"Die Veteranengemeinschaft" Die Vermittlung Von Selbstbildern In
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"Die Veteranengemeinschaft" Die Vermittlung von Selbstbildern in Texten deutscher Linksterroristen der 1970er und 1980er Jahre Inauguraldissertation zur Erlangung des Akademischen Grades eines Dr. phil., vorgelegt dem Fachbereich 07 Geschichts- und Kulturwissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von Gunnar Meier aus Neuwied 2019 Inhaltsverzeichnis I. Einführung 1 1. Zur Aktualität des Forschungsgegenstands 1 2. Forschungsstand und Fragestellung 8 II. Quellenspezifische und sozialpsychologische Grundlagen 22 1. Quellen 22 1.1 Auswahlkriterien und Zusammensetzung des 22 Untersuchungssamples 1.2 Ego-Dokumente und Besonderheiten autobiografischer 25 Narrationen 2. Sozialpsychologische Perspektive: Selbstbild 29 und Selbstkonzept 2.1 Begriffe und Definitionen 29 2.2 Konstitution von Selbstbildern im Lebensverlauf 34 2.3 Wirkungszusammenhänge zwischen Selbstkonzept 36 und Selbstwert 2.4 Soziale Identität und interpersonelle Wahrnehmung 39 2.5 Verbindung von Autobiografie und Selbstbild 42 2.6 Narzissmus und terroristisches Handeln 44 3. Wirkung externer Einflüsse auf linksterroristische Täterbiografien 51 3.1 Frühe biografische Belastungen 54 3.2 Kollektive Wohnformen und Subkulturalität 58 3.3 Einflusspersonen und Paarbeziehungen 63 3.4 Umgang der deutschen Linksterroristen mit der Etikett- ierung „Terrorist“ 66 3.5 Frauen im Linksterrorismus 69 III. Analyse der Täterbiografien 77 1. Täterbiografien aus der RAF 77 1.1 Klaus Jünschke 77 1.2 Karl-Heinz Dellwo 80 1.3 Peter-Jürgen Boock 82 1.4 Stefan Wisniewski 86 1.5 Christian Klar 88 1.6 Birgit Elisabeth Hogefeld 92 2. Täterbiografien aus der „Bewegung 2. Juni“ und den 95 „Revolutionären Zellen“ 2.1 Inge Viett 95 2.2 Gabriele Rollnik 98 2.3 Hans-Joachim Klein 101 3. Querschnitte 105 3.1 Biografische Belastungen in Kindheit und Jugend 105 3.2 Politisierung und Radikalisierung 119 3.3 Spezifika der weiblichen Linksterroristinnen 131 IV. Rechtfertigungsprozesse und Täterselbstbilder 138 1. Rechtfertigungsprozesse 138 1.1 Muster der Selbstvergewisserung 138 1.2 Konflikt mit der Vätergeneration 139 1.3 Identifikation mit dem Kampf gegen Imperialismus 149 und Faschismus 1.4 Kriegsanalogie 162 1.5 Umgang mit persönlicher Schuld 168 1.6 Strategien der Selbstentlastung 178 2. Individuelle Selbstkonzepte 183 2.1 Täterselbstbilder der Mitglieder der RAF 183 2.1.1 Klaus Jünsche 183 2.1.2 Karl-Heinz Dellwo 187 2.1.3 Peter-Jürgen Boock 189 2.1.4 Stefan Wisniewski 193 2.1.5 Christian Klar 195 2.1.6 Birgit Elisabeth Hogefeld 199 2.2 Täterselbstbilder der Mitglieder der „Bewegung 2. Juni“ 203 und der „Revolutionären Zellen“ 2.2.1 Inge Viett 203 2.2.2 Gabriele Rollnik 207 2.2.3 Hans-Joachim Klein 210 3. Kritische Selbstreflexionen 214 4. Bilanzierung des (eigenen) terroristischen Handelns 228 V. Zusammenfassung der Ergebnisse: Merkmale eines 236 kollektiven linksterroristischen Selbstbildes Quellenverzeichnis 245 Literaturverzeichnis 250 Beiträge aus Nachrichtenmagazinen, Tages- und Wochenzeitschriften, 260 Fachmagazinen und Datenbanken Abkürzungsverzeichnis BDI Bundesverband der deutschen Industrie BGH Bundesgerichtshof BKA