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VERÖFFENTLICHUNGEN DER LANDESBIBLIOTHEK Heft 2 ______

Dr. Herbert Motschmann

Gothaer Rechtsaltertümer

LANDESBIBLIOTHEK GOTHA

1956

Sonderdruck aus >>Der Friedenstein<<. Monatsblätter des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, Kreisverband Gotha November 1955 - März 1956

Einbandentwurf: Katharina Wirtz

Druck: Druckerei >>August Bebel<< Gotha

504 WV61-10 NL Re 1602 56

Vorbemerkungen

"Recht" nennen wir die Summe der aner- Auf dem langen Wege des ständigen Werdens kannten Regeln, mit denen das Zusammen- und Vergehens hinterläßt das Recht manche leben der menschlichen Gesellschaft geordnet Spuren, die uns erhalten geblieben sind und ist (Recht in objektivem Sinn = Rechtsord- als "Rechtsaltertümer" bezeichnet werden. Aus nung)1). Als "Recht" bezeichnen wir aber auch alten Urkunden und Aufzeichnungen, Gegen- die Befugnisse, die nach dieser Ordnung ständen, Sprichwörtern und Bräuchen, ja einem einzelnen oder einer Gemeinschaft selbst aus Worten unserer täglichen zustehen (Recht in subjektivem Sinn - Umgangssprache können wir so ein Bild über Berechtigung). Ereignisse und Anschauungen in der

Dieses Recht begleitet die Menschheit auf dem Vergangenheit der menschlichen Gesellschaft ganzen Wege ihrer Entwicklung und ist dabei gewinnen, das zuverlässiger ist als irgendein auch selbst einem ständigen Wandel anderes Zeugnis der menschlichen Kultur. Das unterworfen. Denn es gilt uns nur als Ergebnis gilt besonders von dem reichen Schatz an der jeweiligen ökonomischen Verhältnisse mit Symbolen, mit denen sich die Menschen seit der politischen Aufgabe, die Macht der jeweils den frühesten Stufen der Entwicklung gerade herrschenden Klasse und die Ausbeutung der auf dem Gebiet des Rechts die sinnliche unterdrückten Klassen zu gewährleisten²). Vorstellung oder wenigstens Erfaßbarkeit des Daraus erklärt sich, dass Rechte veralten und Ungegenständlichen (Abstrakten) erleichtert von neuen Rechten abgelöst werden. Oft tritt haben, z. B. Fahnen, Krone, Schwert, Kreuz, Hammer, Hand- und Fingerzeichen usw. das neue Recht zunächst im Gewande des Unrechts auf, das aber in Wirklichkeit schon Solchen Rechtsaltertümem nachzugehen, ist die Elemente des Rechts einer neuen die Aufgabe dieser Zeilen, und zwar ökonomischen Stufe in sich trägt. So gesehen beschränkt auf die Bestände von Stadt und geht uns auch der tiefe Sinn des Goethewortes Landkreis Gotha, und auch hier nur in einer auf. Mit dem er sich gegen die qualvolle Auswahl des Wesentlichen. Mögen sie zum Fortdauer überlebter Rechte wendet und jeder Verständnis des Weltbildes der Gegenwart Generation ihr eigenes Recht wünscht: beitragen und gleichzeitig ein Anlaß sein, bisher noch Unbekanntes zu erfahren, so daß Es erben sich Gesetz und Rechte vermutete Zusammenhänge bestätigt oder Wie eine ew’ge Krankheit fort, widerlegt und die mancherlei Lücken unseres Sie schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte Wissens sinnvoll und zuverlässig geschlossen Und rücken sacht von Ort zu Ort. werden können.

Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage, Weh Dir, dass du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, Von dem ist leider nie die Frage

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Vor- und Frühgeschichte

Für die vor- und frühgeschichtliche Zeit sind wir auf die Vor- und Frühzeit rückbeziehen wir im wesentlichen auf Bodenfunde oder können, sind an Zahl gering und dazu noch Rückschlüsse aus bodenständigen Über- meist umstritten. Um so mehr Aufmerksamkeit lieferungen späterer Zeiten angewiesen. Was müssen wir dem Wenigen schenken, das uns die römischen Schriftsteller für viele erhalten ist. germanische Stämme geschildert haben, ist für Im Vordergrund der vorgeschichtlichen Fund- das Rechtsleben unserer Heimat stumm. Es stücke steht ein schnurkeramischer Stein- einfach auf uns zu übertragen, ist bedenklich, hammer, der bei (Lehmgrube) hatten doch zu dieser Zeit die einzelnen ausgeackert wurde (Abb.1)3). Die außerge- germanischen Stämme schon eine mehr als wöhnlich feine Arbeit aus dem 3. vorchrist- tausendjährige getrennte Entwicklung lichen Jahrtausend, seine geradezu künst-

Abb. 1. Sonneborner Steinhammer. (Im Besitz des Heimatmuseums Gotha) hinter sich (wenn auch zuzugeben ist, daß lerische Linienführung und andere Kenn- damals gerade die Rechtsentwicldung nur zeichen schließen seine Verwendung als langsam fortschritt, also auch nach Jahr- Gebrauchswerkzeug aus. Wir haben es hier hunderten noch Gemeinsamkeiten bestehen offenbar mit einem Symbol irgendwelcher konnten). Dieselbe Vorsicht ist gegen den Würde zu tun, wobei dem Hammer ja gerade Versuch angebracht, das Rechtsleben unserer eine besondere Bedeutung zukommt 4). Heimat aus den Erzählungen der Island- Beugten sich die Völker der Urzeit noch den germanen zu erschließen: denn auch von Naturgewalten als übersinnlichen Mächten, so diesen trennen uns Jahrtausende unter- sehen wir im Hammer schon ein Zeugnis schiedlicher Entwicklung. Die Zahl unserer späterer Entwicklung: Die Naturgewalt ist Bodenfunde, die wir als Rechtsaltertümer personifiziert (vergöttlicht), ihr Wirken ist ansprechen können, ist denkbar bescheiden. symbolisiert. Dieser religionsgeschichtliche Und auch die Rechtsbräuche und -wörter, die Stand ist für die jüngere Steinzeit, mit der wir es bei dem

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Sonneborner Hammer zu tun haben, gesichert daß die Schnur-keramiker die Träger des und nahezu allgemein anerkannt'1). Der einwandernden Asenglaubens and somit einer Hammer ist also zu dieser Zeit bereits Symbol vaterrechtlichen Gesittung waren. Dazu paßt, der Rechtsfestigung und wurde dem daß wir sie schon in unserem Siedlungsgebiet Kultbereich des Donnergottes (Donnerkeil!) nur wenig seßhaft, meist mit Kriegszügen und zugeschrieben. Und noch heute sprechen wir Waffen beschäftigt finden. Gleichzeitig lernen von der "Beschlag"nahme, wenn ein Grund- wir aber auch, daß das Mutterrecht entgegen stück "unter den Hammer" kommt, und vom der bisherigen wissenschaftlichen Ansicht, "Zuschlag", den der Bieter bekommt. nicht eine primitive Rechtsstufe ist, die von

Der Sonneborner Hammer verrät uns aber dem angeblich höher stehenden Vaterrecht bei noch mehr. Er läßt vermuten, daß diese jedem Volke im Gange seiner Entwicklung Siedler damals Bauern waren, denn unter abgelöst wird; vielmehr haben beide Recht- diesen hat sich der Donnergott (Donar-Thor) kulturen ihre ebenbürtigen Werte und sind für mit seinem Hammer als besonderer ihre Träger offenbar ursprünglich und typisch, Lieblingsgott des bäuerlichen Zutrauens d. h. sie lösen sich nur ab, wenn sich auch die entwickelt. Der Hammer lenkt uns aber noch Völker ablösen 6). Da das Recht aber nur eine auf eine besondere Bedeutung, die vielleicht Funktion der jeweiligen ökonomischen gerade den Schnurkeramikern in der Verhältnisse und ein Instrument der Macht in Rechtsentwicklung zukommt. Wir sehen heute der Hand der herrschenden Klasse ist, müssen in ihnen jenes Volk, das im 3. vorchristlidien wertvolle Rückschlüsse aus den Rechtsvor- Jahrtausend aus unserem Siedlungsgebiet stellungen der beiden Kulturkreise und aus nach Norden abwanderte und nach Kampf und ihrer Überlagerung im urgermanischen Aussöhnung mit den dort ansässigen Siedlungsraum auf die ökonomische Struktur "Großsteingräberleuten" zum Ursprung der jener Zeiten und ihre gesellschaftlichen Urgermanen geworden ist. Wir nehmen an, in Verhältnisse möglich sein, die unser Wissen der germanischen Sage vom Kampf der Asen- wesentlich bereichern könnten. mit den Wanengöttern und ihrem Ausgleich In diesem Zusammenhang sei der Versuch eine letzte kultische Erinnerung an dies kurz gestreift, die Rechtswörter der Geschehnis finden zu dürfen. Diese verschiedenen germanischen Stammes- Bewahrung ist aber zugleich auch rechtsalter- sprachen späterer Jahrhunderte zu tümlich von Bedeutung: Waren doch die vergleichen und daraus auf urgermanische Asengötter - und damit auch das Volk, das sie Gemeinsamkeiten zu schließen. Ergebnisse verehrte - typische Vertreter einer vaterrecht- dieser Arbeit sind uns bisher nicht bekannt lich gebundenen Gemeinschaft, während die geworden. Sage den Wanengöttern ebenso typische Nach der Abwanderung der Schnurkeramiker Kennzeichen einer mutterrechtlichen ist unser Gebiet für Rechtsaltertümer stumm Gemeinschaft (Fruchtbarkeitskult, bis zur Rückkehr der Germanen in den letzten Geschwisterehe usw.) zuschreibt. Nun wissen vorchristlichen Jahrhunderten. Und diese wir aber gerade vom Asengotte Thor, daß sich Zeit ist es dann auch, die sich mit der sein Hammerkult von Südschweden allmählich Geschichte Gothas erstmalig zuverlässig nach Norden bewegte und dort den Kult des verbindet. Zwar wird Gotha erst in einer bodenständigen Wanengottes Freyr fränkischen Königsurkunde vom 25.10.775 überlagerte und verdrängte. Dies und noch zum ersten Male genannt 7), aber der Ort andere Tatsachen führen zu dem Schluß,

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Abb. 2. Aus der Heidelberger Sachsenspiegel-Handschrift. Obere Leiste: Thüringer Edelinge werden von den Sachsen hingerichtet, ihren Grundbesitz erhalten die Bauern.

und sein Name sind wesentlich älter als dies dem Hersfelder Kloster geschenkt. Ein solcher Dokument. Wir lesen dort nämlich, daß Hof, dessen unmittelbarer Ertrag an Vieh und "Gothaha" ein fränkisches Königsgut mit Land, Feldfrüchten gar nicht für die eigene königliche Wald und Wiesen war, und wenige Jahrzehnte Hofhaltung bestimmt ist, und noch dazu weit später zählt eine andere Urkunde 8) nicht außerhalb der fränkischen Stammlande des weniger als 6 Hufen mit 6 Höfen als Schenk- Königs, muß anderen Ursachen sein Ent- ungsbesitz des Klosters Hersfeld in Gothaho stehen verdanken als dem nahrungsmäßigen (Ablativ!) auf. Gotha war also damals schon Eigenbedarf des königlichen Hofes. Wir gehen eine bedeutende Siedlung ziemlichen Umfangs wohl kaum fehl in der Annahme, daß dieser - mindestens 180 Morgen ohne den Königshof Hof durch Eroberung als zusätz-licher Besitz in - und wird also auch eine entsprechend lange Königshand gekommen sein dürfte, und und bedeutungsvolle Entwicklung hinter sich datieren diese Eroberung vermutlich richtig auf gehabt haben, die es zu erschließen gilt. die Jahre 531 bis 533, in denen der Franken-

Wie die Urkunde von 775 zeigt, war das könig nach seinem gewonnenen Krieg gegen Königsgut als Pachthof gegen Zins in fremder die Thüringer den Grundbesitz der Thüringer Hand, der Zinsertrag wird in der Urkunde Edelinge (und vermutlich auch

