Herr, Erhalte Mich Bei Deinem Wort
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21. AEB-Jahrestagung vom 27. bis 29. Oktober 2016 in der Landesbibliothek Coburg Herr, erhalte mich bei Deinem Wort Dynastie und Konfession auf ernestinischen Fürsteneinbänden Handreichung zur Ausstellung Einführung Die Landesbibliothek Coburg ist als ernestinische Fürstenbibliothek entstanden. Ihre Geschichte und ihre Bestände lassen sich nur vor dem Hintergrund der zahlreichen Gebietsteilungen und -verschiebungen bei den Ernestinern verstehen. Diese resultieren aus dem Fehlen eines Erstgeburtsrechts. Coburg war seit Mitte des 14. Jahrhunderts wettinisch. Die Mutter Kurfürst Friedrichs I. (des Streitbaren) von Sachsen (1370-1428) war Katharina von Henneberg (um 1334-1397). Sie brachte das Coburger Land als ihr Erbe in die Ehe mit dem Wettiner Friedrich dem Strengen (1332-1382) ein. Coburg war bis 1918 ein wettinisch-ernestinisches Herzogtum und schloss sich erst 1920 dem Freistaat Bayern an. Seit 1485 gibt es die beiden wettinischen Linien der Ernestiner und Albertiner. Gut 50 Jahre später liegen die Anfänge der heutigen Landesbibliothek Coburg. In den 1540er Jahren erbaute Herzog Johann Ernst von Sachsen (*1521 Coburg; †1553 Coburg), der jüngere Halbbruder Kurfürst Johann Friedrichs I. (des Großmütigen), (1503-1554) Schloss Ehrenburg. Wie alle Ernestiner besaß Johann Ernst Bücher. Für die Einordnung der vorgestellten Einbände sind folgende Zusammenhänge wichtig: Kurfürst Friedrich III. (der Weise), (1463-1525) von Sachsen war der Landes- und Schutzherr Martin Luthers. Sein Nachfolger war zunächst sein Bruder Johann (der Beständige) (1468-1532) und anschließend dessen Sohn Johann Friedrich I. Dieser war verheiratet mit Sibylle, geborene Herzogin von Jülich-Kleve-Berg (*1512 Düsseldorf; †1554 Weimar). Sie hatten drei überlebende Kinder Johann Friedrich II. (der Mittlere) (1529-1595), Johann Wilhelm (1530-1573) und Johann Friedrich III. (der Jüngere) (1538-1565). Die Brüder Johann Friedrich II. und Johann Wilhelm waren mit zwei Schwestern verheiratet, Elisabeth (1540-1594) und Dorothea Susanna (1544-1592), beide geborene Pfalzgräfinnen bei Rhein aus der wittelsbachischen Linie Pfalz- Simmern. Allen gemeinsam war ein hohes dynastisches Bewusstsein, das untrennbar mit der Überzeugung verbunden war, dem „wahren Glauben“ zum Durchbruch verholfen zu haben. Bildung, tiefe Bibel- und Lutherkenntnisse sowie gelebte Frömmigkeit sind bei allen Ernestinern zu finden. Ihr persönlicher Buchbesitz ist dafür der beste Beweis. Buchgeschenke der Eltern an die Kinder waren ebenso üblich wie die Vererbung der persönlichen Bücher. Schenkten die Eltern den Kindern Büchern, so wiesen die Einbände oft Abbildungen oder Wappen der Eltern auf. In den innerfamiliären politisch-dynastisch- konfessionellen Auseinandersetzungen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts spielten Bücher eine besondere Rolle. Den Einbänden kommt hier programmatische Funktion zu. Der Verlust der Kurwürde und wichtiger Gebiete mit Wittenberg und Torgau an den albertinischen Familienzweig 1547 erschütterte die Ernestiner nachhaltig. Von da an sahen sie ihre Bestimmung noch mehr in der Bewahrung der authentischen Lehre Martin