (M. Hengel), das eher 3. Wirtschaft, Verwaltung und Organisation der hellenistischen der Schwarz-Weiß-Darstellung (L. L. Grabbe) in den Makkabäerbüchern entspricht, ist Reiche daher unzutreffend. Ptolemäus I. Soter (306-283 v. Chr.) und Ptolemäus II. Philadelphos (283-246 v. Chr.) 2.2 Hellenisierung sind strategisch geschickt in der Umsetzung der griechischen Vorstellung der Organisa- tion eines hellenistischen Staates, in dessen Zentrum der König steht. Dabei kommen Die regionalen Akkulturationsprozesse beginnen langsam und haben ihre Wurzeln in die Traditionsvorgaben der ägyptischen Pharaonenzeit dem ausgedehnten Herrscher- persischer Zeit, kommen aber erst in hellenistischer Zeit zum Tragen. Ein deutlicher kult entgegen. Außerhalb von Ägypten übernehmen die Ptolemäer die Verwaltungs- Schub in der Levante ist mit der seleukidischen Herrschaft verbunden. Die »Helleni- strukturen des Perserreiches, was für Stabilität in der jetzt Judäa genannten Provinz sierung« betrifft nicht nur die Sprache oder griechische Importe, sondern alle Lebens- sorgt. bereiche von der Mode über die Bildung (irm8eia) und Geisteshaltung bis zur Archi- tektur, Religion, Kultur, Literatur und sozialen Organisation. Es wird nicht einfach das 3.1 Die Hyparchien und der Provinzstatusjudäas griechische Vorbild adaptiert, schon gar nicht in einem gesteuerten Handeln von den griechischen Herrschern mit kulturellem Sendungsbewusstsein oktroyiert, sondern die Wie in persischer Zeit ist Judäa umgeben von dem westlichen Teil Idumäa im Süden griechischen Vorstellungs- und Ausdrucksformen werden eher mit den lokalen Tradi- (mit Marescha/Te/l Sandabanna als Zentralort), der Stadtkolonie Samaria mit dem Ga- tionen amalgamiert und von den lokalen Eliten für die eigene Machtposition funktio- rizim als kultischem Zentrum im Norden, Aschdod mit dem Zentrum Jamnia im Wes- nalisiert. Johann Maier spricht vom kulturellen Phänomen des »synkretistischen« Hel- ten und der Ammonitis im Osten mitAdorajim als Zentralort (s. Karte 10). Die Verwal- lenismus, das weder auf das alexandrinische-+ Diaspora-Judentum zu beschränken ist tungseinheiten werden Hyparchien oder Eparchien genannt und besitzen in inneren noch überall in Palästina gleichförmige Gestalt annimmt, sondern regionale und grup- und religiösen Angelegenheiten weitgehende Autonomie, was die Stellung des Hohe- penspezifische Schattierungen kennt U.]. Collins, L. L. Grabbe). priesters in Jerusalem stärkt. Für Judäa spricht man deshalb oft von einer »Tempelpro- vinz«, was die wirtschaftliche Bedeutung des Tempels, der das Steuerprivileg verwaltet 2.3 Septuaginta, Philo und josephus als Beispiele hellenistischer Kultur (vgl. Jos. Ant. XII, 138-146), unterstreicht. Zwar ist der Hohepriester mit der Prostasia, der Leitung des Volkes, betraut, doch ist seine Machtfülle nicht unbeschränkt. Zum Für die Rezeption griechischer Tradition und die Auseinandersetzung damit sind ne- einen wird er wohl - auch wenn darüber aus den Quellen recht wenig zu erfahren ist - ben der LXX (bes. den griechisch verfassten Büchern Bar, Jdt, Tob, Makk, Weish, s.o. von weiteren einflussreichen Priestern, Notablen und wirtschaftlich potenten Bürgern, 832 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichte Israels in hellenistischer Zeit 833 die den Ältestenrat, die Gerusia, bilden, unterstützt. Über die. inneren Angelegenheiten 4. Tobiaden, Ohiaden und die Hintergründe des hinaus, war zum anderen eine Zusammenarbeit mit ptolemäischen Beamten etwa in Makkabäefäufstandes Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten auch in Jerusalem unerlässlich. Der jeweilige Hyparch der Verwaltungseinheiten ist dem Befehlshaber (crrpC!TflYO<;) von ganz Sy- rien-Phönizien unterstellt und rechenschaftspfüchtig. Die Hyparchien wiederum sind 4.1 Die Familie Tokiat/en und ihre Vorgeschichte untergliedert in kleinere Verwaltungseinheiten (Toparchien), einzelne Städte (z. B. die griechische Kolonie Skythopolis/Bet-Schean oder Dor, Jafo, Aschkelon und Gaza an In der Entwicklung des 2. Jh.s v. Chr. spielt die Familie der Tobiaden eine führende der Küste) sind als teilautonome Poleis ausgegliedert. ökonomische und politische Rolle in Judäa. Wie weit die Informationen, die Josephus über die Aktivitäten der Familie gibt (Jos. Ant. XII, 154-36), als historisch zuverlässig 3.2 Wirtschaft und Steuersystem in der Provinz Judäa und die sozialen Folgen einzuschätzen sind, wird in der Forschung diskutiert. Ihr Einfluss wird häufig bereits mit dem als »Knecht von Ammon« (Neh 2,10.19) bezeichneten Gegner Nehemias, ei- nem persischenVerwaltungsbeamten aus dem Ostjordanland, in Verbindung gebracht. Zu den wichtigsten Veränderungen gehört die Etablierung eines finanzbasierten Wirc- Dieser soll mit dem Hohepriester Eljaschib verschwägert gewesen sein und über eine schafts- und Steuersystems. Der auf Gewinn ausgerichtete Handel wird ausschließlich Kammer im Vorhofdes Tempels verfügt haben (Neh 13,4-5), was auf einen gewissen mit Münzgeld durchgeführt, das in großen Mengen zur Verfügung gestellt wird. Die Einfluss im Tempelbetrieb schließen lässt. Eine Verbindung dieses Ahnherrn mit den Steuer wird an den Meistbietenden verpachtet, d. h. mit privaten ökonomischen In- Tobiaden im 2. Jh. v. Chr. bleibt jedoch Spekulation. In den Zenon-Papyri um 260 teressen verknüpft, so dass sie sich zum eigenen ertragsorientierten Wirtschaftsfaktor v. Chr. ist ein Tobija genannter Grundbesitzer als Befehlshaber einer ptolemäischen entwickelt, der letztlich auch dem Staat zugute kommt. Wirtschaftlich profitiert Paläs- Kleruchie (griechische Militärkolonie) in der Ammonitis belegt, für den die Verbin- tina zunächst von der Herrschaft der Ptolemäer, die auch Ägypten durch ihren Staats- dung mit den Tobiaden schon näher liegt. Auch dieser ist mit der hohepriesterlichen Fa- merkantilismus im 3. Jh. v. Chr. zu neuer Blüte treiben. Die Siedlungsdichte im Berg- milie durch die Heirat mit einer Schwester Onias' II. (ca. 220-215 v. Chr.) verwandt. land, vor allem im Stammesgebiet Benjamins, nimmt enorm zu. Insgesamt leben in den Grenzen der ehemaligen Provinz Jehud jetzt mind. 40.000 Menschen (/. Finkelstein). Allerdings kommt der durch intensivierten Export von Wirtschaftsgütern finanzierte 4.2 Die Entwicklungen unter Onias II Aufschwung nicht allen zugute. Durch die verwaltete Verpachtung von königlichem Land kommt es zur Akkumulation der Erträge des Landbesitzes in den Händen we- Wahrscheinlich unter Ptolemäus III. Euergetes (246-221 v. Chr.) (so nach J Maier, niger wohlhabender Familien, die dadurch in der Lage sind, den staatlich geforderten E. Haag, 0. Keel) weigert sich Onias II., wohl in Hoffnung auf den erstarkenden Seleu- Ertragszuwachs zu gewährleisten. Die Verpachtung von Steuereinnahmen für den pto- kus II. Kallinikus (246-226 v. Chr.), den Tribut an die Ptolemäer zu zahlen, wodurch lemäischen König führt zur verschärften finanziellen Abschöpfung der Landbevölke- es zum Konflikt kommt. Die Ptolemäer drohen mit der Enteignung des Landes und der rung. Die Folgen sind eine starke soziale Spreizung zwischen wenigen Wohlhabenden; strafweisen Umwandlung in eine Militärkolonie. Politisch geschickt lässt Onias II. zu, die vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren, und einer zunehmend verarmenden dass der Tobiade Josef, sein Neffe, die Prostasia an seiner Stelle erhält. Dass sich Josef Unterschicht. Die Landbevölkerung reagiert darauf mit einer Landflucht (Anachore- durch das Höchstgebot die Generalsteuerpacht über ganz Koilesyrien und Phönizien sis), was den unter den Ptolemäern beginnenden Prozess der Urbanisierung weiter be- erkaufte und für 21 Jahre hielt, dürfte übertrieben sein (L. L. Grabbe), spiegelt aber schleunigt. Im Verlauf des 2. Jh.s v. Chr. werden beispielsweise Gaza, Bet-Zur, La- wohl den enormen politischen Einfluss der Tobiaden in der Provinz, der bis in die Hyp- chisch, Sichern, Bet-E!, Dotan und Schilo ganz oder teilweise aufgegeben. Das helle- archie reicht. Im sog. Tobiadenroman (Jos. Am. XII, 154-236) wird legendenhaft aus- nisierte Jerusalem wächst in hasmonäischer Zeit wieder auf den SW-Hügel mindestens geschmückt erzählt, wie Josef das Steuerprivileg zum Nutzen der Stadt Jerusalem und bis auf die Maße der spätvorexilischen Zeit an. Der wirtschaftliche Abschwung forciert nicht zuletzt zum Vorteil der Familie ausfüllt. Wegen seines offensichtlichen Geschicks sich unter den Seleukiden, die durch Reparationszahlungen finanziell geschwächt sind bezeichnet Martin Hengel ihn als »ersten uns bekannten jüdischen Großbankier« und und erbarmungslos auf die Ressourcen des Landes, die Tempel- und Landwirtschaft, bedient damit ein gängiges antijüdisches Klischee. zugreifen. So erhöhen sich mit der Steuerquote auch die sozialen Spannungen (s. u.). 4.3 Die Flucht Hyrkans in das Ostjordanland