Bundeskriminalamt DFU Deutsche Friedensunion GIM Gruppe internationaler Marxisten IM Inoffizieller Mitarbeiter für das MfS JVA Justizvollzugsanstalt KPD Kommunistische Partei Deutschlands MfS Ministerium für Staatssicherheit der DDR NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei OLG Oberlandesgericht OPEC Organization of the Petroleum Exporting Countries OStA Oberstaatsanwalt PFLP People’s Front of the Liberation of Palestine RAF Rote Armee Fraktion RC Republikanischer Club RZ Revolutionäre Zellen SDS Sozialdemokratischer Studentenbund SG Sicherungsgruppe SOKO B/M Sonderkommision „Baader-Mahler-Meinhof“ SPK Sozialistisches Patientenkollektiv StGB Strafgesetzbuch WUO Weather Underground Organisation I. Einführung 1. Zur Aktualität des Forschungsgegenstands Am 5. September 2017 jährte sich zum 40. Mal die Entführung des damaligen Präsi- denten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Hanns Martin Schleyer. Am spä- ten Nachmittag des 5. September 1977, gegen 17.28 Uhr, hatte das „Kommando Sieg- fried Hausner“ der „Roten Armee Fraktion“ (im Folgenden: RAF) in der Vincenz-Statz- Straße in Köln-Braunsfeld mit Schnellfeuergewehren drei Polizisten1 und den Fahrer des Arbeitgeberpräsidenten2 ermordet und Hanns Martin Schleyer entführt.3 Nach 44 Tagen Geiselhaft tötete die RAF schließlich auch den Entführten.4 Den Auftakt zum blutigen „Deutschen Herbst"5 vor 40 Jahren nahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Anlass, am 5. September 2017 am Ort des Geschehens durch eine Kranzniederlegung der Opfer zu gedenken und am selben Tag in der Villa Hammerschmidt an die Täter zu appellieren, sich durch Aufklärung ihrer Taten endlich ihrer Verantwortung zu stellen: „Das Schweigen der Täter verhindert eine vollständige Aufarbeitung bis heute. Der Mythos der Terroristen lebt von diesem Schweigen, lebt von den immer wiederkehrenden, unbeantworteten Fragen.“6 Dieser „Mythos“ hält auch durch das Faszinosum an, welches bis in die Gegenwart von der RAF ausgeht. 1 Die ermordeten Polizisten waren der 41-jährige Polizeihauptmeister Reinhold Brändle sowie die Polizeimeister Roland Pieler (20 Jahre) und Helmut Ulmer (24 Jahre), die zum Personenschutz des Arbeitgeberpräsidenten ein- gesetzt worden waren. Sie wurden von insgesamt über 100 Schüssen der an der Tat beteiligten RAF-Terroristen getroffen (vgl. Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex. München 2010, S. 650; Peters, Butz: Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF. Frankfurt 2007, S. 404; Pflieger, Klaus: Die Rote Armee Fraktion. RAF 14.05.1970 bis 20.04.1998. Baden-Baden 2011, S. 114 f.). 2 Bei dem Opfer handelte es sich um den 41-jährigen Heinz Marcisz (ebd.). 3 Vgl. zur näheren Tatausführung u.a. „Das Kölner Attentat. Am Tatort: 300 Patronenhülsen“. In: Die Zeit online, 09.09.1977. URL: http://www.zeit.de/1977/38/am-tatort-300-patronenhuelsen (Aufruf am 10.09.2017). 4 PETERS, Irrtum, S.468-470, S. 844. 5 Mit dem Begriff „Deutscher Herbst“, der sich von dem Episodenfilm „Deutschland im Herbst“ aus dem Jahr 1978 ableitet, wird gemeinhin der durch den RAF-Terrorismus geprägte Zeitraum September, Oktober 1977 be- zeichnet, beginnend am 5. September 1977 mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und endend mit dem Selbstmord der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten Führungsmitglieder der ers- ten Generation der RAF Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe sowie der anschließenden Ermor- dung Hanns Martin Schleyers. 