Den Technologischen Vorsprung Weiter Ausbauen
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Wehrtechnik Den technologischen Vorsprung weiter ausbauen Interview mit Thomas Gottschild, Geschäftsführer MBDA Deutschland GmbH und Executive Group Director Strategy MBDA Sehr geehrter Herr Gottschild, die deutsche Sicher- den Eurofighter, die Rafale und die Gripen. Er ist heits- und Verteidigungspolitik ist durch die mo- technologisch in Präzision und Reichweite welt- mentane halbjährige EU-Ratspräsidentschaft ge- weit unerreicht. Das Kernstück kommt dabei aus prägt. Inwieweit arbeitet MBDA Deutschland nicht Deutschland. Der Ramjet, also der Motor des nur unter rein nationalen Aspekten, sondern auch Flugkörpers, wird durch die Bayern-Chemie in im europäischen Verbund? Aschau, und der Gefechtskopf wird von der TDW in MBDA Deutschland ist ein integraler Bestandteil Schrobenhausen entwickelt und gefertigt. Beide des europäischen Unternehmens MBDA. Wir sind Firmen sind 100 Prozent Töchter von MBDA innerhalb der MBDA-Gruppe durch gemeinsame Deutschland. Damit tragen wir wesentlich zu die- Vorhaben und durch den Zugriff auf Technologien sem europäischen Projekt bei. Sechs europäische und Know-how auf europäischer Ebene aktiv und Nationen haben Meteor beschafft sowie eine Reihe verbunden. Gleichzeitig tragen wir in Deutschland von Exportnationen. den Forderungen und Belangen nach Souveränität und eigenen, auch geschützten Lösungen gegen- Sie sind ja auch für die strategische Ausrichtung über unserem nationalen Kunden Rechnung. Dieser der MBDA Group verantwortlich. Inwieweit prägt Spagat zwischen einer integrierten, europäischen diese Aufgabe Ihre Arbeit und welche Themen Aufstellung und den nationalen Bedürfnissen ge- stehen da im Schwerpunkt? lingt uns gut. Hier kommt es darauf an, für die gesamte Gruppe Entwicklungen erfolgen hauptsächlich in Koopera- weit vorauszuschauen. Wir wollen unsere Position als tionen – sowohl europäisch als auch transatlantisch. europäischer Champion und als einer der drei Welt- Projekte sind erfolgreich, wenn sich Politik, Streit- marktführer im Bereich der Lenkflugkörper weiter kräfte und Industrie auf einen Entwicklungs- und stärken und ausbauen. Dazu müssen wir ständig Zielrahmen einigen und an einem Strang ziehen. evaluieren: Wie entwickelt sich der Weltmarkt? Welche Forderungen entwickeln sich aus Krisen- An welchen Projekten kann man das festmachen? herden und Konflikten? Was ist der Bedarf unserer Unser Paradebeispiel ist das Projekt Meteor. Ein Kunden? Und das mit einem Horizont, der über den Flugkörper der Luftverteidigung, getragen durch Rahmen von fünf Jahren hinausgeht und langfris- tig gedacht wird, zwischen zehn und 20 Jahren. Da spielen auch immer wieder Ergänzungen unseres Portfolios hinein. Wie müssen Produkte der Zukunft aussehen? Wie verändern sich Geschäftsfelder? Ent- stehen neue? Wie verändern sich industrielle Struk- turen? Wir wollen den technologischen Vorsprung unserer Produkte erhalten und ausbauen, die einzigartige Position der MBDA-Gruppe in Europa verteidigen und nachhaltiges Wachstum sicherstellen. Kommen wir nun zu einzelnen Projekten und Systemen. Wie sieht es mit den großen europäi- schen Zukunftsprogrammen aus? Da ist natürlich zunächst einmal das Future Combat Air System FCAS zu nennen. Daneben haben wir das Main Ground Combat System MGCS, ebenfalls ein Systemverbund, oder auch TWISTER (Timely War- ning and Interception with Space-based Theater ©MBDA Surveillance), bei dem es um Architekturelemente für eine europäische Missile Defence geht, die wir Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 in Neuburg an der entwickeln und vorbereiten. Das sind alles Themen, Donau mit dem Luft-Luft-Lenkflugkörper Meteor die im Rahmen der Strategie wesentlich sind. 104 HHK 4/2020 Wehrtechnik ©MBDA/Bernhard Huber Thomas Gottschild ist seit Juli 2016 Geschäftsführer der MBDA Deutschland GmbH und Mitglied des Executive Committee der MBDA. Wie ist der aktuelle Sachstand zum FCAS? Wie gehen Sie das ganz praktisch an? MBDA ist ein wesentlicher Akteur für zukünftige Wir haben hier in Schrobenhausen Räumlichkeiten Combat Air Systems. Sowohl auf der englischen für das Remote-Carrier-Team der MBDA geschaffen Seite mit Tempest, aber eben auch in der deutsch- und eingerichtet, damit unsere deutschen, franzö- französisch-spanischen Kooperation. Unser Haupt- sischen und hoffentlich demnächst auch spanischen anliegen ist es, den Effect Layer zu entwerfen, zu ent- Kollegen in einem Team arbeiten können. Wir wickeln und zu liefern. Der Effect Layer umfasst alle profitieren von der räumlichen Nähe zu Airbus in Wirksysteme des zukünftigen Combat Air Systems. Manching. Wir haben eine sichere Infrastruktur, die Zentraler Bestandteil dieses Effect Layers sind die den geschützten Austausch von Daten ermöglicht. Remote Carrier (RC). Sie