Die Familie der Tobiaden ist überwiegend proseleukidisch und der Hellenisierung Je- rusalems gegenüber aufgeschlossen. Hyrkan hingegen versucht die proptolemäische Po- litik seines Vaters Josef fortzusetzen. Er lässt sich durch geschickte Verhandlungen von Ptolemäus IV. Philopator (221-204 v. Chr.) zum Vorsteher Judas ernennen, kann sich dann aber nicht gegen seine sieben älteren proseleukidischen Brüder und gegen den in- 834 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichte Israels in. hellenistischer Zeit 835

zwischen amtierenden Hohepriester Simeon II. (ca. 215-196 v. Chr.) durchsetzen. Er 4.5 Die Heliodor-Affere sucht daraufhin in dem Tyrus genannten palastartigen Familienbesitz Qll$r el-'Abd in

4.7 Der Tempel in Ägypten (Leontopolis/Heliopolis} Kalkül die Fronten gewechselt, denn nach seiner Absetzung flieht er in das Ostjordan- land, vermutlich in die Festung Hyrkans nach 'lraq al-Emir, wo eine antiseleukidische Mit der Absetzung Onias' III. wird der nur literarisch bezeugte Tempel im SO-Rand Haltung Bundesgenossen finden konnte. des Nildeltas in Verbindung zu bringen sein, da der Distrikt von Heliopolis auch »Land des Onias« genannt wird (Jos. Ant. XIV, 131; Jos. Bell. I, 190, zum inschriftlichen Be- 4.91 Menelaus erwirbt das Hohepriesteramt fund]. Frey). Dort erlaubt Ptolemäus VI. Philometor (180-145 v. Chr.) dem jüdischen Hohepriester, sich (vielleicht in einer bereits existierenden proptolemäischen jüdischen Menelaus war nach Josephus (Ant. XII, 238f) ein Bruder Jasons und damit Zadoki- Siedlung) anzusiedeln und einenJHWH-Tempel zu errichten (Jos. Ant. XII, 388; XIII, de. Danach hätte er grundsätzlich rechtmäßiger Hohepriester werden können. Nach 65-71), der nach Josephus bis 71 n. Chr. bestanden hat (Jos. Bell. VII, 421-436). Wo der wahrscheinlicheren Überlieferung in 2 Makk 4,23 jedoch war er ein Sohn des in dieser Tempel gebaut wurde, ob in Leontopolis (Tell el-Yehüdiye), wie meist angenom- der Heliodor-Affäre (s. o. VII.4.5) aktiven proseleukidischen Tempelvorstehers Simeon men wird(]. Frey), oder in Heliopolis (dem biblischen On, Gen 41,45; heute ein Stadt- (]. Maier, 0. Keel) und damit wohl kein Zadokide. Als er von Jason geschäftlich nach teil im Nordosten von Kairo) selbst, wofür in jüngerer Zeit zunehmend votiert wird Antiochia geschickt wird, handelt er wie zuvor dieser selbst. Er bietet dem König ei- (]. M S. Cowey), ist unsicher. In der Forschung wird ferner diskutiert, ob es sich dabei, nen nahezu um das Doppelte höheren Tribut, um das Hohepriesteramt und damit die wie Josephus im jüdischen Krieg angibt, um Onias III. handeln kann oder, was wahr- Macht zugesprochen zu bekommen. Antiochus IV. willigt ein, und Jason muss in das scheinlicher ist, um dessen Sohn Onias IV., der, nachdem er keine Chance mehr auf die Ostjordanland fliehen. Die Zusage von jährlichen 660 Talenten Silber überfordert die rechtmäßige Nachfolge hatte, nach Ägypten übersiedelte und den Tempel erbaute (Ant. wirtschaftliche Leistungsfahigkeit der kleinen Provinz Judäa, auf der schon durch Ja- XIII, 62-63; vgl. XII, 237-239).]örg Frey schlägt als Datierung den Zeitraum zwischen sons Zusagen der Steuerdruck immer stärker lastet (K Bringmann). Menelaus vergreift 163-145 v. Chr. vor. sich schließlich selbst am Tempelschatz, um das Geld aufzubringen. Nach 2 Makk 4,32 erhält der abgesetzte Onias III. davon Kenntnis und kritisiert 4.8 Die Hellenisierung Jerusalems unter ]ason Menelaus scharf, wahrscheinlich durch Intervention am Königshof. Folgt man der Dar- stellung der Makkabäerbücher, ist Onias III. daraufhin auf Betreiben von Menelaus in Durch die Errichtung eines Gymnasions und eines Ephebeion (s. dazu o. VII.2.4), die Daphne bei Antiochia umgebracht worden und nicht eines natürlichen Todes gestor- griechische Mode (2 Makk 4,12) und den Rückgang der Beschneidung (1 Makk 1,15) ben (so Josephus, Ant. XII, 237 s. o.). sowie durch ein Bürgerverzeichnis soll die Umwandlung der Stadt in eine antiocheni- sche Polis vorbereitet werden (2 Makk 4,9). Mit der aktiven Hellenisierung der Stadt 4.92 Der Widerstand gegen Menelaus und die Enstehung der Gemeinde in könnten auch religionspolitische Zugeständnisse verbunden gewesen sein. Darauf deu- Qumran ten die Polemiküber die Abwendung der Priester vom Tempelkult in 2 Makk 4,14 und die Episode 2 Makk 4,18-20, wo Jason anlässlich des Besuches Antiochus' IV. in Tyrus Die Tatsache, dass das Hohepriesteramt nicht nur käuflich geworden ist, sondern durch eine Gesandtschaft schickt, um sich mit einer finanziellen Zuwendung am Opferkult Menelaus auch die Traditionslinie der Zadokiden durchbrochen wurde, führt zu Ver- des Herakles zu beteiligen und sich damit der Gunst des Königs zu versichern. In der werfungen mit den Traditionalisten und Gegnern der hellenistischen Politik. In der Wertung der Makkabäerbücher führt die Politik Jasons zur nachhaltigen Preisgabe jü- älteren Forschung hat man angenommen, dass sich die nicht hellenisierten Zadokiden discher Identität, doch wird man sich dem schroffen traditionalistischen Urteil kaum deshalb nach Qumran absetzen und dort eine separatistische Gemeinschaft gründen. so einfach anschließen können. Jason versucht durch die genannten Zugeständnisse an Der archäologische Befund aus ffirbet Qumran spricht jedoch für die schmale (Neu-) die hellenistischen und proseleukidischen Kräfte, Jerusalem in eine wirtschaftlich po- Besiedlung erst im fortgeschrittenen 2. Jh. v. Chr., frühestens in der Regierungszeit litische Bedeutung zurückzuführen, für die die Politik der Seleukiden die Rahmenbe- Jonathans (161-142 v. Chr.) oder Simeons (142-134 v. Chr.). Aufgrund der Münz- dingungen schafft. Jason bleibt allerdings kaum Zeit, den Traditionalisten zu beweisen, und Keramikfunde erscheint eine Datierung erst unter Johannes Hyrkan (135/34-104 dass das proaktive Handeln gegenüber Antiochus IV. der Stadt Vorteile bringen könnte. v. Chr.) bzw. - verbunden mit dem Ausbau der Siedlung - unter Alexander Jannäus (103-76 v. Chr.) wahrscheinlicher (A. Lange, H.]. Fabry,]. Zangenberg). 4.9 Die Absetzung]asons als Hohepriester

Wenn Josephus Recht hat, dass die Tobiaden Menelaus protegierten (Ant. XII, 239), scheint Jason schon bald die führenden proseleukidischen Kräfte in Jerusalem gegen seine Politik aufgebracht zu haben. Vielleicht hat er sich die Gunst sowohl der Seleu- kiden als auch der Tobiaden im Kontext des Be5uchs Antiochus' IV. 173/172 v. Chr. in Jerusalem (2 Makk 4,21f) verscherzt. Vielleicht hat Jason aber auch aus politischem 838 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichte Israels iri ,hellenistischer Zeit 839