6 Ansprache zum Auftakt der Gesprächsrunde „Von der Bonner zur Berliner Republik: Erinnerungen und Lehrstü- cke“ am 5. September 2017 in der Villa Hammerschmidt, URL: http://www.bundespraesident.de/Shared- Docs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2017/09/170905-Bonn-Villa-Gespraechsrunde.html;jsessio- nid=EE9027D5069F293CDEB46652E81BE75F.1_cid371 (Aufruf am 10.09.2017). 1 „Inzwischen ist die RAF zu einer Art Referenzsystem des gegenwärtigen Terrorismus geworden.“7 Obwohl seit dem 11. September 2001 unvergleichlich mehr Menschen dem islamistisch-motivierten Terrorismus als dem deutschen Linksterrorismus – und im Besonderen der RAF8 – zum Opfer gefallen sind, haben „[…] weder Al-Quaida, der Islamische Staat noch irgendeine andere Terrormiliz […] in der Bundesrepublik Deutschland jene Stelle zu besetzen vermocht, die einst die RAF eingenommen hat.“9 Seinen Appell wiederholte Frank-Walter Steinmeier im Rahmen der Veranstaltung „Die Freiheit verteidigen, die Demokratie stärken – eine bleibende Herausforderung" zum 40. Todestag von Hanns Martin Schleyer am 18. Oktober 2017, als er den Tätern, die nach vielen Jahren noch immer schwiegen, vorwarf, sie machten sich moralisch ein zweites Mal schuldig, nun an den Angehörigen der Opfer. Wenn die Täter Rückgrat besäßen, dann sollten sie reden und Antwort auf die immer noch offenen Fragen ge- ben.10 Die Aussage des Bundespräsidenten, die RAF-Täter schwiegen zu ihren Taten, kann jedoch in dieser Absolutheit nicht stehen bleiben. So erschien nahezu zeitgleich an- lässlich des Jahrestages der Entführung Hanns Martin Schleyers im Nachrichtenma- gazin „Der Spiegel“ ein Interview mit dem an der Tat beteiligten Ex-Linksterroristen Peter-Jürgen Boock11, in dem dieser minutiös die Abläufe rund um die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers schildert und sich in diesem Zusammenhang auch zum Selbstbild und Innenleben der RAF äußert.12 Richtig ist jedoch auch, dass sich bis heute kein weiterer Terrorist aus der Führungsebene der RAF zu den näheren Um- ständen der Entführung und Ermordung Schleyers in den Medien geäußert hat. 7 Kraushaar, Wolfgang: Die blinden Flecken der RAF.Hamburg 2017, S. 8 (Hervorhebungen im Original). 8 Vgl. zur Zahl der Opfer und Verletzten durch die RAF: Winkler, Willi: Die Geschichte der RAF. Reinbek 2008, S. 440. 9 Ebd., S. 353. 10 Diskussionsveranstaltung zum 40. Todestag von Hanns Martin Schleyer. URL: www.bundespraesi- dent.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2017/10/171018-Hanns-Martin-Schleyer.html (Aufruf am 19.10.2017). 11 Peter-Jürgen Boock gehörte zusammen mit Willy-Peter Stoll, Stefan Wisniewski und Sieglinde Hofmann dem Entführungskommando an und gab nach den Ermittlungen des Bundeskriminalamtes dabei aus seiner Waffe elf Schüsse ab (vgl. Quellenverweise in Anmerkung 1). 12 Vgl. Sontheimer, Michael: Ex-RAF-Terrorist Boock: „Es ist scheiße, ein Mörder zu sein“. In: Der Spiegel 35 (2017), S. 14-27. 2 Dabei darf allerdings