Vorabveröffentlichung Die Macht Der Worte. Ist Die Hypermoral Die Leit
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Aufklärung und Kritik Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie Herausgegeben von der Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg Mitherausgeber: Prof. Dr. Hans Albert (Heidelberg) Prof. Dr. Gerhard Besier (Dresden) Vorabveröffentlichung Prof. Dr. Dieter Birnbacher (Düsseldorf) Dr. Gerhard Czermak (Friedberg/Bay) Dr. Edgar Dahl (Gießen) Dr. Gerhard Engel (Hildesheim) Dr. Bruno Heidlberger Prof. Dr. Dagmar Fenner (Basel) Prof. Dr. Lothar Fritze (Chemnitz) Die Macht der Worte. Dr. Horst Groschopp (Zwickau) Prof. Dr. Rainer Hegselmann (Bayreuth) Ist die Hypermoral die Leit- Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf (Würzburg) ideologie unserer Zeit? Prof. Dr. Dr. Norbert Hoerster (Reichenberg) Dr. Dr. Joachim Kahl (Marburg) Anmerkungen zur neurechten Metapolitik Prof. Dr. Wulf Kellerwessel (Aachen) Prof. Dr. Mark Lindley (Boston) Prof. Dr. Rudolf Lüthe (Aachen) Ludwig A. Minelli (Forch-Zürich) Dr. Martin Morgenstern (St. Wendel) Prof. Dr. Hubertus Mynarek (Odernheim) Dr. Hans-Joachim Niemann (Poxdorf) Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber (Brühl) Dr. Werner Raupp (Hohenstein) Dr. Dominik Riedo (Bern) Prof. Dr. Thomas Rießinger (Bensheim) Prof. Dr. Hans-Martin Sass ( Washington DC/ USA) Prof. Dr. Hermann J. Schmidt (Dortmund) Dr. Michael Schmidt-Salomon (Trier) Prof. Dr. Harald Seubert (Basel) Prof. Dr. Peter Singer (Princeton) Prof. Dr. Anton Szanya (Wien) Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer (Freiburg) 2020 ISSN 0945-6627 Dr. Robert Zimmer (Stuttgart) 1 Vorabdruckfür die Internetpublikation, Nürnberg, Februar 2020. Der vorliegende Text wird in gedruckter Fassung in der Juli-Ausgabe 3/2020 der Zeitschrift Aufklärung & Kritik erscheinen, die von der Gesellschaft für Kritische Philosophie (GKP) herausgege- ben wird. Layout: Redaktion „Aufklärung & Kritik“ Copyright: Der Text und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfälti- gungen, Übersetzungen sowie die Verarbeitung in elektronischen Systemen. 2 Dr. Bruno Heidlberger (Berlin) Die Macht der Worte. Ist die Hypermoral die Leitideologie unserer Zeit? Anmerkungen zur neurechten Metapolitik „Von links verachtet, von rechts verhöhnt: ten erklärt. 4 Robert Habeck ein weltfrem- Die urbane Akademikerklasse ist der neue der Hypermoralist und abgehobener Kos- Lieblingsfeind der Gegenwart“, notierte mopolit? Sind die Klimaaktivisten, Femi- Adam Soboczysnki in der Zeit vom nisten und Umweltschützer alles „virtue 15. November 2018. Die Dämonisierung signallers“, also Tugendprotzer, die den der an der Globalisierung partizipierenden anderen die Kosten ihrer Politik aufzwin- urbanen, akademischen und nicht mehr gen wollen? Haben die Kritiker recht oder nationalgebundenen Mittelschicht hat An- geht es ihnen nur um die Diffamierung und hänger links wie rechts. Der Vorwurf: Der Herabsetzung des politischen Gegners oder „linksliberale Moralismus“ sei weltfremd. um mehr? Steckt dahinter Methode? In Er vergifte in seiner Hysterie die politische dem Beitrag von Bruno Heidlberger wird Diskussion. „Realismus“ sei, so der 30jäh- ausgehend von Robert Habecks Vorschlag, rige-Grundsatzreferent der SPD und Au- 4000 Flüchtlingskinder aufzunehmen, ins- tor Nils Heisterhagen, „in Teilen der Links- besondere den metapolitischen Verwirr- liberalen, nicht gewünscht“. 