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diese selbst) liquidierte. Wir besitzen eine Gegen die Besiedlung erst in fränkischer Zeit drastische Darstellung aus späterer Zeit (Abb. sprechen aber noch weitere gewichtige 2), die uns die gewaltige Umschichtung der Gründe. So ist zunächst die außerordentliche Besitzverhältnisse nach jenem Krieg Siedlungsdichte unseres Kreisgebiets in veranschaulicht: die sächsischen Verbündeten vorgeschichtlicher Zeit ebenso bemerkenswert des Frankenkönigs, denen nach dem Siege die wie die starke Kontinuitat (Ortsbeharrlichkeit) Nordthüringer Landschaft zufiel, schlagen dort der Siedlungen. Von den etwa 120 früheren den Thüringer Edelingen Hand und Kopf und jetzigen, mit Namen bekannten ab und verteilen ihr Land an die bisher unter- Siedlungen sind 15 bis zum Jahre 800, weitere drückten Bauern. Die Franken werden in 9 bis zum Jahre 900 urkundlich erwähnt. Viele Südthüringen nicht viel anders verfahren sein, andere sind durch Bodenfunde als und hierbei dürfte auch der Gutshof Gothaha vorgeschichtlich gesichert. Nahezu alle in fränkische Königshand gekommen und dort Ortschaften unseres Kreises dürften daher verblieben sein, freilich nicht für den Eigen- bereits in vor- und frühgeschichtlicher Zeit bedarf des Herrscherhauses, sondern als bestanden haben; es ist unwahrscheinlich, daß zehntpflichtige Begabung an einen gerade Gotha eine Ausnahme machen landsässigen Bauern oder sonstigen Anhänger soll 12). Außerdem lassen Bodenfunde aus der des neuen fränkischen Herrscherhauses. Wer Latènezeit (1. bis 5. vorchristliches die Ansicht teilt, daß damals der Groß- Jahrhundert) am Ostabhang des grundbesitz unserer Heimat in der Hand Arnoldiplatzes - Nähe Haus Dr. Brehm - die anglischer Edelinge war, die knapp drei Besiedlung dieser Ortslage in frühester Zeit Jahrhunderte vorher als Eroberer ins Land vermuten. Zu gleichen Ergebnissen kommen gekommen waren und die angesessenen wir, wenn wir den Namen Goth - aha richtig als Bauern verdrängten 9), kann den Faden noch den Namen des Wasserlaufs erkennen, an weiter rückwärts spinnen und eine dem die Siedlung einst angelegt wurde. Dieser Existenz der Siedlung Gothaha schon für die Siedlungsbach ist zweifellos unser voranglische, also hermundurische Zeit Wiegwasser, dessen heutiger Name nicht alt erschließen. ist und das aus dem Flurteil kommt, der noch

Wir kommen damit zu anderen Ergebnissen heute "Goth" heißt 13). Die Übertragung des als die frühere Heimatforschung, die aus dem Wassernamens auf die Siedlung spricht aber fränkischen Königseigentum am Gothaer für ein hohes Alter des Vorgangs. Denn schon Edelhof auf eine fränkische Königsgründung in der Angelnzeit (3. bis 4. Jahrhundert) leitete schloß 10). Das wesentliche Argument ist man den Siedlungsnamen vom hierbei die geringe Größe der ersten Stadtflur Personennamen des (ersten?) Siedlers ab, ein (Gothfeld), die angeblich dafür spricht, daß hier bestimmt jüngerer Rechtsbrauch als die spät ein kleiner, übrig gebliebener Rest unpersönliche, nicht herrschaftsbedingte zwischen lauter bestehenden Ortschaften Benamung nach dem Siedlungsbach. Mit uns besiedelt wurde, also die letzte Siedlung in verlegt auch Schmidt-Ewald die Benamung der diesem Raume vorliegt. Ein Vergleich mit den Siedlung in die Hermundurenzeit; die Nachbarfluren Eschleben, Alschleben, Ost- Besiedlung selbst sieht Florschütz schon in der jüngeren Steinzeit als wahrscheinlich an 14). heim usw. zeigt aber, daß sie nicht wesentlich größer sind als das Gothfeld. Außerdem Es liegt jenseits der rechtsgeschichtlichen gehörte vielleicht schon von Anbeginn das Aufgaben dieser Arbeit, den Namen Lehmgrubenfeld und das Schlichtenfeld mit "Goth-aha" des Siedlungsbaches zur Siedlung Gothaha 11).

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zu klären. Die Endsilbe ist der althochdeutsche auf die erste Besiedlung geltend: dort war Name für Wasser und war bis ins 10. Jahr- genügend Wasser für die Mühle, ohne die ein hundert Bestandteil der Umgangssprache. Das Königshof undenkbar ist. Dort lag aber auch erschließt keine neuen Datierungsmöglich- das (spätere?) Hersdorf, wo sich der keiten. Die gelegentliche Wortform "Gothawe" Hersfelder Abt noch bis weit in die geschicht- läßt aufmerken. Sie wird von Beck 15) als liche Zeit den Zehnten abliefern ließ. Ein "gute Aue" gedeutet; wir denken eher an einen Zusammenhang mit den Schenkungen des 8. Anklang an das sprachältere "ahva" statt ahd. Jahrhunderts ist also nicht ganz von der Hand aha. Die Stammsilbe "Goth" ist bisher nicht zu weisen. Und schließlich müssen wir auch einwandfrei geklärt, sie hat bestimmt nichts mit damit rechnen, daß die erste Siedlung am den Goten zu tun. Ob sie "gut" bedeutet, Oberlauf des (früher viel wasserreicheren) scheint uns entgegen Schmidt-Ewald 16) doch Wiegwassers im Gothfeld, etwa bei den recht zweifelhaft. Nach einer ungesicherten Wagnerschen Scheunen gefunden wird, wo Worterklärung soll Goth soviel wie eine auf den Äckern bereits einige wenige vorge- Niederung bedeuten. Vielleicht führt der schichtliche Funde aufgelesen werden konnten Gleichklang mit dem benachbarten Wuth-aha (darunter ein Stück einer Handmühle). (Wutha) auf eine Spur, wobei auch der Hinweis Jedenfalls sind unsere Vorgeschichtler auf das gleichartige Namenspaar Gut-ach und überzeugt, daß noch Bodenfunde kommen Wut-ach im Schwarzwald erwähnt sei 17). werden, die auch diese Frage klären.

Aber auch des Umklanges von W in G etwa in Endgültig verlassen ist die alte Ansicht, daß Gutenswegen (Kr. Wolmirstedt) aus ahd. Gotha von einer Burg auf dem Schloßberg her Wuotansweg 18) sei gedacht wie der zuerst besiedelt worden sei. Weder Boden- Sprachgewohnheit der Langobarden, das funde noch Urkunden oder sonstige Möglich- anlautende W mit einem G-Vorschlag zu keiten deuten auf diesen wasserlosen Steil- sprechen 19). Hier findet der sprachforschende hügel. Insbesondere hat sich die Vermutung Heimatfreund noch ein reiches Feld der nicht bestätigt, daß hier eine vorgeschichtliche Tätigkeit. Wallburg (Fliehburg) gelegen habe, wie noch Ähnliche Schwierigkeiten wie die Zeit der Florschütz anzunehmen geneigt war 21). Doch ersten Siedlung bereitet auch die Suche nach darf man aus allgemeinen politischen und dem Ort. Weder Urkunden noch Bodenfunde topographischen Überlegungen gern ver- helfen uns bisher. Nur der Siedlungsname muten, daß die Frankenkönige an dieser weist deutlich auf den Wiegwassergrund. Aus strategisch bedeutsamen Stelle einen mili- topographischen Gründen und Siedlungs- tärischen Stützpunkt ihrer Macht errichteten, gewohnheiten (Abhang am Wasserlauf 20) der dann in geschichtlicher Zeit zusammen mit glaubt man, die erste Besiedlung auf die der gewachsenen Siedlung im Wiegwasser- Wolfgangswiese verlegen zu dürfen, ein früher grund zur bewußten Gründung einer quellenreiches Gelände etwa in der Gegend Neuanlage zwischen Burg und Altsiedlung unseres Stadtbades. Dort soll dann auch die geführt hat (sog. Doppelgründung 21**).

(erste christliche?) Kapelle der Siedlung - St. Wir haben nun noch der Gerichtsplätze zu Wolfgang - gestanden haben, die man ja in gedenken, die in unserem Kreis als Überreste Anlehnung an vorgeschichtliches Brauchtum vorgeschichtlicher Kult- und Thingstätten gern an oder über Quellen errichtete. Aber erhalten sind. Lange Zeit nahm man an, daß auch die Ortslage am Zusammenfluß von diese Plätze bei der Christianisierung bewußt Wiegwasser und Mühlgraben macht ihren herabgewürdigt wurden, indem Anspruch

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man sie zu Richtstätten ausersah. Heute wir Mühlenberg getrost als "Malberg" nehmen, wissen wir, daß das Strafrecht der Frühzeit im also den vorgeschichtlichen Thingplatz, der wesentlichen Selbsthilfe war und nur später Galgenhügel wurde; eine Mühle hat schwerste Verbrechen von der Gemeinschaft dort im äußersten Winkel der Dorfflur nie gesühnt wurden. Diese Sühne war ein gestanden. Wir sind ferner geneigt, kultischer Vorgang (Opfertod!), der feierlich Galgenplätze als Fortsetzung vor- und dem Gotte vollzogen wurde, dessen frühgeschichtlicher Kult- oder Opferstätten Kultbereich durch die Tat geschändet war. anzusehen, wenn sie mit einem "Diebstieg" (d. Ging es um den Windgott Wodan, wurde der i. Thiotstieg = Weg eines Aufgebots starker Rechtsbrecher gehängt, für den Donnergott Männer), auch Raben- oder Rammweg Donar-Thor wurde enthauptet, für den Son- verbunden sind, wie wir das aus Gotha,

Abb. 3. Gerichtshügel mit Linden bei Gotha-Kindleben

nengott gerädert und dem Gott der Hinterlist Sonneborn, Bufleben, Cobstädt, , und des Verrats, dem Feuergott Loki, wurde , vielleicht auch Tüttleben der Verbrecher verbrannt. Der Götterglaube kennen. Dabei ist der Gothaer Diebstieg noch wich dem Christentum, aber die Kult- oder eine besondere Merkwürdigkeit durch seine Thingstätte blieb nach wie vor der Ort für die Lange, die vom Galgenplatz am Galberg über Vollstreckung der Todesstrafe, auch nachdem die Goldbacher und Remstädter Straße, längst der Staat als Vollstrecker auftrat und der Wilden- und Mühlgraben (südlich der Gedanke an den Opfertod durch Vergeltung Ostheimer Mühle) bis in die Kindleber Flur und Abschreckung verdrängt war. Ein (Flurteil "Das Flürchen") ging und irgendwelche ausgezeichnetes Beispiel besaßen wir in dem Verbindungen mit dem Kindleber Gericht "Heimlichen Gericht" auf dem "Mühlenberg" vermuten laßt, das den Gothaern ja auch in südlich Herbsleben, das jetzt nicht mehr zu geschichtlicher Zeit bedeutungsvoll war. unserem Kreis gehört. Hier dürfen

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Auf den Versuch, vorgeschichtliche auf Notwehr und Selbsthilfe). Der Leser wird Gerichtssitze durch Namensdeutung in bemerkt haben, daß die Reimworte nahezu Hohenkirchen, Herrenhof, Mihila-, ausnahmslos bäuerliche Belänge regeln, also Metebach, Brüheim und Tüngeda zu offenbar aus einer Zeit stammen, in der das erschließen, sei nur zur Vollständigkeit Recht noch vom Bauerntum und seinen verwiesen. Wir teilen die Ansichten des Bedürfnissen geprägt wurde, d. i. vor dem 10. Verfassers bei dem bisher bekannten Material Jahrhundert. Von der besonderen Fähigkeit nicht 22). des frühgeschichtlichen Rechtes, Ungegen- ständliches sichtbar zu machen, zeugt ein Satz Ein Blick auf rechtlich bedeutsame Sprich- wie "Jemand den Stuhl vor die Tür setzen" als wörter, die in unserem Kreis gebräuchlich sind Erinnerung an einst übliche Formen, eine und auf die Frühgeschichte zurückbezogen Gemeinschaft drastisch aufzulösen. Hierhin werden können, möge diesen Abschnitt gehört auch der Hammer als sichtbares beschließen. "Wer zuerst kommt, malt zuerst" Instrument der Rechtsbestätigung, über den ist uns schon lange nicht mehr als Regel wir schon berichteten, aber auch der bewußt, die für die Reihenfolge des Handschlag als Angelöbnis der Vertragstreue Verhandelns auf dem Thingplatz ("Malberg") und das Erheben der Schwurhand mit gegeben war. Auch das "Mal" unserer Kinder Strecken der Schwurfinger beim Eid. Die Abb. beim Haschen oder Ballspiel ist nichts als ein 2 zeigt uns eine "Auflassung" von Grundbesitz letzter Rest der altgermanischen Freistatt. durch feierliche Übergabe eines Zweiges "Aller guten Dinge sind drei" bewahrt die (heute verloren bis auf das Sprichwort: "Auf Erinnerung an das einstige Recht des keinen grünen Zweig kommen", d. h. es nicht Beklagten, drei Thinge zu versäumen, ehe er zum Erwerb von eigenem Grund und Boden im vierten Thing auch abwesend verurteilt bringen). Damals wurden übrigens Urkunden werden konnte. Auch unser mißgünstiges Wort wirklich "aufgenommen" und unrichtige Urteile vom "Eideshelfer" hält eine Merkwürdigkeit des "aufgehoben"; wir brauchen heute nur noch die germanischen Strafverfahrens fest: damals Worte, ihre Bildkraft ist erloschen. Die gab es kein Zeugenverhör, der Beklagte handgreifliche Art, juristische Dinge zu bringen, bekannte sich zu seiner Tat oder er schwor sie wird aus zwei Redensarten erkennbar, die wir ab. Dieser Schwur galt aber nur, wenn er wiederholt in den Dörfern vor den Fahnerschen zusammen mit einer bestimmten Zahl von Höhen hörten: "Die Frau ißt das halbe Brot im Eideshelfern geleistet wurde (eine Art Haus" (Erinnerung an das alte Eheredit auf Leumundszeugen also, die nur der Halbpart der gesamten Habe) und "Man zieht Vertrauenswürdige, aber auch der Mächtige sich nicht aus, ehe man ins Bett geht" (als fand). Hierher gehören auch die Reimworte, Warnung vor Schenkungen an die Erben vor die sicherlich bis in frühgeschichtliche Zeiten dem Tode). Der aufmerksame Beobachter zurückreichen: Wer sät, mäht (Vorrecht der unserer ländlichen Sitten und Gebräuche wird Arbeit vor dem Besitz, vaterrechtliches sicher noch manches wissen oder auffinden, Kulturerbe); geschenktem Gaul sieht man nicht das nun erst für ihn Gestalt und Bedeutung ins Maul (keine Haftung für Fehler einer bekommt und ihm zeigt, wie stark das verschenkten Sache); eisern Vieh stirbt nie Vergangene in der Gegenwart wirkt, auch (Pachtvertrag mit Rückgabe von lebenden wenn es nahezu bis zur Unkenntlichkeit Inventar gleicher Art, Menge und Güte wie verblaßt ist. übernommen); Not kennt kein Gebot (Recht