Luthers. Insbesondere Johann Friedrich II. hat die Schmach des Vaters nie verwunden. Erfolglos verstrickte er sich immer mehr in konfessionelle und politische Kämpfe mit seinen Brüdern, Kurfürst August von Sachsen sowie Kaiser und Reich. Am Ende stand 1567 die lebenslange kaiserliche Gefangenschaft in Österreich sowie die Tilgung Johann Friedrichs II. aus der historischen Überlieferung. Sein Verbündeter Wilhelm von Grumbach (1503-1567) wurde zum Tode verurteilt und in Gotha grausam exekutiert. Neben zahlreichen Büchern Johann Friedrichs II. besitzt die Landesbibliothek Coburg umfangreiche Sammlungen, die im Besitz der nächsten Generation waren. Das sind zum einen Johann Casimir (1564-1633), der älteste Sohn Johann Friedrichs II. und Elisabeths, zum anderen Friedrich Wilhelm (1562-1602), der älteste Sohn Johann Wilhelms und Dorothea Susannas. Als Kinder standen beide Vettern unter der Vormundschaft und dem Einfluss Kurfürst Augusts von Sachsen aus dem albertinischen Familienzweig. Auf unterschiedliche Weise bemühten sich die Eltern aus der Gefangenschaft bzw. die ab 1573 verwitwete Dorothea Susanna die Söhne ihrerseits zu lenken. Später schuf Johann Casimir in Coburg auf den von seinem Vater hinterlassenen Resten ein modellhaftes kleines Fürstentum. Friedrich Wilhelm I. regierte in Weimar. Außerdem übte er ab 1591 die Regentschaft für die unmündigen Erben im albertinischen Kurfürstentum Sachsen aus. Die in der Landesbibliothek Coburg vorhandenen Bücher aus dem Vorbesitz Friedrich Wilhelms, die im Mittelpunkt der Ausstellung stehen, dürften im Erbgang über Altenburg nach Gotha gelangt sein und von dort unter Herzog Albrecht von Sachsen (*1648 in Gotha; †1699 in Coburg) nach Coburg. Albrecht war ein Sohn Herzog Ernsts I. von Sachsen (des Frommen) (*1601 Altenburg; †1675 Gotha). Unter diesem waren die ernestinischen Gebiete (inkl. Coburg) nochmals weitestgehend vereinigt. Er residierte in Gotha und ist der Erbauer von Schloss Friedenstein. Bei der Erbteilung unter seinen sieben Söhnen bekam der zweite Sohn Albrecht Coburg. Zum Erbe gehörten auch Teile der in Gotha überlieferten ernestinischen Büchersammlungen. Silvia Pfister Vgl. auch Gehrt, Daniel: Die religiöse Erziehung Herzog Friedrich Wilhelms von Sachsen-Weimar im Spiegel seiner Bibliothek. In: Zeitschrift für thüringische Geschichte 67(2013) S. 75-115. Redaktionelle Anmerkung Mit der Hälfte der beschriebenen Einbände hat Matthias Hageböck den größten Anteil an dieser Broschüre. Die übrigen Beschreibungen wurden von Angelika Pabel, Andreas Wittenberg und Thomas Klaus Jacob angefertigt. Die Redaktion lag in den Händen von Ninon Suckow. Die hier vorgestellten Bände wurden beim Vorbereitungstreffen für die Tagung vor Ort in Coburg von den Mitgliedern der Geschäftsführung des AEB ausgewählt. Im Laufe der Vorbereitung der Ausstellung durch die Coburger Kollegen kamen weitere Bände hinzu, die nicht für die Broschüre berücksichtigt werden konnten. Sie sind in der Liste der weiteren ausgestellten Bände am Ende der Broschüre nachgewiesen. Ebenso die Einleitungstexte zu den einzelnen Vitrinen. Diese wurden uns von Silvia Pfister und Ihren Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Vitrine 1 Vitrine 1.1 Claudianus, Claudius: Cl. Clavdiani Poetae Celeberrimi Opera. Lyon: Gryphius, 1561. 