Interview Mit Günter Gaus
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••• ~ ·--.tl~~\,I(2.. "1-'-\' ~ -!Angeh6rlgen, freunden Angeh orlgen Info und freundinnen politischer Gefangener In der BRD C 10190 15.2.2002 Preis: 1,55€ 256 Zur Person Günter Gaus im Gespräch mit Christion Klar Günter Gaus: Mein heutiger Interviewpart• auf und dann beginnt die Vergangenheit, die ner, Christian Klar, geboren 1952 in Freiburg Gegenwart zu werden, ist meine Fragejetzt: im Breisgau, ist seit 19 Jahren inhaftiert. Er Sie kriegen die Gegenwartja doch nur gefil• gilt als ein führendes Mitglied der Rote Ar• tert mit, durch Medien. Haben Sie den Ein• mee Fraktion, die radikal die Gesellschafts• druck, dass das, was Sie an Realitätsbewus• ordnung der Bundesrepublik bekämpft hat stsein für die Gegenwart haben, dass Ihnen und dabei zahlreiche Morde und Terroran• das zur Urteilsbildung genügt, oder denken schläge verübte. Klar ist 1982 in Stammheim Sie gelegentlich, manches verstehe ich gar wegen mehrfachen Mordes, darunter auch nicht mehr? dem an Martin Schleyer, zu fünf mal le• benslänglich und zusätzlich 15 Jahren Haft Natürlich, gerade die subjektiven Verände• verurteilt worden. Klar verbüßt seine Strafe rungen, die man nicht mitleben kann, da ist in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, wo eine Grenze. Zum Teilkommt was davon an, auch mein Interview mit ihm aufgezeichnet in den Knästen auch, durch die Gefangenen, worden ist. Sehen Sie: Zur Person Christian die hier eingeliefert werden, da merkt man Klar. auch Unterschiede. Bis in die 80er Jahre, An• fang der 90er hat man noch ein bisschen das Günter Gaus: Bei der Vorbereitung auf die• fortschrittliche Milieu allgemein unter den ses Interoiew. Herr Klar, sind Begriffe wie Ro• Gefangenen festgestellt Dann irgendwann te Armee Fraktion, Stammheimprozesse, fing es an - die veränderte Situation draußen sind Opfernamen wie Buback, Schleyer, Pon• - dass Menschen eingeliefert werden, to, Täternamen wie Meinhof, Ensslin, Raspe hauptsächlich, wie die Politik geworden ist, belebt worden, die weit in die Vergangenheit Teile der Bevölkerung als Ausschuss anzu• zuTÜckftihren. Sie selbst sind seit 19 Jahren sehen. Die werden dann irgendwann einge• inhaftiert. Bedeutet dies. dass sie überwie• sammelt und landen im Knast und bringen gend ein Leben im Kopf, in der Vergangen• eine Menge Elend mit. Das kommt dann auch Christian Klar 1992 heit ftihren? von den Veränderungen durch eigenes Erle• ben hier an. Meistens nicht Ich habe ein oder zweimal Christian Klar: Ich erinnere mich, dass die erlebt, tatsächlich mal - Leute von draußen, Vorstellung schon ganz verbreitet gewesen Können Sie das, was für Sie die Gegenwart die haben gar nicht selber gesessen - aus ir• ist - es ist immer ein Bild gezeichnet wor• im Knast ist, wie Sie sagen, können Sie die• gendeinem Grund, die andere Chemie vom den von Gefangenen, dass die mit dem Tag se Normalität, die jetzt Ihre Normalität ist, Knast kapieren. In der Regel aber nicht. Die ihrer Verhaftung an dem Punkt stehen blei• können Sie die den Menschen, die Ihnen ganze Chemie ist anders. ben. Meine Erfahrung ist ganz anders, es ist draußen nahe stehen - beispielsweise Ihrer ganz normal die Auseinandersetzung