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Die Zeit der Rechtsbücher (6.-14. Jahrhundert)

Mit dem Ende der Völkerwanderung lassen die Männer bewährt worden, so begegnen wir nun Historiker im 6. Jahrhundert auch für unsere den ersten schriftlichen Rechtsaltertümern, die Heimat die geschichtliche Zeit beginnen. An zu den bedeutendsten Kulturschöpfungen ihrer ihrem Anfang steht die Zerstörung des Zeit gehören: dem Thüringerrecht Karls des Thüringerreichs und seine Aufteilung an die Großen am Ende des 8. Jahrhunderts und fränkischen und sächsischen Sieger (531). dem Sachsenrecht (Sachsenspiegel) Anfang Grenze war die Unstrut, unser Gothaer Gebiet des 13. Jahrhunderts. Zeigt uns das kam daher zu Franken. Doch schon nach Thüringerrecht die gesellschaftlichen kaum 250 Jahren besetzten die Franken das Verhältnisse unserer Heimat in der Land ihrer ehemaligen sächsischen Frankenzeit, auf der Schwelle zwischen Bundesgenossen, und der Frankenkönig Karl Heidentum und Christentum, so erleben wir im der Große konnte bei seiner umfassenden Sachsenspiegel den Höhepunkt der Verwaltungsreform um 800 noch einmal das bodenständigen Weiterentwicklung unseres ganze ehemalige Thüringerreich vom Main bis Heimatrechtes, kurz bevor es durch den zur Letzlinger Heide (nördl. Magdeburg), von Einbruch des römischen Rechtes zersetzt und der Fulda-Weser bis zur Saale-Elbe in seiner in die Richtung des spätmittelalterlichen Monarchie vereinen. Seine Nachfolger waren Herrschaftsstaates und seiner kapitalistischen freilich dem Drängen ihrer hohen Staats- Entwicklung abgedrängt wurde. Dem beauftragten nach Macht und Selbständigkeit Sachsenspiegel schließt sich, bescheidener gerade in den vormals sächsischen und nach Umfang und Inhalt, unmittelbar unser thüringischen Gebieten an der Ostgrenze ihres erstes Gothaer Stadtrechtsbuch an, dessen Reiches auf die Dauer nicht gewachsen, zumal ältester Teil vermutlich noch ins 13. sich diese hohen Ämter im Zuge des Jahrhundert zurückreicht. Alle diese aufkommenden Lehnsrechtes vom Vater auf Aufzeichnungen sind keine Gesetze im den Sohn vererbten, also geradezu zur heutigen Sinne (angeordnetes Recht, Gründung einer "Hausmacht" der königlichen Rechtsbefehl), sondern lediglich Statthalter herausforderten 23). So konnte Niederschriften des vorhandenen, praktisch schließlich der Sachsenherzog Heinrich, bereits längst geübten Rechtes, wie es der dessen Vater schon das Herzogsamt über die Verfasser der Rechtsbücher vorfand und Sachsen und Thüringer in einer Hand vereinigt feststellte 24). hatte. im Jahre 919 die Franken in der Das Thüringerrecht (lex Angliorum et deutschen Königswürde ablösen. Mit ihm ging Werinorum hoc est Thuringorum - Gesetz der auch unsere Heimat (nördlich des Thüringer Angeln und Warnen oder Thüringer) ist nur Waldes, Grenzlinie: Rennstieg) endgültig aus klein im Verhältnis zu den gewaltigen dem Gebiet fränkischer Rechtsgestaltung zum Rechtsbüchern der fränkischen Stammländer). Sachsenrecht über, dem sie durch Jahr- Wir dürfen als Ergebnis scharfsinniger hunderte bis zum Erstehen gesamtdeutscher Diskussionen annehmen, daß dieses Buch Rechte verbunden blieb. gerade das Recht unserer Heimat wiedergibt, War das Recht der vor- und frühgeschicht- deren zahlreiche Siedlungen auf -leben den lichen Zeit in unserer Heimat nur durch breiten, südlichsten Ausläufer der anglischen mündliche Überlieferung rechtskundiger Einwanderung des 4. Jahrhunderts

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Abb. 4. Textseite aus dem Codex Gothanus des Sachsenspiegels. Original schwarze und rote Handschrift von 1381 auf Pergament in Großquart. (Im Besitz der Landesbibliothek Gotha)

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darstellen. Das Buch hat einen deutlich stiftet, dann aber auch für Schäden durch erkennbaren älteren Teil, in dem man das unglücklichen Zufall! Heidnisch ist das Recht Recht des alten, im 6. Jahrhundert zerstörten des Geschädigten, den vermutlichen Täter am Thüringerreichs sieht 26), und einen jüngeren Abschwören der Tat (mit Eideshelfern!) durch Teil mit der Rechtsentwicklung bis zu Karl dem die Herausforderung zum Zweikampf auf Großen, der das Buch 802 auf dem Aachener Leben und Tod zu hindern. Christlich ist die Reichstag bekanntgeben ließ. Die Sprache ist: Dämpfung der Blutrache zu einer bloßen lateinisch, nur wenige deutsche Worte des Verfolgungspflicht und der Ersatz der Rache Textes geben einen bescheidenen Einblick in selbst durch einen langen Tarif der Geldbußen das Sprachgut unserer Heimat. Ein Rätsel für alle nur denkbaren Schäden. So kostete bleibt, wie 270 Jahre nach der Vernichtung des der Totschlag eines Adligen 600 Schillinge, ein Thüringer Adels hier ein Recht niederge- freier Mann galt 200 Schillinge, ein Freige- schrieben wurde, das die Privilegien dieses lassener 80 und ein Unfreier 30 Schillinge - bei Adels klar herausarbeitet. War das nur Historie einem Preis von 3 1/2 Schilling für einen oder hatte es noch praktische Bedeutung? ausgewachsenen Ochsen. Das Erbrecht war Denn daß die Thüringer Herrenschicht auf den Mannesstamm beschränkt, erst nach liquidiert war, können wir auch dem Sachsen- fünf männlichen Erbgängen kamen die Töchter spiegel entnehmen, der im ehemaligen zum Zuge! Im jüngeren Teil lernen wir den Thüringen nur fränkische und sächsische gesteigerten Rechtsschutz der Frauen und der Herrengeschlechter kennt, Das kann auch gesellschaftswichtigen Gutshandwerker keine Frage des Zeitablaufs bis zum 13. kennen (Goldschmiede, Weber), auch werden Jahrhundert sein, denn derselbe Sachsen- wir in die ersten Anfänge der Geldwirtschaft spiegel zählt weiter sehr getreu auch noch die und des Steinbaus geführt. Eine wohlbedachte schwäbischen Herren und Nachkommen jener Staatsverwaltung ist jetzt vorhanden; der Graf Einwanderer auf, die 568 im Sachsenland ist als königlicher Beamter der oberste angesiedelt. wurden, als ein Teil der Sachsen Statthalter seines Herrn, oberster Richter und mit den Langobarden die Heimat verlassen oberster Heerführer in seinem Bezirk 28). Im hatte und nach Italien gezogen war 27). ganzen ist es also ein rauhes, durch christliche

Jedenfalls zeigt uns das Rechtsbuch der Vorstellungen etwas gemildertes Bauernrecht Thüringer ein ausgeprägtes Dreiklassensystem einer despotischen Demokratie, das uns einen der Bevölkerung, deren Recht vom Lebensstil tiefen Einblick in Leben und Treiben jener Zeit gestattet. der freien Bauern bestimmt wird. Über ihnen erhebt sich, durch Großgrundbesitz fundiert, Der Sachsenspiegel zeigt uns dieselbe Welt der Adel mit doppeltem und dreifachem fünf Jahrhunderte später. Noch finden wir in Rechtsschutz. Auf der anderen Seite steht die ihm eine ganze Reihe von Bestimmungen des große Menge der Unfreien (Gutshandwerker alten Thüringer Rechts. Aber neben den und Gesinde), deren Recht zwischen Haustier Bauern ist der Städter getreten, neben die und Kleinkind pendelt. Sie sind nahezu recht- Landwirtschaft das selbständige Gewerbe und los und der Güte und Einsicht ihrer Herren der Kaufmannsstand. Die Geldwirtschaft hat ausgeliefert. Dazwischen bewegt sich die sich durchgesetzt. Die alten Unfreiheiten Klasse der Freigelassenen, die aber erst in der sind beseitigt, an ihre Stelle ist ein System dritten Generation als Vollfreie anerkannt gegenseitiger Abhängigkeiten und Unter- werden. Heidnisch ist der Grundsatz, für eine ordnungen getreten, dessen Fesseln nicht Tat nur einzustehen, wenn sie Schaden

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spürbar gewesen sein müssen. Die Zahl der hier bewährt unsere Landesbibliothek zwei Rechtssätze ist vervielfacht, kaum ein Gebiet wertvolle Handschriften. Die erste stammt von des Lebens ist ohne maßgebliche Ordnung. 1534 und enthält außer einer Abschrift des Die ungewöhnliche Autorität dieses Rechts- Stadtrechts auch noch die Abschrift seiner buchs, das in der ersten Hälfte des 13. landesherrlichen "Reformation" von 1488 Jahrhunderts im Tätigkeitsgebiet der (Codex G I). Sonderbarerweise fehlen ihr aber Magdeburger Schöffen entstanden und von alle strafrechtlichen Bestimmungen des alten Eike von Repkow zunächst lateinisch, dann Gothaer Rechtes, offenbar mit Rücksicht auf deutsch niedergeschrieben ist, beruht auf der die Constitutio Carolina von 1532, in der nahezu vollständigen Aufzählung der soeben das erste gesamtdeutsche Strafrecht Rechtsgrundsätze seiner Zeit, so daß es von Kaiser Karls V. publiziert worden war. Die der feudalfürstlichen Gesetzgebung der andere Handschrift stammt etwa von 1700 und Folgezeit wie ein Gesetzbuch beachtet werden enthält neben den "Neuen Statuten" von 1579 mußte und noch weit bis ins 19. Jahrhundert auch eine Abschrift des alten Stadtrechts, hier hinein angewandt wurde, wenn nicht jüngere "Alte Gebreuche, statuta und Gerichtsordnung Gesetze Neues vorschrieben. der wohllöblichen Stadt Gotha" genannt

Für Gotha ist besonders erwähnenswert, daß (Codex G II). Eine dritte Handschrift befindet unsere Landesbibliothek zwei Handschriften sich im Copialbuch I des Gothaer Stadtarchivs. dieses Rechtsbuchs bewährt, bei der geringen Sie stammt ebenfalls aus dem Anfang des 18. Zahl älterer Handschriften des Sachsen- Jahrhunderts und ist als "Die alte Gothaische spiegels ein kostbarer Besitz. Die eine statuta und Geriditsordnung" bezeichnet Handschrift ist als "Codex Gothanus" in der (Codex G III). G II und G III sind Abschriften Wissenschaft wohl bekannt, sie ist 1381 einer älteren Vorlage, die aber verloren ist, weil beendet worden und enthält auf Pergament G I mit seinem erheblich abweichenden Text das Land und Lehnsrecht in obersächsischer diese Vorlage nichtgewesen sein kann. Ein Sprache. Ihr ist das Magdeburger Weich- sonderbarer Zufall hat im bekannten Rechts- bildrecht (Stadtrecht) beigeheftet, das aber im buch des Eisenacher Richters Purgold, das Gothaischen niemals rechtens war, außerdem eine Abschrift der Eisenacher Stadtrechte aus einige Orlamünder Urkunden. Die Handschrift dem Jahre 1512 enthält, dieses Gothaer ist 1794 nach Gotha gekommen. Ihr ist die Stadtrecht nochmals bewahrt; es füllt die Abb. 3 entnommen. 29) Die andere Hand- Kapitel XI und XII des Eisenacher Rechts- schrift auf Papier stammt vom Ende des 15. buchs und hat wohl die Legende begründet, Jahrhunderts und enthält das Lehnsrecht, vom daß unser Gothaer Stadtrecht eine Tochter Landrecht leider nur die Glosse (Kommentar). des Eisenacher Stadtrechts gewesen sei 30). Auch sie ist in der obersächsischen Kanzlei- Da das Purgoldsche Rechtsbuch noch in zwei sprache abgefaßt. Ihr sind noch einige Abschriften in den Bibliotheken von Hamburg süddeutsche Stadtrechte (Bamberg, Nürnberg) und Wolfenbüttel existiert, finden wir dort also und religiose Traktate beigeheftet, ebenso das auch das alte Gothaer Stadtrecht noch Magdeburger Dienstmannenrecht, das jedoch zweimal vor, so daß wir insgesamt sechs in Gotha ebenfalls nicht gegolten hat. Handschriften gegeneinander abwägen konnen. Die erste und bisher einzige ausführ- Dem Sachsenspiegel tritt sehr bald unser liche wissenschaftliche Bearbeitung unseres ältestes Gothaer Stadtrechtan die Seite. Auch Stadtrechts stammt leider aus der Frühzeit