16 Sign. Cas A 197 Sächsischer Platteneinband, um 1561 Werkstatt bisher nicht zu identifizieren Provenienz: Geschenk von Johann Gottlieb Caspar Faccius, Diakon in Meeder bei Coburg (1731–1792) an die Bibliotheca Casimiriana 1786; Peter Carl Vinckher, Wien. Offenbar von einem der Vorbesitzer bereits gebunden gekauft (Preisangabe „18 Kreutzer“ im Vorderdeckel) Schweinsleder über Holz mit blindgeprägten Platten und Rollen. Auf beiden Deckeln umlaufende Rolle Männerköpfe in Medaillons. Auf den Deckeln jeweils Mittelplatte: vorn Kurfürst Johann von Sachsen (1468-1539) sitzend mit Kurschwert und Wappentafel Kursachsen, hinten Herzog Georg von Sachsen (1471-1539) im Profil mit Drahthaube und Pelzkragen mit Allianzwappen (?) Sachsen-(Polen?). Georg war seit 1496 mit Barbara, der Tochter des polnischen Königs Kasimir IV., verheiratet. Nach ihrem Tod 1534 ließ er sich einen Bart wachsen, wonach er den Beinamen „der Bärtige“ erhielt. Das Porträt stellt ihn also vorher dar. Literatur: Erdmann S. 48. – Gewand des Buches Abb. 82. - Vgl. die beiden Porträts auf dem Guldengroschen Annaberg ca. 1525-1528. Vitrine 1.2 Melanchthon, Philipp: Syntaxis Olim A Philippo Melanthone collecta nunc locupletata, ut sit ad usum scholarum accomo- datior. Wittenberg: Josef Klug, 1538. 8° VD16 M 4266 Sign. Cas A 531 Brauner Kalbslederband auf Holzdeckeln, wohl 1555 Werkstatt bisher nicht zu identifizieren Provenienz: Herzog Johann Friedrich II. (der Mittlere) von Sachsen (1529-1595) Die auf den VD und HD geprägten Wappensupralibros zeigen das Allianzwappen Kurfürstentum Sachsen/Herzogtum Jülich-Kleve- Berg. Der Band war ein Geschenk der Eltern, Kurfürst Johann Friedrich I. und Kurfürstin Sibylle, geborene Herzogin von Jülich- Kleve-Berg, an ihren damals 9 Jahre alten Sohn Johann Friedrich II. (der Mittlere). Auf dem Vorderdeckel sind SYNTAXIS LATINA als Hinweis auf den Inhalt, oben die Initialen des Geschenkempfängers H<erzog> H<ans> F<riedrich> und unten das Erscheinungsjahr des Druckes 1538 geprägt. „L 99“ oben auf dem Schnitt ist die Signatur der ersten Bibliothek von Johann Friedrich dem Mittleren. Am Band sind zwei mit Gravuren verzierte Hakenverschlüsse aus Metall mit Lederriemenbefestigung, gehalten von jeweils zweifach befestigten Gegenblechen, sowie die ebenfalls verzierten Lager mit Stift am Rand des Buchdeckels erhalten. Der Rücken besitzt drei Bünde und hat keine Beschriftung. Literatur: Adler S. 27. – Erdmann S. 44. Vitrine 1.3 Sammelband von fünf Drucken mit deutschen Texten von Martin Bucer, VD16 B 8953; Philipp Melanchthon, VD16 M 4139 u. VD16 M 4200; Johannes Spretter, VD16 S 8396; Johannes Geiler von Kaysersberg, VD 16 G 795. Gedruckt 1543 in Wittenberg u. in der Schweiz. Sign. Cas A 520 Ledereinband mit Plattenprägung, 1544 Für Kurfürstin Sybille von Sachsen (1512-1554) Werkstatt: Adolar Baldershain, Leipzig (?) Provenienz: Herzog Albrecht von Sachsen-Coburg (1648- 1699) (Exlibris) Auf dem VD ist die nach links schauende Halbfigur der Kurfürstin Sibylle von Sachsen das zentrale Schmuckelement. Die über der Platte geprägten Initialen „AMHVTZG“ weisen auf ihren Wahlspruch hin: „All Mein Hoffen Und Trost Zu Gott“. Den HD schmückt eine Darstellung der