Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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03.09.2008 Gericht Asylgerichtshof Entscheidungsdatum 03.09.2008 Geschäftszahl E10 312453-1/2008 Spruch E10 312.453-1/2008-26E ERKENNTNIS Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des A. R., StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.05.2007 FZ.02 28.553-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2008 zu Recht erkannt: Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 (1), 8 (2) AsylG Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 iVm § 75 Abs. 1 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen. Text E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an: 1. Bisheriger Verfahrenshergang 1.1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von (nunmehr) Serbien, reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 28.09.2002 einen Asylantrag ein. Dazu wurde er an den im bekämpften Bescheid ersichtlichen Daten von einem Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenem Bescheid vollständig wiedergegeben. Der BF brachte zusammengefasst vor, er gehöre der albanischen Minderheit Südserbiens an, wäre als solcher den von ihm näher genannten Repressalien ausgesetzt gewesen, hätte schließlich in der UCBMP gekämpft und im Anschluss Serbien verlassen. 2003/2004 hätte er einen Einberufungsbefehl zum serbischen Militär erhalten. Es würde wegen der Nichtableistung des Wehrdienstes in Serbien nach ihm gefahndet. 1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.05.2007 FZ. 02 28.553-BALwurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in dessen Herkunftsstaat wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat ausgewiesen (Spruchpunkt III). Das Bundesasylamt erachtete die vom BF vorgebrachten Ausreisegründe bzw. Rückkehrhindernisse aus den im erstinstanzlichen Bescheid genannten Gründen als nicht glaubwürdig. Weiters ging das Bundesasylamt davon aus, dass dem BF eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aus der Sicht des § 8 Abs. 1 zumutbar wäre und auch keinen unrechtmäßigen Eingriff in sein gem. Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben darstellen würden. 1.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 29.05.2007 innerhalb offener Frist "Berufung" [nunmehr: "Beschwerde"] erhoben. Der BFV bekräftigte das Vorbringen des BF, trat dem erstinstanzlichen www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 43 Asylgerichtshof 03.09.2008 Erhebungsergebnis entgegen und beantragte weitere Ermittlungen. Ebenso ging der BFV davon aus, der BF würde in Serbien keine weitere Existenzgrundlage vorfinden. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen. 1.4. Im Rahmen des Berufungsverfahrens richtete der Unabhängige Bundesasylsenat Anfragen an die ÖB Belgrad, sowie an die OSCE-Mission in Serbien, welche von dieser Behörde jedoch völlig unberücksichtigt blieben und nicht beantwortet wurden, weshalb das zuständige Senatsmitglied die in der nachfolgend beschriebenen Berufungsverhandlung beschriebenen -eine Anfragebeantwortung durch die ÖB Belgrad gleichwertige- Quellen zur Entscheidungsfindung heranzog. 1.5. Am 11.3.2008 führte der Unabhängige Bundesasylsenat eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. Deren wesentlicher Verlauf wird wie folgt wieder gegeben: "... VL: Sind Sie heute in der Lage der Verhandlung aufmerksam zu folgen, und an Sie gerichtete Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten? BW: Ja. VL: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher? BW: Gut. VL eröffnet die Beweisaufnahme VL: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (psychisch und physisch)? BW: Es geht mir gut, aber ich bin in letzter Zeit sehr vergesslich, wenn es um Daten geht. Danach gefragt gebe ich an, dass ich nicht in ärztlicher Behandlung bin und auch keine Medikamente einnehme. Danach gefragt gebe ich an, dass ich nicht so vergesslich bin, dass ich den Alltag nicht mehr bewältigen könnte. VL: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor dem Bundesasylamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen? BW: Ich hätte etwas hinzuzufügen. Was ich vor dem BAA sagte, entsprach der Wahrheit. Danach gefragt gebe ich an, dass auch andere Gründe hinzugekommen sind. Der Akteninhalt einschließlich der erstinstanzlichen Entscheidung und der Inhalt der Berufung werden mit dem BW erörtert. Hierzu gibt der BW Folgendes an: Der Akteninhalt und der Inhalt der Berufung wurden richtig wiedergegeben. VL: Ist Ihnen der Inhalt der Berufungsschrift bekannt? BW: Ja. VL: Halten Sie den Inhalt der Berufungsschrift und die dort gestellten Anträge aufrecht? BW: Ja. VL: Schildern Sie Ihre privaten und familiären Verhältnisse in Österreich. BW: Ich lebe mit meiner Verlobten die deutsche Staatsbürgerin ist zusammen. Ich habe einen Onkel der in M. lebt. Danach gefragt gebe ich an, dass mein Onkel Asylwerber ist und die Arbeitsbewilligung hat. Sein Name ist J. R.. Danach gefragt gebe ich an, dass ich mit meiner Verlobten in Österreich lebe. Wir leben gemeinsam