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Titelseite der ältesten Handschrift des ersten Gothaer Stadtrechts (G I). Rote und schwarze Handschrift von 1534 auf Papier. (Im Besitz der Landesbibliothek Gotha.)

unserer Heimatforschung (1909!) und ver- Beweisen für die Eisenacher Mutterschaft am wertet daher die bedeutenden neuzeitlichen Gothaer Stadtrecht, denn schon die Urkunde Ergebnisse gerade auf diesem Gebiete nicht von 1265 nennt beide Rechte in einem 31). Außerdem steht die Arbeit derart im Atemzuge. Die Bemerkung im Purgoldschen Schatten des gleichzeitig bearbeiteten Rechtsbuch, daß das Gothaer Rechtsbuch Eisenacher Rechtsbuchs, daß wesentliche "heimlich und verschwiegen" nach Eisenach Ergebnisse unzutreffend, mindestens gebracht und dort abgeschrieben wurde, zweifelhaft sind. spricht erheblich gegen die Begabung der

Daß das Gothaer Rechtsbuch kein "Statut", Gothaer mit Eisenacher Recht 34). Überein- also kein landesherrlich genehmigtes oder stimmungen des Eisenacher mit dem Gothaer angeordnetes Recht war, führten wir schon Stadtrecht, die sich im Sachsenspiegel nicht aus. Die Sprache ist obersächsisch und wurde finden, beweisen auch nur die enge Verwandt- in den wiederholten Abschriften immer wieder schaft beider Rechte, aber nichts für die modernisiert, reicht aber in den ältesten Teilen Reihenfolge etwaiger gegenseitiger des Rechtsbuches vermutlich auf Sprach- Abstammung. Wir können uns auch nicht formen des 13. Jahrhunderts zurück. Es ist davon überzeugen, daß der Gothaer Artikel I, anzunehmen, daß Gotha damals auch bereits 42 (Purgold XII, 40) die Fortbildung des einen Stadtschreiber besaß, auf dessen Artikels 31 des Eisenacher Stadtrechts von Tätigkeit die Aufzeichnung des Stadtrechts 1283 wäre: Denn wenn Eisenach die Eltern zurückzuführen ist 32). Nach einer Urkunde von der Haftung für ihre Kinder unter 9 Jahren vom 14.3.1265 gab Gotha mit Eisenach das freistellt, so ist das nicht etwas älteres, Vorbild für Rechte und Freiheiten der Bürger in sondern etwas anderes als der Gothaer der Stadt Weißensee, dürfte also damals Grundsatz, Kinder unter 9 Jahren mit ihrem bereits ein Stadtrecht besessen haben 33). Leib und Gut nicht für Schaden haften zu Vergeblich aber suchen wir in dieser Zeit nach lassen, die sie anrichten. So wird man also

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von dem Gedanken Abschied nehmen nicht gerade auf einen Gothaer Gehorsam müssen, daß sich die Gothaer ihr Stadtrecht gegen den Rechtszug nach Eisenach aus Eisenach geholt haben. Nicht minder schließen kann, wie er im Eisenacher anfechtbar scheint uns aber auch die Stellung Stadtrecht von 1283 verordnet ist.

Eisenachs als Oberhofgericht der Gothaer Wir meinen also, daß die Gothaer damals ihr Gerichtsbarkeit. Zwar hat Landgraf Albrecht Recht eigenständig entwickelt haben, sich der Unartige seinen "lieben und getreuen dabei von der anerkannten Autorität des Bürgern von Eisenach" im Art. 16 des Sachsenspiegels leiten ließen und auch nach Eisenacher Stadtrechts von 1283 das Privileg 1283 weiter nach Magdeburg gezogen sind, zugeteilt, daß alle Städte der alten land- um sich dort Rechtens zu holen. Kam doch gräflichen Stammlande (Westthüringen) ihr auch das Gothaer Stadtrecht nicht nur nach Recht bei den Bürgern von Eisenach nehmen Weißensee (mit Eisenach 1265); vielmehr sollten (und nicht aus Magdeburg, wohin man übernahm es 1332 die Stadt Jena 37) und von bisher zog) - aber es scheint daraus nicht viel dort Orlamünde, und über Weißensee gelangte geworden zu sein. Wir kennen kein einziges es zusammen mit dem Eisenacher Recht nach Weistum dieser Eisenacher Obergerichts- Weimar, Kindelbrück und Buttelstedt. Auch barkeit über Gotha und der Verdacht liegt dürfen wir in diesem Zusammenhang nicht nahe, daß dieser äußerst geldbedürftige und übersehen, daß Gotha die Geschäfte des unruhevolle Landesvater für seine ständigen obersten (königlichen?) Landgerichts in Streitereien mit Vater und Kindern 35) eine Mittelhausen führte 38) und seit mindestens "Handsalbe" von den Eisenachern empfing, für 1140 Sitz eines landgräflichen Provinzial- die er ihnen - wie übrigens auch in anderen gerichts war, des sogenannten Vierstuhl- Fällen seiner Regierungstätigkeit 36) - etwas gerichts, dessen Gerichtsbarkeit nach der versprach, das er weder halten konnte noch wissenschaftlichen Bearbeitung harrt, aber wollte. Und wenn Kurfürst Friedrich der bestimmt den Eisenacher Bezirk mit umfaßte Sanftmütige 1432 seinen Untertanen verbot, und im Osten vor den Toren Erfurts endete sich ihr Recht in Magdeburg zu holen, und sie 39). Außerdem hatte Gotha seit 1344 auch nach Leipzig als Obergericht verwies, so trf noch das geistliche Stuhlgericht, das bis dahin das sicher die alten landgräflichen Städte in in Ohrdruf war, und somit einen weiteren Westthüringen genau so wie die Ostthüringer provinziell wirksamen Gerichtshof erhalten, der Landgrafenstädte, die sich von je nach Eisenach und Erfurt mit umfaßte. Das Privileg Magdeburg gewandt hatten. So enthält denn der Rechtsprechung dieses Stuhls auch in auch nur die Purgoldsche (Eisenacher) weltlichen Sachen 40) fand erst 1446 ein jähes Abschrift des Gothaer Stadtrechts in XI. 1 den Ende, als Herzog Wilhelm in der ersten Hinweis auf einen Eisenacher Rechtsgang der Landesordnung alle weltlichen Ansprüche für Gothaer, die Gothaer Abschrift G I kennt verloren erklärte, die jemand vor ein geistliches diesen Artikel überhaupt nicht und die Gericht zur Entscheidung brachte. Abschriften G II und G III enthalten kein Wort von Eisenach. So steht es auch mit den Hiernach ist es nicht zu verwundern, wenn uns Stücken 131, 132 des Gothaer Stadtrechts, die bereits das alte Gothaer Stadtrecht einen von den Kosten des Rechtsgangs nach fertigen Stadtstaat zeigt, den wir für eine Eisenach handeln: dem aufmerksamen Leser souveräne Republik gleich den wird nicht entgehen, daß neben Eisenach der oberitalienischen Stadtstaaten dieser Zeit Zusatz "oder anderswo" steht, woraus man halten möchten, wenn nicht die landgräfliche

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Burg vor seinen Toren und die höhere Verhältnissen bewußt anpaßte. Jedenfalls Gerichtsbarkeit in der Hand des Landesfürsten finden wir in unserem alten Stadtrecht bereits die Schraken seiner Freiheit allzu handgreiflich ein ausgeprägtes Dreiklassensystem vor, machten 41). Wann diese Stadt Gotha zugeschnitten auf die neuen städtischen zwischen der Burg und der Altsiedlung am Verhältnisse. Dabei ist das Recht vom Wiegwasser begründet wurde, wird sich kaum Lebensstil der freien Stadtbürger bestimmt, zuverlässig ermitteln lassen. Nach der aus deren Mitte sich die ratsfähigen Legende soll dort der „Erste Dingstuhl“ des Geschlechter langsam heraushoben, zunächst Vierstuhlgerichts gestanden haben (Anm. 39); durch persönliche Tüchtigkeit, später durch Myconius berichtet von einem sagenhaften Reichtum und Vetternwirtschaft. Daneben lebt Landtag König Ludwigs des Frommen 830 in die große Menge der nicht bürgerfähigen Gotha; andere wieder wollen den Abt Meingoth Bewohner, wozu alles gehörte, was unselbst- von Hersfeld 933 das Dorf Gotha ummauern ständig war und in fremden Diensten stand. und zur Stadt erheben lassen, die der Abt Daß "Stadtluft frei macht", die alten Standes- Gotthard um das Jahr 1000 erweiterte und mit nachteile also beim Umzug in die Stadt Gärten versah 42). Zuverlässig wissen wir nur erlöschen, war demnach ein Grundsatz mit nur aus einer Urkunde der Zeit um 1180 bis 1189, bedingter Geltung. Da sich der Rat unserer dass Gotha damals schon Stadt war 43), und Stadt selbst ergänzte, bereiteten sich in dem aus einer Urkunde von 1209, dass es Mauern zunächst so republikanischen Stadtregiment hatte 44). Vielleicht ist die Neugründung auf Herrschaftsverhältnisse vor, die dann im 15. Herzog Heinrich, den späteren deutschen Jahrhundert zu heftigen Zusammenstößen der König, zurückzuführen, der seit 925 die Bürger mit dem Rat führten und sich erst mit Ostgrenze des Deutschen Königreiches aus der neuen Stadtordnung (zwischen 1532 und strategischen Gründen mit festungsartigen 1541) 46) und den "Neuen Statuten" des Stadtgründungen versah 45), oder auf den Jahres 1579) ausglichen. Damit sind wir aber ersten Landgrafen Ludwig (1130 bis 1140), der schon über die Zeit der Rechtsbücher hinaus Handel und Wandel seines jungen in das Zeitalter der Gesetze und des spät- Herrschaftsbereiches gern durch Neugründung mittelalterlich-römischrechtlichen Herrscher- von befestigten Marktplätzen hob und den staates gelangt, dem der nächste und letzte geänderten ökonomischen Abschnitt gilt.

Die Zeit der Gesetze (ab 15. Jahrhundert)

Das 15. Jhdt. ist uns in der Kulturgeschichte ab. Abhängigkeit und Unterdrückung wurden als das Jahrhundert bekannt, das den nicht mehr als "gottgewollt" und daher "recht" Aufbruch der gesamten Kultur aus der hingenommen, die sozialen Spannungen Gebundenheit der mittelalterlichen Kirche neuer ökonomischer Verhältnisse eroberten brachte. Die Wissenschaft begann die Fesseln auch das Rechtsbewußtsein der benach- der Scholastik zu sprengen, und auch das teiligten Klassen und kehrten dort um, was Recht trat aus dem kirchlichen Lebensraum durch Jahrhunderte als unumstößlich gegolten heraus; es war nicht mehr einfach nur ein Teil hatte. Der Zwiespalt zwischen dem Gesetz, der Theologie, sondern neue Bewusstseins- das nicht Recht ist, und dem Recht, das nicht gehalte lösten die gewohnten Vorstellungen Gesetz ist, wird in diesem Jahrhundert ins