werden eine Mischung zwi- Die enge Zusammenarbeit in integrierten Entwick- schen dem klassischen Lenkflugkörper und einer lungsteams soll die komplementären Fähigkeiten kleinen Drohne sein. Wir haben die Arbeit im Rah- von Airbus und MBDA bündeln und Synergien frei- men der Demonstratorphase für zukünftige Remote setzen, um die Entwicklungsprozesse der Systeme Carrier-Systeme aufgenommen. Die RC haben eine zu beschleunigen. Wir sind im Aufbau: Momentan hohe Autonomie, sind je nach Ausprägungsart gut sind wir in einer Konzeptphase, in der es um die ausgestattet mit Sensorik oder Effektorik, gehen grundlegenden Konzepte für die Remote Carrier vor allem vernetzt oder zusammen mit bemann- geht. Gleichzeitig entwickeln wir die Angebote für ten Flugzeugen in den Einsatz, um einen gewissen die Folgephase, während der es bis hin zu einem Schutz zu bieten und das Eindringen in den geg- fliegenden Demonstrator geht. nerischen Luftraum zu ermöglichen. Sie sind ein Schlüsselelement innerhalb des System- und Wirk- Kommen wir zu den Landsystemen. Ende vergan- verbundes Next Generation Weapon System NGWS genen Jahres wurde der Vertrag für das Wirkmittel und tragen wesentlich dazu bei, den sich ständig 1800+, den Enforcer, unterzeichnet. weiterentwickelnden Bedrohungen gerecht zu Ja, ein wirklich beeindruckendes Projekt. Wir sind werden. stolz darauf, dass die Bundeswehr nach intensiver Mit dem Wissen der MBDA, basierend auf den Prüfung letztendlich diesen Flugkörper ausgewählt Lenkflugkörpersystemen, auf Flugkörpern und ge- hat. Er wird es den Soldaten ermöglichen, sich in rade auch in Deutschland auf dem TAURUS, bei komplexen Einsatzszenarien durchzusetzen. dem wir Dinge entwickelt haben wie bildgebende Enforcer basiert auf einer modularen Architektur, Navigationssysteme, die eine gute Automatisierung die es uns erlaubt, diesen Flugkörper in eine Fami- der Abläufe mit einer hohen Resilienz gegenüber lie hinein weiterzuentwickeln. So kann man den Störmanövern ermöglichen, sind wir sehr gut auf- Multieffekt-Sprengkopf, den wir heute für die Spe- gestellt, um bei den Remote Carriern einen Beitrag zialkräfte nutzen, auch durch panzerbrechende zu leisten. Gefechtsköpfe ersetzen. Sukzessive planen wir eine HHK 4/2020 105 Wehrtechnik ganze Familie. Das gleiche gilt für die Plattformen. Das Verhältnis von Preis zu Schuss dürfte ja bei Heute wird er schultergestützt verschossen. Aber einem Laser nahezu optimal sein… auch hier verfolgen wir das Ziel, ihn an fliegende Letztendlich brauchen sie elektrische Leistung, die Plattformen zu bringen. UAV könnten zum Beispiel in Wirkung umgewandelt wird. Keine Munition im Träger sein, aber auch landgestützte Plattformen klassischen Sinne. Aber auch gerade, was Kollate- kann ich mir sehr gut vorstellen. ralschäden angeht, bietet der Laser eine Menge an Vorteilen. Haben auch andere Staaten den Enforcer schon ge- kauft oder Interesse bekundet? Also keine schweren Granaten oder Geschosse, die Das Interesse ist groß. Wir haben vielerlei Kontakte man mit Lkw transportieren und in die Waffen- und Anfragen. Ich nenne hier Australien und Polen. systeme erst verstauen muss. Interessant auch für Es gibt auch weitere Kundenkreise, die darüber hi- Landsysteme? naus Interesse haben. Nachdem jetzt der Vertrag Ja, durchaus ist das auch für Landsysteme sehr gut mit der Bundeswehr unterschrieben ist, bin ich prädestiniert. Aber aus meiner Sicht immer kom- überzeugt davon, dass wir auch Exporterfolge ha- plementär zu Lenkflugkörpern, die auch ein Laser ben werden. nicht komplett ersetzen kann. Wenn wir an die Marine denken, ist ja wohl die Ent- Mit einem Laser kann ich nur Ziele direkt anvisieren… wicklung einer Laserwaffe von hoher Bedeutung. …und mit einem Lenkflugkörper eben auch Beyond Wir sind jetzt soweit, diese Technologie mit einem Line of Sight wirken. Demonstrator auf ein Schiff zu bringen, konkret auf eine Fregatte der Klasse 124. Das machen wir Kommen wir zurück zu MBDA als Unternehmen im in einer ARGE gemeinsam mit Rheinmetall. Wir europäischen Verbund. Wie steht es denn aus Ihrer wären grundsätzlich in der Lage, dieses Thema auch Sicht um europäische Gemeinschaftsprojekte? alleine zu stemmen. Wir haben uns bei MBDA die Unsere Zukunftsaussichten sind in Europa gut, ge- umfassende Systemfähigkeit dafür erarbeitet. Aber trieben von den Großprojekten trotz aller Anfangs- am Ende haben wir uns gemeinsam entschieden, probleme, die diese immer mit sich bringen, bis dies in einer ARGE zu machen, um effizienter und dann auch die Kunden- und industriellen Struktu- schneller zu sein. ren harmonisiert sind. Die Integration des Demonstrators soll bis Ende Sie eröffnen viele Chancen, Dinge besser zu machen, 2021 erfolgen. Eine Erprobung durch Marine und als wir es in der Vergangenheit getan haben. Neben Industrie ist für 2022 geplant. Für uns ist es jetzt der