5. Die Krise unter Antiochus IV. und der Makkabäeraufstand der Lokalreligionen zugunsten griechischer Kulte im gesamten Seleukidenreich zielt (so 1 Makk 1,41-59; vgl. 2 Makk 6,1...,.9), ist historisch auszuschließen (E. Haag). Wahr- scheinlich hat Antiochus IV. grundsätzlich an der Politik seines Vaters Antiochus' III. 5.1 Die Ägyptenpolitik von Antiochus IV. d. Gr. festgehalten und den Lokalkulten Autonomie zugebilligt. In Jerusalem geht es Antiochus IV, nicht um eine Abschaffung des JHWH-Kultes, sondern um die Konsoli- Antiochus IV. ist 173/172 v. Chr. nicht nach Jerusalem gekommen, um der Stadt und dierung und Befriedung der durch die Verwerfungen zerstrittenen und damit als seleu- ihrem Hohepriester die Ehre zu erweisen oder gar die Stadt feierlich zur Antiochia ge- kidischer Partner unsicher gewordenen Stadt. Als wirtschaftlich und kulturell blühende nannten Polis zu erheben. Vielmehr scheint den geschickten Strategen die außenpo- hellenistische Stadt. war Jerusalem weit wichtiger für Antiochus denn als traditionsge- litische Lage zu diesem Besuch veranlasst zu haben. Die Spannungen mit dem Ptole- bundene und isolierte Tempelstadt. Die massiven Reformen sind also weit mehr politi- mäerreich in Ägypten sind wieder einmal größer geworden und Palästina drohte dem sches Mittel als religiöse Überzeugung oder seleukidische Ideologie. Seleukidenreich entwunden zu werden. Antiochus demonstriert daher schon einmal seine militärische Stärke (2 Makk 4,21). Wenige Jahre später im Winter 170/169 v. Chr. 5.31 Die Rolle des Hohepriesters Mendaus beginnt Antiochus IV. Epiphanes seinen Ägyptenfeldzug im sog. 6. syrischen Krieg, der durch die Vormundschaftsregierung Ptolemäus' VI. Philometor angezettelt worden Inwieweit der· Hohepriester Menelaus die Maßnahmen aktiv unterstützt oder gar be- war. trieben hat (Ernst Haag bezeichnetihn als »intellektuellen Urheber des Religionsverbo- tes«, Das hellenistische Zeitalter 69) und aus welchen Beweggründen er dies getan hat, 5.2 ]ason ergreift erneut die Macht in Jerusalem bleibt vor der Folie der Makkabäerbücher, die ihn als skrupellos und machtversessen verzeichnen (2 Makk 4,39-50; 5,15; 13,4), kaum aufzuhellen. Ein Gerücht, der seleukidische König sei in Ägypten umgekommen, bewegt den Ho- hepriester Jason dazu, die Macht in Jerusalem brutal zurückzugewinnen. Doch der er- 5.32 Die Maßnahmen von Antiochus IV. folgreiche Antiochus kehrt aus Ägypten 169 v. Chr. zurück, wertet den Machtwechsel als Rebellion und bestraft Jerusalem hart. Dabei werden der Tempel geplündert und die Die Zwangshellenisierung Jerusalems beruht auf verschiedenen Anordnungen, die das kultischen Geräte entwendet (so zuletzt 0. Keel). Jasons Parteigänger werden getötet, jüdische Leben ui:id den Kult betreffen und zugleich eine Änderung überkommener doch Jason selbst gelingt die Flucht nach . Nach Klaus Bringmann, dem in jün- Gebräuche und bedeuten (Dan 7,25; 2 Makk 6,1-7; 1 Makk 1,41-43.49). Die gerer Zeit z. B. die Darstellung von Ernst Haag folgt, datiert der Machtwechsel mit der Beschneidung wird (2 Makk 6,6.10), der Sabbat und andere Festzeiten wer- Festsetzung des Hohepriesters Menelaus auf der befestigten Akra erst in die Zeit des den unterdrückt (Dan 7,25; 2 Makk 6,6.11) und die Unterscheidung von reinen und zweiten Ägyptenfeldzugs 168 v. Chr., den Antiochus IV. wegen eines römischen Ulti- unreinen Tieren durch den Verzehr von Schweinefleisch durchbrochen. Umstritten matums abbrechen muss. Einigkeit besteht darin, dass sich im Herbst des Jahres 168 ist, ob daneben der Zwang auferlegt wurde, andere Gottheiten als JHWH zu vereh- v. Chr. die Krise verschärft, als Antiochus IV. den Heerführer Apollonius mit Solda- ren (1 Makk 1,47). .Zwar wird der Tempel Zeus Olympios gewidmet (2 Makk 6,2), ten nach Jerusalem schickt, um die proseleukidische Position durchzusetzen und eine aber dabei scheint es sich mit Othmar Keel eher um die interpretatio graeca für JHWH nicht-jüdische Garnison auf der Akra einzurichten (2 Makk 5,24f). Da das offensicht- zu handeln, jedenfalls nicht um die Aufstellung einer Zeus-Statue imTempel. Dafür lich nicht friedlich gelingt und der Widerstand der Traditionalisten gegen die nicht-jü- spricht, dass auch der Tempel auf dem Garizim dem hellenischen Zeus Xenios geweiht dische Besiedlung in der Davidsstadt und im südlichen Tempelbezirk zu bürgerkriegs- wird (2 Makk 6,2). ähnlichen Zuständen führt, folgen Strafaktionen und Zwangsmaßnahmen. 5.33 Der Gräud der Verwüstung 5.3 Einordnung und Bewertung der Maßnahmen von Antiochus IV. Unsicherheit besteht in der Interpretation des »Gräuels der Verwüstung« (Dan 8,13; Die Maßnahmen, für die als stark parteiische Quellen das Danielbuch (F.VII.) und 1 Makk 1,54 u. ö.), dessen Aufstellung auf dem Brandopferaltar als Gipfel der Maß- die Makkabäerbücher (D.XIII.) zur Verfügung stehen, sind in der Forschung viel dis- nahmen bezeichnet wird. Wahrscheinlich handelt es sich nicht um eine oder mehrere kutiert worden. Die jüngere Forschung ist zurückhaltender gegenüber drastischen Masseben, die als augenfälliger Ausdruck des erzwungenen Synkretismus und zur Ver- Schlagworten wie »Kulturkampf«, »Abschaffung der jüdischen Religion« oder »syste- ehrung der Götter Hadad-Zeus, Anat-Athene und Adonis-Dionysus aufgestellt wurden matische Religionsverfolgung«. Zwar liegt eine der Wurzeln der Märtyrertheologie in U. A. Goldstein, E. Haag), sondern um einen Altaraufbau im Zusammenhang mit den den Makkabäerbüchern, doch wird die tatsächliche Zahl der Opfer eher gering gewe- neu eingeführten Schweineopfern Oosephus Bell. I 34, 0. Keel). Aus der Sicht nicht- sen sein (E. Bickermann). Auch dass die Maßnahmen Antiochus' IV. Epiphanes in den jüdischer Hellenisten ist das Opfern von Schweinen und der Verzehr ihres Fleisches un- Zusammenhang einer Religionspolitik zu stellen seien, die auf eine Vereinheitlichung problematisch, doch für die Juden in der Aufhebung der Unterscheidung von rein und 840 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichte Israels in hellenistischer Zeit 841 unrein ein unverzeihliches Sakrileg, dass nicht nur den Traditionalisten, sondern auch bäus der Einzug in Jerusalem. Offenbar führen die Verhandlungen zur Einigung mit den hellenistischen Reformern zu weit geht und den Makkabäeraufstand auslöst. Menelaus (2 Makk 11,13-38) mit dem Ziel eines friedlichen »Nebeneinanders« von To- raobservanz und hellenistischem Lebensstil. Der Hohepriester vollzieht am 25. Kislew 5.4 Der Makkabäeraufitand 164 v. Chr. feierlich die Wiedereinweihung des Tempels (woran bis heute das jüdische -> Chanukka-Fest erinnert, vgl. l Makk 4,56-59). Unter der Führung des Priesters Mattatias aus Modeln und seiner Söhne formiert sich der Widerstand der Traditionalisten gegen die Hellenisten bzw. maßgeblich gegen 5.43 Lysias und erste Misserfolge der Makkabäer Menelaus. Josephus (Ant. XII, 265; Bell I, 36) nennt als Ahnvater der Familie Hasmon, weshalb die gesamte Dynastie Hasmonäer genannt wird. Die Bezeichnung Makkabäer Judas Makkabäus baut in Jerusalem eine Festung in der Davidsstadt und unternimmt leitet sich von hehr. maqqa::ba::t bzw. aram. maqqaba> »Hammer« ab, dem Beinamen des anschließend Eroberungsfeldzüge nach Galiläa, Idumäa und in die Küstenebene, offen- dritten Sohnes Judas, der den bewaffneten Widerstand anführt. Die Makkabäer mobi- bar nicht nur aus religiösen, sondern auch aus machtpolitischen Gründen. Sein von den lisieren die traditionalistische Landbevölkerung, die unter dem enormen Steuerdruck Thronwirren nach dem TodAntiochus' IV. begünstigter Versuch, in Jerusalem auch das leidet, und führen sie mit einem Teil der Jerusalemer Hasidäer, einem lockeren Verbund Machtzentrum in der Akra zu erobern und die politische Autonomie zu von »Frommen« (1 Makk 2,42; 7,13; 2 Makk 14,6), die wahrscheinlich der Oberschicht besiegeln, führt zu erneut hartem Eingreifen in Judäa und Jerusalem. Der seleukidische angehörten und zuvor schon passiven Widerstand gegen die Politik Menelaus' geleistet Statthalter Lysias, der die Geschäfte des unmündigen Antiochus' V. Eupator (164-162 hatten, für den Guerrillakampf gegen die proseleukidische Führung und die hellenisti- v. Chr.) führt, erobert das von den Makkabäern befestigte Bet-Zur, belagert Jerusalem sche Oberschicht in Jerusalem zusammen. und gewinnt es erfolgreich zurück (162 v. Chr.). Lediglich die Thronstreitigkeiten in Antiochia, die letztlich Demetrius L Soter (162-151/50 v. Chr.) mit römischer Hilfe an 5.41 Ausweitung der politischen Ziele des Aufstandes die Macht bringen, verhindern die totale Niederlage der Makkabäer.