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Bewusstsein gehoben. Hier ist der Ausgangs- gelten auch bei uns diese Jahrhunderte als punkt für die Bürgeraufstände des 15. Jhdts., geradezu klassisches Beispiel dafür, wie das die auch in Gotha kurz vor 1488 und 1490 zu gesamte Kulturleben einschl. des Rechts mit schweren Kämpfen zwischen Rat und Bür- der ökonomischen Basis seine Struktur ändert, gerschaft führten 47). Hier liegen die Gründe um das Leben der Nation mit neuen Inhalten für die Bauernkriege des 16. Jhdts., denen das zu erfüllen und zu aktivieren. Benediktinerkloster in Reinhardsbrunn 1525 Das kanomische Recht hat sich aus dem zum Opfer fiel. Von hier führt der Weg über die engen Verhältnis entwickeln können, in das englische Revolution des 17. Jhds., die fran- schon die fränkischen Könige Staat und Kirche zösische Revolution des 18. Jhdts., und die gebracht hatten 49). Es war von Hause ein Bürgeraufstände des 19. Jhdt., die auch auf Recht der Kirche in ihren eigenen Angelegen- Gotha übergriffen, zur Oktober-Revolution heiten, griff aber immer tiefer in das weltliche unseres 20. Jahrhunderts, die sich auf der Rechtsleben ein. Das wurde für unsere Heimat Basis neuer ökonomischer Verhältnisse die bedeutungsvoll, als 980 die Petrikirche in Überwindung des Klassenstaates und die Ohrdruf zur Stiftskirche erhoben und bald Herstellung der zerstörten Harmonie des darauf mit dem geistlichen Dingstuhl für West- Rechts zur Aufgabe gemacht hat 48). thüringen begabt wurde 50). Bekanntlich kam Äußerlich ist das 15. Jhdt. im Rechtsleben dieser Stuhl 1344 mit der Übersiedlung des durch die Abkehr der Staatsgewalt von der Augustiner Stiftsherren nach Gotha. Von der bisherigen Methode der Staatsführung damaligen Gewalt der Kirche über das welt- gekennzeichnet; wurde bis dahin bloß liche Recht gibt und die Bulle Papst Gregor XI. verwaltet und über Interessenkonflikte im von 1376 einen Begriff, die ganze Stücke des Wege gegenseitigen Nachgebens oder der Sachsenspiegels als „eines im Sachsenlande Gewalt entschieden, so tritt jetzt der Rechts- geltenden schauderhaften Rechtsbuchs“ ver- befehl – das „Gesetz“ – und damit der Aufbau ketzerte und mit bleibendem Erfolg verbot 51). eines Staatswesens in modernem Sinne in den Hierzu gehört auch der kuriose Versuch des Vordergrund. Nicht wenig dürfte hierzu auch brandenburgischen Hofrichters Buch (1325), die Erfindung des Buchrucks beigetragen den Sachsenspiegel mit der Bibel und dem haben, ermöglichte er es doch erst, aus der kanonischen Recht zu konkordieren 52)! Und primitiven Form handschriftlicher Verviel- nicht zuletzt ist auch unsere Abb. 6 aus dem fältigung zur nachdrücklichen Allgemein- Codex Gothanus nichts anderes als ein Hin- verbreitung staatlicher Anordnungen weis auf diese – gegen den Kern der Sachsen- überzugehen. spiegels gerichtete – Vormacht kanonischer Wir sehen um diese Zeit unser Reicht auch im Rechtsweisung: geistliche und weltliche Gothaischen in zwei Spannungsfeldern, die um Gerichtsbarkeit, symbolisiert durch zwei die Vorherrschaft ringen. Auf der einen Seite Schwerterm haben ihren Ausgang vom steht das kanonische oder kirchliche Recht, Christkönig 53), also aus dem kirchlichen das die konservativen Kräfte bindet, auf der Lebensraum. Wir erinnern uns des sehr anderen Seite das römische Recht, das er diplomatischen Endes, das die geistliche fortschrittlichen Entwicklung jener Tage Gerichtsbarkeit in weltlichen Dingen bei uns entspricht und die letzten Reise bäuerlich- durch die Landesordnung von 1446 fand (Anm. demokratischer Konzeptionen des alten 40) 54), müssen aber doch beifügen, dass deutschten Rechts in den feudalen Handels- trotzdem das kanonische Recht selbst in dem staat der beginnenden Neuzeit drängt. So stockprotestantischen Gothaer Land auch

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Abb. 6. Darstellung der kanonischen Zweischwertertheorie (Christkönig-Kirche als Inhaber der geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit) aus dem Codex Gothanus des Sachsenspiegels. Original dreifarbig auf Pergament in Großquart. (Im Besitz der Landesbibliothek Gotha) weiterhin, wenn auch nur bedingt, als Rechts- die berüchtigten Hexenprozesse, die allein im quelle anerkannt blieb 56). Eine späte "Blüte" Gothaischen Amt von 1646 bis 1711 des kanonischen Rechtes und seines Ein- nicht weniger als 71 scheußliche Folterungen und flusses auf die weltliche Gerichtsbarkeit sind zahlreiche öffentliche Verbrennungen.

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vermeintlicher Hexen brachten und eine Reichtum, Handel und Besitz und der sonderbare Begleitung einer Zeit sind, die uns geringschätzigen Bewertung der Handarbeit in der Kunst eines Joh. Seb. Bach auf die das gegebene juristische Spiegelbild für den Höhen der menschlichen Kultur führte. aufkommenden Kapitalismus der folgenden Jahrhunderte, eine Leistung, deren das Wir blieben den Gothaer Rechtsaltertümern bäuerlich-schwerfällige deutsche Recht einfach etwas schuldig, ließen wir die sonderbare nicht mehr fähig war. Dieses römische Recht Tätigkeit mittelalterlicher Mönche unerwähnt, wurde schrittweise in unser Heimatrecht ihre Schreibkunst zur Fälschung wichtiger einfiltriert. Der Landesherr löste die alten Urkunden im Dienste des kirchlichen Schöffen durch Richter ab, die er selbst berief Besitzstandes einzusetzen. Schon das (Berufsrichter); waren dies zunächst noch Capitulare Karls des Großen, auf das die Volksrichter, so wurden sie seit dem Kirche ihre Gerichtsbarkeit in weltlichen 16. Jhdt. an den neuen Hochschulen in das Dingen stützte, ist eine solche Fälschung (vgl. geänderte Rechtsdenken wissenschaftlich Anm. 40). Die erste Erwähnung Gothas als eingeführt, die Richtertätigkeit ist seitdem ein "Stadt" in einer Kaufurkunde der Herren von akademischer Beruf geworden 59). Der Honde und Huttern an die Margarethenkirche leidenschaftliche Haß der Bauern gegen die 1064 ist mindestens im Datum gefälscht 56). "Doctores der Rechte", die "gantz und gar Und schließlich sind hier die berühmten abzuschaffen seindt", hat hier seine Reinhardsbrunner Fälschungen zu erwähnen, verständliche Ursache 60). Unter dem Einfluß mit denen dieses Kloster nachträglich seinen des römischen Rechts ging jetzt der Staat von Besitzstand zu sichern gedachte 57). Übrigens sich aus den Verbrechen nach, der "Staats- sind alle diese Fälschungen, richtig erkannt, anwalt" entsteht, der Inquisitionsprozeß löst durchaus wertvolle Quellen heimatgeschicht- die patriarchalische private Rechtsverfolgung licher Forschung, wenn auch nicht im Sinne ab. Die Strafen werden erbarmungslos und des Verfassers der Urkunde. unmenschlich. Der alte Grundsatz, daß ohne Das Römische Recht ist nicht vor dem 14. Geständnis nicht verurteilt wird, bleibt zwar Jhdt. in unser Gothaer Gebiet gekommen, bestehen, führt aber zu der scheußlichen eroberte sich dann aber in zähem Vordringen Erfindung der mittelalterlichen Juristen, bei fast die gesamte Ideologie und Praxis unserer bewiesener Tat (und manchmal leider auch heimischen Justiz. Wir haben es hier mit einem schon bei bloßem Verdacht!) das fehlende Rechte zu tun, das im 6. Jhdt. in Byzanz (Ost- Geständnis durch Folterqualen zu erpressen. Rom) zusammengestellt wurde, also aus dem Erst das 19. Jhdt. brachte die Humanität im berüchtigten Klima des Byzantinismus Recht wieder zum Durchbruch, die Folterstrafe stammt, der dem despotischen Herrscher wird in Gotha 1828 abgeschafft, scheint aber göttliche Verehrung zukommen ließ. Der schon vorher geraume Zeit nicht mehr ange- deutsche Grundsatz, daß der Größte dem wandt worden zu sein 61). Und wenn wir uns Geringsten gleich ist, wenn er Unrecht tut, heute auf allen Gebieten des Rechts bemühen, wurde hier durch den neuen Grundsatz den Menschen wieder in den Mittelpunkt der abgelöst, daß der Herrscher außerhalb aller Rechtspflege zu stellen, so stoßen wir auch Gesetze steht. Das war so recht nach dem jetzt noch immer wieder auf Vorstellungen, die Herzen der deutschen Landesherren, die hier auf überwundenen ökonomischen Verhält- ihren Feudalismus juristisch fertig zubereitet nissen beruhend, im römischen Rechte ihre vorfanden 58). Gleichzeitig bot das römische Prägung gefunden und auf diesem Wege von Recht mit seiner Anerkennung von Kapital und der Denkweise unserer Juristen

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zähen und beharrlichen Besitz ergriffen haben. Macht. Und auch die neue Stadtordnung von Gotha, die zwischen 1534 und 1541 auf Grund Dieser Werdegang spiegelt sich in den der neuen Lage durch die lutherische Rechtsaltertümern wider, die wir in der Reformation geschaffen wurde, ist ebenso wie Gesetzgebung des ausgehenden Mittelalters die "Neuen Gothaer Statuten" von 1579 zwar und der Neuzeit vor uns sehen. Das erste noch vom Rat im Anklang an die alten Bemühen der feudalen Landesherren war auf Freiheiten formuliert, jedoch verdanken beide die Festigung ihrer Gerichtsbarkeit gerichtet, ihre Rechtsbeständigkeit der landesfürstlichen für uns Gothaer durch die (erste) Leipziger Bestätigung. Nicht anders ist es mit den Hofgerichtsordnung von 1488, die Altenburger gleichzeitigen Statuten der Gothaer Landstädte von 1493 und die Jenaer von 1566 (erneuert Ohrdruf (1591) und (1692) 1653). Hier liegt der Ursprung des späteren beschaffen. Mit der Stadtverwaltungsordnung Jenaer Oberlandesgerichts, das erst in den von 1832 begegnen wir in Gotha der letzten letzten 10 Jahren zunächst durch das städtischen Legislative bei der Ordnung der Oberlandesgericht Gera, dann durch den Stadtverwaltung. Das Gemeindegesetz von Rechtszug an das Bezirksgericht Erfurt 1858 bringt auch hier die erste Regelung "von abgelöst wurde. - Auf der anderen Seite oben her", die uns seitdem zur ordneten die Landesherren aber auch die Selbstverständlichkeit geworden ist. Um Pflichten ihrer "Untertanen" nunmehr nach dieselbe Zeit (1849) verlor die Stadt auch ihre eigenem Geschmack und Bedarf. Der (ersten) jahrhunderte alte Eigengerichtsbarkeit, und Landesordnung von 1446 folgten die Polizei- zwar zusammen mit den letzten Resten der verordnung von 1482, die Polizei- und Landes- adligen Grundherrengerichte in Wölfis, ordnung von 1556 und die Kursächs-ischen Neudietendorf und Laucha 64).

Konstitutionen von 1572 62), denen sich die Das Erleben dieser spannungsreichen Gothaischen Landesordnungen von 1653 und Jahrhunderte hinterließ bei unserer 1666 anschlossen. "Beyfugen" hielten die Bevölkerung natürlich tiefe Eindrücke, und so letztgenannte Landesordnung jeweils auf ist die große Zahl rechtsaltertümlicher zeitgemäßem Stand, bis seit 1827 die Gotha- Sprichwörter und Redewendungen aus dieser ische Gesetzsammlung zu erscheinen beginnt, Zeit kein Wunder. "Macht geht vor Recht" deren letztes Blatt 1921 zugleich das Ende der kennzeichnet kurz und treffend die Lage der Gothaer Legislative bedeutet. unterdrückten Klassen. "Ohne Kläger kein Richter" läßt die vergebliche Berufung auf den Der Festigung der landesherrlichen Gewalt seit alten deutschen Prozeß gegen das römische dem 15, Jhdt. hatten die Städte, die nicht wie Inquisitionsverfahren ahnen. "Wer A sagt, muß Mühlhausen oder Nordhausen reichsunmittel- auch B sagen" ist verballhornt aus: Wer bar waren, auf die Dauer nichts Wesentliches ansagt, muß auch besagen - und enthält den entgegenzusetzen 63). Wenn wir die frühen Grundsatz, daß der Kläger sich bei demselben Niederschriften der Stadtrechte des 13. und Gericht auch einer Widerklage stellen muß. 14. Jhdts. vielleicht richtig als tatkräftige "Etwas aus dem FF verstehen" ist die Versuche auch unserer Stadt Gotha bewerten Anerkennung der vermeintlichen Überlegenheit dürfen, ihre "Freiheiten" gegen das römisch-rechtlicher Bildung, denn FF ist die aufkommende landesherrliche Regime zu Abkürzung für das römische Rechtsbuch der wahren, so ist doch schon die "Reformation" Digesten. Unser §-Zeichen ist ebenfalls Latein: des brüchig gewordenen Gothaer zwei S, nämlich Signum Signandi. Der ganze Stadtrechts im Jahre 1488 ein Akt fürstlicher Wust lateinischer Vokabeln von der "Justiz"