1 Für die Darm - spielen und Zielen der Neuen Rechten und städter Soziologien Cornelia Koppetsch ihrer Erfolge, wie auch kürzlich in Erfurt, sei ein „Großteil der Linken […] Wegbe- genauer auf den Grund gegangen. reiter der herrschenden Verhältnisse in ei- ner sich globalisierenden Gesellschaft“, 2 Unmenschliche Zustände für Flücht- denn liberale Werte und soziale Ungleich- linge auf griechischen Inseln heit seien zwei Seiten derselben Medaille, Robert Habeck und die Menschenrechts- eine Sichtweise, die Koppetsch mit den beauftrage der Bundesregierung, Bärbel nationalistischen Linken und Rechten teilt. Kofler, wollen nicht mehr wegschauen. Sie Die moralisch verfeinerten Kosmopoliten schlagen kurz vor Weihnachten 2019 vor, in den bunten Stadtvierteln praktizierten 4000 unbegleitete minderjährige Kinder eine Doppelmoral und würden die sozia- und Jugendliche aus völlig überfüllten grie- len Konflikte, die sie selbst mitverantwor- chischen Flüchtlingslagern nach Deutsch- teten, verdrängen. Koppetsch bezeichnet land zu holen. Da sei schnelle Hilfe ein „Ge - die akademische Mittelschicht , das Wäh- bot der Humanität“. „Was sie zur Flucht lermilieu der Grünen, gar als „Mittäter“ 3 bewegt, ist schlimmer als das, was sie in des Neoliberalismus und setzt sich mit den Lagern erdulden“ müssten, sagt Kof- Alexander Gauland und Sahra Wagen- ler. Europa dürfe Griechenland nicht al- knecht ungewollt in ein Boot, wenn sie lein lassen. Statt konstruktiv über Habecks „die“ Kosmopoliten en passant als Hy- Vorschlag zu diskutieren folgt eine heuch- permoralisten verurteilt und zu Sünden- lerische Empörungswelle gepaart mit ei- böcken für die neoliberale Entwicklung und ner medialen propagandistischen Kraft- zu Wegbereitern für die Rechtsnationalis- meierei vom rechten Rand. So wurde Ha- 3 beck seine Intervention als „PR-Aktion Alltag, besonders gegen Frauen und Kin- kurz vor Weihnachten“ (FDP-Generalse- der. So leben im Lager Vathy auf der In- kretärin Teuteberg) als „ein nicht hilfrei- sel Samos mit 3147 Einwohnern zurzeit cher Vorschlag zu einem durchschauba- etwa 7500 Flüchtlinge, darunter viele Min- ren Zeitpunkt“ und als „unredliche Poli- derjährige. Angelegt ist es für 648 Bewoh- tik“ (Horst Seehofer) vorgehalten und von ner. Zudem gebe „es offensichtlich die CDU/CSU und FDP schroff abgelehnt. Anweisung aus dem Bundesinnenministe- Kultivierter Stil ist das nicht. „Wir müs- rium (BMI) an das BAMF, die gestellten sen direkt auf den griechischen Inseln ent- Übernahmeersuchen zunehmend restrik- scheiden, ob jemand in Europa bleiben tiv zu prüfen“. Die humanitäre Notsituati- darf oder nicht“, sprang der Fraktions- on in Griechenland sei „also weder neu“, vorsitzende der Christdemokraten im Eu- noch komme sie „überraschend: Sie ist ropaparlament und stellvertretende CSU- hausgemacht und politisch offenbar ge- Vorsitzende Manfred Weber dem Innen- wollt“. 