Anfängliches Ziel der von den Makkabäerbüchern glorifizierten Makkabäerkriege 5.44 Alkimus und das Abdrängen der Makkabäer in den Untergrund (167-143/42 v. Chr.) ist die Befreiung aus dem Hellenisierungszwang und die Wieder- Da Menelaus - nach 1 Makk 13,3-7 auf Anraten des Lysias - ermordet worden war, einsetzung der Sozial- und Kultgesetzgebung der Tora, doch schon bald verbinden sich geht mit dem Kompromissfrieden in Jerusalem ein Wechsel im Hohepriesteramt ein- handfeste politische Interessen mit dem Kampf, der nach den Kriegen in eine Phase her. Alkimus (162-160 v. Chr.), ein Aaronide (l Makk 7,14), erreicht die Zustimmung mündet, in der Judäa nahezu politisch autonom und unter den Hasmonäerkönigen er- der konservativen Hasidäer durch das Zugeständnis, eine Tora konforme Lebensweise neut monarchisch geführt wird (s. Karte 10). zu tolerieren, und so werden die weiter gegen die Seleukiden opponierenden Makkabä- Makkabäer und Hasmonäer er mehr oder minder in den Untergrund abgedrängt. Erneut gelingen den Makkabäern

Mattatias (aus dem Geschlecht Hasmons) 167-166/65' v. Chr. beachtliche Erfolge (Schlacht gegen Nikanor Kafar-Salama l Makk 7,3lf und Hada- Judas Makkabäus, Sohn des Mattatias 165-161 v. Chr. scha l Makk 7,39-49), was Demetrius militärisch mit der Entsendung des Statthalters Jonatan, Sohn des Mattatias 161-142 v. Chr. Bakchides beantwortet. In der Schlacht bei Elasa kommt Judas Makkabäus 161 v. Chr. Simeon, Sohn des Mattatias 142-134 v. Chr. zu Tode und sein Bruder Jonaran Apphus (161-142 v. Chr.) übernimmt die Führung Johannes Hyrkan 1., Sohn Simeons 135/34-104 V. Chr. der von Bakchides verfolgten Partisanen, die sich in die unzugängliche Wüste Juda zu- Aristobul 1., Sohn Johannes Hyrkans (trägt erstmals den Königstitel?) 104-103 v. Chr. rückziehen. Alexander Jannai, Sohn Johannes Hyrkans 103-76 v. Chr. Salome Alexandra, Frau Aristobuls und Alexander Jannais 76-67 v. Chr. 67-63 v. Chr. Aristobulos II., Sohn Alexander Jannais und Salome Alexandras 6. Die Hasmonäer

5.42 Die Eroberung Jerusalems und die Wiedereinweihung des Tempels 6.1 Eine Parallelregierung in Michmas 164 v. Chr. Eine Wendung bringt erneut das politische Geschehen im Seleukidenreich. Als Alex- Anfängliche militärische Erfolge gegen seleukidische Truppen lassen die Bewegung ander Balas (150-145 v. Chr.) versucht, Demetrius I. (162-151150 v. Chr.) vom Thron wachsen. Den Makkabäern kommt dabei entgegen, dass Aufmerksamkeit und Kräf- zu verdrängen, sollen die ständigen Auseinandersetzungen die politische Lage in Judäa te Antiochus' IV. Epiphanes zunehmend durch die Auseinandersetzungen mit den nicht weiter destabilisieren. Der König braucht Verbündete, weshalb der Stratege Bak- Parthern im Osten des Reiches gebunden werden. 164 v. Chr. gelingt Judas Makka- chides von Demetrius beauftragt wird, mit dem Makkabäer Jonatan zu verhandeln. 842 G. Grundriss der Geschichte Israels 843