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bis zum gestelzten "Juristendeutsch", das wie ihren eigenen Zeugen zu Gerichte ziehen ließ. übersetztes Latein anmutet, ist Kulturerbe des Heute ist der Zeuge nur dem Gericht, nicht römischen Rechts auf deutschem Boden. mehr der Prozeßpartei verpflichtet. Trotzdem Besonders lebhaft ist die Erinnerung an die gilt noch die alte Erfahrung: "Wes Brot ich drastischen Strafen früherer Zeiten. "Jemand esse, des Lied ich sing" oder "Mit einem unter aufs Dach steigen" bewahrt das Gedächtnis an einer Decke stecken". Daß "etwas auf keine eine Schandstrafe ebenso wie das "Haare Kuhhaut geht", ist vielleicht auch nichts lassen" (Abscheren der Kopfhaare). "Den anderes als ein Gedenken an die alte Kürzeren ziehen, auf Kohlen sitzen, Gift darauf Rechtssitte, den Verbrecher auf einer Kuhhaut nehmen, durchs Feuer gehen", sind zum Richtplatz zu schleifen oder auch Eide auf Erinnerungen an Gottesurteile, die aus einer solchen Haut schwören zu lassen. An die unserem Begriffsvermögen längst alte Form gerichtlicher Zustellungen erinnert ausgeschieden sind. Der "Gnadenstoß" war noch der "Steckbrief", der einst wirklich mit einst eine freundliche Pflicht des Henkers, mit einem Dolch an das Tor gesteckt wurde, aber der er die Qualen seines Opfers abkürzte. auch das Wort: "es jemandem einmal "Über die Klinge springen" ließ der Henker das ordentlich stecken". Alles in allem dürfen wir Haupt des Geköpften, wenn er sich durch ein aus diesen und vielen anderen Worten besonderes Kunststück den Beifall seiner schließen, wie eindrucksvoll die frühere zahlreichen Zuschauer bei der öffentlichen Rechtspflege gewesen sein muß und wie nahe Hinrichtung sichern wollte. "Radebrechen" sie dem ganzen Volk verbunden war. erinnert an die alte Strafe des Räderns, und Dafür sprechen auch die zahlreichen Gerichts- "Spießrutenlaufen" an eine besonders stätten, deren sich unsere Bevölkerung durch gemeine Art der militärischen Todesstrafe. Die Ortslage und Flurnamen erinnert, und eine öffentliche Schaustellung des Bestraften Reihe weiterer Gegenstände verschiedenster bewahrt uns das Wort ,,anprangern", und der Art, die wir als Rechtsaltertümer in unserem Stock, in den der Übeltäter eingespannt wurde, Kreise pflegen und bewahren. Eine ist uns in Zusammensetzungen wie "stocksteif, Zusammenstellung dieser Dinge, die auf stockfinster" noch nahe. Das "Kreuzverhör", in Vollständigkeit allerdings keinen Anspruch dem jede Partei die Zeugen der anderen Partei erheben kann, soll die Arbeit beschließen. verhört, ist ein altes Andenken an das deutsche Recht, das jede Partei mit

Verzeichnis der Rechtsaltertümer im Kreis Gotha

Das Verzeichnis unserer Rechtsaltertümer ist als Die Rosengärten , die in vielen Gemeinden als erster derartiger Versuch vermutlich unvollständig. Flurnamen erhalten sind, wurden sämtlich in das Es enthält vielleicht manches, das nicht mehr Verzeichnis aufgenommen, auch wenn zweifelhaft bekannt, u. U. auch nicht mehr vorhanden ist. Dafür ist, ob es sich in jedem Falle um ein Rechtsaltertum wird dies und jenes fehlen, das in ein solches handelt. Bekanntlich sind diese einstigen Anlagen Verzeichnis gehört. Unsere Natur- und im Regelfalle alte Kultstätten gewesen, die uns Heimatfreunde und nicht zuletzt unsere Lehrer in wiederholt als Versammlungs- und Malstätten der den Gemeinden werden daher sehr darum gebeten, Gemeinde - also Rechtsaltertümer - begegnen, der Heimatkundlichen Forschungsstelle im ebenso oft aber auch als Festwiesen, gelegentlich Heimatmuseum Gotha, Stalinallee 15, mitzuteilen, sogar als frühgeschichtliche Friedhöfe. Hier ist für was sie etwa zu diesem Verzeichnis ergänzen unsere Heimatforscher noch ein weites Feld können. ungetaner Arbeit.

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Abb. 7. Chausseegeldhaus in Gotha, Ohrdruferstraße (im zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört)

Steinkreuze und entsprechende Flurnamen wurden Rechtserbe der alten Freigerichtsbarkeit erkenntlich aufgenommen, wenn die auch nur entfernte und wurden 1858 endgültig abgeschafft. (Ges. S. X Möglichkeit eines Rechtsaltertums besteht, also S. 445).

Hoheitszeichen (auch des kirchlichen Flurnamen sind in dem Verzeichnis durch ein F Besitzstandes), Grenzzeichen, Gerichtszeichen und gekennzeichnet. Sühnekreuze. Nur die reinen Heiligenstöcke, Grab- und Seuchenkreuze sind weggelassen. * * * Fehmstätten und heimliche Gerichte , die in Altenbergen einigen Gemeinden als Flurnamen bewahrt sind, F Am Gerichtsstein legen die Vermutung nahe, dass sich auch bei uns (Stein mit Georgenthaler Krummstab am Sumpf die alte Volksgerichtsbarkeit nicht so ohne weiteres nördl. des Tomleichs ist verschwunden). durch das aufkommende römische Recht und die landes- und guthsherrliche Gerichtsbarkeit Aspach geschlagen gab. Diese sog. Freigerichte, die sich Denkstein am Sallberg auf ein legendenhaftes Privileg Karls des Großen (verderbt: Zielberg, Ziegelberg) vor dem Aspacher stützten, haben sich am längsten in Westfalen Holz zur Erinnerung an die Schwerthinrichtung erhalten (Dortmunder Freigericht bis 1803); der Kästner 1839. letzte „Freigraf“ Joachim Löbbecke starb 1826, ohne Boilstädt die heiligen Fehmworte und ihre Deutung F Bi’n Kritzchen preisgegeben zu haben. Bei uns nahm schon 1646 (d. i. beim Kreuzchen, am alten Gothaer Weg, die landesherrliche Rüge-Ordnung den heimlichen Kreuz verschwunden). Freigerichten den Wind aus den Segeln. Sie erkannte die Gerichte als „Rügengerichte“ staatlich Brühheim F Rosental (östl. vom Dorf) an und bestellte ihnen in der Person des „Rügers“ einen Staatsanwalt, ließ ihnen aber geraume Zeit Bufleben ihre volkstümlichen Rechtsanschauungen gerade F Diebsteig auf den Gebieten, die anderwärts der heimlichen (nordöstl. vom Dorf nach Osten, vom Wart- und Fehme zu ihrer langen Lebensdauer verhalfen (LO Wiesenweg abzweigend). 1666 S. 242 ff). Cabarz Diese Gothaischen Rügegerichte, im 18. und 19. F Hilge Kritz Jahrhundert immer enger an die Obrigkeit (d. i. Heiliges Kreuz. Flur nach Fischbach zu. gebunden, waren schließlich kaum noch als Kreuz verschwunden).

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Cobstädt Gotha F Galgenberg F Galberg (südöstl. Flur an der Wandersleber Grenze). (Gegenüber der Einmündung des Diebsteigs, vgl. F Diebsteig Beck S. 79, Rad, Pfähle und Galgen. Die Anlage (Weg dorthin). wurde 1829 beseitigt, der Hügel abgetragen. In den 80er Jahren stand dort noch eine kastanie und Cumbach 5 Linden. Die letzte Hinrichtung soll am 8.4.1735 F Rosengarten dort erfolgt sein.) F. Kreuzfeld (südöstl. Teil der Eschleber Flur, Kreuz F Unterm Galgenfleck verschwunden. Vielleicht auch Eigentum des (am nordöst. Ende der Flur an der Schwabhäuser Kreuzklosters?) Grenze). F Galgensee (feuchte Wiese daselbst). F Bi’n Kritzchen (d. i. beim Kreuzchen: am Tiefenbach – rechter Zufluß des Leinakanals; Kreuz verschwunden).

Ernstroda F Rosengarten

Eschenbergen Steinkreuz vor dem Holz an der Döllstädter Straße

Friedrichroda F Galgenwiese (vor dem Dachsberg)

Friedrichswerth F Gerichtsplatz (am Leichberg an der Brühheimer Grenze)

Friemar F Galgenrain Gerichtsplatz (an der Pferdingsleber Grenze). F Diebsteig (südlich vom Dorf, vom Tüttleber Weg in Richtung der Straße Pferdingsleben ( Gotha). F Bi’n Gothkritzchen Abb. 8. Steinkreuz am Bühl (Lindenhügel) (d. i. bei den Gothaer Kreuzchen. 2 Kreuze vor in Gotha-Süd dem Straßenausgang nach Gotha gegen den Feldrain; Kreuze verschwunden). Lindenhügel mit Steinkreuz (am Bühl, Nähe Südbad). Fröttstädt Roland mit Schwert F Dietzkammer mit Heidenthal (Reichtsaltertum (auf dem Glockenbogen der nördl. Rathaus- zweifelhaft. Sage: die alten Heiden sind vom fassade, Kennzeichen der Stadtgerechtsame, Heidenthal nach der Dietzkammer zu ihrem 1925 erneuert). Götzen „Dis“ walfahrten gegangen). Pranger (an der Nordwestecke der Margarethenkirche). Goldbach Prangergeige F Ewer dn Kritzen (z. Zt. Auf der Wachsenburg). (d. i. über den Kreuzen. Zwei Kreuze am 2 Richtschwerter südwestlichen Ausgang des Dorfes nach (im Kunsthistorischen Museum). Eberstädt; Kreuze verschwunden). Stadtgefängnis (unter dem Rathausturm neben der Wendeltreppe, Gospiderode Tür mit beweglichem Gitter). Gerichtslinde neben der Kirche, inzwischen gefällt.

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Burgfreiheit Richtstätte des Amtes Georgenthal. Hier wurden (ursprüngl. Wohnbezirk westl. der Burg. Außerhalb die Opfer der Georgenthaler Hexenprozesse der Stadt mit eigenem Schultheiß; jetzt noch verbrannt).

Straßenbezeichnung). Hochheim Grumbachstein F Bi’n Kritzen (am oberen Hauptmarkt südl. der früheren Schwemme (d. i. bei den Kreuzen; Flur hinter dem Dorf. Kreuz zur Erinnerung an die Vierteilung Grumbachs am herausgeackert und verschwunden). 18.4.1567. Bis 1850 stand hier ein Standbild Grumbachs, das nicht mehr vorhanden ist.). Hohenkirchen Standbild der Gerechtigkeit F Rosengarten

(Südostecke des Umgangs am Rathausturm). Hörselgau Bannschild F Dietzkammer (vgl. Fröttstädt). (2. Schild vor der Nordwestecke der Schloßkolonaden F Beim großen Kreuz Hoheitszeichen für fürstliche oder städtische (am alten Waltershäuser Weg, Kreuz verschwunden). Vorrechte, z. B. Brauzwang, Geleitzwang pp.) Chauseegeldhäuschen Inselsberg (Ecke Eisenacher /Sonneberger Straße und am Siech- F Steinernes Amt hof. Die früheren Häuschen in der Mohrenstraße und (angeblich Gerichtsstätte?) an der Straße nach Ohrdruf sind nicht mehr vor- F Amtsweg handen. An der Straße nach Goldbach befand sich die (Weg dorthin, Seitenweg der Brotteröder Fahrstraße Chausseegeldeinnahme im haus Nr.14, früher J11). über den Ilmengraben). Possenröder Kreuz Gotha-Alschleben (vgl. „Friedenstein“ April 1955) F Diebsteig (nordwestl. Stadthalle über Goldbacher Straße, Laucha Remstädter Weg, Mühlgraben – südöst. Der F Gericht, Galgenstrauch Ostheimer Mühle – bis ins Flürchen – südöstl. Flurteil (am Steinbach, Waldrand des Lauchaer Holzes. Hier von Kindleben). 1724 Hinrichtung des Brandstifters Mannhaupt nach Folter durch Verbrennung). Gotha-Kindleben Gerichtslinde F Gerichtsfeld (im Dorf, inzwischen gefällt. Hier wurde bis zum (südöstlicher Teil der Kindleber Flur). vorigen Jahrhundert am 1. Mai das Walpurgismal F Auf dem Galgen, Galgenrain (Rasenfleck am gehalten, eine öffentliche Gemeindesitzung mit Friemarer Müllerweg). freiem Wort für jedes Gemeindemitglied). F Beim Gericht, Gerichtshügel (Hügel nordöstl. vom Halseisen Gasthof, trug bis 1860 ein Steinkreuz. Das Kindleber (in der Schule aufbewahrt, neuerdings verschwunden). Gericht soll aber nicht auf diesem Hügel gehalten Gefängnisraum worden sein, sondern auf einem Platz nördl. vom (im alten Schloß, inzwischen wohl abgerissen). Laucha Gasthof, der mit 12 Steinen umgrenzt war). hatte ein eigenes von Hopfgartensches Grundherren- Gotha-Siebleben gericht bis 1849 (vgl. Anm. 64). F Diebsteig (Weg durchs Feld nach Friemar). Leina Grabsleben F Diebskammer F Am Wechskreuzchen (vgl. Fröttstädt zu Dietzkammer). (östlich vom Dorf, offenbar alter Heiligenstock vom F Altenwasser Kirchhof der Wüstung Wechs-Weißensee; Kreuz (zur „Almende“, dem Gemeindeeigentum der Ortsbe- verschwunden). wohner, gehörig. IN der Dorfsprache: de Aldn).