7 Ärzte ohne Grenzen erklärte mit minister zur Seite. Er unterstütze „voll den Blick auf die Zustände in Moria auf Twit- Kurs der Solidarität“ von Innenminister ter: „Keiner dieser Menschen sollte hier Horst Seehofer (CSU), „aber wir brau- sein – vor allem die Kinder.“ Ein Viertel chen auch Klarheit an der Grenze“. 5 Dies der Kinder seien suizidgefährdet. Seit Jah- erfordert jedoch die Reform des europäi- ren wird zur Bearbeitung der Asylanträge schen Asylsystems. Der CDU-Bundes- mehr Personal gefordert. „Generalstreik tagsabgeordnete Christoph de Vries sag- auf Lesbos, Chios und Samos“, heißt es te, Habecks Forderungen würden „weder zwei Monate später in den Nachrichten. europäischem Recht noch der gesellschaft - „Das können wir nur europäisch lösen“, lichen Stimmung in Deutschland gerecht“. hört man jetzt von denen, die sonst, was Das Problem müsse, so der allgemeine die EU betrifft, zurückhaltend bis ableh- Tenor, auf europäischer Eben gelöst wer- nend waren. Nun geschieht erstmal nichts, den, wohl wissend, dass das in absehba- weil offenbar nichts geschehen darf, ganz rer Zeit unmöglich ist. FDP und Union len- im Sinne von Alexander Gaulands Motto ken mit der abermaligen Forderung nach „Wir wollen es gar nicht schaffen“, und gesamteuropäischen Lösungen eher von dies, obgleich drei Ministerpräsidenten der Realität ab. Markus Frohnmaier (AfD), ihre Hilfsbereitschaft erklärten. Ist das der wirft Habeck vor, sein Vorschlag provo- erwünschte Realismus oder nur fehlender ziere „eine Wiederholung des Migranten- Mut? Unterstützung erhielt Habeck auch ansturms von 2015“. Signal einer solchen vom Staatsminister im Auswärtigen Amts, Politik wäre, „dass man es als Migrant nur Michael Roth (SPD), der bereits seit ei- nach Griechenland schaffen“ müsse, um nem Jahr für eine solche humanitäre Lö- in den deutschen Sozialstaat geholt zu sung plädierte, von Pro Asyl, dem nieder- werden. 6 sächsische Innenminister Boris Pistorius Die „Zustände in den griechischen La- von der SPD; auch die Kirchen signali- gern“, berichtet Pro Asyl, seien nun „seit sierten Unterstützung. Auch das Ober- über vier Jahren unverändert katastro- haupt von 1,3 Mrd. Katholiken erinnerte phal“. Sie ähnelten einem Gefängnis un- in seiner Weihnachtsbotschaft auf dem ter freiem Himmel. Gewalt gehört zum Petersplatz in Rom ausdrücklich an das 4 Leid der Flüchtlinge. 8 Richtig ist, in der Die Vorgabe des Chefreporters der Welt, Migrationspolitik braucht es eine europäi- Ansgar Graw, wurde umgehend von Ci- sche Lösung, wir dürfen aber Griechen- cero, dem „Magazin mit konservativer land und die Kinder, nicht alleine lassen. Ausrichtung“, dankend aufgenommen. Es Die Zeit des Fingerpointings ist vorbei. kommentierte Habecks Vorstoß als „Traum - Man stelle sich solche Verhältnisse in tänzerei mit Traumatisierten“, während die Deutschland vor! Anzustreben wäre eine Junge Freiheit (JF), das „Sprachrohr der Koalition der Willigen, wie dies auch Ha- Neuen Rechten“, ihm „politischen Kindes- beck fordert. Wichtig wäre, dass nur sol- missbrauch“ in „moralischer Superhelden- che Kinder nach Deutschland kommen, Attitüde“ unterstellte. Und weiter: „Wer die einen begründeten Anspruch auf Fa- Bilder von leidenden Kindern benutzt, um milienzusammenführung haben. den moralischen Reflex anderen aufzu- zwingen und die Allgemeinheit dafür in Robert Habeck ein Hypermoralist