Neben einem Gefangenenaustausch wird Jonatan zugestanden, mit eigener Gerichts- trunter Simeon barkeit von Michmas aus »eine Art Parallelregierung« (0. Keel) zu etablieren. Je stärker Demetrius bei den Machtkämpfen gegen den Usurpator unter Druck gerät, desto mehr .AIJ.t der ältere Bruder Simeon (142-134 v. Chr.) die Zugeständnisse macht er. metrius II. wird er als Hohepriester bestätigt (1 Makk Rechten sowie einer Steuerfreiheit ausgestattet. 6.2 ]onatan als Hohepriester in Jerusalem ..µtonomer Staat, auch wenn Simeon den Titel König nicht anlegt. die Simeon als David und Salomo redi- Als Alexander Balas 152 v. Chr. eine Parallelregierung in Akko installiert, zieht Deme- vivus . den Beginn seiner Herrschaft als Einschnitt sehen trius sogar seine Truppen von Jerusalem und Bet-Zur ab und überlässt den Makkabäern (1 Makk Teil der Forschung ab hier nicht mehr von das Feld, um sich der Loyalität gegenüber dem Thronkonkurrenten zu versichern. Die- den Unter Simeon erobern die Hasmonäer die ser bietet jedoch seinerseits dem Makkabäer Jonatan das seit dem Tod des Alkimus ver- Akra und letzten Anker seleukidischer Macht. Der Machtbereich waiste Priesteramt an und versucht ihn durch dieses weitere Zugeständnis politischer wird weiter und durch die Einbindung von Jaffa ein Mit- Macht auf seine Seite zu ziehen. Für die Makkabäer ist damit die Möglichkeit einer (1 Makk 13,43-48) und später gegen den seleukidi- teilautonomen Regierung von Jerusalem aus verbunden (s. Karte 10). Zwar stammt Jo- schen der Steige von Bet-Horon erfolgreich verteidigt (1 Makk natan aus einer priesterlichen Familie, die jedoch erneut eindeutig außerhalb der zado- ist nach wie vor die maßgebliche Vor- kidischen Oniadengenealogie liegt, was den Widerstand in bestimmten Kreisen der Entwicklung und ertragreichen Han- »Frommen« hervorruft. del. Das VII. Sidetes (138-129 v. Chr.) aus politischem Geza Vermes und andere sehen in der Abspaltung zadokidischer Kreise vom Tem- Kalkül doch nicht gewährte Recht zur eigenen Münzprägung pelkult in Jerusalem den Ursprung der Gemeinschaft von Qumran und mit dem in (U. als Ausdruck wachsender wirtschaftlicher Potenz der Pro- den dortigen Texten genannten Frevelpriester Jonatan bzw. dem Lehrer der Gerechtigkeit vinz Simeons gewertet werden. Sicher wurden jedenfalls den legitimen Hohepriester. Wie oben ausgeführt (VII.4.92) ist dies unter Berücksich- nach einer Jahren unter Johannes Hyrkan wieder eigene kleinere tigung des archäologischen Befundes in Qumran unwahrscheinlich, wenn auch pries- Münzen archäologisch die zunehmende Bautätigkeit der Has- terlich dominierte Absetzbewegungen der Zadokiden im 2. Jh. v. Chr., die z. T. mit der monäer (W. 'l(Qn der literarisch nur das von Simeon erbaute Grabmal in Mo- später entstandenen Qumrangemeinschaft vielleicht in Verbindung gebracht werden de'in (1 ist. können, plausibel bleiben (s. o. VII.4.7 zum »Ünias-Tempel« in Leontopolis). 6.5 Johannes HyrkanL 6.3 Der Anschluss an die Seleukiden und der Machtzuwachs unter ]onatan Simeon wird zusami:pen mit zwei seiner Söhne von seinem Schwiegersohn Ptolemäus Für die Makkabäer bringt der engere Anschluss an die Seleukidenregierung politischen 135 v. Chr. bei Jericho ermordet. Einzig Johannes Hyrkan 1. (135/34-104 v. Chr.), Pro- Erfolg. Als sich Alexander Balas durch die Heirat mit Kleopatra Thea, einer Tochter vinzgouverneur:in Geser, entkommt dem Anschfag und tritt die Nachfolge seines Va- Ptolemäus' VI. Philometor, mit den Ptolemäern verschwägert, macht er Jonatan zum ters in Jerusalem an. Mit diesem Ereignis schließt 1 Makk, und für die folgende Zeit militärischen Strategen und Meridarchen (»Teilherrscher«) über die Provinz Koilesyri- des hasmonäischen Königtums steht als Quelle nur noch Flavius Josephus zur Verfü- en. Mit politischem Geschick und neuen Machtzugeständnissen im Norden rettet sich gung. Jonatan gewinnbringend über die Thronwirren, nachdem Demetrius II. Nikator 145 Nach anfanglicher Anfechtung durch Antiochus VII. gelingt es Johannes Hyrkan, v. Chr. Alexander Balas besiegt und in die Flucht geschlagen hat. Da jedoch das Seleu- seine Position durch militärische Expansion auszubauen, als der seleukidische König kidenreich instabil bleibt und Demetrius II. (145-140 v. Chr.) schon bald in Antiochus gegen die Parther 129 v. Chr. fällt und der in parthischer Gefangenschaft gehaltene VI. (145-142/1381 v. Chr.), einem Sohn des Alexander Balas, einen Gegenkönig hat, Demetrius II. (129-'126/25 v. Chr.) zu einer zweiten Amtszeit kommt. Er führt mit wird Jonatan in den Auseinandersetzungen um die politische Macht aufgerieben. Er seinem eigenen Heer Eroberungsfeldzüge in das Ostjordanland, um mit Madaba und wendet sich zunächst von Demetrius II. ab, weil dieser nicht zu weiteren Zugeständnis- Samaga die Kontrolle über den wichtigsten Handelsweg von Süden nach Norden, die sen bereit ist, und erobert für die Gegenregierung den südlichen Teil Palästinas. Durch Königsstraße, zu erhalten. Der selbstbewusste hasmonäische Herrscher expandiert auch politische Kontakte zu Rom und Sparta versucht er, seinen politischen Einfluss auszu- von Judäa aus weiter in den Norden bis nach Galiläa und zerstört dabei den samarita- dehnen, was den Argwohn der Seleukiden hervorruft. Tryphon, General und Vertreter nischen Tempel auf dem Garizim (129/28 v. Chr.). 112/11 v. Chr. annektiert er Idumäa des noch jugendlichen Antiochus' VI„ lockt ihn bei Akko in einen Hinterhalt und lässt und gliedert die Bewohner gewaltsam in den jüdischen Staat ein. Die Befestigung Je- ihn kurze Zeit später in Gilead hinrichten. rusalems stellt Johannes Hyrkan wieder her und baut als Gegengewicht zur seleukidi- schen Akra nördlich des Tempelbezirks als Residenz der Hasmonäer die Burg Baris, die 844 G. Grundriss der Geschichte Israels VII. Geschichtelsraekiri 'hellenistischer Zeit 845 spätere Antonia. In Jericho/ Tulül Abü l-"AltHk lässt Johannes Hyrkan im Kontext eines 6.7 Alexandra Sald°fftt;u'ndder Machtkampf nach ihrem Tod königlichen Landgutes (Produktion von Datteln und Balsam) einen Winterpalast im hellenistischen Stil errichten, der später von Herodes weiter ausgebaut wird (E. Net- Alexandra Salome (76'-67 v. Chr.), die Frau Aristobuls und spätere Gemahlin Alex- zer). Der politische Erfolg der Hasmonäer und ihr Expansionsstreben nähren den po- ander Jannais, übernimmt nach dessen Tod die Führung des Staates und sucht einen litischen Widerstand der Pharisäer, die zunehmend für eine Trennung von weltlicher Ausgleich mit den Pharisäern. Diese unterstützen auch ihren Sohn Johannes Hyrkan Herrschaft und Hohepriesteramt eintreten (Josephus, Am. XIII, 290-292). II., den Alexandra:Salome ersatzweise in das Amt des Hohepriesters einsetzt. Die Sad- duzäer hingegen, die eine tempelzentrierte zadokidische Position vertreten, halten sich 6. 6 Der Hasmonäerstaat unter Aristobul l und Alexander ]annai an dessen H., der von Salome mit der militärischen Führung betraut ist. Mit dem·TodSa1omeAlexandras 67 v. Chr. bricht der Machtkampf zwischen den Nach dem Tod Johannes Hyrkans übernimmt Aristobul L (104-103 v. Chr.) sowohl Brüdern aus, der erstdu:rch das Eingreifen der Römer beendet wird. Aristobul II. be- das Hohepriesteramt als auch die weltliche Macht. Seine Brüder und seine Mutter mächtigt sich gioßerTeile der militärischen Festungsanlagen, so dass Johannes Hyrkan bringt er ins Gefängnis, um seine Ansprüche alleiniger Herrschaft durchzusetzen. Aris- II. zunächst ist. Er verliert im Kampf bei Jericho die Führungsrolle, erhält tobul setzt die Expansionspolitik seines Vaters im Norden fort (s. Karte 10), was eine aber dann durch den einflussreichen Idumäer Antipater und den Na- verstärkte Siedlungsentwicklung Galiläas im l. Jh. v. Chr. zur Folge hat U. Zangenberg, batäerkönig Aretas III. pa diesem ostjordanisches Territorium versprochen wird, greift E. M Meyers). Er soll - folgt man Josephus Am. XIII, 301 - als erster auch den Titel er zugunsten Johannes Hyrkans II. Jerusalem an. Aristobul wird geschlagen und ver- »König« angelegt haben, was nicht unwahrscheinlich ist, sich aber vom Münzbefund schanzt sich mit einigen Sadduzäern im Jerusalemer Tempel. Auf die mit den Kämpfen her erst ab der Regierungszeit seines Nachfolgers bestätigen lässt (U. Hübner). Als Aris- verbundene Störung'der politischen Ordnung reagiert die römische Staatsmacht durch tobul I. stirbt, befreit seine Witwe Alexandra Salome die gefangenen Brüder, heiratet das Eingreifen des römischen Feldherrn Pompeius, der bereits bis nach Syrien vorge- den ältesten Bruder ihres verstorbenen Mannes und überträgt ihm die Herrschaft. Un- drungen war, ter Alexander Jannai (103-76 v. Chr.), der sich jetzt als König und Hohepriester tituliert und ganz als hellenistischer Herrscher regiert, erreicht der Hasmonäerstaat seine größte 6.8 Das Eingreifen der Römer und das Ende des hasmonäischen Staates Ausdehnung (s. Karte 10). Er führt brutale Eroberungskriege, die mit Zwangsjudaisie- rung und der Vertreibung von Nichtjuden, die sich der Beschneidung widersetzten, ein- Zunächst schicken sowohl Hyrkan II. als auch Aristobul II. Gesandte zu dem römi- hergegangen sein sollen. Sein Herrschaftsgebiet umfasst jetzt ganz Galiläa, den Golan, schen Legaten Scaurus, ·damit dieser - unterstützt durch Geldzahlungen - zugunsten das Ostjordanland bis an das Südende des Toten Meeres und das gesamte Westjordan- eines der beiden entscheidet. Scaurus gibt Aristqbul II. den Vorzug und bewegt so die land einschließlich Samaria, Idumäa und den Küstenstreifen mit den wichtigen Han- Nabatäer aus Furcht vor den Römern zum Rückzug aus dem regionalen Machtkampf. delshäfen Gaza und Cäsarea Maritima (Stratonsturm). Einzig Aschkalon konnte seine Das entschärft die Situation jedoch noch nicht. Nachdem in Antiochia der römische Unabhängigkeit bewahren. In der Literatur wird die Ausdehnung häufig mit dem »da- Feldherr Pompeius 64 v. Chr. die Seleukidenherrschaft endgültig mit der Absetzung vidischen« Großreich verglichen, das es so jedoch nicht gegeben hat (s. o. IV.5.). »Sein Philipps II. beendet und Syrien in eine römische Provinz verwandelt hat, versuchen die Reich war größer als das Einflussgebiet Davids je gewesen sein kann« (0. Keel, Jerusa- Parteien erneut auf diplomatischem Weg, Einfluss zu nehmen. Nach Josephus tauchen lem 1260). 63 v. Chr. drei Gesandtschaften in Damaskus auf. Neben den Ansprüchen Aristobuls Dem außenpolitischen Erfolg stehen jedoch nicht zuletzt wegen der grausamen It und Johannes' Hyrkan II. versuchen die Pharisäer auf eine Trennung von weltlicher Herrschaft zunehmend Spannungen im Inneren gegenüber, die sich zu einem blutigen Herrschaft und Hohepriesteramt hinzuwirken. Auf Drängen der Pharisäer zieht Pom- Bürgerkrieg auswachsen. Die Pharisäer, die aus den Hasidäern hervorgegangen waren peius mit seinem Heerführer Gabinius in Jerusalem ein und nimmt Aristobul II. ge- und nach Josephus schon unter Johannes Hyrkan Kritik an der hasmonäischen Verei- fangen. Den verdrängten Johannes Hyrkan II. (63-40 v. Chr.) setzt er als Hohepriester nigung von Hohepriesteramt und de facto Königtum geäußert hatten, formieren sich wieder in sein Amt ein. Zwar wird dessen politische Führungsrolle noch einmal formal zur Oppositionspartei. Sie versuchen mit Hilfe des Seleukiden Demetrius III. Eukai- von den Römern bestätigt, doch die Phase des eigenständigen Hasmonäerstaates ist 63 rus (95-87 v. Chr.) den König zu verdrängen, was aber wegen dessen außenpolitischer v. Chr. endgültig vorbei. Judäa steht ab jetzt unter römischer Herrschaft. Das Herr- Schwäche nicht dauerhaft gelingt. Josephus beschreibt seine folgende Rache an den schaftsgebiet wird erheblich beschnitten und durch die Ausgliederung der ostjordani- Widerständigen als Ausübung brutaler Gewalt (Ant. XIII, 380.410). Am Ende seiner schen Dekapolisstädte wie der Küstenstädte beträchtlich in der wirtschaftlichen Leis- Regierungszeit soll Alexander Jannai die Macht des Zorns der Pharisäer erkannt und tungsfähigkeit geschwächt. Auch dem unter Johannes Hyrkan I. annektierten Samaria auf dem Totenbett eine Änderung der Politik empfohlen haben (Ant. XIII, 398-406). wird die Eigenständigkeit als Stadt zurückgegeben und der Kult auf dem Garizim wie- Wie viel davon Legende ist, bleibt angesichts der ambivalenten Sympathie des antiken der aufgenommen. Historikers für die Pharisäer im Dunkeln. 846 VIII. Geschichte Israels:fhrromischer Zeit 847

VIII. Geschichte Israels in römischer Zeit - weiter auf den kultischen:ßere,ic& Das Steueraufkommen, das auch die Finanzierung der römischen Truppen im Lande sichert, wird von römischen Pächtern ein Ausblick eingetrieben. .