Haina Mechterstädt F Rosengarten F Galgenhögk (Wiese an der Nesse bei der Friedrichswerther (Ostl. vom Dorf, an der Straße nach Gotha vor der Grenze). Teutleber Grenze.) F Hopfenberg Hausen (Vermutlich künstliche Erhöhung am Nordhang des Gerichtslinden, die inzwischen gefällt sind. Galgenhögks. 1736 mit 7 Hegesäulen und 3 Hege- Herrenhof stangen begrenzt, um 1900 noch 2 große Steine im F Vor dem Gericht Grenzgraben. Heute nichts mehr vorhanden.) (nordwestl. vom Dorf am Osthang des Hirzberges,

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F Uff d’n Kritz (d. i. auf dem Kreuz; nörd. vom Dorf am alten Sonneborner Weg. Kreuz nicht mehr vorhanden.) Der gute Freund (Nördl. Flurgrenze gegen Weingarten, Nordosthang des Lindenbergs. Im Flurzug von 1736: „Vor Zeiten ein Galgen“.) F Krumme Lauch (Südöstl. vom Dorf an der Lauchaer Grenze; 1 Kreuz mit „L 174“ und ein Kreuzstumpf mit „173“. Grenzsteine? Im Mechterstädter Lauchaer Feld stehen noch mehr z.T. mit „L“ und einer Ziffer bezeichnete Steine, sämtlich nicht auf der Grenze.) Säulen am Hessenweg, entlang dem Lauchaer Hold bis zum Hornbichel. (Grenzsteine des alten Bifang Meginboldesfelden 1103. Von den 7 Steinen, die 1935 vorhanden waren, stehen z. Z. noch 3.) F Frauenrode (Flurzug 1717: „Stein mit 1657“. An der Grenze gegen Sondra. Stein verschwunden, Hügel nach 1900 eingebnet.) Mal-Eiche auf dem Hardtskopf (Südwestl. Vom Dorf, 1899 noch drei Eichen vorhanden, z. Z. nur eine Linde.) Wohnhaus der Schmiede „auf dem Hof“. Abb. 9. Gerichtsplatz (sog. „Schöppenstuhl“) (Vormals von Gräfendorfisches Gericht oder Amtshaus. Bei Tambuchshof-Ohrdruf im Gelände des Jahreszahl 1621 im steinernen Türbogen.) Uebungsplatzes Unter den Linden (Der frühere Anger; von den 8 Linden sind 2 durch Sturm F uf der Fähmscht gestürzt, die übrigen bis auf 2 ältere Bäume wurden nach (d. i. auf der Fehmstätte, nordöstl. Winkel der Flur an dem ersten Weltkrieg gefällt, um Platz für einige kleine der Nottleber Grenze). Bauernhöfe zu schaffen.) Remstädt Vgl. Hild, Rechtsaltertümer in und um Mechterstädt F Unter dem Gericht „Friedenstein“ Juli 1956. ff. (im Flurteil Pferdestall, nörd. Teil des Leinarieds an der Goldbacher Grenze). F Heimliches Riedchen F Kreuzwiese, beim heiligen Kreuz (nach Bienstädt zu). (Ortslage nichts mehr zu ermitteln, Kreuz verschwunden). Mühlberg F Auf dem Gericht Rödichen-Schnepfenthal F Schinderhohle F Auf dem Gericht Der Ortsname Mühlberg lässt auf eine alte Malstätte (Am Igelteich, Richtstätte des Amtes Reinhardsbrunn). (Malberg) schließen, da er vermutlich älter ist als das F Rosengarten lateinische Lehnwort molina-Mühle. Schmerbach Ohrdruf F Gericht, Galgenkopf (südl. vom Dorf). F Goldberg F Uf’n Kritz (euphem. für Glagenberg, nach alten Bildern mit 3 (d. i. auf dem Kreuz. Flurname erhalten, Kreuz Galgen). verschwunden). F Rosengarten Schönau vor dem Walde Gerichtslinden in Tambuchshof. F Rosengarten Halseisen (Heimatmuseum). Gerichtsstab (auf der Wachsenburg). Schwarzhausen Altes Amtsgebäude Pferdingsleben F Am Diebstieg Schwarzwald (zwischen Lache und Rabenhöch, Anhöhe am Weg nach Hexenturm Friemar).

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Seebergen F Gericht Tüttleben (nordöstl. vom Dorf. Früher zweigte dorthin ein F Diesteig (von Bastelsteich nach Nordosten).

Weg vom Grabsleber Weg ab). Tröchtelborn F Kreuzhügel F Fähmscht (vor dem Dorf am Weg nach Cobstädt. Kreuz (Flurname? Einzelheiten bisher nicht zu ermitteln). vorhanden angeblich Pestkreuz). Ülleben Sonneborn F Am Richtfeld F Roter Höch (Ortslage nicht mehr bekannt, vielleicht die (alte Gerichtsstätte an der Hainaer Grenze. Vgl. „Galgenmark“ in Kohlstock XXVI, 4). Gemeindebote 1898 Nr. 4). F Steinberg (alte Gerichtsstätte? Vgl. Kaufmann im Wahlwinkel Jb. F. Mitteld. Vorgeschichte 1952, S. 147). F Diebskammer (Vgl. Fröttstädt zu Dietzkammer). F Diebstieg (verderbt: Tiefstück, d. i. Diebstieg, F Rosengarten

jetzt Acker am Seeweg). Waltershausen F Völkerweg mit Rabental F Altes Gericht (nach dem Krahnberg zu). (in der oberen Füllschen am Wahlwinkler Fehmlinde (neben der früheren Kinderschule, Rasenweg, dicht an der Wahlwinkler Grenze). gefällt). F Gericht Grabplatte Melchior von Wangenheim (am Waltershäuser Gemeindekopf, auf dem Lehden (jetzt in der Kirche. Mit Gerichtshammer und Hund. in der Waltershäuser Flur, etwa in Höhe der früheren Letzterer ein Rechtssymbol? Vgl. Anm. 22). Steinbank unter der Buche am Waldrand, am Weg Sundhausen zum Otterbachsteich). F Rosenthal F Diebsteig (in Richtung der Wüstung Gossenborn nach dem (alter Fußweg in Richtung Gotha, genaue Lage nicht Aquadukt zu). zu ermitteln).

F Am Kreuzrain (mit leerem Bildstock am Wechmar Dorfausgang nach der Leina). F Galgenhügel F Am Kreuz (Flurteil auf der Mark an der (an der Wandersleber Straße, dicht an der Flurgrenze). Boilstädter Grenze, Kreuz verschwunden). F Beim Malstein Kreuz an der Hauptstraße beim Bahnübergang (Flurname, Ortslage nicht zu ermitteln). (verschwunden=. Winterstein Tambach-Dietharz F Am Galgen F Am Galgenbrunnen (nordwestl. Vom Dorf, unter dem Meisenstein). (Ortslage nicht mehr zu ermitteln). F Galgentrift (Weg dorthin). F Galberg Gerichtslinden (mit „Armsünderweg“ dorthin, am NO-Abhan des (gegenüber dem Gemindeamt, inzwischen wohl gefällt). Hügels). F Rosengarten Wölfis F Fähmscht Teutleben (d. i. Fehmstätte, an der Crawinkler Grenze). F Bi’n Kritzen Befestigungsstellen der Halseisen im Mauerwerk der (d. i. bei den Kreuzen, östl. der Lauchaer Straße; Kirche und der Schule. Kreuze verschwunden). ______

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ANMERKUNGEN

1) Die kürzeste Begriffsbestimmung, aber mit Schwächen (wer regelt? Wer erkennt an?)

2) Die realistische Auffassung des dialektischen Materialismus, mit der er die Lücken der Begriffsbestimmung schließt (vgl. Polak über Wyschinski in Neue Justiz 1955, S. 65). Im Gegensatz hierzu nahm die kirchliche Rechtswissenschaft des Mittelalters ein „göttliches“ Idealrecht an, das die Herrschenden aus Sündhaftigkeit missachten, und rechtfertigte damit zugleich den Eingriff der Kirche in die Staatsfunktionen. Hiergegen entwickelte die bürgerliche Rechtswissenschaft der Neuzeit ein „vernünftiges“ Idealrecht, das als „Allgemeines Menschenrecht“ seit den amerikanischen Freiheitskriegen (1776) und der französischen Revolution (1789) das Rechtsdenken beherrscht.

3) Eingehende Beschreibung des Fundstückes bei Kaufmann, Sammlung Kaufmann, ein Zuwachs der vorgeschichtlichen Abteilung des Gothaer Heimatmuseums (Veröffentlichungen) des staatl. Vertrauensmannes für die vor- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer Thüringens 1941).

4) Vgl. Kaufmann, Vorgeschichtl. Steinwerkzeuge im Volksglauben (Thür. Fähnlein 1936 Beil. Spatenforscher S. 28) mit eingehenden Angaben über die Volkskunde jungsteinzeitlicher Hämmer.

5) Hävernick, die Hamburgischen Waldhämmer (in Ehrengabe des Museums für Hamburgische Geschichte 1939, S. 49). Dort auch Hinweis auf die wenigen abweichenden Ansichten von de Vries (altgerm. Religionsgesch. I S. 105) und Weiser-Aall (Handwörterbuch d. Aberglaubens III Sp. 1370).

6) Auf die unterschiedlichen Kulturkreise des Vater- und Mutterrechts erstmals hingewiesen zu habe, ist das Verdienst Bachofens (1815-1887), allerdings nur am Beispiel der alten Griechen und Römer. Das Bestehen der beiden urrechtlichen Kulturkreise ist kaum bestritten, die mystisch-romantische Erklärung Bochofens für ihr Entstehen und ihre Aufeinanderfolge allerdings überholt. Vgl. neuerdings Krische, Das Rätsel des Mutterrechts (1927). Das ganze Gebiet bedarf dringend einer Bearbeitung nach modernen realistischen Gesichtspunkten, wobei die vorliegenden völkerkundlichen Arbeiten über das Mutterrecht Ausgangspunkt sein sollten. Unsere Deutung des Kampfes der Asen und Wanen widerspricht der landläufigen Ansicht, die in ihm bestenfalls eine Erinnerung an innergemanische Auseinandersetzungen im 1. vorchristlichen Jahrtausend sieht und den Wanenglauben etwa den germanischen Sueben zuschreibt. Vgl. Güntert, Altergermanischer Glaube nach Wesen und Grundlage (Heidelberg 1937), Kap. 2.

7) Die Originalurkunde ist verloren. Nachdruck aus einem Copialbuch in Mon. Germ. Hist. Dipl. Carol. I 105, S. 149.

8) Das sog. Breviarium Lulli. Original verloren. Abschrift aus dem 12. Jhdt. erhalten, Fotokopie im Gothaer Heimatmuseum. Abdruck bei Dobenecker I Nr. 70.

9) Schnellenkamp, Erfurt in der Frühgeschichte Thüringens (Ztschr. D. VfTh. Gesch. Bd. 34 (1940) S. 5. – Der bekannte Siedlungskalender: Hermunduren (Cherusker) 1.-3. Jhdt. (Namen auf –stedt), Angeln 4.-5. Jhdt. (Namen auf –leben), Franken ab 6. Jhdt. (Namen auf –hausen, -heim) ist nicht unbestritten; näheres bei Schnellenkamp a. a. O.

10) Strenge-Devrient, die Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waltershausen (1909) S. 3

11) Schmidt-Ewald im Gothabuch I S. 114.

12) Der Kreis hat übrigens 8 Siedlungen auf –stedt, 17 auf –leben und 11 auf –hausen und –heim (einschl. der Wüstungen pp.), die nach dem Siedlungskalender als frühgeschichtlich anzusprechen sind.

13) Die Klinge wird 1356 als „ecker“ erwähnt, „die do stoßen uf die gota“ (Erbb. d. Augustinerkl. Fol. 86 a/b; vgl. Gerbings Flurnamenbuch S. 184). Damit dürfte der Name „gota“ für das Wiegwasser nunmehr endgültig gesichert sein.

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14) Gothabuch S. 89, 107.

15) Beck II S. 4.

16) Schmidt-Ewald im Gothabuch S. 113.

17) Schmidt-Ewald a. a. O.

18) Reinwarth, Vorgeschichte I S. 469.

19) Paulus Diaconus (720-794) in der Hist. Langobard. I. 9. Vielleicht aber ein Ergebnis der späten römischen Nachbarschaft in Oberitalien?

20) Aus dieser Abhangsiedlung schließt Florschütz auf bandkermanische Besiedlung im 4. vorchristl. Jahrtausend.

21) Gothabuch I S. 93. Vgl. Kaufmann i. „Friedenstein“, Febr. 1955

21**) H. Müller (ThNN v. 15.5.56) vermutet die West-Ostgrenze der Frankenzeit am Waldsaum, verneint aber die strategische Notwendigkeit einer Frankenburg im Gelände um Gotha und spricht sich für eine Gründung unter Kaiser Heinrich IV. während des Thüringer Zehntstreits, also um 1088 aus.