mit der Mutter - können Sie das denen erläutern oder Können Sie versuchen - ich denke, das ist Entwicklung. Besonders seit Anfang der 90 gibt es eine Erfahrung, die Sie haben, und sehr schwer - ich möchte an dieser Stelle sa• Jahre, wo wir in den Gefängnissen Verände• selbst die, die Sie sehr lieben und die Sie be• gen, ich bin bei allen Fragen sehr befangen, rungen verarbeiten mussten - vielleicht ist suchen, nicht haben können und nicht haben was ich sonst nicht bin bei meinen lntenrie• der Nenner davon, wie die Reaktion herrscht sollen, und die von daher doch eine Art ws - befangen durch das Ungewohnte. Kön• seit Anfang der 90er Jahre. Bomben auf Bel• Trennscheibe ist, auch wenn es die Trenn• nen Sie versuchen, dieses, was Sie die Che• grad kommen auch im Knast an. Ein Wir• scheibe im Besuchszimmer nicht mehr gibt. mie im Knast nennen, können Sie versuchen kungsloswerden der Subjektivität der Linken Ist das schwierig oder können Sie das ver• das zu beschreiben? Oder geht das nicht? auch - nur kann man da im Knast nicht viel ständlich machen? Vorschläge machen. Esist das Eingeschlossensein. Ich muss nichts Die Grundlage, die man im Knast erlebt? allgemein über Knast erzählen ... Nein, das kann man sicher nicht. Aber die Frage ist jetzt ftir mich, so wie sagen, nein, Ja. Wie weit können Sie das Ihren Besuchern Ich könnte es nicht erklären, wahrscheinlich. anders als das so allgemein erwartet wird, von draußen vermitteln? Ich kann esja nicht mal richtig fragen. das hört nicht mit dem Tag der Einlieferung -~. drin ist. wegen bin ich früh fort gegangen. Eigentlich eine Familie, wo Sta• tus keine Rolle gespielt hat. Die Ihre Mutter hat mir erzählt, dass Ihr Vater Wohnung, alles, was nötig ist zum Mitglied der SPD war und dann wegen der täglichen Leben - das ist eine gute Bildungspolitik der Sozialdemokraten zur Lehre gewesen, nur auf den Ge• CDUgegangen ist. Hat Politik in Ihrem El• brauchswert zu achten, nicht was ternhaus oder in Ihrem Umgang mit Ihrem her machen zu müssen mit Woh• Vater eine Rolle gespielt, hat es von daher nungseinrichtung und derglei• Debatten gegeben, Konflikte? chen. Meine Mutter - eine sehr frei eingestellte Frau - ich erinnere Hat es wohl, aber mehr spontan mal. Ei• mich an viele Kämpfe von ihr mit gentlich hat es keine so große Rolle gespielt. den Nachbarn, weil sie ihre Kin• Ich habe mich erst hinterher mal dran erin• der nicht prügelt, die zu fünft nert - wie ich ihn einerseits eher konserva• natürlich viel durcheinander ge• tiv erlebt hat, und irgendwann hat er aber, bracht haben und sie die Kinder erinnere ich mich, aufMao Tse-Tung große Das Eingeschlossensein frei aufwachsen gelassen hat. Der Stücke geschworen. So widersprüchlich, aber Vater - schon stärker mit Ambi• es hat keine große Rolle gespielt in der Be• Es gibt viele Techniken von Gefangenen, tionen die mit Bildungshintergrund zusam• ziehung. Ich bin früh fort. nichts an sich ran zu lassen. men gehangen haben - alle mög• lichen Pläne. Fünf Kinder sind Entschuldigen Sie diese Frage, die ich jetzt dann doch zuviel, um damit stelle: Können Sie noch ..Glück" defini:>ren? durchzukommen damit. Die an• dere Seite auch bei ihm, Kumpel• Das wäre zu theoretisch. Das ist vielleicht ein haftigkeit. ganz