2. Die Aufstände Alexanders und Antigonus'

Literatur: M. Bernett, Der Kaiserkult in Judäa unter den Herodiern und Römern (WUNT 203) Schon bald kommt c:s ;z;t1, ersteµ prohasmonäischen Aufständen gegen Aulus Gabinius, Tübingen 2007; W. Eck, Rom und Judaea, Tübingen 2007; K. Erlemann u. a., Neues Testament den Statthalter undJ;'l'.okonsul der römischen Provinz Syrien. Der durch den Eingriff und Antike Kultur, Bd. 1-5, Neukirchen 2007; H. Frankemölle, Frühjudenrum und Urchris- der Römer zurückgc:drängteAristobul II. war mit seinen Söhnen von Pompeius in Gei- tentum, Stuttgart 2006; L. L. Grabbe, First Cenrury Judaism, London 1995; ·L. M. Günther, selhaft nach Rom vei;bracht worden, ·jedoch nach gelungener Flucht 57 v. Chr. nach Herodes der Große, Darmstadt 2005; dies. (Hg.), Herodes und Rom, Stuttgart 2007; J. Hahn (Hg.), Zerstörungen des Jerusalemer Tempels (WUNT 147) Tübingen 2002; B. Kollmann, Ein- Judäa Sohn Alexander versucht, bestärkt durch anfängliche mili- führung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte, Darmstadt 2006; A. Lichtenberger, Die Bau- tärische Erfolge in Judäa, die Macht und Königswürde in Jerusalem zu erobern, wird politik Herodes des Großen (ADPV 26) Wiesbaden 1999; L. Mildenberg, Tue Coinage of the aber von dem späteren Triumvir Marcus Antonius - unterstützt von dem Strategen Bar Kokhba War, Aarau 1984; E. Netzer, Die Paläste der Hasmonäer und Herodes' des Großen, Antipater, der auf der Seite des Hohepriesters Hyrkan steht - geschlagen und flieht in Mainz 1999; ders., Tue Architecture of Herod, the Great Builder, Tübingen 2006; P. Schäfer die hasmonäische Festung Alexandreion. Gabinius lässt daraufhin die hasmonäischen (Hg.), Tue Bar Kokhbah War reconsidered, Tübingen 2003; E. Schurer/G. Vermez, Tue history Festungen Machäi:us,, Hyrkania und Alexandreion zerstören und schwächt - um wei- of the Jewish people in the age of Jesus Christ l, Edinburgh 1973; M. Vogel, Herodes, Leipzig teren prohasmonäisd1en Versuchen der Wiedererrichtung des Königtums einen Riegel 2002; R. Wenning, Das Grab Herodes des Großen. Israel - Herodium: WUB 45, 2007, 68f; J. vorzuschieben Position der Führungskräfte in Jerusalem. Wilker, Für Rom und Jerusalem, Frankfurt 2007. Zusammen m,it seinem Arlstobul II. versucht Antigonus, ein Bruder Alexan- ders, in der Folgezeit (56 v. Chr.) erneut den Aufstand gegen die römische Macht, doch Der Überblick über die Geschichte Israels könnte hier enden, nicht weil die Geschichte muss sich Aristobul II. in der zerstörten Festung Machärus bald ergeben und wird er- Israels endet, sondern weil die Texte des AT abgesehen von wenigen Ausnahmen keinen neut nach Rom verbracht. Bezug auf Ereignisse nach 63 v. Chr. nehmen. Die weitere jüdische Geschichte unter römischer Herrschaft bis zum Bar-Kochba-Aufstand 135 n. Chr. ist deshalb traditionell Gegenstand der neutestamentlichen Zeitgeschichte. Zu den Ausnahmen gehört aber bei- 3. Judäa nach dem Sieg Cäsars spielsweise das griechische Buch der Weisheit (s. o. E.VII.), das erst nach der Machter- greifung des Cäsar Octavianus Augustus über Ägypten (30 v. Chr.) entstanden ist. Um Während der. Auseinandersetzungen zwischen Cäsar und Pompeius ab 49 v. Chr. un- die Kontinuität der Geschichte des »biblischen« Israel auch in römischer Zeit zu unter- terstützen Johannes Hyrkan II. und Antipater den aufstrebenden Herrscher im Kampf streichen, sei daher ein Ausblick bis 135 n. Chr. angeschlossen. in Ägypten und werden anschließend für ihre Loyalität belohnt. Johannes Hyrkan II. wird zum Ethnarchen und »Freund Roms« ernannt. Antipater erhält das römische Bür- gerrecht und wird zum Prokurator erhoben. Die freie Religionsausübung in Judäa und 1. Neuordnung Palästinas unter römischer Herrschaft den -+ Diasporagemeinden im Römischen Reich wird zuerkannt. Die wirtschaftlich bedeutende Hafenstadt Jafa/Joppe wird wieder dem Machtbereich des Hohepriesters Mit der Liquidierung des Seleukidenreichs und der Eingliederung des hasmonäischen was das Steueraufkommen merklich steigert. Antipater führt unmittel- Königtums verbindet Pompeius eine grundlegende Neuordnung der Grenzen Paläs- bar eine Verwaltungsreform durch, wobei er seine Söhne zu Strategen macht: Herodes tinas durch die Einrichtung der Provinz Syria (s. Karte 11). Die Küstenstädte und die in Galiläa und Phasael in Judäa-Peräa. Nach der Ermordung Cäsars 44 v. Chr. wird ostjordanischen Städte der späteren Dekapolis (Dion, Hippos, Gadara, Pella, Gerasa, die Lage in Judäa noch unruhiger, angetrieben durch die verschärfte steuerliche Aus- Amman) werden direkt dem Provinzstatthalter Scaurus unterstellt und können sich beutung, die die Unterstützung der Cäsarenmörder Cassius und Brutus durch Antipa- so in der Folgezeit zu einem wichtigen Machtfaktor entfalten. Judäa bleibt zunächst ter erfordert hatte. Mit Hilfe der Parther drängt der Hasmonäer Antigonus-Mattatias teilautonom: Der Hohepriester hat Jurisdiktions- und Exekutivgewalt, bleibt aber zu- (40-37 v. Chr.), ein Sohn Aristobuls II., an die Macht in Jerusalem und setzt sich an gleich vollständig abhängig von Rom. Unter dem zweiten Statthalter Gabinius (58-54 die Stelle des zuvor verstümmelten Hohepriesters Hyrkan II. Herodes kann nach Rom v. Chr.) wird (als Folge des Aufstands Alexanders, s. u. VIII.2.) der Einfluss des Hohe- entkommen, nachdem er seine Familie auf der Festung Masada am Toten Meer in Si- priesters durch die Bildung von fünf Verwaltungsbezirken mit fünf lokalen Gerichts- cherheit gebracht hat. Da Rom einen Verbündeten gegen die Parther braucht, wird He- barkeiten (Jerusalem, Gazara/Judäa, Jericho, Sepphoris/Galiläa, Amanthous/Peräa) rodes 40 v. Chr vom Senat als rex socius et amicus populi zum König von Judäa (40/37-4 848 G. Grundriss der Geschichte Israels VIII. Geschichte Israels in römischer Zeit 849

v. Chr.). Das Klientelkönigtum bedeutete eine weitgehende Autonomie, solange die In- 4.3 Der herodianiscbe Tempel in Jerusalem teressen Roms gewahrt blieben. Herodes gestaltetJerusalem durch die hellenistische Architektur und die Festung An- tonia nördlich des Tempelbezirks als Hauptstadt und Zentrum seiner Herrschaft aus. 4. Herodes der Große Besonders die Umgestaltung des Tempels ab 20 v. Chr. bis 9/8 v. Chr. mit der Erwei- terung des Tempelbezirks auf mehr als die doppelte Fläche, einer aus riesigen Quader- Nach harten Kämpfen in Idumäa und Galiläa kann sich Herodes erst 37 v. Chr. mit steinen gebauten massiven Umfassungsmauer (von außen sichtbar an der »Klagemau- der Unterstützung römischer Truppen gegen Antigonus durchsetzen. Da dieser bis zu er« genannten heutigen Westmauer), Säulenhallen über den Außenmauern und neuen seiner Hinrichtung in der Burg Barls erbitterten Widerstand leistet, ist die Eroberung gestuften Aufgängen zum Tempelbezirk von Süden und Westen macht das Heiligtum Jerusalems mit einem Blutbad verbunden, was die Position Herodes' bei den Anhän- zum sichtbarenZentrum der Stadt (Handels- Marktplatz und damit Mittelpunkt gern der Hasmonäer schwächt. Daran kann auch die während der Belagerung Jerusa- des öffentlichen Lebens) und der herodianischen Macht (dem Selbstverständnis Hero- lems vollzogene Heirat mit der Hasmonäerin Mariamne, einer Tochter Alexanders (s. o. des' entsprechend in der Nachfolge Davids und Salomos). VIII.2.), nichts ändern. 4.4 Konflikte um das politische Erbe des Herodes 4.1 Das Zerrbild des Despoten Herodes Gegen Ende der Regierungszeit Herodes' zeigen sich massive Spannungen am Königs- Die Quellen, vor allem das NT (die Legende vom Kindermord in Bedehem Mt 2,16) hof zwischen prohasmonäischen und proherodianisch-römischen Kreisen, die in wech- und Josephus, zeichnen Herodes als grausamen, willkürlich mordenden und rück- selnden Koalitionen Ansprüche auf die Nachfolge erheben. Herodes reagiert mit Miss- sichtslosen Despoten. Dieses Zerrbild überlagert die historischen Leistungen einer lan- trauen und zielsicherem Interesse an der Erhaltung seiner Macht. So lässt er Alexander gen Regierungszeit (37-4 v. Chr.), die das Gebiet seiner Herrschaft im Schatten Roms und Aristobul 9/8 v. Chr. und 5/4 v. Chr. Antipater kurz vor seinem eigenen Tod unter durch großes politisches Geschick in eine Zeit wirtschaftlicher Blüte führt. Herodes dem Verdacht des Hochverrats mit römischer Billigung hinrichten. Nachdem Herodes »verfügte über ein hohes Maß an Organisations- und Improvisationstalent, einen wei- 4 v. Chr. gestorben und im Herodeion beigesetzt worden ist, brachen die Spannungen ten Bildungshorizont und politische Weitsicht und Flexibilität« (E. Otto, Das antike Je- erneut offen aus. Das folgende Jahr ist von mehrfachen unkoordinierten Aufständen im rusalem, München 2008, 93). Land gekennzeichnet (Judas, der Galiläer, in Sepphoris, Simon vom Ostjordanland aus Arhronges in Emmaus), die durch Varus, den Statthalter von Syrien, brutal niederge- 4.2 Die Baupolitik des Herodes schlagen werden, um die öffentliche Ordnung halbwegs wiederherzustellen.