seit 2006 in einer Wohnung. www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 43 Asylgerichtshof 03.09.2008 Die Verlobte des BWs Frau L. N. (ausgewiesen mit deutschen Personalausweis, bestätigt die Angaben des BWs als Auskunftsperson) BWV an Auskunftsperson: Haben Sie vor zu heiraten? Auskunftsperson: Ja. BWV: Wo wollen Sie dann leben? Auskunftsperson: Wir würden gerne in Deutschland leben, weil dort meine Familie ist. Das geht aber nicht, weil er nicht einreisen darf. Wir erhielten in Linz eine Heiratserlaubnis, ich habe aber das verlangte Ehefähigkeitszeugnis der deutschen Behörden noch nicht erhalten, weil sie mich verdächtigen, eine Aufenthaltsehe eingehen zu wollen. BWV: Ist dieser Verdacht zutreffend? Auskunftsperson: Nein. Sowohl BW als auch BWV verzichten auf eine förmliche Befragung der Auskunftsperson als Zeugin, der VL erachtet eine solche als ebenfalls nicht notwendig. VL: Wollen Sie noch etwas zu Ihren familiären und privaten Verhältnissen in Österreich angeben? BW: Ich bekomme 180 Euro im Monat und werde von meiner Verlobten unterstützt. Danach gefragt gebe ich an, dass ich zu meinem Onkel in M. keine besondere qualifizierte Bindung gibt. VL: Aus welchem Teil von Serbien stammen Sie? BW: Aus X. VL: Schildern Sie Ihre privaten und familiären Verhältnisse in Serbien. BW: Zurzeit bin ich im Kontakt mit meinem Bruder. Mit meinem Vater habe ich seit ungefähr einem Jahr den Kontakt abgebrochen, weil er ein streng muslimischer Mensch ist. Ein Bekannter, der in Deutschland lebt, hat ihm erzählt, dass ich mich nicht an die muslimischen Regeln halte. Er möchte nichts mehr von mir wissen. Danach gefragt gebe ich an, dass mein Bruder auch sehr streng muslimisch lebt. Er ist auch in die Koranschule gegangen. VL: Warum spricht dann Ihr Bruder noch mit Ihnen, wenn er auch streng muslimisch ist? BW: Ich weiß es nicht, aber wir haben nur telefonischen Kontakt. Wir sprechen ein oder zwei Mal im Monat miteinander. VL: Wovon lebt Ihre Familie in Südserbien? BW: Sie arbeiten zu Hause auf der Landwirtschaft. Danach gefragt gebe ich an, dass die Landwirtschaft meinen Vater gehört. VL: Wie würde Ihr Vater reagieren, wenn Sie auf einmal zu Hause vor der Haustüre stehen würden? BW: Er würde mich als Sohn nicht akzeptieren. Er sagte mir am Telefon, dass ich nicht mehr sein Sohn bin. VL: Waren Sie, als Sie aus X weggingen ein isolierter Einzelgänger oder hatten Sie einen Freundes- und Bekanntenkreis? BW: In der Kriegszeit war ich eher ein Einzelgänger, weil die verschiedenen Leute ihre eigenen Wege gingen. VL: Haben Sie noch zu anderen Personen Kontakt in Serbien? www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 43 Asylgerichtshof 03.09.2008 BW: Nein. Die Freunde, die ich in Serbien hatte, sind alle im Ausland. Einer von denen lebt in Wels. VL: Aufgrund des Akteninhaltes ist davon auszugehen, dass Sie der Volksgruppe der Albaner angehören, aus einem mehrheitlich von Albanern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Islam bekennen. BW: Ja, das stimmt. VL: Ich war im Jahre 2004 kurz in X. Beim dortigen Straßenbild und den Auftreten der Menschen hat man nicht das Gefühl, dass man sich in einer fundamentalistisch-islamischen Gesellschaft befindet, sondern die Menschen eher sekulär geprägt sind. BW: Dort wo ich aufgewachsen bin, im Dorf XY, sind die Menschen streng muslimisch und gehen in die Koranschule. Mein Vater ist auch einer von denen. VL: Haben sich Sie und Ihre Verlobte in Deutschland oder Österreich kennen gelernt? BW: In Deutschland. VL: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Serbien verlassen haben vollständig und wahrheitsgemäß. Falls Sie sich auf konkrete Ereignisse beziehen, benennen Sie auch den Zeit wann und den Ort wo diese stattfanden und die Personen die daran beteiligt waren. BW: Ende 1999 hatten wir eine Kontrolle im Dorf. Diese Kontrolle führte die serbische Polizei durch. Ich war damals 15 Jahre alt und bin in meinem Zimmer gesessen und habe die albanische Flagge gezeichnet. Dann kam mein Vater ins Zimmer und ein paar Leute der Armee sind ins Haus gekommen und haben gesehen, was ich zeichnete. Einer hat ein Messer herausgenommen und sprach von einem Massaker. Dann hat meine Mutter geschrieen und sagte, dass sie mir nichts antun sollen. Dann haben sie mich geschlagen. Ich war drei Wochen lang im Koma. Nachdem sie mich schlugen bin ich nicht ins Spital gegangen, sondern war in häuslicher Pflege. In dieser Zeit wurden in meinem Dorf viele Leute von der serbischen Armee und der Polizei geschlagen. Die Personen der Armee waren alle maskiert. Anfang 2000 bin ich mit dem Traktor auf dem landwirtschaftlichen Grundstück gefahren. Auf der Rückfahrt haben mich drei Polizisten aufgehalten, einer von denen hat mich nach Geld gefragt und der andere danach, ob ich etwas von einem Zug aus der Nähe mitgenommen hätte. Einer hat mich mit der Faust ins Gesicht geschlagen, der andere trat mich von hinten. Ich war bewusstlos und ein Nachbar fuhr mich mit dem Traktor nach Hause. 2000 bin ich der UCBMP beigetreten. Im Mai 2001 gaben wir die Waffen ab.