22) v. Wangenheim, Beiträge zu einer Familiengeschichte, Göttingen 1874. Zu Hohenkirchen (d. i. Hon-kerke = Herrensitz?!) vergl. Den Flurnamen „Hundkirch“ bei Hütscheroda, auch den „Hundschen“ Gerberstein nach dem Adelsgeschlecht der Hunde von Wenkheim zu Altenstein.

23) Schon der Frankenkönig Dagobert der I. hatte 630 einen Herzog über Thüringer gesetzt (Radulf), die Thüringer beendeten 718 mit der Vertreibung des letzten dieser Herzöge (Hethan II.) diese Verwaltungsmethode, und die fränkischen Gaugrafen, die seit 784 Landeskinder ihrer Provinz waren (Lerp, Völker pp. Im heutigen Land Gotha, Seite 75), kehrten in ihre vollen Rechte zurück. Trotzdem erneuerte König Ludwig der Deutsche um 850 diese Verwaltungsart, und seine Markgrafen benutzten 876 mit mehr Glück den Erbstreit nach seinem Tode, um sich wieder zu Herzögen über Thüringen zu machen.

24) Für den Sachsenspiegel unbestritten. Aber auch das Thüringerrecht Karls des Großen beruft sich wiederholt zu seiner Rechtfertigung auf Urteilssprüche (Weistümer) und erweist sich damit als Rechtsbuch. Für das Gothaer Rechtsbuch, das später unrichtig als „Statuten“ bezeichnet wurde, darf derselbe Werdegang unterstellt werden, der zu den ersten Rechtsbüchern in Mühlhausen und Eisenach geführt hat: Aufzeichnung des vorhandenen Rechts durch den gelehrten Stadtschreiber, der das „Rechtsamt“ der jungen Städte war.

25) Z. B. lex salica. – Die Urschrift des Thüringenrechts ist verloren. Die einzige überlieferte Handschrift – Codex Corbejensis – war noch 1826 in Münster (oder Paderborn, jedenfalls nicht Corvey) vorhanden, ist wohl ebenfalls verloren, aber für die Mon. Germ. festgehalten; vgl. Merkel, Lex Angliorum pp. S. 3. Außerdem zwei Frühdrucke von 1557 (Herold) und 1613 (Lindenbrog). Deutsche Übersetzung bei Lerp, Völker pp. im heutigen Land Gotha S. 65.

26) Falls die Franken und Sachsen den besiegten Thüringern ihr Recht belassen haben, wie dies Karl der Große lt. Sso. I, 18 mit den besiegten Sachsen zweifellos getan hat. Vgl. Brückner, Landesgesetze d. Hzgt. Gotha (1867) S. 8 mit Gaupp, Das alte Recht der Thüringer S. 234.

27) Ssp. I 17-19, II 12 § 12 – Gaupp, Sachsenvolksrecht S. 7

28) Über diese Bezirke ausführlich, aber z. T. anfechtbar Lerp, Die Völker pp. im heutigen Land Gotha S. 110 ff. mit Landkarte. Hiernach gehörte das Gothaer Gebiet vermutlich zum Westgau, Altgau und Thuringgau (?) der karolingischen Staatsordnung. Vgl. auch Cod. dipl. Saxoniae Regiae (1893) mit Karte und den mitteldeutschen Heimatatlas (Halle 1939).

29) Die Handschrift ist z. Z. im Handschriftensaal der Landesbibliothek ausgestellt.

30) Schmidt-Ewald im Gothabuch I S. 131 mit Strenge-Devrient, die Stadtrechte von Eisenach, Gotha, Ohrdruf und Waltershausen (1909).

31) Strenge-Devient, die Stadtrechte pp., dessen Ausführungen nach Rondi, Das Eisenacher Rechtsbuch (1950) erheblicher Korrekturen auch für den von Rondi nicht besprochenen Gothaer Teil des Eisenacher Rechtsbuchs bedürfen. Die Arbeiten von Meyer, Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch (1934) und Patze, Recht und Verfassung Thür. Städte (1955) bringen umfassende neue Gesichtspunkte, die wir bei Strenge-Devrient vermissen.

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32) Urkundlich belegt ist ein Gothaer Stadtschreiber erstmalig für 1350 (Schmidt-Ewald Gothabuch I S. 132) mit Beck II S. 158.

33) Strenge-Devrient a. a. O. S. 2 (Urkundenteil).

34) Strenge-Devrient a. a. O. S. 196. Von Gotha alher ist kommen dytz buch und abgeschryben heymlich vorswygen 8purgold, Vorrede vor XI, 1).

35) Albrecht kämpfte bis 1262 mit seinem Vater von 1281-1287 mit seinen Söhnen um den Besitz Thüringens, verkaufte 1291 die Pfalzgrafschaft Sachsen an das Haus Askanien und entsagte schließlich 1307 freiwillig seiner Herrschaft zu Gunsten seines Sohnes Friedrich. Auch ist er durch den Mordversuch an seiner Frau gezeichnet.

36) 1270 überließ er den Waldbesitz der Gothaer Freiwaldgemeinden an das Kloster Georgenthal, bedrohte im Jahre darauf die Freiwäldler mit maßlosen Strafen, und erst 1278 beendete eine „compositio amicabilis“ der Mönche mit den Freiwalddörfern den fürstlichen Übergriff vor dem höchsten Thüringer Gerichte in Mühlhausen.

37) Patze, Recht und Verfassung thür. Städte (1954) S. 172, Strenge-Devrient, a. a. O., S. 227.

38) Schmidt-Ewald, Ursprung der Ämter Gotha pp., in Ztschr. d. VfThG. 1940, S. 103.

39) Schmidt-Ewald in Ztschr. d. VfThG (Mentz-Festgabe) 1940 S. 98 ff. mit Karte. Der Verfasser vermutet einen historischen Zusammenhang zwischen dem alten karolingischen Westgau, dem Vierstuhl zu Gotha und dem geistlichen Stuhl zu Ohrdruf. Nach der Legende soll das Vierstuhlgericht von Karl dem Großen eingesetzt sein, und zwar dort, wo bereits Gotha lag (prima sedes, vulgariter der erste Dingstuhl posita est, ubi jam Gotha situata est – Leg. Bonifacci nach Sagittarius Hist. Goth. 2. Suppl. 1701), ist aber wohl erst eine Schöpfung des Landgrafen Ludwig I. zwischen 1130 und 1140.

40) Auch dieses Privileg wird auf Karl den Großen zurückgeführt, ist aber spätere Anmaßung . Vgl. Brückner, Landesgesetze (1867) S. 34 zu dem diesbezüglichen Kapitular Karls des Großen (Baluzius, capitularia regum francorum I S. 985 – Buch VI cap. 366).

41) Der Rat der Stadt versuchte deshalb auch unentwegt dem Landesherrn die hohe Gerichtsbarkeit über Gotha abzukaufen, aber ohne Erfolg. Dagegen glückte im 1408 der Kauf der Kindleber Gerichtsbarkeit, die ein Lehen der Schwarzburger Grafen war, und seitdem übte der Gothaer Rat dort Rechte aus, die er in seiner eigenen Stadt nicht hatte. Erst 1825 wurde dieser Zustand mit seinen sonderbaren Folgen bereinigt, als die Kindleber schon seit Generationen ihr Dorf verlassen hatten und in Gotha wohnten.

42) Galetti, Geschichte und Beschreibung des Hrgt. Gotha Ii S. 5, 6.

43) Strenge-Devrient, S. 1 (Urkundenteil): „civitas Godaha“ (vgl. engl. City).

44) Landgraf Hermann baute in diesem Jahre das Sundhäuser Tor aus.

45) Jedoch wohl nur in seinen Markgrafschaften Merseburg, Zeitz, Meißen und Südthüringen?

46) Strenge-Devrient S. 394 (Urkundenteil).

47) Anlaß war das Recht des Rats, sich selbst zu ergänzen, und die hierdurch verursachte Vetternwirtschaft. Die „Viermänner“, welche die Bürgerschaft seit 1488 zur Kontrolle des Rats erhielt, schwammen bald in demselben Fahrwasser, weil auch sie nicht gewählt wurden, sondern sich selbst ergänzten. Noch Myconius beklagt sich bitter über die Gothaer Misswirtschaft zur Zeit der Reformation.

48) Vgl. hierzu allgemein Engels in „Zur deutschen Geschichte“ 1953, Bd. I, S. 157 bis 280 u. a. O.; auszugsweise in Lüdecke, „Lucas Cranach“, Henschelverlag 1953, S. 202 ff.

49) Schon der Frankenkönig Chlodwig war 496 zum römischen Christentum übergetreten. Die römische Kaiserkrönung Karls des Großen vollendete im Jahre 800 die Entwicklung. Im damals noch fränkischen Thüringen nahm Herzog Gosbert in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts die Taufe, dessen Sohn Hethan II, dann kurz vor seiner Vertreibung die berühmte Schenkung von Grundstücken in Arnstadt, Mühlhausen und Monhore (=Ohrdruf?) an die Kirche machte (704); vgl. Anm. 23).

50) Schmidt-Ewald in Ztschr. d. VfThG (Mentz-Festgabe) 1940 S. 104. – Die Wohnzellen der Stiftsherren sind noch jetzt im nördlichen Flügel des Ohrdrufer Schlosses z. T. erhalten.

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51) Das geschah auf Anstiften Johann Klenkocks, Augustinerprovienzial in Sachsen und Thüringen!

52) Die sog. „Glosse“, die seitdem ein ständiger Begleiter der Sachsenspielhandschriften und – frühdrucke ist, insbesondere der großen Zobelausgaben, über die auch unsere Landesbibliothek in typischen Exemplaren verfügt. In der Praxis wurde die Glosse schließlich wertvoller als der Text des Rechtsbuchs selbst: Quod non agnoscit glossa, non agnoscit curia (Was die Glosse nicht anerkennt, gilt auch nicht für das Gericht).

53) d. i. Christus in der typisierten Darstellungsweise der weltlichen Könige.

54) Was die Gothaer Stiftsherren 1499 nicht hinderte, den Wundarzt Vogler wegen einer Mitschuld mit dem Bannfluch zu belegen. Erst auf Befehl des Kurfürsten wurde der Fluch zurückgenommen und die Sache durch den Amtmann des Landesherrn und einige Mitglieder des Gothaer Rats entschieden. Tenzelii supplem. Hist. Goth. p. 708.

55) Die Reformation hatte in Gotha seit 1525 die Bedeutung des kanonischen Rechtes auch für die innerkirchlichen Angelegenheiten praktisch beseitigt. Trotzdem lässt noch die Landesordnung von 1666, S. 116, das kanonische Recht nach „gesundester und vernünftigster Auslegung, rechtschaffener natürlicher Billigkeit“ zu, ein köstliches Beispiel des Schwankes zwischen den Lehren von der Göttlichkeit und der Vernunft des Rechtes.

56) Sie würde uns sonst für eine frühzeitige Datierung des Gothaer Stadtrechts unschätzbare Dienste leisten! Vgl. Beck II S. 231.

57) Mitt. Goth. VfG 1926, S. 7, mit Faksimile Beilagen!

58) Andere römische Rechtssätze: sic volo, sic jubeo – so will ich’s, so befehle ich’s; voluntas prinzipis suprema lex – Fürstenwille ist oberstes Gesetz.

59) Das geschah bei uns auf den Universiäten von Leipzig (1409), Wittenberg (1502) und Jena (1557). Der Georgenthaler Hexenrichter Leo war z. B. noch Volksrichter, sein Nachfolger Hammermüller bereits studierter Jurist.

60) Im letzten der 16 Artikel, deren Bewilligung die schwäbischen Bauern 1524 vorm Stockacher Gericht verlangen wollten.

61) Goth. Ges. Sg. I Nr. 10 § 26. Aber erst die Verordnung vom 8.2.36 (Ges. Sg. III, S. 186) brachte Klarheit über die Zulässigkeit einer Verurteilung ohne Geständnis, bei ausreichenden Indizien.

62) Die kursächsischen Konstitutionen galten in Gotha nur mittelbar, weil Gotha damals nicht kursächsisch war (vgl. LO 1666, S. 116 und Goth, Ges. v. 23.9.1785).

63) Trotzdem verteidigte der Rat zäh die Freiheiten der Stadt gegen den Landesherrn. 1412 läßt er gegen den Befehl des Landesherrn an dessen Vettern in die Stadt, um sich ihre Beschwerden anzuhören. 1567 übergibt er die Stadt gegen den Befehl des Landesherrn an dessen Gegner und bewahrt sie dadurch vor der völligen Zerstörung. Noch 1605 wehrt sich der Rat mit Erfolg gegen den Versuch des Landesherrn, der Stadt einen Vogt vorzusetzen, und bei einem sonst sehr ungünstigen landesherrlichen Schied von 1623 setzt der Rat wenigstens sein Recht durch, das landesherrliche Amt mit den Bürgern der Stadt nicht direkt, sondern nur über den Rat in Rechtsverkehr treten zu lassen.

64) Die anderen Adelsgerichte im Gothaischen waren schon zuvor auf den Staat übergegangen (Uetterodt 1837, Wangenheim 1839, Gleichen mit Ohrdruf 1848).

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