Als sichtbarer Ausdruck seines politischen Erfolges gilt seine umfassende Baupolitik, die nach der Stabilisierung seiner Herrschaft einsetzt und durch hohe Steuerabgaben 5. Die Nachfolger des Herodes finanziert wird. Die zerstörten Festungen Hyrkania, Alexandreion und Machärus baut Herodes ebenso wie Masada mit prunkvollen Palästen aus. Auch das Herodeion in der Da das Klientelkönigtum von Rom aus personenbezogen ist, muss Archelaus, der von Nähe von Betlehem gestaltet Herodes architektonisch sowohl als Festung wie als Palast. Herodes als Haupterbe für Judäa, Samaria und Idumäa eingesetzt worden ist, in Rom Das ganze Land wird mit einem System von vergleichbaren Festungen überzogen. In als Erbe bestätigt werden. Ebenso machen die Herodessöhne Philippus und Herodes Jericho, wo Herodes wegen des milden Klimas die Winter verbringt, entsteht eine lu- Antipas ihre Ansprüche in Rom bei Kaiser Augustus geltend. Da Archelaus bei einem xuriöse Palastanlage. Der Seehandelsstützpunkt Stratonsturm wird unter dem Namen Pascha-Fest in Jerusalem unmittelbar nach dem Tod des Herodes einen Aufstand der Cäsarea Maritima als hellenistische Polis mit einem Roma- und Augustustempel aus- pharisäischen Parteigänger brutal niederschlägt, wird von pharisäischer Seite in Rom gebaut, ebenso Samaria mit einem Augustustempel unter dem Namen Sebaste. Reprä- parallel die EingliederungJudäas in die römische Provinz Syrien und die Unterordnung sentative Prunkbauten wie Theater, Amphitheater, Hippodrom und Agora machen die unter einen Statthalter gefordert. Augustus teilt die Herrschaft der Herodessöhne auf: Städte zu sichtbaren Symbolen herrschaftlicher Macht und ihrer Legitimation durch Archelaus (4 v. Chr.-6 n. Chr.) wird zum Ethnarchen von Judäa, Samaria und Idumäa den »Herrscher der Welt« in Rom. Dabei ist Herodes nicht nur romtreuer Hellenist, bestimmt, darf allerdings den nicht mehr führen. Als Tetrarchien werden sondern zugleich - und nicht nur aus politischem Kalkül - Judäer und gläubiger Jude, Herodes Antipas (4 v. Chr.-39 n. Chr.) Galiläa und Peräa und Philippus (4 v. Chr.- der sowohl die jüdische Tradition als auch die Gesetze mehr achtet, als dass er mit ih- 33/34 n. Chr.) die ostjordanischen Gebiete Trachonitis, Batanäa, Auranitis, Gaulanitis nen bricht. Das zeigt sich nicht zuletzt in seinem größten Bauprojekt, dem Jerusalemer und Paneas zugeteilt (s. Karte 11). Tempel. 851 850 G. Grundriss der Geschichte Israels VIII. Geschichte Isiaefiihl·röriiischer Zeit

wandelt, was sich1alsc»grävierendeEehlentscheidung« (B. Kollmann) herausstellt, da es 5.1 Das Unvermögen des Archelaus und die Neuorganisation in Judäa den Widerstand gegen:Rohi erhebfü.:h bestärkt.

Wegen seiner schlechten Regierungsführung, die mit Willkürakten wie der Absetzung des Hohepriesters Joazar verbunden ist, und einer Ehe mit Glaphyra, der Witwe seines hingerichteten Halbbruders Alexander, bringt Archelaus das Volk und führende Krei- 6. Der 66-70 n. Chr. se gegen sich auf. Die Intervention beim Kaiser ist erfolgreich und führt 6 n. Chr. zur Verbannung des Archelaus nach Gallien sowie zur Umwandlung seiner Tetrarchie in 6.J HintergründeundBeginn der judäischen Erhebung eine römische Provinz, die dem kaiserlichen Sonderbeauftragten Quirinius und damit Auslöser und Hinteigrund des Jüdischen Kriegs sind nicht ein einzelnes Ereignis, son- direkter römischer Kontrolle unterstellt wird. Die Kapitalgerichtsbarkeit und Steuerho- dern die Kumulatiorilvort;Unzufriedenheiten mit der römischen Herrschaft, die sich heit liegen jetzt nicht mehr beim Synhedrion in Jerusalem, sondern bei dem Präfekten schon in der Herodes' d. Gr. verstärken, aber sich seit dem Tod Agrippas in Cäsarea Maritima. Andererseits erhält das Gremium, das aus 70 Mitgliedern besteht immer wieder inUnruhertund Massenprotesten entladen. Da die erneute Unterstel- und an dessen Spitze der Hohepriester amtiert, weitreichende innenpolitische Kompe- lung unter einen!Stapthalter in Cäsarea Maritima als Entmündigung empfunden wird, tenzen als zentrales Organ der jüdischen Selbstverwaltung. Die Neuorganisation im gewinnt die zelotisehe·1Bewegung enorm an Zulauf. Als sich der Statthalter Gessius Herrschaftsgebiet Archelaus' ist mit einer Steuerschätzung (Zensus) verbunden, die Florus (64-66 n:. Chr.) .am Tempelschatz vergreift, um Steuerschulden zu begleichen, anachronistisch in Lk 2,1-4 mit demJahr der GeburtJesu (7/6 v. Chr.) in Zusammen- eskaliert die Situation in Jerusalem. Dem Statthalter gelingt es trotz Demonstration hang gebracht wird. Der Zensus verstärkt antirömische Affekte, die nicht zuletzt wegen größter Härte (Plünderungen, Kreuzigungen) nicht, die aufgeladene Stimmung zu be- der hohen Steuerlast schon länger schwelten, und führte zur Gründung der zelotischen ruhigen, so dass schließlich - angeführt von Eleasar, dem Sohn des Hohepriesters,Ana- Bewegung. Begründet von Judas dem Galiläer (Apg 5,37) bilden die Zeloten (Eiferer) nias - der Tempelbezirk besetzt und das tägliche Opfer für den Kaiser eingestellt wird. eine Gruppierung, die sich auf der Grundlage einer radikal theokratischen Ideologie im Das kommt einem offenen Aufstand gegen Rom gleich. Vermittlungsversuche Agrippas bewaffneten Kampf für die politische Unabhängigkeit einsetzen. werden aggressiv zurückgewiesen und dessen militärische Begleitung in der Zitadelle eingeschlossen. Menachem, der Sohn des Zelotengründers Judas (s. o, VIll.5.1), zieht 5.2 Herodes Agrippa l und die Konflikte um den Kaiserkult bewaffnet in Jerusalem ein und belagert die Zitadelle. Er lässt den romtreuen Hohe- priester Ananias töten; kann jedoch trotz der Einnahme der Burg Antonia, in der die römische Kohorte eingeschlossen ist, seinen Machtanspruch in Jerusalem nicht durch- Herodes Antipas, der in der Zeit des öffentlichen Auftretens Jesu von Nazaret in Gali- setzen und wird von priesterlich-aristokratischen Anhängern Eleasars ermordet. läa herrscht, Sepphoris als hellenistische Residenz ausbaut und 19 n. Chr. Tiberias am Westufer des Sees Gennesaret neu erbauen lässt, wird 39 n. Chr. ebenfalls nach Galli- en verbannt. Als Nachfolger wird Herodes Agrippa 1. (39-44 n. Chr.) eingesetzt, der 6.2 Das Ausgreifen des militärischen Widerstands der Zeloten bereits nach dem Tod des Philippus dessen Herrschaftsgebiet und den Königstitel von Die Welle der Gewalt und der ausgebrochene Parteienstreit schwappen von Jerusalem Kaiser Caligula (37-41 n. Chr.) übertragen bekommen hat. Bei seinem Regierungs- bald auf das ganze Land über und führen zu einem Bürgerkrieg zwischen romtreu- antritt kommt es in Alexandria zu Konflikten zwischen den --+ Diasporajuden und der en Hellenisten und national gesinnten antirömischen Juden. Der syrische Statthalter hellenistischen Oberschicht, die Kaiserbilder in den Synagogen aufstellen lassen, um so Cestius versucht vergeblich, in Jerusalem durch die Belagerung der Aufständischen die die Romtreue der Juden zu erzwingen. Die schwere Verletzung der Autonomie wird von Ordnung wiederherzustellen, was aber misslingt und dem zelotischen Widerstand wei- den Juden durch die Weigerung, das Kaiserbild zu verehren, beantwortet, was die Ab- teren Auftrieb gibt. Der militärische Widerstand gegen den erwartbaren römischen Ge- erkennung von Rechten und Verfolgungen nach sich zieht. Der Zwang zum Kaiserkult, genschlag wird in den Hasmonäerburgen, die fest in der Hand der Zeloten sind, sowie der von Caligula durch die Absicht unterstrichen wird, auch im Jerusalemer Tempel ein in Jerusalem und Galiläa vorbereitet. In Jerusalem, dem Zentrum, steht der wegen der Kaiserstandbild aufzustellen, führt anschließend zu Konflikten im Kernland. Erst die Ermordung des Jakobus 62 n. Chr. abgesetzte Hohepriester Anaos an der Spitze, in Ga- tolerantere Religionspolitik von Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) brachte eine Beruhi- liläa der Geschichtsschreiber Josephus, der den radikalen Kräften aber nicht energisch gung. genug agiert und von dem Zeloten Johannes von Gischala der Kollaboration verdäch- Claudius unterstellt Agrippa 1. auch Judäa, Samaria und Idumäa, so dass er über da.S tigt wird. Nachdem der Feldherr Flavius Vespasian zunächst Gamla und Gischala und gesamte Gebiet des einstigen Königtums Herodes des Großen regieren kann (s. Karte schließlich die unter der Führung Josephus' Widerstand leistende galiläische Festung 11). Seine Herrschaft zielt auf die Förderung einer an den Tempel gebundenen nati- Jotapata eingenommen hat, wechselt Josephus die Seiten. Johannes von Gischala wird onalen Identität im Schatten Roms und in diesen politischen Kontext muss auch die durch die Erfolge Roms aus Galiläa verdrängt und zieht nach Jerusalem, wo inzwischen Verfolgung der frühen christlichen Jerusalemer Urgemeinde eingeordnet werden. Nach auch sein Konkurrent, der Zelotenführer Johannes ben Giora, eingezogen ist. In den seinem Tod 44 n. Chr. wird das Gebiet wieder in eine prokuratorische Provinz umge- 852 G. Grundriss der Geschichte Israels VIII. Geschichte Israelsih-crömischer Zeit 853