liebenswert. Sein Beispiel dafür, dass man es sich dann ir• Hintergrund wohl autoritär • gendwo rausholen muss, aber kaum eine le• muss man eher sagen - vom po• bendige Erfahrung, die dem entspricht. litischen. Das gilt auch für heute; ich hö• re von meinen Geschwistern ab lYorauf setzen Sie Ihre Hoffnung? und zu. Ich hab da das Gefühl der Zuneigung, aber gleichzeitig ist nie viel zusammen gelaufen. lr• gendwas ist da bei mir anders ge• wesen - das Konzept. das Bür• gerkonzept ist für mich ein Kon• ... dass Menschen sich mit Unterdrückung und Demüti• zeptvon Einsamkeit. so ist mir das gung nicht abfinden. Genua, Marsch der 50 000 Mi• anschaulich geworden und des- granten, 19.7.2001, Bild: Arbeiterfotograf~ Rauch seiner selbstgedrehten Zigaretten, Sie meinen jetzt die Globalisierungsgegner... Gerd (Spoosy) er sommers wie winters in Sandalen da• sitzend und so treffend trocken wie hu• Die Demonstration in Genua, ja. Da kann KIusmeyer ist tot. morvoll argumentierend. man eine Menge drüber reden und da kommt Wir vermissen ihn sehr. sogar im Knast was davon an, auch von der Entwicklung - das ist natürlich auch Hoff• Wir sind erschüttert über den plötzlichen Iiiigo Schmitt-Reinholtz, Nürnberg. auch nung. Tod unseres lieben Freundes, Kollegen für und Genossen Rechtsanwalt Gerd Klus• Dieter Adler, Hannover; Ute Brandt, Wir werden darauf noch kommen. Jetzt zur meyer. Hamburg; Anke Brenneke-Eggers, Ham• Person Christian Klar. Geboren am 20. Mai Für viele, viele Jahre hat er beruflich burg; Ursula Ehrhardt, Hamburg; 1952 in Freiburg,die Eltern gehören zur bür• und privat sich äußerst engagiert für die Berthold Fresenius, Frankfurt; Andreas gerlichen Akademikerschaft und sind beide Belange der politischen Gefangenen ein• Groß, Wiesbaden; mrike Halm. Hanno• im Schuldienst tätig. Der Vater ist am Ende gesetzt. ver; Martin Heiming, Heidelberg; Thomas seiner Karriere Vizepräsident des Oberschul• Erwar ein Protagonist der Anwälte, von Herzog, Berlin; Hartmut Jacobi, Ham• amtes in Karlsruhe. Er ist 1992 gestorben. denen vor vielen Jahren ein Mandat ein• burg; Jens Janssen, Freiburg; Barbara Die Mutter ist Lehrerinfür Mathematik und mal sagte, dass sie bei der Verteidigung Klawitter, Hannover; Rainer Koch, Frank• Physik gewesen. Sie haben vier Geschwister. der politischen Gefangenen "in der gro• furt; Heike Krause, Köln; Wolfgang Kro• Der Zusammenhalt der Familie, soweit ich tesken Situation stehen, die letzten Ver• nauer, Frankfurt; Roswitha Maul, Frank• erfahren konnte, ist durchs Christian Klars teidiger des bürgerlichen Rechtsstaates zu furt; Michael Moos, Freiburg; Dietmar Leben als Terrorist und seine Verurteilung sein" und dabei die Brüchigkeit dieses Müller, Kö'1n; Johannes Pausch, Düssel• und Inhaftierung nicht aufgelöst worden. Versuches vielfach erlebt zu haben. dorf; Johannes Santen, Hamburg; Tho• Mögen Sie etwas überIhre Eltern sagen, Herr In seiner anwaltlichen Arbeit für die mas Scherzberg, Frankfurt; Heinz-Jürgen Klar? politischen Gefangenen war Gerd Klus• Schneider, Hamburg; Michael Schubert, meyer unermüdlicher Motor und Ideen• Freiburg; Hans-Eberhard Schultz, Bre• Ja, das ist eine Familie - fünf Kinder sagt geber, gerade auch für seine Kollegen, die men; Renate Schultz,