Bürgerkriegswirren, in denen der Hohepriester Anaos ermordet wird, setzt sich die Je- Judentum, ben Zakai inJabne/Jamnia, das rusalemer Christengemeinde nach Pella ins Ostjordanland ab. sich zu einem $elehrsamkeit entwickelt. Die Entstehung des Rab- binats in tannaitischet.Zeit (sO:·wifd die Zeit von 70-ca. 225 n. Chr. genannt, in der 6.3 Das Eingreifen Roms durch Titus und die Zerstörung des Tempels die-> als dass sie aufJabne eng geführt werden könnte, hat aber sicher;etne\seitler Wurzeln in der Tempelzerstörung und deren Folgen. Aus dem Bürgerkrieg und den politischen Wirren in Rom nach dem Selbstmord Neros Die Darstellung.der:!Geschichte Israels mit der Tempelzerstörung zu beenden, birgt geht schließlich Vespasian 69 n. Chr. als Kaiser hervor. Er beauftragt seinen Sohn Titus die Gefahr;. die jüdische· Geschichte des Jahres 70 n. Chr. lediglich mit den Konnota- mit der Niederwerfung des Aufstandes in Judäa, der inzwischen durch den Eingriff rö- tionen der Katastrophdmd des Endes zu verbinden. Doch die Geschichte geht weiter, mischer Truppen aufJerusalem begrenzt worden war. Der römischen Belagerung kön- weshalb ein letzter Blick auf den Bar-Kochba-Aufstand 132-135 n. Chr. geworfen sei, nen die Aufständischen nicht standhalten. Im Juni 70 n. Chr. fallen zunächst die Burg dessen genauere Umrisse allerdings im Dunkeln bleiben. Antonia und wenig später der Tempelbezirk. Der Tempel wird geplündert, in Brand gesteckt und so vollständig zerstört. Bis heute gedenken Juden am 9. Tag des Monats Ab sowohl der ersten Tempelzerstörung 587/86 wie der Zerstörung 70 n. Chr., die tra- 7. Der Bar-Kochba-Aufstand 132-135 n. Chr. ditionell auf den 17. Tamuz datiert wird. Die Stadt Jerusalem wird von den römischen Truppen wegen des erbitterten Widerstandes der Zeloten mit großer Härte und vielen Während sich unter;deri Kaisern Titus (79-81 n. Chr.), Domitian (81-96 n. Chr.) und blutigen Opfern gänzlich zerstört. Simon bar Giora und Johannes von Gischala werden Nerva (96-98 n.·Chr;)dieLage in Judäa so weit entspannt, dass sogar die erwähnte gefangen genommen und 71 n. Chr. zusammen mit den Kultgegenständen (Torarollen, Steuer für den Tempel des Jupiter Capitolinus wieder aufgehoben wird, kommt es unter siebenarmiger Leuchter, der Schaubrottisch) aus dem Zweiten Tempel im Triumphzug Trajan (98-'-il?n, Chr:) und Hadrian (117-138 n. Chr.) erneut zu Aufständen in den nach Rom verbracht (Darstellung auf dem Titusbogen). -> Diasporagebieten: und möglicherweise auch in Palästina. Obwohl Hadrians Poli- tik eher auf Ausgleieh und Befriedung des Reiches ausgerichtet ist, bricht in Judäa ein 6.4Masada Aufstand los; dessen•Hintergründe nach wie vor nicht ganz klar sind. Weitestgehend ausgeschlossen werden kann ein in römischen Quellen erwähntes Beschneidungsver- Nach dem Fall Jerusalems leisten die Zeloten in den hasmonäischen Festungen Hero- bot als Ursache, doch scheint der Plan, Jerusalem unter dem Namen Aelia Capitolina deion, Machärus und Masada weiter Widerstand. Im Zuge der Niederschlagung des als römische Kolonie wieder aufzubauen und an der Stelle des Tempels ein Jupiterhei- Aufstandes geht auch die Siedlung von Qumran in Flammen auf. In Masada verschanzt ligtum zu errichten, zu den Auslösern des Aufstandes gehört zu haben. Anführer ist Si- sich Eleasar ben Jair, ein weiterer Nachkomme des Gründers der zelotischen Bewegung. mon Bar Kosiba, dessen (spätere?) Benennung als Bar Kochba »Sternensohn« von Num Um der Einnahme der Festung nach der aufwändigen römischen Belagerung durch 24,17 beeinflusst ist und auf den messianischen Anspruch seiner Herrschaft weist. Sein den römischen Legaten Flavius Silva zu entgehen, begehen die Sikarier genannten Zelo- Selbstverständnis, das sich in Texten aus Höhlen in der Nähe des Toten Meeres (Wädi ten 74 n. Chr. kollektiven Selbstmord. Murabba'ät/Naballfever) und auf den Bar-Kochba-Münzen im Gebrauch des Ehrenti- tels »Fürst Israels« (hehr. näfi>) zeigt, schließt sowohl an die Makkabäer, die Hasmonä- 6.5 Die Neuformierung des Judentums nach der Zerstörung des Tempels er, die Zeloten als auch an Traditionen aus Qumran an, ist aber nicht von einem explizit messianischen Anspruch bestimmt. Wahrscheinlich wurde Simon aber bereits während Die Folgen für das Judentum waren nachhaltig und tief greifend sowohl in sozialer, des Aufstandes mit Num 24,17 in Verbindung gebracht. Ob hingegen der Stern bzw. politischer, wirtschaftlicher als auch in religiöser Hinsicht. Die -> Diasporagemeinden, die Rosette über der Tempelfassade auf den Bar-Kochba-Münzen, die meist über rö- insbesondere die ägyptischen in Alexandria und Zyrene, haben sich Feindseligkeiten mische. Münzen überprägt wurden, als Zeichen eines messianischen Anspruchs und und Verfolgungen auszusetzen, weil ihnen eine Mitschuld am Widerstand gegen Rom Rezeption von Num 24,17 zu deuten sind, ist stark umstritten. Andere Münzlegenden angerechnet wird. Bestärkt wird das durch den Erfolg, den geflohene Zeloten zum Teil belegen einen Priester Eleasar, was den Zusammenhang der Revolte mit dem Plan zur in den -> Diasporagemeinden mit ihren radikalen Ansichten haben. Der Tempel von Wiedererrichtung des jüdischen Tempels zeigt, der durch das Vorhaben der Etablierung Leontopolis (VII.4.7) wird geschlossen, viele Juden in Zyrene hingerichtet. eines römischen Jupitertempels verunmöglicht worden wäre. An einen Kult in der zerstörten Stadt Jerusalem, die als römisches Feldlager dient, Nach wie vor ist unsicher, wie weit der Aufstand reicht: Das Kerngebiet ist Judäa, ist nicht mehr zu denken. Mit hohem symbolischem Wert drückt das die Tatsache aus, wahrscheinlich ohne auf Galiläa auszugreifen. Wie weit es den aus dem Untergrund dass die Tempelsteuer jetzt dem Jupiter Calitolinus in Rom zugute kommt. Das Syn- agierenden Aufständischen gelingt, nach anflinglichen militärischen Erfolgen gegen die hedrion in Jerusalem wird aufgelöst, und die Sadduzäer erleiden einen erheblichen Be- Römer in Judäa auch Jerusalem in ihre Gewalt zu bringen, um den Neubau des Tem- deutungsverlust, während die Toraals verbliebene Grundlage des Judentums stark auf- pels zu betreiben, und wie weit sie den Anspruch eines autonomen Staates durchzu- gewertet wird. Die pharisäische Bewegung übernimmt die Führungsrolle im frühen setzen vermögen, bleibt letztlich nicht sicher zu klären. Die wahrscheinlich außerhalb 0.}'f G. Grundriss der Geschichte Israels

Jerusalems geprägten Münzen mit der Aufschrift »für die Befreiung Jerusalems« oder »Jerusalem« und einer stilisierten Tempelfassade mit der Bundeslade bzw. den Symbo- len des Sukkot/Laubhüttenfestes (Lulav und Etrog) weisen dieses Ziel jedoch klar aus. Von Hadrian wird der Aufstand zudem als so schwerwiegend eingestuft, dass er nach Misserfolgen seines Statthalters Tineius Rufus den Feldherrn Sixtus Julius Severus von Britannien nach Judäa entsendet, der den Aufstand niederschlägt. Bar Kochba wird im Kampf um die Festung Bethar (Tel Betar!Br?ttr?rlffirbet al-Yahüd) in der Nähe von Jeru- salem getötet und wegen seines Misserfolges im__.. Talmud als Bar Koziba »Lügensohn« verballhornt. Zahllose Juden werden versklavt oder fliehen vor dem römischen Heer in die judäische Wüste. Zeugnis dafür ist beispielsweise das sog. Familienarchiv der Ba- batha, einer Jüdin aus Zoara, das in einer Höhle südlich von En-Gedi im NalJ,al /fever gefunden wurde. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wird Jerusalem unter Ansiedlung nicht- jüdischer Bewohner zu einer paganen Stadt ausgebaut und in Aelia Capitolina umbe- nannt. Der Jupitertempel wird errichtet und eine Reiterstatue Hadrians auf dem Tem- pelplatz aufgestellt. Juden wird unter Androhung der Todesstrafe verboten, die Stadt Je- rusalem und ihte Umgebung zu betreten. Durch die Umbenennung der Provinz Judäa in syria palaestina wird auch nach außen signalisiert, dass Hadrian die Ordnung wie- derhergestellt und jeglichen Nationalismus der Juden niedergedrückt hat. Es wird bis Moses Hess (1812-1875), Leon Pinsker (1821-1891) und Theodor Herzl (1860-1904) dauern, bis in der zionistischen Bewegung Ideen eines staatlichen Judentums neu be- gründet und in der Staatsgründung Israels 1948 verwirklicht werden - nicht zuletzt im Rückgriff auf die biblischen Grundlagen Israels.

1 1 1 1

1 1] 1"'18,- rß !; l

Karte 1: Der Vordere Orient in der zweiten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr.